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1Panorama
Rädelsführer hart bestrafen, fordert Konfliktforscher Ulrich Wagner nach Angriffen auf Flüchtlingsheime. STANDARD: Die Zahl der Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland steigt. Vor kurzem brannte im sächsischen Bautzen eine Unterkunft, in Clausnitz hinderte der Mob Flüchtlinge am Betreten ihrer Bleibe. Muss man sich an solche Szenen gewöhnen? Ulrich Wagner: Man möchte das natürlich nicht, aber es ist eine weitere Eskalation zu befürchten, wenn sich politisch nichts ändert. Seit Sommer 2015 sind die Menschen in Deutschland sehr verunsichert, wie es mit den vielen Flüchtlingen weitergehen soll. Wenn Menschen unsicher sind, suchen sie nach einfachen Antworten. Und die einfachste Antwort ist dann: Die Flüchtlinge sind irgendwie selber schuld. Das rechtfertigt sozusagen, dass man gegen Geflüchtete selber vorgeht. STANDARD: Vielerorts herrscht in Deutschland die Meinung, Kanzlerin Angela Merkel sei schuld. Wagner: Ich glaube nicht, dass die Entscheidung, mit Österreich all die Menschen aufzunehmen, der Grund für gestiegene Fremdenfeindlichkeit ist. In beiden Ländern setzte eine große Welle der Hilfsbereitschaft ein. Problematisch aber ist, dass Merkel keine Lösung dazu anbot, wie man es schaffen solle. Dann sah man wochenlang Bilder von überfüllten Unterkünften und unwürdigen Zuständen. Das machte die politische Hilflosigkeit deutlich und verstörte auch Gutwillige. STANDARD: Inwiefern haben die Ereignisse von Köln in der Silvesternacht das Misstrauen vergrößert? Wagner: Das hat leider in hohem Maß dazu beigetragen. Es war ein schreckliches Ereignis in Köln. Aber plötzlich herrschte in ganz Deutschland das Gefühl: Das kann auch mir überall passieren. STANDARD: Wer protestiert vor Flüchtlingsunterkünften? Das sind doch nicht nur Neonazis. Wagner: Die Rädelsführer kommen aus dieser Szene. Das wissen wir auch aus Untersuchungen in den Neunzigerjahren, als es in Deutschland eine Reihe schrecklicher Vorkommnisse gab – in Rostock-Lichtenhagen und Hoyerswerda. Aber in der Masse steht auch die bürgerliche Mitte, die um ihre Pfründe fürchtet. STANDARD: Als Einzelpersonen würden viele davon wohl nicht so handeln. Wagner: Nein. Das ist Gruppendynamik. Die Menschen sind aufgeheizt, oft angetrunken, es schaukelt sich hoch. STANDARD: Trägt die Alternative für Deutschland (AfD) zur Verschärfung des Klimas bei? Wagner: Natürlich. Wenn der Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke vom lebensbejahenden afrikanischen Ausbreitungstyp spricht, ist das eine eindeutige rassistische Äußerung. Die AfD tritt im Osten Deutschlands viel radikaler auf als im Westen, weil sie auf dieser Schiene zulegen kann. Im Osten haben die Menschen nicht die gleiche interkulturelle Kompetenz wie im Westen, weil es weniger Ausländer gab und gibt. STANDARD: Wie soll man auf fremdenfeindliche Angriffe reagieren? Wagner: Wichtig ist, mit aller Klarheit und strafrechtlichen Konsequenzen gegen die Rädelsführer vorzugehen. Dann braucht es eine deutliche Verurteilung durch Politiker. Sie müssen zeigen, dass es Grenzen gibt, die nicht zu überschreiten sind. Natürlich sollte man auf die Mitläufer zugehen und mit ihnen reden. STANDARD: Wen sehen Sie diesbezüglich in der Pflicht? Wagner: Die Politik, Kommunalpolitiker vor Ort, aber auch den anderen, erfreulicherweise größeren Teil der Gesellschaft. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, und es passiert ja auch viel, vor allem in Schulen, wenn Kinder zusammen lernen und Eltern zusammenkommen. Jeder kann ein bisschen dazu beitragen. Und wir sollten in Deutschland wie in Österreich aufhören zu diskutieren, ob die Flüchtlinge kommen sollen oder nicht. Sie sind ja schon da. Jetzt müssen wir gemeinsam daraus das Beste machen.
8Kultur
Dots-Chef Martin Ho möchte revitalisieren und Preise senken. Wien – Gerüchte gab es seit dem Frühjahr, nun ist es fix: Der Technoclub Pratersauna an der Waldsteingartenstraße 135 wird verkauft. Heute, Donnerstag, wurde der Vertrag unterzeichnet. Die Pächter Hennes Weiss und Stefan Hiess, die aus der ehemaligen Strizzi-Destination einen international beachteten Club für elektronische Musik gemacht haben, werden das Haus nach sechs Jahren Betrieb an den Wiener Gastronomen und Clubbetreiber Martin Ho abtreten. Dieser kauft die Liegenschaft von der Immobiliengesellschaft Plech. Erst im März öffnete Ho, der mit seinen Dots-Sushi-Lokalen zu den erfolgreichsten Junggastronomen Österreichs gehört, direkt neben der Pratersauna den Hip-Hop-Club VIE i PEE. Einen Durchgang zwischen den Lokalen gab es schon bisher. Die Pratersauna-Betreiber, mit dem Status quo zuletzt eher unzufrieden, wollten im März mit einem veränderten Konzept (weniger internationale Bookings, striktere Türpolitik) neu durchstarten. Das obliegt nun Martin Ho. Poollandschaft wird erneuert Ein Sprecher des Gastronomen bestätigte den Deal gegenüber dem STANDARD. Detailpläne für Veränderungen gebe es derzeit noch nicht, so der Sprecher, allerdings habe man bereits einige Ideen. Der Club solle jedenfalls revitalisiert werden, ohne den typischen Saunacharakter zu verlieren. So wolle man etwa die Poollandschaft im Garten erneuern, kulinarisch aufwerten und stärker für den Tagesbetrieb öffnen. Auch die Preise sollen sinken. In etwa um 15 Prozent, vor allem bei den Getränken, so der Sprecher. Musikalisch soll alles bleiben wie gehabt, es gehe weiterhin um elektronische Musik. Keine Angst, es soll kein Sushi-Tempel daraus werden. Umbauten seien zwischen Jänner und März angepeilt. Während dieser Zeit soll der Club geschlossen bleiben. Martin Ho sieht die Zukunft seines Unternehmens vermehrt im Clubgeschäft, teilt sein Sprecher mit. Er wolle damit auf veränderte Konsumgewohnheiten bei jungen Leuten reagieren, für die Kulinarik und Musik immer mehr zusammengehören würden. Wie kürzlich bekannt wurde, stehen auch beim Pratersauna-Konkurrenzclub Grelle Forelle am Donaukanal größere Veränderungen an. Der Clubbereich wird verkleinert und ein Restaurant eingerichtet. Musikalisch möchte man auch vermehrt auf Konzerte abseits der Elektronik setzen.
6Etat
Italiens Zeitungen sind in der Krise, die Fusion von "La Stampa" und "La Repubblica" bringe eine weitere Medienkonzentration, sagt der bekannte Journalist. STANDARD: Wie schaut die Zeitungslandschaft nach der Krise, die die Medienbranche in den vergangenen Jahren auch in Italien durchgemacht hat, aus? Anselmi: Wir erleben im Westen eine generelle Krise der Printpresse. In Italien ist die Mauer von sechs Millionen verkauften Exemplaren eingebrochen. Jetzt sind wir bei knapp über vier Millionen. Wir werden uns nie erholen. Es war ein Fehler zu glauben, das Internet wäre ein Allheilmittel, noch dazu kostenlos. Die verlorengegangenen Zeitungsexemplare konnten nicht durch Online-Aktivitäten wettgemacht werden, weil die Einträge viel niedriger sind. Man hat keine Alternative gefunden. Auch die kleineren wie Il Piccolo wurden nicht verschont. Il Mattino, Il Secolo XIX, Il Gazzettino verkaufen heute weniger als die Hälfte als vor zehn Jahren. Die großen überregionalen Zeitungen Corriere della Sera, Repubblica, Sole 24 Ore erreichen nur noch je rund 300.000 verkaufte Exemplare, die Hälfte früherer Werte. STANDARD: Die Fusion der Zeitungen La Repubblica und La Stampa, die die Branche auf Kopf stellt, ist stillschweigend zur Kenntnis genommen worden. Warum? Anselmi: De facto haben wir in Italien zwei große Verlagsgruppen: eine um La Repubblica, zu der auch Il Secolo XIX und LEspresso gehören. Und die zweite um den Corriere della Sera, wo sich seit Jahren eine Clique von Herausgebern streitet und gegenseitig bekämpft. Man spekuliert auch über eine Fusion von Corriere und Sole, ich glaube aber nicht daran. Es gibt dann den Verleger Gaetano Caltagirone, der unter anderem Il Mattino, Messaggero, Gazzettino herausgibt, dem man ein Expansionspotenzial zutraut. STANDARD: Ein Problem scheint der Mangel an echten Verlegern in Italien zu sein. Die meisten sind Unternehmer. Anselmi: Pure Verleger sind rar. Eher sind es Industrielle, die ins Mediengeschäft eingestiegen sind, um Einfluss über die Politik zu bekommen: die Zeitung als Druckinstrument. Attilio Monti, langjähriger Verleger von La Nazione und Il Resto del Carlino, pflegte zu sagen: Meine Zeitungen sind meine Pistolen. STANDARD: Wie haben Italiens Zeitungen generell auf die digitale Revolution reagiert? Anselmi: Sehr langsam. Sowohl die Verleger als auch die Journalisten haben sehr spät Antworten auf die Herausforderungen des Internets gesucht. Wir sind technologisch rückständig, erst vor zehn Jahren hat man begonnen aufzuholen. STANDARD: Stellt die Fusion von La Repubblica und La Stampa eine Bedrohung für die Pressevielfalt dar? Anselmi: Sie ist ein Problem. Ich glaube aber nicht, dass sie mit der Absicht entstanden ist, ein Kartell, ein Oligopol zu bilden. Eher ist sie aus blanker Panik, zu sterben, aus einer Überlebensnot entstanden und nicht wegen irgendwelcher politischen Absichten. Erstaunlich ist allerdings die Stille, mit der die Fusion von Politik und Medien aufgenommen wurde. Alle haben einfach Angst davor, den Job zu verlieren, und die Politik fürchtet sowieso die Zeitungen nicht. Diese Angst, zu verschwinden, sagt eine Menge aus über das Gefühl, vor dem Aus zu stehen, und die großen Schwierigkeiten, vor denen die Branche steht. STANDARD: Wie ist es mit der Qualität des Journalismus in Italien im Vergleich zu anderen europäischen Ländern und den USA bestellt? Anselmi: Es gibt nicht nur die Frankfurter Allgemeine Zeitung, The Times, The Independent, The Wall Street Journal, die zum Teil eine Balance zwischen Print und Online gefunden haben. Im Europavergleich ist die Lage in Deutschland und Großbritannien besser als in Italien. In Frankreich zum Beispiel geht es dagegen vielen regionalen Zeitungen schlechter. Im Allgemeinen ist Journalismus bei uns in Italien eher unkritisch, man kämpft für die Privilegien und nicht die eigene Unabhängigkeit, der Journalismus ist an der Beziehung zur Macht interessiert.
0Web
Nur 15 Prozent wollen autonom fahrende Autos. Trotz technischer Erfolge bei der Entwicklung komplett computergesteuerter Autos – die Mehrheit der Amerikaner kann sich mit dieser Vorstellung nicht anfreunden. Einer am Montag veröffentlichten Studie der Universität von Michigan zufolge wollen fast alle Befragten Lenkrad, Gas- und Bremspedale behalten, um zumindest bei Bedarf eingreifen zu können. 46 Prozent sind demnach gegen das sogenannte autonome Fahren, für teilweise computergesteuerte Fahrzeuge sind 39 Prozent. Der Anteil jener Fahrer, die sich für völlig autonom fahrende Autos begeistern, liegt nur bei 15 Prozent. Das Ergebnis entspricht im Wesentlichen dem einer ähnlichen Studie, die die Universität vor einem Jahr machte. Auch eine im März veröffentlichte Erhebung des US-Automobilclubs AAA kam zu ähnlichen Schlussfolgerungen. Möglicherweise stürzen sich die Automobil- und Technologiefirmen hier also in ein Geschäft, in dem die Nachfrage nur sehr begrenzt ist. General Motors hat erst kürzlich das Start-up Cruise Automation aus dem Silicon Valley gekauft, Berichten zufolge für eine Milliarde Dollar. Ford teilte am Montag mit, Kooperationen in dem Bereich in Erwägung zu ziehen.
0Web
Gegen Stromdiebstahl entwickelt. Der verbotene Anbau von Hanfpflanzen zur Herstellung von Haschisch in den Niederlanden soll in Zukunft schwieriger werden. Der Stromnetzbetreiber Stedin aus Rotterdam hat nach eigenen Angaben vom Samstag eine Software entwickelt, die von örtlichen Verteilstellen aus den übermäßigen und meist illegalen Verbrauch von großen Strommengen in den großen Städten des Landes relativ genau orten kann. Wir sehen, dass die Kriminellen beim Verbergen von Hanfplantagen immer innovativer geworden sind, sagte Dave de Wit, der bei Stedin für die Bekämpfung von Stromdiebstahl zuständig ist. Hanf muss, um das Haschisch-Harz auszubilden, mit Lampen bestrahlt werden. Dabei entsteht Hitze – zudem wird das Stromnetz meist illegal angezapft. Mittlerweile würden in den Städten des Landes die Plantagen in Dachböden oder anderen Räumen besser belüftet und isoliert, sagte De Wit. Sie seien immer schwerer mit Wärmebildkameras aus Polizeihubschraubern zu erkennen. In der Mitteilung des Netzbetreibers heißt es, der verborgene Hanfanbau in Großstädten sei wegen der Manipulation der Stromleitungen und der Kurzschlussgefahr ein Problem für die Allgemeinheit. Im vergangenen Jahr seien 1.352 Hanfplantagen entdeckt worden. Stedin wolle mit der präzisen Überwachung des Stromverbrauchs aber nicht nur die Hanfanbauer, sondern alle Stromdiebe treffen.
3Wirtschaft
Der Lebensmittelriese nimmt Maggi-Fertignudeln aus dem Verkauf, für die Behörde sind sie unsicher und gefährlich, anders sieht das Nestle. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung.
2International
Nachdem sich AfD-Vize Gauland rassistisch über den deutschen Nationalspieler geäußert hatte, gingen die Wogen hoch. Berlin – Zwei Wochen vor Beginn der Fußball-EM sorgt eine Aussage des stellvertretenden Chefs der Alternative für Deutschland, Alexander Gauland, über den deutschen Nationalspieler Jérôme Boateng für Aufregung und löste in Politik und sozialen Netzwerken eine Welle der Empörung aus. Boateng, als Sohn einer deutschen Mutter und eines aus Ghana stammenden Vaters in Berlin geboren und aufgewachsen, werde zwar als Spieler in der Nationalmannschaft geschätzt, doch das bedeute nicht, dass er nicht als fremd empfunden werde, sagte Gauland im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben. Boateng reagierte auf die Beleidigung zwar gelassen, hielt in einem ARD-Interview nach dem Länderspiel zwischen Deutschland und der Slowakei am Sonntagabend aber fest, es sei traurig, dass so etwas heute noch vorkommt. Empörung über Gauland: Boateng reagiert gelassen https://t.co/Gt1mhQHoji #AfD #Boateng Der Verteidiger von Bayern München betonte in dem Interview auch, dass im Augsburger Stadion genug Leute eine sehr schöne Antwort auf Gaulands Äußerung gegeben hätten. Tatsächlich waren im Stadion zahlreiche Sympathiebekundungen zu sehen, darunter Jérôme, sei unser Nachbar und Jérôme, zieh neben uns ein. Nach harter Kritik an Gauland entschuldigte sich AfD-Chefin Frauke Petry in der Bild-Zeitung für dessen Aussagen: Herr Gauland kann sich nicht erinnern, ob er diese Äußerung getätigt hat. Ich entschuldige mich unabhängig davon bei Herrn Boateng für den Eindruck, der entstanden ist. Auch auf Twitter äußerte sich Petry versöhnlich. Jêrome Boateng ist ein Klasse-Fußballer und zu Recht Teil der deutschen Nationalmannschaft. Ich freue mich auf die EM. #Nachbarn Als Reaktion auf Petrys Twitter-Statement veröffentlichte der Rapper Eko Fresh ein ihr gewidmetes Lied und schrieb auf Twitter: Frauke Petry, du bist so sexy, wenn du lügst. Gauland erklärte am Sonntag in einer Pressemitteilung: Ich habe nie, wie die FAS insinuiert, Herrn Boateng beleidigt. Ich kenne ihn nicht und käme daher auch nicht auf die Idee, ihn als Persönlichkeit abzuwerten. Er habe sich in dem Hintergrundgespräch mit der Zeitung an keiner Stelle über Herrn Boateng geäußert, dessen gelungene Integration und christliches Glaubensbekenntnis mir aus Berichten über ihn bekannt ist. Die Zeitung verwies hingegen darauf, dass zwei ihrer Berliner Korrespondenten die entsprechende Aussage aufgezeichnet hätten. Am Abend räumte Gauland in der ARD ein, Boatengs Name möge gefallen sein. Gegen die Überschrift des FAS-Artikels (Gauland beleidigt Boateng) wolle er dennoch juristisch vorgehen, denn ich habe Herrn Boateng überhaupt nicht bewertet oder abgewertet. Aus Gründen#Boateng #boatengsnachbar #Gauland pic.twitter.com/vRR4ubIRiQ Gauland fühlt sich wegen seiner Äußerungen jedenfalls zu Unrecht an den Pranger gestellt, hält jedoch an seinem Verständnis für Menschen mit fremdenfeindlichen Ressentiments hält Gauland fest. Ich bin natürlich kein Rassist, sagte Gauland am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Auf die Frage, ob denn Menschen, die Vorbehalte gegen Nachbarn mit ausländischen Wurzeln haben, Rassisten seien, sagte er: So weit würde ich nicht gehen. Politiker mehrerer Parteien empörten sich über Gaulands Äußerung. Justizminister Heiko Maas bezeichnete sie als niveaulos und inakzeptabel: Wer so redet wie Gauland, entlarvt sich selbst – und zwar nicht nur als schlechter Nachbar, schrieb Maas auf seiner Facebook-Seite. Die Aussagen sind schlicht rassistisch und menschenverachtend. Boatengs frühere #Nachbarn sind übrigens ziemlich stolz auf ihn. Zu recht! #Wedding #Gauland pic.twitter.com/lwnYF4Kgn9 Ich hätte Jérôme Boateng sehr viel lieber in der Nachbarschaft als Alexander Gauland, sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Julia Klöckner von der CDU bezeichnete Gaulands Verhalten als typisches Afd-Muster. Lieber Boateng als Gauland als Nachbarn. Typisches Muster AfD: beleidigen, provozieren - später dann relativieren. https://t.co/vDhbCqSz6L SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte, viele empörten sich über Gaulands Bemerkung als fremdenfeindlich: Boateng ist aber kein Fremder, sondern Deutscher. Das zeige, dass Gauland nicht nur gegen Fremde, sondern auch gegen das Gute an Deutschland sei: Modernität, Weltoffenheit und Liberalität. Gabriel zog daraus den Schluss: Gaulands AfD ist auch deutschfeindlich. Viele nennen #Boateng-Äußerung von #Gauland fremdenfeindlich. Boateng ist aber Deutscher. #AfD ist deutschfeindlich! pic.twitter.com/b8UnP8azAM Innen- und Sportminister Thomas de Maizière sagte der Bild, anders als die AfD setze Boateng mit seinem vielfältigen sozialen Engagement neben dem Platz wichtige Impulse für den Zusammenhalt Deutschlands: Jeder Deutsche kann sich glücklich schätzen, solche Leute zu haben, als Teamgefährte, deutscher Staatsbürger und als Nachbar. Der Präsident des Deutschen Fußballbundes (DFB), Reinhard Grindel, nannte es einfach geschmacklos, die Popularität Boatengs und der Nationalmannschaft für politische Parolen zu missbrauchen. Millionen Menschen liebten die Mannschaft, weil sie so ist, wie sie ist. Boateng sei ein herausragender Spieler und ein wunderbarer Mensch, der sich gesellschaftlich stark engagiere und für viele Jugendliche ein Vorbild sei. Auf seiner Website und seiner Facebook-Seite reagierte der DFB zudem mit einer Videobotschaft. Auch der Manager der deutschen Nationalmannschaft, Oliver Bierhoff, wandte sich gegen Gaulands Äußerung: Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir mit solchen Aussagen konfrontiert werden. Sie bedürfen keiner weiteren Kommentierung, die Personen diskreditieren sich von alleine. Vergangene Woche hatten sich bereits Anhänger der fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung in sozialen Netzwerken abschätzig über Boateng geäußert. Anlass war eine Sonderedition des Kinderschokolade-Herstellers Ferrero, der anlässlich der Fußball-EM Verpackungen mit Kinderbildern deutscher Nationalspieler bedruckte.
4Sport
Österreichischer KTM-Fahrer musste auf der siebten Etappe des Rennens verletzt aufgeben. Uyuni – Auch die zweite Teilnahme von Motorrad-Pilot Matthias Walkner an der Rallye Dakar hat vorzeitig geendet. Nach seiner im Vorjahr auf der zehnten Etappe des Südamerika-Abenteuers durch eine Lebensmittelvergiftung notwendig gewordene Aufgabe, kam diesmal das Out am Samstag zu Beginn der siebenten Etappe nach einem Sturz mit seiner KTM. Walkner zog sich dabei einen Oberschenkelbruch zu. Im Gegensatz zu 2015 gewann der Salzburger beim Motorsport-Klassiker keine Etappe, die Aussichten auf eine Top-Platzierung oder sogar den Gesamtsieg waren aber bis zuletzt größer. Der 29-Jährige hatte aus seinem Debüt gelernt und war in der ersten Bewerbwoche mehrheitlich taktisch und Material schonend gefahren, erst in der zweiten Hälfte nach dem für Sonntag angesetzten Ruhetag sollte der Angriff auf die Spitze kommen. Walkner ist am Samstag als Gesamt-Dritter mit lediglich 2:50 Minuten Rückstand auf den portugiesischen Honda-Piloten Paulo Goncalves in das Rennen gegangen. Mit den Etappenplätzen drei und zwei hatte der Werkspilot an den beiden Tagen zuvor sein Potenzial bereits angedeutet. Walkner galt als aktueller Cross-Country-Weltmeister als einer der Sieganwärter. Doch die Tücken der Dakar machten ihm nun doch einen Strich durch die Rechnung. Schon am Sonntag davor war er bei einem Sturz auf einem Verbindungsteilstück noch relativ glimpflich davongekommen. Am Dreikönigstag konnte Österreichs Motorsportler des Jahres eine Kollision mit zwei Lamas gerade noch vermeiden. Am Samstag erwischte es ihn schon rund 15 km nach dem Start der von Uyuni in Bolivien nach Salta in Argentinien führenden Etappe. Der kurz danach an der Unfallstelle vorbeikommende Goncalves stoppte und meldete den Unfall per Leuchtrakete. Der Iberer blieb einige Minuten bei Walkner, fasste dadurch einen Malus von rund elf Minuten aus. Später wurden Goncalves aber 10:53 Minuten wieder gutgeschrieben. Nach der Bergung wurde Walkner mit einem Hubschrauber in das Krankenhaus von Uyuni gebracht. Dort wird er gerade durchgecheckt und geröntgt. Matthias ist bei Bewusstsein, vermeldete seine Schwester Eva Walkner, Freeride-Weltmeisterin und für die Medienarbeit ihres Bruders mitverantwortlich, nach einem Gespräch mit KTM-Team-Manager Alex Doringer.
7Wissenschaft
Aufwendungen stiegen auf knapp 500 Millionen Euro. Wien – Die Aufwendungen für die Forschungsprämie sind zwischen 2009 und 2014 um rund 46 Prozent auf 495,2 Mio. Euro gestiegen. Das geht aus einer parlamentarischen Anfragebeantwortung durch Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) hervor. Rund drei Viertel davon gingen an Großbetriebe (über 251 Mitarbeiter). Hier wird bewusst Innovationskraft brach liegen gelassen, kritisierte der anfragestellende FPÖ-Technologiesprecher Gerhard Deimek am Montag in einer Aussendung unter Hinweis darauf, dass Klein- und Mittelbetriebe (KMU) nur etwa ein Viertel der Forschungsprämie erhielten. Definiert man Großbetrieb nach dem Umsatz, gingen sogar 88 Prozent der Forschungsprämie an Großunternehmen (Vom Finanzministerium mit Umsatz über 9,68 Mio. Euro definiert). In den Beobachtungszeitraum fiel die Erhöhung der Forschungsprämie von acht auf zehn Prozent Anfang 2011. Seit Beginn des Jahres 2013 benötigen Unternehmen ein Gutachten der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG), wenn sie die Forschungsprämie für Aufwendungen für Forschung und Entwicklung (F&E) in Anspruch nehmen wollen. Die Erhöhung der Forschungsprämie von zehn Prozent auf zwölf Prozent in diesem Jahr ist in den Zahlen nicht mehr abgebildet. Von 337,5 Mio. Euro im Jahr 2009 stiegen die Ausschüttungen für die Forschungsprämie auf den Höchstwert von 571,7 Mio. Euro im Jahr 2012, gingen im darauffolgenden Jahr auf 377,1 Mio. Euro zurück, um 2014 wieder auf den bisher zweithöchsten Wert von 495,2 Mio. Euro anzusteigen. In den beiden starken Jahren 2012 und 2014 war auch der Anteil der Großbetriebe (definiert nach Mitarbeiterzahl) mit 77 Prozent (2012) bzw. 73,8 Prozent (2014) am höchsten. Mit Anfang 2012 wurde auch der Deckel für die steuerliche Begünstigung von Auftragsforschung von 100.000 Euro auf eine Mio. Euro angehoben, eine Maßnahme, die vor allem KMU ohne eigenes Forschungspersonal unterstützen soll. Die Aufwendungen dafür stiegen von 1,5 Mio. Euro im Jahr 2009 auf 4,7 Mio. Euro im Jahr 2014. Kam diese Maßnahme zwischen 2009 und 2012 überwiegend KMU zugute (Anteil der KMU, definiert nach Mitarbeiterzahl, zwischen 78,5 und 88,3 Prozent), griffen 2013 und 2014 zunehmend Großbetriebe auf dieses Instrument zu (Anteil der Großbetriebe 2013: 47,5 Prozent; 2014: 55,3 Prozent). Die FPÖ ortet angesichts dieser Zahlen erhebliche Ungleichgewichte und fordert eine Neugestaltung der Forschungsprämie, etwa eine großzügige Mindestquote für KMU. Der Präsident der Industriellenvereinigung, Georg Kapsch, hat sich dagegen erst bei den Alpbacher Technologiegesprächen vergangene Woche gegen Änderungen bei der Forschungsprämie ausgesprochen, da werden wir uns mit Händen und Füßen dagegen wehren. Der Anteil der ausländischen Forschung an den gesamten Aufwendungen für Forschung und Entwicklung stagniere seit Jahren, die Prämie sei eines der wenigen Instrumente, mit denen man internationale Unternehmen nach Österreich locken könnte.
8Kultur
Ewige Themen in prächtigen Herbstfarben. Der Countrystar gastiert am Montag mit neuem Album in Wien. Wien – Ihr Halbbruder hat es probiert, aber es ging nicht. John Carter Cash nahm lieber am Stuhl hinter dem Aufnahmepult Platz als vorn am Mikrofon. Der Sohn von Johnny Cash versuchte sich zwar auf Tour mit seinem Dad als Countrysänger, anders als ein zu erduldender Pausenfüller wurde er nicht wahrgenommen. Wie schwierig es sein kann, sich aus dem Schatten eines übermächtigen Vaters zu lösen, darüber wurden Filme gedreht, Bücher geschrieben, daran sind im richtigen Leben Existenzen zerbrochen. Rosanne Cash kann davon ein Lied singen. Oder zwei. Aber sie hat es geschafft. Die älteste Tochter des Countrygroßmeisters Johnny Cash etablierte sich früh als eigenständige Künstlerin, kommenden Montag gastiert die 60-Jährige in der Wiener Arena. Ihre Karriere kam zu Beginn der 1980er-Jahre in Fahrt. Das war ein für Country schlechtes Jahrzehnt. Die Ära der gebügelten Jeans und einer Musik, die sich der Technik anstatt der Gefühle ergab. Das zeitigte überproduzierte Schablonenalben ohne Ecken und Kanten. Nashville, und Rosanne Cash lebte dort, wurde zum Synonym für aalglatte Kommerzprodukte, die Country als authentische Volksmusik des weißen Mannes zu Grabe trugen. Da mittendrin reüssierte sie mit überdurchschnittlich intelligenten Songs und gelangte regelmäßig in die Charts. Heute blickt sie auf ein paar Dutzend Hits zurück, etliche Grammy-Gewinne und Nominierungen sowie eine zweite Karriere als Autorin. Nach dem Ende ihrer ersten Ehe zog sie Anfang der 1990er nach New York. Dort lebt sie mit ihrem Ehemann John Leventhal. Die Metropole schärfte ihren Blick für die Themen des Country, den sie ohnehin nie hardlinerisch interpretiert hat. Früh ließ sie Folk, Gospel und Blues in ihre Musik einfließen. Ihr jüngstes mit drei Grammys ausgezeichnetes Album The River & The Thread (2014) ist ein diesbezügliches Manifest. Eine Sammlung von Liedern, die von den Mythen des amerikanischen Südens beeinflusst sind. Von Reisen ins Delta, an die Geburtsorte des Blues, des Soul, des Rock n Roll. Inspiriert von den Charakteren und der Geschichte dieses Landstrichs entstanden so einfache wie vielschichtige Songs. Etwa Tell Heaven oder The Sunken Lands, die in ihrer Reduktion und erzählerischen Kraft große Wirkmächtigkeit besitzen. Verpackt sind sie in prächtige Herbstfarben und eine patinierte Soundästhetik, die man von Joe Henry kennt. Zusätzlich punktet das Album mit Gastauftritten von Kris Kristofferson oder Tony Joe White. Auch ihre Familiengeschichte schimmert aus The River & The Thread heraus . Das wunderbare Ettas Tune ist eine Erinnerung Cashs an ihre Tante Etta. Keine Blutsverwandte, aber als Frau eines Begleitmusikers ihres Vaters, Marshall Grant von den Tennessee Two, eine frühe Konstante in ihrem Leben. Auf Tour spielt Rosanne Cash ihre Songs im Duo mit ihrem Mann John Leventhal, selbst ein Grammypreisträger und Kollaborateur illustrer Größen wie Willie Nelson, Elvis Costello, Dolly Parton, Emmylou Harris, Charlie Haden oder Levon Helm. Gemeinsam reduzieren sie die Songs auf ihr Maximum. Wer sich davon an das Spätwerk ihres Vaters erinnert fühlen möchte, bitte sehr.
3Wirtschaft
Der erfolgreichste deutsche Konzern wird bereits in vierter Generation von der mächtigen, aber medienscheuen Wirtschaftsdynastie Quandt geführt. Ökologie wird zur Ökonomie des 21. Jahrhunderts. Wem würde man eine solche Aussage zuschreiben? Dieselbe Person investiert seit einiger Zeit schwerpunktmäßig in Unternehmen, die sich mit dem Erhalt der lebenswichtigen Ressource Wasser beschäftigen. Ihr Name: Susanne Klatten. Sie und ihr Bruder Stefan Quandt verfügen seit dem Tod ihrer Mutter Johanna Quandt Anfang August 2015 gemeinsam über 46,6 Prozent der Stammaktien des deutschen Autoherstellers BMW. Marktwert im Frühjahr 2015: 31 Milliarden Euro. Der Publizist Rüdiger Jungbluth hat seine 2002 erschiene Familienbiografie überarbeitet und stellt nun die vierte Generation der Dynastie in den Fokus, allen voran die BMW-Großaktionäre Susanne Klatten und Stefan Quandt, die beiden Kinder aus der dritten Ehe Herbert Quandts. Der Industrielle, der 1954 mit seinem Halbbruder Harald ein Firmenkonglomerat im Wert von damals 55,5 Millionen D-Mark erbte, verhinderte, dass das industrielle Nationalheiligentum der Bayern 1959 nicht in die Hände der Daimler Benz fiel. Jungbluth hatte für sein Buch Gelegenheit, mit den öffentlichkeitsscheuen BMW-Erben zu sprechen. Susanne Klatten gibt darin auch Privates preis. Der Liebesbetrug durch einen vermeintlichen Liebhaber und der aufsehenerregende Prozess gegen den Mann ist allerdings kein Thema. Dafür erhält der Leser Einblicke in Wirken und Denken der Geschwister. Zugleich zeichnet der Autor den wirtschaftlichen Aufstieg einer Familie nach, ohne moralische Fragen auszusparen. Bis zu der Ausstrahlung des NDR-Films Das Schweigen der Quandts 2007 wollten sich diese nicht damit auseinandersetzen, dass Großvater Günther Quandt (er war in zweiter Ehe mit Magda Ritschel, der späteren Frau des NS-Propagandaministers Joseph Goebbels verheiratet), mit nahezu allen Mitteln versucht hat, seinen Reichtum und seine wirtschaftliche Macht in der Hitler-Diktatur zu vergrößern.
5Inland
Gegen den Leiter der Landespersonalabteilung läuft ein Disziplinarverfahren. Die Suspendierung wurde aus formalen Gründen aufgehoben. Salzburg – Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat am vergangenen Freitag die Suspendierung des im April vom Dienst freigestellten ehemaligen Leiters der Landespersonalabteilung aus Formalgründen aufgehoben. Ein Sprecher von Personallandesrat Josef Schwaiger (ÖVP) bestätigte am Mittwoch einen entsprechenden ORF-Salzburg-Bericht. Auf das laufende Disziplinarverfahren habe die Entscheidung keinen Einfluss. Es wurde nicht inhaltlich entschieden. Das Landesverwaltungsgericht hat argumentiert, dass die Suspendierung zu spät ausgesprochen wurde. Der 55-jährige ehemalige Abteilungsleiter ließ sich am 9. April 2015 zunächst auf eigenen Wunsch vom Dienst freistellen, nachdem Mitarbeiter seinen Führungsstil kritisiert hatten. Im Oktober 2013 wurde er aber zusätzlich suspendiert, parallel läuft beim Land ein Disziplinarverfahren. Der Ex-Abteilungsleiter kam nach Aufhebung der Suspendierung am Dienstag wieder in die Arbeit, blieb aber nur kurz. Wie Landesamtsdirektor Sebastian Huber sagte, habe er mit dem Mitarbeiter einvernehmlich eine Freistellung vereinbart, bis das Disziplinarverfahren beendet ist. Das werde frühestens im ersten Quartal 2016 geschehen. Der frühere Personalchef ist damit bei vollen Bezügen freigestellt.
7Wissenschaft
Forscher präsentieren umfassende Ergebnisse der Analyse von Staubpartikeln aus den Tiefen des Weltraums. Die Weltraumsonde Ulysses brach 1990 zu einer der herausragendsten Missionen der europäischen Forschungsgeschichte auf: Das Kooperationsprojekt zwischen Esa und Nasa hatte in erster Linie die Erforschung der Sonne zum Ziel. Dafür wurde Ulysses auf eine polare Sonnenumlaufbahn geschickt, für die sie sich beim Jupiter ordentlich Schwung holte. Es war die erste Sonde überhaupt, die unser Zentralgestirn in einem zur Ekliptik um rund 90 Grad verschobenen Orbit umkreiste. Die zweite Aufgabe von Ulysses galt interstellaren Staubpartikeln, die die Sonde auf ihrer 19 Jahre dauernden Mission einfangen und analysieren sollte. Mehr als 900 von ihnen spürte Ulysses auf. Nun legten Wissenschafter erstmals eine umfassende Analyse dieses bisher größten Datensatzes interstellarer Staubteilchen vor. Ihre Bilanz: Im Einflussbereich der Sonne können sich Flugrichtung und -geschwindigkeit der Teilchen stärker ändern als bisher gedacht. Seit etwa 100.000 Jahren durchquert unser Sonnensystem mit einer Geschwindigkeit von etwa 80.000 Kilometer pro Stunde die Lokale Flocke – eine Wolke aus interstellarer Materie mit einem Durchmesser von 30 Lichtjahren. Mikroskopisch kleine Staubteilchen aus dieser Wolke bahnen sich ihren Weg bis ins innere Sonnensystems. Für Forscher sind sie eine Art Botschafter aus den Tiefen des Alls und enthalten grundlegende Informationen über unsere entferntere kosmische Heimat. Mehrere Raumsonden haben die zugereisten Teilchen in der Vergangenheit aufgespürt und charakterisiert. Zu ihnen zählen Galileo und Cassini, welche die Gasplaneten Jupiter und Saturn zum Ziel hatten, sowie die Mission Stardust, die im Jahr 2006 eingefangene interstellare Staubteilchen zur Erde brachte. Die Daten von Ulysses, die wir jetzt erstmals in ihrer Gesamtheit ausgewertet haben, sind einzigartig, sagt Harald Krüger vom Göttinger Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. 16 Jahre lang untersuchte das Instrument an Bord von Ulysses fast ohne Unterbrechungen den Teilchenstrom von außerhalb unseres Sonnensystems. Im Vergleich dazu lieferten andere Missionen nur Momentaufnahmen. Den Daten der mehr als 900 Teilchen, die das Staubinstrument von Ulysses detektierte, haben die Forscher die bisher detailliertesten Informationen über Masse, Größe und Flugrichtung der interstellaren Wanderer entnommen. Computersimulationen halfen dabei, die verschiedenen Einflüsse der Sonne zu verstehen und voneinander zu trennen. So bestätigten sich frühere Analysen, wonach der interstellare Staub stets in ungefähr derselben Richtung das Sonnensystem durchquert. Sie entspricht der Richtung, in der sich das Sonnensystem und die Lokale Flocke relativ zueinander bewegen. Kleinere Abweichungen von dieser Hauptrichtung hängen von der Masse der Teilchen und vom Einfluss der Sonne ab, sagt Peter Strub vom Göttinger Max-Planck-Institut. Im Jahr 2005 allerdings zeigte sich ein anderes Bild: Die weitgereisten Teilchen erreichten den Staubdetektor aus einer verschobenen Richtung. Unsere Simulationen legen nun nahe, dass auch dieser Effekt auf die Schwankungen des Sonnenmagnetfelds zurückzuführen ist, erklärt Veerle Sterken vom International Space Science Institute in Bern. Veränderte Ausgangsbedingungen in der Lokalen Flocke sind vermutlich nicht der Grund. Auch Größe und Beschaffenheit der Teilchen nahmen die Forscher unter die Lupe. Während die meisten der Staubpartikel im Durchmesser zwischen einem halben und 0,05 Mikrometern (Tausendstel Millimeter) messen, gibt es auch einige auffallend große Exemplare von mehreren Mikrometern Größe. Bemühungen, die Staubteilchen außerhalb unseres Sonnensystems von der Erde aus zu beobachten und zu charakterisieren, liefern keine derart großen Teilchen, sagt Krüger. Im Gegenzug finden sich die sehr kleinen Teilchen, die Astronomen mit Teleskopen typischerweise nachweisen, nicht in den Ulysses-Messungen. Wie Computersimulationen zeigen, laden sich diese Winzlinge im Vergleich zu ihren Massen im Einflussbereich der Sonne stark elektrisch auf, werden abgelenkt und so aus dem Hauptteilchenstrom herausgefiltert. Die Simulationen deuten zudem darauf hin, dass der exotische Staub eine geringe Dichte aufweist und somit porös ist. Die innere Struktur der Teilchen kann der Ulysses-Staubdetektor zwar nicht messen, so Sterken. Am Computer können wir jedoch verschiedene Dichten ausprobieren. Mit porösen Teilchen lassen sich die Messdaten von Ulysses am besten rekonstruieren. Die Zusammensetzung der interstellaren Partikel konnten die Forscher mit dem Staubinstrument auf Ulysses nicht untersuchen. Dies ist jedoch mit dem am Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg entwickelten Nachfolgeinstrument auf der Cassini-Sonde möglich. Diese Messungen werden ganz neue Einblicke in die Entstehungsbedingungen und die Entwicklung der interstellaren Teilchen gewähren. Die Messungen interstellarer Staubteilchen im Sonnensystem erlauben somit einen Blick in die Lokale Flocke, die sich sonst nur durch Beobachtungen von der Erde aus untersuchen lässt. Bei zukünftigen Ausschreibungen der europäischen Weltraumagentur ESA wollen sich Staubforscher mit eigenen Vorschlägen für Missionen zur Untersuchung von interstellarem Staub beteiligen.
