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Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin vollständige schriftliche Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte im geschäftlichen Verkehr in Deutschland Hosen wie nachfolgend eingeblendet
(Es folgt eine Darstellung)
angeboten und/oder beworben und/oder vertrieben hat und zwar insbesondere durch Vorlage eines Verzeichnisses, aus dem sich je Produktart ergibt:
- Namen und Anschrift der gewerblichen Abnehmer der oben abgebildeten Hosen und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren bzw. an die sie geliefert worden sind; und
- die Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten oben abgebildeten Hosen sowie die Preise, die für diese von ihren Abnehmern bezahlt wurden, sowie die entsprechenden Einstandspreise für die Produkte;
- der Umfang der für die oben abgebildeten Hosen betriebenen Werbung, unter Mitteilung der Werbemedien und ihrer Erscheinungsdaten und Auflagenzahlen, Sendedaten und -reichweiten, Veröffentlichungen im Internet und Zugriffszahlen auf diese Inhalte, sowie vergleichbare Angaben für andere Medien.
II. Die Beklagte wird verurteilt, die zu erteilenden Auskünfte nach Ziffer I. im Wege der Vorlage sämtlicher Lieferverträge, Auftragsbestätigungen, Rechnungen, Lieferbescheinigungen, Quittungen, jeweils sowohl für den Einkauf als auch für den Verkauf der Ware zu belegen und daraus nach Art einer geordneten Rechnungsaufstellung die in Ziffer I. genannten Auskünfte schlüssig und nachvollziehbar darzulegen.
III. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche durch die Verletzungshandlung gemäß Ziffer I. entstandenen oder zukünftig entstehenden Schäden zu ersetzen.
IV. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
V. Das Urteil ist hinsichtlich II. und III. gegen Sicherheitsleitung in Höhe von 15.000,00 € und hinsichtlich der Kosten in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1T a t b e s t a n d :
2Die Klägerin behauptet, sie sei Alleinimporteurin und ausschließlich Vertriebsberechtigte in Deutschland der Produkte der Marke „Y“ der aus Z. Die X ist ein Modeunternehmen. Die unter der Marke „Y“ angebotenen Damenbekleidungsartikel sollen insbesondere die Zielgruppe „Trendy“ der jungen, 14-29jährigen, modebewussten Damen ansprechen. Hierzu gehören auch Jeansmodelle.
3Die Klägerin trägt hierzu vor: Die „Y“-Jeans würden von der X hergestellt und in Deutschland in den großen und bekannten Bekleidungsgeschäften angeboten (Breuninger, Konen, Ludwig Beck, Engelhorn, Daniels oder Leo’s). Hauptwettbewerber in diesem Bereich seien Hersteller wie G-Star, Diesel, Replay, Tommy Hilfiger, Closed, Cambio, Herrlicher, Pepe Jeans, Drykorn, Levi’s und Scotch & Soda. Das erfolgreichste Jeansmodell der Marke „Y“ sei das Modell „P78A“, dieses werde seit Frühjahr 2010 auch auf dem deutschen Markt angeboten. Weiter würden noch zwei weitere Modelle „P68C“ und „P82D“, die charakteristische Merkmale der „P78A“ aufwiesen, vertrieben; diese seien allerdings jeweils leicht anders geschnitten. „P68C“ sei als SLIM-Modell ausgestaltet (insbesondere für jüngere Käuferinnen), „P82D“ sei ein „MINI BAGGY“-Modell, dessen Beine eine leichte O-Form aufwiesen.
4Wegen der Gestaltung der Jeansmodelle verweist die Kammer auf die vorgelegten Abbildungen sowie die zur Akte gereichten Originalprodukte.
5Die besondere Gestaltung ihrer Jeans beschreibt die Klägerin wie folgt:
6- V-förmige Nähte auf der Vorderseite der Hosenbeine,
7- nicht verdeckte Knopfleiste am Hosenschlitz,
8- zwei fast parallel geschwungene Nähte an den Vordertaschen,
9- Gesäßtaschen aus drei sich überlappenden Teilen,
10- zwei Reihen Doppelnähte auf der Hosenrückseite.
11Sie, die Klägerin, habe in Deutschland das Modell „P78A“ wie folgt abgesetzt:
122010: ca. 2.000 Stück (geschätzt)
132011: ca. 4.000 Stück (geschätzt)
142012: über 26.000 Stück, Umsatz über 1 Mio. EUR
152013: über 195.000 Stück, Umsatz über 8 Mio. EUR
162014: über 407.000 Stück, Umsatz über 16 Mio. EUR
172015: über 308.000 Stück, Umsatz über 12 Mio. EUR
182016: über 215.000 Stück, Umsatz über 8 Mio. EUR
192017: über 200.000 Stück, Umsatz über 7,7 Mio. EUR
20Die „Y“-Jeans hätten in Deutschland eine große Aufmerksamkeit erregt. Zahlreiche Modemagazine hätten hierüber berichtet. Die „Y“-Jeans würden umfangreich beworben. Hierzu trägt die Klägerin im Einzelnen vor.
21Die Beklagte ist Teil des dänischen Unternehmens Bestseller, welches eines der größten europäischen Bekleidungsunternehmen ist.
22Die streitgegenständlichen und im Tenor zu I. abgebildeten Hosen sind im Dezember 2017 von der Amazon EU S.à.r.l. auf deren Internetseite angeboten worden.
23Wegen der Gestaltung der hier in Rede stehenden Jeans verweist die Kammer auf die zur Akte gereichten Abbildungen sowie auf das vorgelegte Originalprodukt.
24Nach einer Abmahnung der Klägerin vom 20.12.2017 erteilte die Amazon EU S.à.r.l. die Auskunft, dass die streitgegenständlichen Hosen von der Beklagten geliefert worden seien. Daraufhin mahnte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 18.01.2018 ab (Anlage K 16). Am 07.02.2018 gab die Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab (Anlage K 16). In der Folgezeit entwickelte sich hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft und Schadensersatz ein Schriftwechsel zwischen den Parteien. Wegen der Einzelheiten verweist die Kammer auf den als Anlagenkonvolut K 17 vorgelegten Schriftwechsel. Eine gütliche Einigung konnte nicht gefunden werden. Die Verhandlungen endeten am 06.09.2018. Am 24.10.2018 hat die Klägerin die vorliegende Klage eingereicht, mit der sie Auskunft und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung begehrt.
25Die Klägerin sieht in dem Vertrieb des Jeansmodells der Beklagten eine unlautere Nachahmung der „Y“-Jeansmodelle „P78A“, „P68C“ und „P82D“.
26Die Klägerin beantragt,
27wie erkannt;
28hilfsweise: festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin das durch die Verletzungshandlungen gemäß Ziffer I. Erlangte herauszugeben.
29Die Beklagte beantragt,
30die Klage abzuweisen.
31Sie bestreitet, dass die Klägerin Alleinimporteurin und ausschließlich Vertriebsberechtigte in Deutschland der Produkte der Marke „Y“ der X aus Z sei. Es sei auch nicht dargelegt, dass die X-Herstellerin der Jeans sei. Es fehle an der wettbewerblichen Eigenart der Jeans der Klägerin sowie an einer Verletzungshandlung. Es gebe eine Vielzahl von Jeanshosen unterschiedlicher Hersteller, die dieselben Gestaltungsmerkmale aufwiesen wie die Produkte der Klägerin. Hierzu führt die Beklagte im Einzelnen unter Bezugnahme auf das Anlagenkonvolut B 3 aus. Die angegriffene Hose weiche zudem in wesentlichen Gestaltungsmerkmalen deutlich von den Modellen der Klägerin ab, so dass ein abweichender Gesamteindruck entstehe. Der Auskunftsanspruch sei erfüllt. Schließlich erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung.
32Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
33Die Kammer hat die zur Akte gereichten Hosen im Termin zur mündlichen Verhandlung in Augenschein genommen.
34E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
35Die Klage hat Erfolg.
36Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Auskunftsanspruch sowie dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch aus § 9 S. 1 UWG i.V.m. §§ 3, 4 Nr. 3 a) UWG, § 242 BGB zu.
37Im Einzelnen:
38I. Die X ist Herstellerin der „Y“ Jeans.
39Dies hat die Klägerin durch Vorlage von Auszügen aus der Webseite der X(Anlagenkonvolut K 28), von Markenunterlagen (Anlagenkonvolut K 29), nach denen die X Inhaberin der „Y“ Marken ist, sowie durch Vorlage der Originalprodukte mit den entsprechenden eingenähten Etiketten zur Überzeugung der Kammer ausreichend belegt, zumal die Beklagte die Herstellereigenschaft der X in der Klageerwiderung zunächst nicht in Abrede gestellt hatte.
40II. Die Klägerin ist als Alleinvertriebsberechtigte aktivlegitimiert.
41Die Klägerin hat auf Hinweis der Kammer die Vertriebsverträge zwischen der Klägerin und der X für die Jahre 2012 – 2014, 2014 – 2018 und 2019 – 2024 (Anlagen K 25 – K 27) in Auszügen zu den Akten gereicht, aus denen sich ergibt, dass die Klägerin die alleinige und exklusive Vertriebspartnerin für Artikel der Marke „Y“ der X im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ist. Zwar hat sich die X in den Verträgen vorbehalten, ihre bisherigen Direktkunden weiterhin zu beliefern. Bei diesen handelt es sich jedoch um wenige Einzelhändler (zunächst 14, aktuell nur noch 6), die lediglich an Endkunden und nicht an gewerbliche Wiederverkäufer verkaufen (dürfen). Darüber hinaus hat die Klägerin dargelegt, dass diese Direktkunden lediglich das Privileg haben, sich die Ware direkt in Italien bei der X aussuchen zu dürfen. Die Bestellungen werden dann über die Klägerin abgewickelt und auch von ihr an die Direktkunden fakturiert. Die X liefert die Ware zwar direkt an die Direktkunden, stellt diese aber wie jede andere Lieferung der Klägerin in Rechnung. Das Privileg der Direktkunden erklärt sich daher allein aus der vor Abschluss des ersten Vertriebsvertrages zwischen der Klägerin und der X im Jahre 2012 bestehenden Kundenbeziehung der Direktkunden zu der X S.p.A.. Diese Art der Kundenbeziehung von jetzt nur noch 6 Einzelhändlern – die Klägerin beliefert in Deutschland rund 2200 Abnehmer – zu der X S.p.A., die letztendlich über die Klägerin abgewickelt wird, vermag das Alleinvertriebsrecht der Klägerin damit - nicht zuletzt auch aufgrund der nahezu wirtschaftlichen Bedeutungslosigkeit - nicht in Frage zu stellen.
42III. Die Beklagte hat durch Angebot und Vertrieb der angegriffenen Jeanshose § 3 Abs. 1 UWG zuwidergehandelt. Danach sind unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Unlauter im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG handelt gemäß § 4 Nr. 3 a) UWG insbesondere, wer Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt. Gemäß § 4 Nr. 3 UWG kann der Vertrieb eines nachahmenden Erzeugnisses wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt über wettbewerbliche Eigenart verfügt und besondere Umstände hinzutreten, die die Nachahmung unlauter erscheinen lassen. So verhält es sich, wenn die Nachahmung geeignet ist, eine Herkunftstäuschung hervorzurufen und der Nachahmer geeignete und zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung der Herkunftstäuschung unterlässt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen, so dass bei einer größeren wettbewerblichen Eigenart und einem höheren Grad der Übernahme geringere Anforderungen an die besonderen Umstände zu stellen sind, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt (BGH, WRP 2010, 94 = GRUR 2010, 80 Tz. 21 - LIKEaBIKE; WRP 2012, 1379 = GRUR 2012, 1155 Tz. 16 - Sandmalkasten; WRP 2013, 1188 = GRUR 2013, 951 Tz. 14 - Regalsystem; WRP 2013, 1339 = GRUR 2013, 1052 Tz. 15 - Einkaufswagen III; OLG Köln, GRUR-RR 2014, 25, 26 f. - Kinderhochstuhl "Sit up", jeweils mwN).
43Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich das Angebot und der Vertrieb der angegriffenen Jeans der Beklagten als wettbewerbswidrig:
441) Die von der Klägerin unter der Bezeichnung „P78A“, „P68C“ und „P82D“ unter der Marke „Y“ vertriebenen Jeans-Modelle haben wettbewerbliche Eigenart.
45Eine wettbewerbliche Eigenart liegt vor, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder die Besonderheiten des Erzeugnisses hinzuweisen (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH Urteil vom 28.05.2009, LIKEaBIKE, I ZR 124/06, Rdnr. 21, juris). Dabei können einzelne Gestaltungsmerkmale in ihrem Zusammenwirken eine wettbewerbliche Eigenart verstärken oder begründen, wenn sie den Gesamteindruck des Erzeugnisses bestimmen (BGH, Urteil vom 28.05.2009, LIKEaBIKE, I ZR 124/06, Rdnr. 34, juris). In der Rechtsprechung ist weiter anerkannt, dass auch bei Modeerzeugnissen in Ausnahmefällen deren besonders originelle Gestaltung als Hinweis auf die betriebliche Herkunft angesehen werden und eine wettbewerbliche Eigenart unter diesem Gesichtspunkt vorliegen kann. Im Bereich der Mode begründet sich die wettbewerbliche Eigenart in der Regel aufgrund ästhetischer Merkmale. Das ist zum einen der Fall, wenn die – nicht technischen, sondern ästhetischen – Merkmale einer Ware, insbesondere die Gestaltung ihrer äußeren Form sowie das sonstige Design, die Ware so individualisieren, dass der Verbraucher annimmt, so gestaltete Produkte müssten aus derselben betrieblichen Herkunftsstätte stammen. Es genügt zum anderen aber auch, dass das Produkt für ihn spezielle Besonderheiten aufweist, die es von allen anderen unterscheidet. Diese können insbesondere im ästhetischen Bereich in einer überdurchschnittlichen individuellen schöpferischen Gestaltung liegen. In der Regel ist es aber auch gerade hier die Kombination bestimmter einzelner Merkmale, die der Verkehr als Hinweis auf die Herkunft oder auf modische Besonderheiten ansieht (vgl. von Hellfeld in Kirchner/Kirchner-Freis, Handbuch Moderecht, Seite 167 f.; OLG Köln, Urteil vom 14.07.2017 – 6 U 197/16 – S. 16). Anders als bei kurzlebigen Modeneuheiten besteht in einem solchen Fall ein einer zeitlichen Beschränkung nicht von vornherein unterworfener Nachahmungsschutz (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 15.09.2005, Jeans, I ZR 151/02, Rdnr. 24, juris).
46Wenn und soweit der Entscheidung des Oberlandesgerichtes München vom 04.07.2019 – 29 U 3490/17 – (wohl nicht rechtskräftig) eine abweichende Sicht der Dinge zu entnehmen sein sollte, teilt die Kammer diese nicht.
47Obgleich im Produktbereich der Jeanshosen eine sehr große Vielfalt von verschiedenen Gestaltungen bzw. Designs auf dem Markt existiert, verfügen die in Rede stehenden Jeansmodelle der Klägerin über eine besondere Kombination charakteristischer Merkmale, die sie von einer klassischen Jeansform deutlich abheben und die ihre wettbewerbliche Eigenart begründen. Für das Design der Jeansmodelle der Klägerin sind – wie diese zutreffend dargelegt hat – zahlreiche Gestaltungselemente prägend. So zeichnet sich die Jeanshose durch die V-förmigen Nähte auf der Vorderseite der Hosenbeine, die nicht verdeckte Knopfleiste am Hosenschlitz, zwei fast parallel geschwungene Nähte an den Vordertaschen, Gesäßtaschen aus drei sich überlappenden Teilen und durch zwei Reihen Doppelnähte auf der Hosenrückseite aus. Wenngleich verschiedene der Einzelelemente bei einer Vielzahl von Jeans und auch von anderen Herstellern verwendet werden mögen und bei Jeans gerichtsbekannt eine hohe Musterdichte herrscht, führt diese von der Klägerin gewählte konkrete Kombination der Gestaltungselemente in Zusammenschau mit der – unabhängig von der Richtigkeit der von der Klägerin genannten konkreten Verkaufs- und Umsatzzahlen – jedenfalls weiten Verbreitung der Jeans-Modelle zu einer wettbewerblichen Eigenart.
48Eine Schwächung oder gar ein Verlust dieser wettbewerblichen Eigenart durch die im Produktumfeld vertriebenen Jeansmodelle ist nicht festzustellen. Die von der Beklagten aufgezeigten Jeans des wettbewerblichen Umfeldes mögen zwar teilweise einzelne der charakteristischen Merkmale der von der Klägerin angeführten Jeansmodelle aufweisen, bei diesen sind aber nicht mehrere oder gar alle charakteristischen Gestaltungsmerkmale in der die wettbewerbliche Eigenart der Modelle der Klägerin begründenden Weise miteinander kombiniert. Insoweit kann die Kammer auf die zutreffenden Ausführungen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 29.01.2019, dort Seiten 6-14, verweisen.
49Soweit die Beklagte – wie auch im Termin zur mündlichen Verhandlung - Jeansmodelle angeführt und präsentiert hat, die u.U. tatsächlich als Nachahmungen der Hosen der Klägerin angesehen werden könnten, sind diese nicht geeignet, die wettbewerbliche Eigenart zu schwächen oder insgesamt in Frage zu stellen.
50Die wettbewerbliche Eigenart eines Produkts kann verloren gehen, wenn seine konkrete Ausgestaltung oder seine Merkmale auf Grund der Entwicklung der Verhältnisse auf dem Markt, beispielsweise durch eine Vielzahl von Nachahmungen, nicht mehr geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (BGH, Urteil vom 24.05.2007 – I ZR 104/04, GRUR 2007, 984 – Gartenliege). Der Anspruch aus § 4 Nr. 3 UWG entfällt aber nicht bereits dadurch, dass andere Nachahmer mehr oder weniger gleichzeitig auf den Markt kommen. Andernfalls könnte sich jeder Nachahmer auf die allgemeine Verbreitung der Gestaltungsform durch die anderen Nachahmer berufen und dem betroffenen Hersteller des Originals würde die Möglichkeit der rechtlichen Gegenwehr genommen (BGH, Urteil vom 24.03.2005 – I ZR 131/02, GRUR 2005, 600 – Handtuchklemmen, m.w.N.).
51Darüber hinaus kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf den Vertrieb anderer Nachahmungsprodukte berufen, solange Ansprüche wegen dieser Produkte nicht durch Verwirkung untergegangen sind (vgl. OLG Köln, Urteil vom 18.12.2015 – 6 U 44/15 – Crocs, juris).
52Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Jeanshosen der Klägerin bereits seit langer Zeit auf dem Markt in einem hohen Maß präsent sind, so dass auch nur ein intensiver Vertrieb von ähnlichen Produkten die wettbewerbliche Eigenart schwächen würde (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.12.2014 – 15 U 94/14, MarkenR 2015, 102).
53Die wettbewerbliche Eigenart wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Klägerin selbst zahlreiche Jeansmodelle anbietet, bei denen sie die von der Klägerin als charakteristisch bezeichneten Gestaltungsmerkmale, nämlich die V-förmigen Teilungsnähte auf den Oberschenkeln und die sichtbare Knopfleiste am Hosenschlitz, entweder überhaupt nicht oder aber in anderer Kombination verwendet. Insoweit führt dies nicht dazu, dass der Verkehr nicht mehr auf die Herkunft der Produkte schließen könne. Wenn dies der Fall wäre, könnte jeder Modehersteller stets nur ein Modell einer Warenkategorie anbieten, da ja anderenfalls beim Verkehr große Verwirrung und der Verlust der wettbewerblichen Eigenart eintreten würde. Vielmehr wissen die Verbraucher, dass (dieselben) Modehersteller auch völlig anders gestaltete und/oder leicht abgewandelte Modelle vertreiben.
542) Die angegriffene Jeans-Hose der Beklagten stellt eine wettbewerbsrechtlich relevante Nachahmung der Y-Jeans-Modelle „P78A“, „P68C“ und „P82D“ der Klägerin dar.
55Eine nahezu identische Übernahme ist gegeben, wenn nach dem Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Erzeugnisse die Nachahmung nur geringfügige Abweichungen vom Original aufweist (BGH, GRUR 2000, 521, 524 – Modulgerüst I; BGH, GRUR 2010, 1125 Tz. 25 – Femur-Teil). Dabei kommt es darauf an, ob gerade die übernommenen Gestaltungsmittel die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produkts begründen (BGH, GRUR 2007, 795 Tz. 32 – Handtaschen; BGH, GRUR 2010, 1125 Tz. 25 – Femur-Teil). Eine nachschaffende Übernahme liegt dagegen bereits vor, wenn die Nachahmung wiedererkennbare wesentliche Elemente des Originals aufweist und sich nicht deutlich davon absetzt. Geringfügige Abweichungen vom Original sind unerheblich, solange das Original als Vorbild erkennbar bleibt (OLG Köln, Urteil vom 19.09.2014 – 6 U 7/14 – S. 10; OLG Hamburg, MarkenR 2011, 275, 280 = juris Tz. 55; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 37. Aufl. 2019, § 4 Rn. 3.37).
56Bei der Beurteilung der Übereinstimmung oder Ähnlichkeit von Produkten ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den Original und Nachahmung bei ihrer bestimmungsgemäßen Benutzung dem Betrachter vermitteln (BGH, GRUR 2005, 600, 602 – Handtuchklemmen; BGH, GRUR 2007, 795 Tz. 32 – Handtaschen; BGH, GRUR 2009, 1069 Tz. 20 – Knoblauchwürste). Dabei ist der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass der Verkehr die fraglichen Produkte regelmäßig nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht, sondern seine Auffassung auf Grund eines Erinnerungseindrucks gewinnt. Dabei treten regelmäßig die übereinstimmenden Merkmale mehr hervor, so dass es mehr auf die Übereinstimmungen als die Unterschiede ankommt (BGH, GRUR 2007, 795 Tz. 34 – Handtaschen; BGH, GRUR 2010, 80 Tz. 41 – LIKEaBIKE; OLG Köln, Urteil vom 19.09.2014 – 6 U 7/14 – S. 10; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 37. Aufl. 2019, § 4 Rn. 3.43). Maßgebend für die Beurteilung von Übereinstimmungen ist der jeweilige Gesamteindruck, den die verschiedenen Erzeugnisse bei ihrer bestimmungsgemäßen Benutzung dem Betrachter vermitteln (BGH, GRUR 2002, 629, 632 – Blendsegel). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen, so dass bei einer größeren wettbewerblichen Eigenart und einem höheren Grad der Übernahme geringere Anforderungen an die besonderen Umstände zu stellen sind, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt (z.B. BGH, Urteil vom 28.05.2009, LIKEaBIKE, I ZR 124/06, Rdnr. 21, juris).
57Bei der von der Beklagten vertriebenen Jeans wurden nahezu sämtliche charakteristischen gestalterischen Merkmale der Jeans der Klägerin übernommen, was zu einem nahezu identischen Gesamteindruck der angegriffenen Jeans führt. So finden sich auf der Vorderseite sowohl die V-förmigen Nähte als auch die unverdeckte Knopfleiste sowie die doppelte Nahtführung unterhalb der Taschen. Auf der Rückseite wurde die horizontal verlaufende zusätzliche Naht zwischen Gesäßtaschen und Bund übernommen. Soweit die Beklagte auf Unterschiede in der Gestaltung der sich gegenüberstehenden Jeans verweist fallen diese Abweichungen erst bei einem unmittelbaren Vergleich der Hosen auf und verändern den Gesamteindruck nicht. Ebenso führt die – allerdings - abweichende Gestaltung der Gesäßtaschen nicht zu einer anderen Gesamtwirkung. Wie ausgeführt, ist bei der Beurteilung der Übereinstimmung oder Ähnlichkeit von Produkten auf den Gesamteindruck abzustellen und zu berücksichtigen, dass der Verkehr die fraglichen Produkte regelmäßig nicht gleichzeitig wahrnimmt und dabei regelmäßig die übereinstimmenden Merkmale mehr hervortreten.
583) Es liegt auch eine vermeidbare Herkunftstäuschung vor.
