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Urteilskopf
55. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B. AG und Mitb. (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_560/2013 vom 30. Juni 2014
Regeste Art. 61 ZPO ; Schiedseinrede im internen Verhältnis. Prüfung einer Schiedseinrede nach Art. 61 ZPO (E. 2); Anwendung im konkreten Fall (E. 3).
Regeste
Art. 61 ZPO ; Schiedseinrede im internen Verhältnis. Prüfung einer Schiedseinrede nach Art. 61 ZPO (E. 2); Anwendung im konkreten Fall (E. 3).
Art. 61 ZPO Prüfung einer Schiedseinrede nach Art. 61 ZPO (E. 2); Anwendung im konkreten Fall (E. 3).
Art. 61 ZPO Sachverhalt ab Seite 367
Sachverhalt ab Seite 367 BGE 140 III 367 S. 367
BGE 140 III 367 S. 367
A.
A. A.a Mit Vereinbarung vom 17. Dezember 2007 ("Konsortialvertrag") schlossen sich B. AG, A., Bauleiter, das Ingenieurbüro C., die D. AG sowie die E. AG zu einem Konsortium zusammen.
A.a A.b Die letzte Seite des Konsortialvertrags enthält unter der Überschrift "Ziffer XI Schlussbestimmungen" eine Klausel mit folgendem Wortlaut:
A.b "Für den vorliegenden Vertrag ist ausschliesslich schweizerisches Recht anwendbar. Gerichtsstand ist Meilen.
Streitigkeiten unter den Gesellschaftern über den vorliegenden Vertrag wie auch über Werkverträge, die das Konsortium mit den Gesellschaftern abschliesst, werden nach Möglichkeit unter Ausschluss der ordentlichen Gerichte durch ein Schiedsgericht erledigt. Die Parteien, unter denen Meinungsverschiedenheit besteht, sollen sich in der Monatsfrist auf einen Einzelschiedsrichter oder ein Schiedsgericht einigen. Erst wenn eine solche Einigung nicht möglich oder der Entscheid des Schiedsgerichts nicht akzeptiert wird, kann das zuständige Gericht angerufen werden." BGE 140 III 367 S. 368
BGE 140 III 367 S. 368
B.
B. B.a Mit Klage vom 27. Juli 2012 machte A. gegen seine vier Mitgesellschafter eine Forderungsklage auf Verurteilung zur Zahlung von Fr. 112'123.90 bzw. von einem nach Massgabe des Beweisergebnisses höheren Betrag anhängig.
B.a Mit Eingabe vom 28. September 2012 erhoben die Beklagten die Schiedseinrede.
Mit Zirkulationsbeschluss vom 21. Mai 2013 trat das Bezirksgericht Meilen auf die Klage nicht ein.
B.b Gegen diesen Entscheid erhob der Kläger am 14. Juni 2013 Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich.
B.b Mit Urteil vom 9. Oktober 2013 wies das Obergericht die Berufung ab.
C. Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 11. November 2013 beantragt der Kläger dem Bundesgericht, es seien das obergerichtliche Urteil sowie der erstinstanzliche Nichteintretensbeschluss aufzuheben; die von den Beklagten erhobene Schiedseinrede sei abzuweisen und die Sache sei zur weiteren Behandlung an das Bezirksgericht Meilen zurückzuweisen.
C. In teilweiser Gutheissung der Beschwerde weist das Bundesgericht die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
2. Zwischen den Parteien ist strittig, ob der Konsortialvertrag vom 17. Dezember 2007 eine Schiedsklausel enthält.
2. 2.1 Beide Parteien hatten beim Abschluss des Konsortialvertrags ihren Sitz in der Schweiz, womit vorliegend die Regeln über die interne Schiedsgerichtsbarkeit zur Anwendung gelangen ( Art. 353 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. 176 Abs. 1 IPRG [SR 291]). Der Vertrag datiert aus der Zeit vor Inkrafttreten der ZPO am 1. Januar 2011. Gemäss Art. 407 Abs. 1 ZPO beurteilt sich im Binnenverhältnis die Gültigkeit von Schiedsvereinbarungen, die vor Inkrafttreten des Gesetzes geschlossen wurden, nach dem für sie günstigeren Recht. Sowohl die Vorinstanz wie auch das Bezirksgericht gingen unangefochten und zutreffend davon aus, dass die formellen Anforderungen der ZPO an eine Schiedsvereinbarung gegenüber denjenigen des früheren kantonalen Rechts günstiger sind, und prüften dementsprechend das BGE 140 III 367 S. 369 Vorliegen einer Schiedsvereinbarung und deren Auswirkung auf die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte nach Massgabe der ZPO.
2.1 Art. 353 Abs. 1 ZPO Art. 176 Abs. 1 IPRG Art. 407 Abs. 1 ZPO BGE 140 III 367 S. 369
2.2
2.2 2.2.1 Die Auswirkung einer internen Schiedsvereinbarung auf die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte ist in Art. 61 ZPO geregelt. Danach lehnt das angerufene staatliche Gericht seine Zuständigkeit ab, wenn die Parteien über eine schiedsfähige Streitsache eine Schiedsvereinbarung getroffen haben (Art. 61 Ingress ZPO), es sei denn, die beklagte Partei habe sich vorbehaltlos auf das Verfahren eingelassen (lit. a), das Gericht stelle fest, dass die Schiedsvereinbarung offensichtlich ungültig oder nicht erfüllbar sei (lit. b), oder das Schiedsgericht könne nicht bestellt werden aus Gründen, für welche die im Schiedsverfahren beklagte Partei offensichtlich einzustehen hat (lit. c).
2.2.1 Art. 61 ZPO 2.2.2 Unter einer Schiedsvereinbarung ist eine Übereinkunft zu verstehen, mit der sich zwei oder mehrere bestimmte oder bestimmbare Parteien einigen, eine oder mehrere, bestehende oder künftige Streitigkeiten verbindlich unter Ausschluss der ursprünglichen staatlichen Gerichtsbarkeit einem Schiedsgericht nach Massgabe einer unmittelbar oder mittelbar bestimmten rechtlichen Ordnung zu unterstellen ( BGE 140 III 134 E. 3.1 S. 138; BGE 130 III 66 E. 3.1 S. 70). Entscheidend ist, dass der Wille der Parteien zum Ausdruck kommt, über bestimmte Streitigkeiten ein privates Schiedsgericht unter Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit verbindlich entscheiden zu lassen ( BGE 140 III 134 E. 3.1 S. 138; BGE 138 III 29 E. 2.2.3 S. 35; BGE 129 III 675 E. 2.3 S. 679 f.). Dabei muss sich der Wille, auf die staatlichen Gerichte zu verzichten, nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung klar und unzweideutig aus der Parteivereinbarung ergeben (vgl. BGE 140 III 134 E. 3.2 S. 138; BGE 138 III 29 E. 2.3.1 S. 36 f.; BGE 129 III 675 E. 2.3 S. 680 f.; BGE 128 III 50 S. 58 E. 2c/aa).
2.2.2 2.2.3 Gemäss Art. 61 Ingress ZPO lehnt das staatliche Gericht seine Zuständigkeit nur dann ab, wenn die Parteien eine Schiedsvereinbarung abgeschlossen haben und diese sich auf eine schiedsfähige Streitsache bezieht. Diese in Art. 61 Ingress ZPO genannten Elemente sind in einem ersten Schritt mit voller Kognition zu prüfen (vgl. in diesem Sinne TANJA DOMEJ, in: ZPO, Oberhammer und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 3 zu Art. 61 ZPO ; CHRISTOPH HURNI, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, N. 7 zu Art. 61 ZPO ). Erst wenn eine Schiedsvereinbarung über einen schiedsfähigen Streitgegenstand i.S. von Art. 61 Ingress ZPO vorliegt, ist in einem zweiten Schritt nach Art. 61 lit. b ZPO zu prüfen, BGE 140 III 367 S. 370 ob die Schiedsvereinbarung offensichtlich ungültig oder nicht erfüllbar ist. Dieser Wortlaut lehnt sich an jenen von Art. 7 lit. b IPRG an, wobei diese Bestimmung im Unterschied zu Art. 61 lit. b ZPO das Wort "offensichtlich" nicht enthält. Mit dem Kriterium der Offensichtlichkeit in Art. 61 lit. b ZPO wollte der Gesetzgeber die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu Art. 7 lit. b IPRG kodifizieren, wonach das staatliche Gericht die Schiedsvereinbarung mit einer bloss summarischen Prüfung auf eine Hinfälligkeit, Unwirksamkeit oder Unerfüllbarkeit hin überprüfen soll ( BGE 138 III 681 E. 3.2. S. 685 mit Hinweisen). Die summarische Prüfung nach Art. 61 lit. b ZPO bezieht sich namentlich auf die inhaltliche Tragweite der Schiedsvereinbarung ( BGE 138 III 681 E. 3.2 S. 686) sowie auf pathologische Schiedsvereinbarungen, d.h. solche, aus denen zwar die verbindliche Unterstellung einer Streitentscheidung unter ein privates Schiedsgericht hervorgeht, die aber Bestimmungen enthalten, die unvollständig, unklar oder widersprüchlich sind ( BGE 138 III 29 E. 2.2.3 S. 35 mit Hinweisen).
2.2.3 Art. 61 ZPO Art. 61 ZPO Art. 61 lit. b ZPO BGE 140 III 367 S. 370
Art. 7 lit. b IPRG Art. 61 lit. b ZPO Art. 61 lit. b ZPO Art. 7 lit. b IPRG Art. 61 lit. b ZPO 3. Der Beschwerdeführer rügt eine rechtsfehlerhafte Vertragsauslegung durch die Vorinstanz in Verletzung von Art. 1 und 18 OR und Art. 2 ZGB sowie eine Verletzung von Art. 61 ZPO. Er moniert, dass beide Absätze des Textes von Ziffer XI des Konsortialvertrages auszulegen seien, und bemängelt, die Vorinstanz habe der Verwendung des Wortes "Schiedsgericht" im fraglichen Text zu Unrecht bereits entscheidendes Gewicht beigemessen.
3. Art. 1 und 18 OR Art. 2 ZGB Art. 61 ZPO 3.1 Eine Schiedsvereinbarung entsteht durch übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien ( Art. 1 Abs. 1 OR ). Massgebend ist in erster Linie der übereinstimmende tatsächliche Wille der Parteien ( BGE 140 III 134 E. 3.2 S. 138; BGE 130 III 66 E. 3.2 S. 71 mit Hinweisen). Kann ein solcher nicht festgestellt werden, sind die Willensäusserungen nach dem Vertrauensprinzip auszulegen, d.h. der mutmassliche Parteiwille ist so zu ermitteln, wie er vom jeweiligen Erklärungsempfänger nach den gesamten Umständen nach Treu und Glauben verstanden werden durfte und musste ( BGE 140 III 134 E. 3.2 S. 138; BGE 138 III 29 E. 2.2.3; BGE 135 III 295 E. 5.2 S. 302; BGE 130 III 66 E. 3.2 S. 71; BGE 129 III 675 E. 2.3 S. 680). Dabei hat sich das Gericht an die von den Parteien im Hinblick auf die Erfüllung der Textformerfordernis ( Art. 358 ZPO ) verwendeten Formulierungen zu halten.
3.1 Art. 1 Abs. 1 OR Art. 358 ZPO 3.2 Die Vorinstanz stellte fest, dass die Parteien in Bezug auf den Text von Ziffer XI Abs. 2 des Konsortialvertrages einen BGE 140 III 367 S. 371 übereinstimmenden tatsächlichen Willen ausdrücklich nicht behauptet hatten, und nahm daher zutreffend eine objektivierte Auslegung der Klausel nach dem Vertrauensprinzip vor. Sie hob zunächst den Gebrauch der Wörter "Schiedsgericht" und "Einzelschiedsrichter" hervor und schloss daraus, dass diese nach Treu und Glauben nicht anders verstanden werden könnten, als dass die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts anstatt eines staatlichen Gerichts vereinbart worden sei. Die Vorinstanz hielt die Wendung "nach Möglichkeit" nicht für eine Relativierung dieses Schiedswillens, sondern für einen Vorbehalt der Möglichkeit einer Beschwerde nach Art. 390 Abs. 1 ZPO. Sie fasste den Passus, wonach bei Nichteinigung auf einen Einzelschiedsrichter oder ein Schiedsgericht sowie bei Nichtakzeptanz eines schiedsrichterlichen Entscheids das zuständige Gericht angerufen werden könne, ebensowenig als Abschwächung eines Schiedswillens auf, sondern deutete ihn "im Gesamtzusammenhang" als Hinweis auf die Möglichkeit der Bestellung des Schiedsgerichtes durch ein staatliches Gericht gestützt auf Art. 362 Abs. 2 ZPO.
3.2 BGE 140 III 367 S. 371
Art. 390 Abs. 1 ZPO Art. 362 Abs. 2 ZPO 3.3
3.3 3.3.1 Die fragliche Klausel in Ziffer XI des Konsortialvertrages enthält zunächst eine Rechtswahl ("Für den vorliegenden Vertrag ist ausschliesslich schweizerisches Recht anwendbar"). Weiter enthält sie eine Gerichtsstandsklausel ("Gerichtsstand ist Meilen"), welche eindeutig und unbedingt ist. Danach wird bestimmt, "nach Möglichkeit" sollten Streitigkeiten unter Ausschluss der ordentlichen Gerichte durch ein Schiedsgericht erledigt werden. Zu diesem Zweck sollen sich die Parteien bei Meinungsverschiedenheiten "innert Monatsfrist auf einen Einzelschiedsrichter oder ein Schiedsgericht" einigen. Erst wenn eine "solche Einigung nicht möglich oder der Entscheid des Schiedsgerichts nicht akzeptiert" werde, könne "das zuständige Gericht angerufen werden".
3.3.1 3.3.2 BGE 140 III 367 S. 372
3.3.3 Die Vorinstanz hat folglich den Text in Ziffer XI Abs. 2 des Konsortialvertrages vertrauenstheoretisch falsch ausgelegt, wenn sie darin bereits einen Konsens über den Verzicht auf die staatliche und die Einsetzung einer privaten Gerichtsbarkeit sah. Es fehlt an einer klaren und unzweideutigen Willenserklärung der Parteien, Streitigkeiten aus ihrem Konsortialvertrag unter Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit einer verbindlichen Beurteilung durch ein Schiedsgericht zu unterstellen. Damit liegt keine Schiedsvereinbarung i.S.von Art. 61 Ingress ZPO vor; eine summarische Prüfung der Klausel unter dem Aspekt von Art. 61 lit. b ZPO erübrigt sich.
3.3.3 Art. 61 lit. b ZPO
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Urteilskopf 140 III 36 7. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Bank X. AG gegen Y. (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_888/2012 vom 31. Oktober 2013 Regeste Art. 82 Abs. 1 SchKG ; Rechtsöffnungstitel beim Schuldbrief im Drittpfandverhältnis. Der Papier-Schuldbrief bildet auch mit Bezug auf einen Drittpfandgeber den Rechtsöffnungstitel für das Grundpfandrecht. Für die Grundpfandforderung muss eine Anerkennung durch den Schuldner vorliegen (E. 4). Sachverhalt ab Seite 36 BGE 140 III 36 S. 36 A. Mit drei als Sicherungsübereignung bezeichneten Verträgen vom 19. März 2008 übertrug die A. AG (Schuldnerin) der Bank X. je einen Inhaberschuldbrief über Fr. 230'000.- im 1. Rang auf ihren drei Grundstücken. Am 26. November 2010 verkaufte die Schuldnerin die Grundstücke an Y., welcher zum Drittpfandgeber wurde. BGE 140 III 36 S. 37 Mit gerichtlichem Entscheid vom 14. Juli 2011 wurde die Schuldnerin gemäss Art. 731b Abs. 1 Ziff. 3 OR aufgelöst und ihre Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs angeordnet. Nachdem die Bank die Schuldbriefe gekündigt hatte, leitete sie die Betreibung auf Grundpfandverwertung ein, wobei sie die drei Schuldbriefe als Forderungstitel nannte. Y. erhob Rechtsvorschlag. B. Zur Beseitigung des Rechtsvorschlages stellte die Bank gegen Y. für Fr. 931'500.- ein Rechtsöffnungsgesuch. Mit Entscheid vom 8. Juni 2012 erteilte das Bezirksgericht Willisau lediglich für Fr. 397'125.- sowie für das betreffende Grundpfandrecht die provisorische Rechtsöffnung. Hiergegen erhoben beide Parteien Berufung, wobei die Bank Rechtsöffnung für Fr. 742'273.- verlangte und der Drittpfandgeber einen Betrag von Fr. 375'331.25 zugestand. Mit Entscheid vom 10. Oktober 2012 erteilte das Obergericht des Kantons Luzern provisorische Rechtsöffnung für Fr. 375'331.25 sowie für das betreffende Grundpfandrecht. C. Gegen diesen Entscheid hat die Bank am 29. November 2012 eine Beschwerde erhoben mit dem Begehren um dessen Aufhebung und Rückweisung der Sache an das Obergericht. Die Sache wurde am 31. Oktober 2013 in einer öffentlichen Sitzung beraten. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist die Sache zur Weiterbehandlung an die Vorinstanz zurück. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Das Bezirksgericht ging davon aus, dass die Papier-Schuldbriefe als öffentliche Urkunden einen provisorischen Rechtsöffnungstitel für das Pfandrecht darstellten und die Schuldnerin in den gegengezeichneten Sicherungsvereinbarungen die persönliche Schuldpflicht für die Grundpfandforderungen anerkannt habe; im Sinne einer zusammengesetzten Urkunde liege somit ein Rechtsöffnungstitel sowohl für die Forderung als auch für das Pfandrecht vor. Demgegenüber hielt das Obergericht dafür, dass der Rechtsvorschlag nur dann beseitigt werden könne, wenn eine Schuldanerkennung auch des Drittpfandgebers vorliege, was nicht der Fall sei. BGE 140 III 36 S. 38 Insbesondere finde sich im Kaufvertrag vom 26. November 2010 keine Abrede, wonach er die persönliche Schuldpflicht aus den Schuldbriefen in Anrechnung an den Kaufpreis übernommen hätte. Ebenso wenig sei im Sinn einer externen Schuldübernahme ein Sicherungsübereignungsvertrag zwischen der Gläubigerin und ihm als Erwerber der Grundstücke abgeschlossen worden. Mithin fehle es an einem Rechtsöffnungstitel für die Grundpfandforderungen. Vor diesem Hintergrund wäre der vorinstanzliche Entscheid grundsätzlich aufzuheben und die provisorische Rechtsöffnung vollständig zu verweigern. Indes anerkenne der Drittpfandgeber das Rechtsöffnungsgesuch im Umfang von total Fr. 375'331.25 ohne Zinsen, weshalb entsprechend seinem Antrag das Rechtsöffnungsbegehren in diesem Umfang geschützt werden könne. Die Gläubigerin macht in ihrer Beschwerde geltend, dass es bei der Drittpfandsituation ausreiche, wenn vom Drittpfandgeber eine Pfandanerkennung vorliege. Eine Anerkennung der Schuld durch den Drittpfandgeber brauche es hingegen nicht, weil dieser anders als der Bürge nicht selbst zu zahlen verspreche. Soweit eine von der Schuldnerin unterzeichnete Anerkennung für die Forderung vorliege, müsse der Drittpfandgeber diese gegen sich geltend lassen. Wenn das Obergericht fordere, dass auch eine vom Drittpfandgeber unterzeichnete Schuldanerkennung vorliege, wäre die Rechtsöffnung bei Drittpfandverhältnissen (zumindest faktisch) immer ausgeschlossen; die provisorische Rechtsöffnung gegen den Drittpfandeigentümer müsse aber nach dem Willen des Gesetzgebers zulässig und möglich sein. 3. Bei Drittpfandverhältnissen richtet sich die Betreibung gegen den Schuldner, wobei dem Drittpfandgeber ebenfalls ein Zahlungsbefehl zuzustellen ist ( Art. 153 Abs. 2 lit. a SchKG ) und dieser wie der Schuldner Rechtsvorschlag erheben kann ( Art. 153 Abs. 2 SchKG ). Der Rechtsvorschlag des Drittpfandgebers hat die gleichen Wirkungen wie derjenige des Schuldners (vgl. BERNHEIM/KÄNZIG, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 2. Aufl. 2010, N. 4 und 7 zu Art. 153a SchKG ). Insbesondere gilt die Vermutung, wonach der nicht weiter begründete Rechtsvorschlag sich auf die Forderung wie das Pfandrecht bezieht ( Art. 85 der Verordnung des Bundesgerichts vom 23. April 1920 über die Zwangsverwertung von Grundstücken [VZG; SR 281.42] ), auch für den Drittpfandgeber. Sämtliche Rechtsvorschläge sind mit Rechtsöffnung oder Klage zu beseitigen; das bedeutet, dass sowohl gegen den Schuldner als auch gegen den Drittpfandgeber ein Verfahren BGE 140 III 36 S. 39 anzustrengen ist, wenn beide Rechtsvorschlag erhoben haben (STAEHELIN, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 2. Aufl. 2010, N. 171 zu Art. 82 SchKG ). Mit der Konkurseröffnung sind alle gegen den Schuldner hängigen Betreibungen aufgehoben mit Ausnahme derjenigen auf Verwertung von Pfändern, die von Dritten bestellt worden sind ( Art. 206 Abs. 1 SchKG ). Hier wird die Betreibung auf Pfandverwertung gegen den Gemeinschuldner auch während des Konkurses weitergeführt ( Art. 89 Abs. 1 VZG ). Ist der Konkurs bereits eröffnet oder die in der Form einer juristischen Person konstituierte Schuldnerin bereits untergegangen, richtet sich die Betreibung ausschliesslich gegen den Drittpfandgeber ( Art. 89 Abs. 2 VZG ). So wurde auch vorliegend verfahren, wobei im Zahlungsbefehl nebst der Gläubigerin in korrekter Weise die Schuldnerin und der Drittpfandgeber aufgeführt sind. Der Drittpfandgeber hat Rechtsvorschlag erhoben, welcher sich unbestrittenermassen auf die Forderung wie auch auf das Pfandrecht bezieht. Zu prüfen ist im Folgenden, was für Rechtsöffnungstitel zu dessen Beseitigung notwendig sind. 4. Beim Schuldbrief bilden die Grundpfandforderung und das Grundpfandrecht eine strikte Einheit; sie werden durch den Grundbucheintrag in identischem Betrag erzeugt und sind fortan untrennbar verbunden; keines der beiden Elemente kann ohne das andere oder in ungleicher Höhe bestehen, d.h. sie bilden eine notwendige Schicksalsgemeinschaft ( BGE 134 III 71 E. 3 S. 75). Soweit es sich nicht um einen Register-Schuldbrief, sondern - wie vorliegend - um einen Papier-Schuldbrief handelt, werden die Grundpfandforderung und das Grundpfandrecht zusätzlich in einem Pfandtitel verbrieft ( Art. 860 Abs. 1 ZGB ), wobei dieser Titel als Wertpapier ausgestaltet ist und eine "fliegende Kopie des Pfandaktes" (HUBER, Schweizerisches Civilgesetzbuch, Erläuterungen zum Vorentwurf des Eidg. Justiz- und Polizeidepartementes, 1902, S. 629) bzw. eine "Reproduktion des Grundbucheintrages" (HUBER, a.a.O., S. 729) darstellt. Bei der Betreibung auf Grundpfandverwertung ist der Papier-Schuldbrief als öffentliche Urkunde im Sinn von Art. 9 ZGB stets ein Rechtsöffnungstitel im Sinn von Art. 82 Abs. 1 SchKG für das Grundpfandrecht, denn die dingliche Haftung trifft zwangsläufig den jeweiligen Grundeigentümer, welcher im Pfandtitel als "Reproduktion des Grundbuches" - unter Vorbehalt der ausserbuchlichen Eigentumsübertragung am Grundstück - notwendigerweise ausgewiesen ist. Überdies ist der Papier-Schuldbrief als öffentliche Urkunde BGE 140 III 36 S. 40 auch ein Rechtsöffnungstitel im Sinn von Art. 82 Abs. 1 SchKG für die Grundpfandforderung, wenn der Schuldner in der Skriptur erscheint; soweit dieser im Schuldbrief nicht oder dort (noch) ein anderer als der betriebene Schuldner aufgeführt ist, bedarf es einer anderweitigen Schuldanerkennung, z.B. der gegengezeichneten Sicherungsvereinbarung, in welcher die persönliche Schuldpflicht aus dem sicherungsübereigneten Papier-Schuldbrief anerkannt worden ist (vgl. im Einzelnen BGE 134 III 71 E. 3 S. 73 f.). Vorliegend haben beide kantonalen Instanzen die von der Schuldnerin gegengezeichneten Sicherungsvereinbarungen vom 19. März 2008 erwähnt, mit welchen diese die persönliche Schuldpflicht für die Grundpfandforderungen unterschriftlich anerkannt hat. Während das Bezirksgericht dies als Rechtsöffnungstitel genügen liess, hielt das Obergericht dafür, dass eine Anerkennung der persönlichen Schuldpflicht auch seitens des Drittpfandgebers erforderlich sei. Die vom Obergericht im Entscheid und in der Vernehmlassung sinngemäss angerufene Literatur und Rechtsprechung bezieht sich jedoch auf den Fall, dass die persönliche Schuldpflicht für die Grundpfandforderungen durch den Käufer des Grundstücks übernommen worden ist und sich die Betreibung gegen diesen als neuen Schuldner richtet. Vorliegend hingegen ist die Übernahme der persönlichen Schuldpflicht bislang nicht zustande gekommen, weshalb ein Drittpfandverhältnis vorliegt. Es ist im Folgenden zu prüfen, welche Rechtsöffnungstitel in dieser Drittpfand-Konstellation vorliegen müssen. Beim Drittpfandverhältnis sind der Schuldner der Grundpfandforderung und der Eigentümer des verpfändeten Grundstückes nicht identisch. Eine Anerkennung für die Schuld kann hier begriffsnotwendig nur vom Schuldner abgegeben worden sein; mit der Anerkennung der persönlichen Schuldpflicht auch durch den Drittpfandgeber hätte sich dieser zum (Mit-)Schuldner, d.h. zum persönlichen (Mit-)Verpflichteten für die im Papier-Schuldbrief inkorporierte Forderung gemacht, womit er kein Dritt pfandgeber mehr wäre. Mit Bezug auf die Grundpfandforderung, für welche die Schuldnerin in der Pflicht steht, besteht folglich mit den Sicherungsübereignungsverträgen, in welchen sie die persönliche Schuldpflicht aus den Schuldbriefen anerkannt hat, ein hinlänglicher Rechtsöffnungstitel. Mit Bezug auf das Grundpfandrecht, für welches der jeweilige Eigentümer des belasteten Grundstückes in der Pflicht steht, besteht BGE 140 III 36 S. 41 mit dem Papier-Schuldbrief, welcher als fliegende Kopie des Grundbuches zwangsläufig den Eigentümer des Grundstückes als Pfandgeber ausweist, ein hinlänglicher Rechtsöffnungstitel. Es würde nicht angehen, dass der Grundpfandgläubiger durch den Verkauf des haftenden Grundstückes, auf welchen er keinen Einfluss hat, schlechter gestellt würde, indem er den neuen Eigentümer, der nicht sein Vertragspartner ist, um eine zusätzliche Pfandanerkennung angehen müsste, obwohl diese bereits in der Grundpfanderrichtung - d.h. im Versprechen, als Eigentümer mit dem Grundstück bis zu der im Grundbuch eingetragenen Höhe für die nicht befriedigte Grundpfandforderung dinglich zu haften - enthalten ist und dieser Akt durch den Papier-Schuldbrief dokumentiert wird. Nicht zu verwechseln ist dies im Übrigen mit der (vorliegend nicht interessierenden) Faustverpfändung eines Papier-Schuldbriefes, bei der nicht das Grundstück, sondern der Pfandtitel das Pfandobjekt bildet; hier ist der Verpfändungsakt selbstredend nicht im Titel verbrieft, mithin anderweitig nachzuweisen.
Urteilskopf
7. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Bank X. AG gegen Y. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_888/2012 vom 31. Oktober 2013
Regeste Art. 82 Abs. 1 SchKG ; Rechtsöffnungstitel beim Schuldbrief im Drittpfandverhältnis. Der Papier-Schuldbrief bildet auch mit Bezug auf einen Drittpfandgeber den Rechtsöffnungstitel für das Grundpfandrecht. Für die Grundpfandforderung muss eine Anerkennung durch den Schuldner vorliegen (E. 4).
Regeste
Art. 82 Abs. 1 SchKG ; Rechtsöffnungstitel beim Schuldbrief im Drittpfandverhältnis. Der Papier-Schuldbrief bildet auch mit Bezug auf einen Drittpfandgeber den Rechtsöffnungstitel für das Grundpfandrecht. Für die Grundpfandforderung muss eine Anerkennung durch den Schuldner vorliegen (E. 4).
Art. 82 Abs. 1 SchKG Der Papier-Schuldbrief bildet auch mit Bezug auf einen Drittpfandgeber den Rechtsöffnungstitel für das Grundpfandrecht. Für die Grundpfandforderung muss eine Anerkennung durch den Schuldner vorliegen (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 36
Sachverhalt ab Seite 36 BGE 140 III 36 S. 36
BGE 140 III 36 S. 36
A. Mit drei als Sicherungsübereignung bezeichneten Verträgen vom 19. März 2008 übertrug die A. AG (Schuldnerin) der Bank X. je einen Inhaberschuldbrief über Fr. 230'000.- im 1. Rang auf ihren drei Grundstücken.
A. Am 26. November 2010 verkaufte die Schuldnerin die Grundstücke an Y., welcher zum Drittpfandgeber wurde. BGE 140 III 36 S. 37
BGE 140 III 36 S. 37
Mit gerichtlichem Entscheid vom 14. Juli 2011 wurde die Schuldnerin gemäss Art. 731b Abs. 1 Ziff. 3 OR aufgelöst und ihre Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs angeordnet.
Art. 731b Abs. 1 Ziff. 3 OR Nachdem die Bank die Schuldbriefe gekündigt hatte, leitete sie die Betreibung auf Grundpfandverwertung ein, wobei sie die drei Schuldbriefe als Forderungstitel nannte. Y. erhob Rechtsvorschlag.
B. Zur Beseitigung des Rechtsvorschlages stellte die Bank gegen Y. für Fr. 931'500.- ein Rechtsöffnungsgesuch. Mit Entscheid vom 8. Juni 2012 erteilte das Bezirksgericht Willisau lediglich für Fr. 397'125.- sowie für das betreffende Grundpfandrecht die provisorische Rechtsöffnung.
B. Hiergegen erhoben beide Parteien Berufung, wobei die Bank Rechtsöffnung für Fr. 742'273.- verlangte und der Drittpfandgeber einen Betrag von Fr. 375'331.25 zugestand.
Mit Entscheid vom 10. Oktober 2012 erteilte das Obergericht des Kantons Luzern provisorische Rechtsöffnung für Fr. 375'331.25 sowie für das betreffende Grundpfandrecht.
C. Gegen diesen Entscheid hat die Bank am 29. November 2012 eine Beschwerde erhoben mit dem Begehren um dessen Aufhebung und Rückweisung der Sache an das Obergericht.
C. Die Sache wurde am 31. Oktober 2013 in einer öffentlichen Sitzung beraten.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist die Sache zur Weiterbehandlung an die Vorinstanz zurück.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
2. Das Bezirksgericht ging davon aus, dass die Papier-Schuldbriefe als öffentliche Urkunden einen provisorischen Rechtsöffnungstitel für das Pfandrecht darstellten und die Schuldnerin in den gegengezeichneten Sicherungsvereinbarungen die persönliche Schuldpflicht für die Grundpfandforderungen anerkannt habe; im Sinne einer zusammengesetzten Urkunde liege somit ein Rechtsöffnungstitel sowohl für die Forderung als auch für das Pfandrecht vor.
2. Demgegenüber hielt das Obergericht dafür, dass der Rechtsvorschlag nur dann beseitigt werden könne, wenn eine Schuldanerkennung auch des Drittpfandgebers vorliege, was nicht der Fall sei. BGE 140 III 36 S. 38 Insbesondere finde sich im Kaufvertrag vom 26. November 2010 keine Abrede, wonach er die persönliche Schuldpflicht aus den Schuldbriefen in Anrechnung an den Kaufpreis übernommen hätte. Ebenso wenig sei im Sinn einer externen Schuldübernahme ein Sicherungsübereignungsvertrag zwischen der Gläubigerin und ihm als Erwerber der Grundstücke abgeschlossen worden. Mithin fehle es an einem Rechtsöffnungstitel für die Grundpfandforderungen. Vor diesem Hintergrund wäre der vorinstanzliche Entscheid grundsätzlich aufzuheben und die provisorische Rechtsöffnung vollständig zu verweigern. Indes anerkenne der Drittpfandgeber das Rechtsöffnungsgesuch im Umfang von total Fr. 375'331.25 ohne Zinsen, weshalb entsprechend seinem Antrag das Rechtsöffnungsbegehren in diesem Umfang geschützt werden könne.
BGE 140 III 36 S. 38
Die Gläubigerin macht in ihrer Beschwerde geltend, dass es bei der Drittpfandsituation ausreiche, wenn vom Drittpfandgeber eine Pfandanerkennung vorliege. Eine Anerkennung der Schuld durch den Drittpfandgeber brauche es hingegen nicht, weil dieser anders als der Bürge nicht selbst zu zahlen verspreche. Soweit eine von der Schuldnerin unterzeichnete Anerkennung für die Forderung vorliege, müsse der Drittpfandgeber diese gegen sich geltend lassen. Wenn das Obergericht fordere, dass auch eine vom Drittpfandgeber unterzeichnete Schuldanerkennung vorliege, wäre die Rechtsöffnung bei Drittpfandverhältnissen (zumindest faktisch) immer ausgeschlossen; die provisorische Rechtsöffnung gegen den Drittpfandeigentümer müsse aber nach dem Willen des Gesetzgebers zulässig und möglich sein.
3. Bei Drittpfandverhältnissen richtet sich die Betreibung gegen den Schuldner, wobei dem Drittpfandgeber ebenfalls ein Zahlungsbefehl zuzustellen ist ( Art. 153 Abs. 2 lit. a SchKG ) und dieser wie der Schuldner Rechtsvorschlag erheben kann ( Art. 153 Abs. 2 SchKG ). Der Rechtsvorschlag des Drittpfandgebers hat die gleichen Wirkungen wie derjenige des Schuldners (vgl. BERNHEIM/KÄNZIG, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 2. Aufl. 2010, N. 4 und 7 zu Art. 153a SchKG ). Insbesondere gilt die Vermutung, wonach der nicht weiter begründete Rechtsvorschlag sich auf die Forderung wie das Pfandrecht bezieht ( Art. 85 der Verordnung des Bundesgerichts vom 23. April 1920 über die Zwangsverwertung von Grundstücken [VZG; SR 281.42] ), auch für den Drittpfandgeber. Sämtliche Rechtsvorschläge sind mit Rechtsöffnung oder Klage zu beseitigen; das bedeutet, dass sowohl gegen den Schuldner als auch gegen den Drittpfandgeber ein Verfahren BGE 140 III 36 S. 39 anzustrengen ist, wenn beide Rechtsvorschlag erhoben haben (STAEHELIN, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 2. Aufl. 2010, N. 171 zu Art. 82 SchKG ).
3. Art. 153 Abs. 2 lit. a SchKG Art. 153 Abs. 2 SchKG Art. 153a SchKG Art. 85 der Verordnung des Bundesgerichts vom 23. April 1920 über die Zwangsverwertung von Grundstücken [VZG; SR 281.42] BGE 140 III 36 S. 39
Art. 82 SchKG Mit der Konkurseröffnung sind alle gegen den Schuldner hängigen Betreibungen aufgehoben mit Ausnahme derjenigen auf Verwertung von Pfändern, die von Dritten bestellt worden sind ( Art. 206 Abs. 1 SchKG ). Hier wird die Betreibung auf Pfandverwertung gegen den Gemeinschuldner auch während des Konkurses weitergeführt ( Art. 89 Abs. 1 VZG ). Ist der Konkurs bereits eröffnet oder die in der Form einer juristischen Person konstituierte Schuldnerin bereits untergegangen, richtet sich die Betreibung ausschliesslich gegen den Drittpfandgeber ( Art. 89 Abs. 2 VZG ). So wurde auch vorliegend verfahren, wobei im Zahlungsbefehl nebst der Gläubigerin in korrekter Weise die Schuldnerin und der Drittpfandgeber aufgeführt sind. Der Drittpfandgeber hat Rechtsvorschlag erhoben, welcher sich unbestrittenermassen auf die Forderung wie auch auf das Pfandrecht bezieht. Zu prüfen ist im Folgenden, was für Rechtsöffnungstitel zu dessen Beseitigung notwendig sind.
Art. 206 Abs. 1 SchKG Art. 89 Abs. 1 VZG Art. 89 Abs. 2 VZG 4. Beim Schuldbrief bilden die Grundpfandforderung und das Grundpfandrecht eine strikte Einheit; sie werden durch den Grundbucheintrag in identischem Betrag erzeugt und sind fortan untrennbar verbunden; keines der beiden Elemente kann ohne das andere oder in ungleicher Höhe bestehen, d.h. sie bilden eine notwendige Schicksalsgemeinschaft ( BGE 134 III 71 E. 3 S. 75). Soweit es sich nicht um einen Register-Schuldbrief, sondern - wie vorliegend - um einen Papier-Schuldbrief handelt, werden die Grundpfandforderung und das Grundpfandrecht zusätzlich in einem Pfandtitel verbrieft ( Art. 860 Abs. 1 ZGB ), wobei dieser Titel als Wertpapier ausgestaltet ist und eine "fliegende Kopie des Pfandaktes" (HUBER, Schweizerisches Civilgesetzbuch, Erläuterungen zum Vorentwurf des Eidg. Justiz- und Polizeidepartementes, 1902, S. 629) bzw. eine "Reproduktion des Grundbucheintrages" (HUBER, a.a.O., S. 729) darstellt.
4. Art. 860 Abs. 1 ZGB Bei der Betreibung auf Grundpfandverwertung ist der Papier-Schuldbrief als öffentliche Urkunde im Sinn von Art. 9 ZGB stets ein Rechtsöffnungstitel im Sinn von Art. 82 Abs. 1 SchKG für das Grundpfandrecht, denn die dingliche Haftung trifft zwangsläufig den jeweiligen Grundeigentümer, welcher im Pfandtitel als "Reproduktion des Grundbuches" - unter Vorbehalt der ausserbuchlichen Eigentumsübertragung am Grundstück - notwendigerweise ausgewiesen ist. Überdies ist der Papier-Schuldbrief als öffentliche Urkunde BGE 140 III 36 S. 40 auch ein Rechtsöffnungstitel im Sinn von Art. 82 Abs. 1 SchKG für die Grundpfandforderung, wenn der Schuldner in der Skriptur erscheint; soweit dieser im Schuldbrief nicht oder dort (noch) ein anderer als der betriebene Schuldner aufgeführt ist, bedarf es einer anderweitigen Schuldanerkennung, z.B. der gegengezeichneten Sicherungsvereinbarung, in welcher die persönliche Schuldpflicht aus dem sicherungsübereigneten Papier-Schuldbrief anerkannt worden ist (vgl. im Einzelnen BGE 134 III 71 E. 3 S. 73 f.).
Art. 9 ZGB Art. 82 Abs. 1 SchKG BGE 140 III 36 S. 40
Art. 82 Abs. 1 SchKG Vorliegend haben beide kantonalen Instanzen die von der Schuldnerin gegengezeichneten Sicherungsvereinbarungen vom 19. März 2008 erwähnt, mit welchen diese die persönliche Schuldpflicht für die Grundpfandforderungen unterschriftlich anerkannt hat. Während das Bezirksgericht dies als Rechtsöffnungstitel genügen liess, hielt das Obergericht dafür, dass eine Anerkennung der persönlichen Schuldpflicht auch seitens des Drittpfandgebers erforderlich sei. Die vom Obergericht im Entscheid und in der Vernehmlassung sinngemäss angerufene Literatur und Rechtsprechung bezieht sich jedoch auf den Fall, dass die persönliche Schuldpflicht für die Grundpfandforderungen durch den Käufer des Grundstücks übernommen worden ist und sich die Betreibung gegen diesen als neuen Schuldner richtet. Vorliegend hingegen ist die Übernahme der persönlichen Schuldpflicht bislang nicht zustande gekommen, weshalb ein Drittpfandverhältnis vorliegt. Es ist im Folgenden zu prüfen, welche Rechtsöffnungstitel in dieser Drittpfand-Konstellation vorliegen müssen.
Beim Drittpfandverhältnis sind der Schuldner der Grundpfandforderung und der Eigentümer des verpfändeten Grundstückes nicht identisch. Eine Anerkennung für die Schuld kann hier begriffsnotwendig nur vom Schuldner abgegeben worden sein; mit der Anerkennung der persönlichen Schuldpflicht auch durch den Drittpfandgeber hätte sich dieser zum (Mit-)Schuldner, d.h. zum persönlichen (Mit-)Verpflichteten für die im Papier-Schuldbrief inkorporierte Forderung gemacht, womit er kein Dritt pfandgeber mehr wäre. Mit Bezug auf die Grundpfandforderung, für welche die Schuldnerin in der Pflicht steht, besteht folglich mit den Sicherungsübereignungsverträgen, in welchen sie die persönliche Schuldpflicht aus den Schuldbriefen anerkannt hat, ein hinlänglicher Rechtsöffnungstitel.
Mit Bezug auf das Grundpfandrecht, für welches der jeweilige Eigentümer des belasteten Grundstückes in der Pflicht steht, besteht BGE 140 III 36 S. 41 mit dem Papier-Schuldbrief, welcher als fliegende Kopie des Grundbuches zwangsläufig den Eigentümer des Grundstückes als Pfandgeber ausweist, ein hinlänglicher Rechtsöffnungstitel. Es würde nicht angehen, dass der Grundpfandgläubiger durch den Verkauf des haftenden Grundstückes, auf welchen er keinen Einfluss hat, schlechter gestellt würde, indem er den neuen Eigentümer, der nicht sein Vertragspartner ist, um eine zusätzliche Pfandanerkennung angehen müsste, obwohl diese bereits in der Grundpfanderrichtung - d.h. im Versprechen, als Eigentümer mit dem Grundstück bis zu der im Grundbuch eingetragenen Höhe für die nicht befriedigte Grundpfandforderung dinglich zu haften - enthalten ist und dieser Akt durch den Papier-Schuldbrief dokumentiert wird. Nicht zu verwechseln ist dies im Übrigen mit der (vorliegend nicht interessierenden) Faustverpfändung eines Papier-Schuldbriefes, bei der nicht das Grundstück, sondern der Pfandtitel das Pfandobjekt bildet; hier ist der Verpfändungsakt selbstredend nicht im Titel verbrieft, mithin anderweitig nachzuweisen.
BGE 140 III 36 S. 41
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Urteilskopf 140 III 372 56. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Gemeinde Y. (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_144/2014 vom 23. Juni 2014 Regeste Art. 80 f. SchKG, Art. 170 OR ; definitive Rechtsöffnung und Zession. Der Zessionar kann sich auf ein vom Zedenten erstrittenes Urteil als definitiven Rechtsöffnungstitel berufen, wenn seine Rechtsnachfolge liquide nachgewiesen ist. Der Richter kann definitive Rechtsöffnung bewilligen, auch wenn provisorische Rechtsöffnung beantragt worden ist (E. 3). Sachverhalt ab Seite 373 BGE 140 III 372 S. 373 A. A.a Mit Urteil des Kantonsgerichts Graubünden vom 3. Januar 2013 wurde X. verpflichtet, A. ausseramtlich mit Fr. 41'518.70 (inkl. MWST) zu entschädigen. Diese Forderung zedierte A. am 4. Juni 2013 mittels schriftlicher Abtretungserklärung an die Gemeinde Y. A.b In der Folge leitete die Gemeinde Y. gegen X. die Betreibung für die Forderung von Fr. 41'518.70 nebst Zins von 5 % seit dem 2. August 2013 ein. Als Forderungsgrund wurde die abgetretene Forderung gemäss Urteil des Kantonsgerichts vom 3. Januar 2013 angegeben. Gegen den am 9. August 2013 zugestellten Zahlungsbefehl (Nr. x; Betreibungsamt B.) erhob X. am 16. August 2013 Rechtsvorschlag. A.c Am 18. September 2013 gelangte die Gemeinde Y. an das Bezirksgericht Prättigau/Davos und verlangte die definitive Rechtsöffnung. Mit Entscheid vom 24. Oktober 2013 erteilte das Bezirksgericht (Einzelrichter SchKG) für die in Betreibung gesetzte Forderung die provisorische Rechtsöffnung. Zur Begründung wurde auf die Praxis des Kantonsgerichts Graubünden abgestellt, wonach dem Zessionar, welcher sich eine Forderung aus einem Gerichtsurteil hat abtreten lassen, nicht die definitive, sondern die provisorische Rechtsöffnung gewährt wird. B. Gegen den Entscheid vom 24. Oktober 2013 erhob (einzig) X. Beschwerde und beantragte, die provisorische Rechtsöffnung zu verweigern. Das Kantonsgericht Graubünden wies die Beschwerde mit Entscheid vom 6. Dezember 2013 ab. In der Begründung bestätigte es seine Praxis. C. Mit Eingabe vom 19. Februar 2014 hat X. Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Der Beschwerdeführer verlangt, der Entscheid des Kantonsgerichts Graubünden vom 6. Dezember 2013 und die Erteilung der provisorischen Rechtsöffnung in der von der Gemeinde Y. (Beschwerdegegnerin) angehobenen Betreibung sei zu verweigern. (...) Die Beschwerdegegnerin beantragt die Abweisung der Beschwerde. BGE 140 III 372 S. 374 Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist die Sache zur neuen Entscheidung an das Kantonsgericht zurück. (Auszug) Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Anlass zur Beschwerde gibt das Gesuch um definitive Rechtsöffnung für eine in einem Urteil festgestellte Forderung. Nach dem Sachverhalt steht fest, dass gemäss Urteil des Kantonsgerichts Graubünden vom 3. Januar 2013 A. Gläubiger einer Forderung gegenüber dem Beschwerdeführer wurde und er diese Forderung am 4. Juni 2013 mittels schriftlicher Abtretungserklärung an die Beschwerdegegnerin abgetreten hat, welche sie in der Folge in Betreibung gesetzt hat. Streitpunkt ist die Auffassung des Kantonsgerichts, welche die provisorische Rechtsöffnung bzw. die Aberkennungsklage mit Bezug auf die Rechtsnachfolge erlaubt, währenddem der Beschwerdeführer jede Möglichkeit zur Rechtsöffnung verneint. 3.1 Unter der definitiven Rechtsöffnung gemäss Art. 80 SchKG ist der richterliche Entscheid zu verstehen, der aufgrund eines vollstreckbaren gerichtlichen (oder gleich gestellten) Entscheides die Wirkung des Rechtsvorschlages endgültig beseitigt; die Möglichkeiten des Schuldners zur Abwehr sind eng beschränkt ( Art. 81 SchKG ); der definitive Rechtsöffnungstitel kann nur mit völlig eindeutigen Urkunden entkräftet werden ( BGE 115 III 97 E. 4 S. 100; BGE 124 III 501 E. 3a S. 503). Der Richter prüft u.a. von Amtes wegen, ob die Identität des im Urteil Berechtigten und des Gläubigers übereinstimmt ( BGE 139 III 444 E. 4.1.1 S. 446). Diese Grundsätze stehen nicht in Frage. 3.2 Wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, ist die Frage umstritten, ob dem Rechtsnachfolger eines durch ein Urteil Berechtigten in der Betreibung gegen den Schuldner die definitive oder provisorische Rechtsöffnung zu erteilen sei. 3.2.1 Das Bundesgericht hat in einem Urteil aus dem Jahre 1998 zur strittigen Frage Stellung genommen. Es hat mit Blick auf die Wirkung der Abtretung gemäss Art. 170 OR auf die Betreibung erklärt, dass derjenige, der eine Forderung erwirbt, die dem Zedenten in einem rechtskräftigem Urteil zugesprochen wurde, in der Betreibung gegen den Schuldner die definitive Rechtsöffnung erhalten kann (Urteil 5P.322/1998 vom 23. November 1998 E. 2a, nicht publ. in: BGE 125 III 42, aber in: SJ 1999 I S. 171; bestätigt in Urteil 5D_195/2013 vom 22. Januar 2013 E. 3.2). BGE 140 III 372 S. 375 3.2.2 Auch nach der Lehre kann im Fall, dass die Rechtsnachfolge durch Urkunde nachgewiesen ist, zu Gunsten des Rechtsnachfolgers definitive Rechtsöffnung gewährt werden, weil provisorische Rechtsöffnung für eine auf einem definitiven Rechtsöffnungstitel beruhende Forderung nicht möglich sei (GILLIÉRON, JdT 1968 II S. 118/119; GAUTHIER, La cession de créance dans la saisie et la faillite, SJ 1970 S. 387; DES GOUTTES, Cession de créance, FJS Nr. 704, Stand: 1969, Ziff. IV/b/aa, Rz. 17 Fn. 112 [Version www.sjk.ch ]; RAPP, Urteilswirkungen gegenüber Dritten, in: Zivilprozess, Arbeitsrecht, 1997, S. 47; STAEHELIN, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 2. Aufl. 2010, N. 35 zu Art. 80 SchKG ; STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2013, § 24 Rz. 15; VOCK, in: SchKG, 2. Aufl. 2014, N. 17 zu Art. 80 SchKG ). Die entsprechende kantonale Praxis ist weit verbreitet (z.B. Urteil des Tribunale d'appello [Tessin] 14.2013.80 vom 29. Mai 2013; Entscheide der Gerichts- und Verwaltungsbehörden des Kantons Schwyz [EGV-SZ] 2007 Nr. A6.3 S. 69 ff. [Schwyz]; BlSchK 2007 S. 113 f. [Solothurn]; Aargauische Gerichts- und Verwaltungsentscheide [AGVE] 2005 Nr. 4 S. 34 [Aargau]; SJ 1966 S. 520 ff. [Genf]), weshalb die Auffassung - wie die Vorinstanz selber festgehalten hat - als vorherrschend gilt (STAEHELIN, a.a.O., m.w.H.). 3.2.3 Nach anderer Meinung ist im Fall, dass keine Einwendungen gegen die Rechtsnachfolge glaubhaft gemacht werden, provisorische Rechtsöffnung zu erteilen; in der Folge soll der Schuldner die Gültigkeit der Rechtsnachfolge im Aberkennungsprozess gemäss Art. 83 Abs. 2 SchKG bestreiten können (PANCHAUD/CAPREZ, Die Rechtsöffnung, 1980, § 107 [Ingress] S. 257; STÜCHELI, Die Rechtsöffnung, 2000, S. 228 ff.; LARDELLI, Die Einreden des Schuldners bei der Zession, 2008, S. 138; PETER, La mainlevée de l'opposition, La mainlevée definitive, in: Rechtsöffnung und Zivilprozess, national und international, 2014, S. 11). Dieser Ansicht folgen die Vorinstanz (Praxis des Kantonsgerichts Graubünden [PKG] 2001 Nr. 13 S. 79 ff.) sowie Gerichte in anderen Kantonen (z.B. ZBJV 1994 S. 93 [Bern]; SJZ 1976 S. 192 ff. [Appenzell I.Rh.]). Zu Recht hält die Vorinstanz ferner fest, dass eine Praxis, wonach der Zessionar der gerichtlich festgestellten Forderung weder definitive noch provisorische Rechtsöffnung verlangen könne, nicht belegt ist. 3.3 Zu prüfen ist im Folgenden, ob die Praxis der Vorinstanz mit Bundesrecht vereinbar ist. BGE 140 III 372 S. 376 3.3.1 Nach Rechtsprechung und Lehre tritt der Zessionar einer in Betreibung stehenden Forderung in die betreibungsrechtliche Stellung des Zedenten ein; er erwirbt die "Legitimation zum Verfahren" und kann daher die Betreibung in dem Stadium, in das sie getreten war, nun in eigenem Namen fortsetzen. Die Betreibungsrechte (betreibungsrechtlichen Befugnisse) gelten als "Vorzugs- und Nebenrechte", die bei der Zession gemäss Art. 170 OR (mit Ausnahme derer, die untrennbar mit dem Abtretenden verknüpft sind) auf den Erwerber übergehen ( BGE 103 II 75 E. 3 S. 78; BGE 91 III 7 S. 10; Urteil 5A_65/2008 vom 15. Dezember 2008 E. 2.2; u.a. RUEDIN, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 1 zu Art. 77 SchKG ; BESSENICH, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 2. Aufl. 2010, N. 3 zu Art. 77 SchKG ; PROBST, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. I, 2. Aufl. 2012, N. 9 zu Art. 170 OR ); dies ist seit langem anerkannt (vgl. bereits BGE 22 S. 666 E. 2 S. 669; BLUMENSTEIN, Handbuch des schweizerischen Schuldbetreibungsrechts, 1911, S. 148; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs [...], Bd. II, 1984, S. 88 Rz. 51). Bei dieser Sichtweise gibt es keinen Raum, ein gerichtliches Urteil auch für die Rechtsgültigkeit der Zession zu verlangen, damit die definitive Rechtsöffnung gewährt werden kann. Es ist vielmehr die abgetretene Forderung, die dem Zessionar entweder die provisorische oder definitive Rechtsöffnung erlaubt. Wenn sich der Zessionar einer Forderung, welcher Vollstreckbarkeit zukommt, über die Berechtigung ausweist, gibt es keinen Grund, ihm das (Neben- bzw. Vorzugs-)Recht zu verweigern, in gleicher Weise wie der Zedent gegen den Schuldner vorzugehen und die definitive Rechtsöffnung zu verlangen (GILLIÉRON, JdT 1968 II S. 119). 3.3.2 Der Beschwerdeführer beruft sich auf GULDENER. Dieser Autor hat die in BGE 22 S. 666 zugrunde gelegte Rechtsprechung, wonach die betreibungsrechtlichen Befugnisse als "Nebenrechte" im Sinne von Art. 170 OR gelten und der Zessionar in die betreibungsrechtliche Stellung des Zedenten eintritt, kritisiert (GULDENER, Zwangsvollstreckung und Zivilprozess, ZSR 1955 I S. 36). Nach seiner Auffassung sind die betreibungsrechlichen Befugnisse ihrer Natur nach einer Übertragung nicht zugänglich; es bestünden indes keine Bedenken, den Singularnachfolger in die verfahrensrechtliche Stellung des Rechtsvorgängers eintreten zu lassen. Für hängige (Zwangsvollstreckungs-)Verfahren unterscheidet sich das Ergebnis nicht (wie GULDENER, a.a.O., selber festhält). Zur Frage, was gelten soll, BGE 140 III 372 S. 377 wenn der Zedent noch keine Betreibung eingeleitet hat, äussert sich der Autor nicht. Ob in diesem Fall "weder provisorische noch definitive Rechtsöffnung" möglich wäre (wie STAEHELIN, a.a.O., N. 35 zu Art. 80 SchKG, mit Hinweis auf GULDENER schliesst), braucht nicht erörtert zu werden, da sich die Kritik an der in BGE 22 S. 666 zugrunde gelegten Auffassung nicht durchgesetzt hat. 3.3.3 Die Vorinstanz gibt zu bedenken, dass der Schuldner im Fall, dass der Zedent mit der abgetretenen Forderung die definitive Rechtsöffnung verlangen kann, gegenüber dem Zessionar bzw. der "gerichtlich noch nicht beurteilten Abtretungserklärung" ungenügend geschützt sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Rechtsnachfolge liquide sein muss. Dies folgt aus der Natur des Verfahrens und der Pflicht des Rechtsöffnungsrichters, den Rechtsöffnungstitel von Amtes wegen zu prüfen (E. 3.1). Er darf bzw. muss die Rechtsöffnung verweigern und den Gläubiger auf einen zweiten Prozess verweisen, wenn die Rechtsnachfolge nicht liquide erscheint. Zu Recht wird die Analogie zum suspensiv bedingten Urteil gezogen (EGV-SZ 2007 Nr. A6.3 S. 71), wo die Rechtsöffnung - anerkanntermassen - ebenfalls (nur) erteilt werden darf, wenn der Eintritt der Bedingung liquide ("zweifelsfrei") nachgewiesen wird, andernfalls hierüber ein weiteres Urteil notwendig ist (u.a. STAEHELIN, a.a.O., N. 35 zu Art. 80 SchKG ). Sodann kann der Schuldner seine persönlichen Einreden gegen den Zessionar, welcher die Betreibung eingeleitet hat, im Rahmen von Art. 81 SchKG durch Urkunden vorbringen, wie z.B. die Tilgung durch Verrechnung mit einer Gegenforderung (GILLIÉRON, JdT 1968 II S. 118 f.; STAEHELIN, a.a.O., N. 35 zu Art. 80, N. 10 zu Art. 81 SchKG ; GAUCH/SPIRIG, Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 1993, N. 55 zu Art. 169 OR ). Schliesslich steht dem Schuldner jederzeit offen, durch Klage gemäss Art. 85 und Art. 85a SchKG feststellen zu lassen, dass der Betreibende nicht Rechtsnachfolger und daher zur Fortführung der Betreibung nicht berechtigt sei (vgl. BGE 52 III 49 S. 50 ; 96 I 1 E. 2 S. 3; STAEHELIN, a.a.O., N. 35 zu Art. 80 SchKG ). 3.4 Nach dem Dargelegten ist die im Bundesgerichtsurteil aus dem Jahre 1998 geäusserte und vorherrschende Rechtsauffassung überzeugend. Wenn das Kantonsgericht gestützt auf das von der Beschwerdegegnerin - als Rechtsnachfolgerin und Betreibungsgläubigerin - vorgelegte Urteil dennoch die provisorische Rechtsöffnung (bzw. die Aberkennungsklage) für möglich hält, ist dies mit Bundesrecht BGE 140 III 372 S. 378 nicht vereinbar. Die Beschwerde ist begründet und das angefochtene Urteil sowie die provisorische Rechtsöffnung sind antragsgemäss aufzuheben. 3.5 Mit Bezug auf die Art der Rechtsöffnung findet der Grundsatz der Bindung an Begehren der Parteien keine Anwendung. Der Richter kann ungeachtet eines auf definitive Rechtsöffnung lautenden (oder eines unspezifizierten) Antrages unter Wahrung des rechtlichen Gehörs die provisorische Rechtsöffnung - oder das Umgekehrte - bewilligen; das SchKG sieht vor, dass insoweit die Offizialmaxime gilt (u.a. GILLIÉRON, JdT 1968 II S. 121; ders., Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. I, 1999, N. 18 zu Art. 80, N. 65 zu Art. 84 SchKG ; STAEHELIN, a.a.O., N. 38 und 39 zu Art. 84 SchKG ). Im vorliegenden Fall kann die provisorische Rechtsöffnung nicht erteilt werden (E. 3.4). Da die Vorinstanz die Voraussetzungen zur definitiven Rechtsöffnung nicht geprüft hat, ist die Sache für das Bundesgericht nicht spruchreif (vgl. BGE 135 V 23 E. 4 S. 29) und hat das Kantonsgericht über die Rechtsöffnung neu zu befinden; es kann reformatorisch anstelle der provisorischen die definitive Rechtsöffnung erteilen (vgl. Art. 327 Abs. 3 ZPO ; Botschaft vom 28. Juni 2006 zur ZPO, BBl 2006 7221 ff., 7379 Ziff. 5.23.2; vgl. JEANDIN, in: CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, N. 18 der Vorbem. zu Art. 308-334 ZPO ). Die Sache ist daher zur weiteren Entscheidung über das Rechtsöffnungsbegehren im Sinne der Erwägungen an das Kantonsgericht zurückzuweisen.