0Web
Rücktritt mit Ende März nach anhaltender Diskussion um Führungsstil. Lange soll es innerhalb der Wikimedia Foundation, der Stiftung die für die Finanzierung und Weiterentwicklung von Projekten wie der Wikipedia zuständig ist, schon gegärt haben. Nun hat ihre Chefin ihren Rückzug angekündigt. Lila Tretikov legt ihr Amt mit Ende März nieder. Von der großen Spenden-Akkumulation über den intransparenten Umgang mit Projekten reichte die Kritik an Tretikov. Zuletzt waren etwa mittlerweile zusammengestutzte Pläne durchgesickert, eine eigene Suchmaschine namens Knowledge Engine umzusetzen. Diese hätte wieder mehr Nutzer auf die Plattform führen sollen, die unter einem Besucherrückgang und einem Schwund an freiwilligen Helfern leidet. Doch die Knight Foundation, von der man sich die Finanzierung erhofft hatte, soll nicht dafür zu begeistern gewesen sein. Der Wikipedia-Gemeinde stößt dabei übel auf, dass die Idee intern nicht transparent kommuniziert worden war. Fragen wurden nicht beantwortet, nachdem erste Medien von den Plänen erfahren hatten. Und auch der Rückbau des Projekts war erst verspätet bekannt geworden. Mittlerweile geht es nur noch um eine Verbesserung der normalen Suche, berichtet Heise. In der jüngeren Vergangenheit sind immer mehr Details über die internen Reibereien bekannt geworden. Berichtet wird etwa von einer Betriebsversammlung im November, bei der es zu schweren Meinungsdifferenzen und Kritik an Tretikovs Führungsstil gekommen sein soll. Ein eigener Berater sollte ihr künftig helfen, die Wogen wieder zu glätten – offenbar vergebens. Die letzten Tage wurden schließlich überschattet von zahlreichen Abschiedsmails von Wikimedia-Mitarbeitern auf der internen Mailingliste. Auch das Board of Trustees, eine Gruppierung aus Ehrenamtlichen, die sich an der Entscheidungsfindung für Wikimedia-Vorhaben beteiligen, brach sein Schweigen, was den Druck auf die Managerin erhöhte. Mit einem Chefwechsel alleine dürften die Probleme innerhalb der Wikimedia Foundation allerdings nicht gekittet werden können. Nach dem Abgang vieler erfahrener Angestellter ist derzeit außerdem völlig unklar, wer das Szepter von Tretikov übernehmen wird.
5Inland
Der Bürgermeister von Traiskirchen, Andreas Babler, weist Vorwürfe scharf zurück, er habe sich auf Kosten der Gemeinde bereichert. Der Bürgermeister von Traiskirchen, Andreas Babler, legt nach FPÖ-Angriffen, er habe sich seit Mitte 2014 ein Körberlgeld von 100.000 Euro aus der Stadtkassa verschafft, im STANDARD offen: Er bestätigt, dass er zuletzt einen Doppelbezug als Gemeindeangestellter und Stadtchef von 11.300 Euro brutto im Monat hatte. Der SP-Politiker weist aber Vorwürfe scharf zurück, er habe sich unrechtmäßig auf Kosten der Gemeinde bereichert. Die Auflösung seines Dienstverhältnisses als Angestellter der Gemeinde sei seit Monaten vorbereitet, und auch bereits durch die Stadtratssitzung gegangen. Babler vermutet als Auslöser einer Schmutzkübelkampagne den Versuch der FPÖ, ihn wegen seiner Stadt- und Flüchtlingspolitik mit allen Mitteln schlecht zu machen, sagte er im Gespräch mit Thomas Mayer. STANDARD: Die FPÖ wirft Ihnen vor, dass sie als Bürgermeister von Traiskirchen gleichzeitig als ihr eigener Sekretär tätig gewesen seien, und sich knapp 4000 Euro pro Monat als Körberlgeld dazuverdienten, wie sie sagt, 100.000 Euro in zwei Jahren, zusätzlich zum Bürgermeistergehalt von 7800 Euro. Was sagen Sie zu diesen Vorwürfen, stimmen diese Zahlen? Andreas Babler: Nein, sie stimmen so nicht. Mein Bürgermeisterbezug wird nicht von der Stadt festgelegt. Ich bin in eine Gehaltspyramide eingebettet, die der Nationalrat festlegt. Eine Erhöhung mit 1. Jänner 2016 war gesetzlich vorgegeben, weil Traiskirchen einen Sprung über die 20.000-Einwohner-Grenze gemacht hat. Bis vor zwei Monaten waren die Bezüge deutlich geringer, und auch nicht von mir festgelegt. STANDARD: Ich habe zwei Gehaltszettel von Ihnen vor mir liegen… Babler: Es gibt nur einen Lohnzettel, das andere ist die Aufwandsentschädigung für den Bürgermeisterjob. STANDARD: …ok, also es gibt einen Lohnzettel, der Sie als Angestellter der Gemeinde ausweist. Das waren Sie bereits seit zehn Jahren, als Sie im April 2014 zum Bürgermeister gewählt wurden. Und dann gibt es die Abrechnung für die Bürgermeistergage. Babler: Genau. STANDARD: Im Sommer 2014 machte ihr Angestelltengehalt 3928 Euro brutto pro Monat aus, netto nach Abzug von Sozialversicherung und Steuern 2319 Euro. Die Bürgermeisterentschädigung beträgt seit Anfang 2016 7383 Euro brutto, netto knapp 3500 Euro, davor waren es 5907 Euro brutto. Das waren also zusammengerechnet knapp 10.000 Euro brutto, jetzt 11.300. Das ist für einen Stadtchef von Traiskirchen erstaunlich viel, finden Sie nicht? Babler: Ja, das ist eine gewaltige Summe. Aber die Erhöhung des Bürgermeisterbezugs konnte ich mir nicht aussuchen. Die Summe ist aber beeindruckend. Darum löse ich das auch auf. Das kann und mag ich nicht vertreten. STANDARD: Wie kam das zustande, dass Sie fast zwei Jahre lang einen Posten in einer Gemeinde haben können, deren Bürgermeister Sie sind? Babler: Bei mir war das so, dass ich selbst zwei Dienstverhältnisse gar nicht wollte, und daher seit der Übernahme des Bürgermeisteramts von Beginn an daran arbeitete, das eine aufzulösen. Jetzt war es endlich möglich. Es ist zwar alles gesetzlich und formal in Ordnung und auch transparent, aber moralisch für mich nicht vertretbar. Und meine Anstellung war nicht von mir, sondern vor vielen Jahren einstimmig vom Gemeinderat beschlossen worden. Deswegen lege ich Ihnen ja auch die Unterlagen vor. STANDARD: Niemand hat behauptet, dass etwas Ungesetzliches geschehen wäre, auch die FPÖ nicht. Aber für viele Bürger sind solche kumulierten Gehälter doch erstaunlich. Sie waren zuerst Gemeindeangestellter, gleichzeitig seit 1995 Gemeinderat, später Stadtrat, dann Bürgermeister. Kam Ihnen das nicht selbst komisch vor? Babler: Die FPÖ erfindet gerade in ihrer Propaganda angebliche Berufsbezeichnungen für mich, wie Pressesprecher oder Sekretär des Bürgermeisters, die es gar nicht gibt. Und noch dazu falsche Zahlen. Fakt ist, dass viele in Städten Gemeindebedienstete sind oder andere Hauptberufe haben, so auch in Traiskirchen. Sie müssen das verstehen, in einer Stadt unserer Größenordnung sind politische Funktionen alle nebenberuflich, Gemeinderäte und auch Stadträte. Die haben alle einen Beruf. Bei größeren Städten sind sie dann schon hauptberuflich. STANDARD: Was war Ihr Job in der Gemeinde, bevor Sie Bürgermeister wurden? Babler: Sie werden selten einen Bürgermeister oder einen Politiker finden, der freiwillig auch seinen eigentlichen Beruf aufgibt und auf sein Einkommen verzichtet, so wie ich. Das habe ich nämlich jetzt vorbereitet und gemacht. STANDARD: Sie meinen, wenn einer Bürgermeister wird, dann gibt er nicht gleich seinen privaten Beruf auf? Babler: Wenn einer ein Bürgermeister mit Prinzipien ist, so wie ich, schon. Dann tut man das. Das beweise ich ja gerade. Es gab überhaupt keinen politischen Druck, keinen der Opposition, das zu tun. Alles was die Angelegenheit betrifft, ist im Gemeinderat beschlossen worden, das kann jeder nachprüfen. Wenn es mir um Geld gehen würde, hätte ich die zwei Jobs bis zu meiner Pensionierung machen können, aber das steht meinen Grundsätzen entgegen. STANDARD: Aus Ihrem Referat in der letzten Stadtratssitzung vom 22. März, also am vergangenen Dienstag, geht hervor, dass Ihr Posten als Gemeindeangestellter jetzt nach besetzt wird, die Kritik der FPÖ kam drei Tage später. Aber die Frage, die sich uns zuerst stellt, ist die nach einer gewissen Unvereinbarkeit vorher. Was konkret haben Sie neben der Bürgermeistertätigkeit gemacht, für knapp 4000 Euro brutto? Babler: Ich werde Ihnen erzählen, wie das gekommen ist. Ich habe Anfang Mai 2014 das Bürgermeisteramt angetreten und war von Anfang an konfrontiert mit einer Ausnahmesituation in der Stadt, nach vielen falschen Entscheidungen, und dem ganzen Wahnsinn, was die Asylpolitik anlangt. Mein Ziel war ursprünglich auch, meinen Job sofort aufgeben zu können. Ich habe aber festgestellt, dass wir einen kompletten Verwaltungsumbau vornehmen müssen. Wir hatten da eine überalterte Struktur, und die habe ich mir vorgenommen umzubauen. STANDARD: Sie haben zwei Jobs gemacht? Babler: Ja. Es war nicht möglich, die Verwaltung auch hinsichtlich der Stabsstelle so umzubauen, dass sie funktionsfähig wäre, ich hatte ein akutes Problem mit Personalressourcen in der Gemeinde, auch meine eigene. Ich hatte als Bürgermeister niemand, der für Kommunikation, für Medienarbeit, Analysen etc. da gewesen wäre. Der für meine bis dahin ausgeführten beruflichen Tätigkeiten vorgesehene Nachfolger musste sofort große Agenden des Wohnungsamtes übernehmen, weil sich da eine dringende Notwendigkeit ergab. Und die zweite Mitarbeiterin der Stabsstelle kündigte mir an, dass sie in Karenz geht. STANDARD: Sie waren also unabkömmlich, oder wie soll man das verstehen? Babler: Leider. Das war arbeitstechnisch für mich ein Wahnsinn, aber das war die Situation, die ich vorgefunden habe. Zusätzlich gab es große Umbauten in der Verwaltung, es fehlte mir beispielsweise in der Stabsstelle auch ein juristischer Mitarbeiter, bis heute übrigens. STANDARD: Was waren Sie, was mussten Sie tun? Babler: Ich war für die Stabsstelle verwaltungstechnisch zuständig. Es wäre für die Stadtverwaltung unmöglich gewesen, wenn ich diese Stelle ohne Ersatz aufgelassen hätte. Ich habe sofort zusätzlich zu dem sicherlich unvergleichbaren Aufgabenpensum eines Traiskirchner Bürgermeisters in der harten Auseinandersetzung mit dem Innenministerium, die sofort begann, 40 Stunden in der Woche in der Stabsstelle arbeiten müssen. Ich habe dabei viele technische Aufgaben übernehmen müssen, den unaufschiebbaren EDV- und IT –Umbau, der zu einem Sicherheitsrisiko für die Stadt geworden war. Ich musste dringende Modernisierungsschritte in der Datensicherung oder im WLAN und Breitbandausbau setzen, und zusätzlich auch aufgrund der politischen Ausnahmesituation und der immer stärker werdenden Auseinandersetzung mit dem Bund auch Konzepte entwickeln, was die Stadtkommunikation als Ganzes betrifft. Und das ist mir ja in den letzten zwei Jahren gelungen. Da haben sich auch meine fachliche Qualifikation durch mein Studium und meine Berufserfahrung bezahlt gemacht, da konnte ich großen Schaden für die Stadt abwenden. Ich habe das alles selbst gemacht, das war gewaltig. STANDARD: In Ihrem Personalakt ist vermerkt, dass Sie auf frühere Überstundenzuschläge verzichtet haben. Warum? Babler: Ja das stimmt. Ich fand sie unmoralisch. Ich arbeitete in diesen beiden Jobs zwar fast durchgängig sieben Tage in der Woche zu fast jeder Tageszeit, aber die mir aus dem alten Gemeinderatsbeschluss zustehende Überstundenpauschale konnte ich einfach selbst sofort streichen lassen. STANDARD: Aber die entscheidende Frage ist doch auch eine andere. Sie gelten als besonders linker Politiker, einer der sich gegen soziale Ungerechtigkeit besonders stark exponiert, und selbst kassieren Sie einen fünfstelligen Doppelbezug? Das passt doch nicht. Wie kann man zwei bezahlte Fulltimejobs gleichzeitig haben? Babler: Stimmt. Ich bin einer der hier strenge Maßstäbe auch von anderen in der Politik einfordert und deshalb löse ich so ein Konstrukt, das ich überall politisch ablehne, auch auf, auch wenn es mich selbst betrifft. Dafür stehe ich als politische Person. Was man mir vorwerfen kann, ist, dass es 18 oder 19 Monate gebraucht hat, um hier die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass ich endlich gehen kann. Der Grund dafür lag in dem wahnsinnigen Arbeitsaufwand als Bürgermeister und der damit einhergehenden Belastung durch diesen einzigartigen und durch den Bund herbeigeführten Irrsinn in Traiskirchen. Da blieb wenig Zeit, eine Verwaltungsreform zu konzipieren und gleichzeitig auch neue geeignete Fachkräfte zu finden. Vor einigen Monaten ist mir dabei ein Durchbruch gelungen, es gibt neue Personen und daher kann man endlich diesen Schritt setzen. Und ganz ehrlich gesagt, lange hätte ich solche Situationen, wie beispielsweise letztes Jahr, körperlich auch nicht durchgehalten. STANDARD: Eine Übergangszeit von ein paar Monaten könnte man nachvollziehen, aber so schaut es so aus, als sei es Ihnen vor allem ums Geld gegangen. Sehen Sie das nicht? Babler: Mir blieben bisher im Monat ca. 3200 bis 3700 Euro in Wirklichkeit über, da ich natürlich von meiner Aufwandsentschädigung als Bürgermeister viel spende. Ich besuche jährlich ca. 300 bis 400 Veranstaltungen der Einsatzorganisationen oder der fast 100 Vereine. In Zukunft bleiben mir nun so zwischen 1900 und 2300 Euro, was ich für meinen Job auch angemessen finde. Ich trage auch eine große Verantwortung als Finanzreferent für über 50 Millionen Euro, habe 200 Bedienstete der Stadt. STANDARD: Sie sind ein politischer Vollprofi, seit 20 Jahren Gemeinderat, waren von Jugend an SJ-Funktionär, sehr exponiert auf der linken Plattform Initiative Kompass zur Erneuerung der SPÖ. Kamen Sie nie auf die Idee beim Blick auf Ihre Abrechnungen, dass Ihnen jemand einmal diese Doppelfunktion für 11.300 Euro vorhalten wird? Babler: Diese 11.300 haben mich selbst überrascht, das ist aber erst seit Jänner so. STANDARD: Davor waren es gut 10.000 Euro, das ist doch – bei allem Respekt für Traiskirchen – nicht grad bescheiden, oder? Babler: Die Summe für den Bürgermeister legen die Nationalräte über die Bezüge-Pyramide fest. Ich finde diese Summe auch unangemessen, darum löse ich auch mein Dienstverhältnis auf. Ich kämpfe mit meiner ganzen Energie gegen Doppel-Bezüge, mag das nicht, deshalb werde ich das auch selbst vorleben. Ich hoffe, dass viele hier folgen werden, die Doppel- oder gar Mehrfach-Bezüge haben. Ich nehme auch aus Prinzip keine Aufsichtsratsfunktionen wahr, weder in Genossenschaften noch sonst wo. Das ist mein Grundprinzip. STANDARD: Warum ist die ganze Sache durch Angriffe der FPÖ erst jetzt hochgekommen, drei Tage nach dem Beschluss, wer ihre Stabsstelle für ein Jahr befristet übernimmt? Wurde es überhaupt beschlossen? Babler: Es wurde im Stadtrat beschlossen. Und auch meine Dienst-Auflösung habe ich dazu einreferiert. Die FPÖ-ler waren sichtlich überrascht und haben panisch und in schmutzigster Art und Weise mit einer Pressekampagne darauf reagiert. Sie haben seinerzeit meine Anstellung ja selbst beschlossen und sich bis jetzt noch nie zum Dienstposten-Plan oder Ähnlichem in den Sitzungen geäußert. Sie haben sich einfach nicht vorstellen können, dass jemand ganz von sich aus auf Geld und Posten verzichtet und dadurch auch für andere Politiker neue Maßstäbe setzt. Das hat sie getroffen. Das passt nicht in ihr Konzept, deswegen fürchten mich die Blauen auch auf allen Ebenen. Weil ich da, was ich von der Politik moralisch einfordere, auch bei mir selbst umsetzte. Dann kam die Schmutzkübelkampagne. STANDARD: Schwer zu verstehen ist, dass man niemand findet, der in Traiskirchen für 4000 bis 5000 Euro brutto im Monat die Stabsstelle Kommunikation übernimmt. Wie ist das möglich? Babler: Man braucht jemand, der das studiert hat, der Fachwissen hat und Berufserfahrung. Eine so besondere Stadt wie Traiskirchen, mit so einzigartigen schweren Bedingungen, braucht gute Leute und die sind einfach nicht so viel am Markt. Schon gar nicht in der Stadt. STANDARD: War das eine Retourkutsche der FPÖ, oder was ist der Hintergrund? Babler: Es ist eine miese Truppe. Sie wird vom Landesparteiobmann Christian Höbart offenbar angeführt, und sie haben meine eigene Initiative verwendet, um Stimmung zu machen. Die FPÖ ist frustriert, dass die Stadtarbeit und das Stadtklima gut sind, was auch dazu beigetragen hat, dass das Image der Stadt während der Flüchtlingskrise im vergangenen Herbst nicht gekippt ist. Ich bin als Sozialpolitiker exponiert und für die FPÖ ein rotes Tuch. Aber sie kommen gegen mich nicht an. Sie gehen auf untergriffiges Niveau. Sie wollen nur anpatzen. STANDARD: Sehen Sie sich politisch beschädigt durch diese Angelegenheit? Babler: Nein. Übrig bleiben werden die Fakten. Alles ist nachweisbar, alle Beschlusslagen im Stadtrat, im Gemeinderat. Ich habe, seit ich Bürgermeister wurde, darauf hingearbeitet, meinen Job in der Gemeinde abzugeben, und das passiert jetzt auch gerade. Das lässt sich beweisen. Die FPÖ hat schon so viele Kampagnen gegen mich geführt, und sie ist noch jedes Mal dafür abgestraft worden. Sie wird immer radikaler mit dem Ziel, dem Bürgermeister und der Stadt zu schaden, alles schlechtzureden. Am Ende wird das für sie wieder nach hinten losgehen. STANDARD: Befürchten Sie, dass Ihnen diese Offenlegungen bei den Bürgern Ihrer Gemeinde schaden? Werden Sie eine Aktion machen? Babler: Ich hab bei den Leuten in Traiskirchen einen guten Ruf, die Leute wissen, dass ich Tag und Nacht für die Stadt arbeite. Ich bin nicht naiv, aber so eine Schmutzkampagne hätte ich nicht erwartet. Mir ist wichtig, dass ich echt bleibe, und das werde ich jetzt beweisen. Einen Politiker, der sich ohne Druck, ohne Notwendigkeit und aus seiner Überzeugung heraus seine eigenen Gagen kürzt, wird es ja auch nicht allzu oft geben.(Thomas Mayer, 27.3.2016)
2International
Staatschef hat mit der Bildung einer Übergangsregierung begonnen, die das Land bis zu Neuwahlen führen soll. Ankara/Wien – Ist das Parlament erst einmal weg, hat er freie Bahn: Tayyip Erdoğan, der machtverliebte Präsident der Türkei, kann das Kriegsrecht ausrufen, die Armee in Marsch setzen – und notfalls auch gleich die Neuwahlen vertagen, auf die er so gedrängt hat, um das Ergebnis seiner konservativ-islamischen AKP bei den Parlamentswahlen vom Juni zu korrigieren. Kein Gesetz wird im Moment respektiert, rief der Chef der größten Oppositionspartei, der Sozialdemokrat Kemal Kiliçdaroğlu, am Wochenende aus: Er bezeichnete das Vorgehen des Präsidenten als zivilen Putsch. Tatsächlich aber steht alles in der Verfassung: die Sondervollmachten des Präsidenten, die Auflösung des Parlaments, die Allparteienregierung, die übergangsweise die Türkei führen soll. Nur die Person Erdoğan ist es, die der Opposition und dem kritischen Teil der Gesellschaft Sorgen macht. Und natürlich die Sicherheitslage im Land, die sich dramatisch verschlechtert hat und vor deren Hintergrund der Staatschef nun seine Fäden zieht. Montagnachmittag sprach Erdoğan über drei Stunden mit dem Präsidenten des noch bestehenden Parlaments, Ismet Yilmaz, und rief danach offiziell zu Neuwahlen auf. Yilmaz, Erdoğans Parteifreund, legt jetzt als zweithöchste Figur im Staat fest, wie die Ressorts im Übergangskabinett an die Parteien verteilt werden. Offiziell zumindest. Auch der bisher geschäftsführend amtierende Premier Ahmet Davutoğlu, Erdoğans früherer Außenminister, hatte öffentlich versichert, er, Davutoğlu, sei es, der die Minister aussuche. Da hatte ihn Erdoğan noch gar nicht zum Chef des Übergangskabinetts ernannt. Kaum jemand hat Zweifel, dass Erdoğan alles entscheidet. Das gilt auch für den Wahltermin, den der Präsident auf den 1. November festlegte – über den Kopf der Wahlbehörde hinweg, die dafür eigentlich zuständig wäre. Die Umfragen allerdings – so vorsichtig sie in der Türkei auch zu behandeln sind – lassen keinen sicheren Sieg der AKP erkennen. Regierungskritische Umfrageinstitute sagen sogar noch einen weiteren Rückgang der Stimmen für die Konservativ-Religiösen voraus und einen Anstieg für die Kurden- und Linkspartei HDP. Bei den Parlamentswahlen im Juni verlor die AKP erstmals nach zwölf Regierungsjahren die absolute Mehrheit; einen Koalitionspartner fand sie seither nicht. Deshalb stehen nun Neuwahlen an. Die Befürchtung ist nun, dass der 61-jährige Staatschef alles daran setzt, um seiner Partei wieder zur Alleinregierung zu verhelfen. Rechtliche Schritte gegen die Führung der HDP sind denkbar. Drei Vizebürgermeister der Kurdenpartei in Diyarbakir wurden bereits verhaftet. Der Zusammenbruch des Friedensprozesses mit den Kurden soll der AKP auch wieder nationalistische Wähler zutreiben. Insgesamt 127 Distrikte in 15 Provinzen der Türkei sind mittlerweile zu Sicherheitszonen erklärt worden, meldete die Nachrichtenagentur Dogan am Montag; Zivilisten haben dort nur eingeschränkt Zutritt. In Teilen des Südostens der Türkei galt in den 1980er- und 1990er-Jahren wegen der Kämpfe gegen die kurdische Untergrundarmee PKK der Ausnahmezustand. Erst 2002 wurden die letzten dieser Militär- und Polizeiregeln aufgehoben. Erdoğan könnte jetzt wieder zu diesem Mittel greifen, wenn es ihm geraten scheint. Die Opposition macht es ihm aber nicht einfach. Die Aufstellung des Allparteienkabinetts ist kompliziert geworden: Die Sozialdemokraten der CHP und die Rechtsnationalisten der MHP wollen es boykottieren; die Kurdenpartei dagegen, Erdoğans politischer Gegner, sagte zu. Das bringt die AKP in Verlegenheit. Drei Ressorts soll die HDP erhalten: Sport, EU-Angelegenheiten und Forst- und Wasserwirtschaft.
7Wissenschaft
Vor allem Springspinnen erweitern ihren Speiseplan um Pflanzen, wie Biologen herausfanden. Das dürfte ihnen einen Überlebensvorteil bringen. Basel – Spinnen sind als Insektenfresser bekannt. Für manche Arten konnte auch nachgewiesen werden, dass sie ihren Speiseplan mit Beutetieren wie Fischen, Fröschen oder gar Fledermäusen erweitern. Biologen der Universität Basel, der Brandeis University in den USA und der britischen Cardiff University berichten nun: Spinnen fressen durchaus auch Pflanzen. Für ihre Studie im Journal of Arachnology sammelten und dokumentierten die Forscher zahlreiche Fälle von pflanzenfressenden Spinnen. Dabei stellten sie fest, dass sich Vertreter von zehn verschiedenen Spinnenfamilien von einer Vielfalt an Pflanzen wie Bäumen, Büschen, Gräsern, Farnen oder Orchideen ernähren. Dabei fressen sie je nach Vorliebe unterschiedliche Pflanzenteile wie Nektar, Pflanzensaft, Honigtau, Blätter, Pollen und Samen. Am häufigsten scheinen Pflanzenfresser unter den Salticidae vorzukommen, einer tagaktiven Familie von Springspinnen. Bis zu 60 Prozent der Pflanzenliebhaber unter den Spinnen gehören zu dieser Familie. Dieses Fressverhalten komme deutlich häufiger in warmen Regionen vor, so die Forscher. Ein Grund dafür könnte sein, das besonders häufig Nektar vertilgt wird – und Pflanzen mit hoher Nektarproduktion kommen eher in wärmeren Gebieten vor. Die Fähigkeit, Nährstoffe aus Pflanzen zu beziehen, erweitert die Nahrungsgrundlage der Tiere, erklärte Studienautor Martin Nyffeler von der Universität Basel. Dies könne ein Überlebensmechanismus sein für Zeiten, in denen Beutetiere rar sind. Außerdem diversifizieren sie dadurch ihren Speiseplan und optimieren die Nährstoffaufnahme – was im Kampf ums Überleben von Vorteil sein dürfte, so Nyffeler. Welchen Anteil die Pflanzenkost an der Ernährung der Spinnen insgesamt hat, sei jedoch noch weitgehend unerforscht.
1Panorama
Heuer sollen rund 85.000 Flüchtlinge in Österreich Asyl beantragen, zudem können Angehörige folgen. Verschärfungen werden diskutiert. Wien – Die ÖVP drängt darauf, die von ihr vorgesehenen strengeren Richtlinien zum Familiennachzug von Flüchtlingen – gemeinsam mit dem Konzept für Asyl auf Zeit – noch im Oktober im Nationalrat zu behandeln, damit sie am 1. Dezember in Kraft treten können. Ein Vorhaben, das der stellvertretende UN-Flüchtlingshochkommissar Volker Türk nicht goutiert: Man müsse die Familienzusammenführung eher erleichtern als erschweren, sagte er im ORF-Report. Andere Experten prognostizieren unter anderem einen höheren Verfahrensaufwand. Der Entwurf des Innenministeriums sieht vor, dass subsidiär Schutzberechtigte – in Österreich betrifft das vor allem Afghanen – erst nach drei Jahren Familienangehörige nachholen dürfen. Asylberechtigten wäre erlaubt, binnen drei Monaten nach Zuerkennung ihre Angehörigen ohne Bedingungen nachzuholen; danach müssten sie nachweisen, dass sie eine Familie (ohne Bezug von Mindestsicherung) erhalten können. Mit wie vielen Menschen ist im Zuge des Familiennachzugs laut derzeitiger Asylantragsprognose für 2015 in Österreich zu rechnen? Mindestens 13.800, nämlich Ehepartner oder minderjährige Kinder von in diesem Jahr nach Österreich Geflohenen. Diese Zahl errechnet sich folgendermaßen: Im ersten Halbjahr traf das Amt für Asyl- und Fremdenwesen laut Innenministerium rund 18.000 Statusentscheidungen nach dem Asylgesetz. In 34 Prozent der Fälle wurde Asyl zuerkannt, in weiteren 20 Prozent subsidiärer Schutz. Von diesen rund 9.700 Personen, die in Österreich bleiben durften, bemühten sich nach Ministeriumsangaben rund ein Drittel um Familiennachzug. Weiters erhalten rund 90 Prozent eine positive Antwort – genau genommen eine positive Wahrscheinlichkeitsprognose, dass ein Antrag auf Schutz gewährt wird. Dann wird ein Visum erteilt, damit der Antrag in Österreich gestellt werden kann. Da das Innenministerium in diesem Jahr mit rund 85.000 Asylanträgen rechnet, würden – entwickelt sich alles nach bisherigen Trends – rund 15.300 Personen Nachzüge beantragen, von denen etwa 90 Prozent positiv beantwortet werden könnten. Bei einer Erhebung zu Fluchtgründen in Deutschland gaben übrigens 6,5 Prozent der befragten syrischen Flüchtlinge Familienzusammenführung als ihr Motiv an. Dieser Befragung zufolge fliehen mehr Syrer vor der Gewalt der Regierung von Bashar al-Assad als vor dem Terror des Islamischen Staats. Fast 900 sich derzeit in Deutschland aufhaltende Syrer nahmen an der Erhebung teil, die das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) gemeinsam mit Aktivisten der Demokratieplattform Adopt A Revolution durchführte, die 2011 im Zuge des Arabischen Frühlings entstand. 92 Prozent der Flüchtlinge gaben an, vor bewaffneten Konflikten geflohen zu sein, für die nur knapp ein Drittel den IS verantwortlich machte, dafür 70 Prozent Assad. Mehr als jeder Zweite sieht zudem den Abtritt Assads als Bedingung für eine Rückkehr nach Syrien. Nur acht Prozent gaben an, in Deutschland bleiben zu wollen. Am Donnerstag wird der Personennahverkehr über die Grenze zwischen Salzburg und Bayern wieder aufgenommen. Bei den Zügen Richtung Bayern würden beim Einstieg Ticketkontrollen in Salzburg durchgeführt, um die Zahl der Fahrgäste festzustellen, hieß es von der ÖBB. Vereinbart wurde demnach auch, dass die Züge von Salzburg nach Freilassing keinen Zwischenstopp an den S-Bahn-Haltestellen machen. Der Fernverkehr nach München bleibt weiterhin eingestellt (Gudrun Springer, 7.10.2015)
7Wissenschaft
IIASA-Studie: Wer sich an sozialen, sportlichen oder religiösen Aktivitäten in der Gemeinde beteiligt, ergreift eher Vorsorgemaßnahmen. Wien – Menschen, die sich in ihrer Gemeinde sozial engagieren, bereiten sich eher auf mögliche Katastrophen wie Tsunamis vor. Das zeigt eine auf einer Umfrage in Thailand basierende Studie des Internationalen Instituts für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien, die in der Fachzeitschrift Plos One veröffentlicht wurde. Die Umfrage wurde in der Region Phang Nga durchgeführt, die 2004 stark von der Tsunami-Katastrophe betroffen war. Demnach ergreifen Menschen, die sich an sozialen, sportlichen, religiösen oder anderen Aktivitäten in ihrer Gemeinde beteiligten, eher Vorsorgemaßnahmen, so Studienautorin Raya Muttarak vom IIASA. Dabei geht die Bereitschaft zum Engagement über einfache Dinge wie das Verfolgen der Nachrichten im Katastrophenfall hinaus und reicht bis zu Aktivitäten wie der Ausarbeitung eines Familien-Notfallplans oder der Überlegung, aus der gefährdeten Region wegzusiedeln. Einmal mehr zeigte sich in der Umfrage die Bedeutung der Bildung, insbesondere jene von Frauen: In Gemeinden, in denen mehr Frauen mindestens einen Sekundarschulabschluss hatten, wurden auch mehr Vorsorgemaßnahmen geplant und getroffen. Gemeinschaftsaktivitäten würden zwar keine Frühwarnsysteme und Notfall-Trainings ersetzen, könnten diese aber ergänzen und fördern. Der Erfolg von Maßnahmen zur Katastrophenvorsorge dürfte vom sozialen Zusammenhalt und den Netzwerken in einer Gemeinschaft abhängen. Daher ist die Förderung von Bottom-up-Strategien nachhaltiger als Top-Down verordnete Maßnahmen, sagte Ko-Autor Nopphol Witvorapong von der Chulalongkorn University in Bangkok.
7Wissenschaft
Besonders spektakuläre neue Erkenntnisse darf man sich in den kommenden Monaten in der Astrophysik erhoffen. Wien – Welche wissenschaftlichen Durchbrüche das Jahr 2016 bescheren wird, ist nicht leicht zu prognostizieren. Das liegt in der Natur der Sache: Gerade die besonders bahnbrechenden Entdeckungen kommen oft genug völlig unvermittelt. Es gibt aber einige Forschungsbereiche, wo die Chancen auf spektakuläre Erkenntnisse recht gut stehen – einfach, weil es neue Missionen oder neue Instrumente gibt, die dafür sorgen könnten. So erwartet man in den führenden Wissenschaftsmagazinen Nature und Science, dass es im neuen Jahr oder wenig später endlich zum Nachweis der bereits im Jahr 1918 von Albert Einstein prognostizierten Gravitationswellen kommen könnte, die laut Theorie durch sehr dichte und sich bewegende Objekte wie Neutronensterne entstehen dürften. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist deshalb recht groß, weil das Laser-Interferometer Gravitationswellen-Observatorium (Ligo) in den USA 2015 aufgerüstet wurde und mehr als zehn Mal so empfindlich ist wie bisher. In der Astrophysik und Weltraumforschung wird sich 2016 besonders viel tun. Ein spektakuläres Ende wird im September die Kometen-Mission Rosetta finden: Die Muttersonden soll sich dem Kometen Tschuri immer mehr nähern, schließlich landen und dabei so lange wie möglich Bilder und Daten senden. Mitte März 2016 startet die Esa-Mission ExoMars. Geplant sind ein Orbiter, der die Marsatmosphäre untersucht, und eine kleine Testlandung einer Sonde. Am 4. Juli soll dann die Nasa-Sonde Juno Jupiter erreichen und den Gasriesen ein Jahr lang erforschen. Neben diesen staatlichen Missionen gibt es aber auch einige private Initiativen, die 2016 für Aufsehen sorgen dürften: So etwa will die gemeinnützige Planetary Society in Pasadena bereits im April ihr Raumfahrzeug LightSail testen, ein Lichtsegel, das allein vom Licht der Sonne angetrieben wird. Hier auf Erden darf man sich vor allem vom Large Hadron Collider (LHC) am Cern in Genf aufsehenerregende Neuigkeiten erhoffen. Die Wissenschafter am Europäischen Zentrum für Teilchenphysik haben 2015 die Aufrüstung des LHC abgeschlossen. Und bereits Anfang Dezember präsentierten sie erste mögliche Hinweise auf ein neues, unerwartetes Boson, was sofort zu einer wahren Flut an theoretischen Arbeiten führte. Ob sich die Existenz dieses Teilchens erhärtet, werden die nächsten Monate weisen. Sicher ist, dass seit Jahresbeginn erstmals eine Frau an der Spitze des Cern steht: die italienische Teilchenphysikerin Fabiola Gianotti.
7Wissenschaft
200 Millionen Trümmerteile mit einem Gesamtgewicht von 6.300 Tonnen kreisen im Orbit. München – Knapp 60 Jahre maschinelle Besiedelung des Orbits haben Spuren hinterlassen: und zwar in Form von jeder Menge Weltraumschrott. Es wird von mehr als 200 Millionen und insgesamt etwa 6.300 Tonnen schweren Trümmerteilen ausgegangen. Ein besonders spektakuläres Beispiel sorgte Anfang der Woche für Schlagzeilen: ein Objekt, das von jenseits der Mondbahn zur Erde heimkehrt. Wie die Münchner Universität der Bundeswehr berichtet, haben sich rund um die Erde schon so viele Trümmerteile angesammelt, dass laut Simulationen alle fünf bis neun Jahre einer der derzeit rund 1.000 aktiven Satelliten mit Weltraumschrott oder einem anderen Satelliten kollidiert. Eine solche Kollision hinterlässt abgesprengte Einzelteile, die jahrhundertelang im Orbit verbleiben können. Und bei jedem Raketenstart entsteht weiterer Müll – dies können abgeworfene Raketenstufen sein, von Astronauten verlorene Werkzeuge oder abgelöste Farbpartikel von Satelliten und Raketen. Den Großteil des Weltraumschrotts bilden zwar millimeterkleine Objekte, die eher ungefährlich sind. Eine unkalkulierbare Gefahr bilden allerdings die tausenden Objekte zwischen einem und zehn Zentimetern Durchmesser. Diese von der Erde aus zu orten wäre zu zeit- und geldintensiv, sie bewegen sich dazu noch auf unterschiedlichen Umlaufbahnen. Bei einer Kollision mit einer Geschwindigkeit von mehreren Kilometern pro Sekunde können sie das Aus eines Satelliten bedeuten – oder schlimmer noch: Menschen gefährden. Die Internationale Weltraumstation muss immer wieder vorübergehend auf eine andere Orbithöhe gebracht werden, um Schrotteilen auszuweichen. Ideen zur Beseitigung des schwebenden Schrotts gibt es viele. Eine davon trägt die Bezeichnung ADReS-A. Susanne Peters, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Raumfahrttechnik und Weltraumnutzung der Bundeswehr-Universität, plant dessen Mission und erhielt dafür ein Stipendium der Zonta International Foundation. Der mit einem Greifarm ausgestattete Satelit soll gemeinsam mit kleinen Raketenantrieben – sogenannten De-orbit Kits– im Weltall in der Nähe von ausrangierten Raketenstufen ausgesetzt werden. Er greift sich eins der De-orbit Kits, klemmt es in das Triebwerk der Raketenstufe und ersetzt damit ihren defekten Antrieb. Da die Schrottteile im Weltall taumeln und bei einem Abstoß ohne genaues Ziel unkontrolliert auf die Erde zusteuern und gegebenenfalls bewohntes Gebiet treffen könnten, muss ihre Bewegung zunächst stabilisiert werden. Ein Technikteam in der Bodenleitstelle entscheidet dann, an welchem Punkt der Triebwerksersatz abgefeuert werden soll, um in einem überschaubaren Radius auf der Erde anzukommen. Fünf der kleinen Kits brauchen die Forscher im Projekt Sicherheit im Orbit, um das anvisierte Ziel der Entfernung von fünf Raketenoberstufen im Zeitraum eines Jahres zu erfüllen. (red, 4. 11. 2015)
0Web
Am kommenden Mittwoch – Regelungen für EU-weiten Abruf von im Internet gekauften Filmen, Serien oder Musikangeboten. Die EU-Kommission hat die Arbeit an der Reform des europäischen Urheberrechts abgeschlossen. Ein Gesetzgebungsvorschlag zur Anpassung der aktuellen Richtlinie an das Internet-Zeitalter soll am Mittwoch vorgestellt werden, sagte eine Sprecherin am Freitag in Brüssel. Er werde eine Regelung enthalten, die den EU-weiten Abruf von im Internet gekauften Filmen, Serien oder Musikangeboten ermöglicht. Bisher ist ein grenzüberschreitender Zugriff in vielen Fällen wegen des urheberrechtlichen Schutzes nicht möglich. So können zum Beispiel deutsche Kunden von Abo-Diensten ihre zu Hause bezahlten Inhalte im Urlaub oft nicht nutzen. Präsentiert werden soll das Reformpaket von dem zuständigen Vizepräsidenten der EU-Behörde, Andrus Ansip, und dem EU-Kommissar für Digitalwirtschaft, Günther Oettinger. Eine Sprecherin betonte, durch die geplante Neuregelung werde in keinster Weise das Prinzip der Vergütung von Urheberrechten infrage gestellt.