59Für die Gefahr einer Herkunftstäuschung reicht es aus, dass bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck erweckt wird, es handele sich bei dem nachahmenden Produkt um eine neue Serie oder eine Zweitmarke des Herstellers des Originals oder es bestünden zumindest lizenz- oder gesellschaftsrechtliche Beziehungen zu ihm (BGH, NJW-RR 2001, 405, 407 – Messerkennzeichnung; BGH, GRUR 2009, 1073 Tz. 15 – Ausbeinmesser). Das Hervorrufen bloßer Assoziationen an das Originalprodukt reicht nicht aus. Maßgebend ist die Sichtweise des durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers (oder sonstigen Marktteilnehmers), der sich für das Produkt interessiert (BGH, GRUR 2010, 1125 = WRP 2010, 1465 Tz. 32 – Femur-Teil; OLG Köln, Urteil vom 07.03.2014 – 6 U 160/13).
60Die Jeanshosen der Klägerin verfügen, wie dargelegt, zumindest über eine gewisse Bekanntheit. Der Käufer, der ein Angebot der Beklagten wahrnimmt, wird angesichts der Übereinstimmungen in den prägenden Merkmalen der Jeanshosen davon ausgehen, es handele sich um die ihm bekannte Jeanshose der Klägerin oder jedenfalls solche eines Herstellers, der mit der Klägerin organisatorisch oder geschäftlich verbunden ist. Durch die bestehenden Unterschiede wird die Gefahr einer Herkunftstäuschung nicht beseitigt.
61Die Gefahr einer Herkunftstäuschung wird schließlich auch nicht dadurch vermieden, dass die angegriffenen Jeanshose die Bezeichnung „P“ trägt. Zwar kann die hinreichend sichtbare Anbringung einer Herstellerbezeichnung eine an sich bestehende Verwechslungsgefahr beseitigen (BGH, GRUR 2002, 820, 823 – Bremszangen). Bei „P“ handelt es sich jedoch aus Sicht des Verkehrs nicht eindeutig um eine Herstellerkennzeichnung. „P“ erscheint vielmehr eher als Handelsmarke, welche die Gefahr einer Herkunftstäuschung nicht auszuräumen vermag (vgl.: BGH, GRUR 2009, 1069 Tz. 16 ff. – Knoblauchwürste; BGH, GRUR 2001, 251, 254 - Messerkennzeichnung).
624) Der Beklagten ist auch zuzumuten, durch Umgestaltung ihrer Jeanshose die Gefahr einer Herkunftstäuschung zu vermeiden.
63Es ist einem Unternehmer zwar nicht verwehrt, auf die Verkäuflichkeit seines Erzeugnisses zu achten und dementsprechend die Erwartungen der Abnehmer zu berücksichtigen. Die Angemessenheit ist aber zu verneinen, wenn dem Mitbewerber auch bei gleicher Prioritätensetzung ein hinreichender Spielraum für Abweichungen zur Verfügung steht. Das setzt eine Gesamtabwägung voraus. Ein Indiz dafür ist, wenn abweichende Konkurrenzprodukte mit einem „eigenen Gesicht“ auf dem Markt sind (BGH, GRUR 2002, 86, 90 – Laubhefter; BGH, GRUR 2009, 1073 Tz. 15 – Ausbeinmesser; OLG Köln, Urteil vom 18.10.2013 – 6 U 11/13 – S. 32 f.; Köhler/Bornkamm, UWG 37. Aufl. 2019, § 4 Rn. 3.49). Diese Voraussetzungen sind hier angesichts der in diesem Verfahren vorgetragenen zahlreichen Produkte des wettbewerblichen Umfelds erfüllt.
645) Im Rahmen der bei der Anwendung des § 4 Nr. 3 a) UWG gebotenen Gesamtabwägung ist zu berücksichtigen, dass eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen besteht, so dass bei einer größeren wettbewerblichen Eigenart und einem höheren Grad der Übernahme geringere Anforderungen an die besonderen Umstände zu stellen sind, die die Wettbewerbswidrigkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt. Bei einer nahezu identischen Übernahme sind die Anforderungen an die wettbewerbliche Eigenart und an die besonderen wettbewerblichen Umstände geringer als einer nur nachschaffenden Übernahme (BGH, GRUR 2012, 1155 Tz. 16 – Sandmalkasten; OLG Köln, Urteil vom 18.10.2013 - 6 U 11/13 – S. 33). Im vorliegenden Fall trifft eine fast identische Übernahme mit einer durchschnittlichen wettbewerblichen Eigenart zusammen. Die Anforderungen an die besonderen wettbewerblichen Umstände sind daher niedriger anzusetzen, so dass im Gesamtergebnis von einer unlauteren Nachahmung im Sinne des § 4 N. 3 a) UWG auszugehen ist.
656) Die Beklagte hat auch zumindest fahrlässig und damit schuldhaft gehandelt.
66Bei sorgfältiger Prüfung hätten sie erkennen können und müssen, dass die Klägerin mit nahezu identischen Jeansmodellen seit langem im Markt präsent ist. Sie hätte vor dem Marktzutritt prüfen müssen, ob der Vertrieb der streitgegenständlichen Jeanshose Rechte Dritter verletzt.
67Dass der Klägerin durch die Wettbewerbsverletzung seitens der Beklagten ein Schaden entstanden ist, erscheint nicht ausgeschlossen.
68IV. Die Beklagte hat den geltend gemachten Auskunftsanspruch nicht erfüllt.
69Zwar hat die Beklagte vorprozessual Vertriebs- und Umsatzzahlen genannt. Der Auskunftsanspruch geht jedoch weiter. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung sämtlicher Auskünfte, welche im Tenor zu II. und im Tenor zu III. tituliert sind. Nur so wird die Klägerin in die Lage versetzt, ihren Schadensersatzanspruch nach einer der drei ihr zur Verfügung stehenden Berechnungsmethoden zu beziffern.
70V. Die Ansprüche der Klägerin sind nicht verjährt.
71Der Lauf der Verjährung war jedenfalls so lange durch Verhandlungen der Parteien im Sinne des § 203 BGB gehemmt, dass die Klage noch innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist eingereicht worden ist.
72Die Kammer verweist auf den von der Beklagten als Anlage B 5 vorgelegten „Zeitstrahl“.
73Unstreitig hat die Klägerin am 10.01.2018 Kenntnis von der Verletzungshandlung erlangt. Die Verhandlungen der Parteien begannen unstreitig am 31.01.2018 und währten zunächst jedenfalls bis zum 20.04.2018, was – so auch die Beklagte – zu einer Hemmung von 80 Tagen führt. Ob nach dem 20.04.2018 für einen gewissen weiteren Zeitraum, in dem die Klägerin trotz Fristablauf nach Treu und Glauben noch eine Rückmeldung der Beklagten erwarten konnte (BGH NJW 1986, 1337; BGH NJW 2009, 1806), eine Hemmung anzunehmen ist, kann dahinstehen. Jedenfalls ist der Lauf der Verjährung ab dem 02.08.2018 (und nicht erst – wie die Beklagte meint – am 23.08.2018) mit der erneuten Kontaktaufnahme der Klägerin (Möglichkeit der außergerichtlichen Einigung), die zu den E-Mails der Beklagten vom 09.08.2018 (Erklärung der Bereitschaft zu Auskunftserteilung), 14.08.2018 (Bitte um Fristverlängerung) und 23.08.2018 (Vergleichsangebot der Beklagten) erneut gehemmt worden, da die Parteien die Vergleichsverhandlungen wieder aufgenommen haben. Diese sind am 06.09.2018 gescheitert. Die Hemmung vom 02.08.2018 bis 06.09.2018 währte 36 Tage, so dass von einer Hemmung von insgesamt 116 Tagen auszugehen ist. Unter Berücksichtigung einer Hemmung von 116 Tagen ist die Klage am 24.10.2018 noch innerhalb der Verjährungsfrist eingereicht worden.
74Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
75Streitwert: 35.000,00 €
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Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
1Tatbestand:
2Streitig zwischen den Beteiligten ist die Höhe der dem Kläger zu gewährenden Grundsi-cherungsleistungen, hier insbesondere ein höherer Bedarf auf Grund alters- und ge-schlechtsspezifischer Diskriminierung, Rechtsmittelkosten, sowie die Übernahme der Kosten für einen Elektroradiator zum zusätzlichen Beheizen der Wohnung im zweiten Kalenderhalbjahr 2014.
3Der Kläger bezieht seit dem 01.01.2005 laufend Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) von dem Beklagten. Er bewohnt eine 48 qm große Erdgeschosswohnung, bestehend aus einem Kinderzimmer, einem Bad, einer Küche welche ohne Tür mit dem Flur verbunden ist, ei-nem Wohnzimmer und einem Schlafzimmer. Die Wohnung wird mit einer Gasetagenhei-zung beheizt. Die Warmwasserbereitung erfolgt nach Angaben des Klägers jedoch über Strom. Die Gasetagenheizung hat nach den Herstellerangaben eine kleinste Wärmebe-lastung von 8,4 Kilowatt (kW), die elektrische Leistungsaufnahme beträgt 120 Watt (W).
4Bereits bei seiner ersten Antragstellung gab der Kläger an, dass er auf Grund seiner per-sönlichen Lebensführung, seiner Anschauungen, sowie seiner genetischen Anlagen einen erhöhten monatlichen Mehraufwand habe. Er berief sich dabei unter anderem auf die UN-Menschenrechte. Hinsichtlich sowohl der höheren Bedarfe, als auch der Heizkosten wurde in der Vergan-genheit bereits eine Vielzahl von Verfahren vor dem hiesigen Sozialgericht und dem Landessozialgericht geführt.
5Mit Bescheid vom 23.05.2014 bewilligte der Beklagte dem Kläger Grundsicherungsleis-tungen für den Zeitraum 01.07.2014 bis 31.12.2014 in Höhe von 391,00 Euro Regelleis-tung und 279,04 Euro für die Kosten der Unterkunft und Heizung (insgesamt: 670,04 Eu-ro). Gegen den Bescheid erhob der Kläger Widerspruch. Mit Änderungsbescheid vom 04.08.2014 rechnete der Beklagte ein Guthaben aus einer Nebenkostenabrechnung an. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 17.06.2015 hob der Beklagte den Änderungsbescheid vom 04.08.2014 wieder auf und bewilligte die Leistun-gen in ursprünglicher Höhe.
6Mit Widerspruchsbescheid vom 21.05.2015 setzte der Beklagte die Leistungen ausdrück-lich wieder in ursprünglicher Höhe von insgesamt 670,04 Euro fest und wies den Wider-spruch des Klägers im Übrigen zurück. Hinsichtlich der Höhe der Heizkosten und der Verfassungsmäßigkeit der Bedarfe verwies der Beklagte insoweit auf die abgeschlossenen Gerichtsverfahren.
7Mit der dagegen am 19.06.2015 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren wei-ter. Er trägt vor, dass junge Menschen einen höheren Ernährungsbedarf haben als ältere, sowie Männer einen höheren Bedarf als Frauen. Dies sei wissenschaftlich erwiesen. Auch sei die Unterscheidung zwischen Arbeitslosengeld und der bis 2004 bestehenden Arbeitslosenhilfe unzulässig. Ebenso unzulässig sei die Unterscheidung zwischen Ar-beitslosengeld und Arbeitslosengeld II. Das Handeln des Beklagten verstoße gegen hö-herrangiges Recht, insbesondere gegen die UN-Menschenrechte. Seine Heizkosten inklusive des Betriebes des Elektroradiators seien angemessen.
8Der Kläger beantragt,
9den Bescheid vom 23.05.2014 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 04.08.2014 und 17.06.2015 und des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2015 abzuändern und den Beklagten zur Gewährung weiterer Leistungen zu verurtei-len.
10Der Kläger beantragt dabei insbesondere:
111. Ich beantrage, meine dokumentierte Inbetriebnahme meines Elektroradiators "Baufa 1500 Watt Type ERST 15, Nr. 316088" meine tatsächlichen Heizkosten vollumfänglich zu erstatten. Dies ist ein Volumen von 270 kw/h
122. Ich beantrage, die Entscheidungen des LSG NRW als Beweis hinzuzuziehen u.a. Urteil L 2 AS 273/14, L 2 AS 564/14, L 2 AS 798/14 und L 2 AS 800/14.
133. Ich beantrage, das Sitzungsprotokoll vom 23.09.2014 und die entsprechen-den späteren anderslautenden Entscheidungen des LSG NRW als Beweis hinzuzuziehen u.a. die Sitzungsprotokolle zu denselben Aktenzeichen, wie zu den Urteilen unter 2. genannt.
144. Beantrage ich einen Schadensersatz gem. § 823 BGB und 839 BGB sowie auch einen immateriellen Schaden nach § 253 BGB. Außerdem fordere ich Schmerzensgeld (§ 847 BGB).
155. Ich beantrage, die verfassungswidrigen Diskriminierungen bei der Ernährung bzw. Diskriminierung von Männern/jungen Menschen gegenüber Frau-en/älteren Menschen bei der Ernährung durch die nichtbedarfsgerechte/nicht transparente Grundsicherung SGB II Regelleistung zu unterlassen. Ich ma-che begründet höhere Leistungen geltend.
166. Ich beantrage, die fehlende Transparenz insbesondere der Referenzgruppe der Einkommens- und Verbraucherstichprobe und die Streichungen von Ta-bak und Alkohol zu unterlassen.
177. Ich beantrage es zu unterlassen, an dem verfassungswidrigen Handeln, ver-fassungswidrigen Diskriminierungen festzuhalten.
188a. Ich beantrage, dass das Handeln (die Bescheidungen) der Beklagten und das Handeln Deutschlands in Übereinstimmung mit den Zielen und Grunds-ätzen der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte stehen, weil Deutsch-land sich in der Schlussakte der KSZE unter VII dazu verpflichtet hat, dass sein Handeln in Übereinstimmung mit den Zielen und Grundsätzen der all-gemeinen Erklärung der Menschenrechte steht.
198b. Ich beantrage es zu unterlassen, dass das Handeln Deutschlands nicht in Übereinstimmung mit den Zielen und Grundsätzen der allgemeinen Erklä-rung der Menschenrechte steht.
209. Ich beantrage, die Unterscheidung ALG und ALG II bzw. die Diskriminierung der sogenannten Langzeitarbeitslosen zu unterlassen. Ich beantrage, alle Ar-beitslosen gleich zu behandeln, abzusichern und die widerrechtlichen Sank-tionsandrohungen und Sanktionen zu unterlassen.
219a. Ich beantrage eine Erstattung meiner Rechtsmittelkosten. Ich beantrage Kos-tenfestsetzung und mache Schadensersatzansprüche geltend.
2210. Ich beantrage die Verfahren gem. § 100 Abs. 2 Grundgesetz auszusetzen und an das zuständige Bundesverfassungsgericht zu verweisen, weil es um Völkerrecht/Schlussakte der KSZE geht, weil sich Deutschland in der Schlussakte der KSZE unter VII dazu verpflichtet hat, dass sein Handeln mit den Zielen und Grundsätzen der allgemeinen Erklärung der Menschen-rechte im Einklang steht und Deutschland/Jobcenter dieser Verpflichtung aus der Schlussakte der KSZE unter VII zuwider handelt.
2311. Ich beantrage, meine gesamten schriftlichen Einreichungen/Anträge zu be-rücksichtigen.
24Der Beklagte beantragt,
25die Klage abzuweisen.
26Er ist bei seiner im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren vertretenen Auffassung verblieben und verweist auf die Ausführungen in den vorangegangenen Verfahren so-wie im angefochtenen Widerspruchsbescheid.
27Der Kläger hat eine Übersicht über die Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr einge-reicht. Hinsichtlich des Betriebes des Elektroradiators zum Beheizen der Wohnung hat der Kläger eine Aufstellung zu den Akten gereicht, wann und wie lange er im Zeitraum ab Januar 2015 den Radiator benutzt hat. Zudem hat er Erklärungen seiner Mutter und seiner Brü¬der eingereicht, ausweislich derer der Kläger auch mit dem Elektroradiator ge-heizt habe.
28Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Be-zug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
29Entscheidungsgründe:
30Die form- und fristgerecht erhobene, insgesamt zulässige Klage ist nicht begründet.
31Der Bescheid vom 23.05.2014 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 04.08.2014 und 17.06.2015 und des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2015 ist rechtmäßig. Der Kläger wird durch diesen Bescheid nicht in seinen Rechten verletzt, § 54 Abs. 2 Sozial-gerichtsgesetz (SGG).
32Die Höhe der von dem Beklagten übernommenen Kosten für die Unterkunft und Hei-zung im hier streitgegenständlichen Zeitraum 01.07.2014 bis 31.12.2014 sind nicht zu beanstanden.
33Die Wohnung des Klägers ist mit einer Gasetagenheizung ausgestattet. Die Abschläge für die Gasversorgung werden in voller Höhe übernommen. Für den Betriebsstrom der Gasheizung wird zusätzlich ein Anteil von 5% der Heizkosten übernommen. Dies entspricht der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.09.2016, Az.: L 31 AS 300/15; LSG Nordrhein-Westfalen, Ur-teil vom 19.02.2013, Az.: L 2 AS 2081/12; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 10.06.2016, Az.: L 11 AS 1788/15 m.w.N. Auch das Bundessozialgericht ver-weist darauf, dass die Kosten für den Betriebsstrom mangels eigenen Zählers einer Schätzung zugänglich sind, und dass ein Anteil von 4 – 10% der Brennstoffkosten eine mögliche Rechenweise für die Schätzung darstellt: BSG, Urteil vom 03.12.2015, Az.: B 4 AS 47/14 R).
34Die Übernahme der Kosten für den Elektroradiator kommt daneben nicht in Betracht. Zum einen ist die Wohnung mit einer Gasetagenheizung ausgestattet. Wenn diese nicht ausreicht, um die Wohnung komplett zu beheizen, muss sich der Kläger an seinen Ver-mieter wenden. Auch das Fehlen eines Heizkörpers im Flur und in der Küche führt nicht zu einem Anspruch auf Kostenübernahme durch den Beklagten. Aus der Tatsache, dass das Landessozialgericht in einem der Sitzungsprotokolle der früheren Verfahren festge-halten hat, dass ein Anspruch darauf bestehe, die gesamte Wohnung zu beheizen, ergibt sich insoweit nichts anderes. Aus den von dem Kläger eingereichten Protokollen über den Betrieb des Elektroradiators in anderen Streitzeiträumen (hier: ab 2015, im Pa-rallelverfahren S 46 AS 4050/14 auch für den früheren Zeitraum Januar bis März 2014) ergibt sich, dass er den Radiator ausschließlich abends und nachts verwendet hat. Im Verhandlungstermin hat der Kläger zudem angegeben, dass er den Elektroradiator nicht nur in der Küche und im Flur, sondern auch in seinem Arbeitszimmer (das auch als Kin-derzimmer bezeichnet worden ist), im Wohnzimmer und im Schlafzimmer benutzt hat. Die Notwendigkeit des Heizens mit dem Elektroradiator ist zur Überzeugung der Kammer nicht gegeben. Denn in der Küche und insbesondere im Flur, in dem man sich nicht dauerhaft aufhält, erschließt sich die Notwendigkeit des Heizens in der Nacht nicht. In den anderen Räumen sind Heizkörper vorhanden, die mit der Gasetagenheizung beheizt werden können. Die insoweit entstehenden Kosten werden von dem Beklagten über-nommen. Zum anderen sind die Kosten für den Betrieb des Elektroradiators nicht nachgewiesen. Zwar hat der Kläger Erklärungen von Familienangehörigen eingereicht, dass er den Ra-diator benutzt habe, aber dies stellt keinen geeigneten Nachweis über die genaue Be-triebsdauer und insbesondere nicht über die dadurch entstandenen Kosten dar. Die blo-ße Behauptung, dass der Elektroradiator einen Betrag X verbrauche und dass deshalb ein Verbrauch von 270 kw/h im hier streitigen Zeitraum gegeben sei, ist zur Überzeugung der Kammer nicht ausreichend, um den tatsächlichen Verbrauch zu belegen.
35Die weiteren Anträge des Klägers zu Nr. 2. bis 11. haben ebenfalls keinen Erfolg. Die Urteile und Sitzungsprotokolle des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen liegen vor, für eine weitergehende Beiziehung der in den Anträgen Nr. 2. und 3. genannten und bereits vorliegenden Urteile und Protokolle fehlt das Rechtsschutzbedürfnis.
36Für eine Schadenersatzforderung und Schmerzensgeld (Antrag Nr. 4) besteht keine Zu-ständigkeit des Sozialgerichts. Der Sozialrechtsweg gemäß § 51 SGG ist nicht eröffnet. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden gemäß § 51 Abs. 1 SGG nur über öf-fentlich-rechtliche Streitigkeiten in den unter Nr. 1 – 10 genannten Fällen und gemäß § 51 Abs. 2 SGG über privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung sowie der sozialen und privaten Pflegeversicherung. Eine Scha-denersatzklage kann daher vor dem Sozialgericht keinen Erfolg haben.
37Die Anträge Nr. 5. bis 9. sind unzulässig, soweit sie auf die allgemeine Verfassungswid-rigkeit oder auf allgemeine Ansprüche anderer Menschen abstellen. Eine konkrete eige-ne Beschwer des Klägers im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG ist insoweit nicht ersicht-lich. Soweit der Kläger die Verfassungsmäßigkeit des Regelsatzes (§ 20 SGB II) in Frage stellt und höhere Leistungen begehrt, da er als junger Mann einen höheren Bedarf habe als ältere Menschen oder Frauen, ist die Klage unbegründet. Das Gericht hat an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe des Regelbedarfes keine Zweifel (vgl. u.a. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.07.2014, Az.: L 2 AS 1866/13, sowie BSG, Urteil vom 28.03.2013, Az.: B 4 AS 12/12 R).
38Der Antrag Nr. 9a ist weder zulässig, noch begründet. Rechtsmittelkosten werden nach § 63 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) übernommen, soweit ein Widerspruch er-folgreich ist. In Klageverfahren werden Kosten nach § 193 SGG erstattet. Die Kostener-stattung erfolgt hierbei konkret für das jeweilige Verfahren. Im vorliegenden Verfahren waren Widerspruch und Klage nicht erfolgreich, so dass eine Kostenerstattung insoweit nicht in Betracht kommt. Eine allgemeine, über § 63 SGB X und § 193 SGG hinausge-hende Erstattung von Rechtsmittelkosten sieht das Gesetz nicht vor.
39Dem Antrag Nr. 10 war ebenfalls nicht zu folgen. Gemäß Art. 100 Abs. 2 Grundgesetz hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen, wenn in ei-nem Rechtsstreit zweifelhaft ist, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bun-desrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Das Gericht hat keine Zweifel daran, dass dem Kläger weitere Ansprüche auf Grund völkerrechtliche Bestimmungen nicht zustehen.
40Antrag Nr. 11 ist gegenstandslos, da alle Anträge des Klägers berücksichtigt worden sind. Sämtliche Schriftsätze und Anträge waren ohnehin Gegenstand des Verfahrens, so dass ein Rechtsschutzbedürfnis für diesen Antrag nicht gegeben ist.
41Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
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Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller/Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
1G r ü n d e
2I.
3Der Antragsteller/Die Antragstellerin begehrt im Verfahren der einstweiligen Anordnung die vorläufige Zulassung zum Studium der Psychologie (Bachelor) an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU Münster) als Studienanfänger/in nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Wintersemesters (WS) 2019/2020 außerhalb, gegebenenfalls hilfsweise innerhalb, der normativ festgesetzten Aufnahmekapazität bzw. die Teilnahme an einem Losverfahren zur Verteilung entsprechend vorhandener Studienplätze.
4Das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen (MKW) hat durch die Verordnung über die Festsetzung von Zulassungszahlen und die Vergabe von Studienplätzen im ersten Fachsemester für das Wintersemester 2019/2020 vom 26. Juni 2019 (GV. NRW. 2019, 281, 285; ZZahlenVO) die Zahl der von der WWU Münster zum WS 2019/2020 für den Bachelorstudiengang Psychologie aufzunehmenden Studienanfänger/innen auf 141 festgesetzt. Diese Zahl ist in der Folgezeit unverändert geblieben (Änderungsverordnung vom 15. November 2019, GV. NRW. 2019, 860, 864).
5Nach Mitteilung der Antragsgegnerin sind im 1. Fachsemester des Bachelorstudiengangs Psychologie zum WS 2019/2020 tatsächlich 146 (Stand: Vorlesungsbeginn am 7. Oktober 2019, vgl. Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 21. Oktober 2019 im Verfahren 9 L 796/19) Studienanfänger/innen eingeschrieben.
6Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der von der Antragsgegnerin auf Anforderung des Gerichts zum Leitverfahren 9 L 796/19 vorgelegten Kapazitätsunterlagen und der hierauf bezogenen Erläuterungen verwiesen.
7II.