Urteilskopf
56. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Gemeinde Y. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_144/2014 vom 23. Juni 2014
Regeste Art. 80 f. SchKG, Art. 170 OR ; definitive Rechtsöffnung und Zession. Der Zessionar kann sich auf ein vom Zedenten erstrittenes Urteil als definitiven Rechtsöffnungstitel berufen, wenn seine Rechtsnachfolge liquide nachgewiesen ist. Der Richter kann definitive Rechtsöffnung bewilligen, auch wenn provisorische Rechtsöffnung beantragt worden ist (E. 3).
Regeste
Art. 80 f. SchKG, Art. 170 OR ; definitive Rechtsöffnung und Zession. Der Zessionar kann sich auf ein vom Zedenten erstrittenes Urteil als definitiven Rechtsöffnungstitel berufen, wenn seine Rechtsnachfolge liquide nachgewiesen ist. Der Richter kann definitive Rechtsöffnung bewilligen, auch wenn provisorische Rechtsöffnung beantragt worden ist (E. 3).
Art. 170 OR Der Zessionar kann sich auf ein vom Zedenten erstrittenes Urteil als definitiven Rechtsöffnungstitel berufen, wenn seine Rechtsnachfolge liquide nachgewiesen ist. Der Richter kann definitive Rechtsöffnung bewilligen, auch wenn provisorische Rechtsöffnung beantragt worden ist (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 373
Sachverhalt ab Seite 373 BGE 140 III 372 S. 373
BGE 140 III 372 S. 373
A.
A. A.a Mit Urteil des Kantonsgerichts Graubünden vom 3. Januar 2013 wurde X. verpflichtet, A. ausseramtlich mit Fr. 41'518.70 (inkl. MWST) zu entschädigen. Diese Forderung zedierte A. am 4. Juni 2013 mittels schriftlicher Abtretungserklärung an die Gemeinde Y.
A.a A.b In der Folge leitete die Gemeinde Y. gegen X. die Betreibung für die Forderung von Fr. 41'518.70 nebst Zins von 5 % seit dem 2. August 2013 ein. Als Forderungsgrund wurde die abgetretene Forderung gemäss Urteil des Kantonsgerichts vom 3. Januar 2013 angegeben. Gegen den am 9. August 2013 zugestellten Zahlungsbefehl (Nr. x; Betreibungsamt B.) erhob X. am 16. August 2013 Rechtsvorschlag.
A.b A.c Am 18. September 2013 gelangte die Gemeinde Y. an das Bezirksgericht Prättigau/Davos und verlangte die definitive Rechtsöffnung. Mit Entscheid vom 24. Oktober 2013 erteilte das Bezirksgericht (Einzelrichter SchKG) für die in Betreibung gesetzte Forderung die provisorische Rechtsöffnung. Zur Begründung wurde auf die Praxis des Kantonsgerichts Graubünden abgestellt, wonach dem Zessionar, welcher sich eine Forderung aus einem Gerichtsurteil hat abtreten lassen, nicht die definitive, sondern die provisorische Rechtsöffnung gewährt wird.
A.c B. Gegen den Entscheid vom 24. Oktober 2013 erhob (einzig) X. Beschwerde und beantragte, die provisorische Rechtsöffnung zu verweigern. Das Kantonsgericht Graubünden wies die Beschwerde mit Entscheid vom 6. Dezember 2013 ab. In der Begründung bestätigte es seine Praxis.
B. C. Mit Eingabe vom 19. Februar 2014 hat X. Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Der Beschwerdeführer verlangt, der Entscheid des Kantonsgerichts Graubünden vom 6. Dezember 2013 und die Erteilung der provisorischen Rechtsöffnung in der von der Gemeinde Y. (Beschwerdegegnerin) angehobenen Betreibung sei zu verweigern.
C. (...)
Die Beschwerdegegnerin beantragt die Abweisung der Beschwerde. BGE 140 III 372 S. 374
BGE 140 III 372 S. 374
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist die Sache zur neuen Entscheidung an das Kantonsgericht zurück.
(Auszug)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
3. Anlass zur Beschwerde gibt das Gesuch um definitive Rechtsöffnung für eine in einem Urteil festgestellte Forderung. Nach dem Sachverhalt steht fest, dass gemäss Urteil des Kantonsgerichts Graubünden vom 3. Januar 2013 A. Gläubiger einer Forderung gegenüber dem Beschwerdeführer wurde und er diese Forderung am 4. Juni 2013 mittels schriftlicher Abtretungserklärung an die Beschwerdegegnerin abgetreten hat, welche sie in der Folge in Betreibung gesetzt hat. Streitpunkt ist die Auffassung des Kantonsgerichts, welche die provisorische Rechtsöffnung bzw. die Aberkennungsklage mit Bezug auf die Rechtsnachfolge erlaubt, währenddem der Beschwerdeführer jede Möglichkeit zur Rechtsöffnung verneint.
3. 3.1 Unter der definitiven Rechtsöffnung gemäss Art. 80 SchKG ist der richterliche Entscheid zu verstehen, der aufgrund eines vollstreckbaren gerichtlichen (oder gleich gestellten) Entscheides die Wirkung des Rechtsvorschlages endgültig beseitigt; die Möglichkeiten des Schuldners zur Abwehr sind eng beschränkt ( Art. 81 SchKG ); der definitive Rechtsöffnungstitel kann nur mit völlig eindeutigen Urkunden entkräftet werden ( BGE 115 III 97 E. 4 S. 100; BGE 124 III 501 E. 3a S. 503). Der Richter prüft u.a. von Amtes wegen, ob die Identität des im Urteil Berechtigten und des Gläubigers übereinstimmt ( BGE 139 III 444 E. 4.1.1 S. 446). Diese Grundsätze stehen nicht in Frage.
3.1 Art. 80 SchKG Art. 81 SchKG 3.2 Wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, ist die Frage umstritten, ob dem Rechtsnachfolger eines durch ein Urteil Berechtigten in der Betreibung gegen den Schuldner die definitive oder provisorische Rechtsöffnung zu erteilen sei.
3.2 3.2.1 Das Bundesgericht hat in einem Urteil aus dem Jahre 1998 zur strittigen Frage Stellung genommen. Es hat mit Blick auf die Wirkung der Abtretung gemäss Art. 170 OR auf die Betreibung erklärt, dass derjenige, der eine Forderung erwirbt, die dem Zedenten in einem rechtskräftigem Urteil zugesprochen wurde, in der Betreibung gegen den Schuldner die definitive Rechtsöffnung erhalten kann (Urteil 5P.322/1998 vom 23. November 1998 E. 2a, nicht publ. in: BGE 125 III 42, aber in: SJ 1999 I S. 171; bestätigt in Urteil 5D_195/2013 vom 22. Januar 2013 E. 3.2). BGE 140 III 372 S. 375
3.2.1 Art. 170 OR BGE 140 III 372 S. 375
3.2.2 Auch nach der Lehre kann im Fall, dass die Rechtsnachfolge durch Urkunde nachgewiesen ist, zu Gunsten des Rechtsnachfolgers definitive Rechtsöffnung gewährt werden, weil provisorische Rechtsöffnung für eine auf einem definitiven Rechtsöffnungstitel beruhende Forderung nicht möglich sei (GILLIÉRON, JdT 1968 II S. 118/119; GAUTHIER, La cession de créance dans la saisie et la faillite, SJ 1970 S. 387; DES GOUTTES, Cession de créance, FJS Nr. 704, Stand: 1969, Ziff. IV/b/aa, Rz. 17 Fn. 112 [Version www.sjk.ch ]; RAPP, Urteilswirkungen gegenüber Dritten, in: Zivilprozess, Arbeitsrecht, 1997, S. 47; STAEHELIN, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 2. Aufl. 2010, N. 35 zu Art. 80 SchKG ; STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2013, § 24 Rz. 15; VOCK, in: SchKG, 2. Aufl. 2014, N. 17 zu Art. 80 SchKG ). Die entsprechende kantonale Praxis ist weit verbreitet (z.B. Urteil des Tribunale d'appello [Tessin] 14.2013.80 vom 29. Mai 2013; Entscheide der Gerichts- und Verwaltungsbehörden des Kantons Schwyz [EGV-SZ] 2007 Nr. A6.3 S. 69 ff. [Schwyz]; BlSchK 2007 S. 113 f. [Solothurn]; Aargauische Gerichts- und Verwaltungsentscheide [AGVE] 2005 Nr. 4 S. 34 [Aargau]; SJ 1966 S. 520 ff. [Genf]), weshalb die Auffassung - wie die Vorinstanz selber festgehalten hat - als vorherrschend gilt (STAEHELIN, a.a.O., m.w.H.).
3.2.2 Art. 80 SchKG Art. 80 SchKG 3.2.3 Nach anderer Meinung ist im Fall, dass keine Einwendungen gegen die Rechtsnachfolge glaubhaft gemacht werden, provisorische Rechtsöffnung zu erteilen; in der Folge soll der Schuldner die Gültigkeit der Rechtsnachfolge im Aberkennungsprozess gemäss Art. 83 Abs. 2 SchKG bestreiten können (PANCHAUD/CAPREZ, Die Rechtsöffnung, 1980, § 107 [Ingress] S. 257; STÜCHELI, Die Rechtsöffnung, 2000, S. 228 ff.; LARDELLI, Die Einreden des Schuldners bei der Zession, 2008, S. 138; PETER, La mainlevée de l'opposition, La mainlevée definitive, in: Rechtsöffnung und Zivilprozess, national und international, 2014, S. 11). Dieser Ansicht folgen die Vorinstanz (Praxis des Kantonsgerichts Graubünden [PKG] 2001 Nr. 13 S. 79 ff.) sowie Gerichte in anderen Kantonen (z.B. ZBJV 1994 S. 93 [Bern]; SJZ 1976 S. 192 ff. [Appenzell I.Rh.]). Zu Recht hält die Vorinstanz ferner fest, dass eine Praxis, wonach der Zessionar der gerichtlich festgestellten Forderung weder definitive noch provisorische Rechtsöffnung verlangen könne, nicht belegt ist.
3.2.3 Art. 83 Abs. 2 SchKG 3.3 Zu prüfen ist im Folgenden, ob die Praxis der Vorinstanz mit Bundesrecht vereinbar ist. BGE 140 III 372 S. 376
3.3 BGE 140 III 372 S. 376
3.3.1 Nach Rechtsprechung und Lehre tritt der Zessionar einer in Betreibung stehenden Forderung in die betreibungsrechtliche Stellung des Zedenten ein; er erwirbt die "Legitimation zum Verfahren" und kann daher die Betreibung in dem Stadium, in das sie getreten war, nun in eigenem Namen fortsetzen. Die Betreibungsrechte (betreibungsrechtlichen Befugnisse) gelten als "Vorzugs- und Nebenrechte", die bei der Zession gemäss Art. 170 OR (mit Ausnahme derer, die untrennbar mit dem Abtretenden verknüpft sind) auf den Erwerber übergehen ( BGE 103 II 75 E. 3 S. 78; BGE 91 III 7 S. 10; Urteil 5A_65/2008 vom 15. Dezember 2008 E. 2.2; u.a. RUEDIN, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 1 zu Art. 77 SchKG ; BESSENICH, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 2. Aufl. 2010, N. 3 zu Art. 77 SchKG ; PROBST, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. I, 2. Aufl. 2012, N. 9 zu Art. 170 OR ); dies ist seit langem anerkannt (vgl. bereits BGE 22 S. 666 E. 2 S. 669; BLUMENSTEIN, Handbuch des schweizerischen Schuldbetreibungsrechts, 1911, S. 148; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs [...], Bd. II, 1984, S. 88 Rz. 51). Bei dieser Sichtweise gibt es keinen Raum, ein gerichtliches Urteil auch für die Rechtsgültigkeit der Zession zu verlangen, damit die definitive Rechtsöffnung gewährt werden kann. Es ist vielmehr die abgetretene Forderung, die dem Zessionar entweder die provisorische oder definitive Rechtsöffnung erlaubt. Wenn sich der Zessionar einer Forderung, welcher Vollstreckbarkeit zukommt, über die Berechtigung ausweist, gibt es keinen Grund, ihm das (Neben- bzw. Vorzugs-)Recht zu verweigern, in gleicher Weise wie der Zedent gegen den Schuldner vorzugehen und die definitive Rechtsöffnung zu verlangen (GILLIÉRON, JdT 1968 II S. 119).
3.3.1 Art. 170 OR Art. 77 SchKG Art. 77 SchKG Art. 170 OR 3.3.2 Der Beschwerdeführer beruft sich auf GULDENER. Dieser Autor hat die in BGE 22 S. 666 zugrunde gelegte Rechtsprechung, wonach die betreibungsrechtlichen Befugnisse als "Nebenrechte" im Sinne von Art. 170 OR gelten und der Zessionar in die betreibungsrechtliche Stellung des Zedenten eintritt, kritisiert (GULDENER, Zwangsvollstreckung und Zivilprozess, ZSR 1955 I S. 36). Nach seiner Auffassung sind die betreibungsrechlichen Befugnisse ihrer Natur nach einer Übertragung nicht zugänglich; es bestünden indes keine Bedenken, den Singularnachfolger in die verfahrensrechtliche Stellung des Rechtsvorgängers eintreten zu lassen. Für hängige (Zwangsvollstreckungs-)Verfahren unterscheidet sich das Ergebnis nicht (wie GULDENER, a.a.O., selber festhält). Zur Frage, was gelten soll, BGE 140 III 372 S. 377 wenn der Zedent noch keine Betreibung eingeleitet hat, äussert sich der Autor nicht. Ob in diesem Fall "weder provisorische noch definitive Rechtsöffnung" möglich wäre (wie STAEHELIN, a.a.O., N. 35 zu Art. 80 SchKG, mit Hinweis auf GULDENER schliesst), braucht nicht erörtert zu werden, da sich die Kritik an der in BGE 22 S. 666 zugrunde gelegten Auffassung nicht durchgesetzt hat.
3.3.2 Art. 170 OR BGE 140 III 372 S. 377
Art. 80 SchKG 3.3.3 Die Vorinstanz gibt zu bedenken, dass der Schuldner im Fall, dass der Zedent mit der abgetretenen Forderung die definitive Rechtsöffnung verlangen kann, gegenüber dem Zessionar bzw. der "gerichtlich noch nicht beurteilten Abtretungserklärung" ungenügend geschützt sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Rechtsnachfolge liquide sein muss. Dies folgt aus der Natur des Verfahrens und der Pflicht des Rechtsöffnungsrichters, den Rechtsöffnungstitel von Amtes wegen zu prüfen (E. 3.1). Er darf bzw. muss die Rechtsöffnung verweigern und den Gläubiger auf einen zweiten Prozess verweisen, wenn die Rechtsnachfolge nicht liquide erscheint. Zu Recht wird die Analogie zum suspensiv bedingten Urteil gezogen (EGV-SZ 2007 Nr. A6.3 S. 71), wo die Rechtsöffnung - anerkanntermassen - ebenfalls (nur) erteilt werden darf, wenn der Eintritt der Bedingung liquide ("zweifelsfrei") nachgewiesen wird, andernfalls hierüber ein weiteres Urteil notwendig ist (u.a. STAEHELIN, a.a.O., N. 35 zu Art. 80 SchKG ). Sodann kann der Schuldner seine persönlichen Einreden gegen den Zessionar, welcher die Betreibung eingeleitet hat, im Rahmen von Art. 81 SchKG durch Urkunden vorbringen, wie z.B. die Tilgung durch Verrechnung mit einer Gegenforderung (GILLIÉRON, JdT 1968 II S. 118 f.; STAEHELIN, a.a.O., N. 35 zu Art. 80, N. 10 zu Art. 81 SchKG ; GAUCH/SPIRIG, Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 1993, N. 55 zu Art. 169 OR ). Schliesslich steht dem Schuldner jederzeit offen, durch Klage gemäss Art. 85 und Art. 85a SchKG feststellen zu lassen, dass der Betreibende nicht Rechtsnachfolger und daher zur Fortführung der Betreibung nicht berechtigt sei (vgl. BGE 52 III 49 S. 50 ; 96 I 1 E. 2 S. 3; STAEHELIN, a.a.O., N. 35 zu Art. 80 SchKG ).
3.3.3 Art. 80 SchKG Art. 81 SchKG Art. 81 SchKG Art. 169 OR Art. 85 und Art. 85a SchKG BGE 52 III 49 ; 96 I 1 Art. 80 SchKG 3.4 Nach dem Dargelegten ist die im Bundesgerichtsurteil aus dem Jahre 1998 geäusserte und vorherrschende Rechtsauffassung überzeugend. Wenn das Kantonsgericht gestützt auf das von der Beschwerdegegnerin - als Rechtsnachfolgerin und Betreibungsgläubigerin - vorgelegte Urteil dennoch die provisorische Rechtsöffnung (bzw. die Aberkennungsklage) für möglich hält, ist dies mit Bundesrecht BGE 140 III 372 S. 378 nicht vereinbar. Die Beschwerde ist begründet und das angefochtene Urteil sowie die provisorische Rechtsöffnung sind antragsgemäss aufzuheben.
3.4 BGE 140 III 372 S. 378
3.5 Mit Bezug auf die Art der Rechtsöffnung findet der Grundsatz der Bindung an Begehren der Parteien keine Anwendung. Der Richter kann ungeachtet eines auf definitive Rechtsöffnung lautenden (oder eines unspezifizierten) Antrages unter Wahrung des rechtlichen Gehörs die provisorische Rechtsöffnung - oder das Umgekehrte - bewilligen; das SchKG sieht vor, dass insoweit die Offizialmaxime gilt (u.a. GILLIÉRON, JdT 1968 II S. 121; ders., Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. I, 1999, N. 18 zu Art. 80, N. 65 zu Art. 84 SchKG ; STAEHELIN, a.a.O., N. 38 und 39 zu Art. 84 SchKG ). Im vorliegenden Fall kann die provisorische Rechtsöffnung nicht erteilt werden (E. 3.4). Da die Vorinstanz die Voraussetzungen zur definitiven Rechtsöffnung nicht geprüft hat, ist die Sache für das Bundesgericht nicht spruchreif (vgl. BGE 135 V 23 E. 4 S. 29) und hat das Kantonsgericht über die Rechtsöffnung neu zu befinden; es kann reformatorisch anstelle der provisorischen die definitive Rechtsöffnung erteilen (vgl. Art. 327 Abs. 3 ZPO ; Botschaft vom 28. Juni 2006 zur ZPO, BBl 2006 7221 ff., 7379 Ziff. 5.23.2; vgl. JEANDIN, in: CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, N. 18 der Vorbem. zu Art. 308-334 ZPO ). Die Sache ist daher zur weiteren Entscheidung über das Rechtsöffnungsbegehren im Sinne der Erwägungen an das Kantonsgericht zurückzuweisen.
3.5 Art. 84 SchKG Art. 84 SchKG Art. 327 Abs. 3 ZPO Art. 308-334 ZPO
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Urteilskopf 140 III 379 57. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause X. SA en récupération judiciaire contre Y. (recours en matière civile) 5A_450/2013 du 6 juin 2014 Regeste Art. 166-170 IPRG, Art. 317 ff. SchKG ; Anerkennung eines durch eine ausländische Instanz bestätigten Nachlassvertrages. Voraussetzungen und Wirkungen der Anerkennung eines ausländischen Nachlassvertrages sowie der Eröffnung eines Hilfsverfahrens (E. 4). Sachverhalt ab Seite 379 BGE 140 III 379 S. 379 A. A.a Y. est une société anonyme constituée selon le droit de l'Etat du Delaware, ayant son siège à Wilmington (Etat du Delaware/USA); elle est une filiale de A., compagnie aérienne active en Amérique du Sud. X. SA (ci-après: X.) est une société anonyme de droit brésilien ayant son siège à Sao Paulo (Brésil), qui exploite une entreprise de transport aérien de fret. Un litige a éclaté entre Y. et X. en 2006. A.b Le 29 août 2007, Y. a introduit devant la Cour suprême de l'Etat de New York une action en paiement contre X., qui a abouti à deux jugements par lesquels X. a été condamnée à payer à Y.: - le montant de 17'167'300 USD (capital de la condamnation) par jugement du 1 er décembre 2008, - le montant de 874'578.85 USD correspondant aux intérêts échus jusqu'au 22 janvier 2009 et le montant de 1'118'956.07 USD à titre d'honoraires d'avocat jusqu'à fin décembre 2008, soit au total BGE 140 III 379 S. 380 1'993'534.92 USD, par jugement du 8 juin 2009 (notifié le 9 juin 2010). En garantie de ses créances contre X., Y. a requis et obtenu en Suisse trois séquestres, qu'elle a validés par des poursuites. A.c En particulier, le 9 décembre 2008, Y. a déposé une requête de reconnaissance et de mainlevée définitive de l'opposition au commandement de payer dans la 1 re poursuite en validation de séquestre. Par jugement du 2 février 2009, le Tribunal de première instance de Genève a reconnu le jugement du 1 er décembre 2008 de la Cour suprême de l'Etat de New York (concernant le capital) et a accordé la mainlevée définitive à concurrence de 20'090'891 fr. 20 (contrevaleur du montant de 17'167'300 USD ; 1 re poursuite). Y. ayant requis la continuation de la poursuite, l'Office des poursuites a prononcé la conversion du 1 er séquestre en saisie définitive le 17 novembre 2009 dans la 1 re poursuite. La conversion du séquestre en saisie définitive a fait l'objet d'une plainte, à laquelle l'effet suspensif a été accordé, puis d'un recours en matière civile au Tribunal fédéral, également avec octroi de l'effet suspensif, qui, par arrêt du 3 février 2011, a prononcé la suspension des opérations de la 1 re poursuite jusqu'à droit connu sur la reconnaissance du sursis concordataire du 13 mars 2009 (selon les termes du dispositif de l'arrêt 5A_322 2010 du 3 février 2011, non publié in ATF 137 III 138 ). B. Pendant que la créancière Y. séquestrait et poursuivait en Suisse le recouvrement de ses créances, X. a fait l'objet au Brésil d'une décision de récupération judiciaire du 13 mars 2009 du Tribunal de justice de Sao Paulo, équivalant à un sursis concordataire du droit suisse et prononçant la suspension des mesures d'exécution forcée à son encontre durant une période de 180 jours. Le 6 juillet 2009, X. a demandé au Tribunal de première instance de Genève la reconnaissance en Suisse de la décision de sursis concordataire brésilienne du 13 mars 2009. Le Tribunal de première instance l'a reconnu par jugement du 27 octobre 2009, sans limitation dans le temps, de sorte que cette reconnaissance a entraîné la suspension des poursuites en Suisse en vertu de l' art. 297 al. 1 LP ( ATF 137 III 138 consid. 2.2) tant que la question des effets temporels du sursis concordataire n'était pas résolue. Par arrêt du 9 décembre 2010, la Cour de justice a déclaré exécutoire en Suisse le sursis concordataire d'une durée de 180 jours pour la période du 13 mars au 8 septembre 2009, arrêt définitif et exécutoire. BGE 140 III 379 S. 381 C. Le 5 octobre 2009, la I re Chambre des faillites et des redressements judiciaires du Tribunal de justice de Sao Paulo a octroyé à X. le bénéfice du redressement judiciaire et a avalisé le plan de redressement ( cram down ), équivalant à une homologation de concordat du droit suisse. La créance de Y. est soumise au règlement prévu par ce plan de redressement. L'appel, assorti de l'effet suspensif, interjeté par Y. et d'autres créanciers, a été rejeté par la Cour d'appel de Sao Paulo le 1 er juin 2010 et le recours en interprétation a été rejeté le 19 octobre 2010 par cette même Cour. Le 27 décembre 2010, X. a demandé au Tribunal de première instance de Genève la reconnaissance en Suisse de l'homologation du concordat du 5 octobre 2009, et des arrêts confirmant celle-ci des 1 er juin et 19 octobre 2010, concluant également à ce que les avoirs séquestrés soient transférés sur le compte judiciaire de la Cour brésilienne des faillites, laquelle s'assurerait de son utilisation conforme au plan de redressement. Le Tribunal de première instance a reconnu l'homologation du concordat par jugement du 26 mars 2012 et, notamment, admis que les poursuites tombaient, que les séquestres étaient caducs, et que X. disposait de ses biens en Suisse conformément au plan de redressement homologué. Son jugement ayant été annulé par arrêt de la Cour de justice du 11 juillet 2012 pour violation du droit d'être entendu de Y., le tribunal a rendu un nouveau jugement le 7 janvier 2013, par lequel il a rejeté la demande de reconnaissance, au motif que X. n'avait pas produit une expédition authentique du jugement dont la reconnaissance était demandée. Statuant le 10 mai 2013, la Chambre civile de la Cour de justice du canton de Genève a déclaré irrecevable le recours interjeté par X. Elle a notamment considéré que la durée du sursis ayant finalement été fixée du 13 mars au 8 septembre 2009, la conversion du séquestre en saisie le 17 novembre 2009 n'avait pas été empêchée par la reconnaissance du sursis; le délai de participation étant écoulé, la créancière bénéficiait en outre du privilège de l' art. 199 al. 2 LP. Par conséquent, la requérante n'avait pas d'intérêt juridique à recourir contre le rejet de sa requête de reconnaissance de l'homologation du concordat. D. Par arrêt du 6 juin 2014, le Tribunal fédéral a admis le recours interjeté par X. contre cet arrêt d'irrecevabilité. (résumé) BGE 140 III 379 S. 382 Erwägungen Extrait des considérants: 4. La question litigieuse est de savoir si la reconnaissance de l'homologation du concordat doit être prononcée ou si des motifs s'y opposent. 4.1 En substance, la cour cantonale a estimé que la reconnaissance n'a pas à être prononcée parce que, en vertu de l' art. 199 al. 2 LP, la créancière séquestrante a la préférence sur les avoirs saisis: le premier séquestre obtenu par la créancière a été converti en saisie définitive et les délais de participation sont échus, de sorte que celle-ci a acquis le droit d'être désintéressée sur les biens saisis. Implicitement, il n'y a donc pas de biens en Suisse qu'il faudrait inventorier dans un concordat ancillaire ou qui devraient revenir à la masse concordataire étrangère. La recourante soutient que, vu l' ATF 137 III 138, il n'y a pas eu de conversion du séquestre en saisie définitive et que les délais de participation n'ont pas commencé à courir et, subsidiairement, que les conditions de l' art. 199 al. 2 LP ne sont pas réalisées. 4.2 Un concordat, ou une procédure analogue, homologué par une juridiction étrangère est reconnu en Suisse conformément aux règles des art. 166-170 LDIP (RS 291), applicables par analogie ( art. 175 al. 1 LDIP ). 4.2.1 La reconnaissance a pour effet d'étendre en Suisse l'effet obligatoire du concordat étranger pour tous les créanciers (à l'exception des créanciers gagistes dont le gage se trouve en Suisse et des créanciers privilégiés domiciliés en Suisse; art. 172 al. 1 LDIP ), de façon à les empêcher de tenter de recouvrer en Suisse le solde de leurs créances non couvert par le dividende ou le produit de la réalisation des actifs abandonnés, et ce alors qu'ils ont auparavant, à l'étranger, approuvé le concordat (Message du 10 novembre 1982 concernant une loi fédérale sur le droit international privé, FF 1983 I 255 ss, 442; BRACONI, in Commentaire romand, Loi sur le droit international privé, Convention de Lugano, 2011, n° 29 ad art. 175 LDIP et les références). Si le débiteur abandonne aux créanciers ses biens localisés en Suisse et qu'il y a des créanciers gagistes dont le gage se trouve en Suisse ou des créanciers privilégiés domiciliés en Suisse ( art. 172 al. 1 LP ), il faut ouvrir une procédure de concordat ancillaire en Suisse, soumise aux art. 317 ss LP (par renvoi de l' art. 170 al. 1 LDIP ; BGE 140 III 379 S. 383 ATF 137 III 138 consid. 2.2 p. 141 et les références à la doctrine; BRACONI, op. cit., n° 30 ad art. 175 LDIP ). Le juge de la reconnaissance nomme un liquidateur suisse pour administrer cette procédure. Celui-ci établira un état de collocation et procédera à la distribution des deniers; seul le solde éventuel sera remis à la masse concordataire étrangère ou à ceux des créanciers qui y ont droit en vertu de la reconnaissance de l'état de collocation étranger ( art. 173 al. 1 LDIP ; BRACONI, op. cit., n° 30 ad art. 175 LDIP ). Si aucun créancier privilégié ne s'est annoncé, il n'est pas nécessaire d'ouvrir une procédure de concordat ancillaire en Suisse. Lorsque le commissaire étranger ne doit accomplir aucun acte en Suisse, mais seulement demander la mise à la disposition du concordat étranger des biens se trouvant en Suisse, il ne s'impose pas non plus de nommer un commissaire suisse. Si des mesures de contrainte en Suisse devaient se révéler nécessaires, le commissaire étranger devrait s'adresser aux autorités judiciaires ou d'exécution suisses (arrêt 5A_267/2007 du 30 septembre 2008 consid. 5.3). Il s'ensuit que le juge suisse de la reconnaissance peut non seulement reconnaître le concordat étranger, mais aussi donner effet en Suisse aux mesures étrangères prises en vertu de celui-ci, soit en accordant à l'administrateur étranger les pouvoirs requis, soit en nommant en outre un co-administrateur suisse (FF 1983 I 442; BRACONI, op. cit., n° 26 ad art. 175 LP ). 4.2.2 Le concordat, ou une procédure analogue, étranger est reconnu en Suisse aux conditions de l' art. 166 al. 1 LDIP (par renvoi de l' art. 175 LDIP ), à savoir lorsque la décision étrangère a été rendue par une autorité compétente (compétence indirecte; art. 166 al. 1 in initio LDIP), qu'elle est exécutoire ( art. 166 al. 1 let. a LDIP ) et qu'il n'y a pas de motif de refus au sens de l' art. 27 LDIP, parce qu'elle respecte l'ordre public matériel et l'ordre public formel (let. b) et que la réciprocité est accordée par l'Etat où la décision a été rendue (let. c; cf. BRACONI, op. cit., n° 14 ad art. 175 LDIP ). Si l'ouverture d'un concordat ancillaire est en outre subordonnée à d'autres conditions (cf. supra consid. 4.2.1), il n'en va pas de même de la reconnaissance en tant que telle, qui n'a que pour but de rendre l'homologation du concordat étranger assimilable à l'homologation d'un concordat suisse. 4.3 En l'espèce, il n'est pas contesté qu'il n'y a pas de créanciers gagistes ou de créanciers privilégiés en Suisse. Il n'y a donc pas à ouvrir de procédure de concordat ancillaire. BGE 140 III 379 S. 384 En revanche, des avoirs qui appartenaient à la débitrice ont été séquestrés en Suisse; l'Office des poursuites a placé sous sa garde un montant de 24'541'781 fr., qu'il a consigné à la Caisse de consignation de l'Etat de Genève. Dans la mesure où il y a litige sur le droit à ces avoirs entre la masse concordataire étrangère, qui a succédé à la société débitrice, et la créancière séquestrante, le juge doit reconnaître en Suisse l'homologation du concordat brésilien de façon à permettre à l'administrateur ou liquidateur du concordat étranger de faire valoir les droits de la masse concordataire auprès de l'Office des poursuites qui a exécuté le séquestre de ces avoirs, le cas échéant par la voie de la plainte à l'autorité de surveillance ( art. 17 ss LP ; ATF 74 III 40 consid. 1 et 2 p. 43 ss; cf. HANDSCHIN/HUNKELER, in Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, vol. II, 2 e éd. 2010, n° 12 ad art. 199 LP ; ROMY, in Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, n° 7 ad art. 199 LP ). Il appartient en effet aux autorités de l'exécution forcée de trancher la question de savoir si ces avoirs tombent dans la masse ou s'ils sont acquis au créancier individuel qui a poursuivi la débitrice. En tant que juge de l'entraide judiciaire internationale, le juge de la reconnaissance doit uniquement vérifier la réalisation des conditions posées par la LDIP; il n'a pas à anticiper, à titre préjudiciel, sur le sort de cette question (cf. arrêt 4A_366/2011 du 31 octobre 2011 consid. 2.2, 2 e par. in fine). 4.4 En conclusion, c'est à tort que la Cour de justice a rejeté la demande de reconnaissance déposée par la recourante pour le motif retenu. Le recours doit donc être admis et l'arrêt attaqué annulé. La cause doit être renvoyée à la cour cantonale pour examen des autres conditions de la reconnaissance.
Urteilskopf
57. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause X. SA en récupération judiciaire contre Y. (recours en matière civile)
5A_450/2013 du 6 juin 2014
Regeste Art. 166-170 IPRG, Art. 317 ff. SchKG ; Anerkennung eines durch eine ausländische Instanz bestätigten Nachlassvertrages. Voraussetzungen und Wirkungen der Anerkennung eines ausländischen Nachlassvertrages sowie der Eröffnung eines Hilfsverfahrens (E. 4).
Regeste
Art. 166-170 IPRG, Art. 317 ff. SchKG ; Anerkennung eines durch eine ausländische Instanz bestätigten Nachlassvertrages. Voraussetzungen und Wirkungen der Anerkennung eines ausländischen Nachlassvertrages sowie der Eröffnung eines Hilfsverfahrens (E. 4).
Art. 166-170 IPRG Art. 317 ff. SchKG Voraussetzungen und Wirkungen der Anerkennung eines ausländischen Nachlassvertrages sowie der Eröffnung eines Hilfsverfahrens (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 379
Sachverhalt ab Seite 379 BGE 140 III 379 S. 379
BGE 140 III 379 S. 379
A.
A. A.a Y. est une société anonyme constituée selon le droit de l'Etat du Delaware, ayant son siège à Wilmington (Etat du Delaware/USA); elle est une filiale de A., compagnie aérienne active en Amérique du Sud.
A.a X. SA (ci-après: X.) est une société anonyme de droit brésilien ayant son siège à Sao Paulo (Brésil), qui exploite une entreprise de transport aérien de fret.
Un litige a éclaté entre Y. et X. en 2006.
A.b Le 29 août 2007, Y. a introduit devant la Cour suprême de l'Etat de New York une action en paiement contre X., qui a abouti à deux jugements par lesquels X. a été condamnée à payer à Y.:
A.b - le montant de 17'167'300 USD (capital de la condamnation) par jugement du 1 er décembre 2008,
- le montant de 874'578.85 USD correspondant aux intérêts échus jusqu'au 22 janvier 2009 et le montant de 1'118'956.07 USD à titre d'honoraires d'avocat jusqu'à fin décembre 2008, soit au total BGE 140 III 379 S. 380 1'993'534.92 USD, par jugement du 8 juin 2009 (notifié le 9 juin 2010).
BGE 140 III 379 S. 380
En garantie de ses créances contre X., Y. a requis et obtenu en Suisse trois séquestres, qu'elle a validés par des poursuites.
A.c En particulier, le 9 décembre 2008, Y. a déposé une requête de reconnaissance et de mainlevée définitive de l'opposition au commandement de payer dans la 1 re poursuite en validation de séquestre.
A.c Par jugement du 2 février 2009, le Tribunal de première instance de Genève a reconnu le jugement du 1 er décembre 2008 de la Cour suprême de l'Etat de New York (concernant le capital) et a accordé la mainlevée définitive à concurrence de 20'090'891 fr. 20 (contrevaleur du montant de 17'167'300 USD ; 1 re poursuite).
; 1 re Y. ayant requis la continuation de la poursuite, l'Office des poursuites a prononcé la conversion du 1 er séquestre en saisie définitive le 17 novembre 2009 dans la 1 re poursuite. La conversion du séquestre en saisie définitive a fait l'objet d'une plainte, à laquelle l'effet suspensif a été accordé, puis d'un recours en matière civile au Tribunal fédéral, également avec octroi de l'effet suspensif, qui, par arrêt du 3 février 2011, a prononcé la suspension des opérations de la 1 re poursuite jusqu'à droit connu sur la reconnaissance du sursis concordataire du 13 mars 2009 (selon les termes du dispositif de l'arrêt 5A_322 2010 du 3 février 2011, non publié in ATF 137 III 138 ).
B. Pendant que la créancière Y. séquestrait et poursuivait en Suisse le recouvrement de ses créances, X. a fait l'objet au Brésil d'une décision de récupération judiciaire du 13 mars 2009 du Tribunal de justice de Sao Paulo, équivalant à un sursis concordataire du droit suisse et prononçant la suspension des mesures d'exécution forcée à son encontre durant une période de 180 jours.
B. Le 6 juillet 2009, X. a demandé au Tribunal de première instance de Genève la reconnaissance en Suisse de la décision de sursis concordataire brésilienne du 13 mars 2009.
Le Tribunal de première instance l'a reconnu par jugement du 27 octobre 2009, sans limitation dans le temps, de sorte que cette reconnaissance a entraîné la suspension des poursuites en Suisse en vertu de l' art. 297 al. 1 LP ( ATF 137 III 138 consid. 2.2) tant que la question des effets temporels du sursis concordataire n'était pas résolue. art. 297 al. 1 LP Par arrêt du 9 décembre 2010, la Cour de justice a déclaré exécutoire en Suisse le sursis concordataire d'une durée de 180 jours pour la période du 13 mars au 8 septembre 2009, arrêt définitif et exécutoire. BGE 140 III 379 S. 381
BGE 140 III 379 S. 381
C. Le 5 octobre 2009, la I re Chambre des faillites et des redressements judiciaires du Tribunal de justice de Sao Paulo a octroyé à X. le bénéfice du redressement judiciaire et a avalisé le plan de redressement ( cram down ), équivalant à une homologation de concordat du droit suisse. La créance de Y. est soumise au règlement prévu par ce plan de redressement. L'appel, assorti de l'effet suspensif, interjeté par Y. et d'autres créanciers, a été rejeté par la Cour d'appel de Sao Paulo le 1 er juin 2010 et le recours en interprétation a été rejeté le 19 octobre 2010 par cette même Cour.
C. Le 27 décembre 2010, X. a demandé au Tribunal de première instance de Genève la reconnaissance en Suisse de l'homologation du concordat du 5 octobre 2009, et des arrêts confirmant celle-ci des 1 er juin et 19 octobre 2010, concluant également à ce que les avoirs séquestrés soient transférés sur le compte judiciaire de la Cour brésilienne des faillites, laquelle s'assurerait de son utilisation conforme au plan de redressement.
Le Tribunal de première instance a reconnu l'homologation du concordat par jugement du 26 mars 2012 et, notamment, admis que les poursuites tombaient, que les séquestres étaient caducs, et que X. disposait de ses biens en Suisse conformément au plan de redressement homologué. Son jugement ayant été annulé par arrêt de la Cour de justice du 11 juillet 2012 pour violation du droit d'être entendu de Y., le tribunal a rendu un nouveau jugement le 7 janvier 2013, par lequel il a rejeté la demande de reconnaissance, au motif que X. n'avait pas produit une expédition authentique du jugement dont la reconnaissance était demandée.
Statuant le 10 mai 2013, la Chambre civile de la Cour de justice du canton de Genève a déclaré irrecevable le recours interjeté par X. Elle a notamment considéré que la durée du sursis ayant finalement été fixée du 13 mars au 8 septembre 2009, la conversion du séquestre en saisie le 17 novembre 2009 n'avait pas été empêchée par la reconnaissance du sursis; le délai de participation étant écoulé, la créancière bénéficiait en outre du privilège de l' art. 199 al. 2 LP. Par conséquent, la requérante n'avait pas d'intérêt juridique à recourir contre le rejet de sa requête de reconnaissance de l'homologation du concordat. art. 199 al. 2 LP D. Par arrêt du 6 juin 2014, le Tribunal fédéral a admis le recours interjeté par X. contre cet arrêt d'irrecevabilité.
D. (résumé) BGE 140 III 379 S. 382
BGE 140 III 379 S. 382
Erwägungen
Erwägungen Extrait des considérants:
4. La question litigieuse est de savoir si la reconnaissance de l'homologation du concordat doit être prononcée ou si des motifs s'y opposent.
4. 4.1 En substance, la cour cantonale a estimé que la reconnaissance n'a pas à être prononcée parce que, en vertu de l' art. 199 al. 2 LP, la créancière séquestrante a la préférence sur les avoirs saisis: le premier séquestre obtenu par la créancière a été converti en saisie définitive et les délais de participation sont échus, de sorte que celle-ci a acquis le droit d'être désintéressée sur les biens saisis. Implicitement, il n'y a donc pas de biens en Suisse qu'il faudrait inventorier dans un concordat ancillaire ou qui devraient revenir à la masse concordataire étrangère.
4.1 art. 199 al. 2 LP La recourante soutient que, vu l' ATF 137 III 138, il n'y a pas eu de conversion du séquestre en saisie définitive et que les délais de participation n'ont pas commencé à courir et, subsidiairement, que les conditions de l' art. 199 al. 2 LP ne sont pas réalisées. art. 199 al. 2 LP 4.2 Un concordat, ou une procédure analogue, homologué par une juridiction étrangère est reconnu en Suisse conformément aux règles des art. 166-170 LDIP (RS 291), applicables par analogie ( art. 175 al. 1 LDIP ).
4.2 art. 166-170 LDIP art. 175 al. 1 LDIP 4.2.1 La reconnaissance a pour effet d'étendre en Suisse l'effet obligatoire du concordat étranger pour tous les créanciers (à l'exception des créanciers gagistes dont le gage se trouve en Suisse et des créanciers privilégiés domiciliés en Suisse; art. 172 al. 1 LDIP ), de façon à les empêcher de tenter de recouvrer en Suisse le solde de leurs créances non couvert par le dividende ou le produit de la réalisation des actifs abandonnés, et ce alors qu'ils ont auparavant, à l'étranger, approuvé le concordat (Message du 10 novembre 1982 concernant une loi fédérale sur le droit international privé, FF 1983 I 255 ss, 442; BRACONI, in Commentaire romand, Loi sur le droit international privé, Convention de Lugano, 2011, n° 29 ad art. 175 LDIP et les références).
4.2.1 art. 172 al. 1 LDIP art. 175 LDIP Si le débiteur abandonne aux créanciers ses biens localisés en Suisse et qu'il y a des créanciers gagistes dont le gage se trouve en Suisse ou des créanciers privilégiés domiciliés en Suisse ( art. 172 al. 1 LP ), il faut ouvrir une procédure de concordat ancillaire en Suisse, soumise aux art. 317 ss LP (par renvoi de l' art. 170 al. 1 LDIP ; BGE 140 III 379 S. 383 ATF 137 III 138 consid. 2.2 p. 141 et les références à la doctrine; BRACONI, op. cit., n° 30 ad art. 175 LDIP ). Le juge de la reconnaissance nomme un liquidateur suisse pour administrer cette procédure. Celui-ci établira un état de collocation et procédera à la distribution des deniers; seul le solde éventuel sera remis à la masse concordataire étrangère ou à ceux des créanciers qui y ont droit en vertu de la reconnaissance de l'état de collocation étranger ( art. 173 al. 1 LDIP ; BRACONI, op. cit., n° 30 ad art. 175 LDIP ). art. 172 al. 1 LP art. 317 ss LP art. 170 al. 1 LDIP BGE 140 III 379 S. 383
art. 175 LDIP art. 173 al. 1 LDIP art. 175 LDIP Si aucun créancier privilégié ne s'est annoncé, il n'est pas nécessaire d'ouvrir une procédure de concordat ancillaire en Suisse. Lorsque le commissaire étranger ne doit accomplir aucun acte en Suisse, mais seulement demander la mise à la disposition du concordat étranger des biens se trouvant en Suisse, il ne s'impose pas non plus de nommer un commissaire suisse. Si des mesures de contrainte en Suisse devaient se révéler nécessaires, le commissaire étranger devrait s'adresser aux autorités judiciaires ou d'exécution suisses (arrêt 5A_267/2007 du 30 septembre 2008 consid. 5.3). Il s'ensuit que le juge suisse de la reconnaissance peut non seulement reconnaître le concordat étranger, mais aussi donner effet en Suisse aux mesures étrangères prises en vertu de celui-ci, soit en accordant à l'administrateur étranger les pouvoirs requis, soit en nommant en outre un co-administrateur suisse (FF 1983 I 442; BRACONI, op. cit., n° 26 ad art. 175 LP ). art. 175 LP 4.2.2 Le concordat, ou une procédure analogue, étranger est reconnu en Suisse aux conditions de l' art. 166 al. 1 LDIP (par renvoi de l' art. 175 LDIP ), à savoir lorsque la décision étrangère a été rendue par une autorité compétente (compétence indirecte; art. 166 al. 1 in initio LDIP), qu'elle est exécutoire ( art. 166 al. 1 let. a LDIP ) et qu'il n'y a pas de motif de refus au sens de l' art. 27 LDIP, parce qu'elle respecte l'ordre public matériel et l'ordre public formel (let. b) et que la réciprocité est accordée par l'Etat où la décision a été rendue (let. c; cf. BRACONI, op. cit., n° 14 ad art. 175 LDIP ).
4.2.2 art. 166 al. 1 LDIP art. 175 LDIP art. 166 al. 1 let. a LDIP art. 27 LDIP art. 175 LDIP Si l'ouverture d'un concordat ancillaire est en outre subordonnée à d'autres conditions (cf. supra consid. 4.2.1), il n'en va pas de même de la reconnaissance en tant que telle, qui n'a que pour but de rendre l'homologation du concordat étranger assimilable à l'homologation d'un concordat suisse.
4.3 En l'espèce, il n'est pas contesté qu'il n'y a pas de créanciers gagistes ou de créanciers privilégiés en Suisse. Il n'y a donc pas à ouvrir de procédure de concordat ancillaire. BGE 140 III 379 S. 384
4.3 BGE 140 III 379 S. 384
En revanche, des avoirs qui appartenaient à la débitrice ont été séquestrés en Suisse; l'Office des poursuites a placé sous sa garde un montant de 24'541'781 fr., qu'il a consigné à la Caisse de consignation de l'Etat de Genève. Dans la mesure où il y a litige sur le droit à ces avoirs entre la masse concordataire étrangère, qui a succédé à la société débitrice, et la créancière séquestrante, le juge doit reconnaître en Suisse l'homologation du concordat brésilien de façon à permettre à l'administrateur ou liquidateur du concordat étranger de faire valoir les droits de la masse concordataire auprès de l'Office des poursuites qui a exécuté le séquestre de ces avoirs, le cas échéant par la voie de la plainte à l'autorité de surveillance ( art. 17 ss LP ; ATF 74 III 40 consid. 1 et 2 p. 43 ss; cf. HANDSCHIN/HUNKELER, in Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, vol. II, 2 e éd. 2010, n° 12 ad art. 199 LP ; ROMY, in Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, n° 7 ad art. 199 LP ). Il appartient en effet aux autorités de l'exécution forcée de trancher la question de savoir si ces avoirs tombent dans la masse ou s'ils sont acquis au créancier individuel qui a poursuivi la débitrice. En tant que juge de l'entraide judiciaire internationale, le juge de la reconnaissance doit uniquement vérifier la réalisation des conditions posées par la LDIP; il n'a pas à anticiper, à titre préjudiciel, sur le sort de cette question (cf. arrêt 4A_366/2011 du 31 octobre 2011 consid. 2.2, 2 e par. in fine). art. 17 ss LP ATF 74 III 40 art. 199 LP art. 199 LP 4.4 En conclusion, c'est à tort que la Cour de justice a rejeté la demande de reconnaissance déposée par la recourante pour le motif retenu. Le recours doit donc être admis et l'arrêt attaqué annulé. La cause doit être renvoyée à la cour cantonale pour examen des autres conditions de la reconnaissance.