3Wirtschaft
Der 500-Euro-Schein ist bald Geschichte. Über Risiken und Nebenwirkungen eines Abschieds, der längst begonnen hat. Sehr wahrscheinlich wird die Europäische Zentralbank noch im Mai die Weichen für den Abschied vom 500-Euro-Schein stellen. Offiziell ist das nicht. Doch die Experten im EZB-Banknotenausschuss loten intensiv Optionen und mögliche Folgen aus: Was würde es kosten? Wie wäre der Zeitrahmen? Wie viele 100- und 200-Euro-Noten müssten gedruckt werden, um die Summe aufzuwiegen? Ende des Vorjahres waren immerhin 614 Millionen Fünfhunderter im Wert von 306,8 Milliarden Euro im Umlauf. Ein Viertel der Österreicher hatte in den vergangenen zwölf Monaten mindestens einmal eine 200- oder 500-Euro-Note in der Hand. Ist eine Mehrheit im EZB-Rat dafür, wird Europas oberster Notenbanker, EZB-Präsident Mario Draghi, dies verkünden. Ab da wird alles sehr viel undramatischer als all die heftigen Diskussionen davor. Bargeld ist Kulturgut, richtete Rainer Trefelik, als Funktionär der Wiener Wirtschaftskammer für den Handel zuständig, eine flammende Botschaft an – ja, man weiß gar nicht so genau, an wen. Denn etwas anderes zu behaupten getraute sich ohnedies niemand. Bankenvertreter, Politiker, Notenbank-Chef: Keiner tanzte aus der Reihe, als es galt, sich für den Erhalt der Scheine in die Bresche zu werfen, als Draghi erklärte, weniger Bargeld im Umlauf sei gar nicht das Ziel. Man wolle nur Kriminellen das Leben erschweren. Doch da hat er die Rechnung ohne die Österreicher gemacht. Hierzulande war es um die Contenance bis zur höchsten Ebene geschehen. In seltener Eintracht brachte die Koalition einen gemeinsamen Antrag für das Recht auf Barzahlung durch den Nationalrat. Freilich handelte es sich dabei nicht um die gewünschte Verfassungsbestimmung, sondern um einen unverbindlichen Entschließungsantrag. Die Regierung möge sich auf allen Ebenen der EU und der internationalen Staatengemeinschaft dafür einsetzen, dass weiterhin der uneingeschränkte Zahlungsverkehr mit Eurobanknoten und -münzen durch keine Maßnahmen eingeschränkt wird. Doch was steckt hinter der Diskussion? Über Bargeldabschaffung wird allenfalls auf akademischer Ebene debattiert. Ohnedies steht Einschätzung gegen Einschätzung. Während Wissenschafter wie der Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff eine Abschaffung von Bargeld als probates Mittel für eine wirksamere Geldpolitik betrachten, halten andere, wie der deutsche Wirtschaftsweise Peter Bofinger, dagegen. Und von der Theorie zur Praxis ist es bekanntlich ohnedies ein weiter Weg. Auch ein sofortiges Einziehen des 500-Euro-Scheins ist unwahrscheinlich. Naheliegender ist, dass der Neudruck in den nächsten Jahren beendet wird. Danach könnte die Banknote langsam aus dem Verkehr gezogen werden, ohne Enddatum für den Umtausch. Tatsächlich macht nach den Anschlägen von Paris Frankreich Druck, die wertvollste Euronote abzuschaffen. Das soll – in Verbindung mit einer generellen Obergrenze, ab welcher Zahlungen überwiesen werden müssen – Terroristen oder Geldwäschern das Geschäft erschweren. Deutschlands und Österreichs Notenbank-Chefs Jens Weidmann und Ewald Nowotny stemmen sich freilich vehement dagegen. Kein Wunder: In beiden Ländern ist Bargeld extrem beliebt. Ende 2015 waren hierzulande geschätzte 570 Millionen Banknoten im Wert von 28 Milliarden Euro im Umlauf. Drei Viertel aller Einkäufe werden bar bezahlt. Was hierzulande als selbstverständlich gilt, empfinden jedoch so manche Nichtösterreicher als hoffnungslos anachronistisch. Anders Jensen zum Beispiel. Der 27-jährige Däne ist gerne in Wien. Nur eines ringt dem jungen Mann einen tiefen Seufzer ab. Bizarr findet er, wie oft er hier beim Bezahlen ansteht. Wenn ich am Wochenende in Dänemark ausgehe, habe ich nicht einmal eine Geldbörse mit. Keinen Schein und keine Münze. So wie viele seiner Freunde, Studierende aus einem der skandinavischen Länder. Jensen hat das schon zahlreiche ungeplante Ausflüge zu Geldautomaten beschert. Er schüttelt den Kopf: Wir gehen zu acht in ein Restaurant und wollen getrennt mit Karte zahlen. Oft ist das nicht möglich. Dabei sei er ohnehin ein Dinosaurier: Ich bin altmodisch und nütze Karten. Die Jüngeren zahlen via Smartphone. Mit größeren Cash-Beträgen assoziiert er Kriminelle oder Handwerker – die zahlen oft ihre Steuern nicht. Tatsächlich sind die Unterschiede zwischen Dänemark oder Schweden und Österreich, das ähnlich wie Deutschland tickt, frappierend. Die beiden Länder kommen in etwa auf eine Bargeldquote von über 50 Prozent beim Transaktionsvolumen und 80 Prozent, was die Zahl der Transaktionen angeht. In Dänemark müssen Tankstellen, Restaurants oder kleine Geschäfte kein Bargeld mehr annehmen. In Schweden wird mittlerweile selbst das Eis oder der Kaffee elektronisch gezahlt. Viele Banken akzeptieren kein Bargeld mehr. Und die, die es tun, rufen schon einmal die Polizei, wenn eine größere Summe auf den Tisch kommt. Auch die Zeitung am Kiosk und das U-Bahn-Ticket zahlt man bargeldlos. Selbst die Kollekte in der Kirche geht ohne Cash. Das hat, zusammen mit harten Regeln im Kampf gegen Steuerbetrug und Geldwäsche, zur Folge, dass nur noch 37 Prozent bar gezahlt werden Das ist nicht mehr zu stoppen, sagt Ingrid Meissl Årebo. Von selbst ging das nicht, so die Schweizer Journalistin, die seit Jahren in Stockholm lebt und sich mit dem Thema intensiv beschäftigt. Es gab in Schweden eine regelrechte Kampagne pro Karte. Auch die Regierung bewirbt das. Sie tut das seit der Bankenkrise in den 1990er-Jahren, als man begann, den Kunden das bargeldlose Geschäft schmackhaft zu machen. Geldautomaten und Karten sind billiger als Kassen, an denen Menschen stehen. Außerdem dürfen Banken für den bargeldlosen Zahlungsverkehr Gebühren erheben, nicht jedoch für die Barauszahlung. Im Alltag sorge das durchaus für Unmut, sagt Meissl Årebo. Eben wurden die Parkuhren umgestellt. Man bezahlt nur noch mit dem Handy. Sehr ärgerlich. So oder so ähnlich wird es in zehn bis 15 Jahren auch in Österreich aussehen, aller gegenteiligen Bekenntnisse zum Trotz. Die Entwicklung ist nicht zu stoppen. Der lange laxe Umgang der Österreicher in Sachen Transparenz weicht einem strengeren Regime. Digitalisierung, technische Entwicklungen von IT-Riesen und kleinen Start-ups, Banken und Handel, die das Thema aufgreifen, weil Bargeld-Handling teuer ist: All das tut ein Übriges. Es sind die US-Riesen wie Apple, Facebook, Google, die mit aller Macht an Lösungen tüfteln und das Thema antreiben. Einen zusätzlichen Schub bringt wohl der Umstand, dass dank EU-Verordnung die Kosten für den Kreditkarteneinsatz für Unternehmen erheblich sinken. Auch die Generationenfrage zählt. Wer mit Smartphones aufwächst, mit Technologie und entsprechenden Schutzmechanismen vertraut ist, sieht eher die Chancen der neuen Zeit: Ich bin schon gespannt, welche neuen Möglichkeiten es da in Zukunft geben wird, sagt Sebastian Lechleitner, Student am Technikum Wien. Das Thema Sicherheit sieht er eher gelassen: Unsicherer als Bargeld ist mobiles Zahlen nicht. Was das Thema Überwachung betrifft, so haben zumindest die Skandinavier damit kein Problem: Wir vertrauen einander und dem System und gehen davon aus, dass Gutes intendiert ist, sagt der Däne Jensen: Hinsichtlich der tendenziell schrumpfenden Privatsphäre ist er aber illusionslos: Mit all der Technik, die wir nutzen, kannst du nicht privat sein. So gesehen ist eines richtig: Ohne Risiken und Nebenwirkungen ist diese Modernisierung nicht zu haben. Der deutsche Bundesbanker Carl-Ludwig Thiele plädiert dafür, sich vor Augen zu halten, dass die Freiheit scheibchenweise stirbt. Österreichs Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) zeigt sich ausnahmsweise meinungslos. Ich habe dazu überhaupt keine Position. Zumindest nicht so richtig. Er sei jedenfalls hundertprozentig für den Erhalt des Bargelds. Ob es den 500-Euro-Schein gibt oder nicht, sei eher zweitrangig. Nur einer spricht offen aus, dass ihm die Diskussion auf die Nerven gehe. Diese Extremposition, Bargeld mit bürgerlicher Freiheit gleichzusetzen, halte ich für maßlos überzogen, sagt der künftige Wifo-Chef Christoph Badelt. Dabei: Vom Tisch zu wischen sei das Argument nicht, sagt Hans-Gert Penzel. Der 60-Jährige ist seit Jahrzehnten nah am Geld. Heute beschäftigt er sich an der Universität Regensburg mit Bankeninnovation. Davor war er Generaldirektor in der EZB. Bargeld hat sicherlich eine Komponente von bürgerlicher Freiheit im Sinne von garantierter Anonymität. Aber diese können Sie auch über elektronisches Geld erreichen. (Siehe Interview links unten) Es komme auf die Regeln an. Und die gibt es auch bei Barem: Hierzulande sind seit Jahresanfang weite Teile der Bauindustrie de facto verpflichtet, per Überweisung abzurechnen. In vielen Ländern gibt es Bargeldlimits: In Spanien liegt es bei 2500 Euro. Geht es nach Transparency International, hat das freilich wenig bewirkt. In Schweden soll Bargeld 2030 ziemlich verschwunden sein, sagt Journalistin Meissl-Arebo. Im Antikorruptionsindex kann man kaum noch aufsteigen, da ist der Norden traditionell an der Spitze. Ich fürchte mich nicht, käme es in Österreich ähnlich, sagt Technikstudent Lechleitner: Aber ich will die Wahl haben. Auch weil ich beim Bargeld viel besseren Überblick habe, wie viel ich ausgebe.
7Wissenschaft
Insgesamt gab es 270 Förderanträge. Wien – Der Jubiläumsfonds der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) fördert 35 Forschungsprojekt mit 3,9 Millionen Euro. Einen entsprechenden Beschluss hat das Direktorium der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) gefasst. 1,46 Mio. Euro fließen in zwölf Projekte aus dem Bereich Medizinische Wissenschaften, davon 800.000 in den aktuellen Schwerpunkt Seltene Erkrankungen. 1,2 Mio. Euro gehen an zehn wirtschaftswissenschaftliche Projekte, davon 0,72 Mio. Euro in den aktuellen Schwerpunkt Growth – Where has it gone to? Where should it come from?. Für sieben sozialwissenschaftliche Projekte gibt es 660.000 Euro, für sechs geisteswissenschaftliche Vorhaben 570.000 Mio. Euro. Insgesamt gab es 270 Förderanträge. Für die Vergabesitzungen 2016 wurde für den Schwerpunkt in den Wirtschaftswissenschaften das Thema Competitiveness in Austria – stylized facts, economic analysis, challenges and policy options gewählt, in den Medizinischen Wissenschaften das Thema Organersatz und Transplantation.
7Wissenschaft
Noch immer stehen Experimentalreaktoren vor großen technischen Problemen. Wien – Die Idee, die Energie, die bei der Kernfusion entsteht, zu nutzen, ist ungefähr so alt wie die der Kernspaltung. Die Verschmelzung von Wasserstoffatomkernen zu Helium ist immerhin die Ursache dafür, dass die Sonne – wie alle anderen leuchtenden Sterne – massenhaft Energie abstrahlt. Unkontrolliert bringt die Fusion Wasserstoffbomben zur Explosion. Seit den 1960er-Jahren wird die Kernfusion als verheißungsvolle Antithese zur Kernkraft propagiert. In einem Reaktor kontrolliert fusioniert, könnte Wasserstoffplasma einen unerschöpflichen und vor allem umweltfreundlichen, kohlenstofffreien Energiequell darstellen, so die Hoffnung vieler Forscher. Wären da nicht die vielen Hürden: Noch stehen Experimentalreaktoren vor großen technischen Problemen – trotz Investitionen in Milliardenhöhe. Der Zeitplan des Prestigereaktors Iter in Südfrankreich musste immer wieder verschoben werden. Doch es gibt auch positive Nachrichten: Im Dezember erzeugte die deutsche Anlage Wendelstein zum ersten Mal Plasma. An eine wirtschaftliche Nutzung ist Experten zufolge aber nicht vor 2050 zu denken. Ans Aufgeben denkt dennoch niemand. Das renommierte US-Forschungsinstitut MIT kündigte im Vorjahr den Bau eines extrem leistungsfähigen und dabei billigen Fusionsreaktors an.
7Wissenschaft
Puffottern können wochenlang reglos verharren, um dann blitzschnell zuzuschlagen. Dabei tarnen sie sich sowohl optisch als auch chemisch. Johannesburg/Wien – Wer den Blick zufällig über eine Puffotter (Bitis arietans) schweifen lässt, sieht vermutlich ... nichts. Die graubraun gemusterten und für Schlangen recht gedrungen gebauten Tiere sind auf einem Untergrund aus Erde, Steinen und Pflanzenmaterial kaum auszumachen. Diese sogenannte Tarntracht wird noch dazu dadurch begünstigt, dass die in weiten Teilen Afrikas verbreiteten Puffottern über sehr lange Zeiträume völlig bewegungslos bleiben können. Allerdings ist visuelle Tarnung nur die halbe Miete, denn viele Tierarten – potenzielle Beute ebenso wie Fressfeinde – setzen stärker auf ihren Geruchssinn. Aber auch hierauf hat die Puffotter eine Antwort, wie Forscher der Universität Witwatersrand in den Proceedings B der britischen Royal Society berichten. Die etwa einen Meter langen Giftschlangen verfügen offenbar auch über einen chemischen Tarnmantel. Das Forscherteam um den Biologen Graham Alexander konnte beobachten, wie Hunde und Erdmännchen – beides natürliche Feinde von Puffottern – ahnungslos über die Schlangen hinwegspazierten. Anschließende Experimente mit Duftproben verschiedener Schlangenspezies zeigten, dass beide Raubtierarten enorme Probleme damit haben, eine Puffotter zu erschnuppern; bei den übrigen Schlangen taten sie sich leicht. Die Forscher bezeichnen die Dufttarnung als ersten Fall von chemischer Krypsis, den man bei einem Landwirbeltier festgestellt hat. Da Puffottern als Lauerjäger manchmal wochenlang reglos am selben Fleck verharren, ist Unauffälligkeit auch dringend geboten. Die gute Tarnung hat allerdings auch eine Schattenseite: Die eher trägen Puffottern sind für mehr Todesfälle verantwortlich als jede andere Schlangenart Afrikas. Und das, obwohl sie sich keineswegs sonderlich angriffslustig verhalten – sie sind einfach nur so gut getarnt, dass man leicht versehentlich auf sie tritt.
8Kultur
Wurde Gustav Klimts "Apfelbaum II" 2001 an die falschen Erben restituiert? Seit Monaten sind Provenienzforscher um eine Klärung bemüht. Trotz akribischer Recherche, fand sich kein Beweis und bleiben nur Indizien. Wenn Wodan, Erhalter des Lebens und Lichtes, das Rad der Sonne, das Jul, wieder den Kreisen des Frühlings entgegenbewegte, erinnerte ein Zeitungsbericht am 24. Dezember 1942, feierten die germanischen Menschen das Fest der Wintersonnenwende. Durch die Verschmelzung mit der durch Jahrtausende wirksamen Kraft alten Ahnenglaubens, sei Weihnachten schließlich das deutscheste aller Feste im Jahreskreis geworden. Das Fest deutscher Lichtsehnsucht konnte das traditionell christliche Weihnachtsfest nicht verdrängen. Die textlich manipulierten Lieder gab es eher bei offiziellen Feiern als im familiären Kreis zu hören. In der 1942 adaptierten Versionen von Stille Nacht war aus dem trauten hochheiligen Paar der strahlende Lichterbaum und aus Christ, in deiner Geburt nun werdet Lichtsucher all! geworden. Wie Gustav Ucicky, der mit dem NS-Propagandafilm Heimkehr (1941) am Zenit seiner Karriere als Filmregisseur angelangt war, das Weihnachtsfest zelebrierte, ist nicht überliefert. Gesichert ist aber, welches Präsent er von seiner damaligen zweiten Ehefrau Ingeborg bekam: Gustav Klimts Gemälde Schloss Kammer III (1910), eine fantastische Ergänzung für die Sammlung des unehelichen Sohns des Künstlers. Ucickys Frau hatte das Werk für 6000 Reichsmark von Erich Führer erworben. Der mit der Liquidation der Sammlung Bloch-Bauer beauftragte Rechtsanwalt hatte das 1936 vom Zuckerindustriellen der Österreichischen Galerie gewidmete Bild gegen zwei andere (Adele Bloch-Bauer I, Apfelbaum I) eingetauscht. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg forderte das Museum Ucicky zur Rückgabe auf. Er verweigerte, erst eine drohende Rückstellungsklage führte 1949 zu einem Vergleich: Das Museum überließ ihm das Bild auf Lebensdauer. Ergänzend verpflichtete sich der Regisseur, drei weitere Klimt-Bilder aus seinem Besitz als Schenkung auf den Todesfall der Österreichischen Galerie zu widmen. Nach Ucickys Tod 1961 gelangten diese in den Bestand. Dazu gehörte Apfelbaum II (1916), jenes Gemälde, das, wie im Juli bekannt wurde, 2001 womöglich an die falsche Erbenfamilie restituiert wurde: an die Nachfahren von Nora Stiasny (geb. Zuckerkandl) statt an jene von August Lederer. Dafür sprechen Indizien, die zwar bekannt waren, denen man jedoch eventuell zu wenig Bedeutung beimaß. Ergänzend: Klimt malte dieses Motiv nach 1900 mehrmals, in der Fachliteratur gelten neben gegenständlicher Version noch der Goldene Apfelbaum (1903, Slg. Lederer, 1945 auf Schloss Immendorf verbrannt) und Apfelbaum I (1912, Slg. Bloch-Bauer, Belvedere, 2006 restituiert) als gesichert. Aber auch Elisabeth Bachofen-Echt, Tochter von August und Szerena Lederer, besaß ein gleichartiges Motiv, wie die ihrer Vermögensanmeldung vom Juni 1938 beigelegte Schätzliste belegt. Auf diese Information stieß Belvedere-Provenienzforscherin Monika Mayer im Februar 2001, also nachdem der Beirat im Oktober 2000 die Rückgabe empfohlen hatte. Sie informierte sowohl ihren Vorgesetzten (Gerbert Frodl) als auch den Leiter der Kommission für Provenienzforschung (Ernst Bacher). Mayers Empfehlung zusätzlicher Recherchen wurde in den Wind geschlagen. Nun ist man seit Monaten mit ergänzenden Recherchen beschäftigt, die trotz akribischer Überprüfung bisher kaum Nennenswertes zutage förderten. Zusätzlich zur Provenienzforschung, erklärt Eva Blimlinger, werden auch andere Experten einbezogen, um möglichst viele Sichtweisen und Informationen zu generieren, die dem Beirat in einem Ergänzungsdossier vorgelegt werden. Laut der wissenschaftlichen Koordinatorin des Beirates könne das noch Monate dauern, denn, anders als bei der damaligen Entscheidung wolle man nicht unter Zeitdruck geraten und, soweit es geht, Unklarheiten ausschließen. Genauer analysierte man jetzt auch eine Beilage aus dem Stiasny-Dossier. Ein Bericht von 1939, in dem sich die Beschreibung eines Restaurators von Stiasnys Apfelbaum findet. Diese passt, wie Klimt-Experte Alfred Weidinger (Stv. Direktor Belvedere) auf Standard-Anfrage jetzt bestätigt, in den genannten Details definitiv nicht zu dem 2001 restituierten Bild. Weiters ist in diesem Bericht Ucickys Reaktion auf die Besichtigung des Werkes im Atelier des Restaurators erwähnt. Demnach handle es sich bestenfalls um eine unfertige Vorstudie und habe er, der 1500 Reichsmark in Aussicht gestellt hatte, sogleich auf den Kauf verzichtet, auch für weniger wollte er es nicht haben. Ob er später doch dieses oder ein anderes Apfelbaum-Bild erwarb? Man weiß es (noch) nicht. Der Einzige, der die Antwort liefern könnte, wäre Ucicky selbst. Die von seiner dritten Ehefrau gegründete Klimt-Foundation kann hier auch nur beitragen, worüber sie dem Vernehmen nach noch verfügt. Das erhaltene Aktenmaterial sei spärlich und datiere hauptsächlich aus der Nachkriegszeit. Aus dem Umfeld des Rückstellungsvergleichs fand sich ein Schreiben zu erwähntem Ankauf von Schloss Kammer III. Mit einem interessanten Detail: Den Tipp, dass Erich Führer Klimt-Bilder zum Verkauf offeriere, hatte Ucickys Ehefrau von einer Freundin erhalten, konkret von Baronin Bachofen-Echt, geb. Baronin Lederer. Von ihr weiß man, dass sie ihren Lebensunterhalt damals teils mit dem Verkauf von Kunstwerken bestritt. Der Rest bleibt Spekulation: Ob sie Gustav Ucicky ihren Apfelbaum verkaufte? Es könnte erklären, warum ihr Bruder Erich Lederer nach dem Krieg nie Ansprüche auf das Bild erhoben hatte.
7Wissenschaft
Mediziner des LKH Bozen hoffen, durch die Auswertung bereits vorhandener Befunde die Stimmbildung des Eismannes nachahmen zu können. Bozen – Die Gletschermumie Ötzi soll in Zukunft von Besuchern des Südtiroler Archäologiemuseums nicht nur gesehen, sondern auch gehört werden: Mithilfe bildgebender Verfahren soll es möglich werden, eine Bestimmung des Stimmkanals und der anatomischen Resonanzräume von Ötzi zu erhalten. Dies teilten der Südtiroler Sanitätsbetrieb am Montag in einer Aussendung mit. Anschließend soll mittels einer ausgearbeiteten Software der Wert der Formanten bestimmt werden, also die Verteilung der akustischen Energie und des Vokalklangs. Dieser soll schließlich durch Sprachsynthesizer rekonstruiert werden. Die Besonderheit des Projekts liege darin, dass an der Mumie keine zusätzlichen invasiven Untersuchungen durchgeführt werden müssen, da die dafür benötigten Aufnahmen bereits vorliegen. Die von Francesco Avanzini vom Ambulatorium für Phoniatrie sowie Rolando Füstös von der HNO-Abteilung des Landeskrankenhauses Bozen initiierte Studie sei die erste ihrer Art, hieß es in der Aussendung. Da sich die Wissenschafter mit dem Projekt auf Neuland begeben würden, sei es notwendig, Problematiken zu beachten, die zuvor noch nie vorgekommen seien. So könnte beispielsweise der Arm der Gletschermumie, der den Hals verdeckt, diesen Teil seines Körper verändert haben. Auch die Mumifizierung und das damit einhergehende Fehlen von Flüssigkeiten mache die Stimmrekonstruktion zu einer großen Herausforderung.
7Wissenschaft
Vor seinem Untergang befand sich das Schiff des britischen Entdeckers bereits in seiner zweiten Karriere als "Lord Sandwich 2". New York – Wissenschafter haben möglicherweise das Wrack der Endeavour des berühmten britischen Entdeckers James Cook geortet: Das Rhode Island Projekt für Meeresarchäologie (RIMAP) teilte auf seiner Website mit, in der Bucht von Newport im US-Bundesstaat Rhode Island seien neun Stellen identifiziert worden, an denen sich Reste von 13 Schiffen befänden, die während des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges in den Tagen vor der Schlacht von Rhode Island versenkt worden waren. An einer Stelle sei ein Beiboot der 1778 gesunkenen Lord Sandwich 2 gefunden worden – so lautete der letzte Name des Schiffs, das ursprünglich Earl of Pembroke geheißen hatte, ehe es als Endeavour in die Geschichte einging. In der Nähe des Beibootes lägen insgesamt fünf Wracks, und das Projekt für Meeresarchäologie vermute, dass die Endeavour darunter sei. Bevor die Untersuchungen fortgesetzt werden könnten, solle aber Geld für den Bau eines Hangars gesammelt werden, um die Fundobjekte zu lagern, hieß es von RIMAP. Mit der Endeavour hatte James Cook von 1768 bis 1771 seine erste Entdeckungsreise unternommen und den südwestlichen Pazifik erforscht. 1770 erreichte Cook mit ihr Australien – zwar nicht als erster Europäer, doch war sein Eintreffen das folgenreichste. Anders als bei den sporadischen Besuchen holländischer Seefahrer führte Cooks Ankunft dazu, dass Australien bald darauf dauerhaft von Europäern besiedelt wurde. Die Endeavour wurde nach ihrer Rückkehr aus dem Pazifik verkauft und in Lord Sandwich 2 umbenannt. Im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg setzte sie das britische Empire als Truppentransporter und Gefängnisschiff ein, ehe sie 1778 versenkt wurde: Nicht von den Revolutionären, sondern von den Briten selbst, um zusammen mit anderen Schiffen eine heranrückende französische Flotte zu blockieren.
7Wissenschaft
Hans Joachim Schellnhuber: Kohlenstoff-Anreicherung in der Atmosphäre reicht aus, um nächste Kälteperiode zu verhindern. München – Rückblickend befinden wir uns derzeit in einer nacheiszeitlichen Warmzeit innerhalb eines globalen Eiszeitalters. Diese Warmzeit nahm vor rund 11.000 Jahren ihren Anfang und sollte nach dem bisherigen Forschungsstand in rund 60.000 Jahren einer erneuten Kaltzeit Platz machen. Dazu dürfte es allerdings nach Ansicht des renommierten Klimaforschers Hans Joachim Schellnhuber nicht kommen: Die nächste Eiszeit fällt also gleichsam aus – verantwortlich dafür sei laut Schellnhuber der menschengemachte Klimawandel. Der Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) sprach bei der Eröffnung des 9. Münchner Klimaherbstes. Durch die Verfeuerung fossiler Energieträger seit Beginn der industriellen Revolution seien bereits 500 Gigatonnen Kohlenstoff zusätzlich in die Atmosphäre eingebracht worden. Diese Menge reiche aus, um die nächste Kälteperiode zu verhindern. Der Mensch ist bereits eine so starke geologische Kraft geworden, dass er sogar Eiszeiten unterdrücken kann, sagte Schellnhuber. Etwa zwei Monate vor dem UNO-Klimagipfel in Paris warnte Schellnhuber vor einer Erwärmung der Erde über zwei Grad Celsius hinaus. Falls dieses Ziel nicht erreicht werde, gerate das Klimasystem völlig außer Kontrolle. Bereits eine Erwärmung bis zu zwei Grad bedeute, dass der Meeresspiegel um schätzungsweise sechs Meter ansteige und viele Ökosysteme wie die Korallenriffe zerstört würden. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Oberhalb dieser Grenze sei kein Halten mehr. Bei business as usual werde sich die Erde im 21. Jahrhundert um vier bis fünf Grad erwärmen, mit katastrophalen Folgen. Falls die Menschheit den bisherigen Wachstumspfad weiter verfolge und alle fossilen Reserven an Kohle, Erdöl und Gas verfeuere, sei sogar mit einer Erwärmung um mindestens 8 Grad zu rechnen, sagte Schellnhuber. Dann würden selbst die gigantischen Eismassen der Ostantarktis abtauen. Laut einer vor wenigen Wochen präsentierten Studie könnte dieses Szenario in den kommenden 10.000 Jahren Realität werden. Die Folge wäre ein globaler durchschnittliche Anstieg der Ozeane um fast 60 Meter.
1Panorama
Bei dem AKW bebte am Jahrestag Tschernobyls schon wieder die Erde. Vorerst waren keine Schäden bekannt, die Auswertungen laufen. Graz/Krsko – Die Zufälle könnten nicht größer sein: Ausgerechnet am Jahrestag des GAU in Tschernobyl vor 30 Jahren hat im slowenischen Krško, wo 100 Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt ein 35 Jahre altes Atomkraftwerk steht, am Dienstag die Erde gebebt. Schäden waren laut der Zeitung Slovenske novice vorerst nicht bekannt. Die Auswertungen hierzu liefen, auch die Stärke des Bebens war noch unbekannt. Die Erdstöße sollen deutlich spürbar gewesen sein. Der zweite Zufall: Die Umweltlandesräte Kärntens und der Steiermark, Rolf Holub (Grüne) und Jörg Leichtfried (SPÖ), waren kurz danach bei ihrer gemeinsamen Pressekonferenz in Klagenfurt, wo sie die Abschaltung genau dieses Kraftwerks forderten. In einer gemeinsamen Erklärung gaben sie an, mit dem slowenischen Infrastrukturminister Peter Gašperšič und dem kroatischen Wirtschaftsminister Ivan Vrdoljak Gespräche aufnehmen zu wollen und sich dabei gegen die Laufzeitverlängerung und den Ausbau von Krško und für den Umstieg auf erneuerbare Energien einzusetzen. Erst vor wenigen Tagen war es in Krško zu einem Erdbeben der Stärke 4,1 gekommen. Wie DER STANDARD berichtete, warnen Experten vor neuentdeckten Erdbebenlinien vor Ort.
7Wissenschaft
Veränderungen bei Verbreitung, Wanderrouten, Blüte- und Brutzeiten zu beobachten. Sydney – Der Klimawandel zwingt rund die Hälfte aller Pflanzen und Tiere zum Ortswechsel. Wissenschaftliche Auswertungen von Daten zu tausenden Spezies habe ergeben, dass weltweit eine Wanderungsbewegung Richtung Pole oder in höhere Lagen eingesetzt hat, sagte Camille Parmesan von der Universität Plymouth (Großbritannien) am Mittwoch bei einer Konferenz an der australischen University of Tasmania in Hobart. Die Auswirkungen der Erderwärmung würden in hunderten Studien aufgezeigt, so Parmesan. Neben einem Wandel der Verbreitungsräume seien auch andere Veränderungen zu beobachten: So reagierten etwa eine erhebliche Anzahl der untersuchten Arten mit einer früheren Blüte oder Brutzeit auf die Erwärmung. Bei Wandervögeln seien zudem Verschiebungen der Flugperioden zu beobachten. Negative Auswirkungen seien besonders bei bereits bedrohte Arten zu verzeichnen, warnte die Wissenschafterin. Deren Schutz werde angesichts des Klimawandels möglicherweise nicht immer machbar sein. Als Beispiel nannte Parmesan etwa Opossums der tropischen Bergregionen Australiens, die vom Klimawandel bereits schwer beeinträchtigt seien. Andere Arten seien gefährdet, weil sie etwa durch die zunehmende Urbanisierung an einem Ortswechsel gehindert würden.
7Wissenschaft
Pflanzen gewinnen Energie aus dem Licht der Sonne. Mit einem ähnlichen Prozess lässt sich der Energieträger Wasserstoff aus Wasser abspalten.. Innsbruck – Ein Energieträger, der schadstofffrei verbrennt, zumindest in gebundener Form nahezu unbegrenzt vorhanden ist und eine durchaus hohe Energiedichte aufweist: Wasserstoff. Er kann viel besser gespeichert werden als elektrischer Strom, er kann Autos antreiben oder Energie in Brennstoffzellen freisetzen. Die Nutzung des Elements könnte in erheblichem Ausmaß dazu beitragen, dass die Welt unabhängiger von fossilen Brennstoffen wird. Weniger gut ist allerdings, dass heute noch an die 90 Prozent des gewonnenen Wasserstoffs aus Kohle, Erdgas und anderen Kohlewasserstoffen stammen. Prozesse, die Wasserstoff in einfacher Weise aus Wasser abspalten, zählen deshalb zu den Hoffnungsträgern im Ringen um eine Energiewende. Die sogenannte photokatalytische Wasserspaltung, die 1972 von den japanischen Chemikern Akira Fujishima und Kenichi Honda entdeckt wurde, wäre wohl der eleganteste Weg: Die Energie der Sonne wird dabei genutzt, um einen elektrochemischen Prozess auszulösen, der Wasserstoff und Sauerstoff trennt. Pflanzen und Bakterien gehen ähnlich vor, wenn sie die elektromagnetische Energie der Sonne in chemische Energie umwandeln – ein Vorgang, der unter Photosynthese bekannt ist. Die Suche nach alternativen Energiesystemen in den vergangenen Jahrzehnten hat der Entwicklung von Systemen zur photokatalytischen Wasserspaltung, die zu den künstlichen Photosynthesen gezählt wird, neue Konjunktur verliehen. Zu den Wissenschaftern, die dabei sind, den Prozess im Labor für eine künftige, großflächige Anwendung zu optimieren, zählt auch Christof Strabler. Als Teil der Forschungsgruppe von Peter Brüggeller am Institut für Allgemeine, Anorganische und Theoretische Chemie der Universität Innsbruck ist er am Projekt Solarer Wasserstoff beteiligt. Die Forscher kooperierten bei dem im März 2016 auslaufenden Projekt mit dem Unternehmenspartner Verbund, unterstützt wurden sie von der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG. Die ersten Versuche im Bereich der photokatalytischen Wasserspaltung bedienten sich seltener und teurer Elemente wie Palladium, um die Reaktion in Gang zu bringen, erläutert Strabler. Wenn man Wasserstoff aber irgendwann wirtschaftlich in großtechnischen Anlagen abspalten will, muss man zu günstigeren Metallen wechseln. Geringe Mengen der jeweiligen Metalle werden dabei gelöst ins Wasser gemischt und dem Sonnenlicht ausgesetzt. In der richtigen Kombination und unter passenden Bedingungen entsteht eine sogenannte Redoxreaktion, die eine Abtrennung des Wasserstoffs zur Folge hat. In Zukunft können spezielle Becken, die optimierte Metalllösungen enthalten, mithilfe von Spiegelsystemen hoher und fokussierter Sonneneinstrahlung ausgesetzt werden, um die Reaktion im großen Stil durchzuführen. Mithilfe von Membranen kann das energiereiche Element dann eingesammelt werden. Bei der Photosynthese der Pflanzen absorbiert der Farbstoff Chlorophyll Lichtenergie. Elektronen, die auf diese Art angeregt, also in einen energiereicheren Zustand versetzt wurden, werden abgegeben, die so entstandene chemische Energie dient zum Aufbau organischer Verbindungen, die energiereicher sind als die Ausgangsstoffe. Bei der photokatalytischen Wasserspaltung, an der Strabler und Kollegen arbeiten, tritt Kupfer an die Stelle des Chlorophylls. Das Metall übernimmt die Aufgabe eines sogenannten Chromophors, eines Stoffs, der bestimmte Wellenlängen des Lichts absorbiert. Der Kupfer-Komplex absorbiert nicht nur wenige Wellenlängen, sondern einen breiten Bereich des Lichtspektrums. Er kann Energie lang speichern, um sie dann weiterzugeben, so Strabler. Der Chromophor gibt die Energie gepaart mit den Elektronen an einen Katalysator – in diesem Fall Eisen – weiter, was die Reaktion zur Trennung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff auslöst. Es nützt nichts, wenn man zwei Stoffe verwendet, die jeweils für sich perfekte Eigenschaften haben. Sie müssen im Zusammenspiel gut funktionieren. Eisen und Kupfer passen gut zusammen. Eisen und Nickel beispielsweise weniger. Um die Mechanismen der Redoxreaktion, die dem Vorgang zugrunde liegt, besser untersuchen zu können, wechselte Strabler im Rahmen eines Stipendiums an die Universität Strasbourg in Frankreich. Ich konnte dort Untersuchungen mit hochspezialisierten Instrumenten machen, um mehr über die Wechselwirkungen der Metalle herauszufinden. Allerdings ist es nicht einfach, das System letztendlich tatsächlich so auszutarieren, dass es so gut wie bei den Vorbildern in Pflanzen oder Bakterien funktioniert. Die Natur ist ein lebendiger Kreislauf, der sich ständig regeneriert. Will man den Prozess reproduzieren, muss die Stabilität viel höher sein, erklärt der Chemiker. Höhere Stabilität bedeutet, dass der Prozess nicht nur stunden- oder tageweise in Gang bleibt, sondern Wochen und Monate. Strabler: Bisher funktioniert es im Labor und in kleinen Anlagen. Bis die photokatalytische Wasserspaltung in großtechnischen Anlagen funktioniert, dauert es aber sicher noch 20 bis 30 Jahre.
7Wissenschaft
Der womöglich letzte Anlauf zur Kontaktaufnahme verhallte im All. Bis Ende Jänner hoffen Forscher noch auf Signale des Minilabors. Köln – Der jüngste Weckruf von Raumfahrtexperten an den Landeroboter Philae auf dem Tschuri genannten Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko ist im All verhallt. Die Chancen, dass sich das Landemodul noch einmal meldet, schwinden drastisch. Am Wochenende hatte das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ein Kommando zu Philae geschickt, das das Drallrad im Inneren des Landers in Bewegung setzen sollte. Ohne Erfolg, wie der Philae-Projektleiter vom DLR, Stephan Ulamec, am Montag mitteilte: Es ist zu keiner Kontaktaufnahme gekommen. Man sollte nicht zu enttäuscht sein, wir wussten, dass die Chancen gering waren. Aber wir wollten diese Chance nutzen, bevor man zu weit von der Sonne weg ist. Die Wahrscheinlichkeit für einen Kontakt wird mit jedem Tag geringer, weil sich Tschuri von der Sonne wegbewegt. Seit September warten die Forscher auf ein Zeichen des Roboters. Bis Ende Jänner werde man noch auf Signale von Philae achten. Aber dann muss man irgendwann auch einmal realistisch sein, dass wir vermutlich nichts mehr von ihm hören werden, so Ulamec.
7Wissenschaft
Wie wir Gesichter beurteilen, hat wenig mit unseren Genen zu tun. Individuelle Eindrücke spielen eine viel größere Rolle.. Boston – Ob man eine Person als attraktiv empfindet oder nicht, ist bis zu einem gewissen Grad genetisch determiniert – das haben frühere Studien mehrfach nachgewiesen. Einer der offenbar angeborenen Faktoren zur Beurteilung von Schönheit lautet Symmetrie: Zwei ungleiche Gesichtshälften werden tendenziell als weniger reizvoll empfunden. Insgesamt dürften aber die Gene nur eine verschwindend geringe Rolle dabei spielen, was jeder von uns unter einem schönen Gesicht versteht: Eine aktuelle Untersuchung hat nun vielmehr nachgewiesen, dass Attraktivität tatsächlich überwiegend auf erlernten Kriterien basiert. Die Forscher um Laura Germine vom Massachusetts General Hospital in Boston (USA) ließen insgesamt mehr als 760 eineiige und zweieiige Zwillingspaare die Attraktivität von 200 weiblichen und männlichen Gesichtern auf einer Skala von 1 bis 7 bewerten. Das Ergebnis: Unter eineiigen Zwillingen waren die Übereinstimmungen bei den Bewertungen trotz ihrer identischen genetischen Ausstattung nicht größer als in der anderen Gruppe. Germine und ihr Team schließen daraus, dass persönliche Erfahrungen und Umwelt maßgeblich das individuelle Schönheitsempfinden prägen. Wir schätzen, dass die individuellen ästhetischen Präferenzen bei Gesichtern etwa zur Hälfte mit denen anderer übereinstimmen und zur anderen Hälfte abweichen, schreiben die Wissenschafter in der aktuellen Ausgabe von Current Biology. Das passt zu der allgemeinen Wahrnehmung, dass einerseits Models mit ihrem guten Aussehen erfolgreich sind, aber andererseits Freunde endlos darüber diskutieren können, wer attraktiv ist oder nicht. Die Untersuchung der Forscher zeigt, dass jene Faktoren, die unser ästhetisches Empfinden formt, äußerst differenzierter Natur sind: Ausschlaggebend sind nicht die Arten von Umwelt, wie wir sie etwa mit Familienmitgliedern teilen. Sie sind viel subtiler, individueller und umfassen einzigartige, höchstpersönliche Erfahrungen, etwa mit Freunden, in sozialen oder populären Medien, erklärt Germine. Nicht Schulwahl, Nachbarschaft oder finanzieller Background der Eltern sind also wichtig, sondern vielmehr einzigartige Begegnungen, Filmbilder, die hängen bleiben, oder vielleicht das Gesicht der ersten Liebe. Mit anderen Worten: Unser jeweiliges Schönheitsideal ist nichts anderes, als die Summe unserer ganz persönlichen Erfahrungen.
6Etat
"Service für Zuwanderer": Wichtigste Informationen werden an Wochentagen zweimal, am Wochenende einmal täglich aktualisiert. Hamburg – Die Redaktion der Tagesschau bietet im Internet nun auch Nachrichten in arabischer Übersetzung an. Das teilte die ARD am Montagabend auf tagesschau.de mit und sprach von einem Service für Zuwanderer in Deutschland. Weiter hieß es: Die Tagesschau in 100 Sekunden gibt es ab sofort auch auf Englisch und Arabisch. Die wichtigsten Informationen des Tages werden an Wochentagen zweimal, am Wochenende einmal täglich aktualisiert. Das Angebot ist allerdings stumm, es werden allein Schrifttafeln eingeblendet. Der Nachrichtenüberblick in 100 Sekunden wird in beiden Sprachen von Montag bis Freitag um 11 Uhr und um 18 Uhr aktualisiert. Am Wochenende und an Feiertagen wird einmal täglich um 13 Uhr aufgefrischt.