8Der auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtete Antrag des Antragstellers/der Antragstellerin hat jedenfalls mangels glaubhaft gemachten Anordnungsanspruchs keinen Erfolg.
9Der Antragsteller/Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegnerin im Bachelorstudiengang Psychologie zum WS 2019/2020 über die Zahl der tatsächlich vergebenen 146 Studienanfängerplätze hinaus (zumindest) ein freier Studienplatz für Studienanfänger/innen zur Verfügung steht, der – gegebenenfalls nach Maßgabe eines gerichtlich anzuordnenden Losverfahrens – unter seiner/ihrer Beteiligung vergeben werden könnte, § 123 Abs. 3 VwGO, §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO.
10Rechtsgrundlage der Kapazitätsermittlung für das Studienjahr 2019/2020 und damit für das WS 2019/2020 ist für Studiengänge, deren Plätze – wie hier – nicht in einem zentralen Vergabeverfahren vergeben werden, die Verordnung zur Ermittlung der Aufnahmekapazität an Hochschulen in Nordrhein-Westfalen für Studiengänge außerhalb des zentralen Vergabeverfahrens (Kapazitätsverordnung Nordrhein-Westfalen 2017 – KapVO NRW 2017) vom 8. Mai 2017 (GV. NRW. 2017, 591).
11Der Festsetzung der Zulassungszahl liegt nach den auf der Ermächtigung des § 6 Hochschulzulassungsgesetz beruhenden Bestimmungen der KapVO NRW 2017 die jährliche Aufnahmekapazität (§ 3 KapVO NRW 2017) zugrunde, die auf die einzelnen Vergabetermine (Wintersemester bzw. Sommersemester) aufgeteilt wird, soweit nicht – wie vorliegend – ein Jahresbetrieb mit Zulassungen von Studienanfängern/innen nur zum Wintersemester bestimmt ist. Die jährliche Aufnahmekapazität eines einer Lehreinheit (§ 4 KapVO NRW 2017) zugeordneten Studiengangs ergibt sich nach § 3 KapVO NRW 2017 aus dem nach § 5 KapVO NRW 2017 festgestellten bereinigten Lehrangebot je Jahr, dividiert durch den gewichteten Curriculareigenanteil (§ 6 KapVO NRW 2017) aller der Lehreinheit zugeordneten Studiengänge und multipliziert mit der jeweiligen Anteilquote des Studienganges (§ 7 KapVO NRW 2017). Das Lehrangebot wird ermittelt durch Berechnung aufgrund der hier zum 1. März 2019 (§ 2 Abs. 1 KapVO NRW 2017) erhobenen und gegebenenfalls nach § 2 Abs. 2 und 3 KapVO NRW 2017 überprüften Daten. Die nach den vorstehend genannten Bestimmungen ermittelte Zulassungszahl kann nach § 8 KapVO NRW 2017 reduziert oder soll nach § 9 KapVO NRW 2017 erhöht werden.
121. Lehrangebot:
13Die Antragsgegnerin (Bericht vom 20. September 2019 an das Ministerium, dem dieses mit der in der ZZahlenVO bestimmten Aufnahmekapazität gefolgt ist) hat auf der Lehrangebotsseite zugrunde gelegt, dass der Lehreinheit Psychologie der WWU Münster zum letzten Berechnungsstichtag 15. September 2019 für das Studienjahr 2019/2020 insgesamt 53,00 Personalstellen zur Verfügung stehen. Diese Stellen des wissenschaftlichen Personals sind unter Einschluss der Klarstellung der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 21. Oktober 2019 folgenden Stellengruppen mit einem Regellehrdeputat (Regellehrverpflichtung in Semesterwochenstunden; Deputatstunden - DS -) zugeordnet worden:
14Stellengruppe
Deputat je Stelle
in DS
Anzahl der Stellen
(einschl. HP-Stellen* und HPMA-Stellen**)
= Stand 2018/2019
Summe DS
= Stand 2018/2019
W3 Universitätsprofessor
9
9 8
81 72
W2Universitätsprofessor
9
7 8
63 72
W 1
Juniorprofessor (1. Anstellungsphase)
4
2 2
8 8
A 15 - 13 Akad. Rat mit ständigen Lehraufgaben
9
4 4
36 36
A 15 - 13 Akad. Rat ohne ständige Lehraufgaben
5
1 1
5 5
A 14
Akademischer Oberrat auf Zeit
7
4 4
28 28
A 13
Akademischer Rat auf Zeit
4
11 11
44 44
TV-LWiss. Angestellter
(befristet)
4
5,50 5,50
22 22
TV-LWiss. Angestellter
(unbefristet)
8
5 5
40 40
TV-L
Lehrkraft für besondere Aufgaben
12
4,5 4,45
(davon 1,34 HP-Stellen* + 3,16 HPMA-Stellen**)
54 53,40
Summe
53 52,95
381 380,40
Zusätzliches Lehrangebot aufgrund dienstrechtlicher Lehrverpflichtung
18 17,80
Summe in DS
399 398,20
15 (* = Stellen auf der Grundlage des sog. Hochschulpaktes III)
16 (** = Stellen auf der Grundlage des sog. Masterprogramms 2014 - 2020)
17Die Kammer geht auf der Grundlage der von Amts wegen vorgenommenen Prüfung der vorgelegten Kapazitätsunterlagen und der hierauf bezogenen Erläuterungen der Antragsgegnerin davon aus, dass mit der Zahl von 53 Stellen und des zusätzlichen Lehrangebots von 18 DS – dazu siehe unten – das der Lehreinheit Psychologie der WWU Münster für das Studienjahr 2019/2020 kapazitätsbeachtlich zur Verfügung stehende Lehrpersonal und das daraus resultierende – zunächst unbereinigte – Lehrdeputat beanstandungsfrei erfasst sind.
18Dass eine darüber hinausgehende Erhöhung der Personalstellenzahl oder des den Personalstellen zugeordneten Lehrdeputats in der Lehreinheit Psychologie in Betracht kommt, kann nach dem Abgleich mit der vorgelegten Stellenplan- und Besetzungsübersicht nicht festgestellt werden.
19Nicht kapazitätserhöhend zu berücksichtigen ist dasjenige wissenschaftliche Personal, welches aus Mitteln des Gesetzes zur Verbesserung der Qualität in Lehre und Studium an nordrhein-westfälischen Hochschulen (Studiumsqualitätsgesetz) finanziert wird,
20vgl. nur OVG NRW, Beschluss vom 13. Oktober 2018 – 13 C 50/18 –, juris Rn. 16 f. m. w. N.,
21wobei hier schon keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass solche Personen Pflichtlehre in der Lehreinheit Psychologie erbracht haben.
22Mit Blick auf die Stellen der Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren der Stellengruppen W2 und W3 hat die Antragsgegnerin zu Recht – im Einklang mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 LVV – jeweils 9 DS zugrunde gelegt. Eine Erhöhung des Deputats nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 LVV auf jeweils 18 DS kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Studiengang Psychologie an Universitäten nicht dem auch an Fachhochschulen angebotenen Bachelorstudiengang Psychologie entspricht. Ein „Entsprechen“ im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 3 LVV folgt nicht allein aus derselben Bezeichnung eines Studiengangs. Angesichts der grundsätzlich bestehenden Unterschiede zwischen universitären Studiengängen und solchen, die von Fachhochschulen angeboten werden, ist im Gegenteil davon auszugehen sein, dass die Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 3 LVV im Regelfall keine Anwendung findet.
23Vgl. VG Köln, Beschlüsse vom 26. Februar 2019 – 6 Nc 93/18 –, juris Rn. 19 und vom 21. Februar 2019 – 6 L 2094/18 –, juris Rn. 27.
24Es ist zudem nicht ersichtlich, dass einer Professorin oder einem Professor der Lehreinheit in der Vergangenheit im Sinne des § 3 Abs. 2 LVV Lehrveranstaltungen im Umfang von 13 Veranstaltungsstunden übertragen waren. Die insoweit von einzelnen Antragstellern/Antragstellerinnen geäußerte Vermutung ist nicht substanziiert.
25Die beiden Stellen als Juniorprofessorin/ -professor sind jeweils der ersten Anstellungsphase zugeordnet, so dass auf sie jeweils ein Deputat von 4 DS entfällt. Es besteht kein Anlass, die von der Antragsgegnerin gemachten Angaben insoweit zu bezweifeln. Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2019 ferner ausdrücklich die Frage verneint, ob in der Lehreinheit als befristet eingestufte Wissenschaftliche Angestellte tätig sind, deren Befristung zum Berechnungsstichtag durch eine rechtskräftige arbeitsgerichtliche Entscheidung oder aufgrund übereinstimmender Abrede der Vertragsparteien in Wegfall geraten ist. Allein dies wäre – bejahendenfalls – nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen im Kapazitätsrechtsstreit relevant. Zudem ist im Ergebnis auch für die 4,5 Stellen der Stellengruppe „Lehrkräfte für besondere Aufgaben TV-L“ ein Deputat i. H. v. 16 DS, der Obergrenze der Bandbreite der Lehrverpflichtung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 16, Abs. 4 Satz 4 LVV, angesetzt worden, indem das Lehrangebot in der Zeile „Zusätzliches Lehrangebot aufgrund dienstrechtlicher Lehrverpflichtung“ um (4,5 x 4 =) 18 DS erhöht worden ist.
26Das (unbereinigte) Lehrdeputat von 399 DS ist wie in den Vorjahren,
27vgl. etwa VG Münster, Beschluss vom 7. Dezember 2018 – 9 L 1076/18 –, juris Rn. 16 ff.; bestätigt durch OVG NRW, Beschluss vom 26. August 2019 – 13 B 25/19 –, juris Rn. 2 ff.,
28um 3 DS beanstandungsfrei wegen der von einer Lehrkraft des Instituts für Psychologie (Prof. Dr. Buhlmann) wahrgenommenen Leitungsfunktion in der Psychotherapie-Ambulanz
29vgl. zur Psychotherapieambulanz, einer Einrichtung am Fachbereich Psychologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, sowie zur dortigen wissenschaftlichen Leitungsfunktion von Prof. Dr. Buhlmann etwa die Angaben im Internet unter https://www.uni-muenster.de/Psychologie.pta/index.html und unter https://www.uni-muenster.de/Psychologie.pta/personen/index.html (jeweils Abruf vom 6. Dezember 2019),
30reduziert worden. Die Ermäßigung des Lehrdeputats beruht auf § 5 Abs. 2 LVV, wonach für die Wahrnehmung anderer Dienstaufgaben oder damit im Zusammenhang stehender Funktionen sowie zur Wahrnehmung von wissenschaftlichen oder wissenschaftsbezogenen Aufgaben im öffentlichen Interesse außerhalb der Hochschule unter Berücksichtigung des Lehrbedarfs im jeweiligen Fach Ermäßigungen der Lehrverpflichtung gewährt werden können. Anders als einzelne Antragsteller/Antragstellerinnen meinen, bestehen vor diesem rechtlichen Hintergrund gegen den Ansatz einer Ermäßigung in Höhe von 3 DS keine Bedenken, so dass insoweit auch kein Anlass zu weiterer Sachverhaltsaufklärung (insbesondere nicht in verfahrensrechtlicher Hinsicht) besteht.
31Für Herrn Prof. Dr. Hertel wurde zudem wegen seiner Funktion als Dekan des Fachbereichs Psychologie und Sportwissenschaft (FB07) in Einklang mit § 5 Abs. 1 Satz 3 LVV die Lehrverpflichtung um (75% von 9 DS =) 6,75 DS ermäßigt.
32Ferner hat die Antragsgegnerin 65 DS wegen des „Lehrangebots Bildungswissenschaften“ in Abzug gebracht. Dem liegt zu Grunde, dass – wie dem Gericht aus den vorausgegangenen Berechnungszeiträumen bekannt ist – unter anderem die Lehreinheit Psychologie der (virtuellen) Lehreinheit Bildungswissenschaften Lehrleistung zur Verfügung stellt, die hier durch das „Institut für Psychologie in Bildung und Erziehung“, das seine Lehrleistung vollständig in die Lehreinheit Bildungswissenschaften einbringt, erbracht wird. Die Kammer hat in der Vergangenheit diese Reduzierung des Lehrangebots, das im Ergebnis über die Lehreinheit Bildungswissenschaften den Lehramtsstudiengängen zugutekommt und das der Höhe nach unverändert geblieben ist, gebilligt.
33Vgl. zuletzt VG Münster, Beschluss vom 7. Dezember 2018 – 9 L 1076/18 –, juris Rn. 21 ff.; bestätigt durch OVG NRW, Beschluss vom 26. August 2019 – 13 B 25/19 –, juris Rn. 5 ff.
34Daran hält die Kammer fest.
35Für die Berechnung des Lehrdeputats der Lehreinheit Psychologie ist insbesondere auch unerheblich, ob einzelne Studienplätze in den Lehramtsstudiengängen "Master of Education" im WS 2019/2020 womöglich unbesetzt geblieben sind. Dies führte nicht dazu, dass eine etwaige in den Bildungswissenschaften ungenutzte Ausbildungskapazität der Lehreinheit Psychologie im Wege einer horizontalen Substitution zuzurechnen wäre.
36Vgl. im Einzelnen OVG NRW, Beschluss vom 26. August 2019 – 13 B 25/19 –, juris Rn. 5 ff.
37Unter Ansatz der drei oben angeführten Abzüge vermindert sich das unbereinigte Lehrdeputat i. H. v. 399 DS auf (399 DS - 3 DS - 6,75 DS - 65 DS =) 324,25 DS.
38Eine Erhöhung des Lehrangebots gemäß § 5 Abs. 3 KapVO NRW 2017 aufgrund zu berücksichtigender Lehrauftragsstunden scheidet aus, weil im maßgeblichen Zeitraum (Sommersemester 2018 und Wintersemester 2018/2019) keine Lehraufträge vergeben worden waren.
39Das Lehrangebot ist weiterhin gemäß § 5 Abs. 4 KapVO NRW 2017 um die Dienstleistungen zu vermindern, welche die Lehreinheit Psychologie für die ihr nicht zugeordneten Bachelor- und Masterstudiengänge Erziehungswissenschaft, für den Bachelorstudiengang „Human Movement in Sports and Exercise“ sowie für die Bachelor- und Masterstudiengänge Mathematik erbringt. Bedenken gegen den Ansatz der maßgeblichen Einsatzwerte der der Lehreinheit Psychologie nicht zugeordneten Studiengänge bestehen nach summarischer Prüfung unter Einschluss der Ausweisungen in der sogenannten Dienstleistungsverflechtungsmatrix nicht. Insbesondere handelt es sich bei den Zahlen der Studienanfänger der nicht zugeordneten Studiengänge – wobei in zulassungsbeschränkten Studiengängen die jeweiligen Zulassungszahlen zugrunde gelegt werden, vgl. § 5 Abs. 4 Satz 3 KapVO NRW 2017 – für die Bachelor- und Masterstudiengänge Erziehungswissenschaft, für den Bachelorstudiengang „Human Movement in Sports and Exercise“ sowie für den Bachelorstudiengang Mathematik ersichtlich um solche vor dem Schwundansatz. Hinsichtlich des Masterstudiengangs Mathematik ist zu berücksichtigen, dass die Zulassungszahl im ersten Fachsemester für das Wintersemester 2019/2020 mit der Änderungsverordnung vom 15. November 2019 (GV. NRW. 2019, 860, 867) mittlerweile auf 69 (vorher: 68) festgesetzt wurde. Selbst wenn in die Kapazitätsermittlung insoweit ein Wert nach dem Schwundansatz eingestellt worden sein sollte, würde sich dies angesichts eines Curricularanteils dieses nicht zugeordneten Studiengangs von 0,01 rechnerisch nicht auswirken. Danach führen die auf die nicht zugeordneten Studiengänge entfallenden Dienstleistungsexporte zu einem Abzug von (0,73 DS + 0,41 DS + 0,24 DS + 0,89 DS + 0,43 DS =) 2,7 DS {Vorjahr: 3,41 DS}.
40Es errechnet sich damit ein bereinigtes Lehrangebot der Lehreinheit je Semester (Sb) in Höhe von (324,25 DS - 2,7 DS =) 321,55 DS, woraus wiederum ein bereinigtes Lehrangebot der Lehreinheit für das Studienjahr 2019/2020 von 643,1 DS folgt {Vorjahr: 655,46 DS}.
412. Lehrnachfrage und Aufnahmekapazität
42Diesem bereinigten jährlichen Lehrangebot stellt das Gericht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes mit der Antragsgegnerin (Berechnung vom 15. September 2019) auf der Lehrnachfrageseite einen aus einem Curricularwert (CW) von 3,21 abgeleiteten Curriculareigenanteil i. H. v. 3,18 gegenüber, der von der Lehreinheit Psychologie für den Bachelorstudiengang Psychologie erbracht wird (ein Curricularfremdanteil von jeweils 0,01 entfällt auf die Lehreinheiten Pädagogik, Rechtswissenschaften und Kommunikationswissenschaften). Die den Kapazitätsunterlagen von der Antragsgegnerin beigefügte – offensichtlich aktualisierte – Berechnung des Curricularwertes des Bachelorstudienganges vom 28. Juli 2014 kommt zu einem Wert von 3,2083, gerundet 3,21, und zu einem Eigenanteil von 3,1750, gerundet 3,18. Der Curricularwert, der nach § 6 Abs. 1 Satz 1 KapVO NRW 2017 den in Deputatstunden gemessenen Aufwand aller beteiligten Lehreinheiten, der für die ordnungsgemäße Ausbildung einer oder eines Studierenden in dem jeweiligen Studiengang erforderlich ist, bestimmt, hält sich innerhalb der in Anlage 1 zur KapVO NRW 2017 angeführten Bandbreite von 2,2 – 3,4 für den Bachelorstudiengang Psychologie. Für den ebenfalls der Lehreinheit Psychologie zugeordneten Masterstudiengang Psychologie hat die Antragsgegnerin einen Curricularwert von 1,70 ohne Curricularfremdanteile angesetzt, so dass dieser Wert zugleich den Curriculareigenanteil darstellt. Die den Kapazitätsunterlagen von der Antragsgegnerin beigefügte Berechnung des Curricularwertes des Masterstudiengangs vom 29. Juli 2019 kommt demgegenüber zu einem Wert von 1,9444. Im Hinblick auf die Bandbreitenregelung in der Anlage 1 zur KapVO NRW 2017, wonach eine CW-Bandbreite für den Masterstudiengang Psychologie von 1,10 bis 1,70 gilt, hat die Antragsgegnerin den errechneten CW auf 1,70 „gekappt“. Vor dem Hintergrund, dass sich danach die Curricularwerte sowohl des Bachelor- als auch des Masterstudiengangs Psychologie im Rahmen der in der Anlage 1 zur KapVO NRW 2017 bestimmten Bandbreiten halten,
43vgl. dazu, dass die nunmehr in § 6 KapVO NRW 2017 angesprochenen Curricularwertbandbreiten mit höherrangigem Recht vereinbar sein dürften, etwa OVG NRW, Beschluss vom 13. März 2012 – 13 B 26/12 –, juris Rn. 21 ff.,
44und verbindliche normative Vorgaben für die bei den einzelnen Lehrveranstaltungsarten anzusetzenden Anrechnungsfaktoren und Gruppengrößen nach gegenwärtiger Rechtslage nicht (mehr) existieren, dürfte gegen die von der Antragsgegnerin errechneten Curricularwerte für den Bachelor- und Masterstudiengang Psychologie bzw. gegen die im Rahmen der Berechnung verwendeten Einsatzwerte im vorliegenden vorläufigen Rechtsschutzverfahren nichts zu erinnern sein.
45Vgl. auch VG Münster, Beschluss vom 7. Dezember 2018 – 9 L 1076/18 –, juris Rn. 30 ff.
46Soweit einzelne Antragsteller/Antragstellerinnen einwenden, der Ansatz der Gruppengröße von 120 für die Vorlesungen könne nicht nachvollzogen werden, da die Vorlesungen nur einmal im Jahr angeboten würden und allen Studierenden im Umfang der gesamten Zulassungszahl zur Verfügung stünden, verfängt dies nicht. Insbesondere ist für die Bestimmung der Gruppengröße nicht zwingend die normativ festgelegte oder tatsächliche Zulassungszahl zugrunde zu legen.
47Vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 16. März 2010 – 2 B 428/09 – juris Rn. 12; VG Minden, Beschluss vom 13. Dezember 2018 – 10 Nc 3/18 –, juris Rn. 102 f.
48Die Gruppengröße für Vorlesungen steht in einem Beziehungsgefüge zu den Gruppengrößen anderer Veranstaltungsarten, nämlich den Kleingruppenveranstaltungen wie Seminare, Übungen, Praktika usw., und zur Zahl der vorhandenen Lehrkräfte. Veränderungen in der Gruppengröße für Vorlesungen wirken sich unmittelbar auf die übrigen kapazitätsbestimmenden Gegebenheiten aus: Eine Anhebung der Gruppengröße für Vorlesungen führt nach dem System der Kapazitätsverordnung zwangsläufig zu einer Steigerung der Zulassungszahl. Letzteres bedingt ebenfalls zwangsläufig eine Steigerung der in den Kleingruppenveranstaltungen auszubildenden Studenten: Auf Grund normativer Vorgaben und didaktischer Gründe können die Gruppengrößen der Kleingruppenveranstaltungen jedoch nicht erhöht werden; die gleichwohl von der Hochschule entsprechend den normativen Mindestvoraussetzungen zwingend auszubildende erhöhte Zahl der Studenten kann nur durch Erhöhung der Zahl der jeweiligen Kleingruppen aufgefangen werden, was wiederum eine Erhöhung der Zahl der Lehrkräfte voraussetzt.
49OVG NRW, Beschluss vom 26. August 2013 – 13 C 98/13 –, juris Rn. 15.
50Eine Gruppengröße von 120 für Vorlesungen stellt in dem durch das Berechnungsmodell der Kapazitätsverordnung NRW 2017 vorgegebenen Beziehungsgefüge und dem Spannungsverhältnis zwischen dem vom Studienbewerber Beanspruchbaren und dem von der Antragsgegnerin mit dem ihr zur Verfügung stehenden Lehrpersonal Erbringbaren einen zwischen den beteiligten Interessen vermittelnden, akzeptablen Mittelwert dar.
51Die Antragsgegnerin hat zur Ermittlung der Studienanfängerplatzzahl für die beiden der Lehreinheit Psychologie zugeordneten Studiengänge Psychologie Bachelor und Master so genannte Anteilquoten, § 7 KapVO NRW 2017, errechnet. Für den Bachelorstudiengang hat sie eine vorjährige Bewerberzahl von Studienanfängerinnen/Studienanfängern in Höhe von 5.957 und für den Masterstudiengang eine Bewerberzahl von 6.600 angesetzt, die in der Summe 12.557 Studienbewerberinnen/ Studienbewerber ergeben. Die Antragsgegnerin hat hierzu erläuternd ausgeführt, dass die Anteilquoten aufgrund sachlicher Kriterien unter Berücksichtigung der jeweiligen Nachfrage in den Studiengängen sowie planerischer Gesichtspunkte im Einvernehmen mit dem MKW festgesetzt worden seien. Vor dem Hintergrund, dass ein im Inland an einer Universität oder gleichstehenden Hochschule bestandener Masterabschluss im Studiengang Psychologie, der das Fach Klinische Psychologie einschließt, eine Abschlussprüfung im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 lit. a) PsychThG ist, der die Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten eröffnet,
52vgl. BVerwG, Urteil vom 17. August 2017 – 3 C 12/16 –, juris,
53und unter den Studierenden der Psychologie eine hohe Nachfrage nach einer Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten besteht, unterliegt die Festsetzung der Anteilquoten keiner Beanstandung. Das erforderliche Einvernehmen des MKW ist bereits dadurch hergestellt worden, dass dieses auf der Grundlage der von der Antragsgegnerin in ihrem Kapazitätsbericht vorgeschlagenen Festsetzung der Anteilquoten die maßgebliche Zulassungszahlenverordnung erlassen hat.
54Vgl. insoweit auch VG Münster, Beschluss vom 5. Februar 2018 – 9 L 1676/17 –, juris Rn. 31 ff.