4.4
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Urteilskopf 140 III 385 58. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Klinik B. (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_356/2014 vom 14. August 2014 Regeste Art. 450 ff. ZGB ; Anspruch auf Parteientschädigung im Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz. Der Bundesgesetzgeber hat die Regelung der Parteientschädigung im Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz den Kantonen überlassen. Regelung im Kanton Zürich (E. 2-5). Sachverhalt ab Seite 385 BGE 140 III 385 S. 385 A. (Beschwerdeführer) wurde am 17. März 2014 fürsorgerisch in der Klinik B. untergebracht. Er legte dagegen eine Beschwerde ein, die das Bezirksgericht abwies. Am 21. März 2014 gelangte der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer an das Obergericht des Kantons Zürich mit den Anträgen, die Beschwerde gegen die fürsorgerische Unterbringung gutzuheissen unter Kosten- und Entschädigungsfolgen der Gegenparteien. Das Obergericht hiess die Beschwerde gut und wies die Klinik B. an, den Beschwerdeführer unverzüglich zu entlassen. Es erhob für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren weder Gebühren noch Kosten und sprach keine Parteientschädigung zu. Mit Eingabe vom 29. April 2014 beantragt der BGE 140 III 385 S. 386 Beschwerdeführer dem Bundesgericht, die Entscheide der Vorinstanzen seien im Entschädigungspunkt aufzuheben bzw. zu ergänzen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Streitig ist der Anspruch des anwaltlich vertretenen Beschwerdeführers auf Parteientschädigung im Verfahren der Beschwerde gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der fürsorgerischen Unterbringung und damit im Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz ( Art. 450 ff. ZGB ). Aus der gesetzlichen Regelung zum Erwachsenenschutz ( Art. 360 ff. ZGB ) ergibt sich Folgendes: 2.1 Der Bericht mit Vorentwurf für ein Bundesgesetz über das Verfahren vor den Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden vom Juni 2003 sah eine Regelung betreffend Verfahrenskosten und Parteientschädigungen vor. Danach sollten Parteientschädigungen für das Verfahren vor der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde grundsätzlich ausgeschlossen sein (Art. 34), im Beschwerdeverfahren aber wegen dessen grösseren Nähe zum Zivilprozessrecht nach Ermessen der gerichtlichen Behörde zugesprochen werden können (Art. 54 des Vorentwurfs sowie S. 25 f. und S. 36 des Berichts). 2.2 Der Entwurf sah - anders als der Vorentwurf - nicht mehr ein Fachgericht als Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) vor, sondern überliess es dem Ermessen der Kantone, ob sie eine Verwaltungsbehörde oder ein Gericht als Fachbehörde einsetzen wollen. Im Hinblick auf diese veränderte Ausgangslage hat der Bundesrat in seiner Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht) vorgeschlagen, auf das spezielle Verfahrensgesetz zu verzichten, die darin enthaltenen wesentlichen Verfahrensgrundsätze jedoch für den Kindes- und Erwachsenenschutz im Sinn eines bundesrechtlich vereinheitlichten gesamtschweizerischen Standards im Zivilgesetzbuch zu verankern (BBl 2006 7001 ff., 7022 Ziff. 1.3.10). Eine Regelung betreffend Kosten und Entschädigungen fehlt und wird laut Botschaft vom kantonalen Recht erfasst (BBl, a.a.O., 7088 zu Art. 450f). Letzterer Vorschlag wurde in den Räten diskussionslos angenommen (AB 2007 S 841 und 2008 N 1541). 2.3 Die Regelung der Parteientschädigung obliegt dem kantonalen Gesetzgeber. Soweit die Kantone nichts anderes bestimmen, sind BGE 140 III 385 S. 387 gemäss Art. 450f ZGB die Bestimmungen der Zivilprozessordnung sinngemäss anwendbar. Gegenüber kantonalem Recht ist die Prüfungsbefugnis beschränkt. Das Bundesgericht kann die bundesgesetzlichen Verfahrensvorschriften frei überprüfen ( Art. 95 lit. a BGG ), die Anwendung von kantonalem Recht - von hier nicht zutreffenden Ausnahmen ( Art. 95 lit. c-e BGG ) abgesehen - hingegen nur auf die Verletzung verfassungsmässiger Rechte, namentlich auf Willkür hin, wenn und soweit entsprechende Rügen erhoben und begründet werden ( BGE 139 III 252 E. 1.4 S. 254; BGE 138 V 67 E. 2.2 S. 69), d.h. klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Urteils dargelegt wird, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt sein sollen ( Art. 106 Abs. 2 BGG ; BGE 134 I 83 E. 3.2 S. 88; BGE 138 I 171 E. 1.4 S. 176). Nichts Abweichendes ergibt sich - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - aus dem Verweis in Art. 450f ZGB auf die Bestimmungen der Zivilprozessordnung, soweit das kantonale Recht keine Regelung enthält. Die Bestimmungen der Zivilprozessordnung gelten diesfalls als ergänzendes kantonales Recht und unterliegen dementsprechend nur beschränkter Prüfung (Urteile 5A_877/2013 vom 10. Februar 2014 E. 2.2, in: SZZP 2014 S. 255; 5A_379/2014 vom 4. Juli 2014 E. 1). 3. Den Anspruch auf Parteientschädigung im Verfahren vor den gerichtlichen Beschwerdeinstanzen regelt das kantonale Recht wie folgt: 3.1 Für eine Entschädigung des Staates an die obsiegende Partei bestand im Zürcher Verfahrensrecht ursprünglich keine Rechtsgrundlage, und zwar auch im Bereich der fürsorgerischen Freiheitsentziehung, der heutigen fürsorgerischen Unterbringung nicht. Die obsiegende Partei wurde auf den Weg des Haftungsprozesses gegen den Kanton verwiesen. Das Bundesgericht beanstandete den Rechtszustand nicht als willkürlich, wohl aber als unbefriedigend (Urteil 5P.156/1991 vom 22. Juli 1991 E. 4b/bb). Der kantonale Gesetzgeber beschloss deshalb für das Verfahren betreffend fürsorgerische Freiheitsentziehung eine Ausnahmebestimmung, wonach das Gericht der gesuchstellenden Partei eine Prozessentschädigung aus der Gerichtskasse zusprechen kann, wenn das Gesuch gutgeheissen wird (vgl. FRANK/STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 1997, N. 14a zu § 68 und N. 1 zu § 203f ZPO /ZH). Die entsprechende Regelung fand sich zunächst in der Zivilprozessordnung ( § 203f ZPO /ZH), dann im Gerichtsorganisationsgesetz (§ 183 GOG) und wurde schliesslich durch das am BGE 140 III 385 S. 388 1. Januar 2013 in Kraft getretene Einführungsgesetz zum Kindes- und Erwachsenenschutzrecht vom 25. Juni 2012 (EG KESR; LS 232.3) aufgehoben (vgl. Antrag und Weisung des Regierungsrates vom 1. Juli 2009 betreffend Gesetz über die Anpassung der kantonalen Behördenorganisation und des kantonalen Prozessrechts in Zivil- und Strafsachen an die neuen Prozessgesetze des Bundes, Amtsblatt [ABl] 2009 1569 f. Ziff. 5, 1592 zu § 28 und 1641 zu den besonderen Verfahren gestützt auf das ZGB). 3.2 Gemäss § 40 EG KESR bestimmt sich das Verfahren vor den gerichtlichen Beschwerdeinstanzen zuerst nach den Bestimmungen des ZGB und dieses Gesetzes (Abs. 1), in zweiter Linie nach den Bestimmungen des GOG (Abs. 2) und subsidiär nach den sinngemäss anwendbaren Bestimmungen der ZPO (Abs. 3). Die besonderen Vorschriften für das Verfahren vor den gerichtlichen Beschwerdeinstanzen (§§ 62 ff. EG KESR) enthalten keine Regelung betreffend Parteientschädigung. Laut Antrag und Weisung des Regierungsrates vom 31. August 2011 wurde ausdrücklich darauf verzichtet, auf die für die KESB geltende Bestimmung zu verweisen, wonach in der Regel keine Parteientschädigungen zugesprochen werden. Dabei ist massgebend gewesen, dass die KESB (und im Verfahren vor Obergericht auch das Bezirksgericht) Vorinstanz ist und deshalb nicht zu den am Verfahren beteiligten Personen gehört mit der Folge, dass ihr keine Kosten auferlegt werden können und dass es - entsprechend der geltenden Praxis des Obergerichts - keine Entschädigung vom Staat gibt, wenn der Entscheid einer Vorinstanz aufgehoben wird und sich keine am Verfahren beteiligte Person mit diesem identifiziert hat (Amtsblatt [ABl] 2011 2674 f. zu § 73). Der Kantonsrat genehmigte den Vorschlag ohne Bemerkungen (Protokoll des Zürcher Kantonsrates, 52. Sitzung, Montag, 30. April 2012, 8.15 Uhr, S. 3515). 3.3 Enthalten weder EG KESR noch GOG eine Regelung betreffend Parteientschädigung gelten sinngemäss die Bestimmungen der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO; SR 272). Auch darin hat das Obergericht keine gesetzliche Grundlage für einen Anspruch auf eine Parteientschädigung gefunden. Es hat auf die Kommentare zu Art. 107 Abs. 2 ZPO verwiesen, wonach das Gericht zwar die Gerichtskosten, die weder eine Partei noch Dritte veranlasst haben, aus Billigkeitsgründen dem Kanton auferlegen kann, nicht hingegen die Parteientschädigung. BGE 140 III 385 S. 389 4. In der Anwendung bzw. Nichtanwendung der massgebenden Bestimmungen der ZPO erblickt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 8 und Art. 9 BV. Seinen Anspruch auf angemessene Parteientschädigung als obsiegende Partei leitet er weiter direkt aus Art. 29 und Art. 30 BV wie auch aus Art. 6 und Art. 14 EMRK ab. 4.1 Das Gericht kann gemäss Art. 107 Abs. 2 ZPO Gerichtskosten, die weder eine Partei noch Dritte veranlasst haben, aus Billigkeitsgründen dem Kanton auferlegen. Willkürfrei durfte das Obergericht davon ausgehen, dass Art. 95 Abs. 1 ZPO unter den "Prozesskosten" ("frais"; "spese giudiziarie") begrifflich "Gerichtskosten" ("frais judiciaires"; "spese processuali") und "Parteientschädigung" ("dépens"; "spese ripetibili") klar auseinanderhält und dass im Zweifel auch "Gerichtskosten" gemeint sind, wo das Gesetz wie in Art. 107 Abs. 2 ZPO den Begriff "Gerichtskosten" ("frais judiciaires"; "spese processuali") verwendet. Auch gemäss der zitierten und weiteren Kommentierungen bietet Art. 107 Abs. 2 ZPO keine Grundlage dafür, einen Kanton zur Tragung einer Parteientschädigung zu verpflichten (z.B. TAPPY, in: CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, N. 34 und N. 35, und JENNY, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 26, je zu Art. 107 ZPO ). Weder dargetan noch ersichtlich ist im Übrigen, dass vorliegend ein Tatbestand erfüllt sein könnte, der allenfalls eine Ausnahme rechtfertigte ( BGE 138 III 471 E. 7 S. 483; BGE 139 III 475 E. 2.3 S. 478). 4.2 Fragen könnte sich, ob die Erwachsenenschutzbehörde, die eine fürsorgerische Unterbringung anordnet ( Art. 428 ZGB ), im Verfahren vor den gerichtlichen Beschwerdeinstanzen als Partei anzusehen ist, so dass der Kanton nach Art. 106 Abs. 1 ZPO entschädigungspflichtig werden könnte, wonach die Prozesskosten der unterliegenden Partei auferlegt werden (vgl. BGE 139 III 471 E. 3.4 S. 475). Unter Willkürgesichtspunkten muss die Frage - ungeachtet der praktisch vollständig fehlenden Rügen des Beschwerdeführers und der unterbliebenen Prüfung durch das Obergericht - verneint werden. Die Erwachsenenschutzbehörde erhält zwar Gelegenheit zur Vernehmlassung ( Art. 450d Abs. 1 ZGB ), nimmt am Rechtsmittelverfahren aber grundsätzlich nicht teil (Botschaft, BBl, a.a.O., 7086 zu Art. 450d). Sie ist im Verfahren vor den gerichtlichen Beschwerdeinstanzen nicht Partei (STEINAUER/FOUNTOULAKIS, Droit des personnes physiques et de la protection de l'adulte, 2014, S. 505 N. 1131; BGE 140 III 385 S. 390 FRANÇOIS BOHNET, Autorités et procédure en matière de protection de l'adulte, in: Le nouveau droit de la protection de l'adulte, 2012, S. 92 N. 178). 4.3 Die Erwachsenenschutzbehörde und auch die vom Kanton bezeichneten Ärzte und Ärztinnen, die unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls eine fürsorgerische Unterbringung anordnen dürfen ( Art. 429 ZGB ), sind im Verfahren vor den gerichtlichen Beschwerdeinstanzen als verfügende Behörde anzusehen, deren Entschädigungspflicht gegenüber der obsiegenden Partei sich nach dem massgebenden Verfahrensgesetz richtet und hier unter Willkürgesichtspunkten verneint werden muss (anders als zum Beispiel im Kanton Bern: BGE 140 III 167 E. 2.3 S. 169 f.). 5. Insgesamt hat der Bundesgesetzgeber die Regelung betreffend Parteientschädigung den Kantonen überlassen wollen und damit von Kanton zu Kanton unterschiedliche Lösungen bewusst in Kauf genommen (E. 2). Im Kanton Zürich besteht weder im Einführungsgesetz zum Kindes- und Erwachsenenschutzrecht (E. 3) noch im subsidiär anwendbaren kantonalen Recht (E. 4) eine gesetzliche Grundlage für einen Anspruch auf eine Parteientschädigung gegenüber dem Staat im Verfahren vor den gerichtlichen Beschwerdeinstanzen betreffend fürsorgerische Unterbringung. Das angefochtene Urteil hält diesbezüglich der Willkürprüfung stand ( Art. 9 BV ; vgl. zum Begriff: BGE 139 III 334 E. 3.2.5 S. 339). Soweit der Beschwerdeführer seinen Anspruch auf Parteientschädigung aus anderen Bestimmungen der BV oder der EMRK ableiten will, fehlt seiner Beschwerdeschrift jegliche Begründung, so dass darauf nicht eingetreten werden kann. Der Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen kommt bei Verletzung von Grundrechten und von kantonalem Recht nicht zum Tragen ( Art. 106 Abs. 2 BGG ; BGE 133 III 589 E. 2 S. 591; BGE 138 I 225 E. 3.2 S. 228; BGE 139 III 252 E. 1.2 S. 253). Dahingestellt bleiben muss deshalb auch, ob und unter welchen Voraussetzungen sich ein Anspruch auf Parteientschädigung ausnahmsweise unmittelbar aus Art. 5 Ziff. 5 EMRK ergeben könnte (Urteil 5A_215/2012 vom 7. Mai 2012 E. 3.3, in: Freiburger Zeitschrift für Rechtsprechung [FZR] 2012 S. 36).
Urteilskopf
58. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Klinik B. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_356/2014 vom 14. August 2014
Regeste Art. 450 ff. ZGB ; Anspruch auf Parteientschädigung im Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz. Der Bundesgesetzgeber hat die Regelung der Parteientschädigung im Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz den Kantonen überlassen. Regelung im Kanton Zürich (E. 2-5).
Regeste
Art. 450 ff. ZGB ; Anspruch auf Parteientschädigung im Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz. Der Bundesgesetzgeber hat die Regelung der Parteientschädigung im Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz den Kantonen überlassen. Regelung im Kanton Zürich (E. 2-5).
Art. 450 ff. ZGB Der Bundesgesetzgeber hat die Regelung der Parteientschädigung im Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz den Kantonen überlassen. Regelung im Kanton Zürich (E. 2-5).
Sachverhalt ab Seite 385
Sachverhalt ab Seite 385 BGE 140 III 385 S. 385
BGE 140 III 385 S. 385
A. (Beschwerdeführer) wurde am 17. März 2014 fürsorgerisch in der Klinik B. untergebracht. Er legte dagegen eine Beschwerde ein, die das Bezirksgericht abwies. Am 21. März 2014 gelangte der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer an das Obergericht des Kantons Zürich mit den Anträgen, die Beschwerde gegen die fürsorgerische Unterbringung gutzuheissen unter Kosten- und Entschädigungsfolgen der Gegenparteien. Das Obergericht hiess die Beschwerde gut und wies die Klinik B. an, den Beschwerdeführer unverzüglich zu entlassen. Es erhob für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren weder Gebühren noch Kosten und sprach keine Parteientschädigung zu. Mit Eingabe vom 29. April 2014 beantragt der BGE 140 III 385 S. 386 Beschwerdeführer dem Bundesgericht, die Entscheide der Vorinstanzen seien im Entschädigungspunkt aufzuheben bzw. zu ergänzen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist.
BGE 140 III 385 S. 386
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
2. Streitig ist der Anspruch des anwaltlich vertretenen Beschwerdeführers auf Parteientschädigung im Verfahren der Beschwerde gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der fürsorgerischen Unterbringung und damit im Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz ( Art. 450 ff. ZGB ). Aus der gesetzlichen Regelung zum Erwachsenenschutz ( Art. 360 ff. ZGB ) ergibt sich Folgendes:
2. Art. 450 ff. ZGB Art. 360 ff. ZGB 2.1 Der Bericht mit Vorentwurf für ein Bundesgesetz über das Verfahren vor den Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden vom Juni 2003 sah eine Regelung betreffend Verfahrenskosten und Parteientschädigungen vor. Danach sollten Parteientschädigungen für das Verfahren vor der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde grundsätzlich ausgeschlossen sein (Art. 34), im Beschwerdeverfahren aber wegen dessen grösseren Nähe zum Zivilprozessrecht nach Ermessen der gerichtlichen Behörde zugesprochen werden können (Art. 54 des Vorentwurfs sowie S. 25 f. und S. 36 des Berichts).
2.1 2.2 Der Entwurf sah - anders als der Vorentwurf - nicht mehr ein Fachgericht als Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) vor, sondern überliess es dem Ermessen der Kantone, ob sie eine Verwaltungsbehörde oder ein Gericht als Fachbehörde einsetzen wollen. Im Hinblick auf diese veränderte Ausgangslage hat der Bundesrat in seiner Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht) vorgeschlagen, auf das spezielle Verfahrensgesetz zu verzichten, die darin enthaltenen wesentlichen Verfahrensgrundsätze jedoch für den Kindes- und Erwachsenenschutz im Sinn eines bundesrechtlich vereinheitlichten gesamtschweizerischen Standards im Zivilgesetzbuch zu verankern (BBl 2006 7001 ff., 7022 Ziff. 1.3.10). Eine Regelung betreffend Kosten und Entschädigungen fehlt und wird laut Botschaft vom kantonalen Recht erfasst (BBl, a.a.O., 7088 zu Art. 450f). Letzterer Vorschlag wurde in den Räten diskussionslos angenommen (AB 2007 S 841 und 2008 N 1541).
2.2 2.3 Die Regelung der Parteientschädigung obliegt dem kantonalen Gesetzgeber. Soweit die Kantone nichts anderes bestimmen, sind BGE 140 III 385 S. 387 gemäss Art. 450f ZGB die Bestimmungen der Zivilprozessordnung sinngemäss anwendbar. Gegenüber kantonalem Recht ist die Prüfungsbefugnis beschränkt. Das Bundesgericht kann die bundesgesetzlichen Verfahrensvorschriften frei überprüfen ( Art. 95 lit. a BGG ), die Anwendung von kantonalem Recht - von hier nicht zutreffenden Ausnahmen ( Art. 95 lit. c-e BGG ) abgesehen - hingegen nur auf die Verletzung verfassungsmässiger Rechte, namentlich auf Willkür hin, wenn und soweit entsprechende Rügen erhoben und begründet werden ( BGE 139 III 252 E. 1.4 S. 254; BGE 138 V 67 E. 2.2 S. 69), d.h. klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Urteils dargelegt wird, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt sein sollen ( Art. 106 Abs. 2 BGG ; BGE 134 I 83 E. 3.2 S. 88; BGE 138 I 171 E. 1.4 S. 176). Nichts Abweichendes ergibt sich - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - aus dem Verweis in Art. 450f ZGB auf die Bestimmungen der Zivilprozessordnung, soweit das kantonale Recht keine Regelung enthält. Die Bestimmungen der Zivilprozessordnung gelten diesfalls als ergänzendes kantonales Recht und unterliegen dementsprechend nur beschränkter Prüfung (Urteile 5A_877/2013 vom 10. Februar 2014 E. 2.2, in: SZZP 2014 S. 255; 5A_379/2014 vom 4. Juli 2014 E. 1).
2.3 BGE 140 III 385 S. 387
Art. 450f ZGB Art. 95 lit. a BGG Art. 95 lit. c-e BGG Art. 106 Abs. 2 BGG Art. 450f ZGB 3. Den Anspruch auf Parteientschädigung im Verfahren vor den gerichtlichen Beschwerdeinstanzen regelt das kantonale Recht wie folgt:
3. 3.1 Für eine Entschädigung des Staates an die obsiegende Partei bestand im Zürcher Verfahrensrecht ursprünglich keine Rechtsgrundlage, und zwar auch im Bereich der fürsorgerischen Freiheitsentziehung, der heutigen fürsorgerischen Unterbringung nicht. Die obsiegende Partei wurde auf den Weg des Haftungsprozesses gegen den Kanton verwiesen. Das Bundesgericht beanstandete den Rechtszustand nicht als willkürlich, wohl aber als unbefriedigend (Urteil 5P.156/1991 vom 22. Juli 1991 E. 4b/bb). Der kantonale Gesetzgeber beschloss deshalb für das Verfahren betreffend fürsorgerische Freiheitsentziehung eine Ausnahmebestimmung, wonach das Gericht der gesuchstellenden Partei eine Prozessentschädigung aus der Gerichtskasse zusprechen kann, wenn das Gesuch gutgeheissen wird (vgl. FRANK/STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 1997, N. 14a zu § 68 und N. 1 zu § 203f ZPO /ZH). Die entsprechende Regelung fand sich zunächst in der Zivilprozessordnung ( § 203f ZPO /ZH), dann im Gerichtsorganisationsgesetz (§ 183 GOG) und wurde schliesslich durch das am BGE 140 III 385 S. 388 1. Januar 2013 in Kraft getretene Einführungsgesetz zum Kindes- und Erwachsenenschutzrecht vom 25. Juni 2012 (EG KESR; LS 232.3) aufgehoben (vgl. Antrag und Weisung des Regierungsrates vom 1. Juli 2009 betreffend Gesetz über die Anpassung der kantonalen Behördenorganisation und des kantonalen Prozessrechts in Zivil- und Strafsachen an die neuen Prozessgesetze des Bundes, Amtsblatt [ABl] 2009 1569 f. Ziff. 5, 1592 zu § 28 und 1641 zu den besonderen Verfahren gestützt auf das ZGB).
3.1 § 203f ZPO § 203f ZPO BGE 140 III 385 S. 388
3.2 Gemäss § 40 EG KESR bestimmt sich das Verfahren vor den gerichtlichen Beschwerdeinstanzen zuerst nach den Bestimmungen des ZGB und dieses Gesetzes (Abs. 1), in zweiter Linie nach den Bestimmungen des GOG (Abs. 2) und subsidiär nach den sinngemäss anwendbaren Bestimmungen der ZPO (Abs. 3). Die besonderen Vorschriften für das Verfahren vor den gerichtlichen Beschwerdeinstanzen (§§ 62 ff. EG KESR) enthalten keine Regelung betreffend Parteientschädigung. Laut Antrag und Weisung des Regierungsrates vom 31. August 2011 wurde ausdrücklich darauf verzichtet, auf die für die KESB geltende Bestimmung zu verweisen, wonach in der Regel keine Parteientschädigungen zugesprochen werden. Dabei ist massgebend gewesen, dass die KESB (und im Verfahren vor Obergericht auch das Bezirksgericht) Vorinstanz ist und deshalb nicht zu den am Verfahren beteiligten Personen gehört mit der Folge, dass ihr keine Kosten auferlegt werden können und dass es - entsprechend der geltenden Praxis des Obergerichts - keine Entschädigung vom Staat gibt, wenn der Entscheid einer Vorinstanz aufgehoben wird und sich keine am Verfahren beteiligte Person mit diesem identifiziert hat (Amtsblatt [ABl] 2011 2674 f. zu § 73). Der Kantonsrat genehmigte den Vorschlag ohne Bemerkungen (Protokoll des Zürcher Kantonsrates, 52. Sitzung, Montag, 30. April 2012, 8.15 Uhr, S. 3515).
3.2 3.3 Enthalten weder EG KESR noch GOG eine Regelung betreffend Parteientschädigung gelten sinngemäss die Bestimmungen der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO; SR 272). Auch darin hat das Obergericht keine gesetzliche Grundlage für einen Anspruch auf eine Parteientschädigung gefunden. Es hat auf die Kommentare zu Art. 107 Abs. 2 ZPO verwiesen, wonach das Gericht zwar die Gerichtskosten, die weder eine Partei noch Dritte veranlasst haben, aus Billigkeitsgründen dem Kanton auferlegen kann, nicht hingegen die Parteientschädigung. BGE 140 III 385 S. 389
3.3 Art. 107 Abs. 2 ZPO BGE 140 III 385 S. 389
4. In der Anwendung bzw. Nichtanwendung der massgebenden Bestimmungen der ZPO erblickt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 8 und Art. 9 BV. Seinen Anspruch auf angemessene Parteientschädigung als obsiegende Partei leitet er weiter direkt aus Art. 29 und Art. 30 BV wie auch aus Art. 6 und Art. 14 EMRK ab.
4. Art. 8 und Art. 9 BV Art. 29 und Art. 30 BV Art. 6 und Art. 14 EMRK 4.1 Das Gericht kann gemäss Art. 107 Abs. 2 ZPO Gerichtskosten, die weder eine Partei noch Dritte veranlasst haben, aus Billigkeitsgründen dem Kanton auferlegen. Willkürfrei durfte das Obergericht davon ausgehen, dass Art. 95 Abs. 1 ZPO unter den "Prozesskosten" ("frais"; "spese giudiziarie") begrifflich "Gerichtskosten" ("frais judiciaires"; "spese processuali") und "Parteientschädigung" ("dépens"; "spese ripetibili") klar auseinanderhält und dass im Zweifel auch "Gerichtskosten" gemeint sind, wo das Gesetz wie in Art. 107 Abs. 2 ZPO den Begriff "Gerichtskosten" ("frais judiciaires"; "spese processuali") verwendet. Auch gemäss der zitierten und weiteren Kommentierungen bietet Art. 107 Abs. 2 ZPO keine Grundlage dafür, einen Kanton zur Tragung einer Parteientschädigung zu verpflichten (z.B. TAPPY, in: CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, N. 34 und N. 35, und JENNY, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 26, je zu Art. 107 ZPO ). Weder dargetan noch ersichtlich ist im Übrigen, dass vorliegend ein Tatbestand erfüllt sein könnte, der allenfalls eine Ausnahme rechtfertigte ( BGE 138 III 471 E. 7 S. 483; BGE 139 III 475 E. 2.3 S. 478).
4.1 Art. 107 Abs. 2 ZPO Art. 95 Abs. 1 ZPO Art. 107 Abs. 2 ZPO Art. 107 Abs. 2 ZPO Art. 107 ZPO 4.2 Fragen könnte sich, ob die Erwachsenenschutzbehörde, die eine fürsorgerische Unterbringung anordnet ( Art. 428 ZGB ), im Verfahren vor den gerichtlichen Beschwerdeinstanzen als Partei anzusehen ist, so dass der Kanton nach Art. 106 Abs. 1 ZPO entschädigungspflichtig werden könnte, wonach die Prozesskosten der unterliegenden Partei auferlegt werden (vgl. BGE 139 III 471 E. 3.4 S. 475). Unter Willkürgesichtspunkten muss die Frage - ungeachtet der praktisch vollständig fehlenden Rügen des Beschwerdeführers und der unterbliebenen Prüfung durch das Obergericht - verneint werden. Die Erwachsenenschutzbehörde erhält zwar Gelegenheit zur Vernehmlassung ( Art. 450d Abs. 1 ZGB ), nimmt am Rechtsmittelverfahren aber grundsätzlich nicht teil (Botschaft, BBl, a.a.O., 7086 zu Art. 450d). Sie ist im Verfahren vor den gerichtlichen Beschwerdeinstanzen nicht Partei (STEINAUER/FOUNTOULAKIS, Droit des personnes physiques et de la protection de l'adulte, 2014, S. 505 N. 1131; BGE 140 III 385 S. 390 FRANÇOIS BOHNET, Autorités et procédure en matière de protection de l'adulte, in: Le nouveau droit de la protection de l'adulte, 2012, S. 92 N. 178).
4.2 Art. 428 ZGB Art. 106 Abs. 1 ZPO Art. 450d Abs. 1 ZGB BGE 140 III 385 S. 390
4.3 Die Erwachsenenschutzbehörde und auch die vom Kanton bezeichneten Ärzte und Ärztinnen, die unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls eine fürsorgerische Unterbringung anordnen dürfen ( Art. 429 ZGB ), sind im Verfahren vor den gerichtlichen Beschwerdeinstanzen als verfügende Behörde anzusehen, deren Entschädigungspflicht gegenüber der obsiegenden Partei sich nach dem massgebenden Verfahrensgesetz richtet und hier unter Willkürgesichtspunkten verneint werden muss (anders als zum Beispiel im Kanton Bern: BGE 140 III 167 E. 2.3 S. 169 f.).
4.3 Art. 429 ZGB 5. Insgesamt hat der Bundesgesetzgeber die Regelung betreffend Parteientschädigung den Kantonen überlassen wollen und damit von Kanton zu Kanton unterschiedliche Lösungen bewusst in Kauf genommen (E. 2). Im Kanton Zürich besteht weder im Einführungsgesetz zum Kindes- und Erwachsenenschutzrecht (E. 3) noch im subsidiär anwendbaren kantonalen Recht (E. 4) eine gesetzliche Grundlage für einen Anspruch auf eine Parteientschädigung gegenüber dem Staat im Verfahren vor den gerichtlichen Beschwerdeinstanzen betreffend fürsorgerische Unterbringung. Das angefochtene Urteil hält diesbezüglich der Willkürprüfung stand ( Art. 9 BV ; vgl. zum Begriff: BGE 139 III 334 E. 3.2.5 S. 339). Soweit der Beschwerdeführer seinen Anspruch auf Parteientschädigung aus anderen Bestimmungen der BV oder der EMRK ableiten will, fehlt seiner Beschwerdeschrift jegliche Begründung, so dass darauf nicht eingetreten werden kann. Der Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen kommt bei Verletzung von Grundrechten und von kantonalem Recht nicht zum Tragen ( Art. 106 Abs. 2 BGG ; BGE 133 III 589 E. 2 S. 591; BGE 138 I 225 E. 3.2 S. 228; BGE 139 III 252 E. 1.2 S. 253). Dahingestellt bleiben muss deshalb auch, ob und unter welchen Voraussetzungen sich ein Anspruch auf Parteientschädigung ausnahmsweise unmittelbar aus Art. 5 Ziff. 5 EMRK ergeben könnte (Urteil 5A_215/2012 vom 7. Mai 2012 E. 3.3, in: Freiburger Zeitschrift für Rechtsprechung [FZR] 2012 S. 36).
5. Art. 9 BV Art. 106 Abs. 2 BGG Art. 5 Ziff. 5 EMRK
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Urteilskopf 140 III 391 59. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Zentrale Paritätische Berufskommission Plattenleger gegen A. AG (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_233/2013 vom 24. Juni 2014 Regeste a Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG ; Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung; Effektivklausel in GAV. Begriffe der begrenzten Effektivklausel und der Effektivgarantieklausel. Frage der Zulässigkeit von Effektivklauseln in GAV als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (E. 1.3). Regeste b Art. 357b Abs. 1 OR ; Aktivlegitimation einer paritätischen Berufskommission. Ein GAV kann die Gründung von Vereinen vorsehen, denen die gemeinsame Durchführung nach Art. 357b OR übertragen wird (E. 2). Regeste c Art. 356 Abs. 1 OR ; begrenzte Effektivklausel; Effektivgarantieklausel; Abgrenzung und Zulässigkeit. Abgrenzung einer begrenzten Effektivklausel von einer Effektivgarantieklausel (E. 3). Zulässigkeit einer begrenzten Effektivklausel bejaht (E. 4). Sachverhalt ab Seite 392 BGE 140 III 391 S. 392 A. Mit Entscheid vom 6. Oktober 2008 stellte die Regionale Paritätische Berufskommission Plattenleger, Sektion Zentralschweiz, fest, die A. AG (Beschwerdegegnerin) habe gegen die Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages für das Plattenlegergewerbe der Gebiete Bern, Zentralschweiz, Zürich und Bezirk Baden des Kantons Aargau (nachfolgend: GAV; teilweise allgemein verbindlich erklärt mit Bundesratsbeschluss vom 28. September 2005 [BBl 2005 5999] per 1. November 2005) verstossen. Zu den verletzten Bestimmungen gehöre namentlich der per 1. Oktober 2006 allgemeinverbindlich erklärte BGE 140 III 391 S. 393 Anhang Nr. 1 des GAV, wonach die effektiven Löhne aller der Allgemeinverbindlicherklärung unterstellten Arbeitnehmer bestimmter Kategorien um Fr. 100.- erhöht würden (Bundesratsbeschluss vom 7. September 2006 [BBl 2006 7745]). Der A. AG wurde u.a. eine Konventionalstrafe von Fr. 2'500.- auferlegt, welche die Zentrale Paritätische Berufskommission Plattenleger (Beschwerdeführerin) auf Rekurs der A. AG hin auf Fr. 2'000.- reduzierte. B. Am 22. September 2011 klagte die Zentrale Paritätische Berufskommission Plattenleger beim Kantonsgericht Zug gegen die A. AG auf Zahlung einer Konventionalstrafe von Fr. 2'000.- und von Verfahrenskosten. Mit Entscheid vom 30. April 2012 hiess die Einzelrichterin am Kantonsgericht die Klage teilweise gut. Sie reduzierte die Konventionalstrafe jedoch um Fr. 400.-, da die A. AG nur in vier statt in fünf Punkten den GAV verletzt habe. Sie habe zwar den Lohn zweier Angestellter nicht erhöht, obwohl im Anhang Nr. 1 des GAV per 1. Oktober 2006 eine Erhöhung nicht lediglich der bisherigen Mindestlöhne, sondern der bisherigen effektiv bezahlten Löhne vorgesehen gewesen sei. Diese Klausel stelle jedoch eine unzulässige Effektivgarantieklausel dar. Da die Löhne der zwei Angestellten nach wie vor über den im GAV vorgesehenen (neuen) Mindestlöhnen lägen, sei der GAV in diesem Punkt nicht verletzt worden. Diesen Entscheid bestätigte das Obergericht des Kantons Zug mit Urteil vom 21. März 2013. Es ging ebenfalls von einer unzulässigen Effektivgarantieklausel aus. C. Mit Beschwerde in Zivilsachen und subsidiärer Verfassungsbeschwerde beantragt die Zentrale Paritätische Berufskommission Plattenleger dem Bundesgericht die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und die Verurteilung der A. AG zur Zahlung einer Konventionalstrafe von Fr. 2'000.- und von Verfahrenskosten. Eventualiter sei die Sache zu neuer Beurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. Am 24. Juni 2014 führte das Bundesgericht eine öffentliche Urteilsberatung durch. Es tritt auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde nicht ein, heisst die Beschwerde in Zivilsachen teilweise gut und hebt das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug vom 21. März 2013 auf. Die Sache wird zur Ergänzung des Sachverhalts und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. (Zusammenfassung) BGE 140 III 391 S. 394 Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. (...) 1.3 Bei der zu beurteilenden Streitsache handelt es sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Da nicht eine arbeitsrechtliche Streitigkeit i.S. von Art. 74 Abs. 1 lit. a BGG vorliegt (vgl. Urteil 4A_535/2009 vom 25. März 2010 E. 1.2.1), ist die Beschwerde in Zivilsachen zulässig, sofern der Streitwert mindestens Fr. 30'000.- beträgt ( Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG ). Der Streitwert bestimmt sich nach den Begehren, die vor der Vorinstanz strittig geblieben sind ( Art. 51 Abs. 1 lit. a BGG ; BGE 137 III 47 E. 1). Vorliegend wird der von Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG geforderte Mindestbetrag offensichtlich nicht erreicht. Erreicht der Streitwert den massgebenden Betrag nicht, ist die Beschwerde in Zivilsachen u.a. dennoch zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt ( Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG ). Dies ist der Fall, wenn ein allgemeines und dringendes Interesse besteht, dass eine umstrittene Frage höchstrichterlich geklärt wird, um eine einheitliche Anwendung und Auslegung des Bundesrechts herbeizuführen und damit eine erhebliche Rechtsunsicherheit auszuräumen ( BGE 138 I 232 E. 2.3; BGE 135 III 1 E. 1.3 S. 4, BGE 135 III 397 E. 1.2; BGE 133 III 645 E. 2.4 S. 648 f.). 1.3.1 Nach Ansicht der Beschwerdeführerin hat die Vorinstanz die in zahlreichen Gesamtarbeitsverträgen gleich formulierte Klausel, wonach Lohnerhöhungen auf den effektiven Löhnen zu gewähren seien, zu Unrecht als Effektiv garantie klausel qualifiziert. Es liege vielmehr eine zulässige begrenzte Effektivklausel vor. Die Vorinstanz habe selbst ausgeführt, dass die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu den Effektivklauseln unklar sei. Da potentiell eine grosse Anzahl von Arbeitsverhältnissen betroffen seien, liege eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, die durch das Bundesgericht zu klären sei. 1.3.2 Eine begrenzte Effektivklausel sieht vor, dass eine im GAV vorgesehene Lohnerhöhung auf den bisher effektiv bezahlten Löhnen zu gewähren ist. Im Umfang der Anhebung der Mindestlöhne soll der effektive Lohn angehoben werden (vgl. nur STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Arbeitsvertrag, 7. Aufl. 2012, N. 7 zu Art. 357 OR ). Die Vertragsparteien können den Arbeitsvertrag indessen wieder ändern und den Lohn bis auf den neuen Mindestlohn senken (PORTMANN/STÖCKLI, Schweizerisches Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2013, N. 1128; GEISER/MÜLLER, Arbeitsrecht in der Schweiz, 2. Aufl. 2012, N. 811; VISCHER/ BGE 140 III 391 S. 395 ALBRECHT, Zürcher Kommentar, 4. Aufl. 2006, N. 38 zu Art. 357 OR ). Im Gegensatz dazu will die Effektivgarantieklausel die Erhöhung der effektiven Löhne für die gesamte Dauer des GAV sichern, so dass die neu berechneten Löhne nicht mehr auf den neuen Mindestlohn gesenkt werden dürfen (STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, a.a.O., N. 7 zu Art. 357 OR ; VISCHER/ALBRECHT, a.a.O., N. 40 zu Art. 357 OR ; FRANK VISCHER, Der Arbeitsvertrag, SPR Bd. VII/4, 3. Aufl. 2005, S. 349). 1.3.3 Effektivgarantieklauseln sind nach der ganz herrschenden Lehre unzulässig (so PORTMANN/STÖCKLI, a.a.O., N. 1126; STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, a.a.O., N. 7 zu Art. 357 OR ; GABRIEL AUBERT, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. I, 2. Aufl. 2012, N. 6 zu Art. 357 OR ; GEISER/MÜLLER, a.a.O., N. 811; VISCHER/ALBRECHT, a.a.O., N. 41 zu Art. 357 OR ; MANFRED REHBINDER, Schweizerisches Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2002, N. 543; VISCHER, a.a.O., S. 349; MATTHÄUS JAN DEN OTTER, Das kollektive Arbeitsrecht im schweizerischen Bankwesen, 1986, S. 115; ROLF BÄNZIGER, Die Effektivklausel im Gesamtarbeitsvertrag, 1981, S. 36 ff., 124; OTTO ARREGGER, Die normativen Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages und ihr Verhältnis zum Einzelarbeitsvertrag, 1974, S. 70 ff.; differenzierend JEAN-FRITZ STÖCKLI, Berner Kommentar, 1999, N. 50 zu Art. 357 OR ). Auch die begrenzten Effektivklauseln sind umstritten (für Zulässigkeit PORTMANN/STÖCKLI, a.a.O., N. 1127 f.; STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, a.a.O., N. 7 zu Art. 357 OR ; AUBERT, a.a.O., N. 6 zu Art. 357 OR ; GEISER/MÜLLER, a.a.O., N. 811; VISCHER, a.a.O., S. 348; DEN OTTER, a.a.O., S. 115 ff.; für Ungültigkeit REHBINDER, a.a.O., N. 543; BÄNZIGER, a.a.O., S. 124 ff.; ARREGGER, a.a.O., S. 77 ff.; anders als in der Vorauflage auch VISCHER/ALBRECHT, a.a.O., N. 38 zu Art. 357 OR ; für dispositive Wirkung STÖCKLI, a.a.O., N. 49 zu Art. 357 OR ). Unklar ist gemäss der Lehre die Haltung des Bundesgerichts (vgl. VISCHER/ALBRECHT, a.a.O., N. 38 und 41 zu Art. 357 OR ; vgl. auch STÖCKLI, a.a.O., N. 49 f. zu Art. 357 OR ). 1.3.4 Tatsächlich hat sich das Bundesgericht bis anhin nicht ausdrücklich zur Zulässigkeit der Effektivklauseln geäussert. In BGE 96 I 433 E. 5a S. 436, der in der Lehre hauptsächlich zitiert wird, hat das Bundesgericht einer Bestimmung eines GAV, wonach bei der Berechnung der Gehaltserhöhungen vom effektiven Lohn auszugehen sei, normative Wirkung zugestanden. Mit der Zulässigkeit einer solchen Klausel setzte es sich indessen nicht auseinander. In BGE 101 Ia 463 E. 2 S. 466, der in der Lehre ebenfalls zitiert wird, führte das BGE 140 III 391 S. 396 Bundesgericht aus, dass das Vorgehen des Arbeitgebers praktisch auf eine Gesetzesumgehung hinausliefe, wenn er den Grundlohn kürzen dürfte, bevor er die im GAV vorgesehene Lohnerhöhung gewähre. Aus diesem obiter dictum (so auch BGE 104 II 204 E. 3b S. 207) lässt sich hinsichtlich der Zulässigkeit von Effektivklauseln nichts ableiten. Auch im Urteil P.655/1977 vom 11. Juli 1977 i.S. Haefeli wird in E. 2 lediglich beschreibend festgehalten, Vereinbarungen über die Erhöhung von effektiv ausbezahlten Löhnen wirkten normativ. Im jüngsten BGE 104 II 204 wird ausdrücklich offengelassen, ob Effektivklauseln zulässig sind, dies unter Verweis auf eine Lehrmeinung, die sich sowohl gegen die Zulässigkeit der Effektivgarantieklausel als auch gegen die Zulässigkeit der begrenzten Effektivklausel ausgesprochen hat (E. 3c S. 207 mit Verweis auf ARREGGER, a.a.O., insb. S. 67 ff.). 1.3.5 Aus dem Gesagten ergibt sich, dass beide in Frage stehenden Effektivklauseln in der Lehre umstritten sind und die Rechtsprechung sich bis anhin nicht ausführlich mit deren Zulässigkeit befasst hat. Vor diesem Hintergrund ist ein Klärungsbedürfnis und damit das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu bejahen. Die Beschwerde in Zivilsachen erweist sich damit gestützt auf Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG als zulässig. Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist demnach nicht einzutreten ( Art. 113 BGG ). 2. Die Beschwerdegegnerin bestreitet die Aktivlegitimation der Beschwerdeführerin. 2.1 Nach Art. 357b Abs. 1 OR können die Vertragsparteien eines GAV vereinbaren, dass ihnen gemeinsam ein Anspruch auf Einhaltung des Vertrages gegenüber den beteiligten Arbeitgebern und Arbeitnehmern zusteht. Eine solche Vereinbarung ist möglich, soweit es sich um folgende Gegenstände handelt: Abschluss, Inhalt und Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wobei der Anspruch nur auf Feststellung geht (lit. a), Beiträge an Ausgleichskassen und andere das Arbeitsverhältnis betreffende Einrichtungen, Vertretung der Arbeitnehmer in den Betrieben und Wahrung des Arbeitsfriedens (lit. b) sowie Kontrolle, Kautionen und Konventionalstrafen in Bezug auf Bestimmungen gemäss lit. a und b (lit. c). Ein GAV kann die Gründung von Vereinen vorsehen, denen die gemeinsame Durchführung nach Art. 357b OR übertragen wird ( BGE 134 III 541 E. 4 S. 544 ff.). Das Bundesgericht hat der Ansicht, diesfalls seien trotzdem die Vertragsparteien und nicht die als Verein BGE 140 III 391 S. 397 organisierte paritätische Berufskommission aktivlegitimiert, bereits eine Absage erteilt ( BGE 134 III 541 E. 4 S. 544 ff.). Der Umfang der Aktivlegitimation richtet sich nach den der Beschwerdeführerin im GAV zugewiesenen Kompetenzen ( BGE 137 III 556 E. 4.5 S. 560). Es können somit in einem GAV die Grundlagen dafür geschaffen werden, dass eine paritätische Berufskommission in eigenem Namen den Anspruch auf eine Konventionalstrafe (auch) vor Gericht einfordern kann (soweit aus BGE 137 III 556 E. 4.5 Satz 2 gefolgert werden wollte, diese Frage sei noch offen, trifft dies nicht zu; in diesem Sinn auch THOMAS KOLLER, Die arbeitsrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2011, ZBJV 149/2013 S. 726). 2.2 Der Beschwerdeführerin wurde in Art. 2.3 GAV die gemeinsame Durchführung nach Art. 357b OR übertragen. Nach Art. 3.1.4 GAV können die Regionale Paritätische Berufskommission und die Beschwerdeführerin Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die gesamtarbeitsvertragliche Verpflichtungen verletzen, mit einer Konventionalstrafe belegen, die innert Monatsfrist seit Zustellung des Entscheides zu überweisen ist. Ebenfalls auferlegt werden können ihnen nach Art. 3.1.5 GAV und Art. 3.1.6 GAV Kontroll- und Verfahrenskosten. Zu den Kompetenzen der Beschwerdeführerin gehören nach Art. 3.1.3 Ziff. 3 GAV die Fällung und der Einzug von Konventionalstrafen sowie die Überwälzung angefallener Kontroll- und Verfahrenskosten. Alle diese Bestimmungen wurden allgemeinverbindlich erklärt und sind auch sowohl in der ab 1. Januar 2010 gültigen Version des GAV (vgl. Bundesratsbeschluss vom 20. November 2009 über die Allgemeinverbindlicherklärung des Gesamtarbeitsvertrages für das Plattenlegergewerbe der Gebiete Bern, Zentralschweiz, Zürich und Bezirk Baden des Kantons Aargau [BBl 2009 8473]) als auch in der ab 1. Oktober 2013 gültigen Version des GAV enthalten (vgl. Bundesratsbeschluss vom 22. August 2013 über die Allgemeinverbindlicherklärung des Gesamtarbeitsvertrages für das Plattenlegergewerbe in den Kantonen Aargau, Bern, Glarus, Luzern, Nidwalden, Obwalden, Schwyz, Solothurn, Uri, Zug und Zürich [BBl 2013 7157]). Es stellt sich die Frage, ob der Einzug von Konventionalstrafen und die Überwälzung von Verfahrenskosten nach Art. 3.1.3 Ziff. 3 GAV auch gerichtliche Schritte umfasst. 2.3 Schuldrechtliche Bestimmungen, welche wie hier die Rechte und Pflichten der Tarifpartner unter sich regeln, sind gemäss den Grundsätzen über die Auslegung von Verträgen zu interpretieren (BGE 127 BGE 140 III 391 S. 398 III 318 E. 2a S. 322). Entscheidend ist demnach in erster Linie der übereinstimmende wirkliche Wille der Vertragsparteien und in zweiter Linie, falls ein solcher nicht festgestellt werden kann, die Auslegung der Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips ( BGE 138 III 659 E. 4.2.1 S. 666 mit Hinweisen). Dabei ist vom Wortlaut der Erklärungen auszugehen, welche jedoch nicht isoliert, sondern aus ihrem konkreten Sinngefüge heraus zu beurteilen sind ( BGE 138 III 659 E. 4.2.1 S. 666; BGE 123 III 165 E. 3a S. 168). Demnach ist der vom Erklärenden verfolgte Regelungszweck, wie ihn der Erklärungsempfänger in guten Treuen verstehen durfte und musste, massgebend ( BGE 138 III 659 E. 4.2.1 S. 666; BGE 132 III 24 E. 4 S. 28). Die Vorinstanz hat keine Feststellungen zum tatsächlichen Willen der Vertragsparteien des GAV, die nicht Parteien des vorliegenden Verfahrens sind, getroffen. Da somit der tatsächliche übereinstimmende Wille der Vertragsparteien nicht festgestellt wurde, sind die Bestimmungen des GAV nach dem Vertrauensprinzip auszulegen. Die Beschwerdeführerin wurde sowohl mit der Fällung als auch mit dem Einzug von Konventionalstrafen betraut. Ein "Einzug" umfasst, sofern die Schuldnerin nicht bezahlt, auch die gerichtliche Geltendmachung der Konventionalstrafe. Auch eine "Überwälzung" von Verfahrenskosten darf in guten Treuen so verstanden werden, dass zu diesem Zweck gerichtliche Schritte möglich sind. Nach dem Wortlaut wurde die Beschwerdeführerin somit im GAV damit betraut, Gerichtsverfahren wie das vorliegende zu führen. Dieses Auslegungsergebnis wird bestätigt durch den Regelungszweck, wie er in guten Treuen verstanden werden muss. Die Parteien des GAV haben die Kompetenzen zum Einzug von Konventionalstrafen und zur Überwälzung der Verfahrenskosten der Beschwerdeführerin übertragen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie damit verbundene Gerichtsverfahren selbst führen wollten. Daraus ergibt sich insgesamt, dass die Aktivlegitimation der Beschwerdeführerin zu bejahen ist. 2.4 Dem gerichtlichen Vorgehen der Beschwerdeführerin stehen im Übrigen auch deren Vereinsstatuten nicht entgegen. Soweit gerichtliche Schritte nicht ohnehin vom Vereinszweck (vgl. nicht publ. E. 1.2) gedeckt sind, gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts, dass die Aufgaben einer paritätischen Berufskommission auch die Erhebung gerichtlicher Klagen beinhalten und dass diese Kompetenz nicht ausdrücklich in den Statuten eingeräumt werden muss ( BGE 134 III 541 E. 5 S. 547). BGE 140 III 391 S. 399 3. Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe die im GAV enthaltene Klausel zu Unrecht als (unzulässige) Effektiv garantie klausel qualifiziert. Es liege vielmehr eine begrenzte Effektivklausel vor. Die Beschwerdegegnerin teilt diese Auffassung. 3.1 Der per 1. Oktober 2006 allgemeinverbindlich erklärte Anhang Nr. 1 des GAV sieht vor, die effektiven Löhne aller der Allgemeinverbindlicherklärung unterstellten Arbeitnehmer in den vorliegend massgebenden Kategorien würden generell um Fr. 100.- erhöht. Der Bundesratsbeschluss über die Allgemeinverbindlicherklärung dieser geänderten Bestimmung enthält eine Übergangsbestimmung, wonach Arbeitgeber, die ihren Arbeitnehmern seit dem 1. April 2006 eine allgemeine Lohnerhöhung gewährt hätten, diese an die Lohnerhöhung anrechnen können. Die Vorinstanz hat aus dieser Übergangsbestimmung auf das Vorliegen einer Effektivgarantieklausel geschlossen. 3.2 Für die Qualifikation der Klausel zentral ist die Unterscheidung zwischen Mindestlohn und übertariflichem Lohn. Als übertariflicher Lohn wird die Differenz zwischen dem effektiven Lohn und dem Mindestlohn bezeichnet. Gemeinsamer Zweck beider Effektivklauseln ist es, den Mindestlohn aller dem GAV unterstellten Arbeitnehmer zu erhöhen, ohne dabei den übertariflichen Lohn zu verändern. Wer bisher einzig Anspruch auf den Mindestlohn hatte, soll nach der Lohnerhöhung den neuen höheren Mindestlohn ausbezahlt erhalten. Wer hingegen einen übertariflichen Lohn mit seinem Arbeitgeber vereinbart hatte, soll den bisherigen Anteil des übertariflichen Lohns weiterhin zusätzlich zum neuen höheren Mindestlohn ausbezahlt erhalten. Dieses Resultat können die Parteien des Einzelarbeitsvertrags bei Vorliegen einer begrenzten Effektivklausel jederzeit einvernehmlich korrigieren. Soll der Lohn insgesamt unverändert bleiben, so können sie somit im Umfang der Erhöhung des Mindestlohns den übertariflichen Lohn herabsetzen. Möglich ist auch eine entsprechende einseitige Abänderung durch den Arbeitgeber mittels einer Änderungskündigung. Demgegenüber verbietet die Effektiv garantie klausel den Parteien, den übertariflichen Lohn zu senken. Dieses Verbot erfasst nicht nur die Senkung im Umfang der Lohnerhöhung bei deren Inkrafttreten, sondern jegliche Senkung des (im Zeitpunkt des Inkrafttretens bestehenden) übertariflichen Lohns während der gesamten Dauer des GAV. BGE 140 III 391 S. 400 3.3 Die Lohnautonomie im übertariflichen Bereich stellt eine grundlegende Basis des Arbeitsrechts dar (STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, a.a.O., N. 7 zu Art. 357 OR ). Während ein Mindestlohn durch den GAV festgelegt werden kann, bleibt die allfällige Vereinbarung eines übertariflichen Lohns grundsätzlich den Parteien des Einzelarbeitsvertrags vorbehalten. Es ist daher vom Grundsatz auszugehen, dass diese einen vereinbarten übertariflichen Lohn auch jederzeit abändern können. Sollten die Tarifpartner ausnahmsweise von diesem Grundsatz abweichen wollen, so müsste dies im GAV vorgesehen werden. Für die Qualifikation von Effektivklauseln bedeutet dies Folgendes: Sowohl die begrenzte Effektivklausel als auch die Effektivgarantieklausel sehen eine Erhöhung der effektiven Löhne vor. Soll zusätzlich die Autonomie der Parteien des Einzelarbeitsvertrags durch ein Verbot eingeschränkt werden, den bestehenden übertariflichen Lohn während der Dauer des GAV zu senken, so muss dies aus der GAV-Klausel hervorgehen. Denn im Zweifel ist von der Geltung des Grundsatzes (Privatautonomie im übertariflichen Bereich) auszugehen und nicht von einer Ausnahme (Eingriff in diese Privatautonomie). Wird im GAV ein Verbot der Senkung des übertariflichen Lohns vorgesehen, liegt eine Effektivgarantieklausel vor. Lässt sich der GAV-Klausel kein solches Verbot entnehmen, gilt der Grundsatz der Privatautonomie, womit eine begrenzte Effektivklausel vorliegt. 3.4 Der geänderten Bestimmung des Anhangs Nr. 1 des GAV lässt sich nichts entnehmen, was auf eine Sicherung der Erhöhung der effektiven Löhne für die gesamte Dauer des GAV schliessen liesse. Es wird einzig festgehalten, dass die generelle Erhöhung um Fr. 100.- pro Monat auf den effektiven Löhnen zu leisten sei, mithin auch auf Löhnen, die aufgrund einer übertariflichen Lohnkomponente insgesamt bereits höher sind als der neue Mindestlohn. Auf diesen Löhnen wäre ohne eine solche Klausel eine Lohnerhöhung gar nicht erst geschuldet. Die Klausel bewirkt somit, dass die Parteien des Einzelarbeitsvertrags tätig werden müssen, wenn der bisherige Lohn beibehalten werden soll. Ein solches Tätigwerden in Form einer Senkung des übertariflichen Lohns anlässlich der Lohnerhöhung oder auch zu einem späteren Zeitpunkt schliesst die Bestimmung nicht aus. Auch die vom Bundesrat vorgesehene Übergangsregelung macht die Klausel nicht zu einer Effektivgarantieklausel. Eine Herabsetzung übertariflicher Löhne, die vor dem 1. April 2006 vereinbart worden sind, wird dadurch in keiner Weise ausgeschlossen. Zudem ist diese Regelung nicht Teil der geänderten GAV-Bestimmungen im BGE 140 III 391 S. 401 Anhang Nr. 1 und daher für die Frage der Qualifikation der GAV-Klausel ohnehin nicht relevant. 3.5 Bei der GAV-Klausel, wonach die effektiven Löhne generell um Fr. 100.- erhöht werden sollen, handelt es sich nach dem Gesagten nicht um eine Effektivgarantieklausel, sondern um eine begrenzte Effektivklausel. 4. Nachdem die im geänderten Anhang Nr. 1 des GAV enthaltene Klausel als begrenzte Effektivklausel qualifiziert wurde, ist zu prüfen, ob eine solche zulässig ist. 4.1 Voraussetzung für die Zulässigkeit einer GAV-Klausel ist, dass die Tarifpartner die Grenzen ihrer Regelungsbefugnis einhalten. Nicht zulässig sind demnach Bestimmungen in Bereichen, die der Privatautonomie der Parteien des Einzelarbeitsvertrags vorbehalten sind. 4.1.1 In der Lehre wird geltend gemacht, die begrenzte Effektivklausel greife unzulässig in die Privatautonomie ein (VISCHER/ALBRECHT, a.a.O., N. 38 i.V.m. N. 37 zu Art. 357 OR ; REHBINDER, a.a.O., N. 543; ARREGGER, a.a.O., S. 77 f.; BÄNZIGER, a.a.O., S. 134). Mit der begrenzten Effektivklausel werde ein Anspruch auf Erhöhung des Effektivlohns eingeräumt, obwohl individualrechtlich kein solcher bestehe (BÄNZIGER, a.a.O., S. 128). Die Tarifpartner könnten aber nicht die Bezahlung über- oder aussertariflicher Löhne anordnen, ohne sie zum Tariflohn zu machen (BÄNZIGER, a.a.O., S. 126). 4.1.2 Durch den Gesamtarbeitsvertrag stellen Arbeitgeber oder deren Verbände und Arbeitnehmerverbände gemeinsam Bestimmungen über Abschluss, Inhalt und Beendigung der einzelnen Arbeitsverhältnisse der beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf ( Art. 356 Abs. 1 OR ). Zum Inhalt, der durch die Tarifpartner geregelt werden darf, gehören auch bestimmte Lohnvorschriften. So ist unbestritten, dass in einem GAV Mindestlöhne oder 13. Monatslöhne vorgeschrieben werden können (vgl. nur STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, a.a.O., N. 8 zu Art. 356 OR ; REHBINDER, a.a.O., N. 531). Auch diese Bestimmungen stellen einen Eingriff in die Privatautonomie dar. Solche Eingriffe sind jedoch nicht per se unzulässig. Die Regelungsbefugnis der Tarifpartner endet (erst) dort, wo übermässig in die Freiheit der Einzelvereinbarung im übertariflichen Bereich eingegriffen würde (PORTMANN/STÖCKLI, a.a.O., N. 1124; GEISER/MÜLLER, a.a.O., N. 811). 4.1.3 Die begrenzte Effektivklausel führt theoretisch nur zu einer Erhöhung des Mindestlohns und greift gerade nicht in den BGE 140 III 391 S. 402 übertariflichen Lohn ein, da dieser unverändert bestehen bleibt. Es trifft aber zu, dass sich dadurch die Lohnsumme insgesamt erhöht und dass der Arbeitgeber möglicherweise nicht bereit gewesen wäre, diesen insgesamt höheren Lohn bzw. zum neuen höheren Mindestlohn zusätzlich übertariflichen Lohn in derselben Höhe auszuzahlen. Es ist daher von einem Eingriff in die Privatautonomie auszugehen. Die Regelungsbefugnis der Tarifpartner ist indessen nur zu verneinen, wenn dieser Eingriff als übermässig zu qualifizieren ist. Vorab ist zu berücksichtigen, dass es den Parteien des Einzelarbeitsvertrags unbenommen bleibt, im Einvernehmen den übertariflichen Lohn jederzeit zu senken oder ganz zu streichen (so auch DEN OTTER, a.a.O., S. 115). Damit können sie die durch die begrenzte Effektivklausel angeordnete allgemeine Lohnerhöhung kompensieren. Stimmen Arbeitnehmer und Arbeitgeber darin überein, dass weiterhin der bisherige Lohn gelten soll, so beschränkt sich der Eingriff in die Privatautonomie somit darauf, dass die Parteien eine Vereinbarung über die Herabsetzung des übertariflichen Lohns treffen müssen. Weitergehende Auswirkungen hat die begrenzte Effektivklausel dann, wenn der Arbeitnehmer mit einer Herabsetzung des übertariflichen Lohns nicht einverstanden ist. Diesfalls ist der Arbeitgeber auf den Weg über die Änderungskündigung verwiesen. Zu berücksichtigen ist weiter, dass die begrenzte Effektivklausel einen Eingriff von ähnlicher Intensität darstellt wie etwa die unbestrittenermassen zulässigen GAV-Bestimmungen, die Arbeitnehmer hätten Anspruch auf einen 13. Monatslohn oder auf bezahlte Ferientage. Die Anordnung der Zahlung eines 13. Monatslohns oder weiterer bezahlter Ferientage geht sogar noch weiter. Während die begrenzte Effektivklausel unabhängig vom effektiven Lohn allen Arbeitnehmern eine Lohnerhöhung um einen bestimmten Betrag gewährt, ordnen die Tarifpartner mit der Einräumung eines Anspruchs auf einen 13. Monatslohn nicht nur eine 13. Zahlung des betragsmässig bestimmten Mindestlohns an, sondern sogar auch eine 13. Zahlung des übertariflichen Lohns, den die Tarifpartner nicht kennen. Dasselbe gilt für Ferientage, die nicht nur mit dem Mindestlohn, sondern auch mit dem vereinbarten Anteil des übertariflichen Lohns abgegolten werden müssen. Nach dem Vergleich mit diesen (zulässigen) Regelungen erscheint auch die Anordnung einer allgemeinen Lohnerhöhung nicht als unzulässiger Eingriff in die Privatautonomie (so auch GEISER/MÜLLER, a.a.O., N. 811; implizit auch STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, BGE 140 III 391 S. 403 a.a.O., N. 7 zu Art. 357 OR ). Die Tarifpartner sind somit grundsätzlich befugt, im GAV anzuordnen, die vereinbarte Lohnerhöhung sei auf den effektiven Löhnen zu leisten. 4.2 Kritisiert wird weiter, die begrenzte Effektivklausel verletze das Gleichbehandlungsgebot, weil individuelle Lohnunterschiede perpetuiert würden (VISCHER/ALBRECHT, a.a.O., N. 38 i.V.m. N. 37 zu Art. 357 OR ; REHBINDER, a.a.O., N. 543; ARREGGER, a.a.O., S. 77; BÄNZIGER, a.a.O., S. 135). Eine Gleichbehandlung setzt indessen gleiche Umstände voraus (vgl. Urteil 4A_356/2011 vom 9. November 2011 E. 9.7). Solche gleichen Umstände liegen bei Arbeitnehmern, die einen einzelarbeitsvertraglichen Anspruch auf übertariflichen Lohn haben, und Arbeitnehmern, die keinen solchen Anspruch haben und einzig den Mindestlohn bezahlt erhalten, gerade nicht vor. Die begrenzte Effektivklausel führt nur dazu, dass Arbeitnehmer mit einem einzelvertraglichen Anspruch auf übertariflichen Lohn, die bereits vor der Änderung des GAV mehr verdienten als die anderen Arbeitnehmer, auch weiterhin Anspruch auf mehr Lohn haben als diese. Der Zweck der begrenzten Effektivklausel besteht somit darin, dass sämtliche Arbeitnehmer unabhängig von ihrem bisherigen Lohn in den Genuss der zwischen den Tarifpartnern ausgehandelten Lohnerhöhung kommen (vgl. E. 3.3). Dies verletzt das Gleichbehandlungsgebot nicht. 4.3 Aus dem Gesagten ergibt sich, dass keine Gründe dafür bestehen, eine von den Tarifpartnern vereinbarte begrenzte Effektivklausel für unzulässig zu erklären.