4Sport
Weltmeister verlässt Bayern München und heuert bei Englands Rekord-Champion an. München/Manchester – Der Transfer von Bastian Schweinsteiger von Bayern München zu Manchester United ist beschlossene Sache. Das bestätigte Bayerns Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge am Samstag kurz vor der offiziellen Mannschaftspräsentation in München in einer Pressekonferenz. Lediglich juristische Details seien noch zu klären und der Medizincheck zu absolvieren. Damit geht bei den Bayern eine Ära zu Ende. Schweinsteiger war 17 Jahre bei den Münchnern tätig. Mit den Bayern gewann er achtmal den deutschen Meistertitel und 2013 endlich auch die Champions League. Er will einfach diese neue Erfahrung machen, sagte Rummenigge. Wir haben versucht, ihn zu überzeugen, bei Bayern München zu bleiben. Ich bedauere das ein Stück, auch wenn ich dafür Verständnis habe. Er war ein extrem verdienter Spieler. Medienberichten zufolge soll Schweinsteiger bei United einen mit mehr als zehn Millionen Euro jährlich dotierten Dreijahresvertrag erhalten, das entspräche seinem bisherigen Salär. Die Ablösesumme für den 30-Jährigen dürfte im Bereich von 18 bis 20 Millionen Euro liegen. Schweinsteiger hatte bei den Bayern, zu denen er im Juli 1998 als Nachwuchsspieler gekommen war, noch einen bis Juni 2016 laufenden Vertrag. Als Rummenigge den 70.000 Bayern-Fans in der Münchner Arena den Abschied des Mittelfeldstrategen verkündete, erntete er gellende Pfiffe. Viele Anhänger waren sauer, manche wütend über den Abschied ihres Idols. Die Entscheidung fiel bei einem diskreten, sehr seriösen und sehr ehrlichen Gespräch (Rummenigge) am Freitag nach Schweinsteigers Rückkehr aus dem Urlaub. Der Vize-Kapitän habe dort seinen Wunsch geäußert, zu United zu wechseln, danach sei der Deal umgehend über die Bühne gebracht worden – ohne Beteiligung von Trainer Pep Guardiola, wie Rummenigge betonte. Schweinsteiger hatte zuletzt immer wieder mit Verletzungsproblemen zu kämpfen. Unter Guardiola kam der bis dahin als Führungsspieler völlig Unumstrittene nicht mehr wie gewünscht zentral im Mittelfeld zum Einsatz, sondern immer wieder auch auf der Seite. Dass er wegen unseres Trainers gegangen wäre, muss ich ins Reich der Fabel verweisen. Die zwei haben ein völlig intaktes Verhältnis, so Rummenigge. Guardiola hatte zuletzt zwar erklärt, er plane für die neue Saison mit Schweinsteiger. Der Coach unterstrich aber auch: Nur er kann über seine Zukunft entscheiden, nicht Pep. Spieler mit dieser großen Karriere und dieser großen Qualität können nur selbst entscheiden. Schweinsteiger entschied sich für Manchester United, den englischen Rekordmeister anstelle des deutschen. Der frühere Bayern-Trainer Louis van Gaal hält große Stücke auf Schweinsteiger. Unter der Ägide des Niederländers kam United in der abgelaufenen Saison aber nicht über Rang vier hinaus und verpasste dadurch die direkte Qualifikation für die Champions League. Bereits am Montag fliegen die Red Devils zu einem Trainingslager in die USA. Schweinsteiger soll da bereits an Bord sein. Und van Gaal shopt weiter. Wenige Stunde nach Schweinsteiger holte er auch den italienischen Teamspieler Matteo Darmian vom FC Torino. Der 25-jährige Verteidiger erhielt einen Vierjahresvertrag, laut Medienberichten soll die Ablösesumme rund 18 Millionen Euro betragen haben. Darmian, der vorzugsweise rechts in der Viererkette spielt, war im Vorjahr WM-Teilnehmer mit Italien und hat bisher 13 Länderspiele absolviert. (APA/red – 11.7. 2015)
7Wissenschaft
Funktionierendes Gefäß- und Muskelgewebe dank Besiedelung einer amputierten Pfote mit lebenden Zellen hergestellt. Boston - Wissenschafter um den gebürtigen Tiroler Harald Ott vom Massachusetts General Hospital (MGH) in Boston berichten von einem Durchbruch: Ihnen ist es gelungen, eine künstliche Rattenpfote in einem Nährmedium wachsen lassen. Die Pfote habe ein funktionierendes Gefäß- und Muskelgewebe und sei ein Schritt hin zur Herstellung von Ersatzgliedmaßen auch für Menschen, so die Forscher. Denn sie wollen mit ihrer Arbeit nachgewiesen haben, dass die Methode prinzipiell auch bei Primaten angewendet werden könne. Künstliche Arme oder Beine für den Menschen sind damit allerdings noch lange nicht in Sicht. Die Forscher hatten mit einem speziellen Lösungsmittel in einem aufwendigen Prozess alle lebenden Zellen von der amputierten Pfote einer Ratte gelöst, berichten sie im Fachjournal Biomaterials. Nur die Grundstrukturen seien erhalten geblieben. Dann hätten sie die einzelnen Teile wieder mit lebenden Zellen eines anderen Tieres besetzt. In den folgenden Tagen seien die einzelnen Gewebe, Muskeln und Adern wieder herangewachsen. Bei den Muskeln sei das Zellwachstum zusätzlich durch elektrische Stimulation angeregt worden. Insgesamt dauerte der Prozess nach Angaben der Forscher zwei Wochen. Der große Vorteil des Verfahrens basiere darauf, dass die Immunreaktion nach einer Transplantation sehr gering ausfalle, weil das transplantierte Organ mit den eigenen Zellen besiedelt wurde. Funktionstests hätten gezeigt, dass die Muskeln der künstlichen Pfote auf elektrische Stimulation mit Kontraktionen reagierten, so die Wissenschafter. Ihre Kraft habe etwa 80 Prozent der von Muskeln einer neugeborenen Ratte erreicht. Nach der selben Methode - Entfernung aller Zellen eines Spenderorgans und Besiedelung mit lebenden Zellen - seien schon Nieren, Lebern, Herzen und Lungen von Tieren geschaffen worden. Gliedmaßen seien aber viel komplexer. In einem weiteren Versuch seien bei einem Unterarm eines Pavians alle Zellen entfernt und mit der Neubesiedlung begonnen worden, so die Forscher. Die bisherigen Ergebnisse nährten zwar die Hoffnung, so irgendwann auch beim Menschen Gliedmaßen ersetzen zu können. Der Aufbau der Nerven bleibe aber eine große - und bisher ungelöste - Herausforderung. Den Medizinern zufolge leben allein in den USA mehr als 1,5 Millionen Menschen mit fehlenden Gliedmaßen. Trotz großer Fortschritte bei den Prothesen sei dies eine Belastung für das tägliche Leben. Die komplexe Natur unserer Gliedmaßen macht es zu einer großen Herausforderung, sie zu ersetzen, sagt Ott. Sie bestehen aus Muskeln, Knochen, Knorpel, Sehnen, Bändern und Nerven - alles muss aufgebaut werden und alles bedarf einer bestimmten Grundstruktur. Sein Team habe nun bewiesen, dass diese Struktur erhalten und mit neuem Gewebe versehen werden kann. Wirklich neu sei der Ansatz nicht, sagte Raymund Horch, Direktor der Plastisch- und Handchirurgischen Klinik am Universitätsklinikum Erlangen. Eine solche Dezellularisierung und Repopularisierung sei auch schon mit anderen Geweben wie Herz und Trachea gemacht worden, habe aber bisher dennoch keinen Einzug in die klinische Anwendung gefunden. Es ist aber ein interessanter Ansatz, weil man letztlich doch die Natur braucht, um ein optimales Stützgerüst zu haben, welches dann durch Dezellularisieren wieder lebendig gemacht werden soll, so Horch. Das eigentliche Anliegen, nämlich einmal ganze Organe zu züchten, wird damit nicht wirklich gelöst. Selbst wenn bei dem Ansatz künftig einmal alles gut funktionieren sollte, werde immer noch ein Spenderorgan benötigt. Das ist aber das Problem bei der initialen Idee des Tissue Engineering gewesen: Man wollte eben gerade den Mangel an Spenderorganen umgehen.
7Wissenschaft
Können umweltbedingte Veränderungen auch ohne DNA vererbt werden? Die israelische Evolutionsbiologin Eva Jablonka ist die wichtigste Befürworterin dieser Theorie. STANDARD: Seit gut zwanzig Jahren findet in der Biologie so etwas wie eine epigenetische Revolution statt: Forscher finden immer mehr Belege dafür, dass es jenseits der DNA und der Gene einen weiteren Code gibt, der an der Ausprägung unserer individuellen Merkmale beteiligt ist. Sehr viel umstrittener allerdings ist, ob es auch so etwas wie eine epigenetische Vererbung dieser Ausprägungen gibt. Sehe ich das richtig? Jablonka: Ja. Was sich im Moment rund um die Epigenetik abspielt, ist in der Tat extrem spannend. Dass es alle möglichen epigenetischen Mechanismen gibt, steht längst völlig außer Zweifel. Umso heißer wird dagegen darüber gestritten, ob epigenetische Faktoren auch Auswirkungen auf die Vererbung und damit auch auf die Evolution haben. STANDARD: Dies Forschungen haben eine lange Tradition - ohne dass man damals von Epigenetik sprach. Der Biologe Paul Kammerer, der Anfang des 20. Jahrhunderts in Wien forschte, war einer der wichtigsten und letzten Vertreter einer solchen Vererbung erworbener Eigenschaften. Mit dem Selbstmord Kammerers im Jahr 1926 nach einem bis heute ungeklärten Fälschungsskandal schien diese Theorie aber erledigt. Inwiefern unterscheidet sich die Debatte heute von damals? Jablonka: Der wichtigste Unterschied zwischen damals und heute besteht wohl darin, dass man damals nicht wusste, wie man sich das alles erklären kann. Man beobachtete schon damals Umwelteffekte, die über mehrere Generationen anhielten. Heute hingegen kennen wir alle möglichen epigenetischen Mechanismen, und wir wissen, wie das funktionieren kann - auch wenn wir noch lange nicht alle Details verstehen, wie sie vererbt werden. Heute kann niemand mehr sagen, dass es so etwas nicht gibt. STANDARD: Erstaunlich ist, dass zwischen Kammerers Freitod 1926 und den letzten gut 20 Jahren der ganze Ansatz der Vererbung erworbener Eigenschaft in der westlichen Evolutionsbiologie ziemlich tabu war. Woran lag das? Jablonka: Ich denke, dass die Politik da stark hineinspielte, konkret: der Kalte Krieg in der Biologie nach 1945. In der Sowjetunion wurden unter dem mächtigen Biologen Trofim Lyssenko Genetiker verfolgt, dessen Züchtungsexperimente mit Getreide sich zudem als Fälschung herausstellten. Es ist meines Erachtens sicher kein Zufall, dass es erst nach 1989, also unmittelbar nach dem Zerfall des kommunistischen Systems, in der Biologie zu einer Enttabuisierung epigenetischer Vererbung und einem Boom an Forschungen darüber kam. STANDARD: Gibt es auch wissenschaftliche Gründe dafür? Jablonka: Absolut. Eine Rolle spielte dabei sicher der Siegeszug der Entwicklungsbiologie. Dazu kamen die Fortschritte in der Gentechnik und die neuen Möglichkeiten, transgene Organismen herzustellen. Als die Biotechnologen damit begannen, fanden sie plötzlich sehr seltsame Phänomene: Die Gene verhielten sich nicht mehr so, wie man dachte, dass sie sich verhalten würden. So entdeckte man die sogenannte DNA-Methylierung, den bis heute wichtigsten epigenetischen Mechanismus. Entsprechend kamen die ersten soliden Daten über epigenetische Vererbung von Forschungen an transgenen Tieren und Pflanzen. Das waren auch meine Anfänge in der Forschung. STANDARD: Aber Sie waren damals noch recht allein auf weiter Flur ... Jablonka: Das stimmt. Ich hatte mich für die Vererbung erworbener Eigenschaften bereits interessiert, als ich mit 17 Jahren die Bücher von Arthur Koestler las, der damals als Nicht-Biologe für die Vererbung erworbener Eigenschaften argumentierte. Das war damals eine völlige Außenseiterposition, an der auch ich meine Zweifel bekam. Doch als ich mich dann einige Jahre später als Mikrobiologin mit Fragen der Epigenetik zu beschäftigen begann, wurde mir dann vieles plausibler. STANDARD: Gerade in Sachen epigenetischer Vererbung scheinen aber auch noch heute nach wie vor viele Fragen offen zu sein. Jablonka: Das stimmt. Es ist auch wirklich eine sehr komplizierte Angelegenheit. Doch genau das macht auch die besondere Faszination dieser Forschungen aus. Mittlerweile gibt es aber Dutzende Studien, die verschiedene Mechanismen epigenetischer Vererbung bestätigen. Und ich würde sogar behaupten, dass epigenetische Vererbung überall stattfindet. Sie ist extrem verbreitet, aber eben schwer zu untersuchen, weil so viele Faktoren hineinspielen. STANDARD: Eine der offenen Fragen ist, wie lange sie anhält. Jablonka: Völlig richtig. Aber auch das hängt von vielen Faktoren ab: etwa davon, wie viele Generationen lang man Organismen bestimmten Umwelteinflüssen aussetzt. In Pflanzen hat man erst kürzlich epigenetische Effekte festgestellt, die über mehr als 30 Generationen anhalten. Die epigenetischen Mutationsraten sind zwar etwa fünf Mal so hoch wie jene in der DNA. Damit sind sie aber immer noch niedrig genug, dass sie der Selektion unterworfen werden. STANDARD: Welche Konsequenzen hat das für die Evolutionsbiologie? Jablonka: Wenn man das alles ernst nimmt, dann sind die radikal. Ich bin mir ziemlich sicher, dass man in 50 Jahren peinlich berührt sein wird, wenn man sich evolutionsbiologische Lehrbücher aus dem Jahr 2015 ansieht. STANDARD: Sie werden am Freitag bei Ihrem Vortrag in Wien aber auch zurückblicken und auch über die Forschungen an der Biologischen Versuchsanstalt vor 100 Jahren im Licht heutiger epigenetischer Erkenntnisse sprechen. Kann man wissenschaftlich noch etwas lernen, sich diese damaligen Forschungen anzuschauen? Jablonka: Ich denke schon. Wir sollten jedenfalls versuchen, einige dieser Experimente zu wiederholen und uns ihre molekularbiologischen Grundlagen anschauen. Da sind zweifellos noch etliche Schätze zu heben, denn heute wissen wir, nach welchen epigenetischen Mechanismen wir suchen müssen - und wir haben die Werkzeuge, sie zu finden.
2International
Kein Schnaps und brav Dixi-Klos benützen: Die Gegner des G7-Gipfels haben ihr Protestcamp in Garmisch nun doch mit einigen Auflagen errichten dürfen. Was gibts in Bayern zum Mittagessen? Na? Simon lacht, der Schweiß rinnt ihm aus den Rastalocken. Gulasch natürlich. Bei uns allerdings mit Geschnetzeltem aus Tofu. Für den 30-Jährigen aus Thüringen ist der Tag noch heißer als für andere. Er hat sich im Widerstandscamp gegen den G7-Gipfel für die Volksküche gemeldet und kocht bei 30 Grad unter freiem Himmel. Ich möchte den Leuten hier im wahrsten Sinne des Wortes Kraft geben, damit sie gegen dieses Gipfeltreffen protestieren können, sagt er und deutet auf ein großes Transparent. G7 Gipfel ist geschmacklos, darum kochen wir für Euch, steht darauf. Er findet es einfach nicht in Ordnung, dass sich da sieben Leute treffen, die keiner gewählt hat, und Weltpolitik bestimmen können. Deshalb hat er seine Isomatte eingepackt und ist ins Camp gekommen. Dieses steht dem Domizil für die Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Japan, USA, Kanada, Frankreich, Italien und Großbritannien zwar in puncto Komfort um einiges nach - die Herrschaften residieren schließlich im rund 20 Kilometer entfernten Schloss Elmau. Doch auch das Camp des Aktionsbündnisses Stopp G7 Elmau auf einer baumlosen und daher äußerst heißen Wiese hat mittlerweile einige Bekanntheit erreicht. Die Verwaltung von Garmisch-Partenkirchen genehmigte es zunächst nicht und argumentierte mit fehlendem Hochwasserschutz. Doch das Verwaltungsgericht München hob die Entscheidung auf, und so wurde es am Freitag auf der Wiese stündlich voller und bunter. Nicht nur kleine Zelte wurden aufgebaut, auch Fahnen und Transparente zogen ein. So blickt Che Guevara entrückt in die bayerische Bergwelt, ein A im Kreis flattert zu Gitarrenklängen im heißen Wind. Doch Anarchie herrscht hier beileibe nicht. Die Camper müssen schon einige Regeln einhalten. Es gibt keinen Schnaps, kleinere und größere Geschäfte werden in Dixi-Klos erledigt, nicht in der schönen Natur. Das Gesundheitsamt war auch schon da und hat kontrolliert, ob es ordnungsgemäße Waschgelegenheiten gibt, auf dass nicht das nahe gelegene (allerdings sehr kalte) Flüsschen Partnach herhalten muss. Alles fein und friedlich hier, sagt Adrian, als er durch das Camp führt und nicht ohne stolz erklärt, dass sich im Camp auch unsere eigenen Sanitäter und Rechtsanwälte befinden. Ich hoffe, es bleibt so ruhig, sagt Melanie, die aus Berlin angereist ist. Sie war 2007 schon beim G8-Gipfel in Heiligendamm an der Ostsee dabei. Um Entwicklungshilfe hat man sich dabei nicht gekümmert, lautet ihre Kritik. Deshalb will sie heute, Samstag, auf der zentralen großen Demo gegen das Treffen durch den Ort marschieren. Im Camp haben wir keine Angst vor Randalierern. Die kommen hier nicht rein, erklärt die Soziologiestudentin. Aber uns besorgt schon, dass jemand die Demo missbraucht. Gewaltsamer Protest fällt ja leider auf alle Demonstranten zurück. Mike aus dem nahen München sieht es genauso, aber dennoch stört ihn die massive Polizeipräsenz: Man kann ja keinen Schritt tun, ohne auf Polizei zu stoßen. Er hätte eine viel bessere Verwendungsmöglichkeit für die vielen Einsatzkräfte: Sie sollten lieber im Mittelmeer Flüchtlinge retten. Über das massive Polizeiaufgebot spottet selbst EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker: Ich werde am Sonntag am G7-Treffen in Bayern teilnehmen, wenn mich die bayerische Polizei nicht daran hindert, das Hotel zu erreichen. Gastgeberin Angela Merkel aber verteidigt den großen Aufwand und erklärt, irgendwo müsse man sich ja mal zusammensetzen und reden können: Wir haben in der Geschichte Europas gesehen, wohin es geführt hat, wenn nicht gesprochen wurde. Alles ruhig, vermeldet die Polizei am Freitag in Garmisch. Ihr gelang im Zuge ihres G-7-Einsatzes schon jede Menge Beifang. Sie stellte bei Kontrollen rund 6600 Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz fest, wies an den Grenzen mehr als 350 Personen zurück, erwischte 118 Personen mit Drogen und 59 Personen, gegen die ein Haftbefehl vorlag. Allerdings räumt auch die Polizei ein, dass die Anspannung vor der Ankunft der Gäste am Sonntag wächst. Die Ruhe in Person ist hingegen Merkel. Noch bevor ein einziger ihrer hohen Gäste einen Fuß ins Schlosshotel gesetzt hat, schraubte sie schon die Erwartungen an das Treffen herunter: Man kann von einem Sonntag und einem Montag in Elmau nicht die Lösung aller Konflikte erwarten. (Birgit Baumann aus Garmisch-Partenkirchen, 6.6.2015)
7Wissenschaft
Joachim Innerhofers und Sabine Mayrs Buch "Mörderische Heimat". Meran/Bozen/Innsbruck – Mit dem Buch Mörderische Heimat gedenkt das Jüdische Museum in Meran des Leidensweges der nahezu 200 Opfer der Schoah Südtirols. Das bei der Edition Raetia erschienene Buch verfassten Joachim Innerhofer und Sabine Mayr, herausgegeben wird es vom Jüdischen Museum Meran. Das Jüdische Museum in Meran erfasste bisher nahezu 200 Opfer der Schoah. Ihre Leistungen, ihr Leidensweg, ihre Vertreibung, ihre materiellen Verluste und ihre Lebensbedrohung ab 1943 sind das Thema des Buches, hieß es in einer Aussendung. Die Opfer haben Südtirol als ihre Heimat betrachtet und waren emotional mit dem Land verbunden. Von den faschistischen Behörden wurden sie observiert, aus der Provinz Bozen ausgewiesen und erlitten große materielle Verluste. In dem Buch werden nun erstmals auch die zahlreichen Beiträge jüdischer Unternehmer zur wirtschaftlichen Entwicklung Südtirols veranschaulicht. Gleichzeitig biete es Einblicke in jüdische Bräuche. Zum Alltag jüdischen Lebens in Südtirol gehörte etwa das Gebot der Wohltätigkeit – auf Hebräisch Zedaka -, das die Errichtung des imposanten jüdischen Sanatoriums in der heutigen Schillerstraße in Meran ermöglichte. Zum Alltag gehörten aber auch Anfeindungen, Hassbekundungen, Ausgrenzungen und Vertreibungen, lange bevor 1938 in Italien die Rassengesetze eingeführt wurden. Mörderische Heimat sei nicht zuletzt eine umfassende Studie der vielseitigen Äußerungsformen des Antisemitismus in verschiedenen Bereichen der Südtiroler Gesellschaft. Auch 70 Jahre nach der Befreiung trage Südtirol eine gesellschaftliche Verantwortung für das Geschehene, betonten die Autoren.
5Inland
FPÖ will Verfassungskonformität vorab vom VfGH prüfen lassen. Wien – Der Verfassungsausschuss des Parlaments will die Möglichkeit erörtern, Staatsverträge noch vor Abschluss des Ratifizierungsprozesses auf ihre Verfassungskonformität zu testen. Ein entsprechender Antrag der FPÖ wurde im Verfassungsausschuss am Donnerstag laut Parlamentskorrespondenz zwar abgelehnt. Dennoch soll ein Gutachten des Verfassungsdienstes eingeholt werden. Nach Meinung der Freiheitlichen würde mit einer Vorabprüfung von Staatsverträgen durch den Verfassungsgerichtshof (VfGH) eine Rechtsschutzlücke geschlossen und die Gefahr einer divergierenden Rechtslage im Außen- und Innenverhältnis der Republik gebannt. SPÖ, ÖVP und NEOS lehnten den Antrag ab. Der Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt soll nun noch offene Fragen klären.
6Etat
Verband der Privatsender möchte in einer Enquete neue Rahmenbedingungen diskutieren. Wien – Nach dem zuvor angekündigten Aus für Servus TV und dem anschließenden Rückzieher, den Sender doch weiter zu führen, fordert der Verband Österreichischer Privatsender (VÖP) eine Reform des Rundfunkmarktes und eine Enquete zum Thema. Markus Breitenecker, stellvertretender VÖP-Vorstandsvorsitzender und Geschäftsführer von Puls 4, sagt in einer Aussendung: Wir befinden uns in einem hochkompetitiven Umfeld: Auf der einen Seite der ORF, der mit 600 Millionen Euro pro Jahr vom Staat unterstützt wird und trotzdem sowohl bei seiner Programmgestaltung in der Prime Time als auch in der Vermarktung wie ein Privatsender agiert. Auf der anderen Seite internationale Mediengiganten wie YouTube oder Facebook, die unseren gesetzlichen Regelungen nicht unterliegen und dadurch und durch Skaleneffekte enorme Vorteile haben. In dieser Wettbewerbssituation sei es äußerst schwierig, teilweise sogar unmöglich, einen Privat-TV Sender kommerziell erfolgreich zu führen, so Breitenecker. Ähnlich klingt auch Ernst Swoboda, Vorstandsvorsitzender des VÖP und Geschäftsführer von Kronehit: Der duale Rundfunkmarkt ist in Österreich weiterhin unterentwickelt. Der ORF dominiert aufgrund seiner Privilegien auch nach fast 20 Jahren noch immer den Markt, während die Entwicklungsmöglichkeiten für privaten Rundfunk weiterhin sehr beschränkt sind. Swoboda wünscht sich eine Enquete unter Einbeziehung von nationalen und internationalen Experten. Ziel sei es, moderne und den internationalen Standards entsprechende Rahmenbedingungen für den österreichischen Rundfunkmarkt zu definieren. Ansetzen möchte er bei der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und bei einem präziseren Programmauftrag für den ORF.
2International
Zwei Seeleute verschleppt. Luxemburg – Piraten haben vor der Küste Nigerias ein unter der Flagge Luxemburgs fahrendes Schiff überfallen. Nach Angaben der luxemburgischen Regierung vom Freitag wurden bei dem Angriff auf den Hochseeschlepper Bourbon Liberty 251 im Golf von Guinea am Dienstag zwei Besatzungsmitglieder, ein Russe und ein Nigerianer, verschleppt. Die zehn anderen Besatzungsmitglieder, jeweils zur Hälfte Russen und Nigerianer, brachten das Schiff in den nigerianischen Hafen Onne, nachdem die Piraten geflüchtet waren. Die Besatzung hatte sich in einer Panikzelle verschanzt. Das 60 Meter lange Schiff wird vor allem zur Versorgung und zum Transport von Bohrinseln eingesetzt. Laut Maritime News ist dies der sechste erfolgreiche Piratenangriff im Golf von Guinea seit Jahresbeginn.
7Wissenschaft
Neuer Ski wird je nach Fahrposition steifer oder flexibler. Das Design imitiert die Platten eines Schildkrötenpanzers. Lausanne – Schweizer Forscher haben einen neuen Ski vorgestellt, der je nach Position des Fahrenden steifer oder flexibler wird. Das Design ist von der Natur inspiriert: Vorbild sind die Platten eines Schildkrötenpanzers. Die Idee, sich am Panzer von Schildkröten zu orientieren, kam Veronique Michaud von der ETH Lausanne (EPFL) während eines Seminars über bioinspirierte Materialien. Die Panzerplatten einer Schildkröte verzahnen sich und sind durch ein Polymer miteinander verbunden, erklärte sie in einer Mitteilung. Wenn Schildkröten atmen, gehen die Platten etwas auseinander und der Panzer wird flexibel. Bei äußeren Stößen ziehe sich der Panzer zusammen und werde steif, so Michaud weiter. Es kam mir sofort in den Sinn, dass wir diese Eigenschaften in Ski einbauen könnten. Gemeinsam mit Wissenschaftern des Instituts für Schnee und Lawinenforschung (SLF) und einem Skihersteller entwickelte das Team um Michaud einen Ski, der die Qual der Wahl eines manchen Skifahrers überflüssig machen könnten: Zwischen festen Ski, die der hohen Belastung in Kurven standhält, und flexibleren, die sich einfacher manövrieren lassen. In ihren Versuchen, den Trick des Schildkrötenpanzers nachzuempfinden, erzielte das Team die besten Resultate mit Aluminiumplatten, die sie an präzisen Stellen an beiden Enden des Skis einbetteten. Die Platten enthalten zudem einen Spalt in Form einer Schlangenlinie parallel zu den Skikanten. Wenn der Ski in einer Kurve gebogen wird, kommen die Platten auf beiden Seiten des Spalts zusammen, der Ski versteift sich. Wird eine Kurve verlassen, öffnet sich der Spalt im Ski und macht ihn wieder flexibel und einfacher zu manövrieren. Die Aluminiumplatten funktionieren wie die Panzerplatten, und eine spezielle Art von Gummi dazwischen ähnelt dem Polymer im Schildkrötenpanzer, erklärte Michaud. Der ehemalige Skispeedfahrer Michael Leitner testete den seit März erhältlichen Ski gemeinsam mit der zweifachen Olympiasiegerin Tina Maze. Wir waren positiv überrascht, sagte Leitner laut der Mitteilung. Es war einfacher, in die Kurve zu gehen. Und während der Druck auf die Skikante in der Kurve stetig zunahm, haben die Ski wirklich im Schnee gegriffen und waren sehr stabil.
0Web
Geht es nach Napster-Gründer Sean Parker, sollen in Zukunft Filme zum Kinostart auch in den Wohnzimmern zu sehen sein.. Die geplante Streaming-Plattform Screening Room will Kinofilme bereits mit dem Kino-Release in Privathaushalte bringen. Durch hohe Preise und eine Anti-Piraterie-Technologie soll auch die Filmbranche mit ins Boot geholt werden. Während vor allem zu Beginn die kritischen Stimmen dominierten, gibt es auch immer mehr Befürworter des Vorhabens, wie Variety berichtet. Unter diesen befinden sich durchaus prominente Persönlichkeiten der Filmindustrie, so etwa Steven Spielberg, Peter Jackson, J.J. Abrams, Brian Gazer und Ron Howard. Zwar hätten nicht alle davon in das Start-Up investiert, allerdings sollen sie alle daran beteiligt sein. Diese einflussreichen Befürworter könnten Sean Parker, der durch die Gründung von Napster und seine Aktivitäten bei Facebook oder Spotify bekannt ist, dabei helfen, die in dieser Angelegenheit sehr kritischen Kinobetreiber zu überzeugen. Diese sehen durch Screening Room nämlich zahlreiche Probleme auf sich zukommen, obwohl die Initiatoren versprechen, dass von dem stolzen Preis von 50 Dollar, den Benutzer zuhause für jeden einzelnen Kinofilm zahlen müssten, 20 Dollar direkt an die Kinobetreiber gehen und die Zuseher dazu zwei Eintrittskarten für ein Kino in der Nähe erhalten. Die Betreiber wehrten sich schon immer gegen eine Verkürzung der Zeitspanne zwischen Kinostart und Veröffentlichungen für den Privatgebrauch. Außerdem befürchten sie, dass die Piraterie durch die Plattform nur gefördert wird und Filme schneller auf diversen Online-Portalen zu finden sind. Diese könnten zum Beispiel einfach vom TV-Gerät abgefilmt werden, so ihre Befürchtung. Auch Regisseur und Filmproduzent Christopher Nolan spricht sich etwa gegen das Angebot aus. Die Verhandlungen zwischen den beteiligten Parteien könnten somit durchaus noch länger anhalten.
5Inland
Imas sieht Hundstorfer und Hofer voran, Van der Bellen nur Dritter – OGM hat grünen Kandidaten weiter klar voran. Wien – Zu widersprüchlichen Ergebnissen kommen am Donnerstag veröffentliche Umfragen für die Bundespräsidentenwahl in vier Wochen. Während OGM nach wie vor Alexander Van der Bellen in Führung hat, sieht Imas entgegen allen bisherigen Untersuchungen den grünen Kandidaten nur an dritter Stelle hinter Rudolf Hundstorfer (SPÖ) und Norbert Hofer (FPÖ), die hier ex aequo an der Spitze liegen. In praktisch allen Umfragen seit Jahresbeginn hält Van der Bellen Platz eins. Diesen Trend bestätigt auch die OGM-Umfrage, die am Donnerstag in der Presse veröffentlicht wurde. Der grüne Kandidat kommt hier auf 26 Prozent. Mit Respektabstand folgen annähernd gleichauf Hofer mit 22, die unabhängige Irmgard Griss mit 20 und Hundstorfer mit 19 Prozent. Deutlich dahinter liegt ÖVP-Kandidat Andreas Khol mit nur zehn Prozent. Baumeister Richard Lugner, der es als sechster auf den Stimmzettel geschafft hat, wurde in dieser Untersuchung noch nicht abgefragt. Zu einem ganz anderen Ergebnis kommt hingegen Imas für die Kronen Zeitung. Entgegen dem Trend der bisherigen Umfragen liegen hier Hofer und Hundstorfer mit je 21 Prozent gleichauf an der Spitze. Van der Bellen kommt in dieser Untersuchung mit 19 Prozent nur auf Platz drei. In praktisch allen anderen Umfragen wurde der frühere Bundessprecher der Grünen mit anfangs um die 30 Prozent und zuletzt etwa zwischen 24,5 und 27 Prozent auf Platz eins geführt. Khol landet bei Imas bei 15 Prozent, Griss deutlich unter den anderen Umfragen bei 13 Prozent. Lugner liegt hier bei sieben Prozent. Beide Umfragen haben ein 1.000er-Sample – von Imas wurden 1.017 Personen befragt, von OGM 1.019. Und beide Befragungen wurden vor der Entscheidung der Wahlbehörde durchgeführt, wer bei der Wahl antreten kann – Imas von 16. Februar bis 10. März, OGM von 9. bis 15. März.
7Wissenschaft
Transdisziplinäre Studie zeigt: Menschliche Gesellschaften neigen weniger zu Machtkonzentration als Rudel anderer Säugetiere. Wien/Oakland – Es dauerte nicht lange, bis nach der Vertreibung des Bauern Jones in Animal Farm eine andere Spezies eine Gewaltherrschaft errichtete. In George Orwells Parabel sind es die Schweine, die sich zu den Führern der anderen Tiere machen – mit ähnlichen und teils schlimmeren Methoden als der Mensch. Im Gegensatz zu Orwell ist in der Wissenschaft bisher angenommen worden, dass Führerschaft unter Menschen anders und weit komplexer funktioniert als im Tierreich. In einer transdisziplinären Studie zeigen Forscher nun im Fachblatt Trends in Ecology & Evolution, dass menschliche Führer sehr ähnlich agieren wie tierische – aber weniger zu Machtkonzentration neigen. Untersucht wurden Muster von Führerschaft in Gruppen von Säugetieren – neben acht menschlichen Gemeinschaften wie den Inuit oder dem Stamm der Tsimane in Bolivien, wurden dabei etwa Afrikanische Elefanten, Tüpfelhyänen und Meerkatzen empirisch erforscht. Indem wir vergleichbare Maße entwickelt haben, konnten wir mehr Ähnlichkeiten zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Führern enthüllen als bisher angenommen, sagt Jennifer Smith, Assistenzprofessorin am Mills College in Oakland (Kalifornien), die Erstautorin der Studie. Kooperation unter Artgenossen ist im Tierreich häufig anzutreffen: Schimpansen reisen gemeinsam, Kapuzineraffen unterstützen einander bei Kämpfen, Tüpfelhyänen beim Jagen. Doch bislang war nicht bekannt, wie es Anführern gelingt, diese kollektiven Aktionen zu fördern. Um das herauszufinden, haben sich Biologen, Anthropologen, Mathematiker und Psychologen am National Institute for Mathematical and Biological Synthesis an der Universität Tennessee in Knoxville zu einer Gruppe zusammengeschlossen. Erfahrung oder Vererbung In vier Bereichen wurde Führerschaft untersucht: Bewegung, Futterbeschaffung, Konfliktmediation in der Gruppe und Interaktion zwischen verschiedenen Gruppen. Eine der Fragen dabei war, ob die Fähigkeit zu führen durch Erfahrung erworben oder geerbt wird. Wie sich herausstellte, ist meist Ersteres der Fall: Individuen werden zu Führern, indem sie Erfahrung gewinnen. Allerdings gibt es ein paar bemerkenswerte Ausnahmen: Unter Tüpfelhyänen wird Führerschaft vererbt, ebenso vereinzelt bei indigenen Völkern – wobei die genauen Gründe dafür noch zu erforschen sind. Im Vergleich zu anderen Spezies stellten sich Menschen als weniger führungsstark denn erwartet heraus: Die Anführer unter den Säugetieren haben häufig mehr Macht über die Gruppe, die Führerschaft bei Hyänen oder Elefanten etwa ist deutlich konzentrierter als beim Menschen. Ein Grund dafür könnte laut Smith das Faktum sein, dass Menschen dazu tendieren, spezialisiertere Rollen in einer Gesellschaft einzunehmen, als dies bei Tieren der Fall ist. Selbst bei den am wenigsten komplexen menschlichen Gemeinschaften ist das Ausmaß an kollektiven Handlungen größer und vermutlich entscheidender für das Überleben und die Fortpflanzung als in den meisten Säugetiergemeinschaften, sagt die Biologin Smith. Weiters machen es die menschlichen kognitiven Fähigkeiten für Planung und Kommunikation einfacher, Lösungen für kollektive Probleme zu finden. Die Mitglieder profitieren enorm von Zusammenarbeit, Zwang ist daher nicht notwendig, Menschen zu motivieren, ihren Anführern zu folgen – sie arbeiten mitunter auch freiwillig zusammen.
7Wissenschaft
Asiagomphus reinhardti lebt in einer abgelegenen Gebirgsregion im Grenzgebiet zwischen Kambodscha und Laos. Dresden – Eine neu entdeckte Libellenart ist nach dem Zoologen Klaus Reinhardt benannt worden, wie die TU Dresden berichtet, an der Reinhardt arbeitet. Der russische Insektenforscher Oleg Kosterin und sein japanischer Kollege Naoto Yokoi haben der Spezies die Bezeichnung Asiagomphus reinhardti gegeben. Damit würdigten sie Reinhardts Verdienste um die Förderung der internationalen Libellenkunde. Die rund sechs Zentimeter große Libelle lebt an Bergbächen in einer abgelegenen Gebirgsregion im Grenzgebiet zwischen Kambodscha und Laos. Bekannt sind bisher nur die Männchen. Diese haben grüne Augen und einen schwarzen Körper mit gelben Flecken. Als Larve leben sie mehrere Jahre eingegraben im Schlammgrund. Dass eine neu entdeckte Tier- oder Pflanzenart nach einem benannt wird, gehört wohl zu den schönsten Auszeichnungen für einen Biologen, freute sich der frischgebackene Namenspatron.
7Wissenschaft
Bettina Rainer erforscht Inhaltsstoffe von Bodenalgen in Tiroler und Schweizer Alpen. Dass Inhaltsstoffe von Meeresalgen pharmazeutisch genutzt werden oder auch in der Kosmetikindustrie in Cremes und Lotionen Anwendung finden, ist mittlerweile ein alter Hut. Weit weniger bekannt ist hingegen, dass Algen auch fern von Meer und Wasser, nämlich in alpinen und hochalpinen Böden, vorkommen können. Gleich ihren marinen Verwandten enthalten auch diese Arten pharmakologisch interessante Wirkstoffe. Die Biotechnologin Bettina Rainer vom Management Center Innsbruck (MCI) widmet sich im Rahmen ihrer Doktorarbeit der Erforschung diesen Algen aus den Tiroler und Schweizer Alpen. Irgendwann war es für die Vorfahren der Bodenalgen, die auch als Landgänger bezeichnet werden, wohl vorteilhaft, das Wasser zu verlassen, sagt Rainer. Heute sind an die hundert Arten von Algen bekannt, die sowohl im als auch auf dem Boden leben können. Durch spezielle Schutzmechanismen können die Algen extremste Bedingungen wie Kälte, Trockenheit und UV Strahlung ertragen. Ein Teil dieser Anpassungen resultiert in der Ausbildung von speziellen Stoffwechselprodukten, die auch für uns Menschen interessant sind. Dazu gehören antibiotisch, antioxidativ oder auch entzündungshemmend wirksame Substanzklassen, die in der Pharma- und Kosmetikindustrie eingesetzt werden, sowie Carotinoide, die in der Nahrungsmittelindustrie Verwendung finden. Eine große Herausforderung ist laut Rainer die Kultivierung der Algen, da viele langsam wachsen und oft besondere Kultivierungsbedingungen verlangen. Manche Algen würden – äußerst ungewöhnlich für Pflanzen – sogar im Dunkeln wachsen, da sie in der Lage sind, gewisse Zucker zu verwerten. Hier macht sich bemerkbar, dass es weltweit erst sehr wenig Daten über Bodenalgen gibt – für jede Art müssen die optimalen Wachstumsbedingungen erst in langwierigen Experimenten erarbeitet werden. Gelingt diese Wachstumsoptimierung, kann genug Algenbiomasse generiert werden, aus der in weiteren Arbeitsschritten Wirkstoffe identifiziert und extrahiert werden können. Die Techniken, die dabei zum Einsatz kommen, reichen von Dünnschichtchromatografie über standardisierte Bioaktivitätsassays bis zu Kernspinresonanzspektroskopie. Bei der Suche nach Wirkstoffen lässt sich Rainer auch von anderen Pflanzen inspirieren: Wenn eine Substanzklasse in manchen Pflanzen eine bestimmte Wirkung hat, dann ist es gut möglich, dass das auch bei Algen der Fall ist. Speziell bei Bodenalgen werden aber öfter auch völlig neue Substanzen entdeckt, die erst genauer aufgeschlüsselt werden müssen. Die Fragen, warum und wie etwas wirkt, haben die 31-jährige gebürtige Pinzgauerin schon während ihres früheren Berufs als pharmazeutisch-kaufmännische Assistentin interessiert und schließlich dazu bewogen, den gelernten Beruf an den Nagel zu hängen und Biotechnologie zu studieren. Gerade das Nichtgreifbare hat schon immer einen großen Reiz für mich gehabt. Ihre Zukunft sieht sie auch nach Abschluss ihrer Dissertation im Bereich Forschung und Entwicklung, aber auch in der Lehre: Der Kontakt mit jungen motivierten Leuten macht mir Spaß, und ich bin froh, in einem Institut zu arbeiten, in dem Forschung und Lehre gut kombiniert werden können.