55Die genannten Bewerberzahlen in das Verhältnis zueinander gesetzt, folgt daraus für den Bachelorstudiengang Psychologie ein Anteil von 47,4 % {Vorjahr: 46,4 %}, für den Masterstudiengang Psychologie ein solcher in Höhe von 52,6 % {Vorjahr: 53,6 %}. Nach § 6 Abs. 3 KapVO NRW 2017 wird der gewichtete Curriculareigenanteil durch Multiplikation des Curriculareigenanteils mit der nach § 7 KapVO NRW 2017 gebildeten Anteilquote ermittelt. Unter Berücksichtigung eines Eigenanteils von 3,18 für den Bachelorstudiengang und 1,70 für den Masterstudiengang errechnet sich ein gewichteter Curriculareigenanteil von (3,18 x 0,474) + (1,70 x 0,526) = 1,50732 + 0,8942 ≈ 2,40 {Vorjahr: 2,39}.
56Ausgehend von dem bereinigten Jahreslehrangebot in Höhe von 643,1 DS und dividiert mit dem gewichteten Curriculareigenanteil ermittelt sich ein Studienplatzangebot der Lehreinheit in Höhe von (643,1 DS : 2,40 ≈) 267,96 Studienplätzen {Vorjahr: 274,25 Studienplätze}.
57Entsprechend der oben ermittelten Anteilquoten errechnen sich danach für den Bachelor-Studiengang (267,96 x 0,474 ≈) 127,01, mithin weiter gerundet 127 Studienanfängerplätze {Vorjahr: 127 Studienanfängerplätze}.
58Die ermittelte jährliche Aufnahmekapazität ist zu überprüfen. Sie soll nach § 9 KapVO NRW 2017 erhöht werden, wenn zu erwarten ist, dass wegen Aufgabe des Studiums oder Fachwechsels oder Hochschulwechsels die Zahl der Abgänge an Studierenden in höheren Fachsemestern erheblich größer ist als die Zahl der Zugänge (Schwundquote). Auf der Grundlage des nicht zu beanstandenden und auf der amtlichen Statistik beruhenden so genannten Hamburger Modells hat die Antragsgegnerin für den Bachelorstudiengang einen Schwundausgleichsfaktor von 0,90 {Vorjahr: 0,89} angesetzt, den sie im gerichtlichen Verfahren durch ein entsprechendes Tabellenwerk belegt hat.
59Im Wege des Schwundausgleichs führt dessen Anwendung zu einer Erhöhung auf (127 : 0,9 ≈) 141,1, mithin weiter gerundet 141 Studienanfängerplätzen im Bachelorstudiengang Psychologie für das Studienjahr 2019/2020 {Vorjahr: 143 Studienanfängerplätze}.
60Zur Rundung des Berechnungsergebnisses vor der Schwundberechnung vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Juni 1992 – 13 C 104/92 –.
61Der hiernach ermittelten Zahl von 141 Studienplätzen im ersten Fachsemester im Bachelorstudiengang Psychologie stehen 146 kapazitätsdeckende Einschreibungen (Stand: Vorlesungsbeginn am 7. Oktober 2019) gegenüber. Anlass, an den entsprechenden dienstlich erklärten Angaben der Antragsgegnerin zu zweifeln, besteht nicht.
62Darauf, ob die Antragstellerin/ der Antragsteller den auf den Anordnungsgrund bzw. den Anordnungsanspruch im Übrigen bezogenen und mit der Eingangsverfügung mitgeteilten Anforderungen des Gerichts hinreichend Rechnung getragen hat, kommt es danach nicht an.
63Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
64Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. Sie entspricht der ständigen Spruchpraxis des beschließenden Gerichts und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen in Verfahren der vorliegenden Art.
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Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird auf 10.000 Euro festgesetzt.
1Gründe:
2Der Antrag ist jedenfalls unbegründet.
3Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO liegen nicht vor. Nach dieser Bestimmung kann das Normenkontrollgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.
4Das Erfordernis eines schweren Nachteils bindet die Aussetzung der Vollziehung einer Norm an erheblich strengere Voraussetzungen als sie sonst für den Erlass einstweiliger Anordnungen gemäß § 123 VwGO im verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz verlangt werden. Die Außervollzugsetzung eines Bebauungsplans zur Abwehr eines schweren Nachteils ist nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen gerechtfertigt, die durch Umstände gekennzeichnet sind, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung gleichsam unabweisbar erscheinen lassen.
5Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Mai 1998 – 4 VR 2.98 –, juris, Rn. 3; OVG NRW, Beschluss vom 9. November 2006 – 7 B 1667/06.NE –, juris, Rn. 5.
6Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts stellt allein der Umstand, dass die Umsetzung des angegriffenen Bebauungsplans unmittelbar bevorsteht, noch keinen schweren Nachteil im Verständnis von § 47 Abs. 6 VwGO dar. Hinzukommen muss vielmehr, dass die Verwirklichung des Bebauungsplans in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht eine schwerwiegende Beeinträchtigung rechtlich geschützter Positionen des jeweiligen Antragstellers konkret erwarten lässt.
7Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 24. Oktober 2016 – 2 B 1368/15.NE –, juris, Rn. 7, vom 29. Februar 2016 – 10 B 134/16.NE –, juris, Rn. 5, vom 21. September 2005 – 10 B 9/05.NE –, juris, Rn. 8, und vom 9. November 2006 – 7 B 1667/06.NE –, juris, Rn. 11 ff.
8Aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten sein kann die Außervollzugsetzung eines Bebauungsplans, wenn sich dieser bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich unwirksam erweist, und seine Umsetzung den Antragsteller konkret so beeinträchtigt, dass die einstweilige Anordnung jedenfalls deshalb dringend geboten ist.
9Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 24. Oktober 2016 – 2 B 1368/15.NE –, juris, Rn. 11, vom 29. Februar 2016 – 10 B 134/16.NE –, juris, Rn. 7, vom 27. April 2009 – 10 B 459/09.NE –, juris, Rn. 7, vom 25. Januar 2008 – 7 B 1743/07.NE –, juris, Rn. 8.
10Die begehrte einstweilige Anordnung ist hier weder zur Abwehr schwerer Nachteile noch aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten.
11Der Antragsteller befürchtet, dass von dem von der Beigeladenen geplanten Hochregallager mit Kommissionierungshalle, für deren Errichtung der angegriffene Bebauungsplan die planungsrechtliche Grundlage schaffen soll, eine erdrückende Wirkung zu Lasten des westlich des Plangebiets und der dort verlaufenden E.-straße gelegenen Grundstücks Gemarkung P., Flur 11, Flurstück 518, dessen Miteigentümer er ist, sowie des wiederum westlich hieran angrenzenden Grundstücks J.-straße 11 (Gemarkung P., Flur 11, Flurstücke 425, 489, 490 und 491) der I. Fenster- und Türenfabrik GmbH & Co. KG, deren Geschäftsführer er ist, ausgehen werde. Außerdem hält er die Beeinträchtigung der Besonnung der besagten Grundstücke durch das Hochregallager für unzumutbar und sieht sie erheblichen planbedingten Lärmimmissionen ausgesetzt.
12Einen schweren Nachteil in dem oben angesprochenen Sinne legt der Antragsteller damit nicht dar. Der Bebauungsplan setzt den wesentlichen Teil des Plangebiets als Industriegebiet fest. Die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung ermöglichen im westlichen Teil des Plangebiets im Abstand von 5,50 m zur E.-straße die Errichtung eines Hochregallagers mit einer Länge von Norden nach Süden von etwa 90 m und einer Höhe von im Mittel 37 m über dem Straßenniveau. Im mittleren und östlichen Teil des Plangebiets ist die Errichtung einer an das Hochregallager anschließenden Kommissionierungshalle mit einer Höhe von im Mittel 13 m über Straßenniveau vorgesehen. Der mit dem Betrieb des Hochregallagers und der Kommissionierungshalle insbesondere verbundene Werksverkehr und die Verladetätigkeiten werden zum großen Teil in dem gegenüber den besagten Grundstücken von dem Hochregallager abgeschirmten Bereichen südlich und östlich sowie in einem Bereich nördlich der Kommissionierungshalle stattfinden. Ausweislich des Schalltechnischen Berichts der A. Ingenieurgesellschaft vom 16. September 2019 unterschreiten die von dem von der Beigeladenen im Plangebiet beabsichtigten Betrieb ausgehenden Geräuschimmissionen an dem IP 01, der das nächstgelegene Büro- und Verwaltungsgebäude auf dem Grundstück E.-straße 12 unmittelbar nördlich des Plangebiets repräsentiert, den maßgeblichen Immissionsrichtwert für Industriegebiete von 70 dB(A) tags um 10 dB(A).
13Ausgehend hiervon fehlt es an Anhaltspunkten für eine unzumutbare planbedingte Belastung zum Nachteil des ebenfalls in einem festgesetzten Industriegebiet liegenden, derzeit ohnehin nicht bebauten Flurstücks 518 sowie des gleichfalls als Industriegebiet festgesetzten, von der I. Fenster- und Türenfabrik GmbH & Co. KG genutzten, von dem geplanten Hochregallager circa 60 m entfernt liegenden Grundstücks J.-straße 11, die die Schwelle des schweren Nachteils nach dem Vorstehenden überschreiten könnte.
14Die Außervollzugsetzung des Bebauungsplans ist auch nicht deshalb angezeigt, weil dieser sich bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig vorzunehmenden summarischen Prüfung als offensichtlich unwirksam erweist und seine Umsetzung den Antragsteller konkret so beeinträchtigt, dass die einstweilige Anordnung jedenfalls deshalb dringend geboten ist. Nach den vorstehenden Ausführungen ist auch für eine konkrete Betroffenheit des Antragstellers unterhalb der Schwelle des schweren Nachteils, die eine einstweilige Anordnung gebieten könnte, weder Näheres vorgetragen noch ersichtlich.
15Die Abwägungsfehler, die der Antragsteller geltend macht, sind bei summarischer Prüfung jedenfalls nicht offensichtlich.
16Dies gilt zunächst mit Blick auf die von ihm befürchtete erdrückende Wirkung des mit dem Bebauungsplan zugelassenen Hochregallagers auf die besagten Grundstücke.
17Eine bauliche Anlage kann im Ausnahmefall eine erdrückende Wirkung auf ein benachbartes Grundstück haben, wenn sie dieses wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung unangemessen benachteiligt, indem sie ihm förmlich „die Luft nimmt“, wenn für den Nachbarn das Gefühl des „Eingemauertseins“ entsteht oder wenn die „erdrückende“ Anlage auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalls trotz Wahrung der erforderlichen Abstandsflächen derartig übermächtig ist, dass das „erdrückte“ Grundstück oder seine Bebauung nur noch oder überwiegend als von einer „herrschenden“ Anlage dominiert ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen wird.
18Vgl. zum Beispiel OVG NRW, Beschlüsse vom 30. August 2012 – 2 B 983/12 –, juris, Rn. 10, und vom 9. Februar 2009 – 10 B 1713/08 –, juris, Rn. 25, Urteil vom 15. März 2007 – 10 A 998/06 –, juris, Rn. 63.
19Ob eine solche Wirkung vorliegt oder nicht, kann nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls entschieden werden. Neben den Ausmaßen der „erdrückenden“ Anlage auch im Verhältnis zu einer möglichen Bebauung des „erdrückten“ Grundstücks – Bauhöhe, Ausdehnung und Gestaltung der Fassaden, Baumasse, usw. – kann die konkrete Lage der Baukörper eine wesentlich Rolle spielen. Von besonderer Bedeutung werden regelmäßig die Entfernung zwischen den Baukörpern beziehungsweise Grundstücksgrenzen, die Nutzung der Grundstücke und die jeweilige Umgebung sein. So kann es beispielsweise darauf ankommen, ob die „erdrückende“ Anlage für sich steht oder ob das „erdrückte“ Grundstück von anderen Anlagen vergleichbarer Dimension umgeben ist, die zu der erdrückenden Wirkung beitragen und diese verstärken können.
20Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. August 2005 – 10 A 3138/02 –, juris, Rn. 50.
21Gemessen an diesen Maßstäben ist nicht erkennbar, dass das durch die Festsetzungen des Bebauungsplans ermöglichte Hochregallager wegen seiner baulichen Dimensionen gegenüber den besagten Grundstücken oder deren gewerblichen Zwecken dienenden Bebauung rücksichtslos und dem Rat insoweit ein Abwägungsfehler unterlaufen sein könnte. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Grundstücke ebenso wie das geplante Hochregallager in einem festgesetzten Industriegebiet gelegen und deswegen gegenüber den von Nachbargebäuden wegen ihrer baulichen Dimensionen ausgehenden optischen Wirkungen deutlich weniger schutzwürdig sind als es etwa benachbarte Wohngrundstücke in einem Wohnumfeld wären, für die die vorstehend wiedergegebenen Maßstäbe in erster Linie entwickelt worden sind. Geht es um die optische Auswirkungen, die von Industriebauten wegen ihrer baulichen Dimensionen auf andere Grundstücke in einem Industriegebiet und die dort befindliche Bebauung ausgehen, kommt eine Rücksichtslosigkeit wegen erdrückender Wirkung – wenn überhaupt – nur in absoluten Extremfällen in Betracht.
22Für das Grundstück J.-straße 11 scheidet eine erdrückende Wirkung nach diesen Maßstäben schon wegen seiner Entfernung von circa 60 m zu dem geplanten Hochregallager aus. Mit Blick auf die Größe des Flurstücks 518 und die baulichen Dimensionen der Bebauung auf den nördlich, westlich und südlich gelegenen Grundstücken – soweit sich diese aus den zur Verfügung stehenden Luftbildern ersehen lässt – kann auch nicht davon gesprochen werden, dass das um 5,50 m von der E.-straße zurückversetzte Hochregallager diesem Industriegebietsgrundstück und seiner etwaigen zukünftigen Bebauung „die Luft nehmen“, es „einmauern“ oder unzumutbar optisch „beherrschen“ wird. Soweit der Bebauungsplan unter bestimmten Voraussetzungen und in geringem Ausmaß etwa für technische Aufbauten und Anlagen eine Überschreitung der festgesetzten Höhe der baulichen Anlagen zulässt, ändert sich an dieser Einschätzung nichts.
23Ein offensichtlicher Abwägungsfehler ist auch nicht mit Blick auf die von dem Antragsteller gerügte zu erwartende Verschattung der besagten Grundstücke gegeben.
24Allgemein gilt, dass es einem Nachbargrundstück regelmäßig zumutbar ist, dass ein Gebäude einen Schatten auf dieses wirft. Dies entspricht in bebauten Gebieten dem Regelfall. Das Gebot der Rücksichtnahme fordert nicht, dass alle Fenster eines Hauses beziehungsweise das gesamte Grundstück das ganze Jahr über optimal besonnt oder belichtet werden.
25Vgl. OVG NRW, Urteil vom 6. Juli 2012 – 2 D 27/11.NE –, juris, Rn. 63, Beschlüsse vom 29. August 2011 – 2 B 940/11 –, juris, Rn. 22, und vom 9. Februar 2009 – 10 B 1713/08 –, juris, Rn. 30, jeweils m. w. N.
26Dabei ist auch insoweit gewerblich genutzten Grundstücken und deren Bebauung in einem festgesetzten Industriegebiet ein deutlich größeres Ausmaß an Verschattung zuzumuten als etwa einem Wohngrundstück in einem Wohnumfeld.
27Der Rat hat die von dem Hochregallager und der Kommissionierungshalle ausgehende Verschattung der umliegenden Grundstücke ermittelt. Für eine unzumutbare Verschattung des Grundstücks J.-straße 11 ergeben sich schon angesichts der Entfernung des Grundstücks von dem Hochregallager und der Lage des Grundstücks westlich des Plangebiets keine Anhaltspunkte. Dass insbesondere in den Wintermonaten auch das Grundstück J.-straße 11 in den Morgenstunden im Schatten des Hochregallagers liegen kann, genügt hierfür nicht. Ein Anspruch darauf, dass bei einer weiteren baulichen Ausnutzung der Nachbargrundstücke etwa die in dem Betriebsgebäude der I. Fenster- und Türenfabrik GmbH & Co. KG befindlichen Ausstellungsräume nicht schlechter belichtet werden als derzeit, besteht nicht. Auch wenn das Flurstück 518 bei Errichtung des Hochregallagers zukünftig insbesondere in den Vormittagsstunden je nach Jahreszeit mehr oder weniger stark verschattet werden kann, ist insoweit ebenfalls keine Belastung zu erkennen, die für ein Grundstück in einem Industriegebiet unzumutbar sein könnte. Dass die Belichtung der zur Produktion oder als Büros genutzten Räume in einem künftigen Betriebsgebäude wegen des von dem Hochregallager verursachten Schattens mehr künstliches Licht erfordern würde, macht das Hochregallager nicht unzumutbar.
28Soweit der Antragsteller befürchtet, dass von dem Hochregallager und der Kommissionierungshalle erhebliche Lärmimmissionen auf die besagten Grundstücke ausgehen werden, zeigt er nicht auf, dass eine Umsetzung des Bebauungsplans insoweit zu einer offensichtlichen konkreten Beeinträchtigung führen würde, die eine einstweilige Anordnung jedenfalls deshalb dringend geboten erscheinen ließe.
29Wie bereits vorstehend ausgeführt unterschreiten die prognostizierten planbedingten Geräuschimmissionen an dem IP 01 den für den Tagbetrieb maßgeblichen Immissionsrichtwert für Industriegebiete um 10 dB(A). Der Antragsteller räumt selbst ein, dass die von dem Betrieb der neu zugelassenen Anlagen ausgehenden, auf das Flurstück 518 und das Grundstück J.-straße 11 einwirkenden Geräuschimmissionen wegen der abschirmenden Wirkung des Hochregallagers „von untergeordneter Bedeutung“ sind. Soweit er bezweifelt, dass die der schalltechnischen Untersuchung zugrunde gelegte Zahl der täglich zu erwartenden Lkw-Fahrten realistisch sei, ist angesichts ihrer Ergebnisse nicht davon auszugehen, dass bei einer nach Auffassung des Antragstellers realistischen Zahl von Lkw-Fahrten die Geräuscheinwirkungen auf die besagten Grundstücke die Schwelle einer konkreten Beeinträchtigung überschreiten würden. Dies gilt auch mit Blick auf die möglicherweise unterbliebene Berücksichtigung der von der bereits vorhandenen Lkw-Waage an der E.-straße ausgehenden Lärmbelastung.
30Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.
31Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
32Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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Tenor
Der Antrag wird als unzulässig verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
1G r ü n d e
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unzulässig.
31. Dem Kläger fehlt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis an der mit dem Rechtsmittel weiter verfolgten Aufhebung der angefochtenen dienstlichen Beurteilung vom 19. Juli 2017, nachdem er mit rechtskräftiger Entlassungsverfügung vom 30. Januar 2015 aus dem Dienst entlassen worden ist.
4Vgl. Dienstgericht Düsseldorf, Urteil vom 23. August 2016 – DG 3/15 –, n. v.; DGH für Richter beim OLG Hamm, Urteil vom 26. Februar 2018 – 1 DGH 9/16 –, juris; BGH, Urteil vom 27. Februar 2019 – RiZ (R) 2/18 –, juris, sowie der die Anhörungsrüge des Klägers ablehnende Beschluss vom 2. Mai 2019 – RiZ (R) 2/18 –, n. v.
5Für eine Klage gegen eine dienstliche Beurteilung besteht dann kein Rechtsschutzinteresse mehr, wenn die Beurteilung infolge bestands- oder rechtskräftiger Entlassung ihre rechtliche Zweckbestimmung verliert.
6Vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Juni 1985 – 2 C 6.83 –, ZBR 1985, 347 = juris, Rn. 16, vom 11. Februar 1982 – 2 C 33.79 –, DÖD 1982, 236 = juris, Rn. 19 f., und vom 17. Dezember 1981 – 2 C 69.81 –, ZBR 1982, 350 = juris, Rn. 22.
7Der Kläger hat auch mit seinem Vorbringen im Berufungszulassungsverfahren nicht darzulegen vermocht, dass aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls vorliegend etwas anderes gelten würde.
8Allerdings kann einer dienstlichen Beurteilung über ihre allgemeine Zweckbestimmung, Auswahlgrundlage für künftige Personalentscheidungen in der Beamten- oder Richterlaufbahn zu sein, der der Beurteilte angehört, hinausgehende Relevanz zukommen, wenn der Betroffene – wie es hier der Kläger unter Vorlage verschiedener Bewerbungsnachweise angibt – beabsichtigt, sich für ein anderes Amt im Staatsdienst zu bewerben. Ein (früherer) Beamter oder Richter kann auch nach Beendigung des Beamten- oder Richterverhältnisses ein berechtigtes Interesse in Gestalt eines Rehabilitierungsinteresses daran haben, die angegriffene Beurteilung aufzuheben oder ihre Rechtswidrigkeit gerichtlich feststellen zu lassen, etwa weil eine Verletzung seiner Ehre durch die Beurteilung in Betracht kommt; dies hat der (frühere) Beamte oder Richter auf Grund konkreter Umstände darzulegen.
9Vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Juni 1985 – 2 C 6.83 –, ZBR 1985, 347 = juris, Rn. 18, 20, vom 11. Februar 1982 – 2 C 33.79 –, DÖD 1982, 236 = juris, Rn. 19 f., 24, und vom 17. Dezember 1981 – 2 C 69.81 –, ZBR 1982, 350 = juris, Rn. 22 f., 25; dazu auch der dievorangegangene dienstliche Beurteilung des Klägers vom 21. November 2014 betreffende Beschluss des Senats vom 7. Juni 2016 – 1 E 397/16 –, juris, Rn. 11.
10Dies vorausgesetzt kann der Kläger – anders als hinsichtlich der vorangegangenen dienstlichen Beurteilung vom 21. November 2014 – in dem vorliegenden Verfahren ein Rechtsschutzbedürfnis in Form eines gesteigerten Rehabilitationsinteresses nicht daraus herleiten, dass die Beurteilung Ausführungen enthält, die geeignet erscheinen, seine Ehre zu verletzen. Die hier angefochtene dienstliche Beurteilung vom 19. Juli 2017 enthält keine potentiell ehrverletzenden Äußerungen. Insbesondere ist – anders als der Kläger meint – von einem „erheblich eingeschränktem Denk- und Urteilsvermögen“ nicht mehr die Rede.
11Soweit der Kläger sich insoweit – wohl – insgesamt durch die Darstellung und Bewertung der Umstände um seine in den sozialen Medien erfolgte Kontaktaufnahme mit einer ihm (weitgehend) unbekannten Frau sowie seinen Reaktionen gegenüber seinen Vorgesetzten anlässlich der Konfrontation in der angefochtenen dienstlichen Beurteilung in seinem Achtungsanspruch verletzt sieht, weil diese in Details und im Ganzen unrichtig seien, trifft dies nicht zu. Sowohl die Darstellung dieser Umstände als auch die abschließende Bewertung, diese Vorgänge rechtfertigten ernstliche Zweifel an der Eignung des Antragstellers, sind mittlerweile mit rechtskräftigem Urteil des Bundesgerichtshofs (Dienstgericht des Bundes) vom 27. Februar 2019 – RiZ (R) 2/18 –, juris, insbesondere Rn. 32 bis 42, vollumfänglich bestätigt worden. Diese Entscheidung ist dem Kläger bekannt. Der Senat sieht daher von einer Wiedergabe der Entscheidungsgründe ab. Der Senat kann hiervon nicht abweichen. Die Entscheidungsgründe des Urteils nehmen nämlich, soweit sie den dort abgeurteilten Lebenssachverhalt betreffen, unselbständig an der Rechtskraftwirkung des Urteils teil und können in einem nachfolgenden Prozess, für den – wie hier – derselbe Lebenssachverhalt maßgeblich ist, nicht mehr infrage gestellt werden. Der Vorhalt dieser nach alledem wahren Tatsachen kann den Kläger indes von vorneherein nicht in seiner Ehre verletzen.
122. Der Zulassungsantrag entspricht im Übrigen auch nicht den Darlegungsanforderungen.
13Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO nur zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO innerhalb der Begründungsfrist von einem vertretungsberechtigten Bevollmächtigten dargelegt ist und vorliegt. Dabei bedeutet „darlegen“ i. S. v. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, unter konkreter Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil fallbezogen zu erläutern, weshalb dieVoraussetzungen des jeweils geltend gemachten Zulassungsgrundes im Streitfall vorliegen sollen. Das Oberverwaltungsgericht soll allein aufgrund der Zulassungsbegründung die Zulassungsfrage beurteilen können, also keine weiteren aufwändigen Ermittlungen anstellen müssen.
14Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Oktober 2013– 1 A 106/12 –, juris, Rn. 2, m. w. N.; ferner etwa Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 186, 194 m. w. N.