Urteilskopf
59. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Zentrale Paritätische Berufskommission Plattenleger gegen A. AG (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_233/2013 vom 24. Juni 2014
Regeste a Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG ; Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung; Effektivklausel in GAV. Begriffe der begrenzten Effektivklausel und der Effektivgarantieklausel. Frage der Zulässigkeit von Effektivklauseln in GAV als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (E. 1.3).
Regeste a
Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG ; Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung; Effektivklausel in GAV. Begriffe der begrenzten Effektivklausel und der Effektivgarantieklausel. Frage der Zulässigkeit von Effektivklauseln in GAV als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (E. 1.3).
Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG Begriffe der begrenzten Effektivklausel und der Effektivgarantieklausel. Frage der Zulässigkeit von Effektivklauseln in GAV als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (E. 1.3).
Regeste b Art. 357b Abs. 1 OR ; Aktivlegitimation einer paritätischen Berufskommission. Ein GAV kann die Gründung von Vereinen vorsehen, denen die gemeinsame Durchführung nach Art. 357b OR übertragen wird (E. 2).
Regeste b
Art. 357b Abs. 1 OR ; Aktivlegitimation einer paritätischen Berufskommission. Ein GAV kann die Gründung von Vereinen vorsehen, denen die gemeinsame Durchführung nach Art. 357b OR übertragen wird (E. 2).
Art. 357b Abs. 1 OR Ein GAV kann die Gründung von Vereinen vorsehen, denen die gemeinsame Durchführung nach Art. 357b OR übertragen wird (E. 2).
Art. 357b OR Regeste c Art. 356 Abs. 1 OR ; begrenzte Effektivklausel; Effektivgarantieklausel; Abgrenzung und Zulässigkeit. Abgrenzung einer begrenzten Effektivklausel von einer Effektivgarantieklausel (E. 3). Zulässigkeit einer begrenzten Effektivklausel bejaht (E. 4).
Regeste c
Art. 356 Abs. 1 OR ; begrenzte Effektivklausel; Effektivgarantieklausel; Abgrenzung und Zulässigkeit. Abgrenzung einer begrenzten Effektivklausel von einer Effektivgarantieklausel (E. 3). Zulässigkeit einer begrenzten Effektivklausel bejaht (E. 4).
Art. 356 Abs. 1 OR Abgrenzung einer begrenzten Effektivklausel von einer Effektivgarantieklausel (E. 3). Zulässigkeit einer begrenzten Effektivklausel bejaht (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 392
Sachverhalt ab Seite 392 BGE 140 III 391 S. 392
BGE 140 III 391 S. 392
A. Mit Entscheid vom 6. Oktober 2008 stellte die Regionale Paritätische Berufskommission Plattenleger, Sektion Zentralschweiz, fest, die A. AG (Beschwerdegegnerin) habe gegen die Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages für das Plattenlegergewerbe der Gebiete Bern, Zentralschweiz, Zürich und Bezirk Baden des Kantons Aargau (nachfolgend: GAV; teilweise allgemein verbindlich erklärt mit Bundesratsbeschluss vom 28. September 2005 [BBl 2005 5999] per 1. November 2005) verstossen. Zu den verletzten Bestimmungen gehöre namentlich der per 1. Oktober 2006 allgemeinverbindlich erklärte BGE 140 III 391 S. 393 Anhang Nr. 1 des GAV, wonach die effektiven Löhne aller der Allgemeinverbindlicherklärung unterstellten Arbeitnehmer bestimmter Kategorien um Fr. 100.- erhöht würden (Bundesratsbeschluss vom 7. September 2006 [BBl 2006 7745]). Der A. AG wurde u.a. eine Konventionalstrafe von Fr. 2'500.- auferlegt, welche die Zentrale Paritätische Berufskommission Plattenleger (Beschwerdeführerin) auf Rekurs der A. AG hin auf Fr. 2'000.- reduzierte.
A. BGE 140 III 391 S. 393
B. Am 22. September 2011 klagte die Zentrale Paritätische Berufskommission Plattenleger beim Kantonsgericht Zug gegen die A. AG auf Zahlung einer Konventionalstrafe von Fr. 2'000.- und von Verfahrenskosten.
B. Mit Entscheid vom 30. April 2012 hiess die Einzelrichterin am Kantonsgericht die Klage teilweise gut. Sie reduzierte die Konventionalstrafe jedoch um Fr. 400.-, da die A. AG nur in vier statt in fünf Punkten den GAV verletzt habe. Sie habe zwar den Lohn zweier Angestellter nicht erhöht, obwohl im Anhang Nr. 1 des GAV per 1. Oktober 2006 eine Erhöhung nicht lediglich der bisherigen Mindestlöhne, sondern der bisherigen effektiv bezahlten Löhne vorgesehen gewesen sei. Diese Klausel stelle jedoch eine unzulässige Effektivgarantieklausel dar. Da die Löhne der zwei Angestellten nach wie vor über den im GAV vorgesehenen (neuen) Mindestlöhnen lägen, sei der GAV in diesem Punkt nicht verletzt worden.
Diesen Entscheid bestätigte das Obergericht des Kantons Zug mit Urteil vom 21. März 2013. Es ging ebenfalls von einer unzulässigen Effektivgarantieklausel aus.
C. Mit Beschwerde in Zivilsachen und subsidiärer Verfassungsbeschwerde beantragt die Zentrale Paritätische Berufskommission Plattenleger dem Bundesgericht die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und die Verurteilung der A. AG zur Zahlung einer Konventionalstrafe von Fr. 2'000.- und von Verfahrenskosten. Eventualiter sei die Sache zu neuer Beurteilung an das Obergericht zurückzuweisen.
C. Am 24. Juni 2014 führte das Bundesgericht eine öffentliche Urteilsberatung durch. Es tritt auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde nicht ein, heisst die Beschwerde in Zivilsachen teilweise gut und hebt das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug vom 21. März 2013 auf. Die Sache wird zur Ergänzung des Sachverhalts und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
(Zusammenfassung) BGE 140 III 391 S. 394
BGE 140 III 391 S. 394
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
1. (...)
1. 1.3 Bei der zu beurteilenden Streitsache handelt es sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Da nicht eine arbeitsrechtliche Streitigkeit i.S. von Art. 74 Abs. 1 lit. a BGG vorliegt (vgl. Urteil 4A_535/2009 vom 25. März 2010 E. 1.2.1), ist die Beschwerde in Zivilsachen zulässig, sofern der Streitwert mindestens Fr. 30'000.- beträgt ( Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG ). Der Streitwert bestimmt sich nach den Begehren, die vor der Vorinstanz strittig geblieben sind ( Art. 51 Abs. 1 lit. a BGG ; BGE 137 III 47 E. 1). Vorliegend wird der von Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG geforderte Mindestbetrag offensichtlich nicht erreicht.
1.3 Art. 74 Abs. 1 lit. a BGG Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG Art. 51 Abs. 1 lit. a BGG Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG Erreicht der Streitwert den massgebenden Betrag nicht, ist die Beschwerde in Zivilsachen u.a. dennoch zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt ( Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG ). Dies ist der Fall, wenn ein allgemeines und dringendes Interesse besteht, dass eine umstrittene Frage höchstrichterlich geklärt wird, um eine einheitliche Anwendung und Auslegung des Bundesrechts herbeizuführen und damit eine erhebliche Rechtsunsicherheit auszuräumen ( BGE 138 I 232 E. 2.3; BGE 135 III 1 E. 1.3 S. 4, BGE 135 III 397 E. 1.2; BGE 133 III 645 E. 2.4 S. 648 f.).
Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG 1.3.1 Nach Ansicht der Beschwerdeführerin hat die Vorinstanz die in zahlreichen Gesamtarbeitsverträgen gleich formulierte Klausel, wonach Lohnerhöhungen auf den effektiven Löhnen zu gewähren seien, zu Unrecht als Effektiv garantie klausel qualifiziert. Es liege vielmehr eine zulässige begrenzte Effektivklausel vor. Die Vorinstanz habe selbst ausgeführt, dass die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu den Effektivklauseln unklar sei. Da potentiell eine grosse Anzahl von Arbeitsverhältnissen betroffen seien, liege eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, die durch das Bundesgericht zu klären sei.
1.3.1 1.3.2 Eine begrenzte Effektivklausel sieht vor, dass eine im GAV vorgesehene Lohnerhöhung auf den bisher effektiv bezahlten Löhnen zu gewähren ist. Im Umfang der Anhebung der Mindestlöhne soll der effektive Lohn angehoben werden (vgl. nur STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Arbeitsvertrag, 7. Aufl. 2012, N. 7 zu Art. 357 OR ). Die Vertragsparteien können den Arbeitsvertrag indessen wieder ändern und den Lohn bis auf den neuen Mindestlohn senken (PORTMANN/STÖCKLI, Schweizerisches Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2013, N. 1128; GEISER/MÜLLER, Arbeitsrecht in der Schweiz, 2. Aufl. 2012, N. 811; VISCHER/ BGE 140 III 391 S. 395 ALBRECHT, Zürcher Kommentar, 4. Aufl. 2006, N. 38 zu Art. 357 OR ). Im Gegensatz dazu will die Effektivgarantieklausel die Erhöhung der effektiven Löhne für die gesamte Dauer des GAV sichern, so dass die neu berechneten Löhne nicht mehr auf den neuen Mindestlohn gesenkt werden dürfen (STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, a.a.O., N. 7 zu Art. 357 OR ; VISCHER/ALBRECHT, a.a.O., N. 40 zu Art. 357 OR ; FRANK VISCHER, Der Arbeitsvertrag, SPR Bd. VII/4, 3. Aufl. 2005, S. 349).
1.3.2 Art. 357 OR BGE 140 III 391 S. 395
Art. 357 OR Art. 357 OR Art. 357 OR 1.3.3 Effektivgarantieklauseln sind nach der ganz herrschenden Lehre unzulässig (so PORTMANN/STÖCKLI, a.a.O., N. 1126; STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, a.a.O., N. 7 zu Art. 357 OR ; GABRIEL AUBERT, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. I, 2. Aufl. 2012, N. 6 zu Art. 357 OR ; GEISER/MÜLLER, a.a.O., N. 811; VISCHER/ALBRECHT, a.a.O., N. 41 zu Art. 357 OR ; MANFRED REHBINDER, Schweizerisches Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2002, N. 543; VISCHER, a.a.O., S. 349; MATTHÄUS JAN DEN OTTER, Das kollektive Arbeitsrecht im schweizerischen Bankwesen, 1986, S. 115; ROLF BÄNZIGER, Die Effektivklausel im Gesamtarbeitsvertrag, 1981, S. 36 ff., 124; OTTO ARREGGER, Die normativen Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages und ihr Verhältnis zum Einzelarbeitsvertrag, 1974, S. 70 ff.; differenzierend JEAN-FRITZ STÖCKLI, Berner Kommentar, 1999, N. 50 zu Art. 357 OR ).
1.3.3 Art. 357 OR Art. 357 OR Art. 357 OR Art. 357 OR Auch die begrenzten Effektivklauseln sind umstritten (für Zulässigkeit PORTMANN/STÖCKLI, a.a.O., N. 1127 f.; STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, a.a.O., N. 7 zu Art. 357 OR ; AUBERT, a.a.O., N. 6 zu Art. 357 OR ; GEISER/MÜLLER, a.a.O., N. 811; VISCHER, a.a.O., S. 348; DEN OTTER, a.a.O., S. 115 ff.; für Ungültigkeit REHBINDER, a.a.O., N. 543; BÄNZIGER, a.a.O., S. 124 ff.; ARREGGER, a.a.O., S. 77 ff.; anders als in der Vorauflage auch VISCHER/ALBRECHT, a.a.O., N. 38 zu Art. 357 OR ; für dispositive Wirkung STÖCKLI, a.a.O., N. 49 zu Art. 357 OR ).
Art. 357 OR Art. 357 OR Art. 357 OR Art. 357 OR Unklar ist gemäss der Lehre die Haltung des Bundesgerichts (vgl. VISCHER/ALBRECHT, a.a.O., N. 38 und 41 zu Art. 357 OR ; vgl. auch STÖCKLI, a.a.O., N. 49 f. zu Art. 357 OR ).
Art. 357 OR Art. 357 OR 1.3.4 Tatsächlich hat sich das Bundesgericht bis anhin nicht ausdrücklich zur Zulässigkeit der Effektivklauseln geäussert. In BGE 96 I 433 E. 5a S. 436, der in der Lehre hauptsächlich zitiert wird, hat das Bundesgericht einer Bestimmung eines GAV, wonach bei der Berechnung der Gehaltserhöhungen vom effektiven Lohn auszugehen sei, normative Wirkung zugestanden. Mit der Zulässigkeit einer solchen Klausel setzte es sich indessen nicht auseinander. In BGE 101 Ia 463 E. 2 S. 466, der in der Lehre ebenfalls zitiert wird, führte das BGE 140 III 391 S. 396 Bundesgericht aus, dass das Vorgehen des Arbeitgebers praktisch auf eine Gesetzesumgehung hinausliefe, wenn er den Grundlohn kürzen dürfte, bevor er die im GAV vorgesehene Lohnerhöhung gewähre. Aus diesem obiter dictum (so auch BGE 104 II 204 E. 3b S. 207) lässt sich hinsichtlich der Zulässigkeit von Effektivklauseln nichts ableiten. Auch im Urteil P.655/1977 vom 11. Juli 1977 i.S. Haefeli wird in E. 2 lediglich beschreibend festgehalten, Vereinbarungen über die Erhöhung von effektiv ausbezahlten Löhnen wirkten normativ. Im jüngsten BGE 104 II 204 wird ausdrücklich offengelassen, ob Effektivklauseln zulässig sind, dies unter Verweis auf eine Lehrmeinung, die sich sowohl gegen die Zulässigkeit der Effektivgarantieklausel als auch gegen die Zulässigkeit der begrenzten Effektivklausel ausgesprochen hat (E. 3c S. 207 mit Verweis auf ARREGGER, a.a.O., insb. S. 67 ff.).
1.3.4 BGE 140 III 391 S. 396
1.3.5 Aus dem Gesagten ergibt sich, dass beide in Frage stehenden Effektivklauseln in der Lehre umstritten sind und die Rechtsprechung sich bis anhin nicht ausführlich mit deren Zulässigkeit befasst hat. Vor diesem Hintergrund ist ein Klärungsbedürfnis und damit das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu bejahen. Die Beschwerde in Zivilsachen erweist sich damit gestützt auf Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG als zulässig. Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist demnach nicht einzutreten ( Art. 113 BGG ).
1.3.5 Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG Art. 113 BGG 2. Die Beschwerdegegnerin bestreitet die Aktivlegitimation der Beschwerdeführerin.
2. 2.1 Nach Art. 357b Abs. 1 OR können die Vertragsparteien eines GAV vereinbaren, dass ihnen gemeinsam ein Anspruch auf Einhaltung des Vertrages gegenüber den beteiligten Arbeitgebern und Arbeitnehmern zusteht. Eine solche Vereinbarung ist möglich, soweit es sich um folgende Gegenstände handelt: Abschluss, Inhalt und Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wobei der Anspruch nur auf Feststellung geht (lit. a), Beiträge an Ausgleichskassen und andere das Arbeitsverhältnis betreffende Einrichtungen, Vertretung der Arbeitnehmer in den Betrieben und Wahrung des Arbeitsfriedens (lit. b) sowie Kontrolle, Kautionen und Konventionalstrafen in Bezug auf Bestimmungen gemäss lit. a und b (lit. c).
2.1 Art. 357b Abs. 1 OR Ein GAV kann die Gründung von Vereinen vorsehen, denen die gemeinsame Durchführung nach Art. 357b OR übertragen wird ( BGE 134 III 541 E. 4 S. 544 ff.). Das Bundesgericht hat der Ansicht, diesfalls seien trotzdem die Vertragsparteien und nicht die als Verein BGE 140 III 391 S. 397 organisierte paritätische Berufskommission aktivlegitimiert, bereits eine Absage erteilt ( BGE 134 III 541 E. 4 S. 544 ff.). Der Umfang der Aktivlegitimation richtet sich nach den der Beschwerdeführerin im GAV zugewiesenen Kompetenzen ( BGE 137 III 556 E. 4.5 S. 560). Es können somit in einem GAV die Grundlagen dafür geschaffen werden, dass eine paritätische Berufskommission in eigenem Namen den Anspruch auf eine Konventionalstrafe (auch) vor Gericht einfordern kann (soweit aus BGE 137 III 556 E. 4.5 Satz 2 gefolgert werden wollte, diese Frage sei noch offen, trifft dies nicht zu; in diesem Sinn auch THOMAS KOLLER, Die arbeitsrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2011, ZBJV 149/2013 S. 726).
Art. 357b OR BGE 140 III 391 S. 397
2.2 Der Beschwerdeführerin wurde in Art. 2.3 GAV die gemeinsame Durchführung nach Art. 357b OR übertragen. Nach Art. 3.1.4 GAV können die Regionale Paritätische Berufskommission und die Beschwerdeführerin Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die gesamtarbeitsvertragliche Verpflichtungen verletzen, mit einer Konventionalstrafe belegen, die innert Monatsfrist seit Zustellung des Entscheides zu überweisen ist. Ebenfalls auferlegt werden können ihnen nach Art. 3.1.5 GAV und Art. 3.1.6 GAV Kontroll- und Verfahrenskosten. Zu den Kompetenzen der Beschwerdeführerin gehören nach Art. 3.1.3 Ziff. 3 GAV die Fällung und der Einzug von Konventionalstrafen sowie die Überwälzung angefallener Kontroll- und Verfahrenskosten. Alle diese Bestimmungen wurden allgemeinverbindlich erklärt und sind auch sowohl in der ab 1. Januar 2010 gültigen Version des GAV (vgl. Bundesratsbeschluss vom 20. November 2009 über die Allgemeinverbindlicherklärung des Gesamtarbeitsvertrages für das Plattenlegergewerbe der Gebiete Bern, Zentralschweiz, Zürich und Bezirk Baden des Kantons Aargau [BBl 2009 8473]) als auch in der ab 1. Oktober 2013 gültigen Version des GAV enthalten (vgl. Bundesratsbeschluss vom 22. August 2013 über die Allgemeinverbindlicherklärung des Gesamtarbeitsvertrages für das Plattenlegergewerbe in den Kantonen Aargau, Bern, Glarus, Luzern, Nidwalden, Obwalden, Schwyz, Solothurn, Uri, Zug und Zürich [BBl 2013 7157]). Es stellt sich die Frage, ob der Einzug von Konventionalstrafen und die Überwälzung von Verfahrenskosten nach Art. 3.1.3 Ziff. 3 GAV auch gerichtliche Schritte umfasst.
2.2 Art. 357b OR 2.3 Schuldrechtliche Bestimmungen, welche wie hier die Rechte und Pflichten der Tarifpartner unter sich regeln, sind gemäss den Grundsätzen über die Auslegung von Verträgen zu interpretieren (BGE 127 BGE 140 III 391 S. 398 III 318 E. 2a S. 322). Entscheidend ist demnach in erster Linie der übereinstimmende wirkliche Wille der Vertragsparteien und in zweiter Linie, falls ein solcher nicht festgestellt werden kann, die Auslegung der Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzips ( BGE 138 III 659 E. 4.2.1 S. 666 mit Hinweisen). Dabei ist vom Wortlaut der Erklärungen auszugehen, welche jedoch nicht isoliert, sondern aus ihrem konkreten Sinngefüge heraus zu beurteilen sind ( BGE 138 III 659 E. 4.2.1 S. 666; BGE 123 III 165 E. 3a S. 168). Demnach ist der vom Erklärenden verfolgte Regelungszweck, wie ihn der Erklärungsempfänger in guten Treuen verstehen durfte und musste, massgebend ( BGE 138 III 659 E. 4.2.1 S. 666; BGE 132 III 24 E. 4 S. 28).
2.3 BGE 140 III 391 S. 398
Die Vorinstanz hat keine Feststellungen zum tatsächlichen Willen der Vertragsparteien des GAV, die nicht Parteien des vorliegenden Verfahrens sind, getroffen. Da somit der tatsächliche übereinstimmende Wille der Vertragsparteien nicht festgestellt wurde, sind die Bestimmungen des GAV nach dem Vertrauensprinzip auszulegen. Die Beschwerdeführerin wurde sowohl mit der Fällung als auch mit dem Einzug von Konventionalstrafen betraut. Ein "Einzug" umfasst, sofern die Schuldnerin nicht bezahlt, auch die gerichtliche Geltendmachung der Konventionalstrafe. Auch eine "Überwälzung" von Verfahrenskosten darf in guten Treuen so verstanden werden, dass zu diesem Zweck gerichtliche Schritte möglich sind. Nach dem Wortlaut wurde die Beschwerdeführerin somit im GAV damit betraut, Gerichtsverfahren wie das vorliegende zu führen. Dieses Auslegungsergebnis wird bestätigt durch den Regelungszweck, wie er in guten Treuen verstanden werden muss. Die Parteien des GAV haben die Kompetenzen zum Einzug von Konventionalstrafen und zur Überwälzung der Verfahrenskosten der Beschwerdeführerin übertragen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie damit verbundene Gerichtsverfahren selbst führen wollten. Daraus ergibt sich insgesamt, dass die Aktivlegitimation der Beschwerdeführerin zu bejahen ist.
2.4 Dem gerichtlichen Vorgehen der Beschwerdeführerin stehen im Übrigen auch deren Vereinsstatuten nicht entgegen. Soweit gerichtliche Schritte nicht ohnehin vom Vereinszweck (vgl. nicht publ. E. 1.2) gedeckt sind, gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts, dass die Aufgaben einer paritätischen Berufskommission auch die Erhebung gerichtlicher Klagen beinhalten und dass diese Kompetenz nicht ausdrücklich in den Statuten eingeräumt werden muss ( BGE 134 III 541 E. 5 S. 547). BGE 140 III 391 S. 399
2.4 BGE 140 III 391 S. 399
3. Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe die im GAV enthaltene Klausel zu Unrecht als (unzulässige) Effektiv garantie klausel qualifiziert. Es liege vielmehr eine begrenzte Effektivklausel vor. Die Beschwerdegegnerin teilt diese Auffassung.
3. 3.1 Der per 1. Oktober 2006 allgemeinverbindlich erklärte Anhang Nr. 1 des GAV sieht vor, die effektiven Löhne aller der Allgemeinverbindlicherklärung unterstellten Arbeitnehmer in den vorliegend massgebenden Kategorien würden generell um Fr. 100.- erhöht. Der Bundesratsbeschluss über die Allgemeinverbindlicherklärung dieser geänderten Bestimmung enthält eine Übergangsbestimmung, wonach Arbeitgeber, die ihren Arbeitnehmern seit dem 1. April 2006 eine allgemeine Lohnerhöhung gewährt hätten, diese an die Lohnerhöhung anrechnen können. Die Vorinstanz hat aus dieser Übergangsbestimmung auf das Vorliegen einer Effektivgarantieklausel geschlossen.
3.1 3.2 Für die Qualifikation der Klausel zentral ist die Unterscheidung zwischen Mindestlohn und übertariflichem Lohn. Als übertariflicher Lohn wird die Differenz zwischen dem effektiven Lohn und dem Mindestlohn bezeichnet. Gemeinsamer Zweck beider Effektivklauseln ist es, den Mindestlohn aller dem GAV unterstellten Arbeitnehmer zu erhöhen, ohne dabei den übertariflichen Lohn zu verändern. Wer bisher einzig Anspruch auf den Mindestlohn hatte, soll nach der Lohnerhöhung den neuen höheren Mindestlohn ausbezahlt erhalten. Wer hingegen einen übertariflichen Lohn mit seinem Arbeitgeber vereinbart hatte, soll den bisherigen Anteil des übertariflichen Lohns weiterhin zusätzlich zum neuen höheren Mindestlohn ausbezahlt erhalten.
3.2 Dieses Resultat können die Parteien des Einzelarbeitsvertrags bei Vorliegen einer begrenzten Effektivklausel jederzeit einvernehmlich korrigieren. Soll der Lohn insgesamt unverändert bleiben, so können sie somit im Umfang der Erhöhung des Mindestlohns den übertariflichen Lohn herabsetzen. Möglich ist auch eine entsprechende einseitige Abänderung durch den Arbeitgeber mittels einer Änderungskündigung. Demgegenüber verbietet die Effektiv garantie klausel den Parteien, den übertariflichen Lohn zu senken. Dieses Verbot erfasst nicht nur die Senkung im Umfang der Lohnerhöhung bei deren Inkrafttreten, sondern jegliche Senkung des (im Zeitpunkt des Inkrafttretens bestehenden) übertariflichen Lohns während der gesamten Dauer des GAV. BGE 140 III 391 S. 400
BGE 140 III 391 S. 400
3.3 Die Lohnautonomie im übertariflichen Bereich stellt eine grundlegende Basis des Arbeitsrechts dar (STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, a.a.O., N. 7 zu Art. 357 OR ). Während ein Mindestlohn durch den GAV festgelegt werden kann, bleibt die allfällige Vereinbarung eines übertariflichen Lohns grundsätzlich den Parteien des Einzelarbeitsvertrags vorbehalten. Es ist daher vom Grundsatz auszugehen, dass diese einen vereinbarten übertariflichen Lohn auch jederzeit abändern können. Sollten die Tarifpartner ausnahmsweise von diesem Grundsatz abweichen wollen, so müsste dies im GAV vorgesehen werden. Für die Qualifikation von Effektivklauseln bedeutet dies Folgendes: Sowohl die begrenzte Effektivklausel als auch die Effektivgarantieklausel sehen eine Erhöhung der effektiven Löhne vor. Soll zusätzlich die Autonomie der Parteien des Einzelarbeitsvertrags durch ein Verbot eingeschränkt werden, den bestehenden übertariflichen Lohn während der Dauer des GAV zu senken, so muss dies aus der GAV-Klausel hervorgehen. Denn im Zweifel ist von der Geltung des Grundsatzes (Privatautonomie im übertariflichen Bereich) auszugehen und nicht von einer Ausnahme (Eingriff in diese Privatautonomie). Wird im GAV ein Verbot der Senkung des übertariflichen Lohns vorgesehen, liegt eine Effektivgarantieklausel vor. Lässt sich der GAV-Klausel kein solches Verbot entnehmen, gilt der Grundsatz der Privatautonomie, womit eine begrenzte Effektivklausel vorliegt.
3.3 Art. 357 OR 3.4 Der geänderten Bestimmung des Anhangs Nr. 1 des GAV lässt sich nichts entnehmen, was auf eine Sicherung der Erhöhung der effektiven Löhne für die gesamte Dauer des GAV schliessen liesse. Es wird einzig festgehalten, dass die generelle Erhöhung um Fr. 100.- pro Monat auf den effektiven Löhnen zu leisten sei, mithin auch auf Löhnen, die aufgrund einer übertariflichen Lohnkomponente insgesamt bereits höher sind als der neue Mindestlohn. Auf diesen Löhnen wäre ohne eine solche Klausel eine Lohnerhöhung gar nicht erst geschuldet. Die Klausel bewirkt somit, dass die Parteien des Einzelarbeitsvertrags tätig werden müssen, wenn der bisherige Lohn beibehalten werden soll. Ein solches Tätigwerden in Form einer Senkung des übertariflichen Lohns anlässlich der Lohnerhöhung oder auch zu einem späteren Zeitpunkt schliesst die Bestimmung nicht aus.
3.4 Auch die vom Bundesrat vorgesehene Übergangsregelung macht die Klausel nicht zu einer Effektivgarantieklausel. Eine Herabsetzung übertariflicher Löhne, die vor dem 1. April 2006 vereinbart worden sind, wird dadurch in keiner Weise ausgeschlossen. Zudem ist diese Regelung nicht Teil der geänderten GAV-Bestimmungen im BGE 140 III 391 S. 401 Anhang Nr. 1 und daher für die Frage der Qualifikation der GAV-Klausel ohnehin nicht relevant.
BGE 140 III 391 S. 401
3.5 Bei der GAV-Klausel, wonach die effektiven Löhne generell um Fr. 100.- erhöht werden sollen, handelt es sich nach dem Gesagten nicht um eine Effektivgarantieklausel, sondern um eine begrenzte Effektivklausel.
3.5 4. Nachdem die im geänderten Anhang Nr. 1 des GAV enthaltene Klausel als begrenzte Effektivklausel qualifiziert wurde, ist zu prüfen, ob eine solche zulässig ist.
4. 4.1 Voraussetzung für die Zulässigkeit einer GAV-Klausel ist, dass die Tarifpartner die Grenzen ihrer Regelungsbefugnis einhalten. Nicht zulässig sind demnach Bestimmungen in Bereichen, die der Privatautonomie der Parteien des Einzelarbeitsvertrags vorbehalten sind.
4.1 4.1.1 In der Lehre wird geltend gemacht, die begrenzte Effektivklausel greife unzulässig in die Privatautonomie ein (VISCHER/ALBRECHT, a.a.O., N. 38 i.V.m. N. 37 zu Art. 357 OR ; REHBINDER, a.a.O., N. 543; ARREGGER, a.a.O., S. 77 f.; BÄNZIGER, a.a.O., S. 134). Mit der begrenzten Effektivklausel werde ein Anspruch auf Erhöhung des Effektivlohns eingeräumt, obwohl individualrechtlich kein solcher bestehe (BÄNZIGER, a.a.O., S. 128). Die Tarifpartner könnten aber nicht die Bezahlung über- oder aussertariflicher Löhne anordnen, ohne sie zum Tariflohn zu machen (BÄNZIGER, a.a.O., S. 126).
4.1.1 Art. 357 OR 4.1.2 Durch den Gesamtarbeitsvertrag stellen Arbeitgeber oder deren Verbände und Arbeitnehmerverbände gemeinsam Bestimmungen über Abschluss, Inhalt und Beendigung der einzelnen Arbeitsverhältnisse der beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf ( Art. 356 Abs. 1 OR ). Zum Inhalt, der durch die Tarifpartner geregelt werden darf, gehören auch bestimmte Lohnvorschriften. So ist unbestritten, dass in einem GAV Mindestlöhne oder 13. Monatslöhne vorgeschrieben werden können (vgl. nur STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, a.a.O., N. 8 zu Art. 356 OR ; REHBINDER, a.a.O., N. 531). Auch diese Bestimmungen stellen einen Eingriff in die Privatautonomie dar. Solche Eingriffe sind jedoch nicht per se unzulässig. Die Regelungsbefugnis der Tarifpartner endet (erst) dort, wo übermässig in die Freiheit der Einzelvereinbarung im übertariflichen Bereich eingegriffen würde (PORTMANN/STÖCKLI, a.a.O., N. 1124; GEISER/MÜLLER, a.a.O., N. 811).
4.1.2 Art. 356 Abs. 1 OR Art. 356 OR 4.1.3 Die begrenzte Effektivklausel führt theoretisch nur zu einer Erhöhung des Mindestlohns und greift gerade nicht in den BGE 140 III 391 S. 402 übertariflichen Lohn ein, da dieser unverändert bestehen bleibt. Es trifft aber zu, dass sich dadurch die Lohnsumme insgesamt erhöht und dass der Arbeitgeber möglicherweise nicht bereit gewesen wäre, diesen insgesamt höheren Lohn bzw. zum neuen höheren Mindestlohn zusätzlich übertariflichen Lohn in derselben Höhe auszuzahlen. Es ist daher von einem Eingriff in die Privatautonomie auszugehen. Die Regelungsbefugnis der Tarifpartner ist indessen nur zu verneinen, wenn dieser Eingriff als übermässig zu qualifizieren ist.
4.1.3 BGE 140 III 391 S. 402
Vorab ist zu berücksichtigen, dass es den Parteien des Einzelarbeitsvertrags unbenommen bleibt, im Einvernehmen den übertariflichen Lohn jederzeit zu senken oder ganz zu streichen (so auch DEN OTTER, a.a.O., S. 115). Damit können sie die durch die begrenzte Effektivklausel angeordnete allgemeine Lohnerhöhung kompensieren. Stimmen Arbeitnehmer und Arbeitgeber darin überein, dass weiterhin der bisherige Lohn gelten soll, so beschränkt sich der Eingriff in die Privatautonomie somit darauf, dass die Parteien eine Vereinbarung über die Herabsetzung des übertariflichen Lohns treffen müssen. Weitergehende Auswirkungen hat die begrenzte Effektivklausel dann, wenn der Arbeitnehmer mit einer Herabsetzung des übertariflichen Lohns nicht einverstanden ist. Diesfalls ist der Arbeitgeber auf den Weg über die Änderungskündigung verwiesen.
Zu berücksichtigen ist weiter, dass die begrenzte Effektivklausel einen Eingriff von ähnlicher Intensität darstellt wie etwa die unbestrittenermassen zulässigen GAV-Bestimmungen, die Arbeitnehmer hätten Anspruch auf einen 13. Monatslohn oder auf bezahlte Ferientage. Die Anordnung der Zahlung eines 13. Monatslohns oder weiterer bezahlter Ferientage geht sogar noch weiter. Während die begrenzte Effektivklausel unabhängig vom effektiven Lohn allen Arbeitnehmern eine Lohnerhöhung um einen bestimmten Betrag gewährt, ordnen die Tarifpartner mit der Einräumung eines Anspruchs auf einen 13. Monatslohn nicht nur eine 13. Zahlung des betragsmässig bestimmten Mindestlohns an, sondern sogar auch eine 13. Zahlung des übertariflichen Lohns, den die Tarifpartner nicht kennen. Dasselbe gilt für Ferientage, die nicht nur mit dem Mindestlohn, sondern auch mit dem vereinbarten Anteil des übertariflichen Lohns abgegolten werden müssen. Nach dem Vergleich mit diesen (zulässigen) Regelungen erscheint auch die Anordnung einer allgemeinen Lohnerhöhung nicht als unzulässiger Eingriff in die Privatautonomie (so auch GEISER/MÜLLER, a.a.O., N. 811; implizit auch STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, BGE 140 III 391 S. 403 a.a.O., N. 7 zu Art. 357 OR ). Die Tarifpartner sind somit grundsätzlich befugt, im GAV anzuordnen, die vereinbarte Lohnerhöhung sei auf den effektiven Löhnen zu leisten.
BGE 140 III 391 S. 403
Art. 357 OR 4.2 Kritisiert wird weiter, die begrenzte Effektivklausel verletze das Gleichbehandlungsgebot, weil individuelle Lohnunterschiede perpetuiert würden (VISCHER/ALBRECHT, a.a.O., N. 38 i.V.m. N. 37 zu Art. 357 OR ; REHBINDER, a.a.O., N. 543; ARREGGER, a.a.O., S. 77; BÄNZIGER, a.a.O., S. 135). Eine Gleichbehandlung setzt indessen gleiche Umstände voraus (vgl. Urteil 4A_356/2011 vom 9. November 2011 E. 9.7). Solche gleichen Umstände liegen bei Arbeitnehmern, die einen einzelarbeitsvertraglichen Anspruch auf übertariflichen Lohn haben, und Arbeitnehmern, die keinen solchen Anspruch haben und einzig den Mindestlohn bezahlt erhalten, gerade nicht vor. Die begrenzte Effektivklausel führt nur dazu, dass Arbeitnehmer mit einem einzelvertraglichen Anspruch auf übertariflichen Lohn, die bereits vor der Änderung des GAV mehr verdienten als die anderen Arbeitnehmer, auch weiterhin Anspruch auf mehr Lohn haben als diese. Der Zweck der begrenzten Effektivklausel besteht somit darin, dass sämtliche Arbeitnehmer unabhängig von ihrem bisherigen Lohn in den Genuss der zwischen den Tarifpartnern ausgehandelten Lohnerhöhung kommen (vgl. E. 3.3). Dies verletzt das Gleichbehandlungsgebot nicht.
4.2 Art. 357 OR 4.3 Aus dem Gesagten ergibt sich, dass keine Gründe dafür bestehen, eine von den Tarifpartnern vereinbarte begrenzte Effektivklausel für unzulässig zu erklären.
4.3
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Urteilskopf 140 III 404 60. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B. GmbH (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_475/2013 vom 15. Juli 2014 Regeste Art. 8 UWG, Art. 1-4 SchlT ZGB ; Verwendung missbräuchlicher Geschäftsbedingungen; Übergangsrecht. Sind Verträge, die vor Inkrafttreten des revidierten Art. 8 UWG abgeschlossen wurden, nach dem neuen Recht zu beurteilen? Frage verneint hinsichtlich einer Klausel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen, gemäss der sich das Vertragsverhältnis noch vor dem 1. Juli 2012 automatisch verlängert hat (E. 3 und 4). Erwägungen ab Seite 404 BGE 140 III 404 S. 404 Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Streitgegenstand bildet die Frage, ob sich die Abonnementsverträge mit dem Fitnessstudio gemäss Ziffer 5 der AGB um zwölf Monate bis am 28. Februar 2013 verlängerten, nachdem die Beschwerdeführerin die Verträge nicht bis spätestens drei Monate vor Ablauf der ursprünglichen zwölfmonatigen Vertragslaufzeit am 28. Februar BGE 140 III 404 S. 405 2012 gekündigt hatte. Dass wichtige Gründe für eine (ausserordentliche) vorzeitige Kündigung vorliegen, machte die Beschwerdeführerin vor dem Kantonsgericht nicht mehr geltend. Die Beschwerdeführerin stellte sich im kantonalen Verfahren auf den Standpunkt, die Verträge hätten sich nicht verlängert, da Ziffer 5 der AGB insoweit ungültig sei, als sie eine automatische Vertragsverlängerung vorsehe. Eine derartige Regel - so die Beschwerdeführerin - verletze einerseits Art. 8 UWG gemäss der Änderung vom 17. Juni 2011 (AS 2011 4909), andererseits die Ungewöhnlichkeitsregel. Die Vorinstanz verwarf die Argumentation unter beiden Gesichtspunkten: Sie verneinte eine "rückwirkende Anwendung" von Art. 8 UWG auf den vorliegenden Vertrag und kam überdies zum Schluss, die in Ziffer 5 vorgesehene automatische Verlängerung verstosse nicht gegen die Ungewöhnlichkeitsregel. 3.2 Die Beschwerdeführerin möchte als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vom Bundesgericht beurteilt wissen, ob der neue Art. 8 UWG (SR 241) auf Verträge anwendbar ist, die vor seinem Inkrafttreten am 1. Juli 2012 abgeschlossen wurden. Sie verweist auf Literaturstellen, wo unterschiedliche Meinungen zur "rückwirkenden Anwendung" von Art. 8 UWG "auf altrechtliche Verträge" vertreten würden (siehe BÜHLER/STÄUBER, Die AGB-Kontrolle gemäss dem revidierten Art. 8 UWG - Anmerkungen zum intertemporalen Recht, recht 2012 S. 86-89; RÜETSCHI, Zur Anwendung von Artikel 8 UWG auf altrechtliche Verträge, recht 2013 S. 101-108; VISCHER, Freizeichnungsklauseln in Grundstückkaufverträgen - Gegenstand einer AGB-Kontrolle oder der Selbstverantwortung?, SJZ 2012 S. 177-188). In der Tat wirft die Revision von Art. 8 UWG die übergangsrechtliche Frage auf, ob und inwieweit Verträge, die noch unter Geltung des früheren Rechts abgeschlossen wurden, ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts nach diesem zu beurteilen sind. Die Frage ist für eine grosse Anzahl bestehender Verträge von Bedeutung. Da sie das Bundesgericht bisher nicht beantwortet hat, besteht ein allgemeiner und dringender Klärungsbedarf. Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin stellt sich somit eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG. Auf die Beschwerde in Zivilsachen ist einzutreten. 4. 4.1 Nach dem revidierten Art. 8 UWG (Verwendung missbräuchlicher Geschäftsbedingungen) handelt insbesondere unlauter, wer BGE 140 III 404 S. 406 allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, die in Treu und Glauben verletzender Weise zum Nachteil der Konsumentinnen und Konsumenten ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen den vertraglichen Rechten und den vertraglichen Pflichten vorsehen. Das UWG enthält keine Übergangsbestimmung. Namentlich findet sich in der Änderung vom 17. Juni 2011 keine solche. 4.2 Regelt der Gesetzgeber den zeitlichen Anwendungsbereich bei einer privatrechtlichen Gesetzesrevision nicht besonders, so sind die Art. 1 bis 4 SchlT ZGB massgebend. Ausgangspunkt bildet dabei die in Art. 1 SchlT ZGB enthaltene Grundregel der Nichtrückwirkung einer Gesetzesänderung, welche für den gesamten Bereich des Zivilrechts gilt. Sie schützt das Vertrauen in den Bestand einmal rechtsgeschäftlich gesetzeskonform begründeter Rechte ( BGE 138 III 659 E. 3.3 S. 662 mit Hinweis). Der Grundsatz, wonach die rechtlichen Wirkungen von Tatsachen, die vor dem Inkrafttreten einer neuen Bestimmung eingetreten sind, auch nachher nach den früheren Bestimmungen beurteilt werden ( Art.1 Abs. 1 SchlT ZGB ), erfährt allerdings gewichtige Einschränkungen. So ist gemäss Art. 2 SchlT ZGB eine Rückwirkung und damit auch ein Eingriff in rechtsgeschäftlich erworbene Rechte zulässig, wenn die Gesetzesbestimmung um der öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit willen aufgestellt worden ist. Ob eine Rückwirkung nach Art. 2 SchlT ZGB eintritt oder nicht, ist eine Frage der Auslegung der rechtspolitischen Motive, welche zur Gesetzesrevision geführt haben ( BGE 138 III 659 E. 3.3). Um sie zu beantworten, sind die betroffenen Interessen gegeneinander abzuwägen. In diesem Sinne ist zu beurteilen, ob die vom neuen Recht verfolgten öffentlichen Interessen gegenüber den entgegengesetzten privaten Interessen, namentlich demjenigen am Schutz des Vertrauens in die Anwendung des früheren Rechts, den Vorrang verdienen ( BGE 133 III 105 E. 2.1.4; siehe auch BGE 127 III 16 E. 3). Sodann sind Rechtsverhältnisse, deren Inhalt unabhängig vom Willen der Beteiligten durch das Gesetz umschrieben wird, nach dem Inkrafttreten des neuen Rechts nach diesem zu beurteilen, auch wenn sie vor diesem Zeitpunkt begründet worden sind ( Art. 3 SchlT ZGB ). 4.3 In der Lehre werden zum zeitlichen Anwendungsbereich von Art. 8 UWG entgegengesetzte Auffassungen vertreten: Eine Mehrheit der Autoren spricht sich unter Berufung auf den Grundsatz der Nichtrückwirkung dafür aus, unter dem früheren Recht abgeschlossene Verträge und die dabei einbezogenen allgemeinen BGE 140 III 404 S. 407 Geschäftsbedingungen grundsätzlich nach diesem zu beurteilen. Dies soll jedenfalls insoweit gelten, als die allgemeinen Geschäftsbedingungen seit dem Inkrafttreten des neuen Rechts nicht geändert wurden (siehe ABEGGLEN UND ANDERE, Aspekte der AGB-Kontrolle im Bankbereich, in: Das Bankkonto, Emmenegger [Hrsg.], 2013, S. 108 f.; BÜHLER/ STÄUBER, a.a.O., S. 89; HESS/RUCKSTUHL, AGB-Kontrolle nach dem neuen Art. 8 UWG - eine kritische Auslegeordnung, AJP 2012 S. 1211; MAISSEN, Die automatische Vertragsverlängerung, 2012, S. 197; RUSCH, Schadensabwälzungsklauseln in der Inhaltskontrolle, SZW 2012 S. 444; SCHOTT, Missbräuchliche Allgemeine Geschäftsbedingungen - zur Inhaltskontrolle, Der Schweizer Treuhänder 2012 S. 80; STUCKI, Art. 8 UWG : Die neue AGB-Inhaltskontrolle aus Sicht eines Studienabgängers, Jusletter 10. März 2014 Rz. 10-12; THOUVENIN, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb [UWG], 2013, N. 154 zu Art. 8 UWG ; VISCHER, a.a.O., S. 181 f.). Demgegenüber wurde in verschiedenen anderen Beiträgen eine generelle Anwendung des revidierten Art. 8 UWG auch auf vor dem 1. Juli 2012 eingegangene Vertragsverhältnisse befürwortet. Ihre dahingehende Ansicht begründen die Verfasser im Wesentlichen damit, Art. 8 UWG sei eine um der öffentlichen Ordnung willen aufgestellte Norm im Sinne von Art. 2 SchlT ZGB (siehe JENNY, Inhaltskontrolle nach revidiertem Art. 8 UWG, 2014, S. 38-43; KOLLER, Art. 8 UWG : Eine Auslegeordnung, in: Das Bankkonto, Emmenegger [Hrsg.], 2013, S. 78-80; PICHONNAZ, Le nouvel art. 8 LCD - Droit transitoire, portée et conséquences, BR 2012 S. 142 f.; RÜETSCHI, a.a.O., S. 108; SCHMID, Grundpfandrechte und der neue Art. 8 UWG, in: Immobilienfinanzierung, Emmenegger [Hrsg.], 2012, S. 102-104). Schliesslich wurde auch erwogen, ob das neue Recht in Anwendung und gemäss den Vorgaben von Art. 3 SchlT ZGB auf altrechtliche Verträge anzuwenden sei (siehe ROBERTO/WALKER, AGB-Kontrolle nach dem revidierten Art. 8 UWG, recht 2014 S. 60 f.). 4.4 Die übergangsrechtliche Frage braucht vorliegend allerdings nicht in der von der Beschwerdeführerin und in der Literatur diskutierten allgemeinen Form beantwortet zu werden. Die beiden Verträge verlängerten sich - mangels rechtzeitiger Kündigung - in Anwendung von Ziffer 5 der AGB bei Ablauf der ursprünglichen Vertragslaufzeit von zwölf Monaten am 28. Februar 2012 um die gleiche Dauer. Zum Zeitpunkt der Verlängerung war der neue Art. 8 UWG noch nicht in Kraft. Jedenfalls in dieser Konstellation bieten weder Art. 2 noch Art. 3 SchlT ZGB eine Grundlage für die Anwendung der neuen Gesetzesbestimmung, und zwar unabhängig davon, ob diese generell BGE 140 III 404 S. 408 auch für altrechtliche Verträge und AGB gelten soll. Denn selbst wenn die Regel von Art. 8 UWG der öffentlichen Ordnung willen erlassen worden sein sollte, würde doch der Vertrauensschutz gebieten, dass die gemäss den allgemeinen Geschäftsbedingungen vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung erfolgte automatische Vertragsverlängerung nach dem früheren Recht beurteilt wird. Die gegenteilige Ansicht hätte zur Folge, dass - sollte ein Verstoss gegen das neue Recht festgestellt werden - der bereits eingetretenen Vertragsverlängerung nachträglich die Grundlage entzogen würde. Die Parteien hätten die Folgen der unterbliebenen ausdrücklichen Vertragsverlängerung zu tragen, für die sie aber zu jenem Zeitpunkt angesichts der Prolongationsklausel und nach Massgabe des damals geltenden Rechts keinen Anlass hatten. Das Vertrauen der Parteien in die gültige Verlängerung des Vertrages ist insoweit zu schützen, und das neue Recht ist aus diesem Grund jedenfalls nicht auf diese vor seinem Inkrafttreten eingetretene und abgeschlossene vertragliche Rechtswirkung anwendbar (vgl. im Allgemeinen: BGE 116 III 120 E. 3d S. 126; BRÄNDLI, in: Sachenrecht, Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 2. Aufl. 2012, N. 4 zu Art. 2 SchlT ZGB ; BROGGINI, Intertemporales Privatrecht, in: Geschichte und Geltungsbereich, SPR Bd. I/1, 1969, S. 449 f.; siehe ferner ROBERTO/WALKER, a.a.O., S. 60 f., welche die AGB hinsichtlich von Ansprüchen, die bereits vor dem 1. Juli 2012 entstanden sind, der bisherigen Geltungs- und Auslegungskontrolle, in Bezug auf Ansprüche, deren Voraussetzungen sich nach dem 1. Juli 2012 erfüllen, dagegen der Inhaltskontrolle im Sinne des revidierten Art. 8 UWG unterziehen möchten). Die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist mithin dahingehend zu beantworten, dass, wenn eine automatische Vertragsverlängerung gemäss den allgemeinen Geschäftsbedingungen eintrat, als der revidierte Art. 8 UWG noch nicht in Kraft war, die zugrunde liegende Klausel nicht nach dem neuen Recht zu beurteilen ist. 4.5 Die Vorinstanz hat demnach nicht gegen Bundesrecht verstossen, wenn sie angesichts der vorliegenden Streitsache keine auf den revidierten Art. 8 UWG gestützte Inhaltskontrolle vornahm. Damit kann offenbleiben, wie eine solche ausfallen würde. Der Vollständigkeit halber ist immerhin Folgendes zu bemerken: Die Beschwerdeführerin geht davon aus, dass eine "automatische Verlängerung befristet geschlossener Abonnementsverträge" unter dem neuen Recht generell als missbräuchlich anzuschauen sein wird. Indessen ergibt sich eine derartige Regel weder aus dem Wortlaut von Art. 8 UWG noch aus der in der Beschwerde zitierten Materialien- und BGE 140 III 404 S. 409 Literaturstelle: So erwähnte Bundesrat Schneider-Ammann im Nationalrat Klauseln mit einem dahingehenden Inhalt lediglich als solche, die einer "richterlichen Missbrauchskontrolle unterliegen könnten" (AB 2011 N 228 f.). Unter Hinweis auf dieses Votum wurde in der Lehre diese "Klauselgruppe" zu jenen gezählt, die "für ein erhebliches Missverhältnis in Betracht" fallen werden, so wie etwa auch Freizeichnungsklauseln, Abreden über die Verjährung sowie Rechtswahl-, Gerichtsstands- und Schiedsgerichtsklauseln (SCHMID, Die Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen: Überlegungen zum neuen Art. 8 UWG, ZBJV 2012 S. 12 f.). Von der generellen Unzulässigkeit entsprechender Klauseln war dagegen weder am einen noch am anderen Ort die Rede. Ein entsprechendes (allgemeines) Verbot folgt schliesslich auch nicht aus der ebenfalls erwähnten Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95 vom 21. April 1993 S. 29).