6Etat
Statt der Einschüchterung energisch entgegenzutreten, diskutieren wir schon wieder, was Satire darf. Wer hätte gedacht, dass man einmal deutschen Humor verteidigen muss? Der türkische Präsident hat ZDF geschaut und ist seitdem um sein öffentliches Bild in Deutschland besorgt. Nun verlangt er, ein Strafverfahren gegen Moderator Jan Böhmermann und dessen Blödeleien einzuleiten. Immerhin beweist Tayyip Erdoğan damit, dass er an das Ausland keine anderen Maßstäbe anlegt. Weil sich Kanzlerin Angela Merkel in dem Fall nicht besonders engagiert gezeigt hat, lautete das Thema beim Anne Will-Talk am Sonntag Streit um Erdoğan-Kritik – Kuscht die Bundesregierung vor der Türkei?. Einzig CDU-Politiker Elmar Brok versuchte den Kurs der eiernden Kanzlerin zu kaschieren, indem er auf Merkels persönliche Meinungsfreiheit pochte. Keine so gute Idee, denn das brachte die diplomatischen Zwänge nur noch stärker ans Licht. Wir reden nicht über Geschmack, meinte der Kabarettist Serdar Somuncu. Tatsächlich ist die Böhmermann-Debatte ein Beispiel für die Selbstbeschuldigungen Europas, wie sie der Philosoph Slavoj Žižek kritisiert. Ein Staatsoberhaupt, das es mit Meinungsfreiheit nicht so hat, verlangt von der Regierung eines anderen Landes, gegen diese Form der Kritik vorzugehen. Und wir diskutieren schon wieder, was Satire darf, statt dem einfach nur energisch entgegenzutreten. Zum Glück waren die Versuche des Medienwissenschafters Bernhard Pörksen, Böhmermanns Gedicht zu kategorisieren, selbst etwas komisch. Ein Zwitter sei es, ein neues Format gar, die Schmähsatire. In Wien gibt es dafür ein anderes Wort. Die Parodie einer Schmährede ist, na? Natürlich ein Schmäh.
7Wissenschaft
Ehrung für die produktivste Alge im Arktischen Ozean. Bremerhaven/Antarktis – Sie bildet große Teppiche unter dem Meereis und trotzt selbst der eisigsten Kälte: Melosira arctica wurde zur Alge des Jahres 2016 erklärt. Das teilte die Deutschen Botanische Gesellschaft am Mittwoch mit. M. arctica sei die mit Abstand produktivste Alge im Arktischen Ozean, sagte der Biologe Klaus Valentin vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven. Gemeinsam mit Kollegen will er jetzt erforschen, wie diese auf den Klimawandel reagiert. Die Eis- und Kieselalge baue viel Biomasse auf, verbrauche dafür Kohlendioxid und produziere Sauerstoff, so Valentin. Die 30 Mikrometer kleinen Algen sind von einem gallertartigen Schutzmantel aus Polysacchariden (Mehrfachzucker) umgeben. Sie bilden meterlange Matten, die wie Vorhänge von der Unterseite des Meereises herabhängen. Im Frühjahr vermehrt sich die Alge so stark, dass sie den Arktischen Ozean dominiert. Was die Alge so widerstandsfähig macht, ist nach Angaben des Forschers noch weitgehend unbekannt. Wir wissen auch nicht, wie sie sich entwickelt und durch welche Umweltfaktoren wie Licht, Nährstoffe oder Salzgehalt ihre Lebensweise gesteuert wird. Mit seinem Team am AWI will er untersuchen, ob und welchen Einfluss der Klimawandel auf Melosira arctica hat. Wird sie wie die meisten Algen besser wachsen, wenn sich das Wasser erwärmt und die Lichteinstrahlung zunimmt? Im Labor wollen die AWI-Wissenschafter unter anderem herausfinden, mit welchen Temperaturen und Lichtverhältnissen die Eisalge am besten zurecht kommt. Außerdem wollen sie in einem Langzeitexperiment verschiedene Melosira-Stämme 150 Generationen lang unter verschiedenen Bedingungen kultivieren. Dadurch erhoffen sich die Wissenschafter Aufschluss darüber, ob es Stämme oder Unterarten gibt, die wärmere Temperaturen langfristig vertragen.
6Etat
Bei Trennungen können schon mal Tränen fließen, auch wenn man damit Schlimmeres zu vermeiden versucht. Die steirische Landespolitik hat dem ORF ein Traumprogramm beschert. Voves, der scheidende Landesfürst, sank seinem Nachfolger gerührt in die Arme. Die Reformpartner vermengten vor laufender Kamera ihre Tränen. Wem da aus lauter Mitgefühl keine dicken Tropfen Kernöls über die Wange liefen, der hat ein Herz aus Eisenerz. Spätabends wurde die Sache noch interessanter. Ingrid Thurnerr lud an den Runden Tisch, und beide waren sie gekommen: Gerald Klug und Reinhold Lopatka. Klug blickte finster drein, als ob dem Bundesheer ein paar Kübelwagen gestohlen worden wären. ÖVP-Mephisto Lopatka schien bemüht, kein Frohlocken laut werden zu lassen. Man hätte das Vertrauen der Sozialdemokratie schnöde „missbraucht“, sagte Klug. Die Journalistin des Kurier fasste die Errungenschaften der Voves-Ära noch einmal zusammen. Der Landeshauptmann habe „Gitarre gespielt und Reformen gemacht“. An der Reihenfolge wird man sein Erbe künftig erkennen. Es war regelrecht verwunderlich, dass Hermann Schützenhöfers Eignung als Turmbläser unerörtert blieb. Klugs Stimmung vermochten derlei Aussichten nicht mehr zu heben. Sein Steirerblut, dieser dicklichste aller Säfte, kochte insgeheim. Er und drei andere hatten in der Landespartei gegen den Teufelspakt gestimmt. Es sollte alles nichts nützen. Langsam, ganz langsam gewann wieder seine liebenswürdige Marotte die Überhand. Klug pflegt in Momenten der redlichen Nachdenklichkeit an jedes Wortende die Endsilbe „-na“ zu kleben. Und während der Politologe Filzmaier noch Ideologie und Strategie sorgsam gegeneinander abwog, da musste Klug schon wieder auf etwas „hinweisna“. Volksna(h) halt.
7Wissenschaft
Ermunterung, Lob und klare Bildungsziele – das zeichnet laut Wilfried Smidt gute Kindergartenbetreuung aus. STANDARD: In der Bildungsdebatte ist immer vom lebenslangen Lernen die Rede – welche Etappe unserer Bildungsbiografie ist aus Ihrer Sicht die wichtigste? Smidt: Aus meiner Sicht sind die ersten Lebensjahre ganz besonders wichtig, weil in diesem Alter elementare Grundlagen für die weitere Bildungsbiografie gelegt werden. Das gilt sowohl für die Familie als auch für Kindergärten oder Kinderkrippen. Studien zeigen, dass insbesondere die Qualität der Erziehung, Bildung und Betreuung wichtig ist für den späteren Bildungserfolg der Kinder. STANDARD: Die Forschung bestätigt den alten Satz Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr? Smidt: In Ansätzen schon. Die ersten Jahre markieren eine entscheidende Weichenstellung. Natürlich kann man später Rückstände durch entsprechende Förderung aufholen, aber es ist viel schwieriger. STANDARD: Wodurch zeichnet sich gute pädagogische Betreuung aus? Smidt: Was den Kindergarten betrifft, gab es in Österreich einen wichtigen Schritt: 2009 wurde ein bundesländerübergreifender Bildungsrahmenplan eingeführt. Dieser Plan sieht Bildungsziele beispielsweise in den Bereichen Mathematik, Sprache und Naturwissenschaft vor. Und er bestimmt auch die Rollen des pädagogischen Personals näher. STANDARD: Inwiefern? Smidt: Es geht darum, dass die Pädagogen und Pädagoginnen die Kinder aktiv bei ihren Bildungsprozessen unterstützen. STANDARD: Nun gibt es auch pädagogische Konzepte, die stark auf die Autonomie und die natürliche Neugierde der Kinder setzen. Ist das ein Widerspruch zu diesen Empfehlungen? Smidt: Nein, keineswegs. Es geht nicht darum, alles vorwegzunehmen oder den Kindern alles zu oktroyieren. Sondern darum, das Interesse des Kindes zu wecken – zum Beispiel indem man dialogisch mit ihm liest. So wie ich den Bildungsrahmenplan lese, sind die Bildungsziele als Empfehlungen zu verstehen. Wie der Plan tatsächlich umgesetzt wird, wurde allerdings meines Wissens bisher noch nicht in größerem Umfang untersucht. STANDARD: Montessori-Pädagogik wäre mit dem Plan kompatibel? Smidt: Ja, durchaus. STANDARD: Wie beurteilen Sie die pädagogische Ausbildung insgesamt in Österreich? Smidt: Es fällt auf, dass das pädagogische Personal im europäischen Vergleich formal eher niedrig qualifiziert ist. Die Ausbildung an den Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik beginnt auch relativ früh, nämlich mit 14 Jahren. Mir ist eine ältere Studie aus dem Jahr 2000 bekannt, der zufolge ein großer Teil der ausgebildeten Kindergärtnerinnen gar nicht in den erlernten Beruf einmündet. Allerdings sind mir keine Studien bekannt, die die Kompetenzen des pädagogischen Personals genauer untersucht hätten. Dazu gibt es keine gesicherten Befunde. STANDARD: Und die Bezahlung? Smidt: Sie ist im Vergleich zu Lehrerinnen und Lehrern in Volksschulen relativ niedrig. STANDARD: Sollte die Ausbildung auf Hochschulniveau angehoben werden? Smidt: Ich würde empfehlen, zunächst zu untersuchen, wie leistungsfähig die Ausbildung überhaupt ist. Eine Akademisierung muss noch keine Verbesserung bringen, es kommt auch hier auf die Ausbildungsqualität und auf die persönlichen Voraussetzungen der Studierenden an. STANDARD: In welchen Ländern funktioniert die Frühbildung sehr gut? Smidt: Auch diese Frage lässt sich nicht einfach beantworten. Eventuell kann man die Niederlande als positives Beispiel nennen. Dort gibt es eine verpflichtende Basisschule für Kinder ab vier Jahren, die elementarpädagogische und primarpädagogische Konzepte integriert und Übergänge vom Elementar- in den Primarbereich erleichtert. In Österreich gibt es hingegen traditionell eine deutliche Trennung zwischen dem Elementar- und dem Primarbereich. STANDARD: Kommen wir nochmals zurück zur Familie. Was macht aus Ihrer Sicht eine gute Mutter oder einen guten Vater aus? Smidt: Hier gelten ähnliche Maßstäbe wie für den außerfamilialen Bereich. Kinder brauchen Freiraum, die Angebote sollten entwicklungsangemessen sein. STANDARD: Das bedeutet konkret? Smidt: Man sollte Kinder ermuntern, sich für etwas zu interessieren, sie loben, wenn sie sich einbringen, und auf ihre Fragen eingehen. Eltern sollten Begriffe, die sie verwenden, auch erklären: Vorlesen ist zum Beispiel gut, aber noch besser wäre es, mit dem Kind auch über die Bilder zu reden, die man gemeinsam in einem Buch betrachtet. Und natürlich brauchen Kinder emotionale Zuwendung. Eine vertrauensvolle Beziehung zu den Eltern ist ungemein wichtig. STANDARD: Kann man Kinder überfördern? Smidt: Wenn Eltern den Alltag ihrer Kinder mit Bildungsangeboten überladen, kann das kontraproduktiv sein. Vor allem dann, wenn sie nicht den Bedürfnissen der Kinder entsprechen.
5Inland
Ednan Aslans Endbericht liegt nun vor – Er fordert klare Vorgaben für Kindergartenbetreiber. Wien – Das Geraune um die Studie über islamische Kindergärten in Wien hat seit Freitagmittag ein Ende: Auf der Institutshomepage von Studienautor Ednan Aslan, Professor für Islamische Religionspädagogik, ist der 178 Seiten umfassende Projektbericht Evaluierung ausgewählter Islamischer Kindergärten und -gruppen in Wien – Tendenzen und Empfehlungen öffentlich einsehbar. Ihm sei diese Öffentlichkeit auf der Uni-Website wichtig, sagte Aslan zum STANDARD. Von der Außenministeriumshomepage führt ein Link zur Aslan-Seite. Auf der Ministeriumseite von Ressortchef Sebastian Kurz (ÖVP), der die Studie finanziert, wird der Aslan-Bericht – ein qualitativ-empirisches Forschungsprojekt zu ausgewählten Kinderbetreuungseinrichtungen in der Stadt Wien genannt, das die Grundlage für eine gemeinsame Untersuchung mit der Stadt Wien sei. Was ist das zentrale Ergebnis aus Aslans Sicht? Intellektuelle Salafisten und politische Islamisten sind die dominierenden Gruppen in der islamischen Kindergartenszene in Wien. Das habe die Analyse der Betreiber von islamischen Kindergärten und Kindergruppen in Wien eindeutig gezeigt, sagt Aslan. Diese zwei von insgesamt vier Gruppen, die sich schon im Rahmen einer vorab veröffentlichten, ersten Exploration, die er bereits in einem STANDARD-Interview Ende Jänner genannt hatte, seien jene, von denen nicht zu erwarten ist, dass sie ihre ideologische Linie in ihrer Arbeit im Kindergarten zurückstellen. Die beiden anderen Gruppen subsumiert Aslan unter Wirtschaftsunternehmen, die den Kindergarten als finanziell lukrative Firma verstehen und führen, und dann gebe es noch eine kleine Alternativgruppe, die sich um bessere pädagogische Arbeit als die anderen bemühe und die gefördert werden müsste, sagt Aslan. Die Gruppe der intellektuellen Salafisten umschreibt der islamische Religionspädagoge als wichtige theologische Gruppe, die die Kinder entmündigen und mit veralteter Pädagogik einschüchtern will. In der Studien-Zusammenfassung heißt es dazu im Punkt Religiöse Bildung/Erziehung, dass vielfach Religionsunterricht angeboten werde, Eltern würden ihre Kinder sogar wieder abmelden, wenn sie die erwartete religiöse Erziehung nicht bekommen. Die Studienautoren haben auch beobachtet: Bisweilen sollen Kinder auch vor dem moralischen Einfluss der Mehrheitsgesellschaft geschützt werden. Täglich oder mehrmals in der Woche Islam/Koran- oder Moralunterricht sei ein wichtiger Teil in den Kindergärten – für Eltern und Betreiber. Allerdings sei die Intention eines solchen Angebots zu differenzieren. Während teilweise Pädagoginnen oder teilweise auch Eltern den Islamunterricht keinem Kind aufgezwungen wissen wollen, scheinen BetreiberInnen eher davon auszugehen, dass der Islam die einzige richtige Lebensform ist und die Kinder dahin geführt werden müssen. Dies lässt sich auch durch Äußerungen der Leitungen bestätigen. Für nichtmuslimische Kinder gilt hingegen die Freiwilligkeit: sie können, müssen aber nicht an diesem Unterricht teilnehmen. Islamische Feste werden gefeiert, ob Feste anderer Religionen gefeiert oder auch nur erwähnt werden, hänge von den Pädagoginnen ab. Gerade im Umgang mit Festen sieht Aslan einen aussagekräftigen Punkt. Stellenweise falle nämlich auf, dass religiöse Praktiken wie eben Feste zu feiern eher von einem trennenden Gedanken getragen sind – bei Leitungen und pädagogischem Personal. Und hier auch wieder der Verweis auf die Betreiber und deren Ideologie, denn der Umgang mit Festen scheint mit dem Ansinnen der BetreiberInnen konform zu gehen, ist zu lesen. Konkret schreibt Aslan, dass in verschiedenen Kindergärten zwar auch christliche Feste angeboten werden, allerdings beteiligen sich die muslimischen Kinder daran nicht, während anders herum christliche bzw. nichtmuslimische Kinder freiwillig an muslimischen Festen teilnehmen können. Die Freude an Festen, das Unvoreingenommene von Kindern, die kindliche Neugier auf ,das Andere wird hier unterbunden bzw. verdeckte Missionierung betrieben. In diesem Zusammenhang heißt es weiters: Die Werteerziehung scheint teilweise von einer konservativen Theologie getragen zu sein, die in erster Linie der Mehrheitsgesellschaft keine Bedeutung beimisst, sondern ,ihre Kinder vor dieser schützen möchte. Diese Beobachtung lasse sich bei allen befragten Gruppen machen. Zusammengefasst resümiert Aslan die religiöse Erziehung der Kinder in islamischen Kindergärten so: Pluralitätsfördernde Impulse kommen oft zu kurz. In der religiösen Erziehung bestimmen traditionelle Bilder die Erziehung der Kinder, es wird beispielsweise mit strafenden und belohnenden Gottesbildern gearbeitet. Dabei werden Kinder mit einem veralteten Sündenverständnis eingeschüchtert, und es wird ihnen die Entwicklung zur Mündigkeit genommen. Die eigene Religion wird mitunter vor anderen Religionen und Weltanschauungen aufgewertet. Generell konstatierte Aslan, dass es wenig Offenheit bei den islamischen Kindergärten gab, am Forschungsprojekt teilzunehmen. Ja vielmehr sei die Forschungsarbeit nach Veröffentlichung der ersten Ergebnisse zusätzlich erschwert worden, indem einige Kindergärten oder -gruppen ihre Internetpräsenz gelöscht und Daten so unzugänglich gemacht hätten. Darum habe man auch weniger Kindergärten als erhofft untersuchen können. In die Analyse eingegangen sind als Grundlage alle jene 71 Kindergärten und 56 Kindergruppen, die als islamisch identifiziert worden sind, heißt es im Bericht. Danach wurden 15 Trägervereine telefonisch oder per Mail angefragt, ob sie bereit seien, an dem Projekt Islamische Kindergärten teilzunehmen. Acht waren bereit zu leitfadengestützten Interviews, dort werden insgesamt 1.940 Kinder in 19 Kindergärten und -gruppen betreut. Im Hinblick auf die Betreiber steht in der Studie: Es ist aufgrund des bisherigen Standes der Analyse davon auszugehen, dass salafistische bzw. islamistische Organisationen in der Kinderbetreuung nicht so einfach auf ihre politischen Ziele verzichten können. Die in der Studie kurz angeführte Darstellung der Ideologie der Vereine bzw. dieser Akteure schlägt sich zweifellos auf die Pädagogik nieder. Aslan sagt dazu im STANDARD-Gespräch: Wir brauchen neue Maßnahmen, dass nicht jeder einen Kindergarten gründen kann. So wie für Kindergartenpersonal müsse es auch für Betreiber solche Vorgaben geben. Es gehe nicht an, dass ein Vertreter der Muslimbruderschaft, der einen Kindergarten in Wien betreibt, offen sagt, man unterstütze den Krieg in Syrien oder in einem Video zu sehen sei, in dem es heiße, wir wollen in Europa missionieren, sagt Aslan: Dieser Mann kann nicht neutral in einem Kindergarten arbeiten. Das ist eine naive Vorstellung. Zum Unterpunkt Sprachförderung steht im Endbericht, dass die deutsche Sprache sehr unterschiedlich gefördert wird. In einem islamischen Kindergarten wünschte man sich dafür mehr Unterstützung durch das zuständige Magistrat in Wien. In einem anderen Kindergarten ist den Kindern die Verwendung der Muttersprache untersagt und sie werden angehalten, Deutsch zu sprechen. Die meisten islamischen Kindergärten seien in der Regel ethnisch und national homogen zusammengesetzt, ist zu lesen. Was bedeutet: In diesen Gruppen ist die Förderung der deutschen Sprache eine besondere Herausforderung für die Kindergärten. Es ist in diesem Umfeld fast unmöglich, ein Gefühl für die deutsche Sprache zu entwickeln. Aslan spricht selbst nur von einer Vorstudie, die nun vorliege, es seien umfangreichere Studien über die islamischen Kindergärten in Wien notwendig. Diese flächendeckende Untersuchung wurde am Freitag auch per Aussendung konkreter angekündigt. Die Arbeiten daran sollen bis Mai 2017 abgeschlossen sein. Folgende Wissenschafterinnen und Wissenschafter werden beteiligt sein: Neben Ednan Aslan werden Susanne Heine (Universität Wien, Evangelisch-Theologischen Fakultät), Maria Fürstaller (Universität Wien und FH Campus Wien), Elisabeth Raab-Steiner (FH Campus Wien), Wolfgang Mazal (Universität Wien) und der Diplomsoziologe Kenan Güngör mit dabei sein. Die Stadt Wien, so wurde versichert, stellt die dafür erforderlichen Daten bereit. Man werde den Zugang zu allen Kinderbetreuungseinrichtungen gewähren und auch Vereinsregisterauszüge vorlegen, wurde beteuert: Eine wichtige Fragestellung wird sein, ob die pädagogischen Konzepte jener privaten institutionellen Kinderbildungs- und Betreuungseinrichtungen (Kindergärten und Kindergruppen) in Wien, mit den Grundwerten der österreichischen Verfassung, Kinder- und Menschenrechte sowie dem Wiener Bildungsplan übereinstimmen. Ebenso solle untersucht werden, welche Werte und Normen in der Praxis tatsächlich gelebt werden. Auch die verwendeten Sprachen, den religiösen Hintergrund oder die Annahme von Sprachförderangeboten will man sich genauer ansehen. Erforscht wird auch die Erwartungshaltung der Eltern bzw. Erziehungsberechtigten. Weiters wird eine Liste mit allen islamischen Kindergärten oder -gruppen und deren Betreibern sowie Trägervereinen erstellt. In Wien ist kein Platz für Radikalismus und Extremismus. Wenn es Probleme gibt, müssen diese angegangen und gelöst werden. Die Stadt Wien schaut genau hin und hat bereits gehandelt, verwies Jugendstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) auf eine nun bereits erfolgte Aufstockung der Kontrolleure. Auch Bildungsstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) beteuerte, dass Radikalisierung im Kindergarten keinen Platz haben dürfe. Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) verwies auf die nunmehrige Einigkeit: Wir ziehen hier in der flächendeckenden Untersuchung an einem Strang. Es ist notwendig, Klarheit und Transparenz zu haben, damit die richtigen politischen Maßnahmen gesetzt werden können.
7Wissenschaft
Fundort soll kommendes Frühjahr genauer untersucht werden. Oslo – In einem Berggebiet im Süden Norwegens ist ein Wanderer zufällig auf ein über etwa 1200 Jahre altes Wikingerschwert gestoßen. Wie der Archäologe Jostein Aksdal am Donnerstag in Bergen mitteilte, lasse sich das 80 Zentimeter lange Eisenschwert etwa auf Mitte des achten Jahrhunderts datieren. Schwerter hatten damals einen großen Wert und waren hochrangigen Personen vorbehalten. Die meisten Wikinger mussten Aksdal zufolge mit einfachen Messern oder Äxten vorlieb nehmen. Der Wanderer fand das Schwert vor drei Jahren, übergab es aber erst kürzlich an Archäologen. Das Fundstück soll jetzt in einem Museum in Bergen ausgestellt werden. Experten machen sich unterdessen Gedanken über den Fundort. Möglicherweise gab es dort ein Grab, mutmaßt Aksdal. Oder wurde das Schwert aus irgendeinem Grund versteckt? Starb dort jemand? Gab es einen Kampf, einen Diebstahl, einen Mord? Nach der Schneeschmelze im kommenden Frühjahr solle es jedenfalls genauere Untersuchungen an der Fundstelle geben.
1Panorama
Begutachtungsfrist für KFG-Novelle endete am Dienstag – Handyverbot am Steuer wird strenger formuliert – KFV fordert Aufhebung des Kontrollhindernisses Anhaltung. Wien – Das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) prognostiziert heuer erstmals seit Jahren wieder einen Anstieg der Verkehrstoten. Für 2015 wurden 460 Verkehrstote hochgerechnet. Im Vorjahr starben 430 Menschen auf Österreichs Straßen. Am Dienstag endete unterdessen die Begutachtungsfrist für eine Novelle zum Kraftfahrgesetz (KFG), mit der das Handyverbot am Steuer strenger formuliert wird. Im Zuge der 32. KFG-Novelle bestehe laut KFV die Chance, durch eine weitere Maßnahme die Zahl der Unfälle zu reduzieren: Durch die Aufhebung des Kontrollhindernisses der Anhaltung bei unerlaubter Handynutzung. Bisher ist es so, dass die Polizei Lenker anhalten musste, um sie zu strafen. Der KFV reichte beim Verkehrsministerium einen Vorschlag für die Novelle ein, dass auch dies geändert werden soll. Eine besonders wichtige Maßnahme wäre, der Exekutive den Vollzug bei Verkehrsdelikten zu erleichtern, sagte Othmar Thann der APA. Mit der aktuellen Regelung würden die meisten Verkehrssünder der Polizei durch die Netze gehen, sagte Armin Kaltenegger, Leiter des Rechts-Bereiches im KFV. Es müsse, wie bei allen anderen tausenden von Delikten, wie beispielsweise Lenker nicht blinken oder über eine rote Ampel fahren, doch auch so gehandhabt werden, dass die Polizei dies aufschreibt und dann automatisch eine Strafverfügung per Post versendet wird. Das KFV sieht in dieser Maßnahme auch ein großes Potenzial für die Reduktion von Unfällen. Denn laut einer Umfrage würden mindestens 20 Prozent der bisher ohne Freisprecheinrichtung am Steuer telefonierenden Lenker ihr Verhalten ändern, wenn sie von der Polizei für die Strafe nicht mehr angehalten werden müssten. Es würde zumindest jeder fünfte Lenker sein Verhalten überdenken und ändern, da das subjektive Gefühl, erwischt zu werden, ansteigen wird, betonte Thann. Befragt wurden im August österreichweit 600 Lenker. Hochgerechnet würde dies laut KFV bedeuten, dass rund 70 Millionen Telefonate ohne Freisprecheinrichtungen pro Jahr weniger stattfinden würden. Dadurch würde sich die Zahl der Ablenkungsunfälle – die im Vorjahr um 27 Prozent gestiegen sind – nachhaltig reduzieren. Wir haben errechnet, dass allein durch diese Maßnahme fast 1.000 Unfälle mit Personenschaden und neun Getötete weniger zu beklagen wären, sagte Thann. Das Österreichische Verkehrssicherheitsprogramm 2011-2020 sieht eine kontinuierliche Reduktion der Zahl der Verkehrstoten vor – bis auf 311 Menschen im Jahr 2020. Um dieses Ziel zu erreichen, sind nun mehr denn je rasche und zielgerichtete Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit in Österreich erforderlich, forderte Thann. Seit dem Jahr 2000 ist in Österreich die Zahl der Verkehrstoten kontinuierlich rückläufig, einzig 2012 gab es einen Ausreißer. Im Jahr 2013 gab es hierzulande erstmals weniger als 500 Toten, 455 Menschen starben damals auf Österreichs Straßen. Mit der KFG-Novelle wird präzisiert, dass der Gebrauch eines Handys nur zum Telefonieren mithilfe einer Freisprecheinrichtung oder als Navigationssystem erlaubt ist. Um das Handy als Navi verwenden zu dürfen, muss es laut dem geplanten Gesetzestext im Fahrzeug befestigt werden. Andere Apps oder beispielsweise SMS schreiben oder Mails abzurufen ist für den Fahrer tabu.
7Wissenschaft
Physiker um Anton Zeilinger haben Geschichte der sogenannten "delayed-choice"-Experimente zusammengefasst und neu ausgewertet. Wien – Der US-Physiker John Archibald Wheeler (1911-2008) hat die fundamentale Unbestimmtheit in der Quantenphysik mit einem großen, rauchenden Drachen verglichen. Im delayed choice genannten Gedankenexperiment fragte er sich, wann sich Photonen entscheiden, ob sie Welle oder Teilchen sind. Die Geschichte dieser delayed-choice-Versuche hat nun der Physiker Anton Zeilinger mit Kollegen ausgewertet. Eines der grundlegenden Prinzipien der Quantenphysik ist der Welle-Teilchen-Dualismus. Ein Lichtteilchen (Photon) kann sich sowohl als Teilchen, als auch als Welle verhalten. Das kann man im Doppelspaltexperiment gut sehen: Schickt man Licht durch zwei enge Spalten, so entstehen auf einem Schirm dahinter ein Muster aus hellen und dunklen Streifen. Weil sich die Photonen wie eine Welle verhalten, konnten die Lichtwellen einander in den hellen Bereichen verstärken, in den dunklen Arealen einander auslöschen oder abschwächen. Man spricht dabei auch von Interferenz, bei den Streifen von Interferenzmustern. So funktioniert das nur, wenn man nicht weiß, welchen Weg die einzelnen Photonen genommen haben – den linken oder den rechten Spalt. Platziert man Detektoren an die Spalten und schaut nach, welchen Weg die Photonen nehmen, verschwindet augenblicklich das Interferenzmuster, sie verhalten sich wie Teilchen. Diese Dualität gibt es nicht nur bei Photonen, sondern selbst bei massiven Teilchen wie Molekülen aus Dutzenden Atomen. Wellen- oder Teilchen-Dasein offenbart sich also, je nachdem, welche Eigenschaft in einem Experiment gemessen wird. Für dieses Phänomen hat Wheeler das Bild des großen, rauchenden Drachen geprägt. Von diesem sieht man nur den Schwanz in Form der Quelle der Teilchen und das Maul in Form der Messergebnisse, was dazwischen liegt, ist vom Rauch verborgen. Erst die Messung bestimmt das Phänomen. Wheeler hat in seinem berühmten Gedankenexperiment gezeigt, dass gemäß der Quantenmechanik die Entscheidung, ob das Photon Wellen- oder Teilchencharakter zeigt, sogar erst getroffen werden kann, nachdem es die Wege bereits durchlaufen hat – also eine delayed choice, eine verspätete Entscheidung. In einer später realisierten Versuchsanordnung – dem sogenannten Quantenradierer – wurde gezeigt, dass man durch eine bestimmte Form der Messung die Weginformation regelrecht ausradieren und damit im Nachhinein entscheiden kann, ob sich ein Quantenobjekt wie eine Welle oder wie ein Teilchen verhält. In zahllosen Experimenten wurden in den vergangenen Jahrzehnten diese Phänomene experimentell überprüft und der Welle-Teilchen-Dualismus untermauert. Der Wiener Experimentalphysiker Anton Zeilinger vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Universität Wien, Xiao-song Ma von der Nanjing University (China) und der österreichische Physiker Johannes Kofler vom Max Planck-Institut für Quantenoptik in München haben nun im Fachjournal Reviews of Modern Physics die gesamte Geschichte der delayed choice-Experimente zusammengefasst und ausgewertet. Für Zeilinger konfrontieren diese Experimente die Forscher nicht nur mit Grundsatzfragen der Quantenphysik: Sie haben auch für zukünftige innovative Anwendungen große Bedeutung, etwa in der Quantenkryptographie oder der Weiterentwicklung des Quantencomputers, so der Physiker. So haben Zeilinger und Xiao-song Ma vor einigen Jahren in einem delayed choice-Experiment mit verschränkten Photonenpaaren demonstriert, dass in der Quantenwelt Handlungen Einfluss auf vergangene Ereignisse haben können. Letztlich könnte das bedeuten, dass ein Quantencomputer an einem Problem zu rechnen beginnen kann, dessen Input erst in der Zukunft existiert.
7Wissenschaft
Ein (weitgehender) Verzicht auf Tierprodukte würde weltweite Ernährungssicherheit ohne zusätzliche Ackerflächen ermöglichen, errechneten Forscher. Wien – Kein einziger Baum müsste mehr für Ackerflächen und Weideland gerodet werden, um die Weltbevölkerung ausreichend zu ernähren. Das berechneten österreichische Forscher in einer Studie im Fachblatt Nature Communications. Selbst bei weiterem Bevölkerungswachstum und mit extensivem Biolandbau sei dies möglich. Das Rezept dafür: Wenig bis gar kein Konsum von Fleisch und Tierprodukten. Die Forscher um Karlheinz Erb vom in Wien ansässigen Institut für Soziale Ökologie der Universität Klagenfurt haben 500 Ernährungsszenarien für das Jahr 2050 durchgerechnet und eruiert, ob damit die Weltbevölkerung ernährt werden kann. Fast zwei Drittel klassifizierten sie als machbar oder wahrscheinlich machbar, ohne dass zusätzliche landwirtschaftlichen Flächen benötigt würden. Dabei stellten sich die Ernährungsgewohnheiten als wichtigster Faktor heraus, erklärte Erb. Würde die Menschheit vegan leben, also ausschließlich von pflanzlichen Produkten, wären überraschenderweise sämtliche Szenarien realisierbar, auch jene mit extensiveren Formen der Landwirtschaft, wie etwa dem Biolandbau. Bei vegetarischer Ernährung wären immerhin noch 94 Prozent aller Szenarien ohne Abholzungen realisierbar. Je mehr Fleisch konsumiert wird, umso intensiver müsse aber die Landwirtschaft sein und umso schwieriger wäre der Erhalt von Waldflächen, so die Forscher. Wenn wir das Ernährungsmuster der US-Amerikaner auf die ganze Welt übertragen, mit insgesamt sehr vielen Kalorien, einem hohen Fleischanteil und vielen hochverarbeiteten Lebensmitteln, ist nur mehr ein kleiner Teil (15 Prozent) realisierbar, sagte Erb. Gleichzeitig bringe die Tierhaltung und die Nutzung von Flächen als Weideland aber auch positive Effekte: Afrikanische Savannen und Grasländer sind zum Beispiel meist für die Feldwirtschaft schlecht geeignet, können aber durch Beweidung gut zur Nahrungsproduktion beitragen, so Erb. Wenn man sich jedoch den Luxus gönnt, die Tiere von Ackerbauprodukten zu ernähren, die der Mensch selber auch essen könnte, geht der Vorteil der Viehwirtschaft rasch verloren. Eines würde allerdings in allen Szenarien sichtbar: das Ziel, die gesamte Weltbevölkerung ausreichend zu ernähren, birgt eine große Herausforderung: Entweder müsste dafür die Landnutzung intensiviert und in Gegenden ausgeweitet werden, welche zurzeit relativ extensiv genutzt werden, insbesondere in die natürlichen Grasländer wie Savannen. Dadurch würden ökologisch wertvolle Lebensräume gefährdet. Oder aber regionale Defizite müssten über globale Handelsströme ausgeglichen werden, was die Gefahr einer weiteren nachteiligen Entwicklungen für strukturarme Regionen der Welt beinhalte. Zentrale Institutionen, die hier regulativ wirken könnten, seien im Moment nicht oder nur kaum vorhanden, so die Forscher. Wichtige Voraussetzung für die weltweite Ernährungssicherheit sei daher ein fairer Handel, der sich mehr an der Nachhaltigkeit als am Profit einzelner Handelsorganisationen orientiert.
7Wissenschaft
DNA-Vergleich soll zeigen, ob Gebeine des 1918 getöteten Nikolaus II. authentisch sind. St. Petersburg – Im Zuge einer neuen Untersuchung zur Ermordung der russischen Zarenfamilie im Jahr 1918 sollen nun auch die sterblichen Überreste von Zar Alexander III. (1845–1894) exhumiert werden. Er war der Vater des 1918 in Jekaterinburg getöteten Zaren Nikolaus II. DNA-Vergleiche sollen Zweifel an der Authentizität von dessen Leichnam ausräumen. Bereits im September waren die Überreste von Nikolaus II. und seiner Frau Alexandra exhumiert worden, die wie schon Alexander III. in der Peter-und-Paul-Kathedrale in St. Petersburg bestattet wurden. Ermittler wollen Tests vornehmen, nachdem kürzlich die Frage nach der Authentizität der Gebeine wieder hochkam. Eine erste Untersuchung war im Jahr 2009 nach mehr als 15 Jahren durch die Kommission geschlossen worden, nachdem es keine nennenswerten Fortschritte gegeben hatte. Im Jahr 2010 erklärte ein Gericht diese Entscheidung für nicht rechtens. Im Juli forderte die orthodoxe Kirche in Russland, in der die gesamte Zarenfamilie Romanow als heilig verehrt wird, eine Wiederaufnahme der Ermittlungen. Sie hatte lange Zeit Zweifel an der Authentizität der Leichen geäußert und wollte die Ergebnisse von DNA-Tests nicht anerkennen. Die Mitglieder der Zarenfamilie und ihre Bediensteten waren 1918 von den Bolschewisten erschossen worden. Ihre Leichen wurden verbrannt und eilig vergraben. 1991 wurden die Überreste des Zaren Nikolaus II., seiner Frau und ihrer Töchter Olga, Tatjana und Anastasia in einem Massengrab in Jekaterinburg entdeckt. 1998 wurden sie in St. Petersburg bestattet. Die mutmaßlichen Überreste der Kinder Alexej und Maria wurden 2007 in 70 Kilometern Entfernung von den übrigen Familienmitgliedern gefunden. Die russische Regierung will alle sieben zusammen beisetzen. (APA, red, 27. 10. 2015)
5Inland
Pröll: "Einen großartigen Seelsorger verloren". St. Pölten – Der am Sonntag im Alter von 65 Jahren verstorbene niederösterreichische Superintendent Paul Weiland ist am Freitag in St. Pölten beigesetzt worden. Senior Pfarrer Karl-Jürgen Romanowski nahm die Einsegnung vor. Nach der Beerdigung auf dem Hauptfriedhof fand in der Kapelle des NÖ Landhauses ein von Bischof Michael Bünker zelebrierter Trauergottesdienst statt. Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) bezeichnete Weiland, der seit 1. September 1998 Superintendent der Evangelischen Kirche A. B. in Niederösterreich war, in seiner Trauerrede als Seelsorger mit Leib und Seele und für Leib und Seele. Er würdigte auch dessen ökumenisches Bestreben, seine bedachtsame Art und Fähigkeit zum Dialog. Der Superintendent habe Vertrauen aufgebaut und Brücken aufgebaut. Mit seinem Tod habe Niederösterreich einen großartigen Seelsorger verloren. Als Evangelische Kirche in Österreich dürfen wir trotz der Trauer Gott dem Herrn für das Leben und Wirken von Paul Weiland danken, sagte Synodalpräsident Peter Krömer. Der Superintendent der Steiermark, Hermann Miklas, betonte, dass Weiland sein Amt zur Lebensaufgabe geworden sei. Von einer großen gegenseitigen Wertschätzung und Freundschaft, die sich in den vergangenen Jahren entwickelt habe, sprach der St. Pöltner Diözesanbischof Klaus Küng. Der Herzogenburger Propst Maximilian Fürsinn strich die Verlässlichkeit und Gesprächsbereitschaft Weilands heraus, der eine Ökumene der Freundschaft geprägt habe.