15Zweck des Vertretungsgebots (§ 67 Abs. 4 VwGO) ist hier, dass der bevollmächtigte Rechtsanwalt die Antragsbegründung selbst erarbeitet und hierfür die Verantwortung übernimmt. Es reicht nicht aus, wenn der Prozessbevollmächtigte von der Partei inhaltlich unverändert übernommene Ausführungen lediglich unterzeichnet, auch wenn der Schriftsatz den Briefkopf des Rechtsanwalts trägt.
16Vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 200 m. w. N.
17So liegt der Fall hier. Die vorgelegte Zulassungsbegründungsschrift vom 23. Januar 2019 stammt ganz offenkundig nicht von dem bevollmächtigten Rechtsanwalt, sondern vom Kläger selbst. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus einer vergleichenden Lektüre der vom Kläger im erstinstanzlichen Verfahren unter seinem eigenen Namen eingereichten Schriftsätze, und zwar auch unabhängig von dem weiteren Umstand, dass auch große Teile dieses erstinstanzlichen Vortrags wortgleich in die Zulassungsbegründung übernommen worden sind. Bedient sich ein Beteiligter eines Prozessbevollmächtigten, so muss auch letzterer entsprechend der ihm übertragenen Verantwortung den Streitstoff selbst sichten, prüfen und rechtlich durchdringen. Als zu einer Vertretung auch in eigener Sache berechtigter Rechtsanwalt (vgl. § 67 Abs. 4 Sätze 3 und 6 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 VwGO) ist der Kläger ohnehin erstmals mit Schriftsatz vom 14. August 2020 und damit deutlich nach Ablauf der Frist zur Begründung des Zulassungsantrags aufgetreten.
18Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 40, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 2 GKG.
19Dieser Beschluss ist hinsichtlich der Streitwertfestsetzung nach §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG und im Übrigen gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
20Das angefochtene Urteil ist nunmehr rechtskräftig, § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO.
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Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 10.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
1Der Antrag hat keinen Erfolg.
2Nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung nach Auffassung des Rechtsmittelführers zuzulassen ist. Dies erfordert regelmäßig, dass in dem Antrag die als gegeben erachteten gesetzlichen Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO benannt werden und im Einzelnen ausgeführt wird, weshalb die Voraussetzungen für den jeweils geltend gemachten Zulassungsgrund erfüllt sein sollen.
3Diesen Darlegungsanforderungen genügt die Zulassungsbegründung der Kläger, in dem keine Zuordnung zu einem der gesetzlichen Zulassungsgründe erfolgt, nicht. Ungeachtet dieses Mangels lässt sich aus der Begründung nicht entnehmen, dass einer der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO gegeben sein könnte. In Betracht kommt insoweit allein der sinngemäß geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
4Stützt der Rechtsmittelführer seinen Zulassungsantrag auf diesen Zulassungsgrund, muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen. Dabei muss er den tragenden Rechtssatz oder die Feststellungen tatsächlicher Art, die er mit seinem Antrag angreifen will, bezeichnen und mit schlüssigen Gegenargumenten infrage stellen. Daran fehlt es hier.
5Das Verwaltungsgericht hat die Klage der Kläger gegen die Baugenehmigung der Beklagten vom 1. Februar 2018 für die Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit drei Wohneinheiten sowie eines Carports auf dem Grundstück N. 107 in C. (im Folgenden: Vorhaben) abgewiesen. Die Baugenehmigung verstoße nicht gegen Vorschriften des öffentlichen Baurechts, die dem Schutz der Kläger zu dienen bestimmt seien. Sie könnten sich weder auf einen Gebietswahrungsanspruch noch darauf berufen, dass sich das Vorhaben hinsichtlich seiner baulichen Dimensionen nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Denn die in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB genannten Merkmale vermittelten für sich genommen keinen Nachbarschutz. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot liege nicht vor.
6Soweit die Kläger weiterhin geltend machen, dass sich das Vorhaben nicht in die nähere Umgebung, die durch kleine Einfamilienhäuser geprägt sei, einfüge, zeigen sie eine Verletzung in eigenen Rechten nicht auf. Das Verwaltungsgericht hat bereits die maßgeblichen Grundsätze zum baurechtlichen Nachbarschutz dargestellt. Es ist danach nicht entscheidend, ob es für das Vorhaben in der näheren Umgebung ein Vorbild gibt. Ebenso wenig relevant sind die Ausführungen der Kläger zur Genehmigungspraxis der Beklagten.
7Dass das Vorhaben entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts insbesondere wegen einer von ihm ausgehenden erdrückenden Wirkung zu Lasten des Grundstücks der Kläger rücksichtslos sein könnte, ergibt sich aus ihrem Vorbringen ebenfalls nicht. Das Verwaltungsgericht hat auch hierzu die in der Rechtsprechung entwickelten, diesbezüglich anzulegenden Maßstäbe zutreffend wiedergegeben. Danach kann eine bauliche Anlage erdrückende Wirkung haben, wenn sie wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung ein benachbartes Grundstück unangemessen benachteiligt, indem sie diesem förmlich „die Luft nimmt“, wenn für den Nachbarn das Gefühl des „Eingemauertseins“ entsteht oder wenn die Größe der „erdrückenden“ baulichen Anlage auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalls – und gegebenenfalls trotz Freihaltung der erforderlichen Abstandsflächen – derartig übermächtig ist, dass das „erdrückte“ Grundstück oder dessen Bebauung nur noch oder überwiegend wie eine von einer „herrschenden“ baulichen Anlage dominierte Fläche ohne eigene bauliche Charakteristik wahrgenommen wird.
8Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 4. September 2020 – 10 A 4650/19 –, juris, Rn. 5, und vom 9. Februar 2009 – 10 B 1713/08 –, juris, Rn. 25.
9Ob eine solche Wirkung zu erwarten ist oder nicht, kann nur unter Berücksichtigung aller konkreten Umstände des Einzelfalls entschieden werden. Neben den Ausmaßen beider Baukörper in ihrem Verhältnis zueinander – zum Beispiel Bauhöhe, Ausdehnung und Gestaltung der Fassaden und Baumasse – kann die Lage der Bauwerke zueinander eine Rolle spielen. Von besonderer Bedeutung im Rahmen dieser Bewertung wird regelmäßig die Entfernung zwischen den Baukörpern beziehungsweise Grundstücksgrenzen sein.
10Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. August 2005 – 10 A 3138/02 –, juris, Rn. 50.
11Gemessen an diesen Maßstäben hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend hervorgehoben, dass das Vorhaben die nach den Abstandsflächenvorschriften erforderlichen Abstände gegenüber der Grenze zum Grundstück der Kläger einhält und die Höhe des Vorhabens noch unterhalb des Firstes ihres Wohnhauses liegt. Zwar ist die zur gemeinsamen Grenze ausgerichtete westliche Außenwand des Vorhabens um mehrere Meter länger als die östliche Außenwand des Wohnhauses der Kläger, doch kann auch wegen der Entfernung der Baukörper voneinander, wegen des unverbauten Blicks aus dem in nördlicher Richtung gelegenen Garten der Kläger und wegen des zum Vorhabengrundstück hin deutlich abfallenden Geländes ersichtlich nicht die Rede davon sein, dass das Vorhaben dem Grundstück der Kläger „die Luft nimmt“. Das Vorhaben „mauert“ das Grundstück der Kläger auch weder „ein“ noch dominiert es dieses derart, dass das dort aufstehende Wohnhaus als eine bauliche Anlage ohne eigenständige bauliche Charakteristik wahrgenommen wird. Dass das Vorhaben deutlich breiter ist als das Wohngebäude der Kläger spielt insoweit keine Rolle. Die Unterschiede der beiden Häuser im Hinblick auf ihre Abmessungen ergeben sich im Übrigen nicht zuletzt auch daraus, dass die Kläger ihr Grundstück mit einem als Doppelhaushälfte errichteten Einfamilienhaus bebaut haben. Dass die Kläger, wie sie vortragen, bei einem Blick aus ihrem Küchenfenster ausschließlich auf die westliche Wand des Vorhabens sehen können, müssen sie nach den vorstehenden Grundsätzen hinnehmen. Ob die Kläger angesichts der in der Umgebung vorhandenen Bebauung und der Größe des Vorhabengrundstücks damit rechnen mussten, dass dieses mit einem Wohngebäude bebaut wird, welches dem Vorhaben entspricht, kann letztlich offen bleiben. Das Rücksichtnahmegebot schützt den Grundstückseigentümer jedenfalls nicht davor, dass ein benachbartes Grundstück künftig intensiver baulich ausgenutzt wird als zuvor. Die bisherige Situation der Kläger, die wegen der Hanglage von ihrem Grundstück aus einen freien Ausblick hatten und über das Wohngebäude ihrer Nachbarn hinwegschauen konnten, ist nach alledem rechtlich nicht geschützt.
12Das Ausmaß der durch das Vorhaben verursachten Verschattung des Grundstücks der Kläger überschreitet die Zumutbarkeitsgrenze schon mit Blick auf die Lage der Gebäude und ihre baulichen Dimensionen ersichtlich nicht.
13Der Senat teilt schließlich auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass das Vorhaben keine den Klägern unzumutbare Möglichkeiten schafft, von dem Vorhabengrundstück aus auf ihr Grundstück zu blicken.
14Gewähren Fenster, Balkone oder Terrassen eines neuen Gebäudes beziehungsweise Gebäudeteils den Blick auf ein Nachbargrundstück, ist deren Ausrichtung, auch wenn der Blick von dort in einen Ruhebereich des Nachbargrundstücks fällt, nicht aus sich heraus rücksichtslos. Es ist in bebauten Gebieten üblich, dass infolge einer solchen Bebauung erstmals oder zusätzlich Einsichtsmöglichkeiten entstehen. Nach ständiger Rechtsprechung der Bausenate des Oberverwaltungsgerichts ist dies regelmäßig hinzunehmen.
15Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 26. März 2019 – 7 D 65/17.NE –, juris, Rn. 30, vom 22. Februar 2019 – 7 B 1783/18 –, juris, Rn. 15, vom 10. September 2018 – 10 B 1114/18 –, juris, Rn. 8, und vom 24. Juli 2017 – 10 B 350/17 –.
16Der Eigentümer oder Nutzer eines Grundstücks kann nicht beanspruchen, dass ihm auf den Freiflächen seines Grundstücks ein den Blicken Dritter entzogener Bereich verbleibt.
17Vgl. OVG NRW, Urteil vom 8. April 2020 – 10 A 352/19 –, Rn. 34 ff., Beschluss vom 9. August 2018 – 10 B 994/18 –, juris, Rn. 7.
18Eine auf fehlende Rückzugsmöglichkeiten auf dem betroffenen Grundstück bezogene Bewertung von Einsichtsmöglichkeiten als rücksichtslos ließe sich in dieser Allgemeinheit nicht praktikabel handhaben. Wäre jeder Bauherr unter dem Gesichtspunkt der Rücksichtnahme verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die Öffnungen, Balkone und Freisitze des geplanten Gebäudes keine Blicke auf die umliegenden bebauten Grundstücke eröffnen, die die dort möglicherweise gegebenen „Rückzugsmöglichkeiten“ zunichtemachen, würde dies die Bautätigkeit in nicht wenigen Fällen erheblich erschweren, wenn nicht gar zum Erliegen bringen. Ein im Bauplanungsrecht wurzelnder Anspruch, zumindest auf einem Teil der Freiflächen des eigenen Grundstücks vor fremden Blicken geschützt zu sein, lässt sich auch nicht aus einem Recht auf Privatsphäre herleiten. Dass derjenige, der die eigenen vier Wände verlässt, dabei gesehen und sogar beobachtet werden kann, liegt in der Natur der Sache. Auf die Frage, inwieweit durch Anpflanzungen oder sonstige Sichtschutzmaßnahmen Einsichtnahmen verhindert werden könnten, kommt es danach nicht entscheidend an.
19Vgl. OVG NRW, Urteil vom 8. April 2020 – 10 A 352/19 –, juris, Rn. 43, Beschluss vom 11. September 2018 – 7 B 918/18 –, juris, Rn. 5.
20Ausgehend hiervon führt es nicht aus sich heraus zur Rücksichtslosigkeit, dass die in der westlichen Wand des Vorhabens geplanten Fenster im ersten Obergeschoss und im Dachgeschoss einen Blick in Richtung der zum Garten ausgerichteten Fenster des Wohnhauses der Kläger sowie auf ihre Terrasse und in den Gartenbereich erlauben, unabhängig davon, dass die Gesamtfläche der Fenster in dieser Wand nach den Angaben der Beklagten in einer Nachtragsgenehmigung halbiert worden ist. Ungeachtet dessen, in welchem Umfang neue Möglichkeiten von Einblicken in die Zimmer des Wohnhauses der Kläger tatsächlich geschaffen werden, können sie sich, wenn ihnen daran gelegen ist, vor solchen Einblicken ohne Weiteres durch das Anbringen von Vorhängen oder Ähnlichem schützen. Da Fenster ungeachtet ihrer Größe regelmäßig nur für gelegentliche Ausblicke nach draußen genutzt werden und zwischen den Fenstern des Vorhabens und dem Terrassen- und Gartenbereich auf dem Grundstück der Kläger einiger Abstand besteht, kann auch nicht davon gesprochen werden, dass hier jegliche Distanz verloren ginge, etwa weil ein potenzieller Betrachter hinter den Fenstern von der Terrasse oder dem Garten der Kläger aus „zum Greifen nahe“ wäre.
21Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
22Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 40, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.
23Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Sätze 1 und 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
24Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags ist das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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Tenor
Der Antrag wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
1G r ü n d e
2Der auf die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2, 3 und 5 VwGO gestützte Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
3Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO innerhalb der Begründungsfrist dargelegt ist und vorliegt. „Darlegen“ i. S. v. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO bedeutet, unter konkreter Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil fallbezogen zu erläutern, weshalb die Voraussetzungen des jeweils geltend gemachten Zulassungsgrundes im Streitfall vorliegen sollen. Die Zulassungsbegründung soll es dem Oberverwaltungsgericht ermöglichen, die Zulassungsfrage allein auf ihrer Grundlage zu beurteilen, also ohne weitere aufwändige Ermittlungen.
4Hiervon ausgehend rechtfertigt das – fristgerecht vorgelegte – Zulassungsvorbringen die begehrte Zulassung der Berufung aus keinem der geltend gemachten Zulassungsgründe. Soweit es den Anforderungen an eine hinreichende Darlegung genügt, greift es in der Sache nicht durch.
51. Die Berufung kann zunächst nicht wegen der geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen werden. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne sind begründet, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
6Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung der Klageabweisung im Kern ausgeführt: Die Klage sei unbegründet. Die angefochtene, auf § 4 Abs. 4 Satz 2PostPersRG gestützte Zuweisungsverfügung der Deutschen Telekom AG (CSH) vom 27. Mai 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Deutschen Telekom AG (HR Business Services) vom 26. Oktober 2015 sei rechtmäßig. Sie sei zunächst in formeller Hinsicht frei von Rechtsfehlern. Insbesondere sei auch der Betriebsrat des aufnehmenden Betriebes (Deutsche Telekom Kundenservice GmbH, im Folgenden: DT KS GmbH) ordnungsgemäß beteiligt worden. Seine Zustimmung gelte nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt, nachdem er die einwöchige Äußerungsfrist habe verstreichen lassen. Die Zuweisungsverfügung sei auch materiell rechtmäßig. Wegen der Voraussetzungen, unter denen ein Beamter eines Postnachfolgeunternehmens einem Tochter- oder Enkelunternehmen nach § 4 Abs. 4 Satz 2 PostPersRG zugewiesen werden könne, nehme die Kammer auf die zutreffenden Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden Bezug. Die Voraussetzungen der Zuweisungsnorm seien auch erfüllt. Zunächst habe die Beklagte ein dringendes betriebliches bzw. personalwirtschaftliches Interesse an der Besetzung des Arbeitspostens in C. und damit an der Zuweisung des Klägers dargelegt. Die Zuweisung stehe ferner im Einklang mit der Fürsorgepflicht, die der Beklagten gegenüber dem schwerbehinderten Kläger obliege. Gesundheitliche Gründe, die diesen an der von ihm verlangten Dienstverrichtung hindern könnten, seien nicht ersichtlich. Die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers, die Dr. L. von der B.A.D. GmbH aufgrund der Eignungsuntersuchung des Klägers vom 26. September 2014 am selben Tag bescheinigt habe, habe die Beklagte bei der konkret zugewiesenen Tätigkeit hinreichend berücksichtigt. Dies hätten die Kammer und der Senat bereits in ihren Beschlüssen vom 29. Juli 2015 – 1 L 558/15 – bzw. vom 7. Oktober 2015– 1 B 972/15 – (BA Seite 4, dritter Absatz) festgestellt bzw. bestätigt. Der Kläger habe in dem (am 4. Dezember 2015 eingeleiteten) Klageverfahren nichts vorgetragen, was diese Ausführungen ernsthaft in Frage stellen könne. Er sei nach wie vor dienstfähig. Weder seine Einwände gegen die Amtsangemessenheit der Beschäftigung am neuen Dienstort noch seine Bedenken, dass (dort) seinen gesundheitlichen Einschränkungen hinreichend Rechnung getragen werde, berührten die Rechtmäßigkeit der Zuweisung; er sei insoweit gehalten, ggf. bei der Geschäftsführung der DT KS GmbH um Abhilfe nachzusuchen. Auch die Entfernung seines Wohnorts zum neuen Dienstort führe nicht dazu, dass die Zuweisung nicht zumutbar i. S. v. § 4 Abs. 4 Satz 2 PostPersRG sei. Dahinstehen könne, ob sein bisheriges Vorbringen, ein wöchentliches Pendeln von B. nach C. und ein Umzug nach C. seien ihm aus persönlichen Gründen unzumutbar, angesichts der zwischenzeitlichen Wohnsitznahme in C. überhaupt noch bedeutsam sei. Bereits in den beiden Eilbeschlüssen sei nämlich jedenfalls ausgeführt, dass es dem Kläger als Bundesbeamten zumutbar sei, auf Verlangen seines Dienstherrn ggf. bundesweit umzuziehen, insbesondere wenn ihm – wie hier – eine Umzugskostenvergütung zugesagt worden sei. Weder Kostengesichtspunkte noch soziale, in erster Linie familiäre Belange stünden dieser Verpflichtung entgegen.
7Das hiergegen gerichtete Zulassungsvorbringen greift nicht durch.
8a) Der Kläger rügt zunächst die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, die Zustimmung des Betriebsrats der DT KS GmbH in C. gelte nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt (Gliederungspunkt 1. a)). Das Gericht habe nicht geprüft, ob überhaupt eine Beteiligung i. S. v. § 99 Abs. 1 Satz 1 und 2 BetrVG erfolgt sei. Aus den Akten sei nicht ersichtlich, dass, wann und mit welchen Informationen diesem Betriebsrat der in Aussicht genommene Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitgeteilt worden seien.
9Das greift ersichtlich nicht durch. Den von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgängen lässt sich zunächst der interne Auftrag entnehmen, eine Vorlage über die beabsichtigte Zuweisung für den insoweit maßgeblichen Betriebsrat FSC (Field Support Center) in C. zu fertigen (zwei E-Mails des Herrn C1. an Herrn F. , beide vom 14. Januar 2015, Beiakte Heft 1, Blatt 24 und 25). Die hierbei gemachten Vorgaben lauteten: Zuweisung einer Tätigkeit als Kundenberater I, 38 Wochenstunden, Fünftagewoche, pro Arbeitstag nur max. vier Stunden Bildschirmarbeit, Restzeit anderweitig, da Wechsel zwischen Gehen, Sitzen und Stehen benötigt, wöchentliches Pendeln mit auswärtiger Übernachtung machbar. Auch die Erledigung dieses Auftrages ergibt sich aus den Akten (E-Mail des Herrn F. an Herrn C1. vom 29. Januar 2015, Beiakte Heft 1, Blatt 23). Schließlich ist auch die die Zuweisung des Klägers (laufende Nummer 11) betreffende Rückäußerung des Betriebsrats nach seiner Sitzung vom 2. Februar 2015 dokumentiert, die sich ausdrücklich auf die Zuweisung einer Planstelle "Kundenberater I" und eine Eingruppierung "KS1 (A7, A8)" bezieht und keine Äußerung im Feld "zugestimmt ja/nein" enthält (Beiakte Heft 1, Blatt 26). Exakt diese Rückäußerung ist auch in der mit der Zulassungserwiderung vom 11. Mai 2018 vorgelegten Übersicht des Betriebsrats FCS der DT KS GmbH enthalten, die neben dem Kläger (laufende Nummer 11) noch weitere Personen bzw. insoweit beabsichtigte Personalmaßnahmen betrifft. Dem und dem entsprechenden Vortrag der Beklagten hat der Kläger auch nichts mehr entgegengehalten.
10b) Ferner wendet sich der Kläger gegen die Bewertung im angefochtenen Urteil, die Zuweisung sei ihm nach allgemeinen beamtenrechtlichen Grundsätzen zumutbar.
11aa) Hierzu macht er zunächst (Gliederungspunkt 1. b)) das Folgende geltend: Die Zuweisung auf einen Dienstposten bei der DT KS GmbH "mit dem konkret übertragenen und (…) mit Schriftsatz zur Klagebegründung vom 11.10.2016 auf Seiten 18 pp. zu III. beschriebenen Aufgabenkreis" sei rechtswidrig. Er habe, was das Verwaltungsgericht verkannt habe, bereits erstinstanzlich vorgetragen, dass die übertragene Tätigkeit nicht leidensgerecht sei, nicht amtsangemessener Verwendung entspreche und zu einer fortwährenden gesundheitlichen Beeinträchtigung und vorübergehenden Dienstunfähigkeit führe, und zur Begründung des Näheren ausgeführt: Auf dem Dienstposten seien ausschließlich EDV-gestützte bzw. schreibtischgebundene Tätigkeiten zu verrichten. Projektarbeit könne dort hingegen nicht stattfinden, wie der als Zeuge benannte unmittelbare Dienstvorgesetzte (Herr I. ) bekundet habe. Zu Beginn seiner Tätigkeit seien ihm in der Annahme, er könne keine EDV-gestützte Tätigkeit ausüben, nur eine Kladde, ein Kugelschreiber und eine Vielzahl von zu sichtenden Beschwerdeschreiben übergeben worden. Eine Einarbeitung in das EDV-System habe es nicht gegeben, und ihm sei auch kein Tätigkeitsfeld an einem EDV-gestützten Arbeitsplatz zugewiesen worden. Andere Mitarbeiter in dem Großraumbüro hätten beständig telefoniert, um Spitzenlastgespräche mit Kunden "aufzufangen". Die Beklagte sei diesem Vortrag nicht entgegengetreten und habe bestätigt, dass auf dem Dienstposten auch fortbestehend keine Verrichtung vorgesehen sei, die der ärztlichen Vorgabe entspreche. Die Führung einer Kladde sei gemessen an seiner früheren Tätigkeit am (2011 aufgelösten) Standort B. der DT KS GmbH ersichtlich nicht amtsangemessen. Das Verwaltungsgericht habe sich zu Unrecht auf die Einschätzung des Senats im Beschluss vom 7. Oktober 2015 gestützt, aus der Zuweisungsverfügung folge, dass er am Tag maximal vier Stunden am Bildschirm und im Übrigen im wechselnder Haltung zu arbeiten haben werde. Diese Einschätzung habe er nämlich nachfolgend (unter dem 11. Oktober 2016) mit seiner Schilderung der Geschehnisse am Standort C. ab Aufnahme seiner Tätigkeit widerlegt.
12Dieses Vorbringen weckt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Einschätzung des Verwaltungsgerichts, die verfügte Zuweisung sei nach allgemeinen beamtenrechtlichen Grundsätzen zumutbar i. S. v. § 4 Abs. 4 Satz 2 PostPersRG.
13Mit der Zuweisungsverfügung in Gestalt des Widerspruchsbescheides ist dem Kläger eine nach A 8 BBesO bewertete und damit für diesen um eine Besoldungsstufe höherwertige Tätigkeit als Kundenberater I mit den im Bescheid vom 27. Mai 2015 auf dessen Seite 2 beschriebenen Kernaufgaben zugewiesen worden. Ferner wird in der Verfügung ausdrücklich ausgeführt, dass eine "vollschichtige Beschäftigung im Rahmen von Projekteinsätzen unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen der Bildschirmarbeit von maximal 4 Stunden und der Möglichkeit des Wechsels zwischen Stehen, Sitzen und idealerweise Gehen möglich" sei (so wörtlich im Bescheid, Seite 4 oben; entsprechend auch im Widerspruchsbescheid, Seite 5, vorletzter Absatz). Dass der Bescheid mit diesem – insoweit maßgeblichen – objektiven Erklärungsgehalt rechtswidrig sein könnte, macht der Kläger schon nicht geltend und ist auch sonst nicht erkennbar.