Urteilskopf
60. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B. GmbH (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_475/2013 vom 15. Juli 2014
Regeste Art. 8 UWG, Art. 1-4 SchlT ZGB ; Verwendung missbräuchlicher Geschäftsbedingungen; Übergangsrecht. Sind Verträge, die vor Inkrafttreten des revidierten Art. 8 UWG abgeschlossen wurden, nach dem neuen Recht zu beurteilen? Frage verneint hinsichtlich einer Klausel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen, gemäss der sich das Vertragsverhältnis noch vor dem 1. Juli 2012 automatisch verlängert hat (E. 3 und 4).
Regeste
Art. 8 UWG, Art. 1-4 SchlT ZGB ; Verwendung missbräuchlicher Geschäftsbedingungen; Übergangsrecht. Sind Verträge, die vor Inkrafttreten des revidierten Art. 8 UWG abgeschlossen wurden, nach dem neuen Recht zu beurteilen? Frage verneint hinsichtlich einer Klausel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen, gemäss der sich das Vertragsverhältnis noch vor dem 1. Juli 2012 automatisch verlängert hat (E. 3 und 4).
Art. 8 UWG Art. 1-4 SchlT ZGB Sind Verträge, die vor Inkrafttreten des revidierten Art. 8 UWG abgeschlossen wurden, nach dem neuen Recht zu beurteilen? Frage verneint hinsichtlich einer Klausel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen, gemäss der sich das Vertragsverhältnis noch vor dem 1. Juli 2012 automatisch verlängert hat (E. 3 und 4).
Art. 8 UWG Erwägungen ab Seite 404
Erwägungen ab Seite 404 BGE 140 III 404 S. 404
BGE 140 III 404 S. 404
Aus den Erwägungen:
3.
3. 3.1 Streitgegenstand bildet die Frage, ob sich die Abonnementsverträge mit dem Fitnessstudio gemäss Ziffer 5 der AGB um zwölf Monate bis am 28. Februar 2013 verlängerten, nachdem die Beschwerdeführerin die Verträge nicht bis spätestens drei Monate vor Ablauf der ursprünglichen zwölfmonatigen Vertragslaufzeit am 28. Februar BGE 140 III 404 S. 405 2012 gekündigt hatte. Dass wichtige Gründe für eine (ausserordentliche) vorzeitige Kündigung vorliegen, machte die Beschwerdeführerin vor dem Kantonsgericht nicht mehr geltend.
3.1 BGE 140 III 404 S. 405
Die Beschwerdeführerin stellte sich im kantonalen Verfahren auf den Standpunkt, die Verträge hätten sich nicht verlängert, da Ziffer 5 der AGB insoweit ungültig sei, als sie eine automatische Vertragsverlängerung vorsehe. Eine derartige Regel - so die Beschwerdeführerin - verletze einerseits Art. 8 UWG gemäss der Änderung vom 17. Juni 2011 (AS 2011 4909), andererseits die Ungewöhnlichkeitsregel. Die Vorinstanz verwarf die Argumentation unter beiden Gesichtspunkten: Sie verneinte eine "rückwirkende Anwendung" von Art. 8 UWG auf den vorliegenden Vertrag und kam überdies zum Schluss, die in Ziffer 5 vorgesehene automatische Verlängerung verstosse nicht gegen die Ungewöhnlichkeitsregel.
Art. 8 UWG Art. 8 UWG 3.2 Die Beschwerdeführerin möchte als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vom Bundesgericht beurteilt wissen, ob der neue Art. 8 UWG (SR 241) auf Verträge anwendbar ist, die vor seinem Inkrafttreten am 1. Juli 2012 abgeschlossen wurden. Sie verweist auf Literaturstellen, wo unterschiedliche Meinungen zur "rückwirkenden Anwendung" von Art. 8 UWG "auf altrechtliche Verträge" vertreten würden (siehe BÜHLER/STÄUBER, Die AGB-Kontrolle gemäss dem revidierten Art. 8 UWG - Anmerkungen zum intertemporalen Recht, recht 2012 S. 86-89; RÜETSCHI, Zur Anwendung von Artikel 8 UWG auf altrechtliche Verträge, recht 2013 S. 101-108; VISCHER, Freizeichnungsklauseln in Grundstückkaufverträgen - Gegenstand einer AGB-Kontrolle oder der Selbstverantwortung?, SJZ 2012 S. 177-188).
3.2 Art. 8 UWG Art. 8 UWG Art. 8 UWG In der Tat wirft die Revision von Art. 8 UWG die übergangsrechtliche Frage auf, ob und inwieweit Verträge, die noch unter Geltung des früheren Rechts abgeschlossen wurden, ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts nach diesem zu beurteilen sind. Die Frage ist für eine grosse Anzahl bestehender Verträge von Bedeutung. Da sie das Bundesgericht bisher nicht beantwortet hat, besteht ein allgemeiner und dringender Klärungsbedarf. Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin stellt sich somit eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG. Auf die Beschwerde in Zivilsachen ist einzutreten.
Art. 8 UWG Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG 4.
4. 4.1 Nach dem revidierten Art. 8 UWG (Verwendung missbräuchlicher Geschäftsbedingungen) handelt insbesondere unlauter, wer BGE 140 III 404 S. 406 allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, die in Treu und Glauben verletzender Weise zum Nachteil der Konsumentinnen und Konsumenten ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen den vertraglichen Rechten und den vertraglichen Pflichten vorsehen. Das UWG enthält keine Übergangsbestimmung. Namentlich findet sich in der Änderung vom 17. Juni 2011 keine solche.
4.1 Art. 8 UWG BGE 140 III 404 S. 406
4.2 Regelt der Gesetzgeber den zeitlichen Anwendungsbereich bei einer privatrechtlichen Gesetzesrevision nicht besonders, so sind die Art. 1 bis 4 SchlT ZGB massgebend. Ausgangspunkt bildet dabei die in Art. 1 SchlT ZGB enthaltene Grundregel der Nichtrückwirkung einer Gesetzesänderung, welche für den gesamten Bereich des Zivilrechts gilt. Sie schützt das Vertrauen in den Bestand einmal rechtsgeschäftlich gesetzeskonform begründeter Rechte ( BGE 138 III 659 E. 3.3 S. 662 mit Hinweis).
4.2 Art. 1 SchlT ZGB Der Grundsatz, wonach die rechtlichen Wirkungen von Tatsachen, die vor dem Inkrafttreten einer neuen Bestimmung eingetreten sind, auch nachher nach den früheren Bestimmungen beurteilt werden ( Art.1 Abs. 1 SchlT ZGB ), erfährt allerdings gewichtige Einschränkungen. So ist gemäss Art. 2 SchlT ZGB eine Rückwirkung und damit auch ein Eingriff in rechtsgeschäftlich erworbene Rechte zulässig, wenn die Gesetzesbestimmung um der öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit willen aufgestellt worden ist. Ob eine Rückwirkung nach Art. 2 SchlT ZGB eintritt oder nicht, ist eine Frage der Auslegung der rechtspolitischen Motive, welche zur Gesetzesrevision geführt haben ( BGE 138 III 659 E. 3.3). Um sie zu beantworten, sind die betroffenen Interessen gegeneinander abzuwägen. In diesem Sinne ist zu beurteilen, ob die vom neuen Recht verfolgten öffentlichen Interessen gegenüber den entgegengesetzten privaten Interessen, namentlich demjenigen am Schutz des Vertrauens in die Anwendung des früheren Rechts, den Vorrang verdienen ( BGE 133 III 105 E. 2.1.4; siehe auch BGE 127 III 16 E. 3). Sodann sind Rechtsverhältnisse, deren Inhalt unabhängig vom Willen der Beteiligten durch das Gesetz umschrieben wird, nach dem Inkrafttreten des neuen Rechts nach diesem zu beurteilen, auch wenn sie vor diesem Zeitpunkt begründet worden sind ( Art. 3 SchlT ZGB ).
Art.1 Abs. 1 SchlT ZGB Art. 2 SchlT ZGB Art. 2 SchlT ZGB Art. 3 SchlT ZGB 4.3 In der Lehre werden zum zeitlichen Anwendungsbereich von Art. 8 UWG entgegengesetzte Auffassungen vertreten: Eine Mehrheit der Autoren spricht sich unter Berufung auf den Grundsatz der Nichtrückwirkung dafür aus, unter dem früheren Recht abgeschlossene Verträge und die dabei einbezogenen allgemeinen BGE 140 III 404 S. 407 Geschäftsbedingungen grundsätzlich nach diesem zu beurteilen. Dies soll jedenfalls insoweit gelten, als die allgemeinen Geschäftsbedingungen seit dem Inkrafttreten des neuen Rechts nicht geändert wurden (siehe ABEGGLEN UND ANDERE, Aspekte der AGB-Kontrolle im Bankbereich, in: Das Bankkonto, Emmenegger [Hrsg.], 2013, S. 108 f.; BÜHLER/ STÄUBER, a.a.O., S. 89; HESS/RUCKSTUHL, AGB-Kontrolle nach dem neuen Art. 8 UWG - eine kritische Auslegeordnung, AJP 2012 S. 1211; MAISSEN, Die automatische Vertragsverlängerung, 2012, S. 197; RUSCH, Schadensabwälzungsklauseln in der Inhaltskontrolle, SZW 2012 S. 444; SCHOTT, Missbräuchliche Allgemeine Geschäftsbedingungen - zur Inhaltskontrolle, Der Schweizer Treuhänder 2012 S. 80; STUCKI, Art. 8 UWG : Die neue AGB-Inhaltskontrolle aus Sicht eines Studienabgängers, Jusletter 10. März 2014 Rz. 10-12; THOUVENIN, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb [UWG], 2013, N. 154 zu Art. 8 UWG ; VISCHER, a.a.O., S. 181 f.). Demgegenüber wurde in verschiedenen anderen Beiträgen eine generelle Anwendung des revidierten Art. 8 UWG auch auf vor dem 1. Juli 2012 eingegangene Vertragsverhältnisse befürwortet. Ihre dahingehende Ansicht begründen die Verfasser im Wesentlichen damit, Art. 8 UWG sei eine um der öffentlichen Ordnung willen aufgestellte Norm im Sinne von Art. 2 SchlT ZGB (siehe JENNY, Inhaltskontrolle nach revidiertem Art. 8 UWG, 2014, S. 38-43; KOLLER, Art. 8 UWG : Eine Auslegeordnung, in: Das Bankkonto, Emmenegger [Hrsg.], 2013, S. 78-80; PICHONNAZ, Le nouvel art. 8 LCD - Droit transitoire, portée et conséquences, BR 2012 S. 142 f.; RÜETSCHI, a.a.O., S. 108; SCHMID, Grundpfandrechte und der neue Art. 8 UWG, in: Immobilienfinanzierung, Emmenegger [Hrsg.], 2012, S. 102-104). Schliesslich wurde auch erwogen, ob das neue Recht in Anwendung und gemäss den Vorgaben von Art. 3 SchlT ZGB auf altrechtliche Verträge anzuwenden sei (siehe ROBERTO/WALKER, AGB-Kontrolle nach dem revidierten Art. 8 UWG, recht 2014 S. 60 f.).
4.3 Art. 8 UWG BGE 140 III 404 S. 407
Art. 8 UWG Art. 8 UWG Art. 8 UWG Art. 8 UWG Art. 8 UWG Art. 2 SchlT ZGB Art. 8 UWG Art. 8 UWG Art. 8 UWG Art. 3 SchlT ZGB Art. 8 UWG 4.4 Die übergangsrechtliche Frage braucht vorliegend allerdings nicht in der von der Beschwerdeführerin und in der Literatur diskutierten allgemeinen Form beantwortet zu werden. Die beiden Verträge verlängerten sich - mangels rechtzeitiger Kündigung - in Anwendung von Ziffer 5 der AGB bei Ablauf der ursprünglichen Vertragslaufzeit von zwölf Monaten am 28. Februar 2012 um die gleiche Dauer. Zum Zeitpunkt der Verlängerung war der neue Art. 8 UWG noch nicht in Kraft. Jedenfalls in dieser Konstellation bieten weder Art. 2 noch Art. 3 SchlT ZGB eine Grundlage für die Anwendung der neuen Gesetzesbestimmung, und zwar unabhängig davon, ob diese generell BGE 140 III 404 S. 408 auch für altrechtliche Verträge und AGB gelten soll. Denn selbst wenn die Regel von Art. 8 UWG der öffentlichen Ordnung willen erlassen worden sein sollte, würde doch der Vertrauensschutz gebieten, dass die gemäss den allgemeinen Geschäftsbedingungen vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung erfolgte automatische Vertragsverlängerung nach dem früheren Recht beurteilt wird. Die gegenteilige Ansicht hätte zur Folge, dass - sollte ein Verstoss gegen das neue Recht festgestellt werden - der bereits eingetretenen Vertragsverlängerung nachträglich die Grundlage entzogen würde. Die Parteien hätten die Folgen der unterbliebenen ausdrücklichen Vertragsverlängerung zu tragen, für die sie aber zu jenem Zeitpunkt angesichts der Prolongationsklausel und nach Massgabe des damals geltenden Rechts keinen Anlass hatten. Das Vertrauen der Parteien in die gültige Verlängerung des Vertrages ist insoweit zu schützen, und das neue Recht ist aus diesem Grund jedenfalls nicht auf diese vor seinem Inkrafttreten eingetretene und abgeschlossene vertragliche Rechtswirkung anwendbar (vgl. im Allgemeinen: BGE 116 III 120 E. 3d S. 126; BRÄNDLI, in: Sachenrecht, Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 2. Aufl. 2012, N. 4 zu Art. 2 SchlT ZGB ; BROGGINI, Intertemporales Privatrecht, in: Geschichte und Geltungsbereich, SPR Bd. I/1, 1969, S. 449 f.; siehe ferner ROBERTO/WALKER, a.a.O., S. 60 f., welche die AGB hinsichtlich von Ansprüchen, die bereits vor dem 1. Juli 2012 entstanden sind, der bisherigen Geltungs- und Auslegungskontrolle, in Bezug auf Ansprüche, deren Voraussetzungen sich nach dem 1. Juli 2012 erfüllen, dagegen der Inhaltskontrolle im Sinne des revidierten Art. 8 UWG unterziehen möchten). Die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist mithin dahingehend zu beantworten, dass, wenn eine automatische Vertragsverlängerung gemäss den allgemeinen Geschäftsbedingungen eintrat, als der revidierte Art. 8 UWG noch nicht in Kraft war, die zugrunde liegende Klausel nicht nach dem neuen Recht zu beurteilen ist.
4.4 Art. 8 UWG Art. 3 SchlT ZGB BGE 140 III 404 S. 408
Art. 8 UWG Art. 2 SchlT ZGB Art. 8 UWG Art. 8 UWG 4.5 Die Vorinstanz hat demnach nicht gegen Bundesrecht verstossen, wenn sie angesichts der vorliegenden Streitsache keine auf den revidierten Art. 8 UWG gestützte Inhaltskontrolle vornahm. Damit kann offenbleiben, wie eine solche ausfallen würde. Der Vollständigkeit halber ist immerhin Folgendes zu bemerken: Die Beschwerdeführerin geht davon aus, dass eine "automatische Verlängerung befristet geschlossener Abonnementsverträge" unter dem neuen Recht generell als missbräuchlich anzuschauen sein wird. Indessen ergibt sich eine derartige Regel weder aus dem Wortlaut von Art. 8 UWG noch aus der in der Beschwerde zitierten Materialien- und BGE 140 III 404 S. 409 Literaturstelle: So erwähnte Bundesrat Schneider-Ammann im Nationalrat Klauseln mit einem dahingehenden Inhalt lediglich als solche, die einer "richterlichen Missbrauchskontrolle unterliegen könnten" (AB 2011 N 228 f.). Unter Hinweis auf dieses Votum wurde in der Lehre diese "Klauselgruppe" zu jenen gezählt, die "für ein erhebliches Missverhältnis in Betracht" fallen werden, so wie etwa auch Freizeichnungsklauseln, Abreden über die Verjährung sowie Rechtswahl-, Gerichtsstands- und Schiedsgerichtsklauseln (SCHMID, Die Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen: Überlegungen zum neuen Art. 8 UWG, ZBJV 2012 S. 12 f.). Von der generellen Unzulässigkeit entsprechender Klauseln war dagegen weder am einen noch am anderen Ort die Rede. Ein entsprechendes (allgemeines) Verbot folgt schliesslich auch nicht aus der ebenfalls erwähnten Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95 vom 21. April 1993 S. 29).
4.5 Art. 8 UWG Art. 8 UWG BGE 140 III 404 S. 409
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Urteilskopf 140 III 409 61. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. GmbH gegen B. (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_93/2014 vom 4. Juli 2014 Regeste a Art. 6 Abs. 2 ZPO ; sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts. Keine sachliche Zuständigkeit des Handelsgericht nach Art. 6 Abs. 2 ZPO, wenn der Beklagte nur in seiner Eigenschaft als Organ im Handelsregister eingetragen ist (E. 2). Regeste b Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO ; Art. 812 OR ; Streitigkeiten aus dem Recht der Handelsgesellschaften; Treuepflicht des Geschäftsführers einer GmbH; Auskunftsanspruch der GmbH. Aus der Treuepflicht des Geschäftsführers nach Art. 812 OR ergibt sich kein materiellrechtlicher Anspruch der GmbH auf Auskunftserteilung. Sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts für das Auskunftsbegehren der GmbH zutreffend verneint (E. 3). Regeste c Art. 85 ZPO ; Stufenklage; unbezifferte Forderungsklage. Abgrenzung der Stufenklage von der unbezifferten Forderungsklage. Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer unbezifferten Forderungsklage (E. 4). Sachverhalt ab Seite 410 BGE 140 III 409 S. 410 A. B. (Beklagter, Beschwerdegegner), der Geschäftsführer der A. GmbH (Klägerin, Beschwerdeführerin; Sitz in St. Gallen), erklärte dieser mit Schreiben vom 25. Februar 2010 die "fristlose/ausserordentliche Kündigung aus wichtigen Gründen". In der Folge forderte die A. GmbH von B. in verschiedener Hinsicht Auskunft zu seiner bisherigen Tätigkeit als Geschäftsführer. B. verweigerte die Auskunft. B. Am 14. Oktober 2011 reichte die A. GmbH beim Handelsgericht des Kantons St. Gallen Klage gegen B. ein. Sie forderte vorab Auskunft über diverse einzeln bezeichnete Geschäftsvorgänge (Ziff. 1) und weiter die Verurteilung des B. zur Zahlung von mindestens Fr. 10'000.- nebst Zins unter Vorbehalt der Mehrforderung und unter Vorbehalt der Klageänderung nach Erteilung der Auskunft gemäss Ziff. 1 oder nach dem Ergebnis des Beweisverfahrens (Ziff. 2). BGE 140 III 409 S. 411 Mit Entscheid vom 21. Oktober 2013 verneinte das Handelsgericht des Kantons St. Gallen seine sachliche Zuständigkeit für das Auskunftsbegehren und trat gestützt darauf auch auf das Leistungsbegehren nicht ein. C. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die A. GmbH, es sei das Urteil des Handelsgerichts des Kantons St. Gallen vom 21. Oktober 2013 aufzuheben und es sei das Handelsgericht anzuweisen, auf die Klage einzutreten. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die Beschwerdeführerin stellt zu Recht nicht in Frage, dass die Vorinstanz ihre sachliche Zuständigkeit nach Art. 6 Abs. 2 ZPO verneint hat, weil der Beschwerdegegner nur in seiner Eigenschaft als Organ, nicht jedoch als Unternehmer unter seiner Firma im Handelsregister eingetragen war (vgl. BERNHARD BERGER, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, N. 10 zu Art. 6 ZPO ; VOCK/NATER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 12 zu Art. 6 ZPO ; DAVID RÜETSCHI, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 24 zu Art. 6 ZPO ; ALEXANDER BRUNNER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], Kommentar, 2011, N. 19 zu Art. 6 ZPO ). 3. Die Vorinstanz ist mit der Beschwerdeführerin davon ausgegangen, dass der Kanton St. Gallen das Handelsgericht für zuständig erklärt hat, "Streitigkeiten aus dem Recht der Handelsgesellschaften und Genossenschaften" zu beurteilen ( Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO ). Sie hat jedoch verneint, dass die Auskunftsbegehren (Ziff. 1 der Klage) als Teil der Stufenklage unter diese Zuständigkeitsbestimmung fallen, da für diese Begehren keine gesellschaftsrechtliche Grundlage bestehe. Die Beschwerdeführerin beanstandet dies als bundesrechtswidrig. 3.1 Die sachliche Zuständigkeit gemäss Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO bezieht sich auf Klagen, die ihre Grundlage in der dritten Abteilung des OR über "[d]ie Handelsgesellschaften und die Genossenschaft" ( Art. 552-926 OR ) haben, auf welche der Wortlaut verweist (BERGER, a.a.O., N. 46 zu Art. 6 ZPO ; VOCK/NATER, a.a.O., N. 16 zu Art. 6 BGE 140 III 409 S. 412 ZPO ; RÜETSCHI, a.a.O., N. 36 zu Art. 6 ZPO ). Die Beschwerdeführerin sucht denn auch, ihren Anspruch auf Auskunft gemäss Ziff. 1 ihrer Rechtsbegehren auf Art. 812 OR zu stützen. Danach müssen die Geschäftsführer sowie Dritte, die mit der Geschäftsführung befasst sind, ihre Aufgabe mit aller Sorgfalt erfüllen und die Interessen der Gesellschaft in guten Treuen wahren (Abs. 1). Sie unterstehen der gleichen Treuepflicht wie die Gesellschafter (Abs. 2) und dürfen grundsätzlich keine konkurrenzierenden Tätigkeiten ausüben (Abs. 3). Die Geschäftsführer einer GmbH stehen wie die Geschäftsführer einer AG in einem schuldrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Doppelverhältnis zur Gesellschaft mit der Folge, dass sich das in einem Anstellungsverhältnis stehende Organ sowohl an die Treuepflicht des Arbeitnehmers nach Art. 321a OR wie auch an die organschaftliche Treuepflicht nach Art. 812 OR halten muss ( BGE 130 III 213 E. 2.1 S. 216 f. [zur AG]; WATTER/ROTH PELLANDA, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. II, 4. Aufl. 2012, N. 9 zu Art. 809 OR ; BRIGITTA KRATZ, in: GmbH, Genossenschaften, Handelsregister und Wertpapiere, 2. Aufl. 2012, N. 3a zu Art. 809 OR ). 3.2 Ein materiellrechtlicher Anspruch auf Auskunft oder Rechenschaft kann sich aus Gesetz oder Vertrag ergeben und kann selbständig eingeklagt werden (vgl. z.B. BGE 139 III 49 E. 3.4 S. 53; BGE 138 III 728 E. 2 S. 729 ff.; Urteil des Bundesgerichts 5A_136/2012 vom 17. Dezember 2012 E. 3; vgl. auch YVES WALDMANN, Informationsbeschaffung durch Zivilprozess, 2009, S. 40 ff.; ALEXANDER MARKUS, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, N. 18 zu Art. 85 ZPO ; KARL SPÜHLER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 14 zu Art. 85 ZPO ). Fraglich ist, ob sich aus der allgemeinen Treuepflicht nach Art. 812 OR ein solcher materiellrechtlicher Auskunftsanspruch ableiten lässt. 3.2.1 Die Vorinstanz hat die Frage verneint. Die Beschwerdeführerin gesteht denn auch zu, dass Art. 812 OR eine Auskunfts- oder Rechenschaftspflicht nicht ausdrücklich vorsieht und dass eine solche "bisher in Lehre und Rechtsprechung, soweit ersichtlich, nicht thematisiert worden ist". Sie macht jedoch geltend, die Rechenschaftspflicht sei Bestandteil der allgemeinen Treuepflicht und werde auch in Bezug auf den Geschäftsführer ohne Auftrag, den Willensvollstrecker und den amtlichen Erbschaftsverwalter bejaht, obwohl eine solche Pflicht weder in Art. 419 OR noch in Art. 518 bzw. Art. 554 ZGB ausdrücklich vorgesehen sei. BGE 140 III 409 S. 413 3.2.2 Die in Art. 812 Abs. 1 und 2 OR vorgesehene Treuepflicht der Geschäftsführer einer GmbH schreibt diesen vor, ihre eigenen Interessen und diejenigen von ihnen nahestehenden Personen hinter die Interessen der Gesellschaft zu stellen (CHRISTOPHE BUCHWALDER, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. II, 2008, N. 6 zu Art. 812 OR ; WATTER/ROTH PELLANDA, a.a.O., N. 6 zu Art. 812 OR ; SIFFERT/FISCHER/PETRIN, in: GmbH-Recht, Revidiertes Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung [ Art. 772-827 OR ], 2008, N. 5 zu Art. 812 OR ; KÜNG/CAMP, GmbH-Recht, Das revidierte Recht zur Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 2006, N. 5 zu Art. 812 OR ). Insbesondere sind dem Geschäftsführer Insichgeschäfte grundsätzlich untersagt (BUCHWALDER, a.a.O., N. 7 zu Art. 812 OR ; WATTER/ROTH PELLANDA, a.a.O., N. 6 zu Art. 812 OR ; SIFFERT/FISCHER/PETRIN, a.a.O., N. 5 zu Art. 812 OR ). Zudem ergibt sich aus der Treuepflicht die Pflicht zur Geheimhaltung (BUCHWALDER, a.a.O., N. 11 zu Art. 812 OR ; WATTER/ROTH PELLANDA, a.a.O., N. 7 zu Art. 812 OR ; SIFFERT/FISCHER/PETRIN, a.a.O., N. 6 zu Art. 812 OR ). Ein materiellrechtlicher Anspruch auf Auskunftserteilung wurde in der Lehre und der Rechtsprechung aus dieser Norm bisher nicht abgeleitet. Ein solcher ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch aus den Materialien (vgl. Botschaft vom 19. Dezember 2001 zur Revision des Obligationenrechts [GmbH-Recht sowie Anpassungen im Aktien-, Genossenschafts-, Handelsregister- und Firmenrecht], BBl 2002 3162 Ziff. 1.3.11, 3203 Ziff. 2.1.2.11). Systematisch und teleologisch ist zu berücksichtigen, dass in den von der Beschwerdeführerin angeführten Beispielen die Rechenschaftspflicht jeweils nicht aus den zitierten Artikeln abgeleitet, sondern Auftragsrecht (analog oder ergänzend) angewandt wird (zur Geschäftsführung ohne Auftrag: BGE 112 II 450 E. 5 S. 458; zum Willensvollstrecker: BGE 101 II 47 E. 2 S. 53; zum amtlichen Erbschaftsverwalter: vgl. nur KARRER/VOGT/LEU, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. II, 4. Aufl. 2011, N. 38 zu Art. 554 ZGB ). Eine analoge Anwendung von Art. 400 OR auf das gesellschaftsrechtliche Verhältnis zwischen Gesellschaft und Organ ist indessen nicht am Platz. Dieses mag zwar auftragsähnliche Merkmale aufweisen. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass die eigenständige auftragsrechtliche Rechenschaftspflicht nach Art. 400 OR allgemein und ohne Rücksicht auf die konkreten vertraglichen Vereinbarungen auf das gesellschaftsrechtliche Verhältnis zwischen einer Gesellschaft und ihren Organen übertragen werden kann. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht lässt sich insofern nicht zu einem eigentlichen Auftrag erweitern. BGE 140 III 409 S. 414 Schliesslich ist zu berücksichtigen, dass die Verneinung eines eigenständigen materiellrechtlichen Anspruchs gestützt auf das Gesellschaftsrecht nicht bedeutet, dass der Geschäftsführer einer GmbH keine Auskunftspflicht hat, wie die Beschwerdeführerin offenbar zu befürchten scheint. Den Gesellschaftern muss der Geschäftsführer als Organ für die Gesellschaft nach Art. 802 Abs. 1 OR Auskunft erteilen (vgl. dazu WALDMANN, a.a.O., S. 174 ff.). Dies ist gleichzeitig ein Indiz dafür, dass der Gesetzgeber Auskunftspflichten ausdrücklich geregelt hat, wo er Bedarf für solche sah. Hätte er weitere gesellschaftsrechtliche Auskunftspflichten eines Organs einführen wollen, so wäre auch zu bestimmen gewesen, welchen übrigen Organen die Auskunft geschuldet wäre (Gesellschafterversammlung [ Art. 804 ff. OR ] oder Revisionsstelle [Art. 818 i.V.m. Art. 727 ff. OR ]). Auskunftspflichten hat der Geschäftsführer zudem aus dem mit der Gesellschaft in der Regel parallel bestehenden Arbeits- oder Auftragsverhältnis (dazu sogleich E. 3.2.3). Daraus ergibt sich insgesamt, dass sich aus Art. 812 OR kein materiellrechtlicher Anspruch auf Auskunftserteilung des Geschäftsführers ableiten lässt. 3.2.3 Für Ansprüche auf Auskunft oder Rechenschaft gestützt auf den zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag (vgl. Art. 321b OR ) erachtete sich die Vorinstanz als nicht zuständig. Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe gegen die Praxis zum Doppelverhältnis verstossen, indem sie ihren Auskunftsanspruch als arbeitsvertraglichen und damit nicht als gesellschaftsrechtlichen Anspruch qualifiziert habe. Dies trifft nicht zu. Die Vorinstanz ist im Gegenteil davon ausgegangen, dass sich ein Auskunftsanspruch theoretisch sowohl gesetzlich gestützt auf das Recht der Handelsgesellschaften als auch vertraglich begründen liesse. Erst nachdem sie einen gesetzlichen gesellschaftsrechtlichen Anspruch verneint hatte, führte die Vorinstanz zusätzlich aus, für einen arbeitsrechtlichen Auskunftsanspruch sei sie nicht zuständig. Denn die Geltendmachung eines solchen Anspruchs ist nicht als Streitigkeit aus dem Recht der Handelsgesellschaften und Genossenschaften i.S. von Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO zu beurteilen. 3.3 Die Vorinstanz hat somit zutreffend erkannt, dass sich aus den Bestimmungen zum Recht der Handelsgesellschaften und der Genossenschaft keine materielle Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch der Klägerin auf Auskunftserteilung durch den Beklagten ergibt, der unabhängig und selbständig vom Vertragsverhältnis bestehen würde, das die Beschwerdeführerin mit ihrem BGE 140 III 409 S. 415 ehemaligen Geschäftsführer eingegangen ist. Sie hat bundesrechtskonform verneint, dass die Rechtsbegehren der Beschwerdeführerin auf Auskunftserteilung in Ziff. 1 ihrer Klage ihre Grundlage im Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung haben und damit in die sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts nach Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO fallen. 4. Die Vorinstanz hat aus ihrer fehlenden sachlichen Zuständigkeit zur Beurteilung der Auskunftsbegehren in Ziff. 1 der Klage abgeleitet, dass auch auf die Leistungsklage nach Ziff. 2 nicht einzutreten sei. 4.1 Die Beschwerdeführerin hat in der Klage erklärt, sie mache Ansprüche aus gesellschaftsrechtlicher Verantwortlichkeit gegen den Beschwerdegegner als ihren ehemaligen Geschäftsführer geltend (Art. 827 i.V.m. Art. 754 OR ). Es sei ihr ein Schaden dadurch entstanden, dass der Beschwerdegegner Geld von ihr bezogen und darüber nicht abgerechnet und es nicht zurückerstattet habe. Verantwortlichkeitsklagen fallen unstreitig in den sachlichen Zuständigkeitsbereich des Handelsgerichts nach Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO (BERGER, a.a.O., N. 46 zu Art. 6 ZPO ; VOCK/NATER, a.a.O., N. 16 zu Art. 6 ZPO ; RÜETSCHI, a.a.O., N. 36 zu Art. 6 ZPO ; BRUNNER, a.a.O., N. 37 zu Art. 6 ZPO ). 4.2 Die Vorinstanz ist auf das Schadenersatzbegehren mit der Begründung nicht eingetreten, eine objektive Klagenhäufung nach Art. 90 ZPO sei nur zulässig, wenn für alle Ansprüche die gleiche sachliche Zuständigkeit bestehe. Fehle es an der sachlichen Zuständigkeit des Handelsgerichts in Bezug auf den materiellen Auskunftsanspruch, so sei auf die Stufenklage insgesamt nicht einzutreten, da die zweite Klage auf der ersten aufbaue. Die Beschwerdeführerin hält dafür, ihr Leistungsbegehren in Ziff. 2 der Klage dürfe mit dem Auskunftsbegehren in Ziff. 1 nicht derart verknüpft werden, dass dieser Leistungsanspruch mit dem Auskunftsbegehren geradezu stehe und falle. Sie rügt eine Verletzung von Art. 85 ZPO. 4.3 Art. 85 Abs. 1 ZPO regelt sowohl die unbezifferte Forderungsklage im engeren Sinne einerseits wie die Stufenklage andererseits (MARKUS, a.a.O., N. 1 zu Art. 85 ZPO ; SPÜHLER, a.a.O., N. 9 zu Art. 85 ZPO ). Die Stufenklage ist dadurch charakterisiert, dass ein materiellrechtlicher Hilfsanspruch auf Rechnungslegung mit einer unbezifferten Forderungsklage verbunden wird ( BGE 123 III 140 E. 2b S. 142; BGE 140 III 409 S. 416 BGE 116 II 215 E. 4a S. 220). Eine Stufenklage liegt somit definitionsgemäss nicht vor, wenn kein selbständiger Hilfsanspruch auf Auskunftserteilung besteht, der mit der unbezifferten Forderungsklage verbunden werden kann. Zu prüfen bleibt hingegen, ob das Leistungsbegehren der Beschwerdeführerin in Ziff. 2 der Klage als unbezifferte Forderungsklage im engeren Sinne hätte behandelt werden müssen, wie sie behauptet. 4.3.1 Nach Art. 85 Abs. 1 ZPO kann die klagende Partei eine unbezifferte Forderungsklage erheben, wenn es ihr unmöglich oder unzumutbar ist, ihre Forderung bereits zu Beginn des Prozesses zu beziffern. Sie muss dabei einen Mindeststreitwert angeben, der als vorläufiger Streitwert gilt. Nach der Botschaft des Bundesrates wird damit die klagende Partei von der Verpflichtung befreit, ihr Rechtsbegehren zu beziffern (Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, BBl 2006 7287 zu Art. 83 Entwurf). Dies hat insbesondere dort zu gelten, wo erst das Beweisverfahren die Grundlage der Bezifferung der Forderung abgibt; hier ist dem Kläger zu gestatten, die Präzisierung erst nach Abschluss des Beweisverfahrens vorzunehmen (so bereits vor Inkrafttreten der ZPO: BGE 131 III 243 E. 5.1 S. 245 f.; BGE 116 II 215 E. 4a S. 219). Da die ZPO die Bezifferung von Forderungsklagen grundsätzlich verlangt ( Art. 84 Abs. 2 ZPO ), ist jedoch der Anspruch soweit möglich und zumutbar zu substanziieren; so wird namentlich auch in Anwendungsfällen von Art. 42 Abs. 2 OR verlangt, dass der Geschädigte alle Umstände, die für den Eintritt eines Schadens sprechen und dessen Abschätzung erlauben oder erleichtern, soweit möglich und zumutbar behauptet und beweist ( BGE 122 III 219 E. 3a S. 221 mit Hinweisen; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 4A_463/2012 vom 19. Dezember 2012 E. 6). 4.3.2 Nach dem Gesagten genügt es entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht, einzig unter Hinweis auf fehlende Informationen auf die an sich erforderliche Bezifferung zu verzichten. Vielmehr obliegt der Beschwerdeführerin der Nachweis, dass und inwieweit eine Bezifferung unmöglich oder unzumutbar ist. Nur soweit ein Beweisverfahren schon für schlüssige Behauptungen unabdingbar ist, fehlt es an der Möglichkeit oder Zumutbarkeit der Bezifferung. Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, ist die Forderung nach dem Grundsatz von Art. 84 Abs. 2 ZPO zu beziffern. Dass es aber der Beschwerdeführerin aus objektiven Gründen unmöglich oder wenigstens unzumutbar gewesen wäre, die von ihr BGE 140 III 409 S. 417 eingeklagten Schadenspositionen zu beziffern oder dass sie gegebenenfalls sämtliche Umstände für Eintritt und Höhe des Schadens soweit zumutbar behauptet hätte, bringt sie nicht vor. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin hätte die Vorinstanz sie auch nicht dazu auffordern müssen, ihr Leistungsbegehren zu beziffern. Insbesondere stellt die fehlende Bezifferung vorliegend keinen Mangel i.S. von Art. 132 Abs. 1 ZPO dar, zu dessen Verbesserung das Gericht eine Nachfrist einzuräumen hätte. Bei Einreichung einer unbezifferten Forderungsklage ist es vielmehr Aufgabe der klagenden Partei, ihr Begehren so weit wie möglich zu beziffern und wo dies nicht möglich ist aufzuzeigen, dass die erwähnten Bedingungen für eine unbezifferte Forderungsklage erfüllt sind. Es liegt somit keine Verletzung des rechtlichen Gehörs ( Art. 29 Abs. 2 BV ) vor. 4.4 Für eine unbezifferte Leistungsklage im engeren Sinne gemäss Art. 85 ZPO fehlt nach dem Gesagten der Nachweis seitens der Beschwerdeführerin, dass ihr eine Bezifferung der einzelnen Schadenspositionen nicht möglich bzw. nicht zumutbar war. Selbst wenn also das Leistungsbegehren in Ziff. 2 der Klage als unbezifferte Forderungsklage ausgelegt würde, die nach dem Willen der Beschwerdeführerin auch unabhängig vom Hilfsanspruch auf Rechnungslegung zu beurteilen sei, so ist auf diese mangels Bezifferung der Schadenersatzforderung nicht einzutreten (vgl. NICOLAS GUT, Die unbezifferte Forderungsklage nach der Schweizerischen Zivilprozessordnung, 2014, N. 131 mit Hinweisen; SABINE BAUMANN WEY, Die unbezifferte Forderungsklage nach Art. 85 ZPO, 2013, N. 547 ff.). Damit kann offenbleiben, ob die Vorinstanz bei gehöriger Substanziierung auf die unbezifferte Forderungsklage im engeren Sinn auch dann hätte eintreten müssen, wenn die Beschwerdeführerin dieses Begehren ausdrücklich nur in Verbindung mit dem Auskunftsbegehren als Stufenklage hätte beurteilt haben wollen.
Urteilskopf
61. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. GmbH gegen B. (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_93/2014 vom 4. Juli 2014
Regeste a Art. 6 Abs. 2 ZPO ; sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts. Keine sachliche Zuständigkeit des Handelsgericht nach Art. 6 Abs. 2 ZPO, wenn der Beklagte nur in seiner Eigenschaft als Organ im Handelsregister eingetragen ist (E. 2).
Regeste a
Art. 6 Abs. 2 ZPO ; sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts. Keine sachliche Zuständigkeit des Handelsgericht nach Art. 6 Abs. 2 ZPO, wenn der Beklagte nur in seiner Eigenschaft als Organ im Handelsregister eingetragen ist (E. 2).
Art. 6 Abs. 2 ZPO Keine sachliche Zuständigkeit des Handelsgericht nach Art. 6 Abs. 2 ZPO, wenn der Beklagte nur in seiner Eigenschaft als Organ im Handelsregister eingetragen ist (E. 2).
Art. 6 Abs. 2 ZPO Regeste b Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO ; Art. 812 OR ; Streitigkeiten aus dem Recht der Handelsgesellschaften; Treuepflicht des Geschäftsführers einer GmbH; Auskunftsanspruch der GmbH. Aus der Treuepflicht des Geschäftsführers nach Art. 812 OR ergibt sich kein materiellrechtlicher Anspruch der GmbH auf Auskunftserteilung. Sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts für das Auskunftsbegehren der GmbH zutreffend verneint (E. 3).
Regeste b
Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO ; Art. 812 OR ; Streitigkeiten aus dem Recht der Handelsgesellschaften; Treuepflicht des Geschäftsführers einer GmbH; Auskunftsanspruch der GmbH. Aus der Treuepflicht des Geschäftsführers nach Art. 812 OR ergibt sich kein materiellrechtlicher Anspruch der GmbH auf Auskunftserteilung. Sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts für das Auskunftsbegehren der GmbH zutreffend verneint (E. 3).
Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO Art. 812 OR Aus der Treuepflicht des Geschäftsführers nach Art. 812 OR ergibt sich kein materiellrechtlicher Anspruch der GmbH auf Auskunftserteilung. Sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts für das Auskunftsbegehren der GmbH zutreffend verneint (E. 3).
Art. 812 OR Regeste c Art. 85 ZPO ; Stufenklage; unbezifferte Forderungsklage. Abgrenzung der Stufenklage von der unbezifferten Forderungsklage. Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer unbezifferten Forderungsklage (E. 4).
Regeste c
Art. 85 ZPO ; Stufenklage; unbezifferte Forderungsklage. Abgrenzung der Stufenklage von der unbezifferten Forderungsklage. Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer unbezifferten Forderungsklage (E. 4).
Art. 85 ZPO Abgrenzung der Stufenklage von der unbezifferten Forderungsklage. Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer unbezifferten Forderungsklage (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 410
Sachverhalt ab Seite 410 BGE 140 III 409 S. 410
BGE 140 III 409 S. 410
A. B. (Beklagter, Beschwerdegegner), der Geschäftsführer der A. GmbH (Klägerin, Beschwerdeführerin; Sitz in St. Gallen), erklärte dieser mit Schreiben vom 25. Februar 2010 die "fristlose/ausserordentliche Kündigung aus wichtigen Gründen". In der Folge forderte die A. GmbH von B. in verschiedener Hinsicht Auskunft zu seiner bisherigen Tätigkeit als Geschäftsführer. B. verweigerte die Auskunft.
A. B. Am 14. Oktober 2011 reichte die A. GmbH beim Handelsgericht des Kantons St. Gallen Klage gegen B. ein. Sie forderte vorab Auskunft über diverse einzeln bezeichnete Geschäftsvorgänge (Ziff. 1) und weiter die Verurteilung des B. zur Zahlung von mindestens Fr. 10'000.- nebst Zins unter Vorbehalt der Mehrforderung und unter Vorbehalt der Klageänderung nach Erteilung der Auskunft gemäss Ziff. 1 oder nach dem Ergebnis des Beweisverfahrens (Ziff. 2). BGE 140 III 409 S. 411
B. BGE 140 III 409 S. 411
Mit Entscheid vom 21. Oktober 2013 verneinte das Handelsgericht des Kantons St. Gallen seine sachliche Zuständigkeit für das Auskunftsbegehren und trat gestützt darauf auch auf das Leistungsbegehren nicht ein.
C. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die A. GmbH, es sei das Urteil des Handelsgerichts des Kantons St. Gallen vom 21. Oktober 2013 aufzuheben und es sei das Handelsgericht anzuweisen, auf die Klage einzutreten.
C. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
2. Die Beschwerdeführerin stellt zu Recht nicht in Frage, dass die Vorinstanz ihre sachliche Zuständigkeit nach Art. 6 Abs. 2 ZPO verneint hat, weil der Beschwerdegegner nur in seiner Eigenschaft als Organ, nicht jedoch als Unternehmer unter seiner Firma im Handelsregister eingetragen war (vgl. BERNHARD BERGER, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, N. 10 zu Art. 6 ZPO ; VOCK/NATER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 12 zu Art. 6 ZPO ; DAVID RÜETSCHI, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 24 zu Art. 6 ZPO ; ALEXANDER BRUNNER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], Kommentar, 2011, N. 19 zu Art. 6 ZPO ).
2. Art. 6 Abs. 2 ZPO Art. 6 ZPO Art. 6 ZPO Art. 6 ZPO Art. 6 ZPO 3. Die Vorinstanz ist mit der Beschwerdeführerin davon ausgegangen, dass der Kanton St. Gallen das Handelsgericht für zuständig erklärt hat, "Streitigkeiten aus dem Recht der Handelsgesellschaften und Genossenschaften" zu beurteilen ( Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO ). Sie hat jedoch verneint, dass die Auskunftsbegehren (Ziff. 1 der Klage) als Teil der Stufenklage unter diese Zuständigkeitsbestimmung fallen, da für diese Begehren keine gesellschaftsrechtliche Grundlage bestehe. Die Beschwerdeführerin beanstandet dies als bundesrechtswidrig.
3. Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO 3.1 Die sachliche Zuständigkeit gemäss Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO bezieht sich auf Klagen, die ihre Grundlage in der dritten Abteilung des OR über "[d]ie Handelsgesellschaften und die Genossenschaft" ( Art. 552-926 OR ) haben, auf welche der Wortlaut verweist (BERGER, a.a.O., N. 46 zu Art. 6 ZPO ; VOCK/NATER, a.a.O., N. 16 zu Art. 6 BGE 140 III 409 S. 412 ZPO ; RÜETSCHI, a.a.O., N. 36 zu Art. 6 ZPO ). Die Beschwerdeführerin sucht denn auch, ihren Anspruch auf Auskunft gemäss Ziff. 1 ihrer Rechtsbegehren auf Art. 812 OR zu stützen. Danach müssen die Geschäftsführer sowie Dritte, die mit der Geschäftsführung befasst sind, ihre Aufgabe mit aller Sorgfalt erfüllen und die Interessen der Gesellschaft in guten Treuen wahren (Abs. 1). Sie unterstehen der gleichen Treuepflicht wie die Gesellschafter (Abs. 2) und dürfen grundsätzlich keine konkurrenzierenden Tätigkeiten ausüben (Abs. 3). Die Geschäftsführer einer GmbH stehen wie die Geschäftsführer einer AG in einem schuldrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Doppelverhältnis zur Gesellschaft mit der Folge, dass sich das in einem Anstellungsverhältnis stehende Organ sowohl an die Treuepflicht des Arbeitnehmers nach Art. 321a OR wie auch an die organschaftliche Treuepflicht nach Art. 812 OR halten muss ( BGE 130 III 213 E. 2.1 S. 216 f. [zur AG]; WATTER/ROTH PELLANDA, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. II, 4. Aufl. 2012, N. 9 zu Art. 809 OR ; BRIGITTA KRATZ, in: GmbH, Genossenschaften, Handelsregister und Wertpapiere, 2. Aufl. 2012, N. 3a zu Art. 809 OR ).
3.1 Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO Art. 552-926 OR Art. 6 ZPO Art. 6 BGE 140 III 409 S. 412 ZPO BGE 140 III 409 S. 412
Art. 6 ZPO Art. 812 OR Art. 321a OR Art. 812 OR Art. 809 OR Art. 809 OR 3.2 Ein materiellrechtlicher Anspruch auf Auskunft oder Rechenschaft kann sich aus Gesetz oder Vertrag ergeben und kann selbständig eingeklagt werden (vgl. z.B. BGE 139 III 49 E. 3.4 S. 53; BGE 138 III 728 E. 2 S. 729 ff.; Urteil des Bundesgerichts 5A_136/2012 vom 17. Dezember 2012 E. 3; vgl. auch YVES WALDMANN, Informationsbeschaffung durch Zivilprozess, 2009, S. 40 ff.; ALEXANDER MARKUS, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, N. 18 zu Art. 85 ZPO ; KARL SPÜHLER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 14 zu Art. 85 ZPO ). Fraglich ist, ob sich aus der allgemeinen Treuepflicht nach Art. 812 OR ein solcher materiellrechtlicher Auskunftsanspruch ableiten lässt.