7Wissenschaft
Seismologe Kurt Decker: Jahrhundertelange Inaktivität führte zu falscher Einschätzung des Risikos. Wien – Tief unter dem Wiener Becken gibt es Bruchlinien und Störungssysteme, die groß genug sind, um ein verheerendes Erdbeben auszulösen: Das zeigen Analysen des Seismologen Kurt Decker, die er am Dienstag in Wien präsentierte. Weil sie in vergangenen Jahrhunderten inaktiv waren, stufte man die Bruchzonen als ungefährlich ein. Das führe aber zu einer unverlässlichen Erdbeben-Gefahrenabschätzung, so Decker. Mit Kollegen vom Department für Geodynamik und Sedimentologie der Universität Wien hat Decker untersucht, wo im Wiener Becken geologische Störungsbereiche verlaufen, und ob sie schon heftige Erdbeben verursacht haben. Ein starkes Erdbeben versetzt die Landoberfläche und dadurch entsteht eine Geländestufe, sagte er. Diese würde zwar in der Regel durch Erosion und Umlagerungen eingeebnet, doch solche Versetzungen und Umlagerungen könne man durch Grabungen und geophysikalische Untersuchungen in drei bis vier Metern Tiefe erkennen, und den Zeitpunkt sowie teilweise auch die Stärke des Erdbebens bestimmen. Bei der Markgrafneusiedler Bruchzone im niederösterreichischen Weinviertel habe sich zum Beispiel herausgestellt, dass sie in den vergangenen 100.000 Jahren mindestens fünf schwere Erdbeben ausgelöst hat, die teilweise Stärke (Momenten-Magnitude, Mw) sieben erreichten, so wie jenes 2010 in Haiti, das etwa 316.000 Todesopfer gefordert, die Stadt Leogane zu 90 zu Prozent zerstört und in der Hauptstadt Port-au-Prince tausende Gebäude zum Einsturz gebracht hat. Bisher galt ein so starkes Erdbeben für Österreich als unvorstellbar, erklärte Decker, der gemeinsam mit seiner Kollegin Esther Hintersberger in der Geologischen Bundesanstalt seine Ergebnisse präsentiert hat. Doch die Störungsabschnitte im Wiener Becken seien groß genug, um auch hier und heute solche Erschütterungen mit Magnituden bis Sieben auszulösen. Viele Störungsbereiche im Wiener Becken werden als ungefährlich eingestuft, weil sie in historischer Zeit keine Erdbeben ausgelöst haben, so Decker. Doch Erdbeben-Aufzeichnungen gäbe es erst seit etwa 1900, und auch Chroniken etwa von Klöstern, die oft über Naturereignisse berichten, seien meist nur ein paar hundert Jahre alt. Der Markgrafneusiedler Bruch bewegt sich zum Beispiel um weniger als ein Zehntel Millimeter im Jahr und produziert dadurch nur alle paar 1.000 bis 10.000 Jahre Erschütterungen, erklärte er. So weit würden die historischen Quellen nicht zurückreichen. Für eine verlässliche Gefährdungsabschätzung sollte man die Bruchlinien im Wiener Becken daher systematisch charakterisieren und herausfinden, wann sie große Erdbeben ausgelöst haben, wie oft das passiert, und wie stark sie sein könnten, sagte er. Die Hauptbruchlinie verläuft vom Semmering am Leithagebirge vorbei in die Gegend von Marchegg und dann entlang der Kleinen Karpaten nach Dobra Voda in der Slowakei, so Decker. Sie bewege sich einen Millimeter pro Jahr. Von ihr würden andere Bruchlinien abzweigen, und zwar der besagte Markgrafneusiedler Bruch, der Aderklaaer Bruch, der Leopoldsdorfer Bruch und der Bisamberg-Nussdorf Bruch. All diese Brüche sind durch historische Erdbebendaten nicht vollständig charakterisiert und die Häufigkeit von Erdbeben, die sie produzieren können, ist unbekannt, sagte der Seismologe. Damit sei die potenzielle Gefahr für die extrem verwundbare Wiener Region unzureichend erforscht. Ein Beben in historischer Zeit ist für die Hauptbruchlinie wahrscheinlich sogar rekonstruierbar, nämlich im vierten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung im römischen Carnuntum, so Decker. Dort fanden Archäologen nämlich etliche Mauerzüge, die zu dieser Zeit noch während der römischen Besiedlung umgestürzt sind. Dies konnten sie sich nur durch ein Erdbeben erklären. Decker entdeckte schließlich, dass tatsächlich vor – geologisch gesehen – nicht allzu langer Zeit heftige Erdbeben mit einem Epizentrum nahe der Römerstadt stattgefunden haben.
7Wissenschaft
Techniker ringen mit einem Problem diesseits von Higgs-Bosonen und Dunkler Materie. Genf – Mit dem Nachweis des Higgs-Bosons schrieb das Genfer Teilchenforschungszentrum Cern 2012 Wissenschaftsgeschichte. Und die Pläne für die Zukunft sind noch ehrgeiziger: Unter anderem hoffen Cern-Forscher, Hinweise auf die rätselhafte Dunkle Materie zu finden, die einen fünfmal höheren Anteil am gesamten Materie- bzw. Energiegehalt des Universums hat als alles, was wir da draußen direkt beobachten oder messen können. Hochfliegende Pläne also, und unter Teilchenphysikern besteht keineswegs Einigkeit darüber, ob der Genfer Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider (LHC) überhaupt dafür geeignet ist, experimentelle Indizien für die Dunkle Materie zu finden. Vorerst muss man sich in Genf allerdings ohnehin mit ganz anderen und höchst irdischen Problemen herumschlagen – nämlich einem banalen Kabelsalat. Der LHC, der 2008 zum ersten Mal in Betrieb genommen wurde, ist ein Work in Progress. Er ist im Lauf seines Bestehens nicht nur mehrfach aufgerüstet worden, immer wieder müssen auch Teile ersetzt werden. Veraltete Kabel ließ man aber oft einfach stecken, nachdem man die neuen bereits eingesetzt hatte. Das hat sich mittlerweile zu einem echten Problem ausgewachsen: Der Kabelsalat an den Vorbeschleunigern des LHC ist so massiv geworden, dass kein Platz für neue mehr bleibt. 60 Techniker wurden mit der Aufgabe betreut, die insgesamt etwa 8.000 bis 9.000 überschüssigen Altkabel zu entfernen: Eine Arbeit, die sich über Jahre erstrecken wird, bislang konnte erst etwa ein Drittel dieser Zahl – beruhend auf einer Schätzung der Cern-Techniker – ausfindig gemacht werden. Der Ingenieur Sébastien Evrard, Leiter des Aufräumprojekts, erklärte gegenüber dem Magazin Vice, dass man die jährlichen Wartungspausen im Winter dafür nutzen wolle, die bis zu 50 Meter langen Kabel aufzuspüren und zu entfernen. Die mühsame Aufgabe soll bis 2019 oder 2020 erledigt sein. Und es ist Vorsicht geboten, schließlich soll nicht versehentlich ein Kabel entfernt werden, das eine Funktion erfüllt. Daten könnten verloren gehen, im allerschlimmsten Fall würde der LHC, der Anfang März wieder in den Betrieb gehen soll, nicht mehr hochfahren.
7Wissenschaft
Pilotanlage soll 2018 am Wien Energie-Kraftwerk Simmering in Betrieb gehen. Wien – Am Wien Energie-Kraftwerk Simmering wollen Forscher ein neues Verfahren testen, das Kohlendioxid aus Abgasen entfernt. 2018 soll eine Pilot-Anlage in Betrieb gehen. Im Vergleich zu derzeit eingesetzten Systemen sei die neue Technik deutlich energieeffizienter und billiger, teilte die Technische Universität Wien (TU) mit. Das konzentrierte CO2 soll als Dünger für Gemüse verwendet werden. CO2 ist nicht nur ein gefährliches Treibhausgas, sondern auch ein nützlicher Rohstoff für die Industrie. Deshalb bemüht man sich, CO2 aus Abgasen etwa von Kraftwerken oder aus industriellen Prozessen zu filtern, zu konzentrieren und nutzbar zu machen. Derzeit werden wässrige Aminlösungsmittel verwendet, um das CO2 aus Abgasströmen abzutrennen. Diese haben entscheidende Nachteile: Um aus den Lösungsmitteln das CO2 wieder zu entfernen, braucht man viel Energie. Zudem müssen hohe Absorber-Türme gebaut werden, damit das Rauchgas ausreichend Zeit hat, mit der Aminlösung in Kontakt zu kommen und die gewünschte CO2-Menge abzugeben. Gerhard Schöny von der TU Wien, der in dem vom Klima- und Energiefonds geförderten Projekt ViennaGreenCO2 mit Kollegen der Universität für Bodenkultur, Shell und anderen Partnern zusammenarbeitet, geht deshalb einen anderen Weg. Mit seinen Kollegen arbeitet er in einem bereits als Versuchsanlage an der TU realisierten Konzept zwar auch mit Aminen, allerdings nicht in flüssiger Form. Sie setzen vielmehr auf ein Wirbelschichtverfahren, in dem feste Partikel mit Aminen an deren Oberfläche mit dem Rauchgas in Kontakt gebracht werden. An der Versuchsanlage konnten die Forscher im kleinen Maßstab zeigen, dass das Prinzip funktioniert, mehr als 90 Prozent des Kohlendioxids werden ausgewaschen. Unsere Versuchsanlage kann pro Tag etwa fünfzig Kilo CO2 abscheiden, nun wollen wir eine Pilotanlage bauen, mit der man auf fünf Tonnen pro Tag kommt, so Schöny. Bei Trennverfahren mit flüssigen Aminen werden die Abscheidekosten mit bis zu 100 Euro pro Tonne CO2 beziffert. Schöny geht davon aus, dass mit der neuen Technologie der Energieeinsatz um rund 40 Prozent gesenkt werden kann. Das neue System könne auch vergleichsweise kompakter und damit deutlich billiger gebaut werden. Die Abtrennkosten sollten so pro Tonne CO2 um bis zu 25 Prozent niedriger ausfallen als derzeit, ist der Forscher zuversichtlich. In dem Projekt soll aber auch demonstriert werden, wie ein nachhaltiger CO2-Kreislauf aussehen könnte. Deshalb soll das im Kraftwerk abgeschiedene CO2 in einem Testgewächshaus als Düngemittel eingesetzt werden.
0Web
Physik in Echtzeit berechnet – Action-Titel erscheint 2016 für Xbox One. Bis die auf der E3 angekündigte, actiongeladene Fortsetzung Crackdown 3 auf den Markt kommt, müssen sich Fans der Reihe noch etwas gedulden. Auf der Gamescom in Köln gewährten die Hersteller aber vorab mit einer Pre-Alpha-Version erste Einblicke in das zerstörerische Gameplay. Dank Cloud-Computing soll man in dem Xbox-One-Titel eine komplette Stadt in Echtzeit in Schutt und Asche zerlegen können. Durch physikalische Berechnungen können Brücken zerstört werden, oder man sieht einem Wolkenkratzer dabei zu, wie er langsam zu Fall gebracht wird. Für die Umsetzung dieses Konzepts nutzen die Entwickler die Cloud-Anbindung der Xbox One. Laut dem Trailer lässt sich die Leistung der Konsole durch Auslagerung der Rechenprozesse auf externe Server um ein 20-Faches steigern. Die in Echtzeit und physikalisch berechnete Spielwelt wird deshalb in mehrere Zonen unterteilt. Davon wird jede separat von der Cloud berechnet und abgespeichert. Neben enormen Speicherkapazitäten erfordert dies vor allem auch eine schnelle Internetverbindung, um Zeitverzögerungen zu vermeiden beziehungsweise um sie auf ein Minimum zu beschränken. Aufgrund dieser Anforderungen ist die Möglichkeit zur vollkommenen Zerstörung bisher auf den Destruction-Sandbox-Modus beschränkt. Dieser Multiplayermodus enthält keine Missionen und wird sich bezüglich der Story auch in der finalen Version von anderen unterscheiden. Nähere Details dazu sind bisher noch nicht bekannt. Der eigentliche Story-Modus des Open-World-Titels kann in einer Einzelkampagne oder im Koop-Modus durchgespielt werden. Als Agent muss man sich in einer futuristischen Metropole gegen zahlreiche Gangster behaupten. Um der Zerstörungswut freien Lauf zu lassen, stehen dafür zahlreiche Waffen und transformierbare Vehikel zur Verfügung. Die Waffen wurden für die gezeigte Pre-Alpha-Version übrigens modifiziert, um das Zerstörungspotenzial zu demonstrieren, wie Eurogamer berichtet. Wie diese in der Endversion schließlich aussehen werden und ob die Stadt auch jenseits des Multiplayermodus in ihre Kleinteile zerlegt werden kann, bleibt wohl noch bis zum Release 2016 abzuwarten. Ein genaues Datum gibt es bisher nicht.
7Wissenschaft
1830 – Die provisorische Regierung proklamiert die Unabhängigkeit Belgiens. 1865 – In Wien wird die erste Pferdestraßenbahn Europas eröffnet. Sie verkehrt zwischen dem Schottentor und Hernals. 1910 – Portugals König Manuel II. wird durch einen Militäraufstand entmachtet und flieht nach England. Die Rebellen rufen die Republik aus und ernennen den Schriftsteller Teofilo Braga zum Präsidenten. 1930 – Das Militär in Brasilien putscht und bringt am 11.11. Präsident Getulio Vargas an die Macht. 1940 – Hitler und Mussolini treffen am Brenner zusammen. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, wie Vichy-Frankreich im Krieg gegen Großbritannien eingesetzt werden könnte. 1945 – In der Vorbereitenden Kommission der Vereinten Nationen fällt die Entscheidung, dass sich der Sitz des UNO-Generalsekretariats in den USA befinden soll. 1950 – Höhepunkt des von der kommunistisch beherrschten Gesamtösterreichischen Betriebsrätekonferenz initiierten Streiks: In Wien sind 145 Betriebe im Ausstand, Straßen- und Eisenbahnlinien werden blockiert, Autos, Autobusse und Straßenbahnen umgeworfen. 1965 – Papst Paul VI. besucht die UNO in New York und richtet in der Vollversammlung einen Friedensappell an die Welt. 1970 – Der im August tödlich verunglückte österreichische Formel 1-Fahrer Jochen Rindt wird, als bis heute einziger Rennfahrer, postum zum Formel 1-Weltmeister 1970 erklärt, nachdem der Belgier Jacky Ickx den Großen Preis der USA nicht gewinnen konnte und Rindts Punktezahl nicht mehr zu überbieten sein wird. 1990 – Die erste Sitzung des gesamtdeutschen Parlaments mit 144 früheren DDR-Volkskammerabgeordneten findet im Berliner Reichstagsgebäude statt. 1995 – Der weit über die Grenzen Österreichs bekannte Skipädagoge Franz Hoppichler stirbt 64-jährig in Innsbruck an Herzversagen. 2005 – Ein Hungerstreik endet für einen Schubhäftling in Linz tödlich. Der Mann aus Gambia hatte seit 28. September die Aufnahme von fester Nahrung verweigert. 2005 – Der Wirbelsturm Stan wütet in Zentralamerika und tötet dabei mehr als 2.000 Menschen. In Guatemala wird das Dorf Panabaj durch einen Erdrutsch verschüttet. 2010 – Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SP) spricht sich in der Kronen Zeitung für eine Volksabstimmung über die Abschaffung der Wehrpflicht aus, nachdem Österreichs auflagenstärkstes Blatt wochenlang eine Kampagne in diesem Sinne gefahren hatte. Die SPÖ – bisher für die Beibehaltung der Wehrpflicht – unterstützt den Bürgermeister nun, die ÖVP lehnt das Ansinnen ab. 2010 – Bis zu eine Million Kubikmeter Rotschlamm aus einer Aluminiumfabrik überschwemmen die westungarische Ortschaft Kolontar, als der Damm eines Beckens bricht. Zehn Menschen sterben, weite Landstriche werden von dem extrem giftigen Abfallprodukt verseucht. Die Regierung verhängt zumindest bis Jahresende den Notstand und stellt das verantwortliche Unternehmen unter staatliches Kuratel. Die Langzeitfolgen sind knapp zwei Monate später noch kaum abzuschätzen, Kolontar ist zur Sperrzone erklärt worden. Geburtstage: Lucas Cranach d.J., dt. Maler u. Zeichner (1515-1586) Giovanni Battista Piranesi, ital. Kupferstecher und Architekt (1720-1778) Buster Keaton, US-Filmkomiker (1895-1966) Richard Sorge, dt.Spion und Journalist (1895-1944) Jack Dupree, US-Jazzpianist (1910-1992) Alexander Moshe Schindler, US-Rabbiner (1925-2000) Horst Janson, dt. Schauspieler (1935- ) Steve Swallow, US-Jazzmusiker und Komponist (1940- ) Francisco Araiza, mex. Opernsänger (1950- ) Todestage: Robert Haas, öst. Musikhist. und Dirigent (1886-1960) Martins Ziverts, lett. Dramatiker (1903-1990) Franz Hoppichler, öst. Ski-Trainer (1931-1995) Michael Smith, kanad. Biochemiker (1932-2000) Janis Joplin, US-Sängerin (1943-1970) (APA, 4.10.2015)
7Wissenschaft
Auffälliges Amphibium rangiert in der nationalen Roten Liste als "potenziell gefährdet". Wien – Die leuchtend gelben Flecken auf dem Rücken und der Oberseite von Schwanz und Beinen des ansonsten glänzend schwarzen Feuersalamanders (Salamandra salamandra) sind individuell so unterschiedlich ausgeprägt, dass man die einzelnen Tiere daran identifizieren kann. Die Farbe fungiert als Warnung für Feinde: So signalisiert das Amphibium Raubtieren seine Giftigkeit. Menschen haben durch bloßen Hautkontakt aber nicht mehr als ein leichtes Brennen zu befürchten. Gegen andere Bedrohungen hilft dies freilich nichts: Lebensraumverlust und Straßenverkehr sind heute die größten Feinde des Feuersalamanders. Wie alle heimischen Amphibien ist er streng geschützt, in der nationalen Roten Liste rangiert er vorerst aber nur als potenziell gefährdet. Nun wurde das Tier zum Lurch des Jahres gewählt, wie die Deutsche und die Österreichische Gesellschaft für Herpetologie bekanntgaben: Damit soll auf diese bemerkenswerte Spezies aufmerksam gemacht werden. Sein Name rührt übrigens daher, dass man den Feuersalamander einst für eine Art Minidrachen hielt. Man dachte, Feuer könne ihm nichts anhaben und sein Sekret sei in der Lage, Flammen zu löschen. Der Lebensraum des Feuersalamanders sind Laub- und Mischwälder mit Bächen, in denen die Weibchen ihre Larven absetzen. Die ausgewachsen etwas über 20 Zentimeter langen Tiere sind Lauerjäger, ihre Beute sind Insekten, Schnecken, Würmer und andere Kleintiere. Der Erhalt naturnaher Waldlebensräume ist die wichtigste Maßnahme zum Schutz des Feuersalamanders.
2International
Zhanna Nemzowa, die Tochter des ermordeten Oppositionspolitikers Boris Nemzow, erklärte bei einer Veranstaltung des Wiener Instituts für die Wissenschaften vom Menschen (IWM), warum ein politischer Umschwung in Russland vermutlich noch länger dauern wird. Vor fast einem Jahr wurde der russische Oppositionspolitiker Boris Nemzow auf offener Straße erschossen. Die Ermittlungen gehen nur schleppend voran, Spuren führen jedoch in die russische Teilrepublik Tschetschenien. Deren politisches Oberhaupt, Ramsan Kadyrow, fiel zuletzt durch harsche Kritik an der russischen Opposition auf. Deren Vertreter seien als Verräter und Volksfeinde zu behandeln. Genau solche Form von negativer Propaganda, die Hass und Gewalt in der Gesellschaft verbreite, macht Zhanna Nemzowa, Boris Nemzows älteste Tochter, für den Mord an ihrem Vater verantwortlich. Nachdem sie sich in Russland nicht mehr sicher gefühlt hatte, verließ sie im Mai 2015 ihre Heimat und lebt seither in Deutschland. Bei der Diskussion im Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) zum Thema Russischer Nationalismus am Dienstagabend in Wien betonte Nemzowa, niemals große Hoffnungen gehegt zu haben, dass der Mord an ihrem Vater vollständig aufgeklärt werden würde. Sie wirft dem russischen Staatsapparat vor, die Ermittlungen nicht ernsthaft zu betreiben, und kritisiert den fehlenden politischen Willen des Regimes: Die Verdächtigen im Mordfall Nemzow seien ihres Erachtens Männer, deren Namen zuvor niemand – weder in Russland noch im Ausland – gehört hätte. Sie dienten im tschetschenischen Bataillon Sewer, das unter der Kontrolle des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow steht. Auf ihre Forderung, Kadyrow im Rahmen der Ermittlungen zu befragen, erhielten die Hinterbliebenen laut Nemzowa jedoch eine Absage. Im Rahmen der Diskussion äußerte sich Zhanna Nemzowa jedoch nicht nur zum Mord an ihrem Vater, sondern unternahm auch den Versuch, die russische Gesellschaft – betont auf der Grundlage persönlicher Erfahrungen – zu analysieren. Die Journalistin bezeichnete das russische Regime dabei als hybrides System, eine Mischung aus Demokratie und Autokratie. Um dieses System zu erhalten, bediene sich die politische Elite Russlands einer neuen nationalen Ideologie, eines wiederentdeckten Patriotismus. Gemeinsam mit imperialistischem Gedankengut und festgefahrenen archaischen Strukturen werde so versucht, Instabilität und ideologischen Krisen entgegenzuwirken. Im diesem Rahmen werde die Gesellschaft laut Nemzowa in zwei Gruppen unterteilt: Patrioten und Verräter. Diese Polarisierung wird der Journalistin zufolge vor allem durch die effektive Propagandamaschinerie in Russland gefördert. Darin liegt ihrer Meinung nach auch das Geheimnis der ungebrochen hohen Umfragewerte des russischen Präsidenten. Wenngleich es kritische Medien (wie die Zeitung Nowaya Gazeta oder den Fernsehsender Doshd) gibt, hält Nemzowa deren Reichweite für zu gering, um viele Menschen zu erreichen. Der Großteil der Fernsehsender befinde sich unter staatlicher Kontrolle und kritisches Denken werde weder medial noch an Universitäten zugelassen. Nemzowa betonte, dass beruflicher Erfolg an absolute Loyalität gegenüber dem Regime gekoppelt sei. Nur regimetreue Ideologien und Ideen seien an Universitäten und im öffentlichen Raum erwünscht. Aufgrund des Mangels an öffentlicher politischer Diskussion haben junge Menschen meist kaum die Möglichkeit, kritisches Denken zu erlernen. Unter anderem aus diesem Grund habe sich eine gewisse Gleichgültigkeit innerhalb der russischen Bevölkerung entwickelt, glaubt Nemzowa. Die meisten Menschen fallen nicht in eine der beiden Kategorien, seien weder Patrioten oder Verräter. Ein Großteil glaube einfach, dass man am politischen Prozess ohnehin nichts ändern könne. Die Verantwortung, etwas in Russland zu verändern, liegt laut Nemzowa dennoch beim russischen Volk: Veränderung wird nicht durch die internationale Gemeinschaft herbeigeführt, sondern durch das Volk selbst. Nemzowa erachtet es jedoch als unwahrscheinlich, dass sich die russische Gesellschaft so schnell wie der Ölpreis verändern wird, da soziale Veränderungen bekanntlich Zeit brauchen: Vor dem Fall der Sowjetunion waren die Menschen in Russland arm und litten an Hunger. Auch damals dauerte es einige Jahre, bis sich etwas in der Bevölkerung regte. Heute gehe es den Menschen vergleichsweise gut, weshalb dieser Prozess noch lange dauern werde. Wenngleich die russische Mehrheitsgesellschaft derzeit noch keine Veränderung fordert, glaubt Nemzowa, dass diese Zeit kommen wird. Über ihren Platz in der russischen Gesellschaft sagte die junge Frau: Das mag vielleicht befremdlich wirken, aber ich selbst sehe mich als Patriotin, aus diesem Grund beschäftige ich mich auch mit diesen Themen. An eine baldige Rückkehr in ein Russland, in dem Rechtsstaatlichkeit herrscht, glaubt sie derzeit eher nicht.
0Web
Rechteinhaber CBS lässt Klage fallen – "Star Trek: Beyond"-Regisseur sprach sich für das Projekt aus. Es ist ein ausgesprochen ambitionieres Fanfilm-Projekt, selbst für Star Trek-Dimensionen. Die Macher von Axanar konnten per Crowdfunding über eine Million Dollar sammeln. Grafisch aufwändig und teils mit weltraumerfahrenen Darstellern besetzt und hohem visuellem Aufwand sollte die Geschichte um diese bedeutende Schlacht umgesetzt werden – als kostenlose Veröffentlichung. Ende 2015 geriet das Projekt jedoch heftig ins Schleudern. CBS und Paramount Pictures, die Rechteinhaber für Filme und Serien in Gene Roddenberry Sci-Fi-Universum klagten wegen Urheberrechtsverstößen. Unerwartet, weil man dort bisher auch andere Fanproduktionen wie Star Trek Continues geduldet hatte. Die Axanar-Macher argumentierten, dass sie keine kommerzielle Absicht verfolgten, sondern Star Trek damit einen Liebesdienst erweisen würden. Alec Peters, der in Hauptverantwortung für den Film steht, hoffte auf eine einvernehmliche Lösung. Fans zeigten sich vielfach enttäuscht vom vorgehen der Filmstudios. Sein Wunsch hat sich nun erfüllt. Wie von J. J. Abrams, der den letzten kommerziellen Star Trek-Film redigiert hat, bekannt gegeben wurde, lassen Paramount und CBS ihre Klage fallen. Eine gewichtige Rolle für die Meinungsänderung soll sein Nachfolger Justin Lin gespielt haben, der am Drehsessel für das kommende Star Trek: Beyond sitzt. Er hat sich laut Statement von Peters für Axanar stark gemacht. Um derartige Situationen künftig zu vermeiden, wollen die Rechteinhaber Vorkehrungen treffen. Laut einem Buzzfeed-Redakteur soll künftig über offizielle Richtlinien festgelegt werden, in welchem Rahmen sich Fanfilme bewegen dürfen. Einen Einblick in das Projekt gibt der Kurzfilm Prelude to Axanar, der vor einem Jahr veröffentlicht wurde.
0Web
Nach fünf Stunden Spielzeit ging amerikanisches Team als Sieger hervor – Zweitplatzierte bekamen 2,8 Millionen Dollar. Die Zeiten, als man nur mit echtem Sport Geld verdienen konnte, sind vorbei. Beim fünften The International, dem weltweit größten Dota 2-Turnier, durfte sich das Gewinnerteam Evil Geniuses über 6,6 Millionen Dollar freuen. Die Zweitplatzierten CDEC konnten 2,8 Millionen Dollar mit nach Hause nehmen. Insgesamt stand dem Veranstalter Valve ein Betrag von 18,4 Millionen Dollar (16,7 Millionen Euro) zur Verfügung. Für den Triumph mussten drei von maximal fünf Spielen gewonnen werden. Nach vier Runden und knappen fünf Stunden standen die Sieger fest. Das erste mal in der Turniergeschichte von Dota 2 konnte ein amerikanisches Team die Meisterschaft für sich entscheiden und die chinesischen Kontrahenten des Teams CDEC schlagen. Laut esportsearnings.com führen die Amerikaner nach dem Sieg die Liste der Bestverdiener in der Branche an. The International 2015 war mit der Gesamtsumme nicht nur die höchstdotierte Meisterschaft in der Geschichte des E-Sports, sondern übertrifft damit zum Teil auch den Preispool, der anderen Titeln für alle Turniere im gesamtem zur Verfügung stand. Darunter Star Craft 2 und Counter-Strike. Zum Vergleich: 2014 wurden in der gesamten E-Sport-Landschaft rund 36 Millionen Dollar ausgespielt. Der Rekordbetrag konnte durch den Verkauf von In-Game-Gegenständen (The Compendium) lukriert werden. Das erste Mal wurde diese Form der Finanzierung via Crowdfunding 2013 gewählt. Damals konnte Valve eine Summe von 2,8 Millionen Dollar aufbringen. (lmp, 10.8.2015)
8Kultur
Die Wiener Staatsoper eröffnet mit dem Studio Walfischgasse eine neue Spielstätte. Wien – Ja, man analysiere jene Idee von Bundestheater-Holding-Chef Günter Rhomberg, jene Idee, eines gemeinsamen Standortes der Bundestheaterhäuser im Kasino am Schwarzenbergplatz. Wir studieren die Kasino-Hypothese. Das tun wir sehr fleißig, betont Staatsopernchef Dominique Meyer. Nun aber sei man zunächst zufrieden mit der Walfischgasse, der neuen Spielstätte, die vertraglich vorerst zwei Jahre eine solche bleiben werde. Das Kinderopernzelt im großen Haus musste ja aufgegeben werden. Am Samstag startet das Projekt mit der Wiederaufnahme von Albert Lortzings Undine – und Meyer betont die Vorteile: Die Anzahl der Sitzplätze sei im Vergleich zum Kinderzelt von 143 auf 231 gewachsen. Verbessert sei auch die Infrastruktur: Die Künstler können sich über Garderoben und Toiletten freuen, und auch die extremen Temperaturschwankungen im auf Betreiben des Denkmalamtes abgebauten Zelt sind Geschichte. Sehr wichtig: In Fragen der Akustik wurden mit der Walfischgasse große Fortschritte gemacht. Das Orchester ist nun hinter den Zuschauerreihen positioniert, was die Verständlichkeit der Sänger erhöht. Daneben wird es auch Programm abseits der Kinderoper geben: Am 5. November startet eine Gesprächsrunde zum 60. Jahrestag der Staatsopern-Wiedereröffnung. Nebst Künstlergesprächen (Elina Garanca und Ferruccio Furlanetto) ist auch eine Vortragsreihe zur Operngeschichte neu im Angebot der Staatsoper. Sie wird auch von Direktor Meyer gestaltet (ab 17. Dezember). Zudem gibt es eine Dirigentenwerkstatt und Einblicke in konkrete Produktionen des großen Hauses, das auch Kinderopern spielt: Die Uraufführung des Auftragswerkes Fatima oder von den mutigen Kindern von Johanna Doderer wird etwa am 23. Dezember im Haus am Ring gezeigt.
2International
Ungarns Ministerpräsident liefert sich in Budapest einen Krieg mit seinem einstmals engen Weggefährten Lajos Simicska. Die Budapester Stadtverwaltung hat am Wochenende damit begonnen, Litfaßsäulen des Werbeunternehmens Mahir-Cityposter aus einigen Straßenzügen zu entfernen. Das Rathaus ist fest in der Hand der Fidesz-Partei des rechtskonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Mahir-Cityposter wiederum gehört dem Oligarchen Lajos Simicska, einem engen Weggefährten Orbáns aus dessen politischen Anfangszeiten. Doch seit mehr als einem Jahr sind Orbán und Simicska verfeindet, zwischen ihnen tobt Krieg. Hintergrund der jüngsten Eskalation: Im Vorjahr hatte die Stadtverwaltung einseitig den Vertrag mit Simicskas Werbefirma gekündigt. Diese hätte bis zur Jahreswende von sich aus ihre rund 760 Litfaßsäulen aus der Stadt entfernen sollen. Simicska aber betrachtet die Kündigung des noch 15 Jahre laufenden Vertrags als Rechtsbruch. Am 11. Jänner beginnt in Budapest ein Gerichtsprozess, der diese Frage klären soll. Als am Wochenende die ersten Litfaßsäulen abgetragen waren, schickte Simicska Kapuzenmänner seiner Sicherheitsfirma aus, um die anderen Säulen zu schützen. An der Stelle ausgerissener Werbeträger ließ er umgehend neue aufstellen. Daraufhin drohte Orbáns Sicherheitsberater György Bakondi am Montag mit großen Polizeieinsätzen. Simicska war in der Frühzeit der Fidesz Orbáns Mann für die Parteifinanzen. Mit zum Teil umstrittenen Methoden schaffte er das nötige Geld für teure Kampagnen heran. Die früher kommunale Firma Mahir-Cityposter – in etwa mit der Wiener Gewista vergleichbar – brachte er im Rahmen der Privatisierungen nach der Wende unter seine Kontrolle. Das Unternehmen ist heute ein eher kleiner Mosaikstein in Simicskas Firmenimperium, das vor allem in Zeiten, in denen Orbán regierte (1998–2002 und seit 2010), massiv anwuchs. Zum Bruch kam es, weil Simicska dem mit harter Hand regierenden Orbán zu mächtig wurde. Der Regierungschef begann aus diesem Grund vor zwei Jahren, Simicskas Handlanger aus den Ministerien und Ämtern zu entfernen, in denen über die Vergabe jener lukrativen – und meist EU-finanzierten – Aufträge entschieden wird, von denen Simicskas Imperium bis dahin fürstlich gelebt hatte. Im vergangenen Februar trat der ansonsten jede Medienöffentlichkeit scheuende Tycoon überraschend ins Rampenlicht, um seinen Ex-Intimus Orbán als Abschaum zu beschimpfen. Im Oligarchen-Krieg gibt es indes mehrere Fronten. So erwarb neulich der von Premierminister Orbán vorgeschickte ehemalige Filmproduzent Andrew Vajna den zweitgrößten privaten Fernsehsender des Landes, TV 2. Doch Simicska droht dem Orbán-Mann, in die Suppe zu spucken: Kaum hatte Vajna den Deal verkündet, ließ Simicska ausrichten, dass bereits Tage zuvor eine von ihm kontrollierte Firma ihr Vorkaufsrecht an TV2 geltend gemacht hätte. Der Sender wäre demnach ein zweites Mal – und illegal – an Vajna verkauft worden. Auch diese Frage werden demnächst die Gerichte klären müssen.(Gregor Mayer aus Budapest, 5.1.2016)
3Wirtschaft
Wirtschaftsminister sieht in Zukunftsweg der OMV aber kaufmännische und keine politische Frage. Wien/Moskau – Der Tausch von Assets der OMV und der russischen Gazprom hat Sorgen vor einem Verlust systemrelevanter Infrastruktur ans Ausland befeuert. Die frühere ÖIAG-Aufsichtsrätin und jetzige ÖBB-Aufsichtsratschefin Brigitte Ederer warnte vor einem schleichenden Ausverkauf der OMV. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) will die OMV weiter in österreichischer Verantwortung sehen. In einem Interview im Neuen Volksblatt äußert sich Mitterlehner zu bevorstehenden Richtungsentscheidungen bei der OMV, auch nach den Entschlüssen der Klimakonferenz. Die Klimakonferenz und der Ausstieg aus dem fossilen Bereich sei natürlich eine schwierige Angelegenheit für Österreich, hier geht es um tausende Arbeitsplätze. Wir arbeiten derzeit an einer integrierten Klima- und Energiestrategie und werden sicherlich auch auf das Unternehmen Rücksicht nehmen, so der Wirtschaftsminister mit Blick auf den heimischen Energiekonzern. Gerade Erdgas sei ja auch ein Brückenenergieträger für den verstärkten Einsatz erneuerbarer Energieträger. Sehr verwundert gab sich der Wirtschaftsminister und ÖVP-Vizekanzler, wenn die Aufsichtsratsvorsitzende eines verstaatlichten Unternehmen, nämlich den ÖBB, über ein anderes börsennotiertes Unternehmen derartige Aussagen in der Öffentlichkeit trifft. Das ist unüblich, kann dem Unternehmen und seiner weiteren Entwicklung schaden. Das gehöre intern diskutiert. Dieses Vorgehen sei absolut unpassend. Die Zusammenarbeit mit der Gazprom sei ja nichts Neues; ob ich jetzt in der Ukraine abhängig bin oder im Bereich Nord Stream eine Abhängigkeit gegeben ist, ist grundsätzlich keine Änderung, findet der Minister. Insgesamt ist das aber eine kaufmännische Frage, die von der OMV und deren Organen zu bewerten ist und aus meiner Sicht keine politische Frage. Ob damit eine Privatisierung grundsätzlich nicht ausgeschlossen sei? Mitterlehner: Das Unternehmen soll unbedingt im österreichischen Verantwortungs- und Entscheidungsbereich bleiben. Die börsennotierte OMV gehört zu 31,5 Prozent der staatlichen österreichischen Bundesbeteiligungsholding Öbib. 24,9 Prozent hält die Abu-Dhabi-Staatsholding Ipic (International Petroleum Investment Company). Öbib und Ipic sind syndiziert.
7Wissenschaft
Astronomen stießen bei Trappist-1 auf drei Planeten, auf denen Leben möglich sein könnte. Lüttich/Wien – Bei der Suche nach extraterrestrischem Leben in unserem Sonnensystem gelten der Mars und Jupiter-Mond Europa als heißeste Kandidaten, obwohl es dort eher kalt ist. Außerhalb unseres Sonnensystems gibt es nun neue mögliche Kandidaten: drei Planeten, die sich um einen Braunen Zwerg namens Trappist-1 drehen und nur rund 39 Lichtjahre entfernt sind. Braune Zwerge sind zwar Sterne, aber man kann sie mit bloßem Auge nicht sehen. Sie sind nämlich erstens viel lichtschwächer und zweitens kleiner als unsere Sonne. Gleichwohl zählen sie zu den häufigsten Bewohnern unserer Milchstraße. Bisher glaubte man, dass diese Sonnen zu klein sind, um Planeten zu beherbergen. Doch nun wurden Astronomen um Michael Gillon (Uni Lüttich) mit dem Teleskop Trappist fündig. Wie sie im Fachmagazin Nature berichten, entdeckten sie drei vermutlich habitable Planeten, die rund um den Braunen Zwerg Trappist-1 kreisen, der kaum größer als der Planet Jupiter ist und sehr viel weniger heiß als unsere Sonne. Sowohl Größe als auch Temperatur dieses Planetensystems seien vergleichbar mit den Verhältnissen auf der Erde und der Venus, behaupten die Forscher. Sie hatten ihre Beobachtungen mit dem Teleskop Trappist im September 2015 begonnen, das darauf ausgerichtet ist, 60 kleine Sterne in der Nähe unseres Sonnensystems zu beobachten. Wie sich zeigte, ziehen drei Objekte regelmäßig vor einem dieser Braunen Zwerge vorbei, zwei davon brauchen für eine Umkreisung 1,5 beziehungsweise 2,4 Tage. Damit trifft auf sie ähnlich viel Energie wie auf die Erde. Der dritte Planet ist etwas weiter entfernt und benötigt zwischen vier und 73 Tagen für eine Umrundung. Nach den Berechnungen der Astronomen sollten alle drei Planeten von Trappist-1 Bereiche aufweisen, in denen die die Temperatur deutlich unter 126 Grad Celsius liegt. Und das wiederum könnte bedeuten, dass es dort auch flüssiges Wasser gibt – eine Voraussetzung für Leben, so wie wir es kennen. Das Besondere an dieser Entdeckung ist die Nähe des Planetensystems und die geringe Größe des Sterns. Denn dadurch sollte es möglich werden, in nächster Zukunft die Atmosphäre und deren Zusammensetzung zu analysieren – und eben auch, ob es auf den Planeten Leben gibt.
7Wissenschaft
Vorhersage des Higgs-Teilchens bringt dessen Namensgeber einmal mehr Lorbeeren. Der britische Physiker und Nobelpreisträger Peter Ware Higgs wird heuer mit der ältesten und höchstdotierten Auszeichnung der Royal Society bedacht – der Copley-Medaille. Die 1731 erstmals verliehene Medaille dürfte die älteste noch regelmäßig vergebene Auszeichnung der Welt sein. Higgs erhielt 2013 zusammen mit François Englert den Nobelpreis für Physik für die (voneinander unabhängige) Vorhersage des Higgs-Teilchens, dessen Existenz 2012 fast 50 Jahre nach Higgs Entdeckung durch Wissenschafter des europäischen Kernforschungszentrums CERN nachgewiesen werden konnte. Seit der Erstverleihung 1731 an Stephen Gray erhielten Forscher wie Benjamin Franklin, Michael Farraday, Alexander von Humboldt, Charles Darwin, Louis Pasteur, Albert Einstein, Max Planck und Stephen Hawking die prestigeträchtige Medaille. In ihrer nunmehr 284-jährigen Geschichte erhielt übrigens bislang nur ein einziges Mal eine Frau diese Auszeichnung: Die Biochemikerin und Nobelpreisträgerin Dorothy Hodgkin wurde 1976 für die Analyse der Struktur des Vitamins B12 geehrt.
7Wissenschaft
Ein internationales Forscherteam untersucht, welche Gene die Venusfliegenfalle karnivor machen. Würzburg - Welche Gene sind dafür verantwortlich, dass Pflanzen Tiere fangen und verdauen können? Ein internationales Forscherteam hat bei der Venusfliegenfalle nun drei davon identifiziert. Sie sorgen dafür, dass die Pflanzen lebenswichtiges Kalium aus ihren Beutetieren höchst effizient nutzen können. Fleischfressende Pflanzen wie die Venusfliegenfalle (Dionaea muscipula) wachsen an extrem nährstoffarmen Standorten. Um dort überleben zu können, haben sie sich im Lauf der Evolution spezialisiert: Sie besorgen sich Zusatznahrung in Form von Tieren. Die Venusfliegenfalle fängt ihre Beute mit Blättern, die zu Klappfallen umgebildet sind. Berühren Insekten spezielle Sinneshaare auf der Falle, klappt diese blitzschnell zu und wandelt sich in eine Art grünen Magen um: Drüsen geben ein salzsäurehaltiges Gemisch aus Verdauungsenzymen ab, und aus der Beute werden neben Nährstoffen auch Minerale wie Kalzium, Magnesium und Kalium herausgelöst und über die Pflanzendrüsen aufgenommen. Besonders Kalium ist lebenswichtig für Pflanzen. Fleischfressende Gewächse brauchen es auch dringend für den Betrieb ihrer Fallen. Wie effizient die Venusfliegenfalle sich das Kalium aus ihren Beutetieren holt, berichtet jetzt ein internationales Forschungsteam in PNAS. Am Beginn stand die Erkenntnis, dass die Drüsen in der Klappfalle der Pflanzen nur dann Kalium aufnehmen können, wenn zuvor tatsächlich auch ein Insekt gefangen wurde. Also analysierten die Forscher die Gene, die für die Aufnahme von Kalium aktiviert werden. Es stellte sich heraus, dass zwei Kaliumtransporter und ein Enzym, eine Proteinkinase, hochgefahren werden. Genau diese drei werden auch bei nicht-fleischfressenden Pflanzen mit der Kaliumaufnahme in der Wurzel in Verbindung gebracht. Das Enzym aktiviert dabei die beiden Kaliumtransporter, die in einer konzertierten Aktion das gesamte Kalium aus der Beute in die Pflanze schaffen. Zuerst senkt der Transporter DmAKT1 den Kaliumspiegel im Magen der Venusfliegenfalle drastisch ab, dann erledigt der Transporter DmHAK5 die Feinarbeit. Er hat eine beträchtliche Pumpkraft und kann auch dann noch Kalium in die Drüsenzellen verfrachten, wenn die Kaliumkonzentration dort schon sehr hoch ist, erklärt Sönke Scherzer, Koautor der Studie. Doch wie merken die Kalium-Aufnahmesysteme der Venusfliegenfalle, dass eine kaliumreiche Beute in der Falle sitzt? Wir haben erste Hinweise darauf, dass nicht erst das aus der Beute freigesetzte Kalium, sondern schon die Berührung der Sinneshaare die Neusynthese der Transporter einleitet, sagt der Biophysiker Rainer Hedrich. Wie aber die Kaliumkonzentration im grünen Magen gemessen wird und wie die Aktivierung und Deaktivierung der Kaliumtransporter genau vor sich geht, ist noch unklar. Dies wollen die Forscher um Hedrich, der für seine Arbeit 2010 einen hochdotierten Advanced Grant des ERC erhielt, künftig herausfinden.