14Eine abweichende Bewertung ergibt sich auch nicht aus dem – sinngemäßen – Vorbringen des Klägers, die von ihm behaupteten Gegebenheiten am Beschäftigungsort bei Aufnahme seiner Tätigkeit belegten, dass die nach der Verfügung zugewiesene (amtsangemessene und den ärztlichen Vorgaben Rechnung tragende, s. o.) Tätigkeit dort tatsächlich nicht stattfinden könne/werde. Dieses Vorbringen verfehlt schon die Anforderungen an eine hinreichende Darlegung. Es setzt sich nämlich nicht mit der insoweit maßgeblichen Einschätzung des Verwaltungsgerichts (UA Seite 8 f.) auseinander, die Einwände gegen die Amtsangemessenheit der (tatsächlich erfolgten) Beschäftigung am neuen Dienstort und die Bedenken, dass den ärztlichen Vorgaben hinreichend Rechnung getragen werde, berührten die Rechtmäßigkeit der Zuweisung nicht; insofern bestehe nur die Obliegenheit des Klägers, ggf. bei der Geschäftsführung der DT KS GmbH um Abhilfe nachzusuchen. Ein zuweisungswidriger Einsatz des Beamten im Zuweisungsunternehmen hat im Übrigen keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der Zuweisungsverfügung, sondern löst die Pflicht der Deutschen Telekom AG aus, darauf hinzuwirken, dass dieser Mangel abgestellt wird. Bei fehlender Kontrolle der Umsetzung der Zuweisungsverfügung durch die Deutsche Telekom AG obliegt es dem Beamten, die Einhaltung der Vorgaben der Zuweisungsverfügung gegenüber der Deutschen Telekom AG – notfalls auch unter Inanspruchnahme (ggf. auch vorläufigen) gerichtlichen Rechtsschutzes – geltend zu machen.
15Vgl. etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 28. Juni 2011– 1 B 277/11 –, juris, Rn. 18 und 43, vom 19. April 2013 – 1 B 77/13 –, n. v., BA S. 6, und vom 30. September 2014 – 1 B 1001/14 –, juris, Rn. 15 bis 17 (jeweils zur Frage der Amtsangemessenheit des tatsächlichen Einsatzes).
16Unabhängig von dem Vorstehenden griffe dieses Vorbringen aber auch der Sache nach nicht durch. Aus ihm ergibt sich nämlich nicht, dass die Zuweisung in dem hier für die gerichtliche Überprüfung maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides am 26. Oktober 2015
17– vgl. den Senatsbeschluss vom 27. August 2018– 1 B 1078/18 –, juris, Rn. 19 f., m. w. N. –
18in tatsächlicher Hinsicht gleichsam von vornherein auf eine nicht amtsangemessene und nicht den gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers hinreichend Rechnung tragende Tätigkeit abgezielt hat. Die Beklagte hat zu diesem Vorbringen des Klägers schon mit ihrer Klageerwiderung vom 15. März 2017 (S. 5 bis 7) und erneut mit ihrer Antragserwiderung vom 11. Mai 2018 unwidersprochen vorgetragen, dass der Kläger im Jahr 2015 nur am 10. August 2015 und vom 14. bis 16. Dezember 2015 ganztägig Dienst verrichtet und sich an drei weiteren Tagen des Jahres bereits nach wenigen Stunden des Dienstes krankgemeldet habe; 2016 habe er dort nur an 11 Tagen gearbeitet. Da der Kläger nur geringfügig Dienst geleistet habe und sein Erscheinen nicht vorhersehbar gewesen sei, habe die erforderliche, auf acht bis zwölf Wochen zu veranschlagende Einarbeitung bzw. Basisqualifizierung bislang nicht stattfinden können. Die vom Kläger geschilderten Einzeltätigkeiten (Kladde etc.) hätten daher nur einer ersten Heranführung an die zu erledigenden Aufgaben dienen können und besäßen keine Aussagekraft für die tatsächlich nach erfolgter Qualifikation und bei regelmäßiger Arbeitsleistung zu erbringenden Schreibtisch- und Projekttätigkeiten (vgl. deren nähere Beschreibung im Schriftsatz vom 15. März 2017, S. 6 f., und auch den ohne weiteres relevanten Hinweis darauf, dass an dem höhenverstellbaren Schreibtisch des Klägers auch im Stehen gearbeitet werden könne, S. 6, vierter Absatz). Diese Ausführungen der Beklagten, mit denen der Vortrag des Klägers zur mangelnden Amtsangemessenheit der Tätigkeit und zum Verfehlen der ärztlichen Vorgaben nicht etwa bestätigt, sondern zurückgewiesen wird, sind insgesamt, aber gerade auch dann ohne weiteres nachvollziehbar, wenn sie auf den o. g. maßgeblichen Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung bezogen werden, zu dem der Kläger lediglich auf die an einem Tag ganztägiger Dienstleistung gemachten Erfahrungen bei der DT KS GmbH zurückblicken konnte.
19bb) Weiter rügt der Kläger die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Zuweisungsverfügung erweise sich auch nicht mit Blick auf die Entfernung des Wohnorts des Klägers zu seinem neuen Dienstort als fürsorgepflichtwidrig (Gliederungspunkt 1. c)). Das Verwaltungsgericht habe rechtsfehlerhaft festgestellt, die ärztlich attestierte Einschränkung seiner – des Klägers – Mobilität sei nicht mehr entscheidungserheblich, nachdem er einen Wohnsitz in C. genommen habe. Nach den betriebsärztlichen Feststellungen dürfe er aufgrund seiner angeborenen Behinderung keine Fahrtstrecke bewältigen, die 30 Minuten pro Fahrt überschreite. Es müsse ihm mindestens möglich sein, an den Wochenenden zu dem "notwendigerweise aufrechtzuerhaltenden Wohnsitz der Familie" (Lebensgefährtin, deren 2008 geborene Tochter F1. und die 2012 geborene gemeinsame Tochter M. ) fahren zu können. Da für eine einfache Fahrt jedoch mindestens 58 Minuten benötigt würden, müsse er die ihm nach dem Gutachten der B. A. D. GmbH maximal zumutbare Fahrtzeit insoweit zwangsläufig überschreiten.
20Auch dieses Vorbringen begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Zunächst trifft es offensichtlich nicht zu, dass das Verwaltungsgericht die Einschränkung der Mobilität des Klägers vor dem Hintergrund, dass dieser sich in C. eine Zweitwohnung für die Arbeitswoche beschafft hat, als nicht mehr entscheidungserheblich angesehen hat. Es hat vielmehr ausdrücklich offen gelassen ("kann dahinstehen"), ob der Vortrag des Klägers, es sei ihm aus persönlichen Gründen unzumutbar, wöchentlich zu pendelnoder aber nach C. umzuziehen, nach der angesprochenen Wohnsitznahme noch bedeutsam sei. Auch das weitere Zulassungsvorbringen zur Unzumutbarkeit der Wochenendfahrten greift nicht durch. Das gilt schon deshalb, weil der Kläger es versäumt hat, die insoweit selbständig tragende Erwägung des Verwaltungsgerichts substantiiert anzugreifen, er sei als Bundesbeamter "jedenfalls" (UA S. 9, zweiter Absatz) auf einen Umzug der Familie nach C. zu verweisen. Unabhängig davon ist aber auch nicht erkennbar, dass dem Kläger die Wochenendfahrten von C. nach B. und von B. nach C. gesundheitlich nicht zugemutet werden können. Der Kläger verkennt insoweit den Inhalt der ärztlichen Bescheinigung des Dr. L. vom 26. September 2014. Dieser hat nämlich zu dem Aspekt der Mobilität in Anlage 2, Bl. 3, durch Ankreuzen ("ja") bzw. durch das Weglassen von Angaben zu dem Satz "Pendeln ist unter folgenden Voraussetzungen möglich:" ausdrücklich festgestellt, dass dem Kläger arbeitsmedizinisch ein wöchentliches Pendeln mit auswärtiger Übernachtung voraussetzungslos möglich ist. Vor diesem Hintergrund bezieht sich die (im Tatbestand des angefochtenen Urteils wiedergegebene) ärztliche Aussage zur Beschränkung der Fahrtzeit auf maximal 30 Minuten nach Anlage 2, Bl. 2 ersichtlich nur auf ein werktägliches Pendeln (Montag bis Freitag), was angesichts der insoweit erhöhten Belastung (mehr Fahrten in kürzeren Intervallen) auch ohne weiteres einleuchtet.
212. Die Berufung ist auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen. Der Kläger macht insoweit geltend, das Verwaltungsgericht habe den unter dem Gliederungspunkt III. geleisteten Vortrag aus der Klagebegründung vom 11. Oktober 2016 übergangen bzw. nicht berücksichtigt und sei gehalten gewesen, "im Zweifel den klägerseits angebotenen Beweis" zu erheben. Hierbei bezieht er sich trotz der Bezugnahme auf den Vortrag auf den Seiten "18 pp. mit Schriftsatz zur Klagebegründung vom 11.10.2016 zu Ziffer III." nicht auf den gesamten Inhalt des Gliederungspunktes III. (S. 18 bis 23), sondern ausweislich des insoweit beigegebenen Zulassungsvorbringen nur auf den in diesem Abschnitt enthaltenen Klagevortrag, die dienstliche Tätigkeit und die ihm übertragenen Aufgaben seien ausweislich seiner Schilderung der Geschehnisse am neuen Arbeitsplatz nicht leidensgerecht (nur Schreibtischtätigkeit, keine Projekteinsätze) und nicht amtsangemessen (Stichwort Kladde).
22a) Die hierin zunächst liegende Rüge eines Gehörsverstoßes greift nicht durch.
23Zur Wahrung rechtlichen Gehörs i. S. v. Art. 103 Abs. 1 GG hat das Gericht den Beteiligten zu allen maßgeblichen Rechts- und Tatsachenfragen die Gelegenheit einzuräumen, Stellung zu beziehen. Es muss den Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung ziehen. In den Entscheidungsgründen hat es ggf. in angemessener Weise zum Ausdruck zu bringen, aus welchen Gründen es von einer Auseinandersetzung mit rechtlichem oder tatsächlichem Vorbringen eines Beteiligten abgesehen hat. Es ist aber nicht verpflichtet, sich in den Entscheidungsgründen mit jedem Argument ausdrücklich zu befassen. Es darf ein Vorbringen außer Betracht lassen, das nach seinem Rechtsstandpunkt unerheblich oder offensichtlich substanzlos ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen auch in seine Erwägungen einbezogen hat. Nur bei Vorliegen deutlich gegenteiliger Anhaltspunkte kann ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör angenommen werden. Ferner muss der übergangene Vortrag nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des Gerichts entscheidungserheblich gewesen sein. Das setzt voraus, dass das Verwaltungsgericht zu einer anderen, für den Rechtsmittelführer günstigeren Entscheidung gekommen wäre, wenn es den übergangenen Vortrag berücksichtigt hätte.
24Zum Ganzen vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 23. April 2020 – 1 A 2023/19. A –, juris, Rn. 13 bis 16, vom 5. Februar 2019 – 1 A 2216/18 –, juris, Rn. 26 f., und vom 1. August 2012 – 1 A 864/11 –, juris, Rn. 3 bis 8, m. w. N.; ferner etwa Neumann/Korbmacher, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 138 Rn. 108 und 115 bis 117.
25In Anwendung dieser Grundsätze ist ein Gehörsverstoß hier nicht erkennbar. Zunächst hat das Verwaltungsgericht den hier maßgeblichen Vortrag offensichtlich zur Kenntnis genommen. Belegt wird dies durch dessen zusammenfassende Wiedergabe im Tatbestand des angefochtenen Urteils (Seite 4, ab Satz 3 des dritten Absatzes bis zu dessen Ende). Es durfte diesen Vortrag bei seiner rechtlichen Würdigung in den Entscheidungsgründen aber außer Betracht lassen, weil es nach seinem– insoweit maßgeblichen – Rechtsstandpunkt unerheblich war. Das Verwaltungsgericht hat insoweit nämlich ausgeführt, dass die Einwände des Klägers gegen die Amtsangemessenheit der (tatsächlichen) Beschäftigung am neuen Dienstort und auch die Bedenken dagegen, dass den ärztlich festgestellten gesundheitlichen Einschränkungen (tatsächlich) hinreichend Rechnung getragen werde, für die Rechtsmäßigkeit der Zuweisung ohne Bedeutung seien und insofern nur die Obliegenheit des Klägers bestehe, Abhilfe bei der Geschäftsführung der DT KS GmbH (richtig: bei der Deutschen Telekom AG, s. o) einzufordern (UA Seite 8 f.).
26b) Auch die weitere Verfahrensrüge, das Verwaltungsgericht hätte "im Zweifel den klägerseits angebotenen Beweis erheben müssen gemäß §§ 86 pp. VwGO", greift nicht durch.
27aa) Wird diese Rüge zunächst (auch) als der Vortrag verstanden, das Verwaltungsgericht sei gehalten gewesen, vor seiner ohne (weitere) mündliche Verhandlung erfolgten Entscheidung über die mit der Zulassungsbegründung in Bezug genommenen Beweisantritte (Zeugnis des Herrn I. , Ortsbesichtigung) durch Beschluss zu entscheiden, ergibt sich hieraus kein Verfahrensfehler.
28Die Pflicht zur Vorabentscheidung gemäß § 86 Abs. 2 VwGO gilt im Grundsatz nur für in der mündlichen Verhandlung gestellte unbedingte Beweisanträge, nicht dagegen für (nur) in vorbereitenden Schriftsätzen angekündigte Beweisanträge. Verzichtet ein Beteiligter nach schriftsätzlicher Ankündigung eines Beweisantrages auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO), so hat er sich der Möglichkeit begeben, den Anspruch auf Vorabentscheidung aus § 86 Abs. 2 VwGO geltend zu machen.
29Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 11. Dezember 2019 – 1 A 1815/17 –, juris, Rn. 17 f., vom 10. Januar 2019 – 1 A 4171/18 –, juris, Rn. 25, und vom 10. August 2016 – 1 A 429/15 –, juris, Rn. 3 f., m. w. N.
30So liegt der Fall hier. Der Kläger hat auf die Anfrage des Verwaltungsgerichts vom 10. Oktober 2017 hin mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2017 (ebenso wie zuvor schon die Beklagte) das Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt, also nach Formulierung der Beweisantritte in der Klagebegründung vom 11. Oktober 2016.
31bb) Auch der weiter geltend gemachte Verstoß gegen die Pflicht zur Amtsermittlung (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegt nicht vor. Ein solcher im Rahmen von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zu berücksichtigender Aufklärungsmangel kann nur dann angenommen werden, wenn sich die Beweiserhebung geradezu aufdrängt. Das ist hier nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht durfte vielmehr ersichtlich von einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts, wie sie der Kläger für nötig hält, absehen. Nach der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des Gerichts berührten nämlich die behaupteten Sachverhalte bei der Arbeitsaufnahme in C. nicht die Rechtmäßigkeit der Zuweisungsverfügung, sondern konnten nur zu der Obliegenheit des Klägers führen, auf Abhilfe zu dringen.
323. Die Berufung kann ferner nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen werden.
33Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird, und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung des Zulassungsgrundes ist die Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird.
34Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 13. Februar 2018– 1 A 2517/16 –, juris, Rn. 32, und vom 13. Oktober 2011 – 1 A 1925/09 –, juris, Rn. 31 f., m. w. N.
35In Anwendung dieser Grundsätze liegen die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht vor.
36Der Kläger hat als grundsätzlich bedeutsam allein die Rechtsfrage aufgeworfen,
37„ob einem schwerbehinderten Beamten zuzumuten ist, die Zuweisung eines neuen Dienstpostens hinzunehmen, auf dem keine Tätigkeiten zu verrichtenoder ausübbar sind, die zu einer amtsangemessenen sowie leidens- und behindertengerechten Beschäftigung des schwerbehinderten Beamten führen bzw. führen können, weil der vorgesehenen Beschäftigung betriebs- und amtsärztliche Feststellungen zur eingeschränkten Verwendbarkeit des schwerbehinderten Beamten entgegenstehen“.
38Mit der dieser Frage lediglich beigefügten Erläuterung, "streitentscheidend" sei "die Auslegung der Reichweite tatbestandlicher Voraussetzungen und Rechtsfolgen gemäß § 4 Abs. 4 PostPersRG", verfehlt der Kläger schon die Anforderungen an eine hinreichende Darlegung. Er erläutert hiermit nämlich nicht einmal ansatzweise, warum die aufgeworfene Frage klärungsbedürftig und entscheidungserheblich sein und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zukommen soll. Unabhängig davon könnte diese Frage auch bei hinreichender Darlegung nicht zu der begehrten Zulassung der Berufung führen. Sie ist nämlich bei notwendiger Wahrung des Fallbezuges für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht von Bedeutung gewesen. Nach dessen insoweit maßgeblicher Rechtsauffassung berührten nämlich die behaupteten Sachverhalte und der vom Kläger hieraus gezogene rechtliche Schluss, ihm werde auf der Grundlage der Zuweisungsverfügung bei der DT KS GmbH am Standort C. keine amtsangemessene und leidensgerechte Tätigkeit ermöglicht, nicht die Rechtmäßigkeit der im vorliegenden Verfahren allein streitgegenständlichen Zuweisungsverfügung.
394. Mit Blick auf sämtliche vorstehenden Ausführungen weist die Rechtssache schließlich auch nicht die behaupteten tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf; namentlich können die Erfolgsaussichten des angestrebten Rechtsmittels danach nicht schon als offen bezeichnet werden.
40Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
41Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 und 2 GKG.
42Dieser Beschluss ist hinsichtlich der Streitwertfestsetzung nach §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG und im Übrigen gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Das angefochtene Urteil ist nunmehr rechtskräftig, § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO.
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Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1Gründe:
2Der Berufungszulassungsantrag ist unbegründet.
3Die Berufung ist nicht gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO wegen des geltend gemachten Verfahrensfehlers der Verletzung rechtlichen Gehörs zuzulassen. Einen Gehörsverstoß hat der Kläger nicht dargelegt.
4Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) nicht dadurch verletzt, dass es in seiner Abwesenheit über die Klage verhandelt und diese abgewiesen hat. Der vier Tage vor der mündlichen Verhandlung übersandte Verlegungsantrag musste das Verwaltungsgericht nicht zur Aufhebung des Termins veranlassen. Er beinhaltete keine ausreichenden Anhaltspunkte, die es dem Gericht ermöglicht hätten, die Frage der Verhandlungsunfähigkeit des Klägers selbst zu beurteilen.
5Eine Terminsänderung nach § 173 VwGO i. V. m. § 227 Abs. 1 ZPO setzt voraus, das hierfür "erhebliche Gründe" vorliegen. Dies sind nur solche Umstände, die auch und gerade zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine Zurückstellung des im Falle der Aufhebung bzw. Verlegung des Termins berührten Beschleunigungs- und Konzentrationsgebotes erfordern.
6Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. April 2017- 2 B 69.16 -, Buchholz 235.1 § 52 BDG Nr. 8= juris Rn. 7 ff.,
7Ein ausreichender Grund kann unter anderem darin liegen, dass ein Beteiligter oder sein Prozessbevollmächtigter erkrankt sind. Jedoch ist nicht jegliche Erkrankung ein ausreichender Grund für eine Terminsverlegung; eine solche ist vielmehr nur dann geboten, wenn die Erkrankung so schwer ist, dass die Wahrnehmung des Termins nicht erwartet werden kann.
8Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Januar 1999- 8 B 186.98 -, NVwZ-RR 1999, 408 f.
9Der die Aufhebung oder Verlegung fordernde Verfahrensbeteiligte muss den Grund für seine Verhinderung angegeben und hinreichend substantiieren, damit das Gericht ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob Verhandlungs- bzw. Reiseunfähigkeit besteht.
10Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 22. Mai 2001- 8 B 69.01 -, NJW 2001, 2735 = juris Rn. 5., und vom 20. April 2017 - 2 B 69.16 - , juris Rn. 9.
11Hier hatte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 25. September 2020 im Hinblick auf den am 29. September 2020 stattfindenden Verhandlungstermin lediglich geltend gemacht, dass der Kläger am Vortag in der Kanzlei vorgesprochen und auf einen offensichtlich geschienten Arm verwiesen habe. Er habe mitgeteilt, dass er am 25. September 2020 operiert werde und daher den Termin am 29. September 2020 nicht wahrnehmen könne. Weiterhin heißt es in dem Schriftsatz: „Gegebenenfalls wird gebeten, eine Vertagung vorzunehmen. Sobald mir Näheres über die Dauer des Krankenhausaufenthalts vorliegt, werde ich mich melden.“ Mit noch am selben Tag versandtem Schreiben teilte der Richter dem Prozessbevollmächtigten mit, dass ohne ein aussagekräftiges Attest, in dem die Reise- und/oder Verhandlungsunfähigkeit des Klägers bescheinigt werde, dem Antrag auf Terminsverlegung nicht entsprochen werden könne. Ein solches ist für den Kläger bis zum 29. September 2020 und auch in der mündlichen Verhandlung nicht vorgelegt worden. Im Übrigen enthält der Verlegungsantrag auch keine nähere Begründung dafür, warum dem Kläger die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung krankheitsbedingt nicht möglich gewesen sein soll, da Art und Umfang der anstehenden Operation darin nicht angegeben sind. Erst mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung und damit verspätet hat der Kläger einen Arztbericht der T. Krankenhaus S. gGmbH - Unfallchirurgie - vom vorgelegt, dem sich entnehmen lässt, dass er sich dort am 29. und 30. in stationärer Behandlung befunden hat.
12Ebenso wenig verhilft die pauschale Rüge einer nicht ordnungsgemäßen Aufklärung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht (§ 86 Abs. 1 VwGO) dem Zulassungsantrag zum Erfolg. Aufklärungsmängel begründen grundsätzlich weder einen Gehörsverstoß noch gehören sie zu den sonstigen Verfahrensmängeln im Sinne der § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 VwGO. Nur in Ausnahmefällen kann in der Unterlassung weiterer Aufklärung des Sachverhalts zugleich eine Versagung des rechtlichen Gehörs liegen. Der Kläger legt aber keine Umstände dar, nach denen dies hier der Fall wäre. Es fehlt bereits an einer hinreichenden Konkretisierung derjenigen Umstände, die der Kläger - außer seiner Befragung in der mündlichen Verhandlung - für aufklärungsbedürftig erachtet. Insoweit genügen die abstrakten Ausführungen auf Seite 2 des Zulassungsantrags nicht.
13Soweit der Kläger ausschließlich im Rubrum des angefochtenen Urteils versehentlich mit „Frau T1. S1. “ bezeichnet ist, handelt es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler. Sowohl im Tenor als auch im Tatbestand und den Entscheidungsgründen werden korrekt die männlichen Bezeichnungen verwandt.
14Eine Wertung des Inhalts, dass „Christen im Iran, insbesondere wenn sie vom bisherigen Islamglauben zum Christentum gewechselt sind, keiner Beeinträchtigung ausgesetzt seien“, hat das Verwaltungsgericht nicht getroffen. Im Übrigen beträfe sie den der Gehörsrüge entzogenen Bereich der Tatsachen- und Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 VwGO).
15Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG.
16Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).
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Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen Nr. 1 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 27. Mai 2020 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
1G r ü n d e :
2Die Beschwerde gegen Nr. 1 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 27. Mai 2020, mit dem dieses den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Klageverfahren unter anderem mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO) abgelehnt hat, hat keinen Erfolg.
3Hinreichende Aussicht auf Erfolg bedeutet bei einer an Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 4 GG orientierten Auslegung des Begriffs einerseits, dass Prozesskostenhilfe nicht erst und nur dann bewilligt werden darf, wenn der Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung gewiss oder überwiegend wahrscheinlich ist, andererseits aber auch, dass Prozesskostenhilfe versagt werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist. Die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsschutzbegehrens darf dabei nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den grundrechtlich garantierten Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Schwierige, bislang nicht geklärte Rechts- und Tatsachenfragen dürfen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren geklärt werden.
4Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Oktober 2020 ‑ 8 E 785/20 -, juris Rn. 2 f., m. w. N.