3.2 Art. 85 ZPO Art. 85 ZPO Art. 812 OR 3.2.1 Die Vorinstanz hat die Frage verneint. Die Beschwerdeführerin gesteht denn auch zu, dass Art. 812 OR eine Auskunfts- oder Rechenschaftspflicht nicht ausdrücklich vorsieht und dass eine solche "bisher in Lehre und Rechtsprechung, soweit ersichtlich, nicht thematisiert worden ist". Sie macht jedoch geltend, die Rechenschaftspflicht sei Bestandteil der allgemeinen Treuepflicht und werde auch in Bezug auf den Geschäftsführer ohne Auftrag, den Willensvollstrecker und den amtlichen Erbschaftsverwalter bejaht, obwohl eine solche Pflicht weder in Art. 419 OR noch in Art. 518 bzw. Art. 554 ZGB ausdrücklich vorgesehen sei. BGE 140 III 409 S. 413
3.2.1 Art. 812 OR Art. 419 OR Art. 554 ZGB BGE 140 III 409 S. 413
3.2.2 Die in Art. 812 Abs. 1 und 2 OR vorgesehene Treuepflicht der Geschäftsführer einer GmbH schreibt diesen vor, ihre eigenen Interessen und diejenigen von ihnen nahestehenden Personen hinter die Interessen der Gesellschaft zu stellen (CHRISTOPHE BUCHWALDER, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. II, 2008, N. 6 zu Art. 812 OR ; WATTER/ROTH PELLANDA, a.a.O., N. 6 zu Art. 812 OR ; SIFFERT/FISCHER/PETRIN, in: GmbH-Recht, Revidiertes Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung [ Art. 772-827 OR ], 2008, N. 5 zu Art. 812 OR ; KÜNG/CAMP, GmbH-Recht, Das revidierte Recht zur Gesellschaft mit beschränkter Haftung, 2006, N. 5 zu Art. 812 OR ). Insbesondere sind dem Geschäftsführer Insichgeschäfte grundsätzlich untersagt (BUCHWALDER, a.a.O., N. 7 zu Art. 812 OR ; WATTER/ROTH PELLANDA, a.a.O., N. 6 zu Art. 812 OR ; SIFFERT/FISCHER/PETRIN, a.a.O., N. 5 zu Art. 812 OR ). Zudem ergibt sich aus der Treuepflicht die Pflicht zur Geheimhaltung (BUCHWALDER, a.a.O., N. 11 zu Art. 812 OR ; WATTER/ROTH PELLANDA, a.a.O., N. 7 zu Art. 812 OR ; SIFFERT/FISCHER/PETRIN, a.a.O., N. 6 zu Art. 812 OR ).
3.2.2 Art. 812 Abs. 1 und 2 OR Art. 812 OR Art. 812 OR Art. 772-827 OR Art. 812 OR Art. 812 OR Art. 812 OR Art. 812 OR Art. 812 OR Art. 812 OR Art. 812 OR Art. 812 OR Ein materiellrechtlicher Anspruch auf Auskunftserteilung wurde in der Lehre und der Rechtsprechung aus dieser Norm bisher nicht abgeleitet. Ein solcher ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch aus den Materialien (vgl. Botschaft vom 19. Dezember 2001 zur Revision des Obligationenrechts [GmbH-Recht sowie Anpassungen im Aktien-, Genossenschafts-, Handelsregister- und Firmenrecht], BBl 2002 3162 Ziff. 1.3.11, 3203 Ziff. 2.1.2.11). Systematisch und teleologisch ist zu berücksichtigen, dass in den von der Beschwerdeführerin angeführten Beispielen die Rechenschaftspflicht jeweils nicht aus den zitierten Artikeln abgeleitet, sondern Auftragsrecht (analog oder ergänzend) angewandt wird (zur Geschäftsführung ohne Auftrag: BGE 112 II 450 E. 5 S. 458; zum Willensvollstrecker: BGE 101 II 47 E. 2 S. 53; zum amtlichen Erbschaftsverwalter: vgl. nur KARRER/VOGT/LEU, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. II, 4. Aufl. 2011, N. 38 zu Art. 554 ZGB ). Eine analoge Anwendung von Art. 400 OR auf das gesellschaftsrechtliche Verhältnis zwischen Gesellschaft und Organ ist indessen nicht am Platz. Dieses mag zwar auftragsähnliche Merkmale aufweisen. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass die eigenständige auftragsrechtliche Rechenschaftspflicht nach Art. 400 OR allgemein und ohne Rücksicht auf die konkreten vertraglichen Vereinbarungen auf das gesellschaftsrechtliche Verhältnis zwischen einer Gesellschaft und ihren Organen übertragen werden kann. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht lässt sich insofern nicht zu einem eigentlichen Auftrag erweitern. BGE 140 III 409 S. 414
Art. 554 ZGB Art. 400 OR Art. 400 OR BGE 140 III 409 S. 414
Schliesslich ist zu berücksichtigen, dass die Verneinung eines eigenständigen materiellrechtlichen Anspruchs gestützt auf das Gesellschaftsrecht nicht bedeutet, dass der Geschäftsführer einer GmbH keine Auskunftspflicht hat, wie die Beschwerdeführerin offenbar zu befürchten scheint. Den Gesellschaftern muss der Geschäftsführer als Organ für die Gesellschaft nach Art. 802 Abs. 1 OR Auskunft erteilen (vgl. dazu WALDMANN, a.a.O., S. 174 ff.). Dies ist gleichzeitig ein Indiz dafür, dass der Gesetzgeber Auskunftspflichten ausdrücklich geregelt hat, wo er Bedarf für solche sah. Hätte er weitere gesellschaftsrechtliche Auskunftspflichten eines Organs einführen wollen, so wäre auch zu bestimmen gewesen, welchen übrigen Organen die Auskunft geschuldet wäre (Gesellschafterversammlung [ Art. 804 ff. OR ] oder Revisionsstelle [Art. 818 i.V.m. Art. 727 ff. OR ]). Auskunftspflichten hat der Geschäftsführer zudem aus dem mit der Gesellschaft in der Regel parallel bestehenden Arbeits- oder Auftragsverhältnis (dazu sogleich E. 3.2.3). Daraus ergibt sich insgesamt, dass sich aus Art. 812 OR kein materiellrechtlicher Anspruch auf Auskunftserteilung des Geschäftsführers ableiten lässt.
Art. 802 Abs. 1 OR Art. 804 ff. OR Art. 727 ff. OR Art. 812 OR 3.2.3 Für Ansprüche auf Auskunft oder Rechenschaft gestützt auf den zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag (vgl. Art. 321b OR ) erachtete sich die Vorinstanz als nicht zuständig. Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe gegen die Praxis zum Doppelverhältnis verstossen, indem sie ihren Auskunftsanspruch als arbeitsvertraglichen und damit nicht als gesellschaftsrechtlichen Anspruch qualifiziert habe. Dies trifft nicht zu. Die Vorinstanz ist im Gegenteil davon ausgegangen, dass sich ein Auskunftsanspruch theoretisch sowohl gesetzlich gestützt auf das Recht der Handelsgesellschaften als auch vertraglich begründen liesse. Erst nachdem sie einen gesetzlichen gesellschaftsrechtlichen Anspruch verneint hatte, führte die Vorinstanz zusätzlich aus, für einen arbeitsrechtlichen Auskunftsanspruch sei sie nicht zuständig. Denn die Geltendmachung eines solchen Anspruchs ist nicht als Streitigkeit aus dem Recht der Handelsgesellschaften und Genossenschaften i.S. von Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO zu beurteilen.
3.2.3 Art. 321b OR Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO 3.3 Die Vorinstanz hat somit zutreffend erkannt, dass sich aus den Bestimmungen zum Recht der Handelsgesellschaften und der Genossenschaft keine materielle Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch der Klägerin auf Auskunftserteilung durch den Beklagten ergibt, der unabhängig und selbständig vom Vertragsverhältnis bestehen würde, das die Beschwerdeführerin mit ihrem BGE 140 III 409 S. 415 ehemaligen Geschäftsführer eingegangen ist. Sie hat bundesrechtskonform verneint, dass die Rechtsbegehren der Beschwerdeführerin auf Auskunftserteilung in Ziff. 1 ihrer Klage ihre Grundlage im Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung haben und damit in die sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts nach Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO fallen.
3.3 BGE 140 III 409 S. 415
Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO 4. Die Vorinstanz hat aus ihrer fehlenden sachlichen Zuständigkeit zur Beurteilung der Auskunftsbegehren in Ziff. 1 der Klage abgeleitet, dass auch auf die Leistungsklage nach Ziff. 2 nicht einzutreten sei.
4. 4.1 Die Beschwerdeführerin hat in der Klage erklärt, sie mache Ansprüche aus gesellschaftsrechtlicher Verantwortlichkeit gegen den Beschwerdegegner als ihren ehemaligen Geschäftsführer geltend (Art. 827 i.V.m. Art. 754 OR ). Es sei ihr ein Schaden dadurch entstanden, dass der Beschwerdegegner Geld von ihr bezogen und darüber nicht abgerechnet und es nicht zurückerstattet habe. Verantwortlichkeitsklagen fallen unstreitig in den sachlichen Zuständigkeitsbereich des Handelsgerichts nach Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO (BERGER, a.a.O., N. 46 zu Art. 6 ZPO ; VOCK/NATER, a.a.O., N. 16 zu Art. 6 ZPO ; RÜETSCHI, a.a.O., N. 36 zu Art. 6 ZPO ; BRUNNER, a.a.O., N. 37 zu Art. 6 ZPO ).
4.1 Art. 754 OR Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO Art. 6 ZPO Art. 6 ZPO Art. 6 ZPO Art. 6 ZPO 4.2 Die Vorinstanz ist auf das Schadenersatzbegehren mit der Begründung nicht eingetreten, eine objektive Klagenhäufung nach Art. 90 ZPO sei nur zulässig, wenn für alle Ansprüche die gleiche sachliche Zuständigkeit bestehe. Fehle es an der sachlichen Zuständigkeit des Handelsgerichts in Bezug auf den materiellen Auskunftsanspruch, so sei auf die Stufenklage insgesamt nicht einzutreten, da die zweite Klage auf der ersten aufbaue.
4.2 Art. 90 ZPO Die Beschwerdeführerin hält dafür, ihr Leistungsbegehren in Ziff. 2 der Klage dürfe mit dem Auskunftsbegehren in Ziff. 1 nicht derart verknüpft werden, dass dieser Leistungsanspruch mit dem Auskunftsbegehren geradezu stehe und falle. Sie rügt eine Verletzung von Art. 85 ZPO.
Art. 85 ZPO 4.3 Art. 85 Abs. 1 ZPO regelt sowohl die unbezifferte Forderungsklage im engeren Sinne einerseits wie die Stufenklage andererseits (MARKUS, a.a.O., N. 1 zu Art. 85 ZPO ; SPÜHLER, a.a.O., N. 9 zu Art. 85 ZPO ). Die Stufenklage ist dadurch charakterisiert, dass ein materiellrechtlicher Hilfsanspruch auf Rechnungslegung mit einer unbezifferten Forderungsklage verbunden wird ( BGE 123 III 140 E. 2b S. 142; BGE 140 III 409 S. 416 BGE 116 II 215 E. 4a S. 220). Eine Stufenklage liegt somit definitionsgemäss nicht vor, wenn kein selbständiger Hilfsanspruch auf Auskunftserteilung besteht, der mit der unbezifferten Forderungsklage verbunden werden kann. Zu prüfen bleibt hingegen, ob das Leistungsbegehren der Beschwerdeführerin in Ziff. 2 der Klage als unbezifferte Forderungsklage im engeren Sinne hätte behandelt werden müssen, wie sie behauptet.
4.3 Art. 85 Abs. 1 ZPO Art. 85 ZPO Art. 85 ZPO BGE 140 III 409 S. 416
4.3.1 Nach Art. 85 Abs. 1 ZPO kann die klagende Partei eine unbezifferte Forderungsklage erheben, wenn es ihr unmöglich oder unzumutbar ist, ihre Forderung bereits zu Beginn des Prozesses zu beziffern. Sie muss dabei einen Mindeststreitwert angeben, der als vorläufiger Streitwert gilt. Nach der Botschaft des Bundesrates wird damit die klagende Partei von der Verpflichtung befreit, ihr Rechtsbegehren zu beziffern (Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, BBl 2006 7287 zu Art. 83 Entwurf). Dies hat insbesondere dort zu gelten, wo erst das Beweisverfahren die Grundlage der Bezifferung der Forderung abgibt; hier ist dem Kläger zu gestatten, die Präzisierung erst nach Abschluss des Beweisverfahrens vorzunehmen (so bereits vor Inkrafttreten der ZPO: BGE 131 III 243 E. 5.1 S. 245 f.; BGE 116 II 215 E. 4a S. 219). Da die ZPO die Bezifferung von Forderungsklagen grundsätzlich verlangt ( Art. 84 Abs. 2 ZPO ), ist jedoch der Anspruch soweit möglich und zumutbar zu substanziieren; so wird namentlich auch in Anwendungsfällen von Art. 42 Abs. 2 OR verlangt, dass der Geschädigte alle Umstände, die für den Eintritt eines Schadens sprechen und dessen Abschätzung erlauben oder erleichtern, soweit möglich und zumutbar behauptet und beweist ( BGE 122 III 219 E. 3a S. 221 mit Hinweisen; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts 4A_463/2012 vom 19. Dezember 2012 E. 6).
4.3.1 Art. 85 Abs. 1 ZPO Art. 84 Abs. 2 ZPO Art. 42 Abs. 2 OR 4.3.2 Nach dem Gesagten genügt es entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht, einzig unter Hinweis auf fehlende Informationen auf die an sich erforderliche Bezifferung zu verzichten. Vielmehr obliegt der Beschwerdeführerin der Nachweis, dass und inwieweit eine Bezifferung unmöglich oder unzumutbar ist. Nur soweit ein Beweisverfahren schon für schlüssige Behauptungen unabdingbar ist, fehlt es an der Möglichkeit oder Zumutbarkeit der Bezifferung. Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, ist die Forderung nach dem Grundsatz von Art. 84 Abs. 2 ZPO zu beziffern. Dass es aber der Beschwerdeführerin aus objektiven Gründen unmöglich oder wenigstens unzumutbar gewesen wäre, die von ihr BGE 140 III 409 S. 417 eingeklagten Schadenspositionen zu beziffern oder dass sie gegebenenfalls sämtliche Umstände für Eintritt und Höhe des Schadens soweit zumutbar behauptet hätte, bringt sie nicht vor.
4.3.2 Art. 84 Abs. 2 ZPO BGE 140 III 409 S. 417
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin hätte die Vorinstanz sie auch nicht dazu auffordern müssen, ihr Leistungsbegehren zu beziffern. Insbesondere stellt die fehlende Bezifferung vorliegend keinen Mangel i.S. von Art. 132 Abs. 1 ZPO dar, zu dessen Verbesserung das Gericht eine Nachfrist einzuräumen hätte. Bei Einreichung einer unbezifferten Forderungsklage ist es vielmehr Aufgabe der klagenden Partei, ihr Begehren so weit wie möglich zu beziffern und wo dies nicht möglich ist aufzuzeigen, dass die erwähnten Bedingungen für eine unbezifferte Forderungsklage erfüllt sind. Es liegt somit keine Verletzung des rechtlichen Gehörs ( Art. 29 Abs. 2 BV ) vor.
Art. 132 Abs. 1 ZPO Art. 29 Abs. 2 BV 4.4 Für eine unbezifferte Leistungsklage im engeren Sinne gemäss Art. 85 ZPO fehlt nach dem Gesagten der Nachweis seitens der Beschwerdeführerin, dass ihr eine Bezifferung der einzelnen Schadenspositionen nicht möglich bzw. nicht zumutbar war. Selbst wenn also das Leistungsbegehren in Ziff. 2 der Klage als unbezifferte Forderungsklage ausgelegt würde, die nach dem Willen der Beschwerdeführerin auch unabhängig vom Hilfsanspruch auf Rechnungslegung zu beurteilen sei, so ist auf diese mangels Bezifferung der Schadenersatzforderung nicht einzutreten (vgl. NICOLAS GUT, Die unbezifferte Forderungsklage nach der Schweizerischen Zivilprozessordnung, 2014, N. 131 mit Hinweisen; SABINE BAUMANN WEY, Die unbezifferte Forderungsklage nach Art. 85 ZPO, 2013, N. 547 ff.). Damit kann offenbleiben, ob die Vorinstanz bei gehöriger Substanziierung auf die unbezifferte Forderungsklage im engeren Sinn auch dann hätte eintreten müssen, wenn die Beschwerdeführerin dieses Begehren ausdrücklich nur in Verbindung mit dem Auskunftsbegehren als Stufenklage hätte beurteilt haben wollen.
4.4 Art. 85 ZPO Art. 85 ZPO
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Urteilskopf 140 III 418 62. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. SA gegen B. (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_113/2014 vom 15. Juli 2014 Regeste Gerichtsstand am Erfüllungsort bei Erbringung von Dienstleistungen und Verkauf beweglicher Sachen (Art. 5 Nr. 1 Bst. b LugÜ). Bestimmung des Erfüllungsortsgerichtsstands nach Art. 5 Nr. 1 Bst. b LugÜ bei mehreren Verträgen zwischen denselben Parteien (E. 3). Der Erfüllungsortsgerichtsstand bestimmt sich, auch wenn bereits geleistet wurde, primär durch Auslegung des Vertrages. Der Erfüllungsort muss nicht ausdrücklich vereinbart worden sein (E. 4). Bestimmung des Gerichtsstands, wenn gemäss Vertrag mehrere Dienstleistungen in verschiedenen Staaten zu erbringen sind (E. 5). Gilt der Verkauf von Stammanteilen einer GmbH als Verkauf beweglicher Sachen? Frage offengelassen, da nicht dargetan wird, welche massgebende, zur vollständigen Übertragung der Anteile notwendige Handlung zur Annahme führen sollte, die engste Verknüpfung zwischen dem Vertrag und dem zuständigen Gericht bestehe nicht beim angerufenen Gericht in Zürich, sondern am behaupteten Erfüllungsort in Polen (E. 6). Erwägungen ab Seite 419 BGE 140 III 418 S. 419 Aus den Erwägungen: 3. B. (Beschwerdegegner) mit Wohnsitz in U. (ZH) stützt seine Forderung auf verschiedene Verträge mit der A. SA (Beschwerdeführerin) mit Sitz in Polen bzw. die Abtretung vertraglicher Ansprüche der C. GmbH mit Sitz in U. (ZH) gegen die Beschwerdeführerin. Es handelt sich um die "Zusammenarbeitsvereinbarung" vom 18. Oktober 2007, den "Management Contract" vom 31. Dezember 2008 und das "Purchasing Agreement" vom 31. Dezember 2008. 3.1 Neben einer behaupteten Gerichtsstandvereinbarung, welche die Vorinstanz nicht als gegeben erachtete, leitet der Beschwerdegegner die Zuständigkeit der Vorinstanz aus dem Gerichtsstand am Erfüllungsort nach Art. 5 Nr. 1 LugÜ (SR 0.275.12) ab. Er macht geltend, Erfüllungsort aller Ansprüche sei Zürich. Die Beschwerdeführerin geht dagegen davon aus, Erfüllungsort sei Polen. 3.2 Bilden ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand eines Gerichtsverfahrens, kann nach Art. 5 Nr. 1 Bst. a LugÜ vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre, geklagt werden. Ist nichts anderes vereinbart worden, ist der Erfüllungsort der Verpflichtung nach Art. 5 Nr. 1 Bst. b LugÜ für den Verkauf beweglicher Sachen der Ort, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen, und für die Erbringung von Dienstleistungen der Ort, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen. Mit Art. 5 Nr. 1 Bst. b LugÜ wurde für Klagen aus Kaufverträgen über bewegliche Sachen und aus Dienstleistungsverträgen ein Erfüllungsortsgerichtsstand geschaffen, bei dem der Gerichtsstand übereinkommensautonom, also grundsätzlich ohne Anknüpfung an die lex causae, zu bestimmen ist. Er liegt einheitlich für alle Klagen aus dem Vertrag am Ort der charakteristischen Vertragsleistung ( BGE 140 III 115 E. 4 S. 120 mit Hinweisen). Bei mehreren Verträgen besteht grundsätzlich für jeden einzelnen Vertrag ein eigener Erfüllungsortsgerichtsstand (HOFMANN/KUNZ, in: Basler Kommentar, Lugano-Übereinkommen, 2011, N. 266 zu BGE 140 III 418 S. 420 Art. 5 LugÜ ). Zu prüfen ist, ob die Vorinstanz zu Recht annahm, der Erfüllungsort sei für alle Verträge Zürich. 4. Die Vorinstanz stellte fest, bei der "Zusammenarbeitsvereinbarung" und dem "Management Contract" handle es sich um Dienstleistungsverträge im Sinn von Art. 5 Nr. 1 Bst. b zweiter Gedankenstrich LugÜ. Das trifft zu und ist unbestritten. 4.1 Nach der Rechtsprechung des EuGH wird mit der Regel über den Gerichtsstand am Erfüllungsort nach Art. 5 Nr. 1 LugÜ (bzw. Verordnung [EG] Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen [Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung; EuGVVO; ABl. L 12 vom 16. Januar 2001 S. 1 ff.]) das Ziel der räumlichen Nähe (enge Verknüpfung zwischen dem Vertrag und dem zur Entscheidung berufenen Gericht) verfolgt. Die autonome Bestimmung des Erfüllungsortes der Dienstleistungen (vertragscharakteristischen Leistungen) für die Art. 5 Nr. 1 Bst. b LugÜ unterstehenden Vertragsstreitigkeiten entspricht sodann den mit der EuGVVO und dem LugÜ angestrebten Zielen der Vereinheitlichung der Gerichtsstandregeln und der Vorhersehbarkeit (Urteile vom 11. März 2010 C-19/09 Wood Floor Solutions Andreas Domberger, Slg. 2010 I-02121 Randnrn. 21 ff.; vom 25. Februar 2010 C-381/08 Car Trim, Slg. 2010 I-01255 Randnr. 49; und vom 9. Juli 2009 C-204/08 Rehder, Slg. 2009 I-06073 Randnrn. 33 f.). Im Hinblick auf die Ziele der räumlichen Nähe und der Vorhersehbarkeit ist der Dienstleistungsort nach Art. 5 Nr. 1 Bst. b zweiter Gedankenstrich LugÜ in erster Linie "nach dem Vertrag" zu bestimmen, d.h. ist die Vereinbarung eines Erfüllungsortes durch die Parteien massgebend. Kann der Ort der Leistungserbringung nicht anhand der Vertragsbestimmungen ermittelt werden, ist hilfsweise der Ort heranzuziehen, an dem die (hauptsächliche) Leistungserbringung tatsächlich vorgenommen wurde, vorausgesetzt, die Erbringung der Dienstleistungen an diesem Ort widerspricht nicht dem Parteiwillen, wie er sich aus den Vertragsbestimmungen ergibt. Kann der Ort der (hauptsächlichen) Leistungserbringung weder anhand der Bestimmungen des Vertrages selbst noch aufgrund von dessen tatsächlicher Erfüllung bestimmt werden, ist er "auf andere Weise" zu ermitteln, die den verfolgten Zielen der Vorhersehbarkeit und der räumlichen Nähe Rechnung trägt (zit. Urteil Wood Floor Solutions Andreas Domberger, Randnrn. 38-41; BGE 140 III 115 E. 6 S. 121 mit Hinweisen). BGE 140 III 418 S. 421 Das Bundesgericht wies in BGE 140 III 115 darauf hin, dass hinsichtlich der Bestimmung eines vertraglich vereinbarten Erfüllungsortes von verschiedenen Autoren der Rückgriff auf die lex causae in Betracht gezogen werde. Es ging darauf jedoch nicht weiter ein, weil im streitgegenständlichen Verfahren nach den verbindlichen Feststellungen des kantonalen Gerichts keine vertragliche Vereinbarung getroffen worden war und jedenfalls in einem solchen Fall der Erfüllungsort konventionsautonom zu bestimmen sei ( BGE 140 III 115 E. 4 S. 120). Die Kontroverse in der Literatur bezieht sich vor allem auf die Frage, nach welchem Recht sich die Gültigkeit einer Erfüllungsortvereinbarung richtet, also Fragen wie etwa das wirkliche Zustandekommen des Vertrages (namentlich Fragen des Einbezugs von AGB, der Wirksamkeit von kaufmännischen Bestätigungsschreiben), das Fehlen von Willensmängeln, die Geschäftsfähigkeit und die wirksame Stellvertretung. Diesbezüglich sei der Rückgriff auf die lex causae unvermeidlich (DOMENICO ACOCELLA, in: Lugano-Übereinkommen [LugÜ] zum internationalen Zivilverfahrensrecht, Anton K. Schnyder [Hrsg.], 2011, N. 122 und 127 zu Art. 5 LugÜ ;PAUL OBERHAMMER, in: Lugano-Übereinkommen, Dasser/Oberhammer [Hrsg.], 2. Aufl. 2011, N. 52 zu Art. 5 LugÜ ;ANDREA BONOMI, in: Commentaire romand, Loi sur le droit international privé, Convention de Lugano, 2011, N. 66 zu Art. 5 LugÜ ; ALEXANDER R. MARKUS, Vertragsgerichtsstände nach Art. 5 Ziff. 1 revLugÜ/EuGVVO - ein EuGH zwischen Klarheit und grosser Komplexität, AJP 2010 S. 971 ff., 978 und 982; KROPHOLLER/VON HEIN, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Frankfurt am Main 2011, N. 48 i.V.m. N. 51 zu Art. 5 EuGVO; wohl auch PETER F. SCHLOSSER, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl., München 2009, N. 11 zu Art. 5 EuGVVO). Darauf muss auch hier nicht weiter eingegangen werden, da die massgebliche Frage eine solche der Auslegung des Vertragsinhalts ist. 4.2 Die Vorinstanz stellte fest, aufgrund der schlüssigen Behauptungen des Beschwerdegegners sei davon auszugehen, dass der "Management Contract" vom 31. Dezember 2008 lediglich eine Neuregelung einzelner Teile der "Zusammenarbeitsvereinbarung" vom 18. Oktober 2007 enthielt, namentlich die Höhe des Entgelts für die Tätigkeit des Klägers, mithin die alte "Zusammenarbeitsvereinbarung" weiterhin Bestand hatte und beide Verträge eine Dreiparteien-Vertragsbeziehung regelten, wobei der Beschwerdegegner sowohl für sich persönlich als auch für die C. GmbH gehandelt habe. BGE 140 III 418 S. 422 Da die "Zusammenarbeitsvereinbarung" vorsehe, dass die C. GmbH als Agentur der Beschwerdeführerin fungiere und der Beschwerdegegner zur Erfüllung seiner Aufgaben die Organisation und Infrastruktur der C. GmbH benutze, sei davon auszugehen, dass ein wesentlicher Teil der vertraglich vereinbarten Dienstleistungen in U. (ZH) zu erbringen sei. Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin der C. GmbH gemäss Vertrag unter anderem sämtliche Auslagen für Löhne von Vertriebsmitarbeitern, Sozialleistungen, Versicherungen, Büroinfrastruktur, IT-Aufwendungen und Sekretariatsleistungen zu ersetzen hatte, impliziere, dass die Parteien damit gerechnet hätten, dass bei der C. GmbH tatsächlich solche Aufwendungen entstehen würden. Auch der spätere "Management Contract" räume der C. GmbH, die nunmehr als "fully owned daugther company of A. SA" und "Center for forward Customer Support" bezeichnet werde, eine zentrale Rolle ein. So sei auch vorgesehen, dass die C. GmbH den Beschwerdegegner unter der Geltung von schweizerischem Recht und insbesondere unter Geltung der schweizerischen Bestimmungen über Sozialversicherung und Steuern anstelle und entlöhne, während die Beschwerdeführerin die C. GmbH mit den notwendigen finanziellen Mitteln ausstatte. Zur Bestimmung des Erfüllungsortes sei nicht allein auf die Leistungen des Beschwerdegegners, sondern auch auf jene der C. GmbH abzustellen, da diese durch die beiden Verträge auch verpflichtet worden sei. Beide Verträge würden nun aber der C. GmbH und deren Organisation sowie Infrastruktur eine tragende Rolle einräumen. Die Verlagerung bestimmter Geschäftsbereiche in die Schweiz durch Übertragung auf die hier ansässige C. GmbH bzw. den Beschwerdegegner sei gerade das zentrale Element der Geschäftsbeziehung. Aus der "Zusammenarbeitsvereinbarung" und dem "Management Contract" ergebe sich somit, dass der Erfüllungsort der daraus geschuldeten Leistungen in der Schweiz sei. Weil der Erfüllungsort aus den Verträgen abgeleitet werden kann, erübrigt sich nach Ansicht der Vorinstanz die Beurteilung der Frage, in welchem Umfang der Beschwerdegegner tatsächlich in Polen oder der Schweiz tätig geworden ist. 4.3 Die Beschwerdeführerin beruft sich vorerst auf eine Lehrmeinung (OBERHAMMER, a.a.O., N. 50 zu Art. 5 LugÜ ; KROPHOLLER/VON HEIN, a.a.O., N. 47 zu Art. 5 EuGVO), wonach der Erfüllungsort der Dienstleistung in jenen Fällen, wo bereits erfüllt worden ist, nicht anhand der Vertragsbestimmungen, sondern im Lichte des Ortes der tatsächlichen Leistungserfüllung zu ermitteln sei. Dem ist nach dem BGE 140 III 418 S. 423 oben Dargelegten (vgl. E. 4.1 hiervor) nicht zu folgen. Nach dem zit. Urteil Wood Floor Solutions Andreas Domberger, Randnrn. 38-41, ist primär darauf abzustellen, an welchem Ort der Dienstleistungserbringer nach dem Vertrag vorwiegend tätig werden sollte; der EuGH erkannte auf dieses Primat des Vereinbarten, obwohl im betreffenden Ausgangsfall die Dienstleistungen nach den Darstellungen der Klägerin bereits erbracht worden waren (zit. Urteil Wood Andreas Domberger, Randnr. 11; vgl. auch OBERHAMMER, a.a.O., N. 70 zu Art. 5 LugÜ ). 4.4 Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, selbst wenn man ohne Rücksicht auf den Ort der tatsächlichen Leistungserfüllung zur Bestimmung des Erfüllungsortes primär auf den Vertrag abstellen wollte, müsste dieser aber jedenfalls einen "ausdrücklichen bzw. eindeutigen Erbringungsort" vorsehen. Sie verweist auf eine Literaturstelle, wo unter Berufung auf die Rechtsprechung des EuGH ein in diesem Sinn ausdrücklich bestimmter Erfüllungsort verlangt werde (HOFMANN/KUNZ, a.a.O., N. 233 zu Art. 5 LugÜ mit Hinweisen). Aus den von der Vorinstanz erwähnten Aspekten des Vertrages lasse sich jedoch kein ausdrücklicher bzw. eindeutiger Erfüllungsort in der Schweiz herleiten. 4.4.1 Der EuGH hat in einem neueren Urteil in Bezug auf Art. 5 Nr. 1 Bst. b erster Gedankenstrich EuGVVO (Kaufverträge) seine Auslegung des Normteils "nach dem Vertrag" genauer umrissen. Er bestätigte zunächst seine Rechtsprechung aus dem zit. Urteil Car Trim, Randnrn. 52 ff., wonach die Frage, ob die Parteien einen bestimmten Erfüllungsort vereinbart haben, auf der Grundlage der Bestimmungen dieses Vertrages ohne Rückgriff auf das materielle Recht erfolgen, sich der Erfüllungsort also aus dem Vertrag selbst ergeben müsse. Fraglich und insofern neu zu entscheiden war aber, ob und inwieweit Vertragsbestimmungen und -klauseln berücksichtigt werden können, die nicht unmittelbar und ausdrücklich einen Erfüllungsort bezeichnen (Urteil vom 9. Juni 2011 C-87/10 Electrosteel Europe, Slg. 2011 I-04987 Randnrn. 16 ff.). Die Kommission hatte in diesem Verfahren verlangt, die Vereinbarung müsse "Form, Zeitpunkt und Ort der Übergabe der Kaufsache klar präzisieren" (vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 3. März 2011 Electrosteel Europe, Randnr. 24). Der EuGH folgte dem nicht und stellte fest, es könnten auch Vertragsbestimmungen und -klauseln berücksichtigt werden, die nicht unmittelbar und ausdrücklich einen Erfüllungsort bezeichneten, wie beispielsweise in Incoterms enthaltene BGE 140 III 418 S. 424 Klauseln (zit. Urteil Electrosteel Europe, Randnrn. 22 und 26; vgl. auch die Besprechungen dieses Urteils bei MARTIN KILLIAS, SZIER 2012 S. 708 ff.; STEFAN LEIBLE, EuZW 2011 S. 603 ff., v.a. S. 605; PETER MANKOWSKI, Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht [EWiR]2011 S. 497 f.). Aufgrund dieser Rechtsprechung ist somit zu unterscheiden zwischen einer konkreten Erfüllungsortvereinbarung, die primär zur Bestimmung des Erfüllungsortes heranzuziehen ist, und Parteivereinbarungen "nach Massgabe des Vertrages", die zwar nicht die Qualität einer echten Erfüllungsortvereinbarung haben, aber zur Bestimmung des Erfüllungsortes heranzuziehen sind, sofern die Parteien keine echte Erfüllungsortvereinbarung getroffen haben (MANKOWSKI, a.a.O., S. 498). 4.4.2 Der EuGH hat wiederholt grundsätzlich festgestellt, dass für die Auslegung von Art. 5 Nr. 1 Bst. b EuGVVO bei Dienstverträgen die gleichen Leitlinien gelten wie bei Kaufverträgen (zit. Urteile Rehder, Randnrn. 30 und 36; Wood Floor Solutions Andreas Domberger, Randnrn. 25 f.). Auf die Präzisierungen im Urteil Electrosteel Europe ist daher auch für die Erbringung einer Dienstleistung abzustellen. Entgegen der Beschwerdeführerin bedarf es mithin keiner ausdrücklichen Erfüllungsortvereinbarung, sondern der Erfüllungsort kann durch Vertragsauslegung ermittelt werden (so schon vor dem zit. Urteil Electrosteel Europe : ACOCELLA, a.a.O., N. 121 zu Art. 5 LugÜ ; HÉLÈNE GAUDEMET-TALLON, Compétence et exécution des jugements en Europe, 4. Aufl., Paris 2010, S. 207 N. 202; BONOMI, a.a.O., N. 69 zu Art. 5 LugÜ ; KROPHOLLER/VON HEIN, a.a.O., N. 48 f. zu Art. 5 EuGVO). 5. Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, die geschlossenen Vereinbarungen wiesen auf einen Erfüllungsort in Polen hin, da die vereinbarten Tätigkeiten und Leitungsaufgaben eine Tätigkeit am Sitz der Gesellschaft in Polen erforderten. 5.1 Bei der Bestimmung des Erfüllungsortes ist zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des EuGH bei Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen gemäss Art. 5 Nr. 1 Bst. b zweiter Gedankenstrich LugÜ bzw. EuGVVO, wo oft mehrere Dienstleistungen unter Umständen in verschiedenen Staaten zu erbringen sind, dort anzuknüpfen ist, wo nach dem Vertrag die Hauptdienstleistung zu erbringen ist (zit. Urteile Rehder, Randnr. 38; Wood Floor Solutions Andreas Domberger, Randnr. 38). Namentlich sei bei einem Handelsvertretervertrag "auf der Grundlage dieses Vertrages der Ort zu ermitteln, an dem der Vertreter seine Tätigkeit für Rechnung des BGE 140 III 418 S. 425 Unternehmers, die insbesondere darin besteht, die ihm anvertrauten Geschäfte vorzubereiten, zu vermitteln und gegebenenfalls abzuschliessen, hauptsächlich vorzunehmen" habe (zit. Urteil Wood Floor Solutions Andreas Domberger, Randnr. 38). 5.2 Vor diesem Hintergrund ist die Beurteilung der Vorinstanz nicht zu beanstanden. Mit ihr ist als massgeblich zu betrachten, dass gemäss der "Zusammenarbeitsvereinbarung" vom 18. Oktober 2007 die C. GmbH als Agentur der Beschwerdeführerin eingesetzt werden und der Beschwerdegegner zur Erfüllung sämtlicher seiner vertraglichen Aufgaben die Organisation der C. GmbH und deren Infrastruktur benutzen sollte (vgl. Randtitel "Aufgabenstellung", letzter Gedankenstrich: "Zum Erreichen der vereinbarten Aufgaben benutzt B. die bereits bestehende C. GmbH Organisation und Infrastruktur"). Daraus ergibt sich, dass der ganz wesentliche Teil der vom Beschwerdegegner gemäss Vertrag geschuldeten Tätigkeiten (Marketing und Vertrieb, Akquirierung von Neuprojekten/Kunden, Projektleitung bei Verlagerungs- oder Neuprojekten etc.) am Sitz der C. GmbH in der Schweiz zu erbringen waren. 5.3 Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, ist nicht geeignet, diese Würdigung in Frage zu stellen. 5.3.1 Ihr ist zwar zuzustimmen, dass massgeblich der vereinbarte Tätigkeitsort ist. Auch ist nicht zu bestreiten, dass "Networking, Marketing und Akquisitionstätigkeiten", wie sie gemäss der Aufgabenaufzählung in der "Zusammenarbeitsvereinbarung" geschuldet waren, (auch) aktive physische Kontaktaufnahmen mit entsprechenden potentiellen Geschäftspartnern bedingen und nicht nur am Sitz der C. GmbH in U. erbracht werden können. Indessen ergibt sich aus dem Vertrag nicht, dass diese Kundenkontakte etc. schwergewichtig "bei der in Polen situierten Beklagten" hätten stattfinden sollen. Gemäss der "Zusammenarbeitsvereinbarung" sollte der Beschwerdegegner vielmehr die "proaktive Bearbeitung des weltweiten Marktes [...] mitSchwergewicht in West-/Mittel-/Osteuropa" übernehmen. Es ist daher analog zur zitierten Rechtsprechung des EuGH betreffend Handelsvertretern, die allgemein auf Beratertätigkeiten anzuwenden ist (vgl. STEFAN LEIBLE, in: Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht EuZPR/EuIPR, Rauscher [Hrsg.], Bd. 1: Brüssel I-VO/LugÜbk 2007[Bearbeitung 2011],München 2011, N. 55g zu Art. 5 Brüssel I-VO), von Erfüllungsorten in verschiedenen Ländern auszugehen. BGE 140 III 418 S. 426 5.3.2 Entsprechend ist auch der Einwand der Beschwerdeführerin, die Funktion des Beschwerdegegners als Mitglied der Geschäftsleitung ebenso wie die Unterstützung bei organisatorischen Massnahmen und die Ausbildung von Personal habe eine Präsenz in Polen vorausgesetzt, nicht entscheidend. Es ist ohne weiteres davon auszugehen, dass einzelne Tätigkeiten bei der Beschwerdeführerin in Polen auszuführen waren, andere weltweit mit einem Schwergewicht in Europa. Entscheidend ist aber, dass bei einer solchen Vielfältigkeit auf den hauptsächlichen vertraglichen Tätigkeitsort abzustellen ist. Dieser ist dort anzunehmen, wo der Beschwerdegegner seine vertraglichen Aufgaben, die selbst nach Darstellung der Beschwerdeführerin schwergewichtig "Networking, Marketing und Akquisition" erfassen, also eine Berater- und Vermittlertätigkeit beinhalten, mittels der von ihm gemäss Vertrag zu nutzenden Organisation der C. GmbH vorbereitet und verarbeitet (vgl. E. 5.1 hiervor). 5.3.3 Diese Vorbereitung und Verarbeitung, welche die persönliche Tätigkeit des Beschwerdegegners voraussetzt, ist nicht zu vergleichen mit blossen (logistischen) Vorbereitungshandlungen, die der EuGH im zit. Urteil Rehder, Randnr. 39, im Hinblick auf die Erbringung der Hauptdienstleistung des Flugtransports nicht genügen liess. Entsprechend soll nach der Rechtsprechung des EuGH für den Fall persönlich zu erbringender Dienstleistungen, wenn sich weder aus dem Vertrag noch aufgrund tatsächlicher Tätigkeit ein Erfüllungsort ergibt, subsidiär der Wohn- oder Geschäftssitz des Dienstleisters massgeblich sein (zit. Urteil Wood Floor Solutions Andreas Domberger, Randnr. 42). Gestützt auf die "Zusammenarbeitsvereinbarung" ist somit von einem Erfüllungsort in der Schweiz auszugehen. 5.4 Zu prüfen bleibt, ob sich daran aufgrund der im späteren "Management Contract" verwendeten Formulierung "Manager will perform his duties in A. SA offices and in any other place where A. SA carries out its business activities or in any other place where it is necessary" etwas ändert. Die Beschwerdeführerin sieht in der Klausel eine Erfüllungsortvereinbarung, wobei mit "A. SA offices" nur ihre Büros in Polen hätten gemeint sein können. Die Feststellung der Vorinstanz, wonach davon auszugehen sei, dass der "Management Contract" vom 31. Dezember 2008 lediglich eine Neuregelung einzelner Teile der "Zusammenarbeitsvereinbarung" vom 18. Oktober 2007 enthalten habe, namentlich die Höhe des Entgelts für die Tätigkeit des BGE 140 III 418 S. 427 Beschwerdegegners, mithin die alte "Zusammenarbeitsvereinbarung" weiterhin Bestand gehabt habe und beide Verträge die Drei-Personen-Beziehung zwischen der Beschwerdeführerin, der C. GmbH und dem Beschwerdegegner geregelt hätten, stellt sie aber nicht in Abrede. Mit dem "Management Contract" wurde insbesondere, wie die Vorinstanz zutreffend herausstrich, die zentrale Rolle der C. GmbH betont, die nunmehr als "fully owned daughter company of A. SA" und "A. SA's Center for forward based Customer Support" operieren und den Beschwerdegegner im Auftrag ("on behalf") der Beschwerdeführerin anstellen sollte. Vor diesem Hintergrund ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass der hauptsächliche vertragliche Tätigkeitsort am Sitz der C. GmbH bleiben sollte. Dem steht der von der Beschwerdeführerin angeführte Vertragstext nicht entgegen. Zwar kann die Formulierung "A. SA offices" im Sinne der Beschwerdeführerin als deren Büros in Polen verstanden werden. Doch beschränkt sich der Vertrag eben nicht auf diesen Tätigkeitsort. Vielmehr ergibt sich daraus, dass der Beschwerdegegner einfach überall tätig sein sollte, wo die A. SA ihre Geschäftsaktivitäten ausüben würde ("where A. SA carries out its business activities") oder es nötig sei. Nachdem die C. GmbH zum "Center for forward based Customer Support" von A. SA geworden war, handelte es sich bei deren Sitz zweifellos um einen Ort, wo die A. SA Geschäftsaktivitäten entfalten sollte. 5.5 Die Vorinstanz ging somit bezüglich der Ansprüche aus der "Zusammenarbeitsvereinbarung" und dem "Management Contract" zu Recht davon aus, "nach dem Vertrag" sei ein Erfüllungsort in der Schweiz vereinbart worden. 5.5.1 Demzufolge konnte sie die Frage, in welchem Umfang der Beschwerdegegner tatsächlich in Polen oder der Schweiz tätig geworden war, offenlassen. Die diesbezüglichen Rügen der Beschwerdeführerin, wonach mit der Nichtabnahme von Beweisen zum Ort der tatsächlichen Dienstleistungserbringung ihr Recht auf Beweis verletzt wurde, müssen demnach nicht mehr geprüft werden. Nicht stichhaltig ist der Einwand der Beschwerdeführerin, mit dem Hinweis, dank moderner Kommunikationsmittel habe die Erfüllung der Aufgaben des Beschwerdegegners keine stetige oder überwiegende physische Präsenz am Sitz der Beschwerdeführerin erfordert, habe die Vorinstanz selbst tatsächliche Elemente zur Festlegung des Erfüllungsortes berücksichtigt und damit in unzulässiger Weise die BGE 140 III 418 S. 428 Herleitung des Erfüllungsortes aus den Vertragsbestimmungen mit der Frage nach dem Ort der tatsächlichen Leistungserbringung vermischt. Die Vorinstanz hat nicht darauf abgestellt, wo die Arbeit tatsächlich verrichtet wurde, sondern geprüft, ob die im Vertrag übernommenen Aufgaben auf einen Erfüllungsort in Polen schliessen lassen, weil deren Erfüllung eine überwiegende physische Präsenz des Beschwerdegegners in Polen notwendig machten. Dies hat sie mit Blick auf die modernen Kommunikationsmittel verneint. 5.5.2 Ebenso muss nicht weiter darauf eingegangen werden, ob die Vorinstanz mit ihrer Annahme, die Verlagerung bestimmter Geschäftsbereiche in die Schweiz durch die Übertragung auf die hier ansässigen C. GmbH bzw. den Kläger sei gerade das zentrale Element der Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien gewesen, eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung traf, wie die Beschwerdeführerin geltend macht. 6. Der Beschwerdegegner verlangt von der Beschwerdeführerin gestützt auf das zwischen ihnen vereinbarte "Purchasing Agreement" vom 31. Dezember 2008 sodann die Bezahlung des Kaufpreises von EUR 400'000.- aus dem Verkauf von 100 % der Stammanteile der C. GmbH. Darüber hinaus fordert er gestützt auf den gleichen Vertrag EUR 62'000.-. Gemäss den Feststellungen der Vorinstanz beansprucht er diesen Betrag als Kompensation für zugunsten der C. GmbH getätigte Aufwendungen, was er im kantonalen Verfahren als Darlehen gewertet habe. 6.1 Die Vorinstanz erachtete für beide Forderungen ebenfalls die zürcherischen Gerichte als zuständig. 6.1.1 Art. 5 Nr. 1 Bst. b erster Gedankenstrich LugÜ sei anwendbar auf den Verkauf beweglicher Sachen. Kaufverträge über unkörperliche Gegenstände wie z.B. Forderungen und Gesellschaftsteile würden davon nicht erfasst, sondern fielen unter die allgemeine Zuständigkeitsregel von Art. 5 Nr. 1 Bst. a LugÜ. Ein Teil der Lehre erblicke selbst in Kaufverträgen über verbriefte Rechte (Wertpapiere) keinen Kauf über eine "bewegliche Sache" (vgl. HOFMANN/KUNZ, a.a.O., N. 192 f. zu Art. 5 LugÜ mit Hinweis auf die unterschiedlichen Lehrmeinungen). Der Kaufvertrag über Stammanteile einer GmbH falle jedoch grundsätzlich nicht unter Art. 5 Nr. 1 Bst. b erster Gedankenstrich LugÜ. Zwar wäre es rechtlich möglich, dass die Stammanteile der C. GmbH als Namenpapiere verbrieft gewesen wären ( Art. 784 Abs. 1 OR ). Aufgrund der Personenbezogenheit der Rechtsform der BGE 140 III 418 S. 429 GmbH seien solche Anteile aber kaum marktfähig. Insbesondere würde die Übertragung der Stammanteile grundsätzlich deren Abtretung voraussetzen, welche ihrerseits die Zustimmung der Gesellschafterversammlung erfordern würde ( Art. 786 Abs. 1 OR ). Sie könnten daher, selbst wenn sie verbrieft wären, nicht einer beweglichen körperlichen Sache i.S. von Art. 5 Nr. 1 Bst. b erster Gedankenstrich LugÜ gleichgesetzt werden. Der Kaufvertrag über die Stammanteile falle somit unter Art. 5 Nr. 1 Bst. a LugÜ. Das Gleiche gelte hinsichtlich der Verpflichtung, "persönliche finanzielle Beiträge des Beschwerdegegners" (EUR 62'000.-) zurückzuerstatten, da diese Verpflichtung weder aus dem Verkauf von beweglichen Sachen noch aus einer Dienstleistung resultiere. 6.1.2 Da die Vorinstanz Art. 5 Nr. 1 Bst. a LugÜ für anwendbar erachtete, stellte sie auf den Erfüllungsort der Verpflichtung ab, die Gegenstand der Klage bildete. Wo der Erfüllungsort der streitgegenständlichen Verpflichtung liege, bestimme sich nach dem materiellen Recht, welches nach dem Kollisionsrecht des Forums auf die Verpflichtung anwendbar sei (lex causae). Gemäss Art. 116 Abs. 1 IPRG unterliege der Vertrag grundsätzlich dem von den Parteien gewählten Recht. In Ziff. 5 lit. b des "Purchasing Agreement" sei unstrittig die Anwendbarkeit schweizerischen Rechts vereinbart worden. Demzufolge seien die hier strittigen Geldforderungen nach Art. 74 Abs. 2 Ziff. 1 OR am Ort zu zahlen, wo der Gläubiger zur Zeit der Erfüllung seinen Wohnsitz habe. Der Erfüllungsort liege demnach am Wohnsitz des Beschwerdegegners. 6.2 Die Beschwerdeführerin bestreitet zu Recht nicht, dass der Erfüllungsort für beide Forderungen in der Schweiz liegt, wenn Art. 5 Nr. 1 Bst. a LugÜ massgeblich ist. Sie macht aber hinsichtlich der Kaufpreisforderung unter Hinweis auf eine Lehrmeinung (RAUSCHER, Internationaler Gerichtsstand des Erfüllungsorts - Abschied von Tessili und de Bloos, Neue Juristische Wochenschrift [NJW] 2010 S. 2251 ff., 2253 f.) geltend, entgegen der Vorinstanz seien auch Rechtskäufe - und damit der Kauf der Stammanteile - unter Art. 5 Nr. 1 Bst. b erster Gedankenstrich LugÜ zu subsumieren. Die Frage kann offenbleiben. Selbst wenn der Beschwerdeführerin diesbezüglich gefolgt würde, wären die zürcherischen Gerichte zuständig. 6.2.1 Massgeblich wäre dann, welcher Erfüllungsort sich gemäss Art. 5 Nr. 1 Bst. b erster Gedankenstrich LugÜ aus dem Vertrag ergibt. Kann, wie im zu beurteilenden Fall, der Ort der BGE 140 III 418 S. 430 Leistungserbringung ohne Rückgriff auf die lex causae nicht anhand der Vertragsbestimmungen ermittelt werden, ist nach der Rechtsprechung des EuGH bei körperlichen Sachen der Ort massgebend, an dem die Waren dem Käufer körperlich übergeben wurden oder hätten übergeben werden müssen. Da die Waren, die den materiellen Gegenstand des Vertrags bilden, sich nach der Erfüllung dieses Vertrags grundsätzlich an diesem Ort befinden müssen und das grundlegende Ziel eines Vertrags über den Verkauf beweglicher Sachen, ihre Übertragung vom Verkäufer an den Käufer, erst bei der Ankunft der beweglichen Sachen an ihrem endgültigen Bestimmungsort vollständig abgeschlossen ist, entspricht dieses Kriterium dem Ziel der räumlichen Nähe, da es eine enge Verknüpfung zwischen dem Vertrag und dem zur Entscheidung berufenen Gericht gewährleistet (zit. Urteil Car Trim, Randnrn. 60 ff.). 6.2.2 Dass über die Stammanteile eine Urkunde ausgestellt worden wäre ( Art. 784 OR ), die der Beschwerdeführerin in Polen zukommen sollte, macht diese vor Bundesgericht nicht geltend. Ob diesfalls der Erfüllungsort in Polen wäre, kann damit offenbleiben. Die Ortsangabe der Vertragsunterzeichnung, auf die sich die Beschwerdeführerin unter anderem beruft, ist nicht von Bedeutung (zit. Urteil Rehder, Randnr. 39). Wie die Vorinstanz zutreffend festhielt, sind für die Übertragung die Abtretung und die Zustimmung der Gesellschafterversammlung zur Abtretung nötig ( Art. 786 Abs. 1 OR ), wenn die Statuten keinen Verzicht auf die Zustimmung ( Art. 786 Abs. 2 Ziff. 1 OR ) enthalten. Dies ist nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht der Fall. Nach Art. 790 OR führt die Gesellschaft ein Anteilsbuch, in das die Gesellschafter sowie die Anzahl, der Nennwert sowie allenfalls die Kategorien der Stammanteile jedes Gesellschafters einzutragen sind. Die Gesellschafter sind mit der Anzahl und dem Nennwert ihrer Stammanteile ins Handelsregister einzutragen, wobei die Gesellschaft die Eintragung anmelden muss ( Art. 791 OR ). Ist für die Abtretung von Stammanteilen wie hier die Zustimmung der Gesellschafterversammlung erforderlich, so wird die Abtretung (erst) mit dieser Zustimmung rechtswirksam ( Art. 787 Abs. 1 OR ). Die Zustimmung ist also konstitutiv für die Übertragung, während der Eintragung der Erwerberin als Gesellschafterin im Handelsregister, wie die Beschwerdeführerin richtig bemerkt, lediglich deklaratorische Bedeutung zukommt (RINO SIFFERT, in: Handelsregisterverordnung [HRegV], Siffert/Turin [Hrsg.], 2013, N. 22 zu Art. 82 HRegV ). BGE 140 III 418 S. 431 6.2.3 An der ordentlichen Gesellschafterversammlung der C. GmbH vom 18. März 2009, die an deren Sitz in U. (ZH) stattfand, hat die Versammlung der Abtretung aller Stammanteile an die Beschwerdeführerin im Sinn von Art. 786 Abs. 1 OR ausdrücklich zugestimmt. Diese für den Vollzug der Vereinbarung wesentliche Handlung war daher in der Schweiz vorzunehmen und wurde auch in der Schweiz vorgenommen, selbst wenn der Handelsregistereintrag noch nicht erfolgt ist, wobei diesem nach Auffassung der Beschwerdeführerin mit Blick auf dessen deklaratorischen Charakter für die Bestimmung des Erfüllungsortes ohnehin keine Bedeutung zukommt. Darauf braucht indessen nicht weiter eingegangen zu werden. Die Beschwerdeführerin behauptet zwar allgemein, sämtliche Aktivitäten, welche die physische Präsenz der an der Kooperation Beteiligten erfordert hätten, seien stets an ihrem Sitz in Polen und jedenfalls nicht in U. ausgeführt worden. Nichts anderes müsse daher für den Vollzug des (vermeintlichen) Kaufvertrages gelten. Sie begnügt sich aber mit diesen allgemeinen Ausführungen und dem Hinweis auf den Ort der Vertragsunterzeichnung. Sie zeigt damit nicht rechtsgenüglich auf, dass im Rahmen der Übertragung etwas nach Polen hätte geliefert werden müssen, und sie legt auch nicht konkret dar, dass in Polen Vollzugshandlungen zum vollständigen Abschluss der Übertragung vom Verkäufer an den Käufer hätten erfolgen müssen, die eine enge Verknüpfung (vgl. hierzu auch Urteil vom 3. Mai 2007 C-386/05 Color Drack, Slg. 2007 I-03699 Randnrn. 40 ff.) zwischen dem Vertrag und einem in Polen zur Entscheidung berufenen Gericht gewährleistet und damit dem von Art. 5 Nr. 1 Bst. b erster Gedankenstrich LugÜ verfolgten Ziel der räumlichen Nähe (zit. Urteil Car Trim, Randnr. 61) entsprochen hätten. Daher würde auch die Anwendung von Art. 5 Nr. 1 Bst. b erster Gedankenstrich LugÜ nicht zur Annahme eines Erfüllungsortes in Polen führen und wäre die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte gegeben.