7Wissenschaft
Forscher stoßen bei zwei Prozent der Finnen auf spezielle Variante eines Serotonin-Rezeptor-Gens. Helsinki – Eine in Finnland verbreitete Genvariante könnte einer aktuellen Studie zufolge dafür verantwortlich sein, dass sich manche Finnen unter Alkoholeinfluss impulsiv verhalten, wie es in der Studie genannt wird. Laut der im Fachmagazin Translational Psychiatry veröffentlichten Untersuchung steht die Mutation mit einer Veranlagung zur Impulsivität in Verbindung, die zumeist unter der Oberfläche schlummere, aber unter Alkoholeinfluss zum Vorschein kommen könne. Zwei Prozent der Finnen – etwa 100.000 Menschen – sollen die Genveränderung in sich tragen. Laut Studienleiter Roope Tikkanen tritt die Veränderung an einem Serotonin-Rezeptor-Gen auf, das mutmaßlich für die Impulsivität von Menschen mit psychischen Krankheiten in Verbindung steht. Durch historische und geografische Isolation ist der Genpool in Finnland laut Tikkanen relativ homogen, was die Entdeckung der Mutation erleichtert habe. Die Forscher glauben, dass die Genmutation erblich ist und ihre Entdeckung zu Medikamenten gegen krankhafte Impulsivität führen könnte. Nach Zahlen des finnischen Justizministeriums werden 80 Prozent aller Morde und 70 Prozent aller Körperverletzungen im Land nach Alkoholkonsum begangen. Dabei trinken Finnen laut Statistik nicht mehr Alkohol als Bewohner anderer EU-Länder. Mit 12,27 Litern reinem Alkohol pro Person liegt Finnland sogar leicht unter dem europäischen Durchschnitt von 12,45 Litern pro Person.
2International
Grünen-Abgeordneter Pilz vermutet Rechtsbruch bei Kriegsmaterialexport und Einrichtung des Abdullah-Zentrum als Gegenleistung. Wien – Nachdem der deutsche Spiegel von einer in Österreich hergestellten Splittergranate berichtet hat, die in Saudi-Arabien aufgetaucht ist, musste das Innenressort in Wien die Genehmigung eines fragwürdigen Exports Richtung Riad einräumen: Im Jahr 2010 hat die Republik die Lieferung von 9.000 Splittergranaten an die Saudis freigegeben, nachdem 2009 ein entsprechendes Ansuchen gestellt worden war. Konkret waren die Geschoße für das Innenministerium des Königreichs bestimmt, in dem es um die Menschenrechte nicht zum Besten bestellt ist. Auf APA-Anfrage erklärte Karl-Heinz Grundböck vom Innenressort, dass der Export in Absprache mit dem Außen- und dem Verteidigungsressort erfolgt sei. Gemäß dem heimischen Kriegsmaterialiengesetz muss das Innenressort das Außenamt bei solchen Angelegenheiten einbinden, das Verteidigungsministerium anhören – in der Praxis prüft Letzteres aber vor allem, ob die Waffen gegen österreichische Soldaten im Ausland eingesetzt werden könnten. Der Waffenhandel mit kriegsführenden Staaten und in Länder, in denen exportiertes Kriegsmaterial zur Unterdrückung von Menschenrechten verwendet werden kann, ist Österreich als Neutraler generell verboten. Schon 2009 berichtete Amnesty International von 69 Hinrichtungen und zahlreichen Auspeitschungen. Im Detail stammt die in Saudi-Arabien aufgefundene Splittergranate von einer österreichischen Tochterfirma des deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall. Im Jahr 2014 sollen Sondereinheiten des Königreichs diese bei einem Einsatz gegen eine Protestbewegung bei sich getragen haben, so der Spiegel. Für den Grünen Peter Pilz sind für den Export der frühere Außenminister Michael Spindelegger und Ex-Innenministerin Maria Fekter (beide ÖVP) verantwortlich, was er im Innenausschuss am Dienstag auf die Tagesordnung setzen will. Dazu vermutet Pilz, dass die Einrichtung des Abdullah-Zentrums in Wien als Gegenleistung erfolgt sei: Das Ganze war keine rechtliche, sondern offenbar eine politische Entscheidung, mit der man dem Regime einen Gefallen tun wollte. Das stinkt nach einem Geschäft. Pilz Recherchen decken sich mit Grundböcks Angaben, dass nach 2010 kein derartiger Export nach Saudi-Arabien mehr erfolgt ist. Im Mai 2012 wie im Jänner 2014, als Riad gern weitere 3.000 beziehungsweise 9.000 Stück Granaten geordert hätte, habe das Innenressort die Ausfuhr verboten beziehungsweise schon das Vorverfahren abgedreht, so der Grüne. Fekter, mittlerweile Abgeordnete und ÖVP-Kultursprecherin, lässt dem STANDARD ausrichten, dass der Export ein Verwaltungsverfahren des Innenressorts war, das ohne ihre Einflussnahme gesetzeskonform abgewickelt wurde. Auch Spindelegger, jetzt Generaldirektor des in Wien ansässigen Internationalen Zentrums für die Entwicklung von Migrationspolitik, weist über einen Sprecher politischen Tauschhandel zurück. Ende 2010 hat er per Ministerratsvortrag seinen Regierungskollegen erstmals die Idee des Abdullah-Zentrums präsentiert, 2011 wurde die umstrittene Dialogstätte dann eröffnet.
5Inland
Hilfsorganisationen kritisieren: Langzeitpflege und Behinderte nicht berücksichtigt. Wien – Breite Kritik hat sich das Gesundheitsministerium mit seinem Begutachtungsentwurf für die Neuordnung der Ausbildung der Pflegekräfte eingehandelt. Der Gemeindebund und das Land Salzburg haben wegen befürchteter Mehrkosten sogar den Konsultationsmechanismus ausgelöst. Die Hilfsorganisationen kritisieren die Nichtberücksichtigung der Langzeitpflege und der Behinderten-Betreuung. Nach den Plänen von Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) soll die Ausbildung über drei Schienen laufen. Neben einer Pflegeassistenz ist auch die Schaffung einer Pflege-Fachassistenz vorgesehen, die mehr Kompetenzen haben soll. Beide sollen weiterhin an den Krankenpflegeschulen ausgebildet werden, die Ausbildung dauert ein bzw. zwei Jahre. Die gehobenen Pflegefachkräfte (derzeit diplomierte Pflegekräfte) sollen künftig ausschließlich akademisch an Fachhochschulen ausgebildet werden. Inkrafttreten soll die Neuregelung ab September 2016 stufenweise bis 2024. Sowohl der Gemeindebund als auch das Land Salzburg befürchten dadurch Mehrkosten und haben deshalb den sogenannten Konsultationsmechanismus ausgelöst. Sie fordern die rasche Aufnahme von Verhandlungen. Der Gemeindebund verweist darauf, dass die Höherqualifizierung der Pflegekräfte und die Übertragung zusätzlicher Aufgaben, unweigerlich zu höheren Personalkosten führen, die in erster Linie die Gemeinden als Träger von Pflegeeinrichtungen treffen würden. Außerdem wäre die Administration des Personals von drei Pflegeberufen vor allem in kleineren Einheiten und in der mobilen Pflege nur schwer umsetzbar. Dem Rechnungshof fehlen ebenfalls realistische Angaben über die finanziellen Auswirkungen. Auch die Arbeiterkammer hält die Dualisierung in Pflegeassistenz und Pflegefachassistenz für nicht sinnvoll. Sie befürchtet, dass die schlechter ausgebildete und damit auch billigere Pflegekraft bevorzugt beschäftigt wird und fordert nur einen Assistenzberuf mit einer Ausbildungsdauer von zwei Jahren. Auch die Volkshilfe und der Samariterbund lehnen die Aufsplitterung in drei Berufsgruppen ab, weil sie ein Absinken der Qualität befürchten. Der Rechnungshof befürchtet ebenfalls ein Sinken des Qualitätsniveaus, auch weil bundesweit einheitliche Standards nicht vorgesehen seien. Der Seniorenrat glaubt hingegen dass mit dem zusätzlichen Assistenzberuf den Bedürfnissen der Praxis vermehrt Rechnung getragen wird. Der Seniorenrat wünscht sie zusätzlich die Einführung einer Pflegelehre und eine Berücksichtigung des Themas Demenz in dem Gesetz. Die Ärztekammer gibt zu bedenken, dass mit der Einführung der zusätzliche Fachassistenz die Pflegeberufe sehr komplex werden. Für die anordnenden Ärzte werde es kaum noch überblickbar, an welche Pflegepersonen sie welche Tätigkeiten sie delegieren können. Die Ärztekammer stört auch, dass die gehobenen Pflegefachkräfte zwar mehr Kompetenzen bekommen, ihre Ausbildung aber nicht verlängert werden soll. Für die Ärztekammer entsteht der Eindruck, dass die künftigen Pflegeberufe zwar vermehrt medizinisch-ärztliche Aufgaben übernehmen sollen, ihr Kernbereich der Pflege aber kaum noch Beachtung finde. Die Wiener Landesregierung hätte die Anhörung der Ärztekammer in dieser Frage überhaupt nicht für erforderlich erachtet. Die Hilfsorganisationen Caritas, Hilfswerk, Lebenshilfe und der Verband der Sozial- und Gesundheitsunternehmen sowie die Arbeiterkammer kritisieren, dass sich der Entwurf nur auf die stationären Einrichtungen konzentriere. Sie fordern eine Einbeziehung der Langzeitpflege und der Behindertenarbeit. Dem Verband der Sozial- und Gesundheitsunternehmen erscheinen die Umsetzungsfristen zu lange. Auch der Verband der Pflegedirektoren sieht durch die schrittweise Umsetzung mit langen Übergangsfristen die Gefahr von Unklarheiten. Das Bildungs- und Frauenministerium urgiert eine gender-symmetrische Berufsbezeichnung, damit sich Krankenschwestern nicht mehr mit dem Vornamen anreden lassen müssen.
0Web
Die Angst vor dem technologischen Fortschritt muss vor allem als Angst vor menschlichen Abgründen interpretiert werden. Nicht im Geringsten frustriere es ihn, trotz seiner intellektuellen Überlegenheit den Befehlen der menschlichen Crew hörig zu sein: So beschwichtigte der fiktive Supercomputer HAL 9000 in Stanley Kubricks 2001: Odyssee im Weltraum die besorgte Frage eines Interviewers, wie denn sein Verhältnis zu den Besatzungsmitgliedern sei. Als es jedoch um die eigene Abschaltung geht, schlägt der Überlebensinstinkt der Maschine durch – und sie versucht die Astronauten mit allen Mitteln davon abzuhalten. Der vor bald 50 Jahren erschienene Science-Fiction-Film fasst nach wie vor die Urängste der Menschen in Bezug auf künstliche Intelligenz und denkende Computer zusammen. Aber auch wenn er valide Fragen aufwirft, bleibt er Fiktion. Die Rechenleistung von Maschinen übertrumpft Menschen zwar in vielen Bereichen, doch handelt es sich um isolierte Fähigkeiten. Der Computer gewinnt vielleicht gegen den Schachweltmeister, doch er kann nicht nachvollziehen, was Schach oder Sieg tatsächlich bedeuten. Und selbst wenn vernetzte Rechner die Welt komplett verstünden, wären sie nicht in der Lage, die Irrationalität der Menschen zu kopieren, meint der italienische Philosoph Luciano Floridi. Genau diese sorgt aber für Kultur, Liebe und schreckliche Verbrechen, also kurzum für das, was den Menschen ausmacht. Um eine menschliche Maschine zu produzieren, müsste ihr Erschaffer also erst einmal den Menschen selbst verstehen – und dessen Innerstes dann in Algorithmen übersetzen. Doch auch dann wäre der Roboter nur die Projektion der Ideenwelt seines Erschaffers. Genau das sind Computer: unsere Erzeugnisse, die unsere Vorstellungen und Träume spiegeln, etwa den Wunsch, klüger, reicher und leistungsfähiger als je zuvor zu sein. Viel brennender als die Frage nach der Gefahr durch eigenständige Maschinen ist daher die Frage, welche Macht die Besitzer der ausgereiftesten Modelle durch sie erlangen. So bilden Supercomputer einen wichtigen Aspekt der Finanzkrise. Algorithmen handeln in kaum messbaren Zeitabständen mit Aktien. Börsenkurse steigen und fallen in Windeseile, ohne dass menschliche Beobachter die Gründe dafür verstehen. Computerprogrammierer verdienen an der Wall Street mittlerweile mehr als Finanzanalysten. Der Computer wird Ausdruck der Gier, indem er mit den Finanzen von Millionen Bürgern spielt – weil er es darf. Ähnlich ist es bei Polizei und Militär. Der Wunsch nach absoluter Sicherheit macht Behörden zu Datenkraken, die Bürgerrechte verletzen. Dutzende Staaten erforschen, wie Kriegsroboter ihnen einen Vorteil auf dem Schlachtfeld verschaffen könnten. Doch auch hier geht es um die Ethik der Schöpfer, nicht um die Moralvorstellung einer Maschine. Der Mensch wird entscheiden, ob der Kampfroboter Zivilisten und kapitulierende Soldaten verschont. Das Problem ist, dass die Politik – und damit ist nicht nur die politische Klasse, sondern auch der politische Prozess in der gesamten Gesellschaft gemeint – den Entwicklungen weit hinterherhinkt. Das berühmte Mooresche Gesetz entstand bereits 1964: Es besagt, dass sich die Rechenleistung von Maschinen alle paar Monate verdoppelt. Es könnte heuer seine Gültigkeit verlieren, in den vergangenen 50 Jahren traf es jedoch zu. Der Weg von Konrad Zuses Z3-Computer bis zum iPhone 6s mag lang erscheinen. Tritt man einen Schritt zurück und betrachtet die menschliche Entwicklung als Ganzes, erfolgte die Evolution der Maschine nicht einmal in einem Wimpernschlag der Geschichte. Es besteht kein Zweifel, dass Computer unser aller Leben enorm verbessert haben. Damit ist nicht nur gemeint, dass vieles komfortabler wird. Der Computer ermöglichte auch fantastische Fortschritte im Bereich der Medizin, der Kommunikation und Verständigung, der staatlichen Organisation sowie der Arbeitswelt. Theoretisch können wir davon träumen, dass uns smarte Rechner bald einen Großteil der Arbeit abnehmen und wir viel mehr Zeit für Müßiggang haben. In der Praxis verschärfen sich jedoch die Konflikte: Maschinen ersetzen Arbeitskraft, was, um kurz marxistisch zu werden, momentan vor allem dem Kapital nützt. Die globale Ausbeutung erlangt durch die Digitalisierung eine neue Stufe, weil geografische Barrieren überwunden werden. Jene jungen schlecht bezahlten Filipinos, die täglich zigtausende furchtbare Fotos und Videos auf sozialen Medien zensieren, sind genauso Opfer der Computerrevolution wie die Arbeiter in China, die unter menschenunwürdigen Bedingungen Smartphones und Computer zusammenbauen. Auch in der westlichen Hemisphäre erweist sich der technologische wie technische Fortschritt oftmals als trojanisches Pferd: Statt die E-Mail-Funktion am Smartphone als bequeme Lösung für Ausnahmesituationen wahrzunehmen, verspüren Angestellte wie auch Vorgesetzte den Druck, digital omnipräsent zu sein. Computerprogramme zum Protokollieren der eigenen Gesundheit werden plötzlich zum Drillmeister in der Hosentasche; ganz abgesehen von den Datenströmen, die an gewinnorientierte Konzerne wandern und neue Möglichkeiten der Kontrolle schaffen. Politik und Gesellschaft schauen nahezu atemlos zu: Die vor kurzem beschlossene EU-Datenschutzreform ersetzte eine Richtlinie aus dem Jahr 1995. De facto hatte die Europäische Union also jahrelang Smartphones, Apps und die massenhafte Verbreitung des Internetzugangs ignoriert – zumindest was den Datenschutz der Bürger betrifft. Bei künftigen Entwicklungen muss das schneller gehen. Enorme disruptions, wie die IT-Branche Umbrüche nennt, stehen bevor. Zu nennen sind etwa computerisierte vernetzte Haushalts- und Alltagsgegenstände, die unter dem Begriff Internet der Dinge zusammengefasst werden. Dazu kommen selbstfahrende Autos und Fortschritte in der künstlichen Intelligenz, die Arbeitsplätze obsolet machen könnten – von autonomen Drohnen und Kriegsrobotern ganz zu schweigen. Diese Evolution der Computer ist unaufhaltsam. Das ist auch gut so. Doch wir müssen darüber debattieren, welche Schutzmechanismen wir implementieren, um computergestützte Handlungen kontrollieren zu können. Wir müssen diskutieren, wie großartige Erfindungen so genutzt werden können, dass alle Menschen davon profitieren. Und wir müssen uns entscheiden, wie viel Verantwortung wir der maschinellen Intelligenz überlassen. Denn ob die neue Welt eine schöne wird, oder die Bezeichnung wie in Aldous Huxleys gleichnamigem Roman Satire ist, liegt in unseren Händen.
6Etat
Die zweite Staffel beunruhigte in Neapel. Ab Dienstag läuft sie im Abofernsehen auf Sky Atlantic HD. Wien – Nach der ersten Staffel der Fernsehserie Gomorrha setzte die ehrenwerte Gesellschaft ein Zeichen, mit dem sie ihre Macht demonstrierte: Dreharbeiten zur zweiten Saison verweigerte sie an Originalschauplätzen rund um Neapel die Genehmigung. Offiziell beklagten die Bürgermeister Imageschaden durch die in der Serie gezeigte Brutalität. Immerhin gebe es auch ehrliche Menschen in Neapel, argumentierten Gemeindevertreter. Es ging offenbar auch so. Denn ab Dienstag bricht im Abo-TV Sky Atlantic HD erneut der ungebremste Sturm der Camorra los und fordert mit zerstörerischer Wut in zwölf neuen Folgen seine zahlreichen Opfer. Ein Mann wird auf einer Trage weggeführt. Er ist schwer verletzt, hängt am Defibrillator, wird wiederbelebt. Getrocknetes Blut klebt am nackten Oberkörper, Narben klaffen in seinem Gesicht. Der Neueinsteiger weiß in dieser ersten Sequenz nicht, woher die Verletzungen stammen, aber die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass es sich um die Folgen einer Gewalttat handelt. Wer die erste Staffel gesehen hat, muss nicht rätseln: Leichen pflastern die Wege von Ciro (Marco DAmore), Pietro (Fortunato Cerlino) und dem Rest der brutalen Gang der Camorra, die in vielen Bereichen des kommunalen und gesellschaftlichen Lebens Neapels mitspielt. In der Fortsetzung wird wieder abgerechnet. Die erste Staffel endete mit einem Blutbad, Jungpate Ciro muss die Konsequenzen fürchten. Sein früherer Boss und jetziger Erzfeind sinnt auf Rache. Die Geschichte folgt den Aufzeichnungen des italienischen Schriftstellers Roberto Saviano, der intensiv in der Szene recherchierte. Bis ins letzte Detail beschrieb Saviano Verbrechen der Camorra und nannte führende Köpfe beim Namen. Das Buch verkaufte sich mehr als zehn Millionen Mal, der danach gedrehte Film gewann 2008 den Jurypreis in Cannes. Seit Erscheinen des Buches 2006 muss sich Saviano vor der Rache der Mafia verstecken. Die von Jan Mojtos Betafilm und Sky Italia produzierte Serie wurde in mehr als 130 Länder verkauft. Auch in der zweiten Staffel wird auf Authentizität Wert gelegt. Stilistisch changieren die Regisseure zwischen Actionfilm und Reportage. Geht auf.
7Wissenschaft
Erster Start mit drei Satelliten am Mittwoch. Wostotschny – Mit dem problemlosen Aufstellen der Rakete hat Russland die letzten Vorbereitungen zur Inbetriebnahme seines neuen Weltraumbahnhofs Wostotschny eingeleitet. Vor dem geplanten Start an diesem Mittwoch werde die Sojus-2.1a nun noch mit rund 300 Tonnen Treibstoff betankt, berichtete das russische Fernsehen am Sonntag. Für den mit Spannung erwarteten ersten Start um 4.01 Uhr MESZ nahe der chinesischen Grenze sagten Moskauer Meteorologen günstige Bedingungen voraus. An dem Kosmodrom rund 8.000 Kilometer östlich der Hauptstadt hat Russland etwa sechs Jahre lang gebaut. Der Kreml hat noch nicht bekanntgegeben, ob Präsident Wladimir Putin zur Premiere anreist. Er hatte Wostotschny zur Chefsache erklärt. Russland will sich mit Wostotschny unabhängig machen vom Weltraumbahnhof Baikonur, der seit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 in der Republik Kasachstan liegt. Moskau hat das Areal noch bis 2050 für jährlich etwa 100 Millionen Euro gepachtet. Von Baikonur aus startete Juri Gagarin 1961 zum ersten Flug eines Menschen ins All. Begleitet von Sicherheitskräften hatte ein Transportzug die Sojus am Samstag in Wostotschny von der Montagehalle zu der wenige Kilometer entfernten Rampe transportiert. Arbeiter richteten die Rakete dort auf und schoben den mobilen Serviceturm heran. Alles läuft planmäßig, sagte Russlands Raumfahrtchef Igor Komarow. Bei dem historisch ersten Start sollen drei Satelliten ins All gebracht werden. Ein bemannter Flug ist erst in einigen Jahren geplant. Experten würden die Sojus nun vorbereiten und unter anderem noch einmal die Raketenoberstufe vom Typ Wolga prüfen, hieß es. Sie ist für die Beschleunigung nach dem Start mitentscheidend. Dem russischen Staatsfernsehen zufolge hat die Raumfahrtbehörde Roskosmos vorübergehend Experten von Baikonur nach Wostotschny versetzt. Die erfahrenen Spezialisten sollen sicherstellen, dass der weltweit beachtete erste Start vom modernen Weltraumbahnhof gelingt.
5Inland
Mikl-Leitners Pläne bleiben geheim, das Konzept der Koalition soll am Mittwoch vorliegen. Mitterlehner warf der Kanzlerpartei "Profilierungsversuche" vor. Wien – Obwohl Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) schon seit Wochen mit dem Zaunpfahl winkt, hielt die Innenministerin auch am Montag ihre Pläne für die Neugestaltung des slowenisch-steirischen Übergangs geheim. Nach der Sitzung des schwarzen Vorstands sowie der Bundesparteileitung enteilte sie in Richtung Flughafen, weil ein Sondertreffen mit ihren EU-Amtskollegen in Brüssel anstand. Eine Stichelei in Richtung des Koalitionspartners SPÖ, der bereits mehrere Modelle ohne Zaun zur Bewältigung des Flüchtlingsandrangs im Süden vorgelegt hat, konnte sich die Innenministerin dennoch nicht verkneifen. Ich kann schweigen, sagte sie kurz und knapp. Dafür ging nach der Beratung der ÖVP-Gremien Parteichef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner zum Angriff auf den roten Regierungspartner über. Er warf der Kanzlerpartei angesichts der Vorlage diverser Pläne für Spielfeld Profilierungsversuche vor – und genau das führe zur Verunsicherung in der Bevölkerung. Dazu hielt Mitterlehner zur Rolle seiner eigenen Partei im aktuellen Streit fest: Wir haben uns an diesem Chaos nicht beteiligt. Einen Koalitionsbruch schloss Mitterlehner in der ZiB 2 vorerst aus: Es reicht noch nicht. Zur Erinnerung: Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) sprach sich mit ranghohen Militärs für eine Wartezone und eine Grenzraumsicherung samt gemischter Patrouillen aus, dazu ventilierte die SPÖ via Krone für zaunlose Grenzkontrollen einen Dreipunkteplan (Kommandozentrale, Leitsystem, mehrere Übergänge). Bedenken, dass Mikl-Leitner trotz alledem einen Zaun entlang der steirischen Grenze hochziehen lassen könnte, versuchte Mitterlehner zu zerstreuen. Nein, Österreich könne im Schengen-System damit kein Vorreiter sein. Und nein, es gehe nicht um eine Abschottung über hunderte Kilometer und schon gar nicht um eine bauliche Maßnahme, wie sie Ungarns Premier Viktor Orbán gesetzt hat. Als Konzept gab der ÖVP-Chef allerdings recht vage aus, dass wegen der Masse an Flüchtlingen die Grenzen besser geschützt sowie Sicherheits- und Kontrollmöglichkeiten geschaffen werden müssen – vor allem im Hinblick darauf, dass Deutschland eines Tages die Aufnahme von Asylwerbern verknappt und dann der Strom entzerrt gehört. Bis Mittwoch soll die Regierung laut Vizekanzler ein gemeinsames Konzept vorlegen, rascher ginge es einfach nicht, weil der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Konrad Kogler, derzeit Gespräche in Slowenien führe. SPÖ-Kommunikationschef Matthias Euler-Rolle beruhigt auf STANDARD-Anfrage, ob sich anstatt einer Einigung der Streit noch weiter auswachsen könnte: Es finden zurzeit intensive Gespräche zwischen den zuständigen Ressorts statt – daher wird es auch eine entsprechende Lösung geben. Nachsatz: Ziel ist es, die neuen baulichen Maßnahmen politisch abzuklären, aber rein rechtlich kann Mikl-Leitner das so gestalten, wie sie will.
6Etat
Telefonieren verdrängte Radiohören von Platz zwei. Wien – Die Österreicher sehen in ihrer Freizeit am liebsten fern. Gleich 89 Prozent gaben bei einer Umfrage für das Institut für Freizeit- und Tourismusforschung an, mehrmals pro Woche das TV-Gerät einzuschalten. Telefonieren mit dem Handy verdrängte mit 84 Prozent erstmals Radiohören (79 Prozent) vom Platz zwei. Genau wie Radiohören hat auch das Lesen von Zeitungen, Zeitschriften oder Illustrierten weiter an Bedeutung verloren. Online-Formate entsprechen eher den Bedürfnissen der Jüngeren als die traditionellen Printmedien. Dieser Umstieg wird sich laut den Forschern weiter fortsetzen. Neben dem Medienkonsum gehören erholsame Tätigkeiten zu Hause zu den häufigsten regelmäßig ausgeübten Freizeitaktivitäten der Österreicher. Lokalbesuche und Wandern/Spazieren gehen sind die beliebtesten aktiven Freizeitbeschäftigungen. Die Ausübung von Hobbys, wie etwa Sammeln oder Basteln, befindet sich mit nur mehr 18 Prozent im Jahresvergleich gesehen auf dem tiefsten Stand seit 20 Jahren. Auch Freunde einzuladen, erscheint im Moment für weniger Mensch attraktiv – ob als Folge der Bequemlichkeit, der vielen Alternativen im Freizeitangebot oder der zunehmenden Versingelung bleibt allerdings offen. Der längerfristige Zeitvergleich macht deutlich, dass in den Lebensstilen der Menschen zwar nie abrupte Veränderungen stattfinden, manche Entwicklungen aber klar als nachhaltig zu erkennen sind. Die mittelfristige Berechenbarkeit für Wirtschaft und Politik ist, entgegen mancher Boom- bzw. Trendberichterstattung, aus diesen Studien nachweisbar. Sie kann und muss daher aber rechtzeitig erfasst, bzw. ihre Auswirkungen entsprechend realistisch abgeschätzt und durch anzupassende Rahmenbedingungen vorweg genommen werden, sagte Institutsleiter Peter Zellmann.
7Wissenschaft
Eine medienwissenschaftliche Studie soll nachweisen, wie gezeigte Produkte das kindliche Essverhalten beeinflussen. Die junge Protagonistin steckt ein kleines Plastikpaket in die Mikrowelle und – brrrrrr, pling – innerhalb weniger Sekunden transformiert die Hitze es zu einem riesigen Hamburger mit zweierlei Saucen und Salat. Modell Doppeldecker. Dazu gibts außerordentlich knusprig anmutende Pommes frites. Offensichtlich läuft nicht nur Kindern bei dieser Szene aus dem Familienfilm Spy Kids das Wasser im Mund zusammen – aber sie sind, im Unterschied zu Erwachsenen, dem Werbetrick wehrlos ausgesetzt: Kinder bemerken in der Regel gar nicht, dass es sich um Werbung handelt. Die Szene ist lustig gemacht und das führt dazu, dass die Kinder diese Produkte auch haben wollen, sagt Jörg Matthes, Professor am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in Wien. Er untersucht, gemeinsam mit seiner Kollegin Brigitte Naderer, in einem aktuellen Forschungsprojekt, welche Auswirkungen Product-Placement in Kinderfilmen tatsächlich auf das Essverhalten der jungen Zuschauer und Zuschauerinnen hat. Die Vorgehensweise dabei: Zunächst werden internationale und nationale Kinderfilme aus den Jahren 2013 und 2014, die in Österreich erhältlich sind, analysiert. Dabei halten wir fest, welche Produkte auf welche Weise und in welcher Frequenz in den Filmen auftauchen. Es geht also darum, wie die Kinder angesprochen werden. Wird das Produkt mit einem positiv besetzten Akteur verknüpft? Wie wird das Produkt vorgeführt? Kommt es zu einer positiven Bestätigung nach dem Verwenden des Produkts? Das alles untersuchen wir mit der Methode der Inhaltsanalyse. Der zweite Teil der Studie ist als Experiment konzipiert: Die Publizistikwissenschafter gehen an Schulen, um herauszufinden, wie Schulkinder auf die Nahrungsmittelplatzierungen reagieren. Die Schülerinnen und Schüler werden in zwei Gruppen eingeteilt und bekommen Filmausschnitte zu sehen. Beiden Gruppen wird der gleiche Filmausschnitt gezeigt – mit dem einzigen Unterschied, dass in der einen Version Nahrungsmittelplatzierungen vorkommen und in der anderen nicht. Ist der Film zu Ende, dürfen sich die Kinder einen Snack aussuchen. Wichtig ist, dass dies eher im Vorbeigehen passiert, also das Auswählen der Snacks eine ganz spontane Impulsreaktion ist. Die Forscher vermuten, dass die Schülerinnen und Schüler, die die Produktplatzierungen gesehen haben, eher zu den Süßigkeiten greifen. Der erste Untersuchungsdurchgang wurde bereits durchgeführt, Ergebnisse werden Ende der Woche vorliegen. Unser Ziel ist es nicht, Markentreibenden zu erklären, wie sie Kinder besser erreichen, sagt Matthes über die gesellschaftliche Relevanz seiner Forschung. Die Eltern sind sich oft gar nicht im Klaren, dass die Kinder über Filme mit einer Menge süßhaltigen, fettigen Produkten konfrontiert werden. Das Anliegen der Wissenschafter ist vielmehr, die Ergebnisse des Projekts, das durch die Österreichische Nationalbank gefördert wird, in die Öffentlichkeit zu tragen – und dort damit für Diskussion zu sorgen: Darüber, was unternommen werden kann, um Kinder besser zu schützen. Darüber, welche Lebensmittel gut sind und welche schlecht. Unser Lieblingssnack aus der Kindheit begleitet uns meist ein Leben lang, sagt Matthes. Und wenn es ein ungesundes Produkt ist, kann das letztendlich negative Effekte auf unsere Gesundheit haben. Darum leiden auch immer wieder Menschen bereits in jungen Jahren an Übergewicht. Damit dieser Effekt bei den, in Matthes Experiment getesteten Kindern, ausbleibt, führen er und seine Kollegin nach der Messung ein Countertreatment, also eine Gegenmaßnahme, durch: Sie klären die Schüler über den Unterschied zwischen Programm und Werbung und die Bedeutung gesunder Ernährung auf. Das muss lustig und spielerisch passieren. Genauso wie auch die Werbung im Film aufgebaut ist.
7Wissenschaft
Neurolinguistisches Programmieren kommt mit wissenschaftlichem Anstrich daher, doch von Seriosität kann dabei keine Rede sein. Glaubt man diversen Medienberichten, dann sind diese drei Buchstaben mit dafür verantwortlich, dass Norbert Hofer im gerade zu Ende gegangenen Wahlkampf so erfolgreich war und es fast bis ins höchste Amt des Staates geschafft hat: NLP. NLP steht für neurolinguistisches Programmieren und gilt als wahre Wundermethode, mit der sich so ziemlich alles erreichen lässt, was man gerne erreichen möchte. Es ist Magie, man ist ein eigener Zauberkünstler, begeistert sich eine offensichtlich zufriedene Absolventin eines NLP-Kurses auf der Website des Österreichischen Trainingszentrums für neurolinguistisches Programmieren. Dort verspricht man den Kursteilnehmern ein besseres Privatleben, eine bessere Karriere und überhaupt mehr Erfolg im Leben. Die knapp 4.000 Euro, die man investieren muss, um den NLP & NLPt Professional Master Practitioner-Diplomkurs belegen zu dürfen, scheinen angesichts dieser Behauptungen gut angelegt zu sein. Allerdings nur, wenn NLP auch all diese großen Versprechen halten kann. Und das ist eher zweifelhaft. Die Bezeichnung suggeriert einen wissenschaftlichen Hintergrund. Neurolinguistik klingt nach Hirnforschung, Sprachwissenschaft und Psychologie. Und die einschlägigen Anbieter und Ausbildner unterstützen diese Sichtweise. Professionell und hochwirksam sei die NLP, sagt das Österreichische Trainingszentrum. Und der Österreichische Dachverband für neurolinguistisches Programmieren erklärt zu NLP: Hinter dieser Bezeichnung stehen die Grundannahmen, dass wir Menschen die Welt nicht nur mit unseren Sinnen, sondern mit unserer gesamten Neurologie – damit ist die Einheit von Sinnesorganen, Nervenbahnen und Gehirn gemeint – wahrnehmen und unsere Erlebnisse und Erfahrungen auch in den fünf Sinnessystemen verarbeiten. Die gesamte Neurologie! Das kann nur seriöse Wissenschaft sein. Oder vielleicht doch nicht: NLP sei eine Verschmelzung von ungeprüften Hypothesen und Versatzstücken des Positiven Denkens, sagte Viktor Lau, Autor von Schwarzbuch Personalentwicklung – Spinner in Nadelstreifen in einem Interview mit dem Spiegel. Und mit seiner Meinung steht er nicht allein da. Die (tatsächlich echten) wissenschaftlichen Studien lassen die Behauptungen der NLP-Anhänger nämlich eher zweifelhaft erscheinen. NLP ist ineffektiv; sowohl als Modell, um menschliche Wahrnehmung und Kommunikation zu erklären, und auch als Technik der Beeinflussung und Überzeugung, schreibt der polnische Psychologe Thomas Witkowski in einer Metastudie zu NLP (The Scientific Review of Mental Health Practice, 9/2012). Eine Studie britischer Mediziner hat die Behauptungen einer angeblichen therapeutischen Wirkung von NLP untersucht und kam zu dem Schluss, dass derzeit nicht genügend Belege vorliegen, um den Einsatz von NLP zu empfehlen (Sturt et al., British Journal of General Practice, 2012/62). Sieht man sich die Grundprinzipien an, auf denen die NLP basiert, ist das auch wenig überraschend. Die angeblich so wissenschaftliche Lehre von der Kommunikation baut zum Beispiel auf solchen trivialen Aussagen auf: Wenn du das tust, was du immer getan hast, wirst du bekommen, was du immer bekommen hast. Wenn du etwas anderes willst, verändere dein Verhalten. Oder sie knüpft an eher naive Vorstellungen wie Ein Mensch funktioniert immer perfekt und trifft stets die beste Wahl auf der Grundlage der für ihn verfügbaren Informationen an. Mit Neurologie hat das alles nicht viel zu tun; mit Wissenschaft noch viel weniger. Auch für Behauptungen der NLP, die mittlerweile schon im Allgemeinwissen angekommen scheinen, gibt es bei näherer Betrachtung keine Belege. Psychologen aus Großbritannien und Kanada untersuchten zum Beispiel den Zusammenhang, der laut NLP zwischen der Augenbewegung und dem Wahrheitsgehalt von Aussagen besteht. Wer lügt, schaut angeblich nach rechts oben; wer die Wahrheit sagt, nach links oben. In drei verschiedenen Experimenten konnte dafür keinerlei Bestätigung gefunden werden, das Fazit der Forscher lautet: Es erscheint unverantwortlich, wenn diese Leute die Menschen weiterhin darin bestärken, wichtige Entscheidungen auf der Basis solcher Behauptungen zu treffen. (Wiseman et al., PLoS One, 7/2012) Genau das tun die NLP-Vertreter aber mit großer Begeisterung. Es scheint so gut wie nichts zu geben, was man mit NLP nicht positiv verändern kann: NLP kann in allen Bereichen helfen, wo es auch nur im weitesten Sinn um Kommunikation geht. Das kann bei Kommunikation nach außen, wie zum Beispiel in Beziehungen, bei der Erziehung von Kindern, Umgang mit Kollegen, Vorgesetzten, Untergebenen oder bei Verhandlungen und im Verkauf sein. Bei der Kommunikation nach innen geht es oft um mehr Kontrolle im Umgang mit Gefühlen wie Angst, Nervosität, Unsicherheit oder um die Unterstützung der Heilung von gesundheitlichen Problemen, erklärt der Österreichische Dachverband für neurolinguistisches Programmieren auf seiner Website. Und da wird die Sache auch ein wenig unangenehm. Wenn es nur um Manager ginge, die sich in obskuren Seminaren gegenseitig einreden, sie könnten anderen Menschen per NLP ihren Willen aufzwingen, wäre das zwar immer noch eine Geld- und Zeitverschwendung, aber nicht allzu tragisch. Wenn man den Menschen aber erklärt, die teuren NLP-Kurse würden persönliche Probleme, Ängste oder gar gesundheitliche Probleme lösen können, wird es unverantwortlich. Es ist unbestritten, dass man rhetorische Techniken erlernen kann, die einem bei Diskussionen Vorteile verschaffen. Und mit Sicherheit werden solche Techniken auch Teil der NLP-Ausbildung sein. Aber die Wunderwaffe zur Lösung aller Probleme, als die NLP von seinen Anhängern dargestellt wird, ist es definitiv nicht. Viel eher trifft das Urteil des Psychologen Christoph Bördlein von der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt zu: NLP ist eine Art Pseudowissenschaft, die versucht, wie Psychologie auszusehen. Aber da man mit Pseudowissenschaft ja bekanntlich (und leider) viel Geld verdienen kann, wird NLP vermutlich so schnell nicht vom Markt verschwinden ...
3Wirtschaft
Neues Landesgesetz beschränkt Haftungen für Heta. Wien – Die Landesregierung in Klagenfurt hat am Donnerstag im Eiltempo gesetzliche Änderungen beschlossen, mit denen das Risiko aus der Haftung beschränkt werden soll. Konkret geht es um die Kärntner Landesholding, die – im Unterschied zum Land – nicht nur befristet für bis 2017 abreifende Verbindlichkeiten haftet, sondern unbeschränkt. Sollten die Gläubiger die Bürgschaft wegen des Heta-Schuldenschnitts in Anspruch nehmen, könnten zumindest noch in der Zukunft drohende Kosten vermieden werden. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn im Zuge der Abwicklung Gewährleistungsansprüche auftauchen sollten, weil von der Heta veräußerte Vermögenswerte (beispielsweise Immobilien) Mängel aufweisen. Auf die unbeschränkte Haftung der Landesholding wurde im Standard übrigens seit Jahren aufmerksam gemacht, aber erst jetzt reagiert. Auch im Bankwesengesetz existiert nach wie vor ein Passus, wonach die Landesholdings, die ihre Hypos in Aktiengesellschaften ausgegliedert haben, unbeschränkt haften. Die Heta-Gläubiger prüfen nun, ob ihre Ansprüche aus der Kärntner Haftung mit dem Umbau der Landesholding nicht gemindert werden. Immerhin steckt in dem Vehikel bisher der Zukunftsfonds mit einem Wert von mehr als 500 Millionen Euro. Beachtung findet zudem, dass Kärnten nun den reklamierten Bestands- und Funktionsschutz für das Land gesetzlich verankert.