5Gemessen daran bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Kläger wendet sich gegen die Errichtung des Pollers in der Friedrich-Ebert-Straße an sich und die damit verbundenen Auswirkungen und will diesen wieder beseitigt haben. Dabei geht es ihm nicht um eine Durchfahrtmöglichkeit mit Kraftfahrzeugen für sich selbst, weil er nach seinen Angaben nicht über ein eigenes Kraftfahrzeug verfügt. Er macht vielmehr geltend, als Fußgänger an dieser Stelle gefährdet zu werden, weil Autofahrer den Poller überführen, den Bürgersteig zur Umfahrung nutzten und wegen des Pfostens regelmäßig gefährliche Wendemanöver durchführten. Für dieses Begehren steht ihm keine Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO zu.
6Nach dieser Vorschrift ist eine Anfechtungsklage, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zulässig, wenn der Kläger geltend machen kann, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein.
7Die Verletzung eigener Rechte muss auf der Grundlage des Klagevorbringens möglich erscheinen. Diese Möglichkeit ist dann auszuschließen, wenn offensichtlich und nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte des Klägers verletzt sein können. Da der Kläger nicht Adressat der von ihm angefochtenen Errichtung des Pollers ist, kommt es darauf an, ob er sich für sein Begehren auf eine öffentlich-rechtliche Norm stützen kann, die nach dem in ihr enthaltenen Entscheidungsprogramm auch ihn als Dritten schützt.
8Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. September 2020 ‑ 8 A 1161/18 -, juris Rn. 50 f., m. w. N.
9Derartige subjektive Abwehrrechte liegen hier nicht vor, und zwar unabhängig davon, ob man in der Errichtung des Pollers eine straßenverkehrsrechtliche Anordnung oder eine straßenrechtliche Teileinziehung sieht.
10Sollte es sich bei der Errichtung des Pollers um eine straßenverkehrsrechtliche Maßnahme zur Verbesserung der Verkehrssicherheit handeln, wovon die Beklagte ausgeht, ist zwar fraglich, ob er eine ordnungsgemäß markierte Verkehrseinrichtung im Sinne von § 43 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 StVO i. V. m. Anlage 4 zur StVO darstellt, weil der nach den insoweit unbestrittenen Angaben des Klägers orange-weiße („orange mit kleinen weißen Streifen im oberen Bereich“), überfahrbare Gummipoller entgegen der Vorgabe in § 43 Abs. 1 Satz 1 StVO nicht rot-weiß gestreift ist.
11Vgl. zu straßenverkehrsrechtlichen Sperrpfosten OVG Bremen, Beschluss vom 15. Januar 2018 ‑ 1 LA 265/16 -, juris Rn. 21; Lafontaine, in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, Stand: 9. Juni 2020, § 43 StVO, Rn. 20.
12Diese Farbvorgabe dient dazu, Verkehrsteilnehmer vor den in § 43 Abs. 1 Satz 1 StVO genannten Schranken, Sperrpfosten, Absperrgeräten und Leiteinrichtungen optisch zu warnen, damit diese Verkehrseinrichtungen ihre verkehrslenkende Funktion erfüllen können und es nicht zu Kollisionen zwischen ihnen oder Hindernissen und Fahrzeugen kommt. Die Farbgestaltung solcher Verkehrseinrichtungen bezweckt demgegenüber jedoch nicht den Schutz anderer Verkehrsteilnehmer oder Anwohner, die befürchten, durch Kraftfahrer gefährdet zu werden, die eine solche Verkehrseinrichtung bemerkt haben und versuchen, ihr durch verkehrsordnungswidriges Verhalten auszuweichen.
13Entsprechendes gilt für die allgemeinen Regelungen in der Straßenverkehrs-Ordnung, die für die Beschränkung des Verkehrs auf Straßen durch straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen gelten (§ 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 9 StVO).
14Es kann offen bleiben, ob etwas anderes dann gilt, wenn verkehrswidrige und Fußgänger gefährdende Reaktionen anderer Verkehrsteilnehmer regelmäßig und unmittelbar kausal auf die Errichtung des Pollers zurückzuführen wären. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dies hier (in einer gegebenenfalls weiter aufzuklärenden Weise) der Fall sein könnte, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich und drängen sich nach Aktenlage auch nicht auf. Es ist nicht erkennbar, dass die von der Beklagten durch die Errichtung des Pollers geschaffene Verkehrsführung in einer Weise sachwidrig wäre, dass dadurch regelmäßig vorhersehbares Fehlverhalten von Verkehrsteilnehmern mit Gefährdungen anderer Verkehrsteilnehmer provoziert würde, zumal nach Aktenlage beidseits des Pollers in einiger Entfernung auf der Friedrich-Ebert-Straße und auf der Hammer Straße Verkehrszeichen aufgestellt worden sind, die auf eine Sackgasse (Zeichen 357 der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO) und ein außer für Radfahrer und Anlieger geltendes Verbot (Zeichen 250 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO) hinweisen.
15Sollte die Errichtung des Pollers als Teileinziehung der Straße anzusehen sein, wovon der Kläger ausgeht, kann er sich ebenfalls nicht dagegen wenden. Denn es besteht grundsätzlich kein Rechtsanspruch auf die Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs an einer Straße (so ausdrücklich § 14 Abs. 1 Satz 2 StrWG NRW).
16Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juni 2009 - 1 BvR 198/08 -, juris Rn. 18, 23; Nds. OVG, Beschluss vom 24. Januar 2018 - 7 ME 110/17 -, juris Rn. 6; Bay. VGH, Beschluss vom 8. August 2011 - 8 CS 11.1177 -, juris Rn. 11; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. Juli 1992 - 5 S 650/92 -, juris Rn. 22 ff., und Beschluss vom 22. Februar 1999 - 5 S 172/99 -, juris Rn. 4.
17Die Erschließung und Erreichbarkeit des Wohnhauses ist durch die bloße Unterbindung des Durchgangsverkehrs unstreitig nicht in Frage gestellt. Vor Zufahrterschwernissen schützt auch das Recht auf Anliegergebrauch (vgl. § 14a StrWG NRW) nicht.
18Vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 1999 ‑ 4 VR 7.99 -, juris Rn. 7.
19Ob der Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch – wie das Verwaltungsgericht angenommen hat – Mutwilligkeit gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO entgegensteht, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen.
20Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.
21Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Münster vom 27. Oktober 2020 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Verwaltungsgericht Münster zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts vorbehalten.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
1Die zulässige Beschwerde hat nach Maßgabe des Entscheidungstenors Erfolg. Die Sache ist in entsprechender Anwendung von § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO unter Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen.
2Vgl. zur Zulässigkeit der Zurückverweisung im Beschwerdeverfahren bei Entscheidungen gemäß §§ 80, 80a und 123 VwGO BayVGH, Beschluss vom 15. April 2020 - 11 CS 20.316 -, juris, Rn. 11; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 2. Juni 2017 ‑ NC 9 S 1244/17 -, juris, Rn. 1; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 12. Dezember 2009 - 3 M 392/09 -, juris, Rn. 2; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 22. April 2009 - 1 M 22/09 -, juris, Rn. 20.
3Die Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor, weil das Verwaltungsgericht noch nicht in der Sache entschieden und die Antragstellerin die Zurückverweisung beantragt hat. An der Sachentscheidung fehlt es, weil das Verwaltungsgericht den ordnungsgemäß gestellten Antrag der Antragstellerin zu Unrecht bereits mit der Begründung abgelehnt hat, diese habe nicht glaubhaft gemacht, sich innerhalb der Ausschlussfrist des § 23 Abs. 6 Satz 1 StudienplatzVVO NRW ordnungsgemäß um eine außerkapazitäre Zulassung zum Studium beworben zu haben.
4Das Erfordernis der Glaubhaftmachung folgt aus der Verweisung des § 123 Abs. 3 VwGO auf § 920 Abs. 2 ZPO. Daraus folgt aber nicht, dass im Verfahren nach § 123 VwGO der Beibringungsgrundsatz des Zivilprozesses gilt. Wie im Verfahren nach § 80 Abs. 5, § 80 a Abs. 3 VwGO findet auch im Anordnungsverfahren nach § 123 VwGO der Untersuchungsgrundsatz entsprechend § 86 VwGO Anwendung. Insoweit gelten zwar Mitwirkungspflichten der Beteiligten, wenn das Gericht eine weitere Sachverhaltsaufklärung für erforderlich hält und sich der Sachverhalt nur auf Grund entsprechender Beiträge der Beteiligten aufklären lässt. Kommen diese ihren Mitwirkungspflichten nicht nach oder bestehen Unklarheiten im Übrigen, darf das Verwaltungsgericht den Antrag aber nicht deshalb ablehnen. Vielmehr ist es verpflichtet, die ihm im Rahmen des Eilverfahrens zu Gebote stehenden Möglichkeiten einer Aufklärung des für seine Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts auszuschöpfen.
5Vgl. zu alldem Puttler, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Auflage 2018, § 123 VwGO Rn. 90 ff.; Funke-Kaiser, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, Verwaltungsgerichtsordnung, 7. Auflage 2018, § 123 Rn. 31; Schoch, in: Schoch/Schneider, VwGO, Werkstand: 39. EL Juli 2020, § 123 VwGO Rn. 95a; zur Bedeutung der Sachaufklärungspflicht in hochschulzulassungsrechtlichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes BVerfG, Beschluss vom 31. März 2004 - 1 BvR 356/04 -, juris,
6Diesen Maßgaben hat das Verwaltungsgericht nicht entsprochen. Die Antragstellerin hatte in ihrer am 11. September 2020 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Antragsschrift vorgetragen, sich außerhalb der festgesetzten Zulassungszahl um den beantragten Studienplatz beworben zu haben. Zudem hatte sie ihrem Antrag diverse Unterlagen, u.a. eine nicht unterschriebene Kopie (weil Doppel) des an die Antragsgegnerin gerichteten Antrags auf Zulassung zum Studium außerhalb der festgesetzten Kapazität vom 9. September 2020 beigefügt (Gerichtsakte Bl. 18). Den fristgerechten Eingang des Antrags bei der Antragsgegnerin hätte die Antragstellerin nicht problemlos belegen können. Nach Auskunft der Antragstellerin, an deren Richtigkeit keine Zweifel bestehen, bestätigt die Antragsgegnerin den (fristgerechten) Eingang außerkapazitärer Zulassungsanträge nämlich nicht. Das Verwaltungsgericht hätte auch deshalb bei begründeten Zweifeln am rechtzeitigen Eingang des Antrags die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin anfordern oder dort Rückfrage nehmen müssen. Die Aufklärung von Amts wegen hat es unterlassen, obwohl eine solche problemlos und ohne maßgebliche zeitliche Verzögerung möglich gewesen wäre.
7Bei dieser Ausgangslage ist der von der Antragstellerin beantragten Zurückverweisung zu entsprechen. Sie erscheint angesichts der in hochschulzulassungsrechtlichen Verfahren zur gebotenen Aufklärung des Sachverhalts regelmäßig erforderlichen umfangreichen Ermittlungen und mit Blick auf die Aufgabenverteilung zwischen der Beschwerde- und Eingangsinstanz auch unter prozessökonomischen Gesichtspunkten sachgerecht. Zudem vermeidet sie eine Verkürzung des Rechtswegs.
8Vgl. zu diesen Erwägungen VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 2. Juni 2017 ‑ NC 9 S 1244/17 ‑, juris, Rn. 7.
9Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
10Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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Tenor
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 3. Dezember 2020 wird mit Ausnahme des Streitwertbeschlusses geändert. Die aufschiebende Wirkung einer noch zu erhebenden Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 30. November 2020 wird mit der Maßgabe angeordnet, dass maximal 200 Personen gleichzeitig an der von der Antragstellerin angemeldeten Versammlung teilnehmen dürfen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,- Euro festgesetzt.
1Gründe:
2Die Beschwerde der Antragstellerin mit dem Antrag,
3den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 3. Dezember 2020 abzuändern und die aufschiebende Wirkung der noch zu erhebenden Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 30. November 2020 anzuordnen,
4hat mit der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe Erfolg. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe führen zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung.
51. Bei der im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung spricht Überwiegendes für die Rechtswidrigkeit der Ordnungsverfügung, mit der die Antragsgegnerin für die auf dem Roncalliplatz am 5. Dezember 2020 angemeldete Versammlung unter dem Motto „Abrüstung statt Aufrüstung“ eine Beschränkung der Teilnehmerzahl auf 100 Personen verfügt hat. Die im Rahmen des Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt zugunsten der Antragstellerin aus, weil ihr privates Suspensivinteresse das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt.
6Die von der Antragsgegnerin auf Grundlage von § 16 Satz 2 CoronaSchVO i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 28 a Abs. 1 Nr. 10 IfSG im Ermessenswege verfügte Anordnung muss unter Infektionsschutzgesichtspunkten notwendig sein. Unter strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, der insbesondere die Beachtung sämtlicher Umstände des Einzelfalls einschließlich des aktuellen Stands des dynamischen und tendenziell volatilen Infektionsgeschehens erforderlich macht, können zum Zweck des Schutzes vor Infektionsgefahren auch versammlungsbeschränkende Maßnahmen ergriffen werden. In Betracht kommen namentlich Auflagen mit der Verpflichtung zur Einhaltung bestimmter Mindestabstände, aber auch Beschränkungen der Teilnehmerzahl, um eine Unterschreitung notwendiger Mindestabstände zu verhindern, zu der es aufgrund der Dynamiken in einer großen Menschenmenge oder des Zuschnitts und Charakters einer Versammlung im Einzelfall selbst dann kommen kann, wenn bezogen auf die erwartete Teilnehmerzahl eine rein rechnerisch hinreichend groß bemessene Versammlungsfläche zur Verfügung steht.
7Vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. August 2020 ‑ 1 BvQ 94/20 -, juris Rn. 16.
8Ausgehend davon rechtfertigt das Beschwerdevorbringen die Annahme, dass die ausgesprochene Beschränkung auch unter Berücksichtigung der aktuellen Pandemieentwicklung voraussichtlich einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Versammlungsfreiheit der Antragstellerin darstellt. Aus Infektionsschutzgründen (insbesondere zur Einhaltung des Mindestabstands) ist eine Teilnehmerbegrenzung auf 100 Personen nicht erforderlich. Der Senat legt dabei nach Auswertung des in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen Kartenmaterials und der Darstellungen auf googlemaps sowie mit der eigenen Ortskunde zugrunde, dass auf dem Roncalliplatz eine Freifläche von mindestens 1.500 qm für die Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmer verbleibt; dabei sind die vorhandene Baustelle, Feuerwehrstellflächen und-zufahrten, Wegbereiche für den allgemeinen Passantenverkehr sowie Flächen für Infostände und den LKW, der bei der Versammlung als Bühne genutzt werden soll, in Abzug gebracht worden. Dies dürfte im Wesentlichen auch der Annahme der Antragsgegnerin entsprechen, die ohne nähere Angaben zur Flächennutzung und-aufteilung eine verfügbare Gesamtfläche von „weniger als 2.000 qm für eine Versammlung“ zugrunde legt. Auch zum Vorbringen der Antragstellerin besteht im Hinblick auf die tatsächlichen Verhältnisse kein greifbarer Widerspruch. Die von ihr vorgetragene Größe des Platzes von mehr als 3.000 qm ist im Grundsatz zutreffend, berücksichtigt aber nicht die genannten, in Abzug zu bringenden Flächen.
9Zur unbedenklichen Bewältigung des Passantenverkehrs erscheint ausreichend, einen mehrere Meter breiten Korridor über den Platz (etwa unmittelbar neben dem Bauzaun und an der Domseite) freizuhalten. Unmittelbar am Roncalliplatz, der an drei Seiten durch den Dom, die Baustelle eines Hotels und das (derzeit geschlossene) Römisch-Germanische Museum begrenzt wird, befinden sich keine Geschäfte. Das Fußgängeraufkommen, bei dem es sich also im Wesentlichen um Passanten ohne Verweilabsicht handelt, war etwa am vergangenen Samstag, dem 29. November 2020, in den Nachmittagsstunden ausweislich der Fotos, die von der Webcam am Roncalliplatz aufgenommen wurden, überschaubar.
10Abrufbar unter (Stand: 4. Dezember 2020).
11Auch am „Black Friday“, dem 27. November 2020, an dem in der Innenstadt eine besonders hohe Menschendichte zu verzeichnen war, war der Roncalliplatz vergleichsweise wenig frequentiert.
12Abrufbar unter (Stand: 4. Dezember 2020).
13Dies spricht dafür, dass der Platz, der zwischen Dom und Altstadt liegt, von Personen, die Einkäufe in der Innenstadt erledigen, typischerweise nicht überquert wird. Er liegt zwar in unmittelbarer Nähe der Einkaufsstraße „Hohe Straße“, stellt aber keinen klassischen „Zubringer“ zu dieser dar. Überwiegend dürfte der Platz der fußläufigen Verbindung vom Hauptbahnhof in die Altstadt dienen. Da die dort ganz überwiegend vorhandenen Gaststätten und Kneipen aber derzeit geschlossen sind, ist auch von einem reduzierten Passantenstrom auszugehen.
14Es ist nicht ersichtlich, dass die damit zur Verfügung stehende Fläche von etwa 1.500 qm nur für eine Versammlung von maximal 100 Menschen unter Einhaltung der Mindestabstände von 1,5 m ausreicht. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass eine Kundgebung niemals völlig statisch ablaufen wird. Pro Person werden damit 15 qm Fläche verlangt, was im Hinblick auf den infektionsschutzrechtlich gebotenen Abstand zueinander - bei zunächst rein rechnerischer Betrachtung - nicht erforderlich ist, zumal bei Veranstaltungen unter freiem Himmel.
15Es liegen auch sonst keine besonderen Umstände vor, die angesichts des grundsätzlich ausreichenden Platzangebots auf dem Roncalliplatz eine Beschränkung der Teilnehmerzahl auf 100 Menschen rechtfertigen würden. Soweit die Antragsgegnerin darauf verweist, dass sich eine „Handhabung der Kundgebungen […] für die Einsatzkräfte vor Ort ab einer Personenzahl von etwa 100 als nicht mehr umsetzbar erwiesen [habe]“, nimmt sie damit offenbar die Handreichung der Versammlungsbehörde vom 23. November 2020 in Bezug. Die dort getroffene Aussage, ab etwa 100 Personen sei eine wirksame Durchsetzung der Infektionsschutzauflagen nicht mehr möglich, bezieht sich allerdings auf Versammlungen von „Corona-Leugnern“, die Auflagen nur äußerst zögerlich oder grundsätzlich nicht beachteten. Indes ist vorliegend unstreitig, dass entsprechende Anhaltspunkte im Hinblick auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der streitgegenständlichen Versammlung nicht vorliegen. Die Antragstellerin hat sich im Rahmen der versammlungsrechtlichen Kooperation ausweislich des Bestätigungsbescheides des Polizeipräsidiums L. vom 9. November 2020 u. a. vielmehr ausdrücklich zu Maßnahmen bereit erklärt, mit denen die Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 m gewährleistet werden soll. Dazu gehören u. a. das Anbringen von Bodenmarkierungen auf der Versammlungsfläche, der verstärkte Einsatz von Ordnern und Ordnerinnen und die Vorabinformation an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, den Kundgebungsort nicht in Gruppen von mehr als zwei Personen zu betreten.
16Auch im Übrigen bieten Charakter und Zuschnitt der Versammlung keinen Anhalt für die Annahme, dass die verfügte Reduktion der Teilnehmerzahl unter Infektionsschutzgesichtspunkten erforderlich ist. So handelt es sich angesichts des Mottos der Kundgebung „Abrüsten statt Aufrüsten“ nicht um eine Versammlungsthematik oder einen Teilnehmerkreis, bei dem mit einer Mobilisierung einer „Gegenseite“ oder verbalen oder sonstigen Auseinandersetzungen mit Passantinnen und Passanten zu rechnen ist.
17Die vorgenommene Teilnehmerbeschränkung lässt sich mit Blick auf die besondere Bedeutung der grundrechtlich verbürgten Versammlungsfreiheit auch nicht damit rechtfertigen, dass die aus einer Benutzung des ÖPNV durch Veranstaltungsteilnehmerinnen und -teilnehmer resultierende Ansteckungsgefahr reduziert wird. Die Antragstellerin hat eine Teilnehmerzahl von 300 Personen angemeldet. Dass eine solche Personenzahl - selbst bei unterstellter Inanspruchnahme des ÖPNV durch den überwiegenden Teil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer - eine infektionsschutzrechtlich relevante Mehrbelastung der Straßenbahnen, Busse und S-Bahnen in Köln mit sich bringt, ist angesichts der sonstigen Besucherströme, der Größe der Stadt und der vorhandenen Infrastruktur fernliegend. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Versammlungsort fußläufig vom Hauptbahnhof und zahlreichen anderen zentralen und häufig angefahrenen Haltestellen liegt. Im Übrigen dürfte mit einer Anreise von weit entfernt lebenden Personen nicht in nennenswertem Umfang zu rechnen sein. Die Veranstaltung ist Teil eines bundesweiten Aktionstages am 5. Dezember 2020, der dezentral organisiert ist. Auch im unmittelbaren Umkreis von Köln finden Veranstaltungen statt, so etwa in Aachen, Bonn, Düsseldorf und Dortmund.
18Abrufbar unter https://abruesten.jetzt/2020/11/ uebersicht-ueber-geplante-aktionen-fuer-den-5-12-2020/ (Stand: 4. Dezember 2020).
192. Um der Gefahr eines infektionsschutzrechtlich bedenklichen Teilnehmerzustroms zu der angemeldeten Versammlung zu begegnen, hat der Senat von seiner Befugnis nach § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO Gebrauch gemacht, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung von einer Auflage abhängig zu machen.
20Der Begrenzung des Teilnehmerkreises auf 200 Personen liegt die Erwägung zugrunde, dass damit rechnerisch mindestens 7,5 qm pro Person zur Verfügung stehen, wobei noch außer Betracht bleibt, dass jedenfalls zwei Angehörige des gleichen Haushalts untereinander nicht zwingend den Abstand einhalten müssen. Dies stellt für den vorliegenden Einzelfall ohne Verbindlichkeitsanspruch für zukünftige Veranstaltungen und ausgehend von den im summarischen Verfahren nur beschränkten Erkenntnismöglichkeiten unter den gegebenen Umständen einen angemessenen Ausgleich zwischen dem öffentlichen Interesse an einem effektiven Infektionsschutz und der Versammlungsfreiheit der Antragstellerin dar. Die Berechnungen der Antragstellerin, die pro Person eine Fläche von nur 4 qm als ausreichend zugrunde legt, vernachlässigen nicht nur die Bewegungsabläufe in einer Versammlung, sondern auch den Umstand, dass die Teilnehmenden nicht als Messpunkte betrachtet werden können, sondern einen gewissen Raum benötigen. Ausgehend davon ist die Einhaltung der Mindestabstände jedenfalls bei einer Fläche von 4 qm pro Person unrealistisch.
21Es ist auch davon auszugehen, dass eine Begrenzung der Teilnehmerzahl auf 200 Personen unter Einhaltung der Mindestabstände praktisch umsetzbar ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Umfeld des Roncalliplatzes für den Fall, dass teilnahmewillige Personen zurückgewiesen werden müssen, noch genügend „Pufferzonen“ zur Verfügung stehen (etwa rings um den Dom). Aufgrund der zahlreichen Zugangsmöglichkeiten zum Platz ist schließlich nicht mit einer „Flaschenhalssituation“ bei der Ankunft der Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmer zu rechnen.
22Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
23Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2Nr. 2 GKG.
24Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
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Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 880,90 Euro festgesetzt.
1G r ü n d e
2Der auf die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3 und Nr. 4 VwGO gestützte Antrag hat keinen Erfolg.
3Die Berufung ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO nur zuzulas-sen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 VwGO innerhalb der Begründungsfrist dargelegt ist und vorliegt. Dabei bedeutet „darlegen“ i. S. v. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, unter konkreter Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil fallbezogen zu erläutern, weshalb die Voraussetzungen des jeweils geltend gemachten Zulassungsgrundes im Streitfall vorliegen sollen. Das Oberverwaltungsgericht soll allein aufgrund der Zulassungsbegründung die Zulassungsfrage beurteilen können, also keine weiteren aufwändigen Ermittlungen anstellen müssen.
4Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Oktober 2013
5– 1 A 106/12 –, juris, Rn. 2 m. w. N.