Urteilskopf
62. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. SA gegen B. (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_113/2014 vom 15. Juli 2014
Regeste Gerichtsstand am Erfüllungsort bei Erbringung von Dienstleistungen und Verkauf beweglicher Sachen (Art. 5 Nr. 1 Bst. b LugÜ). Bestimmung des Erfüllungsortsgerichtsstands nach Art. 5 Nr. 1 Bst. b LugÜ bei mehreren Verträgen zwischen denselben Parteien (E. 3). Der Erfüllungsortsgerichtsstand bestimmt sich, auch wenn bereits geleistet wurde, primär durch Auslegung des Vertrages. Der Erfüllungsort muss nicht ausdrücklich vereinbart worden sein (E. 4). Bestimmung des Gerichtsstands, wenn gemäss Vertrag mehrere Dienstleistungen in verschiedenen Staaten zu erbringen sind (E. 5). Gilt der Verkauf von Stammanteilen einer GmbH als Verkauf beweglicher Sachen? Frage offengelassen, da nicht dargetan wird, welche massgebende, zur vollständigen Übertragung der Anteile notwendige Handlung zur Annahme führen sollte, die engste Verknüpfung zwischen dem Vertrag und dem zuständigen Gericht bestehe nicht beim angerufenen Gericht in Zürich, sondern am behaupteten Erfüllungsort in Polen (E. 6).
Regeste
Gerichtsstand am Erfüllungsort bei Erbringung von Dienstleistungen und Verkauf beweglicher Sachen (Art. 5 Nr. 1 Bst. b LugÜ). Bestimmung des Erfüllungsortsgerichtsstands nach Art. 5 Nr. 1 Bst. b LugÜ bei mehreren Verträgen zwischen denselben Parteien (E. 3). Der Erfüllungsortsgerichtsstand bestimmt sich, auch wenn bereits geleistet wurde, primär durch Auslegung des Vertrages. Der Erfüllungsort muss nicht ausdrücklich vereinbart worden sein (E. 4). Bestimmung des Gerichtsstands, wenn gemäss Vertrag mehrere Dienstleistungen in verschiedenen Staaten zu erbringen sind (E. 5). Gilt der Verkauf von Stammanteilen einer GmbH als Verkauf beweglicher Sachen? Frage offengelassen, da nicht dargetan wird, welche massgebende, zur vollständigen Übertragung der Anteile notwendige Handlung zur Annahme führen sollte, die engste Verknüpfung zwischen dem Vertrag und dem zuständigen Gericht bestehe nicht beim angerufenen Gericht in Zürich, sondern am behaupteten Erfüllungsort in Polen (E. 6).
Bestimmung des Erfüllungsortsgerichtsstands nach Art. 5 Nr. 1 Bst. b LugÜ bei mehreren Verträgen zwischen denselben Parteien (E. 3).
Der Erfüllungsortsgerichtsstand bestimmt sich, auch wenn bereits geleistet wurde, primär durch Auslegung des Vertrages. Der Erfüllungsort muss nicht ausdrücklich vereinbart worden sein (E. 4).
Bestimmung des Gerichtsstands, wenn gemäss Vertrag mehrere Dienstleistungen in verschiedenen Staaten zu erbringen sind (E. 5).
Gilt der Verkauf von Stammanteilen einer GmbH als Verkauf beweglicher Sachen? Frage offengelassen, da nicht dargetan wird, welche massgebende, zur vollständigen Übertragung der Anteile notwendige Handlung zur Annahme führen sollte, die engste Verknüpfung zwischen dem Vertrag und dem zuständigen Gericht bestehe nicht beim angerufenen Gericht in Zürich, sondern am behaupteten Erfüllungsort in Polen (E. 6).
Erwägungen ab Seite 419
Erwägungen ab Seite 419 BGE 140 III 418 S. 419
BGE 140 III 418 S. 419
Aus den Erwägungen:
3. B. (Beschwerdegegner) mit Wohnsitz in U. (ZH) stützt seine Forderung auf verschiedene Verträge mit der A. SA (Beschwerdeführerin) mit Sitz in Polen bzw. die Abtretung vertraglicher Ansprüche der C. GmbH mit Sitz in U. (ZH) gegen die Beschwerdeführerin. Es handelt sich um die "Zusammenarbeitsvereinbarung" vom 18. Oktober 2007, den "Management Contract" vom 31. Dezember 2008 und das "Purchasing Agreement" vom 31. Dezember 2008.
3. 3.1 Neben einer behaupteten Gerichtsstandvereinbarung, welche die Vorinstanz nicht als gegeben erachtete, leitet der Beschwerdegegner die Zuständigkeit der Vorinstanz aus dem Gerichtsstand am Erfüllungsort nach Art. 5 Nr. 1 LugÜ (SR 0.275.12) ab. Er macht geltend, Erfüllungsort aller Ansprüche sei Zürich. Die Beschwerdeführerin geht dagegen davon aus, Erfüllungsort sei Polen.
3.1 3.2 Bilden ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand eines Gerichtsverfahrens, kann nach Art. 5 Nr. 1 Bst. a LugÜ vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre, geklagt werden. Ist nichts anderes vereinbart worden, ist der Erfüllungsort der Verpflichtung nach Art. 5 Nr. 1 Bst. b LugÜ für den Verkauf beweglicher Sachen der Ort, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen, und für die Erbringung von Dienstleistungen der Ort, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen. Mit Art. 5 Nr. 1 Bst. b LugÜ wurde für Klagen aus Kaufverträgen über bewegliche Sachen und aus Dienstleistungsverträgen ein Erfüllungsortsgerichtsstand geschaffen, bei dem der Gerichtsstand übereinkommensautonom, also grundsätzlich ohne Anknüpfung an die lex causae, zu bestimmen ist. Er liegt einheitlich für alle Klagen aus dem Vertrag am Ort der charakteristischen Vertragsleistung ( BGE 140 III 115 E. 4 S. 120 mit Hinweisen). Bei mehreren Verträgen besteht grundsätzlich für jeden einzelnen Vertrag ein eigener Erfüllungsortsgerichtsstand (HOFMANN/KUNZ, in: Basler Kommentar, Lugano-Übereinkommen, 2011, N. 266 zu BGE 140 III 418 S. 420 Art. 5 LugÜ ). Zu prüfen ist, ob die Vorinstanz zu Recht annahm, der Erfüllungsort sei für alle Verträge Zürich.
3.2 BGE 140 III 418 S. 420
Art. 5 LugÜ 4. Die Vorinstanz stellte fest, bei der "Zusammenarbeitsvereinbarung" und dem "Management Contract" handle es sich um Dienstleistungsverträge im Sinn von Art. 5 Nr. 1 Bst. b zweiter Gedankenstrich LugÜ. Das trifft zu und ist unbestritten.
4. 4.1 Nach der Rechtsprechung des EuGH wird mit der Regel über den Gerichtsstand am Erfüllungsort nach Art. 5 Nr. 1 LugÜ (bzw. Verordnung [EG] Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen [Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung; EuGVVO; ABl. L 12 vom 16. Januar 2001 S. 1 ff.]) das Ziel der räumlichen Nähe (enge Verknüpfung zwischen dem Vertrag und dem zur Entscheidung berufenen Gericht) verfolgt. Die autonome Bestimmung des Erfüllungsortes der Dienstleistungen (vertragscharakteristischen Leistungen) für die Art. 5 Nr. 1 Bst. b LugÜ unterstehenden Vertragsstreitigkeiten entspricht sodann den mit der EuGVVO und dem LugÜ angestrebten Zielen der Vereinheitlichung der Gerichtsstandregeln und der Vorhersehbarkeit (Urteile vom 11. März 2010 C-19/09 Wood Floor Solutions Andreas Domberger, Slg. 2010 I-02121 Randnrn. 21 ff.; vom 25. Februar 2010 C-381/08 Car Trim, Slg. 2010 I-01255 Randnr. 49; und vom 9. Juli 2009 C-204/08 Rehder, Slg. 2009 I-06073 Randnrn. 33 f.). Im Hinblick auf die Ziele der räumlichen Nähe und der Vorhersehbarkeit ist der Dienstleistungsort nach Art. 5 Nr. 1 Bst. b zweiter Gedankenstrich LugÜ in erster Linie "nach dem Vertrag" zu bestimmen, d.h. ist die Vereinbarung eines Erfüllungsortes durch die Parteien massgebend. Kann der Ort der Leistungserbringung nicht anhand der Vertragsbestimmungen ermittelt werden, ist hilfsweise der Ort heranzuziehen, an dem die (hauptsächliche) Leistungserbringung tatsächlich vorgenommen wurde, vorausgesetzt, die Erbringung der Dienstleistungen an diesem Ort widerspricht nicht dem Parteiwillen, wie er sich aus den Vertragsbestimmungen ergibt. Kann der Ort der (hauptsächlichen) Leistungserbringung weder anhand der Bestimmungen des Vertrages selbst noch aufgrund von dessen tatsächlicher Erfüllung bestimmt werden, ist er "auf andere Weise" zu ermitteln, die den verfolgten Zielen der Vorhersehbarkeit und der räumlichen Nähe Rechnung trägt (zit. Urteil Wood Floor Solutions Andreas Domberger, Randnrn. 38-41; BGE 140 III 115 E. 6 S. 121 mit Hinweisen). BGE 140 III 418 S. 421 Das Bundesgericht wies in BGE 140 III 115 darauf hin, dass hinsichtlich der Bestimmung eines vertraglich vereinbarten Erfüllungsortes von verschiedenen Autoren der Rückgriff auf die lex causae in Betracht gezogen werde. Es ging darauf jedoch nicht weiter ein, weil im streitgegenständlichen Verfahren nach den verbindlichen Feststellungen des kantonalen Gerichts keine vertragliche Vereinbarung getroffen worden war und jedenfalls in einem solchen Fall der Erfüllungsort konventionsautonom zu bestimmen sei ( BGE 140 III 115 E. 4 S. 120).
4.1 BGE 140 III 418 S. 421
Die Kontroverse in der Literatur bezieht sich vor allem auf die Frage, nach welchem Recht sich die Gültigkeit einer Erfüllungsortvereinbarung richtet, also Fragen wie etwa das wirkliche Zustandekommen des Vertrages (namentlich Fragen des Einbezugs von AGB, der Wirksamkeit von kaufmännischen Bestätigungsschreiben), das Fehlen von Willensmängeln, die Geschäftsfähigkeit und die wirksame Stellvertretung. Diesbezüglich sei der Rückgriff auf die lex causae unvermeidlich (DOMENICO ACOCELLA, in: Lugano-Übereinkommen [LugÜ] zum internationalen Zivilverfahrensrecht, Anton K. Schnyder [Hrsg.], 2011, N. 122 und 127 zu Art. 5 LugÜ ;PAUL OBERHAMMER, in: Lugano-Übereinkommen, Dasser/Oberhammer [Hrsg.], 2. Aufl. 2011, N. 52 zu Art. 5 LugÜ ;ANDREA BONOMI, in: Commentaire romand, Loi sur le droit international privé, Convention de Lugano, 2011, N. 66 zu Art. 5 LugÜ ; ALEXANDER R. MARKUS, Vertragsgerichtsstände nach Art. 5 Ziff. 1 revLugÜ/EuGVVO - ein EuGH zwischen Klarheit und grosser Komplexität, AJP 2010 S. 971 ff., 978 und 982; KROPHOLLER/VON HEIN, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Frankfurt am Main 2011, N. 48 i.V.m. N. 51 zu Art. 5 EuGVO; wohl auch PETER F. SCHLOSSER, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl., München 2009, N. 11 zu Art. 5 EuGVVO). Darauf muss auch hier nicht weiter eingegangen werden, da die massgebliche Frage eine solche der Auslegung des Vertragsinhalts ist.
Art. 5 LugÜ Art. 5 LugÜ Art. 5 LugÜ 4.2 Die Vorinstanz stellte fest, aufgrund der schlüssigen Behauptungen des Beschwerdegegners sei davon auszugehen, dass der "Management Contract" vom 31. Dezember 2008 lediglich eine Neuregelung einzelner Teile der "Zusammenarbeitsvereinbarung" vom 18. Oktober 2007 enthielt, namentlich die Höhe des Entgelts für die Tätigkeit des Klägers, mithin die alte "Zusammenarbeitsvereinbarung" weiterhin Bestand hatte und beide Verträge eine Dreiparteien-Vertragsbeziehung regelten, wobei der Beschwerdegegner sowohl für sich persönlich als auch für die C. GmbH gehandelt habe. BGE 140 III 418 S. 422 Da die "Zusammenarbeitsvereinbarung" vorsehe, dass die C. GmbH als Agentur der Beschwerdeführerin fungiere und der Beschwerdegegner zur Erfüllung seiner Aufgaben die Organisation und Infrastruktur der C. GmbH benutze, sei davon auszugehen, dass ein wesentlicher Teil der vertraglich vereinbarten Dienstleistungen in U. (ZH) zu erbringen sei. Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin der C. GmbH gemäss Vertrag unter anderem sämtliche Auslagen für Löhne von Vertriebsmitarbeitern, Sozialleistungen, Versicherungen, Büroinfrastruktur, IT-Aufwendungen und Sekretariatsleistungen zu ersetzen hatte, impliziere, dass die Parteien damit gerechnet hätten, dass bei der C. GmbH tatsächlich solche Aufwendungen entstehen würden. Auch der spätere "Management Contract" räume der C. GmbH, die nunmehr als "fully owned daugther company of A. SA" und "Center for forward Customer Support" bezeichnet werde, eine zentrale Rolle ein. So sei auch vorgesehen, dass die C. GmbH den Beschwerdegegner unter der Geltung von schweizerischem Recht und insbesondere unter Geltung der schweizerischen Bestimmungen über Sozialversicherung und Steuern anstelle und entlöhne, während die Beschwerdeführerin die C. GmbH mit den notwendigen finanziellen Mitteln ausstatte. Zur Bestimmung des Erfüllungsortes sei nicht allein auf die Leistungen des Beschwerdegegners, sondern auch auf jene der C. GmbH abzustellen, da diese durch die beiden Verträge auch verpflichtet worden sei. Beide Verträge würden nun aber der C. GmbH und deren Organisation sowie Infrastruktur eine tragende Rolle einräumen. Die Verlagerung bestimmter Geschäftsbereiche in die Schweiz durch Übertragung auf die hier ansässige C. GmbH bzw. den Beschwerdegegner sei gerade das zentrale Element der Geschäftsbeziehung. Aus der "Zusammenarbeitsvereinbarung" und dem "Management Contract" ergebe sich somit, dass der Erfüllungsort der daraus geschuldeten Leistungen in der Schweiz sei.
4.2 BGE 140 III 418 S. 422
Weil der Erfüllungsort aus den Verträgen abgeleitet werden kann, erübrigt sich nach Ansicht der Vorinstanz die Beurteilung der Frage, in welchem Umfang der Beschwerdegegner tatsächlich in Polen oder der Schweiz tätig geworden ist.
4.3 Die Beschwerdeführerin beruft sich vorerst auf eine Lehrmeinung (OBERHAMMER, a.a.O., N. 50 zu Art. 5 LugÜ ; KROPHOLLER/VON HEIN, a.a.O., N. 47 zu Art. 5 EuGVO), wonach der Erfüllungsort der Dienstleistung in jenen Fällen, wo bereits erfüllt worden ist, nicht anhand der Vertragsbestimmungen, sondern im Lichte des Ortes der tatsächlichen Leistungserfüllung zu ermitteln sei. Dem ist nach dem BGE 140 III 418 S. 423 oben Dargelegten (vgl. E. 4.1 hiervor) nicht zu folgen. Nach dem zit. Urteil Wood Floor Solutions Andreas Domberger, Randnrn. 38-41, ist primär darauf abzustellen, an welchem Ort der Dienstleistungserbringer nach dem Vertrag vorwiegend tätig werden sollte; der EuGH erkannte auf dieses Primat des Vereinbarten, obwohl im betreffenden Ausgangsfall die Dienstleistungen nach den Darstellungen der Klägerin bereits erbracht worden waren (zit. Urteil Wood Andreas Domberger, Randnr. 11; vgl. auch OBERHAMMER, a.a.O., N. 70 zu Art. 5 LugÜ ).
4.3 Art. 5 LugÜ BGE 140 III 418 S. 423
Art. 5 LugÜ 4.4 Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, selbst wenn man ohne Rücksicht auf den Ort der tatsächlichen Leistungserfüllung zur Bestimmung des Erfüllungsortes primär auf den Vertrag abstellen wollte, müsste dieser aber jedenfalls einen "ausdrücklichen bzw. eindeutigen Erbringungsort" vorsehen. Sie verweist auf eine Literaturstelle, wo unter Berufung auf die Rechtsprechung des EuGH ein in diesem Sinn ausdrücklich bestimmter Erfüllungsort verlangt werde (HOFMANN/KUNZ, a.a.O., N. 233 zu Art. 5 LugÜ mit Hinweisen). Aus den von der Vorinstanz erwähnten Aspekten des Vertrages lasse sich jedoch kein ausdrücklicher bzw. eindeutiger Erfüllungsort in der Schweiz herleiten.
4.4 Art. 5 LugÜ 4.4.1 Der EuGH hat in einem neueren Urteil in Bezug auf Art. 5 Nr. 1 Bst. b erster Gedankenstrich EuGVVO (Kaufverträge) seine Auslegung des Normteils "nach dem Vertrag" genauer umrissen. Er bestätigte zunächst seine Rechtsprechung aus dem zit. Urteil Car Trim, Randnrn. 52 ff., wonach die Frage, ob die Parteien einen bestimmten Erfüllungsort vereinbart haben, auf der Grundlage der Bestimmungen dieses Vertrages ohne Rückgriff auf das materielle Recht erfolgen, sich der Erfüllungsort also aus dem Vertrag selbst ergeben müsse. Fraglich und insofern neu zu entscheiden war aber, ob und inwieweit Vertragsbestimmungen und -klauseln berücksichtigt werden können, die nicht unmittelbar und ausdrücklich einen Erfüllungsort bezeichnen (Urteil vom 9. Juni 2011 C-87/10 Electrosteel Europe, Slg. 2011 I-04987 Randnrn. 16 ff.). Die Kommission hatte in diesem Verfahren verlangt, die Vereinbarung müsse "Form, Zeitpunkt und Ort der Übergabe der Kaufsache klar präzisieren" (vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 3. März 2011 Electrosteel Europe, Randnr. 24). Der EuGH folgte dem nicht und stellte fest, es könnten auch Vertragsbestimmungen und -klauseln berücksichtigt werden, die nicht unmittelbar und ausdrücklich einen Erfüllungsort bezeichneten, wie beispielsweise in Incoterms enthaltene BGE 140 III 418 S. 424 Klauseln (zit. Urteil Electrosteel Europe, Randnrn. 22 und 26; vgl. auch die Besprechungen dieses Urteils bei MARTIN KILLIAS, SZIER 2012 S. 708 ff.; STEFAN LEIBLE, EuZW 2011 S. 603 ff., v.a. S. 605; PETER MANKOWSKI, Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht [EWiR]2011 S. 497 f.). Aufgrund dieser Rechtsprechung ist somit zu unterscheiden zwischen einer konkreten Erfüllungsortvereinbarung, die primär zur Bestimmung des Erfüllungsortes heranzuziehen ist, und Parteivereinbarungen "nach Massgabe des Vertrages", die zwar nicht die Qualität einer echten Erfüllungsortvereinbarung haben, aber zur Bestimmung des Erfüllungsortes heranzuziehen sind, sofern die Parteien keine echte Erfüllungsortvereinbarung getroffen haben (MANKOWSKI, a.a.O., S. 498).
4.4.1 BGE 140 III 418 S. 424
4.4.2 Der EuGH hat wiederholt grundsätzlich festgestellt, dass für die Auslegung von Art. 5 Nr. 1 Bst. b EuGVVO bei Dienstverträgen die gleichen Leitlinien gelten wie bei Kaufverträgen (zit. Urteile Rehder, Randnrn. 30 und 36; Wood Floor Solutions Andreas Domberger, Randnrn. 25 f.). Auf die Präzisierungen im Urteil Electrosteel Europe ist daher auch für die Erbringung einer Dienstleistung abzustellen. Entgegen der Beschwerdeführerin bedarf es mithin keiner ausdrücklichen Erfüllungsortvereinbarung, sondern der Erfüllungsort kann durch Vertragsauslegung ermittelt werden (so schon vor dem zit. Urteil Electrosteel Europe : ACOCELLA, a.a.O., N. 121 zu Art. 5 LugÜ ; HÉLÈNE GAUDEMET-TALLON, Compétence et exécution des jugements en Europe, 4. Aufl., Paris 2010, S. 207 N. 202; BONOMI, a.a.O., N. 69 zu Art. 5 LugÜ ; KROPHOLLER/VON HEIN, a.a.O., N. 48 f. zu Art. 5 EuGVO).
4.4.2 Art. 5 LugÜ Art. 5 LugÜ 5. Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, die geschlossenen Vereinbarungen wiesen auf einen Erfüllungsort in Polen hin, da die vereinbarten Tätigkeiten und Leitungsaufgaben eine Tätigkeit am Sitz der Gesellschaft in Polen erforderten.
5. 5.1 Bei der Bestimmung des Erfüllungsortes ist zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des EuGH bei Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen gemäss Art. 5 Nr. 1 Bst. b zweiter Gedankenstrich LugÜ bzw. EuGVVO, wo oft mehrere Dienstleistungen unter Umständen in verschiedenen Staaten zu erbringen sind, dort anzuknüpfen ist, wo nach dem Vertrag die Hauptdienstleistung zu erbringen ist (zit. Urteile Rehder, Randnr. 38; Wood Floor Solutions Andreas Domberger, Randnr. 38). Namentlich sei bei einem Handelsvertretervertrag "auf der Grundlage dieses Vertrages der Ort zu ermitteln, an dem der Vertreter seine Tätigkeit für Rechnung des BGE 140 III 418 S. 425 Unternehmers, die insbesondere darin besteht, die ihm anvertrauten Geschäfte vorzubereiten, zu vermitteln und gegebenenfalls abzuschliessen, hauptsächlich vorzunehmen" habe (zit. Urteil Wood Floor Solutions Andreas Domberger, Randnr. 38).
5.1 BGE 140 III 418 S. 425
5.2 Vor diesem Hintergrund ist die Beurteilung der Vorinstanz nicht zu beanstanden. Mit ihr ist als massgeblich zu betrachten, dass gemäss der "Zusammenarbeitsvereinbarung" vom 18. Oktober 2007 die C. GmbH als Agentur der Beschwerdeführerin eingesetzt werden und der Beschwerdegegner zur Erfüllung sämtlicher seiner vertraglichen Aufgaben die Organisation der C. GmbH und deren Infrastruktur benutzen sollte (vgl. Randtitel "Aufgabenstellung", letzter Gedankenstrich: "Zum Erreichen der vereinbarten Aufgaben benutzt B. die bereits bestehende C. GmbH Organisation und Infrastruktur"). Daraus ergibt sich, dass der ganz wesentliche Teil der vom Beschwerdegegner gemäss Vertrag geschuldeten Tätigkeiten (Marketing und Vertrieb, Akquirierung von Neuprojekten/Kunden, Projektleitung bei Verlagerungs- oder Neuprojekten etc.) am Sitz der C. GmbH in der Schweiz zu erbringen waren.
5.2 5.3 Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, ist nicht geeignet, diese Würdigung in Frage zu stellen.
5.3 5.3.1 Ihr ist zwar zuzustimmen, dass massgeblich der vereinbarte Tätigkeitsort ist. Auch ist nicht zu bestreiten, dass "Networking, Marketing und Akquisitionstätigkeiten", wie sie gemäss der Aufgabenaufzählung in der "Zusammenarbeitsvereinbarung" geschuldet waren, (auch) aktive physische Kontaktaufnahmen mit entsprechenden potentiellen Geschäftspartnern bedingen und nicht nur am Sitz der C. GmbH in U. erbracht werden können. Indessen ergibt sich aus dem Vertrag nicht, dass diese Kundenkontakte etc. schwergewichtig "bei der in Polen situierten Beklagten" hätten stattfinden sollen. Gemäss der "Zusammenarbeitsvereinbarung" sollte der Beschwerdegegner vielmehr die "proaktive Bearbeitung des weltweiten Marktes [...] mitSchwergewicht in West-/Mittel-/Osteuropa" übernehmen. Es ist daher analog zur zitierten Rechtsprechung des EuGH betreffend Handelsvertretern, die allgemein auf Beratertätigkeiten anzuwenden ist (vgl. STEFAN LEIBLE, in: Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht EuZPR/EuIPR, Rauscher [Hrsg.], Bd. 1: Brüssel I-VO/LugÜbk 2007[Bearbeitung 2011],München 2011, N. 55g zu Art. 5 Brüssel I-VO), von Erfüllungsorten in verschiedenen Ländern auszugehen. BGE 140 III 418 S. 426
5.3.1 BGE 140 III 418 S. 426
5.3.2 Entsprechend ist auch der Einwand der Beschwerdeführerin, die Funktion des Beschwerdegegners als Mitglied der Geschäftsleitung ebenso wie die Unterstützung bei organisatorischen Massnahmen und die Ausbildung von Personal habe eine Präsenz in Polen vorausgesetzt, nicht entscheidend. Es ist ohne weiteres davon auszugehen, dass einzelne Tätigkeiten bei der Beschwerdeführerin in Polen auszuführen waren, andere weltweit mit einem Schwergewicht in Europa. Entscheidend ist aber, dass bei einer solchen Vielfältigkeit auf den hauptsächlichen vertraglichen Tätigkeitsort abzustellen ist. Dieser ist dort anzunehmen, wo der Beschwerdegegner seine vertraglichen Aufgaben, die selbst nach Darstellung der Beschwerdeführerin schwergewichtig "Networking, Marketing und Akquisition" erfassen, also eine Berater- und Vermittlertätigkeit beinhalten, mittels der von ihm gemäss Vertrag zu nutzenden Organisation der C. GmbH vorbereitet und verarbeitet (vgl. E. 5.1 hiervor).
5.3.2 5.3.3 Diese Vorbereitung und Verarbeitung, welche die persönliche Tätigkeit des Beschwerdegegners voraussetzt, ist nicht zu vergleichen mit blossen (logistischen) Vorbereitungshandlungen, die der EuGH im zit. Urteil Rehder, Randnr. 39, im Hinblick auf die Erbringung der Hauptdienstleistung des Flugtransports nicht genügen liess. Entsprechend soll nach der Rechtsprechung des EuGH für den Fall persönlich zu erbringender Dienstleistungen, wenn sich weder aus dem Vertrag noch aufgrund tatsächlicher Tätigkeit ein Erfüllungsort ergibt, subsidiär der Wohn- oder Geschäftssitz des Dienstleisters massgeblich sein (zit. Urteil Wood Floor Solutions Andreas Domberger, Randnr. 42). Gestützt auf die "Zusammenarbeitsvereinbarung" ist somit von einem Erfüllungsort in der Schweiz auszugehen.
5.3.3 5.4 Zu prüfen bleibt, ob sich daran aufgrund der im späteren "Management Contract" verwendeten Formulierung "Manager will perform his duties in A. SA offices and in any other place where A. SA carries out its business activities or in any other place where it is necessary" etwas ändert.
5.4 Die Beschwerdeführerin sieht in der Klausel eine Erfüllungsortvereinbarung, wobei mit "A. SA offices" nur ihre Büros in Polen hätten gemeint sein können. Die Feststellung der Vorinstanz, wonach davon auszugehen sei, dass der "Management Contract" vom 31. Dezember 2008 lediglich eine Neuregelung einzelner Teile der "Zusammenarbeitsvereinbarung" vom 18. Oktober 2007 enthalten habe, namentlich die Höhe des Entgelts für die Tätigkeit des BGE 140 III 418 S. 427 Beschwerdegegners, mithin die alte "Zusammenarbeitsvereinbarung" weiterhin Bestand gehabt habe und beide Verträge die Drei-Personen-Beziehung zwischen der Beschwerdeführerin, der C. GmbH und dem Beschwerdegegner geregelt hätten, stellt sie aber nicht in Abrede. Mit dem "Management Contract" wurde insbesondere, wie die Vorinstanz zutreffend herausstrich, die zentrale Rolle der C. GmbH betont, die nunmehr als "fully owned daughter company of A. SA" und "A. SA's Center for forward based Customer Support" operieren und den Beschwerdegegner im Auftrag ("on behalf") der Beschwerdeführerin anstellen sollte. Vor diesem Hintergrund ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass der hauptsächliche vertragliche Tätigkeitsort am Sitz der C. GmbH bleiben sollte.
BGE 140 III 418 S. 427
Dem steht der von der Beschwerdeführerin angeführte Vertragstext nicht entgegen. Zwar kann die Formulierung "A. SA offices" im Sinne der Beschwerdeführerin als deren Büros in Polen verstanden werden. Doch beschränkt sich der Vertrag eben nicht auf diesen Tätigkeitsort. Vielmehr ergibt sich daraus, dass der Beschwerdegegner einfach überall tätig sein sollte, wo die A. SA ihre Geschäftsaktivitäten ausüben würde ("where A. SA carries out its business activities") oder es nötig sei. Nachdem die C. GmbH zum "Center for forward based Customer Support" von A. SA geworden war, handelte es sich bei deren Sitz zweifellos um einen Ort, wo die A. SA Geschäftsaktivitäten entfalten sollte.
5.5 Die Vorinstanz ging somit bezüglich der Ansprüche aus der "Zusammenarbeitsvereinbarung" und dem "Management Contract" zu Recht davon aus, "nach dem Vertrag" sei ein Erfüllungsort in der Schweiz vereinbart worden.
5.5 5.5.1 Demzufolge konnte sie die Frage, in welchem Umfang der Beschwerdegegner tatsächlich in Polen oder der Schweiz tätig geworden war, offenlassen. Die diesbezüglichen Rügen der Beschwerdeführerin, wonach mit der Nichtabnahme von Beweisen zum Ort der tatsächlichen Dienstleistungserbringung ihr Recht auf Beweis verletzt wurde, müssen demnach nicht mehr geprüft werden. Nicht stichhaltig ist der Einwand der Beschwerdeführerin, mit dem Hinweis, dank moderner Kommunikationsmittel habe die Erfüllung der Aufgaben des Beschwerdegegners keine stetige oder überwiegende physische Präsenz am Sitz der Beschwerdeführerin erfordert, habe die Vorinstanz selbst tatsächliche Elemente zur Festlegung des Erfüllungsortes berücksichtigt und damit in unzulässiger Weise die BGE 140 III 418 S. 428 Herleitung des Erfüllungsortes aus den Vertragsbestimmungen mit der Frage nach dem Ort der tatsächlichen Leistungserbringung vermischt. Die Vorinstanz hat nicht darauf abgestellt, wo die Arbeit tatsächlich verrichtet wurde, sondern geprüft, ob die im Vertrag übernommenen Aufgaben auf einen Erfüllungsort in Polen schliessen lassen, weil deren Erfüllung eine überwiegende physische Präsenz des Beschwerdegegners in Polen notwendig machten. Dies hat sie mit Blick auf die modernen Kommunikationsmittel verneint.
5.5.1 BGE 140 III 418 S. 428
5.5.2 Ebenso muss nicht weiter darauf eingegangen werden, ob die Vorinstanz mit ihrer Annahme, die Verlagerung bestimmter Geschäftsbereiche in die Schweiz durch die Übertragung auf die hier ansässigen C. GmbH bzw. den Kläger sei gerade das zentrale Element der Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien gewesen, eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung traf, wie die Beschwerdeführerin geltend macht.
5.5.2 6. Der Beschwerdegegner verlangt von der Beschwerdeführerin gestützt auf das zwischen ihnen vereinbarte "Purchasing Agreement" vom 31. Dezember 2008 sodann die Bezahlung des Kaufpreises von EUR 400'000.- aus dem Verkauf von 100 % der Stammanteile der C. GmbH. Darüber hinaus fordert er gestützt auf den gleichen Vertrag EUR 62'000.-. Gemäss den Feststellungen der Vorinstanz beansprucht er diesen Betrag als Kompensation für zugunsten der C. GmbH getätigte Aufwendungen, was er im kantonalen Verfahren als Darlehen gewertet habe.
6. 6.1 Die Vorinstanz erachtete für beide Forderungen ebenfalls die zürcherischen Gerichte als zuständig.
6.1 6.1.1 Art. 5 Nr. 1 Bst. b erster Gedankenstrich LugÜ sei anwendbar auf den Verkauf beweglicher Sachen. Kaufverträge über unkörperliche Gegenstände wie z.B. Forderungen und Gesellschaftsteile würden davon nicht erfasst, sondern fielen unter die allgemeine Zuständigkeitsregel von Art. 5 Nr. 1 Bst. a LugÜ. Ein Teil der Lehre erblicke selbst in Kaufverträgen über verbriefte Rechte (Wertpapiere) keinen Kauf über eine "bewegliche Sache" (vgl. HOFMANN/KUNZ, a.a.O., N. 192 f. zu Art. 5 LugÜ mit Hinweis auf die unterschiedlichen Lehrmeinungen). Der Kaufvertrag über Stammanteile einer GmbH falle jedoch grundsätzlich nicht unter Art. 5 Nr. 1 Bst. b erster Gedankenstrich LugÜ. Zwar wäre es rechtlich möglich, dass die Stammanteile der C. GmbH als Namenpapiere verbrieft gewesen wären ( Art. 784 Abs. 1 OR ). Aufgrund der Personenbezogenheit der Rechtsform der BGE 140 III 418 S. 429 GmbH seien solche Anteile aber kaum marktfähig. Insbesondere würde die Übertragung der Stammanteile grundsätzlich deren Abtretung voraussetzen, welche ihrerseits die Zustimmung der Gesellschafterversammlung erfordern würde ( Art. 786 Abs. 1 OR ). Sie könnten daher, selbst wenn sie verbrieft wären, nicht einer beweglichen körperlichen Sache i.S. von Art. 5 Nr. 1 Bst. b erster Gedankenstrich LugÜ gleichgesetzt werden. Der Kaufvertrag über die Stammanteile falle somit unter Art. 5 Nr. 1 Bst. a LugÜ. Das Gleiche gelte hinsichtlich der Verpflichtung, "persönliche finanzielle Beiträge des Beschwerdegegners" (EUR 62'000.-) zurückzuerstatten, da diese Verpflichtung weder aus dem Verkauf von beweglichen Sachen noch aus einer Dienstleistung resultiere.
6.1.1 Art. 5 LugÜ Art. 784 Abs. 1 OR BGE 140 III 418 S. 429
Art. 786 Abs. 1 OR 6.1.2 Da die Vorinstanz Art. 5 Nr. 1 Bst. a LugÜ für anwendbar erachtete, stellte sie auf den Erfüllungsort der Verpflichtung ab, die Gegenstand der Klage bildete. Wo der Erfüllungsort der streitgegenständlichen Verpflichtung liege, bestimme sich nach dem materiellen Recht, welches nach dem Kollisionsrecht des Forums auf die Verpflichtung anwendbar sei (lex causae). Gemäss Art. 116 Abs. 1 IPRG unterliege der Vertrag grundsätzlich dem von den Parteien gewählten Recht. In Ziff. 5 lit. b des "Purchasing Agreement" sei unstrittig die Anwendbarkeit schweizerischen Rechts vereinbart worden. Demzufolge seien die hier strittigen Geldforderungen nach Art. 74 Abs. 2 Ziff. 1 OR am Ort zu zahlen, wo der Gläubiger zur Zeit der Erfüllung seinen Wohnsitz habe. Der Erfüllungsort liege demnach am Wohnsitz des Beschwerdegegners.
6.1.2 Art. 116 Abs. 1 IPRG Art. 74 Abs. 2 Ziff. 1 OR 6.2 Die Beschwerdeführerin bestreitet zu Recht nicht, dass der Erfüllungsort für beide Forderungen in der Schweiz liegt, wenn Art. 5 Nr. 1 Bst. a LugÜ massgeblich ist. Sie macht aber hinsichtlich der Kaufpreisforderung unter Hinweis auf eine Lehrmeinung (RAUSCHER, Internationaler Gerichtsstand des Erfüllungsorts - Abschied von Tessili und de Bloos, Neue Juristische Wochenschrift [NJW] 2010 S. 2251 ff., 2253 f.) geltend, entgegen der Vorinstanz seien auch Rechtskäufe - und damit der Kauf der Stammanteile - unter Art. 5 Nr. 1 Bst. b erster Gedankenstrich LugÜ zu subsumieren. Die Frage kann offenbleiben. Selbst wenn der Beschwerdeführerin diesbezüglich gefolgt würde, wären die zürcherischen Gerichte zuständig.
6.2 6.2.1 Massgeblich wäre dann, welcher Erfüllungsort sich gemäss Art. 5 Nr. 1 Bst. b erster Gedankenstrich LugÜ aus dem Vertrag ergibt. Kann, wie im zu beurteilenden Fall, der Ort der BGE 140 III 418 S. 430 Leistungserbringung ohne Rückgriff auf die lex causae nicht anhand der Vertragsbestimmungen ermittelt werden, ist nach der Rechtsprechung des EuGH bei körperlichen Sachen der Ort massgebend, an dem die Waren dem Käufer körperlich übergeben wurden oder hätten übergeben werden müssen. Da die Waren, die den materiellen Gegenstand des Vertrags bilden, sich nach der Erfüllung dieses Vertrags grundsätzlich an diesem Ort befinden müssen und das grundlegende Ziel eines Vertrags über den Verkauf beweglicher Sachen, ihre Übertragung vom Verkäufer an den Käufer, erst bei der Ankunft der beweglichen Sachen an ihrem endgültigen Bestimmungsort vollständig abgeschlossen ist, entspricht dieses Kriterium dem Ziel der räumlichen Nähe, da es eine enge Verknüpfung zwischen dem Vertrag und dem zur Entscheidung berufenen Gericht gewährleistet (zit. Urteil Car Trim, Randnrn. 60 ff.).
6.2.1 BGE 140 III 418 S. 430
6.2.2 Dass über die Stammanteile eine Urkunde ausgestellt worden wäre ( Art. 784 OR ), die der Beschwerdeführerin in Polen zukommen sollte, macht diese vor Bundesgericht nicht geltend. Ob diesfalls der Erfüllungsort in Polen wäre, kann damit offenbleiben. Die Ortsangabe der Vertragsunterzeichnung, auf die sich die Beschwerdeführerin unter anderem beruft, ist nicht von Bedeutung (zit. Urteil Rehder, Randnr. 39). Wie die Vorinstanz zutreffend festhielt, sind für die Übertragung die Abtretung und die Zustimmung der Gesellschafterversammlung zur Abtretung nötig ( Art. 786 Abs. 1 OR ), wenn die Statuten keinen Verzicht auf die Zustimmung ( Art. 786 Abs. 2 Ziff. 1 OR ) enthalten. Dies ist nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht der Fall. Nach Art. 790 OR führt die Gesellschaft ein Anteilsbuch, in das die Gesellschafter sowie die Anzahl, der Nennwert sowie allenfalls die Kategorien der Stammanteile jedes Gesellschafters einzutragen sind. Die Gesellschafter sind mit der Anzahl und dem Nennwert ihrer Stammanteile ins Handelsregister einzutragen, wobei die Gesellschaft die Eintragung anmelden muss ( Art. 791 OR ). Ist für die Abtretung von Stammanteilen wie hier die Zustimmung der Gesellschafterversammlung erforderlich, so wird die Abtretung (erst) mit dieser Zustimmung rechtswirksam ( Art. 787 Abs. 1 OR ). Die Zustimmung ist also konstitutiv für die Übertragung, während der Eintragung der Erwerberin als Gesellschafterin im Handelsregister, wie die Beschwerdeführerin richtig bemerkt, lediglich deklaratorische Bedeutung zukommt (RINO SIFFERT, in: Handelsregisterverordnung [HRegV], Siffert/Turin [Hrsg.], 2013, N. 22 zu Art. 82 HRegV ). BGE 140 III 418 S. 431
6.2.2 Art. 784 OR Art. 786 Abs. 1 OR Art. 786 Abs. 2 Ziff. 1 OR Art. 790 OR Art. 791 OR Art. 787 Abs. 1 OR Art. 82 HRegV BGE 140 III 418 S. 431
6.2.3 An der ordentlichen Gesellschafterversammlung der C. GmbH vom 18. März 2009, die an deren Sitz in U. (ZH) stattfand, hat die Versammlung der Abtretung aller Stammanteile an die Beschwerdeführerin im Sinn von Art. 786 Abs. 1 OR ausdrücklich zugestimmt. Diese für den Vollzug der Vereinbarung wesentliche Handlung war daher in der Schweiz vorzunehmen und wurde auch in der Schweiz vorgenommen, selbst wenn der Handelsregistereintrag noch nicht erfolgt ist, wobei diesem nach Auffassung der Beschwerdeführerin mit Blick auf dessen deklaratorischen Charakter für die Bestimmung des Erfüllungsortes ohnehin keine Bedeutung zukommt. Darauf braucht indessen nicht weiter eingegangen zu werden. Die Beschwerdeführerin behauptet zwar allgemein, sämtliche Aktivitäten, welche die physische Präsenz der an der Kooperation Beteiligten erfordert hätten, seien stets an ihrem Sitz in Polen und jedenfalls nicht in U. ausgeführt worden. Nichts anderes müsse daher für den Vollzug des (vermeintlichen) Kaufvertrages gelten. Sie begnügt sich aber mit diesen allgemeinen Ausführungen und dem Hinweis auf den Ort der Vertragsunterzeichnung. Sie zeigt damit nicht rechtsgenüglich auf, dass im Rahmen der Übertragung etwas nach Polen hätte geliefert werden müssen, und sie legt auch nicht konkret dar, dass in Polen Vollzugshandlungen zum vollständigen Abschluss der Übertragung vom Verkäufer an den Käufer hätten erfolgen müssen, die eine enge Verknüpfung (vgl. hierzu auch Urteil vom 3. Mai 2007 C-386/05 Color Drack, Slg. 2007 I-03699 Randnrn. 40 ff.) zwischen dem Vertrag und einem in Polen zur Entscheidung berufenen Gericht gewährleistet und damit dem von Art. 5 Nr. 1 Bst. b erster Gedankenstrich LugÜ verfolgten Ziel der räumlichen Nähe (zit. Urteil Car Trim, Randnr. 61) entsprochen hätten. Daher würde auch die Anwendung von Art. 5 Nr. 1 Bst. b erster Gedankenstrich LugÜ nicht zur Annahme eines Erfüllungsortes in Polen führen und wäre die Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte gegeben.
6.2.3 Art. 786 Abs. 1 OR
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Urteilskopf 140 III 41 8. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y. GmbH (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_344/2013 vom 6. Januar 2014 Regeste Art. 85 SchKG ; Klage auf Aufhebung oder Einstellung der Betreibung. Der Betriebene kann die Klage gemäss Art. 85 SchKG vor Beseitigung des Rechtsvorschlages erheben und durch Urkunden das Nichtbestehen der Schuld beweisen (E. 3). Sachverhalt ab Seite 41 BGE 140 III 41 S. 41 A. Die Y. GmbH leitete gegen X. für eine Forderung in der Höhe von Fr. 31'579.30 nebst Zins zu 5 % seit 1. April 2012 die Betreibung (Nr. x, Betreibungsamt Meilen-Herrliberg-Erlenbach) ein. Gegen den Zahlungsbefehl vom 21. Mai 2012 erhob der Schuldner am 25. Mai 2012 (Zustellungsdatum) Rechtsvorschlag. BGE 140 III 41 S. 42 Am 7. Juni 2012 gelangte X. an das Bezirksgericht Meilen und beantragte gestützt auf Art. 85 SchKG, die erwähnte Betreibung sei aufzuheben und das Betreibungsamt sei anzuweisen, Dritten keine Kenntnis von der Betreibung zu geben. Mit Verfügung vom 21. Juni 2012 trat das Bezirksgericht (Einzelgericht im summarischen Verfahren) auf das Begehren nicht ein. B. Gegen die Verfügung des Bezirksgerichts erhob X. Beschwerde. Das Obergericht des Kantons Zürich entschied mit Urteil vom 4. April 2013, dass auf die Klage gemäss Art. 85 SchKG einzutreten, sie aber abzuweisen ist. C. Mit Eingabe vom 8. Mai 2013 hat X. Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Der Beschwerdeführer verlangt, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 4. April 2013 sei aufzuheben. Die von der Y. GmbH (Beschwerdegegnerin) gegen ihn eingeleitete Betreibung sei gestützt auf Art. 85 SchKG aufzuheben und das Betreibungsamt anzuweisen, Dritten keine Kenntnis von der Betreibung zu geben. (...) Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. (Auszug) Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt die Klage gemäss Art. 85 SchKG, mit welcher der Beschwerdeführer das Nichtbestehen der Betreibungsforderung belegen und die Aufhebung der gegen ihn geführten Betreibung erreichen will. Entgegen der vorinstanzlichen Auffassung sei ihm der urkundliche Nachweis des Nichtbestehens der Schuld gelungen und die Klage gutzuheissen. Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht die Verletzung von Bundesrecht vor. 3.1 Beweist der Betriebene durch Urkunden, dass die Schuld samt Zinsen und Kosten getilgt oder gestundet ist, so kann er jederzeit beim Gericht des Betreibungsortes im ersteren Fall die Aufhebung, im letzteren Fall die Einstellung der Betreibung verlangen ( Art. 85 SchKG ). Mit der Klage gemäss Art. 85 SchKG wird im summarischen Verfahren ( Art. 251 lit. c ZPO ; aArt. 25 Ziff. 2 lit. c SchKG) durch Urkundenbeweis über die Zulässigkeit der Betreibung entschieden, wobei der Entscheid ausschliesslich betreibungsrechtliche Wirkung hat ( BGE 125 III 149 E. 2b/aa S. 151 f.). Diese Grundsätze stehen zu Recht nicht in Frage. BGE 140 III 41 S. 43 3.2 Die Klage gemäss Art. 85 SchKG setzt eine hängige Betreibung voraus und ist nur bis zur Verteilung des Verwertungserlöses in der Spezialexekution bzw. bis zur Konkurseröffnung möglich (Botschaft vom 8. Mai 1991 über die Änderung des SchKG, BBl 1991 III 1 68 Ziff. 202.75 ). Das Obergericht hat sein Urteil gefällt (4. April 2013), als die einjährige Gültigkeitsfrist des Zahlungsbefehls (Zustellung am 25. Mai 2012) noch lief (vgl. Art. 88 Abs. 2 SchKG ). Es hat die Zulässigkeit der Klage gemäss Art. 85 SchKG und das Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers betreffend eine Betreibung im Stadium des wirksamen Rechtsvorschlages bejaht. 3.2.1 Nach einem Teil der Literatur setzt die Klage gemäss Art. 85 SchKG einen rechtskräftigen Zahlungsbefehl voraus (u.a. GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. I, 1999, N. 20 zu Art. 85 SchKG ; SCHMIDT, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 8 zu Art. 85 SchKG ; MARCHAND, Précis de droit des poursuites, 2. Aufl. 2013, S. 75). Nach anderer Auffassung ist die Klage gemäss Art. 85 SchKG bereits im Zustand des erhobenen Rechtsvorschlages zulässig (u.a. KREN KOSTKIEWICZ, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, 2012, S. 149 Rz. 565; BOMMER/BANGERT, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 2. Aufl. 2010, N. 12 zu Art. 85 SchKG ; JAEGER/WALDER/KULL/KOTTMANN, Bundesgesetz betreffend Schuldbetreibung und Konkurs, 4. Aufl., 1997/1999, N. 12 zu Art. 85 SchKG ; wohl im gleichen Sinn ["in jedem Stadium"] AMONN/WALTHER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 9. Aufl. 2013, § 20 Rz. 9; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs [...], Bd. I, 1984, § 22 Rz. 3, S. 274). In diese Richtung (Zulässigkeit) geht auch die kantonale Praxis (vgl. Urteil 100 10 689 des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 9. November 2010 E. 2 http://www.baselland.ch/045-htm.315038.0.html ), welcher sich das Obergericht angeschlossen hat. 3.2.2 Nach dem Wortlaut von Art. 85 SchKG ist die Klage "jederzeit" möglich, ebenso die Klage nach Art. 85a SchKG. Die letztere Klage kann als "Notbehelf" allerdings erst nach rechtskräftiger Beseitigung des Rechtsvorschlages angehoben werden ( BGE 128 III 334 S. 335; BGE 125 III 149 E. 2b S. 152). Das Bundesgericht hat zur Frage, ob diese Einschränkung auch für die Klage gemäss Art. 85 SchKG (soweit ersichtlich) nicht eingehend Stellung genommen. Es hat aber - worauf die Vorinstanz hingewiesen hat - das Festhalten an der Praxis betreffend die Klage gemäss Art. 85a SchKG ohne BGE 140 III 41 S. 44 weiteres damit gerechtfertigt, dass dem betriebenen Schuldner die Klage gemäss Art. 85 SchKG (sowie die allgemeine Feststellungsklage) zur Verfügung stehe (Urteil 5D_112/2011 vom 11. Juni 2011). 3.2.3 Die Klage gemäss Art. 85a SchKG wurde bei der SchKG-Revision als Zusatz zum Summarverfahren gemäss Art. 85 SchKG eingeführt, welches vom Schuldner den Urkundenbeweis verlangt. Ein Schuldner, der sich mangels Urkunden in Beweisnot befindet, soll sich (nach Art. 85a SchKG ) an den Zivilrichter wenden dürfen, um der Vollstreckung in sein Vermögen zu entgehen (vgl. Botschaft, a.a.O., 69 Ziff. 202.75). Im Unterschied zur Klage gemäss Art. 85 SchKG wird bei derjenigen gemäss Art. 85a SchKG jedoch nicht nur mit betreibungsrechtlicher Wirkung, sondern im ordentlichen (oder vereinfachten) Verfahren mit voller Kognition materiellrechtlich über den Bestand oder die Stundung der Schuld entschieden ( BGE 125 III 149 E. 2c und d S. 151 ff.; BGE 132 III 89 E. 1.1 S. 93). Mit der Klage gemäss Art. 85a SchKG wird der Betreibungsgläubiger unter der Gefahr des materiellen Rechtsverlustes zum Beweis seiner Forderung gezwungen. Demgegenüber wird der Gläubiger mit der Klage gemäss Art. 85 SchKG viel weniger beeinträchtigt; er kann (im Fall seines Unterliegens) immer noch mit der Forderungsklage gegen den Schuldner vorgehen (u.a. KREN KOSTKIEWICZ, a.a.O., S. 147 Rz. 555 ff.; GILLIÉRON, a.a.O., N. 54 zu Art. 85 SchKG ). Zu Recht wird in der Lehre (unter Hinweis auf die kantonale Praxis) gefolgert, dass die für die Klage gemäss Art. 85a SchKG massgebende Prozessvoraussetzung (rechtskräftiger Zahlungsbefehl) - wegen der erheblichen Unterschiede - nicht auf die Klage gemäss Art. 85 SchKG übertragen werden kann (vgl. so bereits GASSER, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts [...], BlSchK 2001 S. 94; EQUEY/VONZUN, Mittel und Wege zur Beseitigung der negativen Auswirkungen des Betreibungsregistereintrags grundloser Betreibungen, AJP 2011 S. 1348 ff., 1353). Schliesslich ist anerkannt, dass mit der Klage gemäss Art. 85 SchKG einer der "gerichtlichen Entscheide" erwirkt werden kann, damit das Betreibungsamt Dritten von einer Betreibung keine Kenntnis gibt ( Art. 8a Abs. 3 lit. a SchKG ; Botschaft, a.a.O., 32 Ziff. 201.14). Es ist mit Bundesrecht vereinbar, wenn das Obergericht die Klage des Beschwerdeführers, mit welcher gemäss Art. 85 SchKG die Aufhebung einer Betreibung im Zustand des erhobenen Rechtsvorschlages verlangt wird, als zulässig erachtet hat. 3.3 Der Beschwerdeführer bringt vor, dass mit der Klage gemäss Art. 85 SchKG der Nichtbestand einer Forderung geltend gemacht BGE 140 III 41 S. 45 werden könne, was nicht nur anhand eines rechtskräftigen Urteils, sondern auch anderer Urkunden möglich sei. Das Obergericht hat die Rechtslage nicht abschliessend geklärt. 3.3.1 Nach dem Wortlaut spricht Art. 85 SchKG nur von Tilgung und Stundung (Hinausschieben der Fälligkeit) der Schuld, nicht aber von deren Nichtbestand. In der Lehre wird seit langem bestätigt, dass der Betriebene über den Wortlaut hinaus die Aufhebung der Betreibung auch verlangen kann, wenn er durch Urkunden beweist, dass die in Betreibung gesetzte Forderung gar nie bestanden hat (u.a. BLUMENSTEIN, Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechts, 1911, S. 315 Fn. 5; GILLIÉRON, a.a.O., N. 25 zu Art. 85 SchKG ; FRITZSCHE/WALDER, a.a.O., § 22 Rz. 2, S. 274; JAEGER/WALDER/KULL/KOTTMANN, a.a.O., N. 8 zu Art. 85 SchKG ; BODMER/BANGERT, a.a.O., N. 26 zu Art. 85 SchKG ; BRÖNNIMANN, in: SchKG, 2009, N. 4 zu Art. 85 SchKG ; VOCK/MÜLLER, SchKG-Klagen nach der Schweizerischen ZPO, 2012, S. 151; a.M. JAEGER, Das Bundesgesetz betreffend Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 1911, N. 5 zu Art. 85 SchKG ). Diese Auffassung ist begründet, denn der Schutz desjenigen, der erst nach Anhebung einer Schuldbetreibung seine Schulden begleicht (Tilgung), kann nicht grösser sein, als desjenigen, der überhaupt nichts schuldet (SPÜHLER, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, Bd. I, 5. Aufl. 2011, S. 205 Rz. 718). Das Bundesgericht hat in diesem Sinn entschieden, wenn es in BGE 110 II 352 (E. 2a S. 357) festgehalten hat, dass mit einer allgemeinen negativen Feststellungsklage eine Voraussetzung - Nachweis des Nichtbestandes der Forderung - zur Aufhebung der Betreibung nach Art. 85 SchKG geschaffen werden kann (anders noch BGE 42 II 335 E. 1 S. 336 f.; vgl. GILLIÉRON, a.a.O., N. 12 ff. zu Art. 85 SchKG ). Der Beschwerdeführer darf demnach mit Art. 85 SchKG den Nachweis des Nichtbestehens der Betreibungsforderung führen. 3.3.2 Den Nachweis der Tilgung, Stundung oder des Nichtbestehens der Betreibungsforderung kann der Schuldner nur durch strikten Urkundenbeweis erbringen; die blosse Glaubhaftmachung ist nicht ausreichend ( BGE 125 III 149 E. 2b/aa S. 151 f.; Urteil 5P.8/2005 vom 3. Mai 2005 E. 3.1). Die materielle Rechtslage muss auf der Hand liegen, manifest sein (Urteil 5A_674/2013 vom 4. Februar 2013 E. 2.1); Urkundenbegriff und Beweismass von Art. 85 SchKG und Art. 81 Abs. 1 SchKG (Einwendung gegen den definitiven Rechtsöffnungstitel) entsprechen sich (u.a. GILLIÉRON, a.a.O., N. 25, 68 zu Art. 85 SchKG ; BODMER/BANGERT, a.a.O., N. 33, 33a zu Art. 85 SchKG ). Das BGE 140 III 41 S. 46 Nichtbestehen der Forderung kann zweifellos durch einen gerichtlichen negativen Feststellungsentscheid belegt werden ( BGE 110 II 352 E. 2a S. 357). Ein Teil der Lehre und Praxis lässt auch andere Urkunden mit der Begründung zu, dass in der Weise, wie die Tilgung u.a. durch eine Saldoquittung nachweisbar ist, auch ein negatives Schuldanerkenntnis das Nichtbestehen einer Forderung belegen könne (EQUEY/VONZUN, a.a.O., S. 1352; SPÜHLER, a.a.O., S. 205 Rz. 720 ["insbesondere"]; Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, a.a.O., E. 5). Die Frage kann im konkreten Fall - wie das Obergericht geschlossen hat und sich aus dem Folgenden ergibt - offengelassen werden, weil der Beschwerdeführer dem in Art. 85 SchKG geforderten urkundlichen Nachweis jedenfalls nicht genügt. 3.4 Der Beschwerdeführer bringt vor, aus den Urkunden über Werkverträge der Beschwerdegegnerin mit den Erstellern der Baute (Ehepaar A.) könne abgeleitet werden, dass er der Beschwerdegegnerin nichts schulde. Aus den Urkunden gehe hervor, dass eine allfällige Forderung gegenüber dem Ehepaar A. als Besteller aus den Werkverträgen bzw. als Adressaten aus den Bauabrechnungen bestehe. 3.4.1 Mit Klage gemäss Art. 85 SchKG muss der Betriebene durch die Urkunde den unmittelbaren Beweis für die Tilgung, Stundung oder das Nichtbestehen der Betreibungsforderung erbringen; ein Indizienbeweis genügt nicht (GILLIÉRON, a.a.O., N. 25, 69 zu Art. 85 SchKG ). Nach der Darstellung des Beschwerdeführers sollen die vorgelegten Urkunden (wie die von der Beschwerdegegnerin mit dem Ehepaar A. abgeschlossenen Verträge) den tatsächlichen Schluss erlauben, dass er der Beschwerdegegnerin nichts schulde. Dass er der Beschwerdegegnerin nichts schulde, ist damit indessen nicht verurkundet; der urkundliche Beweis der Nichtschuld liegt nicht vor. Es ist nicht zu beanstanden, wenn das Obergericht auf dem Urkundenbeweis für das Nichtbestehen beharrt hat; es hat anhand der vorgelegten Dokumente den Nachweis zu Recht verneint. Daran ändert nichts, dass die Vorinstanz an einzelner Stelle nicht vom Urkundenbeweis, sondern vom "dargestellten Sachverhaltskomplex" gesprochen hat. Unbehelflich sind die Ausführungen des Beschwerdeführers, soweit sie darauf hinauslaufen, dass mit den Urkunden das Nichtbestehen der Forderung glaubhaft gemacht worden sei, weil dies mit Art. 85 SchKG nicht vorgebracht werden kann. 3.4.2 Der Beschwerdeführer beruft sich auf weitere Urkunden. Dass er jedoch nach Art. 85 SchKG geeignete Urkunden - wie eine BGE 140 III 41 S. 47 allfällige negative Schuldanerkennung der Beschwerdegegnerin - vorgelegt habe und diese vom Obergericht übergangen worden seien, wird nicht dargetan. Von unrichtiger Sachverhaltsfeststellung ( Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG ) kann nicht gesprochen werden. Sein Einwand, die Beschwerdegegnerin habe eine Übernahme der Haftung aus den Bauabrechnungen "nicht behauptet", geht fehl. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist der Richter nach Art. 85 SchKG - wie der Rechtsöffnungsrichter - ein Vollstreckungsrichter, der anhand der Urkunde prüfen und entscheiden muss, ob die Betreibung zulässig ist (AMONN/WALTHER, a.a.O., § 20 Rz. 5). 3.4.3 Es bleibt dabei, dass der Beschwerdeführer über keine Urkunde verfügt, mit der er unmittelbar das Nichtbestehen der Schuld beweisen kann. Der Beschwerdeführer kann (im Falle des rechtskräftigen Zahlungsbefehls) im Zivilprozess nach Art. 85a SchKG feststellen lassen, dass die Forderung nicht besteht. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet.