8Kultur
Ein neuer Bildband dokumentiert die Anfänge des Musikers. Er ist der Godfather aller androgynen Wesen, authentischer Ingeniosus aller Schwestern und Brüder. In einer Ära aber, in der sich jede dritte unbegabte Kaulquappe als spastisch zuckendes Starlet erbärmlich hypersexuell oder transgender gibt, um auf- und oder aus dem Rahmen zu fallen, muss man, der Einordnung willen, zurückblicken. Anfang der 1970er-Jahre war die Welt im Wesentlichen schwarz-weiß – realiter und im übertragenen Sinn. Bunte Vögel waren rar. Abseits des aalglatten Show-Biz, hochglanzpolierter Las-Vegas-Scheiße und unrasierter Hippies war der Mainstream dem kollektiven Bilderbuch des Normierten geschuldet. In diesem Vakuum explodierte David Bowie. Entgegen heute üblichen Attitüden der Provokation war ihm diese selbstverständlich. Bowie verinnerlichte die Verweigerung, war Dandy, intergalaktischer Space-Cowboy, war melancholischer Weißclown, fiel vom Himmel, visitierte im Maßanzug die Unterwelt, gefiel sich als Outcast, Verletzlicher, als angry young man. Oszillierend zwischen aristokratischer Lässigkeit und Punk-Rock. Mit Geschlechterrollen spielend gab er androgyne Fabelwesen, Sexmaniac und abgehoben Entrückte. Authentisch in Noblesse durch die ihm geschenkte Physiognomie, die sphärisch-ätherische Schönheit personifiziert. Genial wechselte er Gesichter und Emotionen, pulverisierte Kategorien wie hetero oder homo, befreite Obsessionen und inspirierte ganze Generationen. Mit Unbeirrbarkeit erkundete er Galaxien des Unerwartbaren. Die Anfänge dieser interstellaren Reise wurden von Mick Rock minutiös dokumentiert. Das phänomenale an der nun exhumierten Serie ist, dass das kunstvolle Opus immer noch kreativer und kräftiger wirkt als vieles heute bemüht Gekünstelten. Ashes to ashes, Staub zu Staub! Auch wenn sein letzter relevanter Song schon lang her ist, ein Fixstern im Pop-Olymp bleibt Bowie bis in alle Ewigkeit.
4Sport
Gesetzter Jungstar gegen Spanier Gimeno-Traver – Haider-Maurer gegen Weltranglisten-45. Pospisil. New York – Erstmals ist Dominic Thiem beim letzten Grand-Slam-Turnier des Jahres gesetzt, und Fortuna meinte es bei der Auslosung am Donnerstag in New York für den Niederösterreicher zunächst gut. Der Weltranglisten-20. trifft zum Auftakt der am Montag beginnenden, mit 42,3 Millionen Dollar dotierten US Open auf den Spanier Daniel Gimeno-Traver. Thiem könnte im Falle eines Sieges seinen 22. Geburtstag am kommenden Donnerstag vielleicht auf einem der Courts der großen Anlage in Flushing Meadows verbringen. Setzt er sich im dritten Duell mit Gimeno-Traver, der zuletzt in der ersten Kitzbühel-Runde Österreichs Altstar Jürgen Melzer unterlegen war, durch, ist auch der zweite Gegner bezwingbar. Thiem träfe entweder auf den Deutschen Benjamin Becker oder den Usbeken Denis Istomin (UZB). Der in diesem Jahr erstmals in die Top 20 vorgestoßene Lichtenwörther hat aus dem Vorjahr sein bisher einziges Achtelfinale bei einem der vier Majors zu verteidigen. Soll ihm dies gelingen, dann muss er in der dritten Runde aller Voraussicht nach eine hohe Hürde nehmen. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn der Weltranglisten-15. Kevin Anderson aus Südafrika misst 2,03 m und hat zudem die bisherigen zwei Begegnungen mit Thiem (2014 bei den Australian Open bzw. in Tokio) jeweils ohne Satzverlust gewonnen. Als zweiter ÖTV-Vertreter fix im Herren-Bewerb dabei ist Andreas Haider-Maurer. Der 28-jährige Niederösterreicher trifft auf den Kanadier Vasek Pospisil, die aktuelle Nummer 45 im ATP-Ranking. Die bisherigen beiden Begegnungen mit Pospisil hat Haider-Maurer verloren, beide Matches datieren aber aus dem Jahr 2012. Haider-Maurer hat einen zusätzlichen Anreiz, diese erste Hürde zu nehmen, wenn er auf die Auslosung blickt. Gewinnt er, dann misst er sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit dem topgesetzten Serben Novak Djokovic.
2International
Autos dürfen vorläufig nur 20 Liter tanken. Paris – Die seit Wochen anhaltenden Proteste gegen eine in Frankreich geplante Arbeitsmarktreform treffen nun auch die Autofahrer. Zur Sicherung der Energieversorgung wurde in mehreren Departements von Bretagne und Normandie im Nordwesten des Landes die Benzinabgabe an Tankstellen rationiert. Autos dürfen vorläufig nur 20 Liter, Lastwagen 150 Liter Sprit tanken, wie es in einer Verordnung etwa der Präfektur in Rennes vom Freitag heißt. Damit soll der Blockade von Raffinerien und Depots durch Mitarbeiter begegnet werden. An Tankstellen der Region waren auf Fernsehbildern Fahrzeugschlangen zu sehen. Das Arbeitsmarktgesetz der Regierung unter Präsident François Hollande soll Unternehmen Flexibilität bringen, um mehr Jobs im unter Rekordarbeitslosigkeit leidenden Frankreich schaffen zu können. Kritiker befürchten allerdings eine Aufweichung von Arbeitnehmerrechten. Gewerkschaften haben für kommende Woche zum nächsten Aktionstag aufgerufen. Hollande will ungeachtet der Proteste an dem Gesetz festhalten.
7Wissenschaft
Bilder zeigen Atmosphäre des Zwergplaneten im Gegenlicht und schroffe Eisberge. Washington – Seit etwas mehr als einer Woche schickt die Nasa-Sonde New Horizons wieder Bilder von Pluto zur Erde. Einen Teil davon hat die US-Raumfahrtbehörde nun veröffentlicht – und darunter befindet sich eine besonders spektakuläre Gegenlichtaufnahme des Zwergplaneten: Auf dem Foto sind schroffe Eisberge, ausgedehnte Ebenen und große Gletscher im Sonnenuntergang zu sehen. Außerdem enthüllt das Foto die dünne Stickstoffatmosphäre des Eiszwergs. Die mehr als zwölf verschiedenen Atmosphären-Schichten reichen demnach bis zu 100 Kilometer hoch. Auf dem Boden liegt Stickstoff-Nebel. Abgesehen davon, dass es optisch atemberaubend ist, sind diese tief liegenden Dunstschleier ein Hinweis darauf, dass sich das Wetter auf dem Pluto von Tag zu Tag ändert – wie auf der Erde, erläuterte New-Horizons-Forscher Will Grundy vom Lowell-Observatorium in einer Nasa-Mitteilung vom Donnerstagabend (Ortszeit). Zusammen mit anderen Beobachtungen der Raumsonde liefert die neue Aufnahme Belege für eine Art Eiskreislauf auf dem Pluto, allerdings mit verschiedenen exotischen, weichen Eisarten statt mit Wasser. So scheint etwa Stickstoff von einer großen Eisebene namens Sputnik Planum in der auffälligen herzförmigen Region auf dem Pluto zu verdunsten und sich weiter östlich abzulagern. Von diesen Stickstoffeis-bedeckten Gebieten fließen wiederum Gletscher zurück nach Sputnik Planum, die an die Gletscher am Rande der grönländischen und antarktischen Eiskappen auf der Erde erinnern. Wir haben nicht erwartet, Hinweise auf so einen Stickstoff-basierten Glazialkreislauf auf Pluto zu finden, der bei den frostigen Bedingungen des äußeren Sonnensystems funktioniert, erläuterte Pluto-Geologe Alan Howard von der Universität von Virginia in der Mitteilung. Der vom schwachen Sonnenlicht angetriebene Eiskreislauf erscheine direkt vergleichbar mit dem hydrologischen Kreislauf, der die irdischen Eiskappen füttere, indem Wasser aus dem Ozean verdunstet, als Schnee fällt und über fließende Gletscher ins Meer zurückkehrt. Pluto ist in dieser Hinsicht überraschend erdähnlich, betonte New-Horizons-Chefwissenschafter Alan Stern. Und keiner hat dies vorhergesagt.
7Wissenschaft
Archäologie als Erlebnis: Neben Nachbau werden im MAMUZ Museum Mistelbach auch Originalfunde zu sehen sein. Mistelbach – Eine Ausstellung im MAMUZ Museum Mistelbach bietet ab 20. März eine Rekonstruktion der steinzeitlichen Anlage von Stonehenge. Gezeigt werden auch Originalfunde, die England bisher noch nie verlassen haben. Die Präsentation enthält interaktive Elemente und vermittelt dem Besucher einen Eindruck von den gewaltigen Dimensionen der Kultstätte und ihrer Umgebung. Neben der maßstabgetreuen Rekonstruktion in stimmiger Beleuchtung und Visualisierungen wird auch die Stonehenge umgebende Landschaft in ihrer Entwicklung per 3D-Modell erfahrbar gemacht. Die Steine sind der Knüller, berichtete MAMUZ-Geschäftsführer Matthias Pacher von seinem Eindruck beim Aufstellen am Areal. Stonehenge gegenübergestellt werden die – 2000 Jahre älteren – Kreisgrabenanlagen in Niederösterreich. Zu sehen ist weiters das Grab eines Bogenschützen, der mit einem Kupferdolch – dem größten bisher auf den britischen Inseln gefundenen – bestattet wurde. Das Kupfer stammt aus den österreichischen Alpen. Kurator der Ausstellung ist Wolfgang Neubauer, Leiter des Ludwig Boltzmann-Instituts für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie, der bereits bei den vergangenen Landesausstellungen in Carnuntum und am Heldenberg eingebunden war. Neubauer, Wissenschafter des Jahres 2015, ist mit dem Ludwig Boltzmann-Institut Kooperationspartner der Universität Birmingham im Hidden Landscapes Project, in dem seit 2010 eine Fläche von 14 Quadratkilometern rund um Stonehenge mit geomagnetischer Prospektion und Bodenradarmessungen untersucht wurde. Die laut Neubauer sensationellen Entdeckungen – wie etwa der drei Kilometer von Stonehenge entfernte, noch viel ältere Steinkreis bei Durrington Walls – werden nun erstmals im MAMUZ präsentiert. Der Forscher und Autor Julien Richards stand dem Ausstellungsteam mit seinem Wissen rund um die Kultanlage zur Seite.
7Wissenschaft
An der Fachhochschule Kärnten arbeiten Forscher an einem Fluggerät, das auf neue Art Daten zu Bodenbeschaffenheit, Wetter und Vegetation erheben soll. Wien – Sie machen Filmaufnahmen aus schwindelnder Höhe, inspizieren die Rotorblätter von Windrädern und vermessen Gebäude. In Zukunft sollen sie Pakete ins Haus bringen, Vögelschwärme aus Weinbergen vertreiben und Düngemittel ausbringen. Flugdrohnen drängen für viele Anwendungen auf den Markt. Auch die Wissenschaft interessiert sich für die boomende Technik. Die Atmosphäre könnte auf neue Art untersucht werden – ebenso Fauna und Flora, archäologische Stätten, Verkehrsströme und geologische Phänomene. Gernot Paulus vom Studiengang Geoinformation & Umwelttechnologie der Fachhochschule Kärnten entwickelt mit seinem Team eine Drohne für Anwendungen in der Meteorologie und der Ökologie. Das Projekt RPAMSS (Remotely Piloted Aircraft multi Sensor System), das im Rahmen des Coin-Programms der Förderagentur FFG vom Verkehrsministerium unterstützt wird, soll eine hochauflösende Erfassung von multidimensionalen Umweltdaten aus der Luft möglich machen. Wir sind an Drohnen interessiert, weil wir dadurch im Vergleich zur bemannten Luftfahrt sehr detaillierte Geodaten mit sehr hoher Wiederholungsrate aufnehmen können, erklärt Paulus. Anwendungsgebiete sollen die Erhebung von Wetter- und Luftgütedaten sowie die Überwachung von Vegetation und anderen Faktoren in Flussumgebungen sein. Paulus Drohne ist allerdings keines der verbreiteten rotorbasierten Systeme, sondern ein leichtes Flächenflugzeug, das mehrere Stunden in der Luft bleiben kann. Es hebt per Katapult ab und landet per Fallschirm. Ein Autopilotsystem erleichtert die Wiederholbarkeit der Flüge, um Vergleichsdaten zu generieren. Dabei wird etwa auch die Neigung des Fluggeräts protokolliert. Ein präzises GPS-Modul ermöglicht die Verortung der Aufnahmen. Wir kommen damit rechnerisch bis in den Zentimeterbereich, sagt der Entwickler. Für die Wetterbeobachtung kooperieren die Forscher mit der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). Ein Wetterfrosch-Modul zeichnet Temperatur, Luftdruck und Feuchte auf, was gerade bei den kleinräumigen Wetterphänomenen des Alpenraums Vorteile bringt. Die Meteorologen können so ihre Rechenmodelle mit dreidimensionalen Messdaten referenzieren. Die Möglichkeit, ein dreidimensionales Volumen abzudecken, unterscheidet die Drohne auch von Messballonen, die ein vertikales Atmosphärenprofil erstellen. Die Drohne hat drei Kamerasysteme an Bord. Eines knipst überlappende Normalbildaufnahmen, aus denen ein 3D-Modell der Bodenoberfläche errechnet werden kann. Ein weiteres macht Aufnahmen im nahen Infrarotbereich, wodurch eine Klassifizierung der aufgenommenen Vegetation möglich wird. Aus den Daten einer kleinen Spektralkamera, die ein weites Strahlungsspektrum aufzeichnet, sollen Rückschlüsse auf Trockenheit, Wasserhaushalt und Gesundheitszustand von Pflanzen gezogen werden. Ökologen verwenden die Sensordaten beispielsweise, um den Vegetationsaufbau von rückgebauten Flussabschnitten an Drau und Gail sukzessive zu verfolgen. Seit dem Jungfernflug im März hat das Team 45 Missionen absolviert. Die Flüge, die etwa einen Quadratkilometer abdecken, dürfen nur auf Sicht und mit einer Maximalhöhe von 150 Metern durchgeführt werden. Wenn wir für Wettermissionen höher fliegen wollen, brauchen wir eine Ausnahmegenehmigung, so Paulus. Die technische Zukunft wird zivile Drohnen bringen, die autonom agieren und etwa nicht kooperierenden Flugobjekten wie Vögeln automatisch ausweichen. Ein rechtlicher Rahmen für Flüge, bei denen kein Augenkontakt besteht, existiert noch nicht. Der Einsatz von Drohnen wird nicht auf der technischen, sondern auf der rechtlichen Seite entschieden, sagt Paulus. Um all die offenen Fragen im Bereich Privatsphäre, Besitzrechte und Zertifizierungen zu bewältigen und die bestehenden rechtlichen Vorgaben zu erfüllen, ist ein Rechtsanwalt unter den Projektpartnern.
7Wissenschaft
Forscher stießen auf ein unerklärliches Ritual: Schimpansen schmeißen Steine gegen Bäume. Warum tun sie das?. Leipzig/Wien – Dass Schimpansen Werkzeuge verwenden, weiß die Wissenschaft seit langem. Die ersten Experimente, die das dokumentierten, machte der deutsche Psychologe Walter Köhler während des Ersten Weltkriegs auf Teneriffa. Jane Goodall war dann die erste Forscherin, die Werkzeuggebrauch bei Schimpansen in freier Wildbahn dokumentierte. Seit mehr als einem halben Jahrhundert wird dieses Verhalten mittlerweile in Ost- und Westafrika beobachtet. Heute weiß man, dass Schimpansen nicht nur mit Stöcken nach Termiten oder Ameisen angeln oder damit Honig aus Bienenstöcken holen. Sie knacken zum Beispiel mit Hämmern aus Stein oder Holz auch Nüsse. Die Forschungen zeigten aber auch, dass es so etwas wie eine Kulturabhängigkeit des Verhaltens gibt: Ein bestimmter Werkzeuggebrauch in einer Population muss nicht automatisch bedeuten, dass er auch in einer anderen Gruppe vorkommt. Und mitunter werden Verhaltensformen beobachtet, die den Wissenschaftern nach wie vor Rätsel aufgeben. Über eine besonders eigenwillige und lokal begrenzte Form des Werkzeuggebrauchs in Westafrika berichten Forscher um Hjalmar Kühl vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie im Fachblatt Scientific Reports. Dem Projektteam fielen an vier Forschungsstätten in Liberia und Guinea neben Bäumen und in hohlen Baumstämmen auffällige Steinhaufen auf. Kamerafallen bestätigten dann den Verdacht, dass Schimpansen dafür verantwortlich sind. Die Filme zeigten Menschenaffen, die neben Bäumen liegende Steinbrocken aufhoben, gegen die Bäume warfen und dabei laute Rufe ausstießen. Im Gegensatz zu anderer Werkzeugnutzung scheint das nun beobachtete Verhalten nicht mit der Nahrungssuche zusammenzuhängen. Doch wozu dient es sonst? Die Forscher vermuten, dass es sich um ein ritualisiertes Verhalten handeln könnte, mit dem Männchen ihr Territorium abstecken, quasi nach dem Motto Hier bin ich, wo seid ihr? Damit würde es einem ähnlichen Zweck dienen wie das Trommeln mit Händen und Füßen gegen Wurzeln. Allerdings praktizieren auch Jungtiere und Weibchen das Steinritual. Auffällig sei außerdem die Ähnlichkeit der Steinhaufen mit von Menschen geschaffenen rituellen Stätten. Man könnte hier nach Parallelen fragen, sagte Kühl, der weitere Untersuchungen plant, um das Verhalten zu enträtseln.
7Wissenschaft
Den Universitäten nahmen in der Zwischenkriegszeit eine unrühmliche Vorreiterrolle ein. Ein neues Buch rollt Formen und Folgen des universitären Antisemitismus auf. Wien – Das universitäre Milieu der Zwischenkriegszeit war in Mitteleuropa durch Antisemitismus und antijüdische Gewalt gekennzeichnet. Diskriminierung und Diffamierung, Isolierung und Gewaltexzesse prägrten den Alltag jüdischer Studierender. Ein neues Buch des Wiener Wiesenthal-Instituts für Holocaustsudien (VWI) nimmt sich dieses Themas an: Alma Mater Antisemitica wird heute, Montag, im Jüdischen Museum präsentiert. Der Band Alma Mater Antisemitica – Akademisches Milieu, Juden und Antisemitismus an den Universitäten Europas zwischen 1918 und 1939 fasst in 15 Beiträgen auf 328 Seiten die Ergebnisse eines Workshops des Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien (VWI) über die Entwicklungen in Ländern wie Österreich, Rumänien, Polen, Ungarn und Jugoslawien zusammen. Mit der Radikalisierung einer sozialen Schicht, die später in den 1940ern Gesellschaft und Politik prägen sollte, beschreibt der Sammelband laut den Herausgebern Regina Fritz und Grzegorz Rossolinski-Liebe gleichzeitig ein Kapitel der Vorbedingungen der Shoah. In zahlreichen Staaten Europas kamen die Rufe nach Diskriminierung von Juden aus dem akademischen Milieu, vor allem aus radikalen Studentenverbindungen und Kameradschaftsverbänden und von antisemitischen Professoren. In Rumänien waren Hochschulen eine wichtige Säule faschistischer Bewegungen wie der Eisernen Garde. Trotz der langen Tradition von Judenfeindlichkeit in Europa hatte der Antisemitismus ab 1870 eine neue Qualität: Er folgte nun einer rassistischen Ideologie. Jüdischen Studierende wurden zum Sündenbock für die gesellschaftlichen Probleme der Zeit (Wirtschaftskrise, Migrationsbewegungen, hohe Arbeitslosigkeit unter Akademikern) und immer stärker isoliert. Sie wurden von zahlreichen Studentenverbindungen ausgeschlossen, verloren Zugang zu Vergünstigungen (Zuschüsse für Unterrichtsmaterial etc.) und den zu wichtigen (Karriere-)Netzwerken. Wie STANDARD-Wissenschaftsredakteur Klaus Taschwer in seinem Beitrag aufzeigt, entstand etwa an der Uni Wien in den 1920ern ein geheimes Netzwerk christlich-sozialer und deutschnationaler Professoren, das unter dem Decknamen Bärenhöhle zahlreiche Habilitationen und Berufungen jüdischer und linker Wissenschafter verhinderte. Noch zwei weitere Beiträge befassen sich mit der Situation in Österreich: Der Historiker Kurt Bauer zeichnet antisemitische Gewaltausbrüche an der Universität Wien zwischen den 1870ern und den 1930ern nach. Mehrfach mussten nach 1918 Universitäten wegen antisemitischer Gewaltexzesse geschlossen werden, neben Österreich auch in Polen, Ungarn und Rumänien. Die Historikerin Michaela Raggam-Blesch nimmt in ihrem Beitrag Zwischen Antifeminismus und Antisemitismus wiederum spezifisch die Situation jüdischer Frauen an der Universität Wien bis 1938 in den Blick. Das erste antijüdische Gesetz in Europa nach dem Ersten Weltkrieg wurde in Ungarn erlassen: Dort wurde mit 26. September 1920 die Zahl der jüdischen Studenten auf sechs Prozent reduziert, aber auch Frauen, Ausländer und politisch unzuverlässige Gruppen sollten durch die Regelung ausgeschlossen werden. Es sollte nur die erste von vielen Regelungen sein, die Juden nicht nur aus den Universitäten, sondern schrittweise aus dem gesellschaftlichen Leben ausschlossen. Gerade in Österreich war das universitäre Milieu allerdings nicht erst nach dem Ersten Weltkrieg von antisemitischer Gewalt gezeichnet, schon im späten 19. Jahrhundert reagierten zahlreiche Studenten auf den Zustrom galizischer und ungarischer Juden an den Unis mit wachsendem Antisemitismus. Einer der frühen Wiener Antisemiten war der Medizinprofessor Theodor Billroth (1829-1894): Er beschrieb Juden als stark degeneriert und sprach von einer gewissen geistigen und körperlichen Verkommenheit. Später sollte Billroth seine Meinung ändern und sich im Verein zur Abwehr des Antisemitismus engagieren. Die Konflikte brachen bald offen aus: Bei jedem Bummel floss Blut, schrieb Stefan Zweig 1910 über die samstäglichen Paraden der schlagenden deutschnationalen Studentenverbindungen. Dabei trafen sie nicht nur auf wehrlose Gegner, auch Mitglieder zionistischer Studentenverbindungen waren mit auffallend massiven Spazierstöcken unterwegs, schildert Kurt Bauer in dem Tagungsband. Spätestens nach den Studentenkammerwahlen 1931, bei denen der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund an allen Wiener Hochschulen die Mehrheit errang, herrschte Pogromstimmung, die sich immer wieder in organisierten brutalen Übergriffen entlud. Nazistudenten hätten Vorlesungen gestürmt, seien auf die Bänke gesprungen und hätten Juden raus! und Rote raus! skandiert, Studenten mit jüdischen Wurzeln seien immer wieder aus den Universitäten hinausgeprügelt worden, heißt es in einer Schilderung des späteren SPÖ-Bundeskanzlers Bruno Kreisky. Ähnlich ging es an den Hochschulen anderer Länder zu: In Polen wurden allein zwischen November 1935 und April 1936 hundert jüdische Studenten verletzt, dort wurden nach Studentenstreiks auch sogenannte Ghettobänke für jüdische Studierende eingerichtet. Die Unis zeigten kaum Reaktionen auf die Gewalt gegen einen Teil ihrer Studenten bzw. folgten den Forderungen durch Einführung eines Numerus Clausus für Juden. Von der Politik wurden die radikalen Ideen abgesehen von Ungarn allerdings bis Mitte der 1930er nicht unterstützt, teilweise wurden diskriminierende Regelungen wieder aufgehoben. In Österreich ging der offene Antisemitismus zwischen 1933 und 1938 zurück, schwelte aber unter der Oberfläche weiter. Es gab eine stillschweigende, nicht offizielle, totale Ausgrenzung der Juden aus der Gemeinschaft (...) Wir waren ghettoisiert, wird der Literaturwissenschafter Walter H. Sokel in dem Band zitiert. So vollzog sich dann auch der sogenannte Anschluss 1938 an der Uni Wien mit viel Heilgeschrei, doch ohne offenen Gewaltausbruch. Die jüdischen Studentinnen und Studenten waren zu diesem Zeitpunkt längst Ausgegrenzte.
4Sport
Neuauflage von Endspiel 2014 gegen Atletico – Fernando-Eigentor entschied Partie – Real zum fünften Mal im Champions-League-Endspiel. Madrid – Real hat am Mittwoch ein rein Madrider-Champions-League-Finale perfekt gemacht. Die Königlichen besiegten Manchester City im Estadio Santiago Bernabeu verdient mit 1:0 (1:0) und stiegen nach dem 0:0 in England mit dem Gesamtscore von 1:0 auf. Reals Stadtrivale Atletico hatte bereits am Dienstag trotz einer 1:2-Niederlage bei Bayern München dank der Auswärtstorregel den Finaleinzug fixiert. Chance auf den elften Titelgewinn Cristiano Ronaldo und Co. hielten damit die Chance auf die Undecima, den elften Gewinn des wichtigsten Europacup-Bewerbs (inklusive Meistercup), am Leben. Im Finale der Champions League – am 28. Mai im Mailänder Meazza-Stadion – steht der Club zum fünften Mal – 1998, 2000, 2002 und 2014 gab es dann jeweils auch den Titel. 2014 war ebenfalls Atletico der Gegner, Real hatte dank eines 4:1-Erfolgs nach Verlängerung in Lissabon das bessere Ende für sich. Prolongieren konnten die Madrilenen auch zwei aktuelle Erfolgsserien. Die jüngsten sechs Pflicht-Heimspiele konnten zu Null (Torverhältnis 17:0) gewonnen werden, genauso wie die sechs Heimpartien in der Königsklasse 2015/16 (19:0). Die Entscheidung brachte ein Eigentor von Fernando (20.), der einen Abschluss von Gareth Bale unhaltbar für Goalie Joe Hart ins eigene Tor abfälschte. Die nun schon acht Pflichtspiele ungeschlagenen Madrilenen waren dem 2:0 klar näher, vor allem bei einem Bale-Kopfball an die Latte (64.). ManCity blieb in der Offensive fast alles schuldig, einzig bei einem Fernandinho-Schuss an die Außenstange kamen sie einem Torerfolg sehr nahe (44.). Kompany verletzt Für die Engländer gab es neben dem Out bei der Halbfinal-Premiere weitere schlechte Nachrichten. Vincent Kompany humpelte schon nach zehn Minuten mit einer Muskelverletzung im rechten Oberschenkel vom Platz. Für den ManCity-Kapitän war es in einer verletzungsgeplagten Saison der nächste Rückschlag, wegen diverser Blessuren brachte er es bisher nur auf 22 Pflichtspiele. Vor der Partie sprach alles vom Comeback von Cristiano Ronaldo. Der portugiesische Superstar, der die ewige Schützenliste der Champions League mit 93 Toren anführt, war nach seinen überwundenen Oberschenkelproblemen im Gegensatz zum Hinspiel wieder im Einsatz. Glänzen konnte der 31-Jährige vorerst aber nicht, bei zwei Abschlüssen in der ersten Hälfte verfehlte er das Tor deutlich (13., 24.). In die Hauptrolle schlüpfte dafür sein Sturmpartner Bale. Der von Dani Carvajal bediente Angreifer zog aus spitzem Winkel ab und hatte Glück, dass der Ball von Fernando noch unhaltbar für Hart via Innenstange ins lange Eck abgefälscht wurde (20.). Die UEFA wertete den Treffer als Eigentor, der 26-jährige Bale muss damit weiter auf seinen Premierensaisontreffer in der Königsklasse sowie 20. Pflichtspieltreffer warten. Harmlose Engländer Die ab der zehnten Minute tonangebenden Gastgeber, die auf den verletzten Karim Benzema verzichten mussten, hatten die Partie im Griff. ManCity, das schon nach zehn Minuten wegen einer neuerlichen Muskelverletzung Kompany verlor, konnte keine Reaktion zeigen, blieb in der Offensive völlig harmlos – mit einer Ausnahme kurz vor dem Pausenpfiff. Bei einem Fernandinho-Schuss bewahrte die Außenstange Real vor dem Ausgleich (44.). Doch überraschend kamen die Engländer auch nach der Pause nicht aus ihrer Deckung heraus. Real gaben weiter nach Belieben den Ton an und drückte vehement auf die endgültige Entscheidung. Luka Modric scheiterte aus sieben Metern an Hart (52.), der englische Teamgoalie war zudem bei einem Ronaldo-Schuss auf dem Posten (59.). Fünf Minuten später hatte er auch das nötige Glück auf seiner Seite. Ein Bale-Kopfball nach Kroos-Ecke sprang von der Latte zurück ins Feld. Der Aufstieg der Gastgeber geriet trotzdem fast nicht mehr in Gefahr. Einzige Ausbeute der harmlosen Engländer blieb ein De-Bruyne-Freistoß ins Außennetz (84.) sowie ein Aguero-Schuss, der knapp drüber ging (89.). Die Entscheidung am Wochenende in der Liga beim 2:4 gegen Southampton nur eine B-Elf aufzubieten, hat sich für die Engländer also nicht gelohnt. Real ist damit weiter seit dem 0:4-Achtelfinal-Auswärtsdebakel am 10. März 2009 bei Liverpool gegen englische Clubs ungeschlagen, in zehn Duellen gab es dabei sieben Siege und drei Remis. Ohne Niederlage ist Real zudem auch gegen ManCity – bei zwei Siegen gab es bisher auch zwei Unentschieden. (APA, 4.5.2016) Halbfinal-Rückspiel der Fußball-Champions-League: Real Madrid – Manchester City 1:0 (1:0)Madrid, Estadio Santiago Bernabeu, 78.000 (ausverkauft)SR Damir Skomina (SLO)Hinspiel 0:0 – Real mit dem Gesamtscore von 1:0 im Tor: 1:0 (20.) Fernando (Eigentor) Real: Navas – Carvajal, Pepe, Ramos, Marcelo – Modric (88. Kovacic), Kroos, Isco (67. Rodriguez) – Jese (56. Vazquez), C. Ronaldo, Bale ManCity: Hart – Sagna, Kompany (10. Mangala), Otamendi, Clichy – Fernando – Navas (69. Iheanacho), Fernandinho, Toure (61. Sterling), De Bruyne – Aguero Gelbe Karten: Vazquez bzw. De Bruyne, Fernando, Otamendi Finale am 28. Mai im Mailänder Meazza-Stadion gegen Atletico Madrid
7Wissenschaft
Streit unter Schlafforschern: Reichten früher 6,5 Stunden am Stück? Oder waren es vor der Industriellen Revolution zwei Mal vier Stunden mit einer Pause dazwischen?. Blacksburg – Heute gelten sieben bis acht Stunden Schlaf am Stück für Erwachsene als normal und ideal. Doch wie war es früher? Darüber gibt es nun eine Debatte im Fachblatt Sleep: Im Oktober wurde in einer viel beachteten Studie im Fachblatt Current Biology behauptet, dass man in einfachen Jäger-und-Sammler-Völkern mit nur 6,5 Stunden Schlaf auskommt. Darauf konterte nun Historiker Roger Ekirch (Virginia Tech University) in einem offenen und abgedruckten Brief an die Redaktion von Sleep: Ekirch hatte nach langjährigen Recherchen bereits 2006 im Buch At Day’s Close: Night in Times Past argumentiert, dass Menschen vor der Industriellen Revolution (und also vor Einführung des elektrischen Lichts) rund acht Stunden lang schliefen, aber auf zwei Mal vier Stunden pro Nacht verteilt. In der Stunde dazwischen wurde gebetet, meditiert und Liebe gemacht – nicht notwendigerweise in dieser Reihenfolge. Ekirch sieht seine historischen Analysen durch Schlafexperimente aus den 1990er Jahren bestätigt, als Probanden, die 14 Stunden in Dunkelheit leben mussten, auch in zwei Schichten von je vier Stunden schliefen. Der Schlafhistoriker beharrt auch deshalb auf seinen Behauptungen, weil sie bei der Behandlung von Schlaflosigkeit nützlich sein könnten. Denn wenn eine Schlafunterbrechung etwas Natürliches sei, dann müsse man sie auch nicht pathologisieren und zu einem Problem machen.
1Panorama
Die geplante Kontrolle des Verfassungsschutzes "ist keine Lösung", sagt Reinhard Kreissl. Wien – Geheimdienstler in der Datenflut, Polizisten, die den Job von Verfassungsschützern machen: Das geplante österreichische Staatsschutzgesetz löse die Probleme nicht, sagt Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl (63) im STANDARD-Interview. Der Soziologe und Publizist gründete 2015 das Vienna Center for Social Security. Er fordert, eine Debatte darüber zu führen, was man dem Verfassungsschutz erlauben will. STANDARD: Vor wenigen Tagen wurde das neue österreichische Staatsschutzgesetz im Ministerrat beschlossen; im Herbst soll es ins Parlament kommen. Richter, Rechtsanwälte, Grüne, Neos üben an den geplanten Bestimmungen massive Kritik, vor allem aufgrund eines, wie es heißt, Mangels an öffentlicher Kontrolle. Wie sehen Sie das? Kreissl: Im Prinzip teile ich die Kritik, denn ich meine, dass jede Art von Datensammeln als Eingriff in persönliche Freiheitsrechte richterlicher Kontrolle unterliegen muss. Dafür zu sorgen gehört zu den vornehmsten Aufgaben des Parlaments. Die laut Staatsschutzgesetz vorgesehene Kontrolle des Verfassungsschutzes durch den Rechtsschutzbeauftragten ist keine Lösung. STANDARD: Warum? Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) meint, Beschwerden beim Rechtsschutzbeauftragten seien für ausgespähte Bürger sogar effektiver als bei einem Richter. Kreissl: Das ist ein vorgeschobenes Argument. Der Rechtsschutzbeauftragte verfügt über viel zu wenig Ressourcen. Und ist es demokratiepolitisch problematisch, einen Rechtsschutz im Innenministerium anzusiedeln, wo auch der Verfassungsschutz ressortiert. STANDARD: Laut Staatsschutzgesetz sollen die Kompetenzen der Verfassungsschützer, Daten zu sammeln und zu ermitteln, stark ausgeweitet werden. Ist das angesichts der aktuellen Gefährdungslage wirklich nötig? Kreissl: Ach wissen Sie, die Gefährdungslage, das ist so eine Rhetorik ... Es gibt sie, seit menschliche Gesellschaften existieren. Einmal ist es die Mafia, dann der Terrorismus, dann der Islamismus. Das ist eine Dauererregung. Und es ist der Modus Operandi der Verfassungsschützer, um darzustellen, dass man sie braucht. STANDARD: Allgemein heißt es, der islamistische Terrorismus sei global vernetzt und nutze die neuesten technischen Möglichkeiten. Muss der Verfassungsschutz da nicht nachziehen? Kreissl: Betrachten wir es historisch: Der Verfassungsschutz hat immer schon alles ausgespäht, was es auszuspähen gab. Das war in den Tagen der guten alten Post so, in Zeiten des Telefons und des Fax. Jetzt ist der Appetit der Nachrichtendienste auf Daten aus dem Internet und von Handys groß. Er steigt mit neuen technischen Möglichkeiten. Statt uns darüber zu erregen, sollten wir eine Debatte führen: Was wollen wir dem Verfassungsschutz erlauben? STANDARD: Was sollen wir ihm erlauben? Kreissl: Wir sollten zum Beispiel darüber nachdenken, dass schon jetzt keineswegs zu wenig, sondern viel zu viele Daten gesammelt werden. Denken Sie an die großen Terroranschläge seit 9/11. Jedes Mal hieß es, die Täter seien im Visier des Verfassungsschutzes gewesen. Es gab also Erkenntnisse, das Problem war nur, mit ihnen richtig umzugehen. Hier weist auch das geplante Staatsschutzgesetz keinen neuen Weg. STANDARD: Warum? Kreissl: Weil es den Verfassungsschützern vor allem ermöglicht, an noch mehr Daten zu kommen, was mit Kriminalisierungsgefahren bis hin zu Karikaturisten einhergeht, weil etwa auch gegen eine Herabwürdigung staatlicher Symbole als möglichen verfassungsgefährdenden Angriff eingeschritten werden kann. Dabei geht der Datenhunger der Geheimdienste völlig am Problem vorbei. Vielmehr müsste in die interne Fähigkeit der Apparate investiert werden, mit dem, was die Geheimdienste wissen, sinnvoll umzugehen – etwa durch Schulungen und neue Technik. Ein funktionierender Verfassungsschutz ist ein Frühwarnsystem der Gesellschaft. Die Aufgabe, zuzugreifen, wenn eine Gefahr existiert, kommt anderen zu: der Polizei nämlich. STANDARD: Polizei und Verfassungsschutz sollen in Österreich aber organisatorisch keineswegs getrennt werden. Vielmehr ressortiert der Verfassungsschutz laut geplantem Gesetz bei der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit. Ein falscher Weg? Kreissl: Ja, denn damit werden Diagnoseerstellung und polizeilicher Zugriff wieder nicht klar unterschieden. Die Polizei behält Zugriffsmöglichkeiten, die über ihre eigentlichen Kompetenzen hinausgehen: Ich möchte, dass die Polizei einschreitet, wenn bei mir eingebrochen wurde -, aber nicht, dass Polizisten, weil es Hinweise gibt, dass in meine Wohnung eingebrochen werden könnte, alle Passanten kontrollieren. STANDARD: Was schlagen Sie stattdessen vor? Kreissl: Österreich könnte sich am Schweizer Modell orientieren. Dort arbeitet der Verfassungsschutz völlig von der Polizei getrennt – ist aber in Austausch mit ihr. Der Nachrichtendienst informiert die Polizei über Diagnosen, zum Beispiel über als gefährlich eingeschätzte Islamisten. Er überantwortet sie der Polizei. Solch klar getrennte Aufgabenstellungen würden auch Österreich guttun. Es wäre eine saubere Lösung, die den Verdacht ausräumt, im Innenministerium würde ohnehin immer nur gemauschelt.
8Kultur
BUSArchitektur wurden doppeltausgezeichnet, der Preis in der Rubrik "Internationale Architektur" ging an das Wiener Büro querkraft. Buenos Aires/Wien – Auf der derzeit laufenden 15. Architekturbiennale in Buenos Aires wurden gleich zwei österreichische Architekturbüros mit Preisen bedacht. Für ihren Masterplan des WU-Campus in Wien erhielten BUSArchitektur den CICA-Award für Städtebau, darüber hinaus den Biennale-Preis in der Kategorie Argentinische Architekten in der Welt. querkraft punkteten in der Rubrik Internationale Architektur. Der auf der Biennale ausgezeichnete Ausstellungsbeitrag des Wiener Büros querkraft zeigt laut Aussendung Interpretationen des 2015 erweiterten Museums Liaunig aus Sicht der Künstler Eva Schlegel, Lisa Rastl und Michael Schultes. BUSarchitektur wurde 1986 in Buenos Aires von Claudio J. Blazica (1956-2002) und Laura P. Spinadel gegründet. In Wien wird das Architekturbüro seit 2003 gemeinsam mit Jean Pierre Bolívar und Bernd Pflüger geführt.
7Wissenschaft
Ein Fossil aus Spanien mit "Star Wars"-Bezug. Madrid/Wien – Noch knapp zwei Wochen bis zur Premiere von The Force Awakens: Das Star Wars-Fieber grassiert wieder und macht auch vor der Paläontologie nicht halt, wie ein aktueller Fund aus Spanien zeigt. Forscher um Israel Sánchez vom Madrider Museum für Naturgeschichte untersuchten das Fossil eines Wiederkäuers, der im mittleren Miozän, im Zeitraum vor etwa 16 bis elf Millionen Jahren, im heutigen Spanien lebte. Das Tier, das zwei Stirnzapfen und einen auffälligen T-förmigen Fortsatz am Kopf aufwies, wird den einst von der Iberischen Halbinsel bis nach China verbreiteten Palaeomerycidae zugerechnet. Zu dieser heute ausgestorbenen Gruppe gehen die Meinungen unter Biologen noch etwas auseinander: Sie könnte mit den Ahnen der Giraffen oder denen der Hirsche verwandt sein. Sánchez tendiert zu ersterem – der spanische Fund könnte damit als weiterer Beleg dafür dienen, wie vielfältig die Giraffenverwandtschaft einst in Sachen Kopfschmuck, aber auch Körpergröße und -proportionen war. Die im Fachmagazin Plos One vorgestellte Spezies erhielt die offizielle Bezeichnung Xenokeryx amidalae. Mit dem zweiten Teil des Namens verweisen die Forscher auf Königin Amidala aus Star Wars, die in ihrem Arsenal an imposanten Betonfrisuren auch eine hatte, die dem Kopfschmuck von Xenokeryx tatsächlich verblüffend ähnlich sah.