6Hiervon ausgehend rechtfertigt das fristgerechte Zulassungsvorbringen des Klägers die begehrte Zulassung der Berufung aus keinem der geltend gemachten Zulassungsgründe. Soweit es den Anforderungen an die Darlegung dieser Gründe genügt, greift es in der Sache nicht durch.
7Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner klageabweisenden Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrten weiteren Beihilfeleistungen zu den Arzneimitteln. Aufwendungen für nichtverschreibungspflichtige apothekenpflichtige und nicht apothekenpflichtige Arzneimittel seien gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 der Verordnung über Beihilfen in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen vom 5. November 2009 in der Fassung der Vierten Verordnung zur Änderung der Beihilfeverordnung NRW vom 15. November 2013 (GV. NRW. S. 644) – BVO NRW – nicht beihilfefähig. Soweit ihm die streitgegenständlichen Aufwendungen für Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen entstanden seien, stehe der Gewährung von Beihilfen der Ausschlusstatbestand des § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 5 BVO NRW entgegen. Der ausnahmslose Ausschluss der Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen verstoße weder gegen den in Art. 3 Abs. 1 GG normierten Gleichheitsgrundsatz noch gegen die ebenfalls verfassungsrechtlich geschützte Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Hinsichtlich der übrigen, ebenfalls nichtverschreibungspflichtigen Arzneimittel fehle es an dem für die Beihilfefähigkeit erforderlichen Eingreifen einer der in der BVO NRW normierten Rückausnahmen, etwa für Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 4 BVO NRW), oder infolge einer Ausnahmeentscheidung im Einzelfall. Dem Kläger stünden schließlich auch keine Beihilfen aus anderen rechtlichen Gesichtspunkten zu. Weder könne der Kläger aus dem am 14. Dezember 1989 vor dem Verwaltungsgericht in dem Verfahren 3 K 505/87 geschlossenen Vergleich einen Anspruch auf Anerkennung der streitgegenständlichen Aufwendungen für die durch den Heilpraktiker verschriebenen Arzneimittel herleiten noch ergebe sich ein solcher unter Vertrauensschutzgesichtspunkten.
8I. Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
9Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind begründet, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt.
10Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 28. August 2018– 1 A 249/16 –, juris, Rn. 2, vom 9. Juli 2018 – 1 A 2592/17 –, juris, Rn. 2, vom 5. Januar 2017 – 1 A 2257/15 –, juris, Rn. 9 f., und vom 29. Januar 2016– 1 A 1862/14 –, juris, Rn. 3 f., jeweils m. w. N.
11Der Rechtsmittelführer muss darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht unrichtig ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden An-nahmen des Verwaltungsgerichts auseinander setzen und im Einzelnen darlegen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese ernstlichen Zweifeln begegnen. Er muss insbesondere die konkreten Feststellungen tatsächlicher oder rechtlicher Art benennen, die er mit seiner Rüge angreifen will. Diesen Darlegungsanforderungen wird nicht genügt, wenn sich sein Vorbringen in einer Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrags erschöpft, ohne im Einzelnen auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung einzugehen.
12Vgl. Seibert, in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a, Rn. 206 m. w. N.
131. Weite Teile des Zulassungsvorbringens des Klägers werden den vorgenannten Darlegungsanforderungen nicht gerecht.
14Soweit der Kläger sich in Abschnitt A. der Zulassungsbegründung darauf beschränkt, die Inhalte seiner erstinstanzlichen Schriftsätze wörtlich zu zitieren, fehlt es vollumfänglich an der im Zulassungsverfahren erforderlichen Auseinandersetzung mit den erstinstanzlichen Entscheidungsgründen. Insoweit legt das Zulassungsvorbringen bereits nicht dar, inwieweit diese Ausführungen zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils führen sollen.
15Des Weiteren fehlt es an einer hinreichenden Darlegung, soweit der Kläger einen Verstoß des Verwaltungsgerichts gegen den Amtsermittlungsgrundsatz geltend macht, weil dieses die nach seinem Vortrag schwerwiegenden Erkrankungen nicht hinreichend gewürdigt und aufgeklärt habe (vgl. Abschnitt B.4. der Zulassungsbegründung). Weder findet sich im Zulassungsvorbringen eine Auseinandersetzung mit der diesbezüglichen Argumentation des Verwaltungsgerichts noch wurde das Vorliegen des behaupteten Schweregrades an Erkrankungen im Zulassungsverfahren hinreichend glaubhaft gemacht. Die umfangreiche Wiedergabe des früheren Behandlungsverlaufs und der eingenommenen Medikamente ohne nähere Belege reicht hierfür nicht aus. Es ist nicht Aufgabe des Senats, die individuellen Nachweise für diesen sehr allgemein gehaltenen Vortrag zu suchen und die Argumente hierdurch zu vertiefen.
16Schließlich fehlt es auch bezüglich der Auffassung des Klägers, das erkennende Gericht habe die besondere Fürsorgepflicht des Dienstherrn aus einem weiteren Gesichtspunkt nicht hinreichend gewürdigt, indem es das Fehlen anerkannter wissenschaftlicher Behandlungsmethoden für die Erkrankung des Klägers verkannt habe, an einer Glaubhaftmachung und damit hinreichenden Darlegung des diesbezüglichen Vortrags in der Zulassungsbegründung (vgl. Abschnitt B.5.).
172. Soweit das Zulassungsvorbringen des Klägers den Anforderungen an die Darlegung genügt, greift es in der Sache nicht durch. Die vorstehenden Maßgaben zu-grunde gelegt, rechtfertigt es nicht die Annahme ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils.
18a) Dies gilt zunächst für das Vorbringen des Klägers, das Verwaltungsgericht habe sich zu Unrecht auf § 75 Abs. 8 Nr. 2 lit. c) LBG NRW bezogen, obwohl diese Vorschrift nur die Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen für Untersuchungen und Behandlungen normiere, wohingegen die Erstattungsfähigkeit von Medikamenten in § 75 Abs. 8 Nr. 2 lit. d) LBG NRW geregelt sei.
19Auch wenn diese Differenzierung im Grundsatz zutreffend ist, folgen hieraus – anders als der Kläger meint – keine für ihn günstigeren Tatbestandsvoraussetzungen. Seine Annahme, das Fehlen der Einschränkung "nach wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten oder unwirtschaftlichen Methoden" aus lit. c) in der hier einschlägigen lit. d) wirke sich für ihn günstig aus, trifft nicht zu. Im Gegenteil hat der Gesetzgeber § 75 Abs. 8 Nr. 2 lit. c) LBG NRW enger gefasst. Dies hat zur Folge, dass Beschränkungen oder Ausschlüsse von Aufwendungen für Untersuchungen und Behandlungen in den Beihilfevorschriften ausschließlich auf Grundlage wissenschaftlich nicht allgemein anerkannter oder unwirtschaftlicher Methoden bestimmt werden können. Demgegenüber enthält die Formulierung in § 75 Abs. 8 Nr. 2 lit. d) LBG NRW keine derartige Einschränkung auf bestimmte Formen an Beschränkungen und Ausschlüssen von Aufwendungen unter anderem für nicht verschreibungspflichtige oder verschreibungspflichtige Arzneimittel.
20Dies hat zur Folge, dass die wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten oder unwirtschaftlichen Methoden auch einer der unbenannten Gründe in § 75 Abs. 8 Nr. 2 lit. d) LBG NRW sein können, die Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel zu beschränken bzw. auszuschließen. Dass die BVO NRW entsprechendes in zulässiger Weise umsetzt, hat das Verwaltungsgericht ausführlich begründet und sich hierbei an der Rechtsprechung des Senats orientiert.
21Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. Mai 2018 – 1 A 1028/17 –, juris, Rn. 36.
22b) Auch das Vorbringen des Klägers, der Gesetzgeber habe die Beschränkungen und Ausschlüsse nicht in einer Rechtsverordnung, sondern im Landesbeamtengesetz selbst regeln müssen, um den vom Bundesverfassungsgericht aus Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleiteten Anforderungen gerecht zu werden, rechtfertigt entgegen der Auffassung des Klägers keine Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils sowie der Amtsermittlung des erstinstanzlichen Gerichts.
23Auch das beihilferechtliche Regelungssystem muss sich an dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes, der sich aus dem rechtsstaatlichen und demokratischen Verfassungssystem des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 1 und 3 GG) ergibt, messen lassen. Dieser Grundsatz verlangt, dass staatliches Handeln in bestimmten grundlegenden normativen Bereichen durch förmliches Gesetz legitimiert wird. Der parlamentarische Gesetzgeber ist verpflichtet, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen, und darf sie nicht anderen Normgebern oder schlicht dem Verwaltungsvollzug überlassen. Wann danach eine Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber erforderlich ist, lässt sich nur mit Blick auf den jeweiligen Sachbereich und auf die Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes beurteilen. Ob und welche Leistungen der Dienstherr im Falle von Krankheit und Pflegebedürftigkeit erbringt, ist für den Beamten und seine Familie von herausragender Bedeutung. Die Leistungen gestalten den Fürsorgegrundsatz aus und bestimmen mit über das dem Beamten gewährte Niveau der Alimentation. Dies gebietet es, die tragenden Strukturprinzipien und wesentliche Einschränkungen des Beihilfesystems durch Parlamentsgesetz zu regeln. Zu den tragenden Strukturprinzipien des Beihilferechts zählen insbesondere die Bestimmung des Leistungssystems, das dem Beamten und seiner Familie Schutz im Fall von Krankheit und Pflegebedürftigkeit bietet, die Festlegung der Risiken, die abgedeckt werden, die Bestimmung des Personenkreises, der Leistungen beanspruchen kann, der Grundsätze, nach denen Leistungen erbracht, bemessen oder ausgeschlossen werden, und die Anordnung, welche zweckidentischen Leistungen und Berechtigungen Vorrang haben. Des Weiteren muss der parlamentarische Gesetzgeber die Verantwortung für Beihilfekürzungen in Form von Selbstbeteiligungen übernehmen, wenn sie die Schwelle der Geringfügigkeit überschreiten.
24Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. März 2016 – 5 B 11.16 –, juris, Rn. 13 m. w. N.; siehe auch Urteile vom 3. Juni 2009 – 2 C 27.08 –, juris, Rn. 8, und vom 17. Juni 2004 – 2 C 50.02 –, BVerwGE 121, 103-115, juris, Rn. 19; zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG siehe stellvertretend Beschluss vom 14. März 1989– 1 BvR 1033/82 –, BVerfGE 80, 1-39, juris, Rn. 58
25Gemessen an diesen Anforderungen wird die Ausgestaltung des § 75 Abs. 8 Nr. 2 lit. d) LBG NRW rechtsstaatlichen Bestimmtheitsanforderungen – insbesondere auch aus Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG – für sich genommen gerecht. Anders als der Kläger meint, ist es nicht zwingend Sache des Gesetzgebers, die Beschränkungen und Ausschlüsse selbst durch formelles Gesetz zu regeln und konkrete Vorgaben für deren Ausgestaltung etwa bei bestimmten Arzneimitteln zu geben. Zu den tragenden Strukturprinzipien zählen nach dem Vorstehenden insoweit lediglich die Grundsätze, nach denen Leistungen erbracht, bemessen oder ausgeschlossen werden. Dem ist der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber in Bezug auf § 75 Abs. 8 Nr. 2 lit. d) LBG NRW dadurch nachgekommen, dass er die Fallkonstellationen aufgelistet hat, in denen das Finanzministerium durch Rechtsverordnung die Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen unabhängig von ihrer Notwendigkeit und Angemessenheit, jedoch unter Beachtung der Grundsätze beamtenrechtlicher Fürsorge beschränken oder ausschließen kann. Hierzu zählen unter anderem, worauf es vorliegend ankommt, Aufwendungen für nicht verschreibungspflichtige oder verschreibungspflichtige Arzneimittel.
26c) Auch der weitere klägerische Einwand, die maßgebliche Vorschrift des "§ 4 Abs. 7 Nr. 2 BVO NRW" (gemeint ist offenbar § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 Ziff. 2 BVO NRW) sei verfassungswidrig, da deren Satz 3 gegen den Gleichheitssatz verstoße, ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils zu begründen. Der Kläger hält es für eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung, dass der Ausschluss für nichtverschreibungspflichtige apothekenpflichtige und nicht apothekenpflichtige Arzneimittel aus § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 BVO NRW gemäß dem dortigen Satz 3 für Personen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr keine Anwendung finde, ohne dass Differenzierungspunkte erkennbar wären.
27Diese Annahme ist nicht begründet, da die ungleiche Behandlung nach dem Lebensalter, infolge derer der Ausschluss des Satzes 2 zwar auf den Kläger Anwendung findet, nicht jedoch auf den Personenkreis i. S. v. Satz 3, sachlich gerechtfertigt ist.
28Der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, stellt es dem Normgeber aber frei, auf Grund autonomer Wertungen Differenzierungsmerkmale auszuwählen, an die er eine Gleich- oder Ungleichbehandlung anknüpft. Dabei hat er grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum, wenn die Ungleichbehandlung nicht an ein personenbezogenes, d. h. von den Betroffenen gar nicht oder nur schwer beeinflussbares Merkmal, sondern an Lebenssachverhalte anknüpft oder von freiwilligen Entscheidungen der Betroffenen abhängt.
29Vgl. hierzu: BVerwG, Urteile vom 5. Mai 2010 – 2 C 12.10 –, juris, Rn. 10, vom 26. August 2009 – 2 C 62.08 –, juris, Rn. 11, und vom 28. Mai 2008 – 2 C 24.07 –, juris, Rn. 25, jeweils m. w. N., v. a: zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
30Umgekehrt unterliegt der Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen – wie vorliegend – regelmäßig einer strengen Bindung. Diese Bindung ist umso enger, je mehr sich die personenbezogenen Merkmale den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten annähern und je größer deshalb die Gefahr ist, dass eine an sie anknüpfende Ungleichbehandlung zur Diskriminierung einer Minderheit führt. Die engere Bindung ist jedoch nicht auf personenbezogene Differenzierungen beschränkt. Sie gilt vielmehr auch, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt. Überdies sind dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann.
31Vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 1993– 1 BvL 38/92 –, BVerfGE 88, 87-103, juris, Rn. 35.
32Betrifft die angegriffene Maßnahme ein Gebiet, in dem der Normgeber über ein weites Ermessen verfügt, so ist ein Gleichheitsverstoß nur dann anzunehmen, wenn sich im Hinblick auf die Eigenart des geregelten Sachbereichs ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Regelung schlechthin nicht finden lässt, die Regelung also willkürlich erscheint. Bewegt sich der Normgeber dagegen auf einem Gebiet, auf dem er engen rechtlichen Bindungen unterliegt, so kann ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz schon dann angenommen werden, wenn für die Differenzierung keine Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können.
33Vgl. hierzu: BVerwG, Urteile vom 5. Mai 2010 – 2 C 12.10 –, juris, Rn. 10, vom 26. August 2009 – 2 C 62.08 –, juris, Rn. 11, und vom 28. Mai 2008 – 2 C 24.07 –, juris, Rn. 25, jeweils m. w. N., v. a: zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
34Die vom Normgeber für eine Differenzierung im Beihilfesystem angeführten Gründe müssen im Rahmen der Prüfung eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz auch vor dem Hintergrund Bestand haben, dass die Beihilfe ihre Grundlage in der in ihrem Kern verfassungsrechtlich geschützten Fürsorgepflicht des Dienstherrn findet. Solange der Gesetzgeber am gegenwärtig praktizierten "Mischsystem" aus privat finanzierter Eigenvorsorge und ergänzender Beihilfe festhält, ist der allgemeine Gleichheitssatz insofern verletzt, wenn eine bestimmte Regelung die im Beihilfesystem angelegte Sachgesetzlichkeit ohne zureichenden Grund verlässt. Durch Leistungseinschränkungen und Leistungsausschlüsse darf sich der Vorschriftengeber innerhalb des geltenden Beihilfesystems danach nicht zu seiner grundsätzlichen Entscheidung in Widerspruch setzen, Beihilfe zu gewähren, soweit sie dem Grund nach notwendig und der Höhe nach angemessen ist. Da es sich bei der Begrenzung der Beihilfefähigkeit durch Leistungsausschlüsse und Leistungsbeschränkungen um eine Einschränkung dieses Grundsatzes handelt, bedarf ein Ausschluss oder eine Begrenzung in formeller Hinsicht einer (hier wie ausgeführt vorliegenden) ausdrücklichen Rechtsgrundlage und in materieller Hinsicht einer inneren, den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG standhaltenden Rechtfertigung.
35Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. Dezember 2010– 1 A 565/09 –, juris, Rn. 90; siehe auch bereits BVerwG, Urteile vom 5. Mai 2010 – 2 C 12.10 –, juris, Rn. 11, vom 26. August 2009 – 2 C 62.08 –, juris, Rn. 12, und vom 28. Mai 2008 – 2 C 24.07 –, juris, Rn. 26.
36In Anwendung dieser Grundsätze ist nicht erkennbar, dass die Differenzierung nach minderjährigen und volljährigen Personen durch § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 BVO NRW gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.
37Der – abgesehen von Minderjährigen (Satz 3) – ausnahmslose Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen von der Beihilfefähigkeit gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 Ziff. 2 BVO NRW ist nicht zu beanstanden. Gerechtfertigt wird dies im Kern mit der im Regelfall zu erwartenden Geringfügigkeit der für solche Arzneimittel entstehenden Aufwendungen.
38Vgl. speziell zum Ausschluss betreffend besondere Therapierichtungen: OVG NRW, Urteil vom 18. Mai 2018 – 1 A 1028/17 –, juris, Rn. 53; zudem allgemein zum Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Medikamente: Urteile vom 8. Juni 2010 – 1 A 1328/08 –, juris, Rn. 43 ff., vom 10. Dezember 2010 – 1 A 565/09 –, juris, Rn. 87 ff., vom 11. Juli 2011 – 1 A 498/09 –, juris, Rn. 73 ff., vom 21. November 2011– 1 A 335/09 –, juris, Rn. 34 ff., vom 5. Dezember 2011 – 1 A 501/09 –, juris, Rn. 36 ff., 123 ff., vom 12. September 2014 – 1 A 1601/13 –, juris, Rn. 30, sowie Beschluss vom 17. Februar 2011 – 1 A 349/09 –, juris, Rn. 64 ff.
39Ein sachlicher Differenzierungsgrund für die Rückausnahme zugunsten von Personen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr ergibt sich insoweit schon aus dem Umstand, dass selbst die grundsätzlich geringfügigen Aufwendungen diesen Personenkreis aufgrund der weithin fehlenden regelmäßigen Einkünfte regelmäßig härter treffen als volljährige Personen. Eine Rückausnahme zu Gunsten dieses Personenkreises verfolgt daher einen sachlichen Grund, wobei sich der Verordnungsgeber wegen der Vielzahl möglicher Fallkonstellationen zulässigerweise auch einer Pauschalierung bedienen darf. Außerdem orientiert sich die Rückausnahme insoweit an der gesetzlichen Krankenversicherung, um die in der Regel betroffene Familie eines beihilfeberechtigten Beamten um diese Aufwendungen zu entlasten. Der Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel von der dortigen Versorgung gilt auch in der gesetzlichen Krankenversicherung in weitem Maße nicht für Kinder und Jugendliche bis maximal zur Vollendung des 18. Lebensjahres (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 5 SGB V); diese Regelung hat auch Eingang in die Richtlinie über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinie) gefunden und dient nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 15/1525, Seite 86) "zur Berücksichtigung der besonderen Belange von Familien mit Kindern". Neben dieser materiellen Zielsetzung liegt eine sachliche Rechtfertigung der Ungleichbehandlung nicht zuletzt darin begründet, dass der Verordnungsgeber diesen Gedanken des gesetzlichen Krankenversicherungssystems in entsprechender Weise auf das Beihilfesystem überträgt und damit eine Vergleichbarkeit der Versorgungssysteme herstellt.
40d) Entsprechendes gilt auch für das weitere Zulassungsvorbringen des Klägers, die von ihm angenommene – hier jedoch zuvor nicht festgestellte – Verfassungswidrigkeit erstrecke sich auch auf § 4 Abs. 7 Satz 5 BVO NRW. Nach seiner Begründung nehme diese Vorschrift dieselbe Differenzierung anhand des Lebensalters vor, ohne dass es eine sachliche Rechtfertigung dafür gebe, Kindern und Jugendlichen im Gegensatz zu dem Kläger eine Erstattung der Medikamente der besonderen Therapieeinrichtungen zu gewähren. Dass dies allerdings nicht zutrifft und ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung existiert, wurde bereits dargelegt; die vorstehenden Ausführungen gelten insoweit entsprechend.
41II. Die Berufung ist auch nicht wegen der von dem Kläger geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
42Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird, und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung des Zulassungsgrundes ist die Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird. Ist die aufgeworfene Frage eine Rechtsfrage, so ist ihre Klärungsbedürftigkeit nicht schon allein deshalb zu bejahen, weil sie bislang nicht obergerichtlich oder höchstrichterlich entschieden ist. Nach der Zielsetzung des Zulassungsrechts ist vielmehr Voraussetzung, dass aus Gründen der Einheit oder Fortentwicklung des Rechts eine obergerichtliche oder höchstrichterliche Entscheidung geboten ist. Die Klärungsbedürftigkeit fehlt deshalb, wenn sich die als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage entweder schon auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts nach allgemeinen Auslegungsmethoden oder aber (ggf. ergänzend) auf der Basis bereits vorliegender Rechtsprechung ohne weiteres beantworten lässt.
43Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 28. August 2018– 1 A 2092/16 –, juris, Rn. 34, und vom 13. Februar 2018 – 1 A 2517/16 –, juris, Rn. 32.
44In Anwendung dieser Grundsätze liegen die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung nicht vor.
45Ungeachtet dessen, dass der Kläger in der Zulassungsbegründung keine konkrete, von ihm als grundsätzlich bedeutsam erachtete Rechtsfrage formuliert hat, rechtfertigt die sinngemäße Frage danach, ob der Gesetzgeber eine konkretere Regelung im Gesetz hätte treffen müssen, anstatt dem Verordnungsgeber eine Globalermächtigung zu erteilen, die Erstattung sämtlicher Arzneimittel auszuschließen, nicht die Zulassung der Berufung. Diese Frage kann, wie sich aus den Ausführungen unter Gliederungsziffer I.2. dieses Beschlusses ergibt, schon anhand der bisherigen obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung beantwortet werden, ohne dass es eines Zulassungsverfahrens bedarf. Sie ist daher nicht klärungsbedürftig.
46IV. Die begehrte Zulassung der Berufung kann schließlich auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO erfolgen.
47Nach dieser Vorschrift ist die Berufung zuzulassen, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts von einer Entscheidung eines in der Norm aufgeführten divergenzrelevanten Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn ein inhaltlich bestimmter, die angefochtene Entscheidung tragender Rechtssatz dargelegt wird, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines divergenzrelevanten Gerichts aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat.
48Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 21. April 2010– 1 A 1326/08 –, juris, Rn. 34, und vom 25. Januar 2012 – 1 A 640/10 –, juris, Rn. 2; ferner etwa Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 215 bis 217, m. w. N.
49Der Kläger macht insoweit geltend, das Verwaltungsgericht sei von dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 1958 sowie von den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juni 2004 und des Bundesgerichtshofs vom 2. Dezember 1981 abgewichen.
50Dieses Vorbringen geht ins Leere, weil das angefochtene Urteil die gerügten Ausführungen zu den Anforderungen des Art. 80 GG, die dem erwähnten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 18/56, v. a. Rn. 74 ff.) zu entnehmen sind, schlicht nicht enthält und Anhaltspunkte für eine verdeckte Divergenz weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sind.
51Entsprechendes gilt auch für die Ausführungen zu dem Umfang und der Tragweite der Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Insoweit ist nicht ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht von den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts (2 C 50.02, Rn. 10 ff.) und des Bundesgerichtshofs (Az. unbekannt, ggf.: IVa ZR 206/80) in den vorgenannten Entscheidungen abgewichen ist. Auf die Ausführungen unter Gliederungsziffer I.2. wird insofern verwiesen.
52Unabhängig davon genügt das Vorbringen des Klägers auch nicht den Anforderungen an eine hinreichende Darlegung, weil es schon an der Bezeichnung und Gegenüberstellung divergierender Rechtssätze im vorgenannten Sinn fehlt.
53Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
54Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 und 3 GKG.
55Dieser Beschluss ist hinsichtlich der Streitwertfestsetzung nach den §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG und im Übrigen gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unan-fechtbar. Das angefochtene Urteil ist nunmehr rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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