Urteilskopf
8. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y. GmbH (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_344/2013 vom 6. Januar 2014
Regeste Art. 85 SchKG ; Klage auf Aufhebung oder Einstellung der Betreibung. Der Betriebene kann die Klage gemäss Art. 85 SchKG vor Beseitigung des Rechtsvorschlages erheben und durch Urkunden das Nichtbestehen der Schuld beweisen (E. 3).
Regeste
Art. 85 SchKG ; Klage auf Aufhebung oder Einstellung der Betreibung. Der Betriebene kann die Klage gemäss Art. 85 SchKG vor Beseitigung des Rechtsvorschlages erheben und durch Urkunden das Nichtbestehen der Schuld beweisen (E. 3).
Art. 85 SchKG Der Betriebene kann die Klage gemäss Art. 85 SchKG vor Beseitigung des Rechtsvorschlages erheben und durch Urkunden das Nichtbestehen der Schuld beweisen (E. 3).
Art. 85 SchKG Sachverhalt ab Seite 41
Sachverhalt ab Seite 41 BGE 140 III 41 S. 41
BGE 140 III 41 S. 41
A. Die Y. GmbH leitete gegen X. für eine Forderung in der Höhe von Fr. 31'579.30 nebst Zins zu 5 % seit 1. April 2012 die Betreibung (Nr. x, Betreibungsamt Meilen-Herrliberg-Erlenbach) ein. Gegen den Zahlungsbefehl vom 21. Mai 2012 erhob der Schuldner am 25. Mai 2012 (Zustellungsdatum) Rechtsvorschlag. BGE 140 III 41 S. 42
A. BGE 140 III 41 S. 42
Am 7. Juni 2012 gelangte X. an das Bezirksgericht Meilen und beantragte gestützt auf Art. 85 SchKG, die erwähnte Betreibung sei aufzuheben und das Betreibungsamt sei anzuweisen, Dritten keine Kenntnis von der Betreibung zu geben. Mit Verfügung vom 21. Juni 2012 trat das Bezirksgericht (Einzelgericht im summarischen Verfahren) auf das Begehren nicht ein.
Art. 85 SchKG B. Gegen die Verfügung des Bezirksgerichts erhob X. Beschwerde. Das Obergericht des Kantons Zürich entschied mit Urteil vom 4. April 2013, dass auf die Klage gemäss Art. 85 SchKG einzutreten, sie aber abzuweisen ist.
B. Art. 85 SchKG C. Mit Eingabe vom 8. Mai 2013 hat X. Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Der Beschwerdeführer verlangt, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 4. April 2013 sei aufzuheben. Die von der Y. GmbH (Beschwerdegegnerin) gegen ihn eingeleitete Betreibung sei gestützt auf Art. 85 SchKG aufzuheben und das Betreibungsamt anzuweisen, Dritten keine Kenntnis von der Betreibung zu geben. (...)
C. Art. 85 SchKG Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Auszug)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
3. Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt die Klage gemäss Art. 85 SchKG, mit welcher der Beschwerdeführer das Nichtbestehen der Betreibungsforderung belegen und die Aufhebung der gegen ihn geführten Betreibung erreichen will. Entgegen der vorinstanzlichen Auffassung sei ihm der urkundliche Nachweis des Nichtbestehens der Schuld gelungen und die Klage gutzuheissen. Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht die Verletzung von Bundesrecht vor.
3. Art. 85 SchKG 3.1 Beweist der Betriebene durch Urkunden, dass die Schuld samt Zinsen und Kosten getilgt oder gestundet ist, so kann er jederzeit beim Gericht des Betreibungsortes im ersteren Fall die Aufhebung, im letzteren Fall die Einstellung der Betreibung verlangen ( Art. 85 SchKG ). Mit der Klage gemäss Art. 85 SchKG wird im summarischen Verfahren ( Art. 251 lit. c ZPO ; aArt. 25 Ziff. 2 lit. c SchKG) durch Urkundenbeweis über die Zulässigkeit der Betreibung entschieden, wobei der Entscheid ausschliesslich betreibungsrechtliche Wirkung hat ( BGE 125 III 149 E. 2b/aa S. 151 f.). Diese Grundsätze stehen zu Recht nicht in Frage. BGE 140 III 41 S. 43
3.1 Art. 85 SchKG Art. 85 SchKG Art. 251 lit. c ZPO BGE 140 III 41 S. 43
3.2 Die Klage gemäss Art. 85 SchKG setzt eine hängige Betreibung voraus und ist nur bis zur Verteilung des Verwertungserlöses in der Spezialexekution bzw. bis zur Konkurseröffnung möglich (Botschaft vom 8. Mai 1991 über die Änderung des SchKG, BBl 1991 III 1 68 Ziff. 202.75 ). Das Obergericht hat sein Urteil gefällt (4. April 2013), als die einjährige Gültigkeitsfrist des Zahlungsbefehls (Zustellung am 25. Mai 2012) noch lief (vgl. Art. 88 Abs. 2 SchKG ). Es hat die Zulässigkeit der Klage gemäss Art. 85 SchKG und das Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers betreffend eine Betreibung im Stadium des wirksamen Rechtsvorschlages bejaht.
3.2 Art. 85 SchKG Art. 88 Abs. 2 SchKG Art. 85 SchKG 3.2.1 Nach einem Teil der Literatur setzt die Klage gemäss Art. 85 SchKG einen rechtskräftigen Zahlungsbefehl voraus (u.a. GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. I, 1999, N. 20 zu Art. 85 SchKG ; SCHMIDT, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 8 zu Art. 85 SchKG ; MARCHAND, Précis de droit des poursuites, 2. Aufl. 2013, S. 75). Nach anderer Auffassung ist die Klage gemäss Art. 85 SchKG bereits im Zustand des erhobenen Rechtsvorschlages zulässig (u.a. KREN KOSTKIEWICZ, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, 2012, S. 149 Rz. 565; BOMMER/BANGERT, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 2. Aufl. 2010, N. 12 zu Art. 85 SchKG ; JAEGER/WALDER/KULL/KOTTMANN, Bundesgesetz betreffend Schuldbetreibung und Konkurs, 4. Aufl., 1997/1999, N. 12 zu Art. 85 SchKG ; wohl im gleichen Sinn ["in jedem Stadium"] AMONN/WALTHER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 9. Aufl. 2013, § 20 Rz. 9; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs [...], Bd. I, 1984, § 22 Rz. 3, S. 274). In diese Richtung (Zulässigkeit) geht auch die kantonale Praxis (vgl. Urteil 100 10 689 des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 9. November 2010 E. 2 http://www.baselland.ch/045-htm.315038.0.html ), welcher sich das Obergericht angeschlossen hat.
3.2.1 Art. 85 SchKG Art. 85 SchKG Art. 85 SchKG Art. 85 SchKG Art. 85 SchKG Art. 85 SchKG 3.2.2 Nach dem Wortlaut von Art. 85 SchKG ist die Klage "jederzeit" möglich, ebenso die Klage nach Art. 85a SchKG. Die letztere Klage kann als "Notbehelf" allerdings erst nach rechtskräftiger Beseitigung des Rechtsvorschlages angehoben werden ( BGE 128 III 334 S. 335; BGE 125 III 149 E. 2b S. 152). Das Bundesgericht hat zur Frage, ob diese Einschränkung auch für die Klage gemäss Art. 85 SchKG (soweit ersichtlich) nicht eingehend Stellung genommen. Es hat aber - worauf die Vorinstanz hingewiesen hat - das Festhalten an der Praxis betreffend die Klage gemäss Art. 85a SchKG ohne BGE 140 III 41 S. 44 weiteres damit gerechtfertigt, dass dem betriebenen Schuldner die Klage gemäss Art. 85 SchKG (sowie die allgemeine Feststellungsklage) zur Verfügung stehe (Urteil 5D_112/2011 vom 11. Juni 2011).
3.2.2 Art. 85 SchKG Art. 85a SchKG Art. 85 SchKG Art. 85a SchKG BGE 140 III 41 S. 44
Art. 85 SchKG 3.2.3 Die Klage gemäss Art. 85a SchKG wurde bei der SchKG-Revision als Zusatz zum Summarverfahren gemäss Art. 85 SchKG eingeführt, welches vom Schuldner den Urkundenbeweis verlangt. Ein Schuldner, der sich mangels Urkunden in Beweisnot befindet, soll sich (nach Art. 85a SchKG ) an den Zivilrichter wenden dürfen, um der Vollstreckung in sein Vermögen zu entgehen (vgl. Botschaft, a.a.O., 69 Ziff. 202.75). Im Unterschied zur Klage gemäss Art. 85 SchKG wird bei derjenigen gemäss Art. 85a SchKG jedoch nicht nur mit betreibungsrechtlicher Wirkung, sondern im ordentlichen (oder vereinfachten) Verfahren mit voller Kognition materiellrechtlich über den Bestand oder die Stundung der Schuld entschieden ( BGE 125 III 149 E. 2c und d S. 151 ff.; BGE 132 III 89 E. 1.1 S. 93). Mit der Klage gemäss Art. 85a SchKG wird der Betreibungsgläubiger unter der Gefahr des materiellen Rechtsverlustes zum Beweis seiner Forderung gezwungen. Demgegenüber wird der Gläubiger mit der Klage gemäss Art. 85 SchKG viel weniger beeinträchtigt; er kann (im Fall seines Unterliegens) immer noch mit der Forderungsklage gegen den Schuldner vorgehen (u.a. KREN KOSTKIEWICZ, a.a.O., S. 147 Rz. 555 ff.; GILLIÉRON, a.a.O., N. 54 zu Art. 85 SchKG ). Zu Recht wird in der Lehre (unter Hinweis auf die kantonale Praxis) gefolgert, dass die für die Klage gemäss Art. 85a SchKG massgebende Prozessvoraussetzung (rechtskräftiger Zahlungsbefehl) - wegen der erheblichen Unterschiede - nicht auf die Klage gemäss Art. 85 SchKG übertragen werden kann (vgl. so bereits GASSER, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts [...], BlSchK 2001 S. 94; EQUEY/VONZUN, Mittel und Wege zur Beseitigung der negativen Auswirkungen des Betreibungsregistereintrags grundloser Betreibungen, AJP 2011 S. 1348 ff., 1353). Schliesslich ist anerkannt, dass mit der Klage gemäss Art. 85 SchKG einer der "gerichtlichen Entscheide" erwirkt werden kann, damit das Betreibungsamt Dritten von einer Betreibung keine Kenntnis gibt ( Art. 8a Abs. 3 lit. a SchKG ; Botschaft, a.a.O., 32 Ziff. 201.14). Es ist mit Bundesrecht vereinbar, wenn das Obergericht die Klage des Beschwerdeführers, mit welcher gemäss Art. 85 SchKG die Aufhebung einer Betreibung im Zustand des erhobenen Rechtsvorschlages verlangt wird, als zulässig erachtet hat.
3.2.3 Art. 85a SchKG Art. 85 SchKG Art. 85a SchKG Art. 85 SchKG Art. 85a SchKG Art. 85a SchKG Art. 85 SchKG Art. 85 SchKG Art. 85a SchKG Art. 85 SchKG Art. 85 SchKG Art. 8a Abs. 3 lit. a SchKG Art. 85 SchKG 3.3 Der Beschwerdeführer bringt vor, dass mit der Klage gemäss Art. 85 SchKG der Nichtbestand einer Forderung geltend gemacht BGE 140 III 41 S. 45 werden könne, was nicht nur anhand eines rechtskräftigen Urteils, sondern auch anderer Urkunden möglich sei. Das Obergericht hat die Rechtslage nicht abschliessend geklärt.
3.3 Art. 85 SchKG BGE 140 III 41 S. 45
3.3.1 Nach dem Wortlaut spricht Art. 85 SchKG nur von Tilgung und Stundung (Hinausschieben der Fälligkeit) der Schuld, nicht aber von deren Nichtbestand. In der Lehre wird seit langem bestätigt, dass der Betriebene über den Wortlaut hinaus die Aufhebung der Betreibung auch verlangen kann, wenn er durch Urkunden beweist, dass die in Betreibung gesetzte Forderung gar nie bestanden hat (u.a. BLUMENSTEIN, Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechts, 1911, S. 315 Fn. 5; GILLIÉRON, a.a.O., N. 25 zu Art. 85 SchKG ; FRITZSCHE/WALDER, a.a.O., § 22 Rz. 2, S. 274; JAEGER/WALDER/KULL/KOTTMANN, a.a.O., N. 8 zu Art. 85 SchKG ; BODMER/BANGERT, a.a.O., N. 26 zu Art. 85 SchKG ; BRÖNNIMANN, in: SchKG, 2009, N. 4 zu Art. 85 SchKG ; VOCK/MÜLLER, SchKG-Klagen nach der Schweizerischen ZPO, 2012, S. 151; a.M. JAEGER, Das Bundesgesetz betreffend Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 1911, N. 5 zu Art. 85 SchKG ). Diese Auffassung ist begründet, denn der Schutz desjenigen, der erst nach Anhebung einer Schuldbetreibung seine Schulden begleicht (Tilgung), kann nicht grösser sein, als desjenigen, der überhaupt nichts schuldet (SPÜHLER, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, Bd. I, 5. Aufl. 2011, S. 205 Rz. 718). Das Bundesgericht hat in diesem Sinn entschieden, wenn es in BGE 110 II 352 (E. 2a S. 357) festgehalten hat, dass mit einer allgemeinen negativen Feststellungsklage eine Voraussetzung - Nachweis des Nichtbestandes der Forderung - zur Aufhebung der Betreibung nach Art. 85 SchKG geschaffen werden kann (anders noch BGE 42 II 335 E. 1 S. 336 f.; vgl. GILLIÉRON, a.a.O., N. 12 ff. zu Art. 85 SchKG ). Der Beschwerdeführer darf demnach mit Art. 85 SchKG den Nachweis des Nichtbestehens der Betreibungsforderung führen.
3.3.1 Art. 85 SchKG Art. 85 SchKG Art. 85 SchKG Art. 85 SchKG Art. 85 SchKG Art. 85 SchKG Art. 85 SchKG BGE 42 II 335 Art. 85 SchKG Art. 85 SchKG 3.3.2 Den Nachweis der Tilgung, Stundung oder des Nichtbestehens der Betreibungsforderung kann der Schuldner nur durch strikten Urkundenbeweis erbringen; die blosse Glaubhaftmachung ist nicht ausreichend ( BGE 125 III 149 E. 2b/aa S. 151 f.; Urteil 5P.8/2005 vom 3. Mai 2005 E. 3.1). Die materielle Rechtslage muss auf der Hand liegen, manifest sein (Urteil 5A_674/2013 vom 4. Februar 2013 E. 2.1); Urkundenbegriff und Beweismass von Art. 85 SchKG und Art. 81 Abs. 1 SchKG (Einwendung gegen den definitiven Rechtsöffnungstitel) entsprechen sich (u.a. GILLIÉRON, a.a.O., N. 25, 68 zu Art. 85 SchKG ; BODMER/BANGERT, a.a.O., N. 33, 33a zu Art. 85 SchKG ). Das BGE 140 III 41 S. 46 Nichtbestehen der Forderung kann zweifellos durch einen gerichtlichen negativen Feststellungsentscheid belegt werden ( BGE 110 II 352 E. 2a S. 357). Ein Teil der Lehre und Praxis lässt auch andere Urkunden mit der Begründung zu, dass in der Weise, wie die Tilgung u.a. durch eine Saldoquittung nachweisbar ist, auch ein negatives Schuldanerkenntnis das Nichtbestehen einer Forderung belegen könne (EQUEY/VONZUN, a.a.O., S. 1352; SPÜHLER, a.a.O., S. 205 Rz. 720 ["insbesondere"]; Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, a.a.O., E. 5). Die Frage kann im konkreten Fall - wie das Obergericht geschlossen hat und sich aus dem Folgenden ergibt - offengelassen werden, weil der Beschwerdeführer dem in Art. 85 SchKG geforderten urkundlichen Nachweis jedenfalls nicht genügt.
3.3.2 Art. 85 SchKG Art. 81 Abs. 1 SchKG Art. 85 SchKG Art. 85 SchKG BGE 140 III 41 S. 46
Art. 85 SchKG 3.4 Der Beschwerdeführer bringt vor, aus den Urkunden über Werkverträge der Beschwerdegegnerin mit den Erstellern der Baute (Ehepaar A.) könne abgeleitet werden, dass er der Beschwerdegegnerin nichts schulde. Aus den Urkunden gehe hervor, dass eine allfällige Forderung gegenüber dem Ehepaar A. als Besteller aus den Werkverträgen bzw. als Adressaten aus den Bauabrechnungen bestehe.
3.4 3.4.1 Mit Klage gemäss Art. 85 SchKG muss der Betriebene durch die Urkunde den unmittelbaren Beweis für die Tilgung, Stundung oder das Nichtbestehen der Betreibungsforderung erbringen; ein Indizienbeweis genügt nicht (GILLIÉRON, a.a.O., N. 25, 69 zu Art. 85 SchKG ). Nach der Darstellung des Beschwerdeführers sollen die vorgelegten Urkunden (wie die von der Beschwerdegegnerin mit dem Ehepaar A. abgeschlossenen Verträge) den tatsächlichen Schluss erlauben, dass er der Beschwerdegegnerin nichts schulde. Dass er der Beschwerdegegnerin nichts schulde, ist damit indessen nicht verurkundet; der urkundliche Beweis der Nichtschuld liegt nicht vor. Es ist nicht zu beanstanden, wenn das Obergericht auf dem Urkundenbeweis für das Nichtbestehen beharrt hat; es hat anhand der vorgelegten Dokumente den Nachweis zu Recht verneint. Daran ändert nichts, dass die Vorinstanz an einzelner Stelle nicht vom Urkundenbeweis, sondern vom "dargestellten Sachverhaltskomplex" gesprochen hat. Unbehelflich sind die Ausführungen des Beschwerdeführers, soweit sie darauf hinauslaufen, dass mit den Urkunden das Nichtbestehen der Forderung glaubhaft gemacht worden sei, weil dies mit Art. 85 SchKG nicht vorgebracht werden kann.
3.4.1 Art. 85 SchKG Art. 85 SchKG Art. 85 SchKG 3.4.2 Der Beschwerdeführer beruft sich auf weitere Urkunden. Dass er jedoch nach Art. 85 SchKG geeignete Urkunden - wie eine BGE 140 III 41 S. 47 allfällige negative Schuldanerkennung der Beschwerdegegnerin - vorgelegt habe und diese vom Obergericht übergangen worden seien, wird nicht dargetan. Von unrichtiger Sachverhaltsfeststellung ( Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG ) kann nicht gesprochen werden. Sein Einwand, die Beschwerdegegnerin habe eine Übernahme der Haftung aus den Bauabrechnungen "nicht behauptet", geht fehl. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist der Richter nach Art. 85 SchKG - wie der Rechtsöffnungsrichter - ein Vollstreckungsrichter, der anhand der Urkunde prüfen und entscheiden muss, ob die Betreibung zulässig ist (AMONN/WALTHER, a.a.O., § 20 Rz. 5).
3.4.2 Art. 85 SchKG BGE 140 III 41 S. 47
Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG Art. 85 SchKG 3.4.3 Es bleibt dabei, dass der Beschwerdeführer über keine Urkunde verfügt, mit der er unmittelbar das Nichtbestehen der Schuld beweisen kann. Der Beschwerdeführer kann (im Falle des rechtskräftigen Zahlungsbefehls) im Zivilprozess nach Art. 85a SchKG feststellen lassen, dass die Forderung nicht besteht. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet.
3.4.3 Art. 85a SchKG
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Urteilskopf 140 III 433 63. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen B. und Mitb. (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_565/2013 vom 8. Juli 2014 Regeste Art. 269 und 269a OR ; Mietzinsfestsetzung; Kostenmiete; Orts- oder Quartierüblichkeit; Verzinsung des für ausserordentlichen Unterhalt aufgewendeten Kapitals. Es verletzt kein Bundesrecht, eine 26- bzw. 27-jährige Liegenschaft nicht als Altliegenschaft zu qualifizieren, bei der die Mietzinsanpassung an die Orts- oder Quartierüblichkeit gegenüber der Kostenmiete im Vordergrund stünde, und die Einrede des übersetzten Ertrages zuzulassen (E. 3.1). Bestimmung des Satzes für die Verzinsung des für ausserordentlichen Unterhalt aufgewendeten Kapitals bzw. der Kosten für den werterhaltenden Teil von umfassenden Sanierungen (E. 3.5). Erwägungen ab Seite 434 BGE 140 III 433 S. 434 Aus den Erwägungen: 3. Nach Art. 269 OR sind Mietzinse u.a. missbräuchlich, wenn damit ein übersetzter Ertrag aus der Mietsache erzielt wird. Dagegen sind Mietzinse in der Regel insbesondere dann nicht missbräuchlich, wenn sie im Rahmen der orts- oder quartierüblichen Mietzinse liegen ( Art. 269a lit. a OR ) oder durch Kostensteigerungen oder Mehrleistungen des Vermieters begründet sind ( Art. 269a lit. b OR ). Die kantonalen Instanzen stellten fest, dass die Beschwerdeführerin aufgrund der wertvermehrenden Investitionen im Zusammenhang mit der umfassenden Überholung der Liegenschaft an und für sich zu einem monatlichen Mietzinsaufschlag von Fr. 2.45 pro Monat und Quadratmeter vermieteter Wohnungsfläche berechtigt wäre. Die Beschwerdegegner wendeten dagegen ein, die Beschwerdeführerin erwirtschafte bei einer entsprechenden Erhöhung der Nettomietzinse aus den Liegenschaften einen übersetzten Ertrag. Die Beschwerdeführerin hielt dem wiederum entgegen, dass hier eine Altliegenschaft vorliege, bei der die Zulässigkeit des erzielten Ertrags nicht mit einer Nettorenditenberechnung, sondern durch einen Vergleich mit orts- und quartierüblichen Mietzinsen zu bestimmen sei. Unbestritten ist vorliegend, dass sowohl Mieter als auch Vermieter gegenüber einem auf einen relativen Grund gestützten Mietzinsanpassungsbegehren (wie hier auf Erhöhung wegen wertvermehrender Aufwendungen) ohne Weiteres einredeweise einen absoluten Anpassungsgrund vorbringen können ( BGE 121 III 163 ; WEBER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, 5. Aufl. 2011, N. 18 f. zu Art. 269 OR ). 3.1 Auch wenn sich ein Vermieter für eine Mietzinsanpassung auf das Kriterium der orts- oder quartierüblichen Mietzinse ( Art. 269a lit. a OR ) beruft, kann der Mieter in der Regel den Nachweis des übersetzten Ertrags ( Art. 269 OR ) erbringen, mithin die Vermutung nach Art. 269a lit. a OR widerlegen ( BGE 124 III 310 ; Urteile 4A_276/2011 vom 11. Oktober 2011 E. 5.2.1 und 5.2.3; 4A_669/2010 BGE 140 III 433 S. 435 vom 28. April 2011 E. 4.1; je mit Hinweisen). Bei Grundstücken, die vor mehreren Jahrzehnten gebaut oder erworben worden sind, steht allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts die Mietzinsanpassung an die Orts- oder Quartierüblichkeit im Vordergrund. Denn bei solchen Liegenschaften fehlen oft die Belege zur Feststellung des investierten Eigenkapitals im Hinblick auf die Nettorenditeberechnung oder sie führen zu wirtschaftlich unrealistischen Ergebnissen. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten langjährige Eigentümer von Altbauten durch die Missbrauchsgesetzgebung gegenüber Neuerwerbern nicht benachteiligt und daher eine gewisse Angleichung von Alt- und Neuzinsen ermöglicht werden ( BGE 124 III 310 E. 2b in fine; BGE 122 III 257 E. 4a/bb S. 261; Urteile 4A_276/2011 vom 11. Oktober 2011 E. 5.2.3 und 5.5; 4A_669/2010 vom 28. April 2011 E. 4.1; 4C.176/2003 vom 13. Januar 2004 E. 3.3; vgl. auch den unter altem Recht ergangenen BGE 112 II 149 E. 3d S. 155). Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz sei zu Unrecht und unter Verletzung von Art. 269 f. OR zur Auffassung gelangt, dass es sich bei den streitbetroffenen Liegenschaften nicht um Altbauten, sondern um Neubauten handle und damit bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Mietzinse auf das Kriterium der Kostenmiete bzw. auf die Nettorendite und nicht auf die orts- und quartierüblichen Mietzinse abzustellen sei. Die Zulässigkeit des erzielten Mietertrages dürfe vorliegend nicht anhand einer Berechnung der Nettorendite ermittelt werden, sondern ausschliesslich durch einen Vergleich der Mieterträge mit orts- und quartierüblichen Mietzinsen. Die Beschwerdegegner bestreiten, dass es sich hier um Altliegenschaften handle. Um den nach Gesetz und Rechtspraxis anerkannten Vorrang der Kostenmiete gegenüber der Marktmiete zu gewährleisten und einer opportunistischen Vermischung von Marktmiete und Kostenmiete zu begegnen, sei eine enge Auslegung des Begriffs des Altbaus erforderlich. 3.1.1 Wie die Vorinstanz zutreffend festhielt, äusserte sich das Bundesgericht bisher nicht explizit dazu, wie alt eine Liegenschaft mindestens sein muss, um als Altliegenschaft (immeuble ancien) zu gelten. Das Bundesgericht legte sich insoweit nicht zahlenmässig fest, sondern hielt bloss fest, es müsse sich um Liegenschaften handeln, die "vor mehreren Jahrzehnten gebaut oder erworben worden sind" ("immeubles construits ou acquis il y a quelques décennies") (vgl. die in der vorstehenden E. 3.1 zitierten Urteile; ferner die Urteile BGE 140 III 433 S. 436 4C.285/2005 vom 18. Januar 2006 E. 2.4; 4C.236/2004 vom 12. November 2004 E. 3.2, in: Droit du bail 2005 S. 36 f. Nr. 17; 4C.323/2001 vom 9. April 2002 E. 3a in fine, in: SJ 2002 I S. 434). Wie die Vorinstanz richtig ausführte, qualifizierte das Bundesgericht Liegenschaften in drei beurteilten Fällen als Altliegenschaften, in denen das Baujahr der Liegenschaft vor 1900 lag und der Erwerb 37 Jahre zurück lag (Urteile 4A_669/2010 vom 28. April 2011 E. 4.2) bzw. das Grundstück vor über 100 Jahren erworben und 40 Jahre vor der strittigen Mietzinserhöhung überbaut (Urteil 4C.176/2003 vom 13. Januar 2004 E. 3.3) bzw. die Liegenschaft 42 Jahre vor der Mietzinserhöhung erworben wurde (Urteil 4C.323/2001 vom 9. April 2002 E. 3a, SJ 2002 I S. 434 ff., wo auf BGE 122 III 257 E. 4 hingewiesen wurde, nach dem bei einer vor mehr als vierzig Jahren erworbenen Liegenschaft die Berufung auf die Quartier- und Ortsüblichkeit zuzulassen sei; vgl. immerhin auch der unter altem Recht ergangene BGE 112 II 149 E. 3, wo das Bundesgericht bereits bei einer im Zeitpunkt der Mietzinserhöhung erst 23-jährigen Liegenschaft von einer Altbaute ausging [kritisch dazu: HEINRICH, in: Vertragsverhältnisse, 2. Aufl. 2012, in: Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, N. 4 zu 269-269a OR]). Sodann wies die Vorinstanz auf das Urteil 4A_505/2010 vom 20. Januar 2011 E. 6.3 hin, wo das Bundesgericht festhielt, dass nicht nur ältere Liegenschaften einer umfassenden Überholung im Sinne von Art. 14 der Verordnung vom 9. Mai 1990 über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen (VMWG; SR 221.213.11) zugänglich seien und eine solche auch bei einer 23 Jahre alten Liegenschaft nicht ausgeschlossen sei. Daraus könne geschlossen werden, dass eine erst 23-jährige Liegenschaft nicht als Altbaute gelten könne. Gestützt darauf und auf verschiedene Literaturstellen, auf die einzugehen sich hier erübrigt, kam die Vorinstanz zum Schluss, dass Bauten, die weniger als dreissig Jahre alt seien, mit Sicherheit nicht unter den Begriff der Altbauten fielen, so dass bei den vorliegend streitbetroffenen Häusern, die 26- bzw. 27-jährig seien, nicht von Altbauten gesprochen werden könne. 3.1.2 Es genügt hier festzuhalten, dass die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzte, indem sie die vorliegenden, 26- bzw. 27-jährigen Liegenschaften bei der Sanierung nicht als Altliegenschaften qualifizierte. Es kann in einem solchen Fall nicht von einer "vor mehreren Jahrzehnten" gebauten oder erworbenen Liegenschaft im Sinne der bundesgerichtlichen Praxis gesprochen werden. BGE 140 III 433 S. 437 Die Beschwerdeführerin zeigt überdies nicht auf, dass hier eine Nettorenditeberechnung aufgrund der Investitionsbelege zu einem wirtschaftlich nicht realistischen Ergebnis und damit zu einer Benachteiligung von ihr als langjähriger Eigentümerin der streitbetroffenen Liegenschaften führen müsste, wie sie der Gesetzgeber vermeiden wollte. Dazu müsste sie darlegen, dass die Investitionsbelege insgesamt, d.h. auch unter Einbezug der Belege über die ursprünglichen Anlagekosten, keinen sachgerechten Bezug zur Realität mehr haben und deren Berücksichtigung zu unrealistischen zulässigen Mieterträgen führte ( BGE 122 III 257 E. 4a/bb). Dies tut sie indessen nicht, sondern sie begnügt sich damit zu monieren, die Vorinstanz sei hinsichtlich der zulässigen Mietzinse für die einzelnen Wohnungen zu einem unrealistischen Ergebnis gekommen, indem ihre Berechnungen dazu führten, dass bei unbestrittenen umfassenden Investitionen (zur umfassenden Überholung der Liegenschaften im Jahre 2009) von Fr. 5'425'682.- bei 11 von 16 Mietern eine Mietzinsreduktion und nur bei fünf Mietern eine Erhöhung erfolge. Überdies trifft ihre Behauptung nicht zu, dass bei 11 Mietern eine Mietzinsreduktion erfolge, sondern die Vorinstanz verweigerte insoweit aufgrund der Einrede des übersetzten Ertrages lediglich eine Erhöhung der Mietzinse. Die Beschwerdeführerin hält weiter dafür, sie werde als langjährige Eigentümerin offensichtlich gegenüber Eigentümern benachteiligt, die eine Liegenschaft erst kürzlich erworben hätten, weil sie nicht mehr in der Lage sei, die für die korrekte Berechnung der Nettorendite erforderlichen detaillierten Unterlagen beizubringen. Die Feststellung der Vorinstanz, wonach die Anlagekosten belegt seien, sei offensichtlich falsch und es sei festzustellen, dass die Anlagekosten aufgrund des Alters der Liegenschaft nicht lückenlos belegt werden könnten. Die Beschwerdeführerin unterlässt es aufzuzeigen, weshalb die von ihr gerügte Feststellung der Vorinstanz entscheiderheblich sein soll. Dies ist denn auch nicht ersichtlich, weshalb auf die Rüge der offensichtlich unrichtigen Feststellung nicht eingetreten werden kann. Ob die Belege im vorliegenden Fall tatsächlich nicht beigebracht werden können, wie die Beschwerdeführerin behauptet, und ob die Anlagekosten tatsächlich belegt sind, ist nicht dafür entscheidend, ob von einer Altliegenschaft auszugehen ist. Dass wegen Schwierigkeiten zur Beibringung von Investitionsbelegen von einer BGE 140 III 433 S. 438 Altliegenschaft ausgegangen werden kann, ist erforderlich, dass es aufgrund des Alters oder der Geschichte einer Liegenschaft abstrakt gesehen wahrscheinlich ist, dass die Belege nicht mehr greifbar sind. Solches hat das Bundesgericht beispielsweise in einem Fall angenommen, in dem eine Liegenschaft vor fast einem Jahrhundert durch Schenkung erworben wurde und der Wert der Liegenschaft im Schenkungszeitpunkt ebenso unbekannt war wie der Preis, zu dem der Schenker die Liegenschaft gekauft hatte (Urteil 4C.285/2005 vom 18. Januar 2006 E. 2.6). Von einem solchen Fall ist man bei den vorliegenden, vor 26 bzw. 27 Jahren erstellten und professionell verwalteten Liegenschaften weit entfernt. Der Beschwerdeführerin kann nicht gefolgt werden, wenn sie dafür hält, es sei notorisch, dass nach einer solchen Zeitdauer Belege einer Investition nicht mehr lückenlos beschafft werden können. In den Jahren 1982 und 1983, als die Liegenschaften gebaut wurden, war bekannt, dass die Nettoertragsberechnung, und damit die dazu erforderlichen Belege für die Mietzinsfestsetzung von Bedeutung sind (vgl. dazu z.B. BGE 106 II 356 ). Es ist demzufolge zu erwarten, dass diese wichtigen Belege im Rahmen einer professionellen Liegenschaftenverwaltung sorgfältig aufbewahrt werden und nicht bereits nach 26 oder 27 Jahren verschwunden sind. Es ist unbehelflich, wenn die Beschwerdeführerin dagegen einwendet, die gesetzliche Aufbewahrungsfrist für Unterlagen sei längstens abgelaufen. Die Vorinstanz hat nach dem Ausgeführten kein Bundesrecht verletzt, indem sie die streitbetroffenen Liegenschaften nicht als Altliegenschaften qualifizierte, bei der die Mietzinsbestimmung nach der Orts- und Quartierüblichkeit im Vordergrund stünde, und die Einrede der Mieter zuliess, der erzielte Mietertrag sei übersetzt. (...) 3.5 Schliesslich macht die Beschwerdeführerin geltend, die Vorinstanz gehe bei der Verzinsung der ausserordentlichen Unterhaltskosten im Rahmen des werterhaltenden Teils der Investitionen für die Heizungserneuerung, die Fassadensanierung und die Renovation im Jahr 2009 zu Unrecht von einem gemittelten Zinssatz von 1,75 % für den gesamthaft anzurechnenden Betrag von Fr. 3'594'633.60 aus. Die Anwendung eines gemittelten Zinssatzes sei aufgrund der Systematik der Berechnung der Nettorendite nicht korrekt und verstosse gegen die Art. 269 und 269a OR. Richtigerweise seien die ausserordentlichen Unterhaltskosten jährlich mit 5 % auf dem noch nicht BGE 140 III 433 S. 439 amortisierten Restbetrag zu verzinsen und in die Unterhaltsrechnung einzustellen. 3.5.1 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind von den Mietzinseinnahmen als Unterhaltskosten die Aufwendungen in Abzug zu bringen, die dem Vermieter für die Instandhaltung des Mietobjekts zum vorausgesetzten Gebrauch entstehen. Um die Zufälligkeiten anfallender Unterhaltsarbeiten auszugleichen, ist auf die durchschnittlichen Aufwendungen der letzten fünf - eventuell mindestens drei - Jahre abzustellen ( BGE 117 II 77 E. 3c/bb S. 85; Urteil 4C.293/2000 vom 24. Januar 2001 E. 1b mit Hinweisen). Ausserordentlich hohe Unterhaltskosten sind auf die Lebensdauer der damit finanzierten Einrichtungen zu verteilen. Die entsprechenden Teilbeträge können jährlich bis zur vollständigen Amortisation in die Unterhaltsrechnung eingestellt werden und sind mit 5 % auf dem jeweils noch nicht amortisierten Restbetrag zu verzinsen (Urteil 4C.293/2000 vom 24. Januar 2001 E. 1b, in: MietRecht aktuell [MRA] 2001 S. 116 ff., u.a. mit Hinweis auf Urteil 4C.107/1995 vom 26. Juli 1995 E. 4). Die Vorinstanz kam zum Schluss, das Bundesgericht sei in den beiden Entscheiden vom 24. Januar 2001 und vom 26. Juli 1995 in Bezug auf ausserordentliche Unterhaltskosten von einem Zinssatz von 5 % ausgegangen, ohne eine Begründung dafür zu liefern. Aus den beiden Urteilen könne nicht abgeleitet werden, dass es sich beim Zinssatz von 5 % um den allgemein gültigen Durchschnittszinssatz handle. Die Anwendung eines allgemein gültigen Durchschnittszinssatzes von 5 % erscheine zur Verzinsung des für ausserordentliche Investitionen verwendeten Kapitals nicht sachgerecht, da der Vermieter das dafür notwendige Kapital gewöhnlich mittels einer Hypothek beschaffe. Selbst wenn der Vermieter das Kapital mit Eigenmitteln finanzieren sollte, erscheine ein Zinssatz von 5 % zu hoch. Es sei zudem nicht ersichtlich, weshalb für die Verzinsung von ausserordentlichen Investitionen andere Grundsätze gelten sollten als für die Verzinsung des wertvermehrenden Anteils. Aus diesen Gründen folgte die Vorinstanz der Auffassung von LACHAT/BRUTSCHIN (in: Das Mietrecht für die Praxis, Lachat und andere [Hrsg.], 8. Aufl. 2009, S. 375 Ziff. 19/4.8), nach welcher der Referenzzinssatz (derzeit 3 %), erhöht um ein halbes Prozent, zur Verzinsung der ausserordentlichen Unterhaltskosten anzuwenden sei. Ein Verzicht auf die Verzinsung - wie von den Beschwerdegegnern gefordert - wäre demgegenüber nicht sachgerecht. Analog der Verzinsung des BGE 140 III 433 S. 440 wertvermehrenden Anteils von Sanierungen sei bei den ausserordentlichen Unterhaltskosten (hier unbestrittenermassen Fr. 3'594'633.60) ein gemittelter Zinssatz anzuwenden, der vorliegend 1,75 % betrage. 3.5.2 Was die Höhe des Zinssatzes angeht, trifft es zu, dass das Bundesgericht in seinen Urteilen 4C.107/1995 vom 26. Juli 1995 E. 4 (Übersetzung in: mp 1996 S. 140 f.) und 4C.293/2000 vom 24. Januar 2001 E. 1b nicht näher begründete, weshalb es für die Verzinsung der ausserordentlichen Unterhaltskosten einen Zinssatz von 5 % anwendete. Dies lässt sich damit erklären, dass die Höhe des Zinssatzes in den beiden betreffenden Bundesgerichtsverfahren nicht umstritten war. Das Bundesgericht verwies dazu im ersten Urteil bloss auf die Lehrmeinung von LACHAT/MICHELI (Le nouveau droit du bail, 2. Aufl. 1992, S. 229 Ziff. 3.3.3 und S. 213 Ziff. 2.8.4), in seinem zweiten Urteil auf LACHAT/STOLL/BRUNNER (Mietrecht für die Praxis, 4. Aufl. 1999, S. 293 [recte S. 301] Ziff. 6.5) sowie auf CORBOZ (Le loyer abusif au sens de l'AMSL, BR 1992 S. 32), der sich an der zitierten Stelle allerdings nicht zur Höhe des Zinssatzes äusserte. Da das Bundesgericht keine eingehenden Erwägungen zur Frage anstellte, wie hoch der Zinssatz zu bemessen sei, kann entgegen der Auffassung von BÄTTIG (Die Überwälzung der Kosten von umfassenden Überholungen auf den Mietzins, MRA 1-2/2009 S. 1 ff., S. 16 f.) aus dem Entscheid vom 24. Januar 2001 nicht abgeleitet werden, dass es sich beim "vom Bundesgericht gewählten" Satz von 5 % in Anbetracht der Tatsache, dass der massgebliche Zinssatz im fraglichen Zeitpunkt (Dezember 1997) bei 4,25 % lag, um einen gewollt festgelegten, allgemein gültigen Durchschnittssatz handelt und nicht um einen vom jeweiligen Hypothekar- bzw. Referenzzinssatz abhängigen Wert. Gestützt auf die beiden Urteile des Bundesgerichts sprechen sich auch weitere Autoren ohne nähere Begründung für einen Zinssatz von 5 % aus (RAYMOND BISANG UND ANDERE, Das schweizerische Mietrecht, Kommentar, 3. Aufl. 2008, N. 30 zu Art. 269 OR, N. 82 zu Art. 269a OR ; HIGI, Zürcher Kommentar, 4. Aufl. 1998, N. 95 zu Art. 269 OR und N. 244 zu Art. 269a OR ; POLIVKA, Berechnung der Nettorendite, MRA 4/2001 S. 121; BOHNET, in: Droit du bail à loyer, Bohnet und andere [Hrsg.], 2010, N. 67 zu Art. 269 OR ; HEINRICH, a.a.O., N. 13 zu Art. 269-269a OR ). Neuerdings vertreten nun aber LACHAT/STOLL/BRUNNER (Mietrecht für die Praxis, 6. Aufl. 2005, N. 19/4.8 S. 331 und N. 19./5.2 S. 337 ff. und N. 18/6.5 S. 302) und LACHAT/ BGE 140 III 433 S. 441 BRUTSCHIN (a.a.O., N. 19/4.8 und N. 19/5.2.1) die Auffassung, es sei nur dann von einem Zinssatz von 5 % auszugehen, wenn der Referenzzinssatz 4,5 % beträgt, d.h. sie gehen von einem variablen Zinssatz aus, der sich aus dem Referenzzinssatz, erhöht um ein halbes Prozent, errechnet. Für eine entsprechende Bestimmung des Zinssatzes spricht sich auch WEBER aus (a.a.O., N. 11a zu Art. 269 OR ; s. auch der Hinweis auf die betreffende Literaturstelle bei BOHNET, a.a.O., N. 67 zu Art. 269 OR ). Nachdem LACHAT und Mitautoren, auf die allein sich das Bundesgericht in seinen Urteilen vom 26. Juli 1995 und vom 24. Januar 2001 ohne weitere Erwägungen gestützt hat, ihre Meinung geändert haben, rechtfertigt sich ohne weiteres eine Überprüfung der betreffenden Rechtsprechung. Es ist dabei der Vorinstanz beizupflichten, dass kein Grund dafür ersichtlich ist, das für ausserordentliche Unterhaltsaufwendungen eingesetzte Kapital anders zu verzinsen als das für den wertvermehrenden Teil von Renovationen eingesetzte, mithin zum als angemessen beurteilten Zinssatz, der 0,5 % über dem Referenzzinssatz für Hypotheken im Zeitpunkt der Mitteilung der Mietzinserhöhung liegt (vgl. dazu BGE 118 II 415 E. 3c/aa; Urteil 4A_470/2009 vom 18. Februar 2010 E. 6; je mit Hinweisen; CORBOZ, a.a.O., S. 32). Ein fixer Zinssatz von 5 % würde dagegen der Entwicklung der Kapitalmarktverhältnisse nicht Rechnung tragen und könnte je nach Marktsituation zu einer ungerechtfertigten Schlechter- oder Besserstellung einer Mietvertragspartei führen. Die Vorinstanz verletzte damit kein Bundesrecht, indem sie eine Verzinsung der Kosten für den werterhaltenden Teil der Gebäudesanierungen bloss zu einem Satz gewährte, der ein halbes Prozent über dem Referenzzinssatz für Hypotheken zum Zeitpunkt der Mietzinserhöhung liegt. Dem Risiko, das der Vermieter mit solchen Investitionen eingeht und das nach Meinung der Beschwerdeführerin einen Zinssatz von 5 % rechtfertigt, trägt die Rechtsprechung mit der Erhöhung des Referenzzinssatzes um ein halbes Prozent Rechnung (vgl. WEBER, a.a.O., N. 7 zu Art. 269 OR ; LACHAT/BRUTSCHIN, a.a.O., N. 18/5.1 S. 337). 3.5.3 Die Vorinstanz erwog, es sei bei den ausserordentlichen Unterhaltskosten analog der Verzinsung des wertvermehrenden Anteils ein gemittelter Zinssatz anzuwenden. 3.5.3.1 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin hat die Vorinstanz mit dieser kurzen Erwägung ihrer aus dem BGE 140 III 433 S. 442 verfassungsmässigen Anspruch auf rechtliches Gehör folgenden Pflicht, ihren Entscheid zu begründen, Genüge getan (vgl. dazu BGE 138 I 232 E. 5.1; BGE 136 I 184 E. 2.2.1 S. 188; vgl. auch BGE 139 V 496 E. 5.1 S. 503 f.). Sie erwähnte mit hinreichender Deutlichkeit, weshalb sie die Anwendung eines gemittelten Zinssatzes befürwortete, nämlich in Analogie zur Praxis betreffend Verzinsung von wertvermehrenden Investitionen. Der Beschwerdeführerin war danach eine sachgerechte Anfechtung des Entscheides möglich und ihre betreffende Gehörsrüge ist unbegründet. 3.5.3.2 Die Beschwerdeführerin stösst sich daran, dass die Vorinstanz eine Verzinsung zu einem gemittelten Zinssatz von 1,75 % (die Hälfte des um ein halbes Prozent erhöhten Referenzzinssatzes von 3 %) gewährte, anstelle einer Verzinsung von 5 % (bzw. nach dem in vorstehender Erwägung 3.5.2 Ausgeführten: von 3,5 %) auf dem jeweils noch nicht amortisierten Restbetrag, wie im erwähnten Urteil 4C.293/2000 vom 24. Januar 2001 E. 1b festgehalten wurde. Hierzu gilt Ähnliches wie betreffend der Höhe des Zinssatzes. Das Bundesgericht entschied erstmals im Urteil 4C.107/1995 vom 26. Juli 1995 E. 4a, es sei eine Verzinsung zu 5 % auf dem jeweils nicht amortisierten Betrag zu gewähren. Es stützte sich dabei ohne eingehende Begründung auf die Lehrmeinung von LACHAT/MICHELI (a.a.O., S. 213 Rz. 8.4), in der eine Verzinsung "calculé sur la part non encore amortie" befürwortet wurde. Im angerufenen Urteil vom 24. Januar 2001 verwies das Bundesgericht ohne weitere Begründung auf diesen Entscheid und auf LACHAT/STOLL/BRUNNER (a.a.O., S. 301 f. Rz. 6.5), die von einem Zins "für den noch nicht amortisierten Anteil" der ausserordentlichen Unterhaltskosten sprachen (in diesem Sinn unter Berufung auf die Urteile vom 26. Juli 1995 und vom 24. Januar 2001 auch: RAYMOND BISANG UND ANDERE, a.a.O., N. 82 zu Art. 269a OR und BOHNET, a.a.O., N. 67 zu Art. 269 OR ). CORBOZ (a.a.O., S. 32), den das Bundesgericht an der betreffenden Urteilsstelle weiter zitierte, äusserte sich nicht zu dieser Frage. LACHAT und seine Mitautoren änderten seit dem Urteil vom 24. Januar 2001 auch in diesem Punkt ihre Meinung und vertreten heute die Auffassung, um der Amortisierung des investierten Kapitals Rechnung zu tragen, habe die Verzinsung während der ganzen Amortisationsdauer entweder zum vollen Zinssatz für die Hälfte des investierten Kapitals oder zum halben Zinssatz für das ganze investierte Kapital zu erfolgen (LACHAT/BRUTSCHIN, a.a.O., S. 375 BGE 140 III 433 S. 443 Rz. 19/4.8, S. 383 Rz. 19/5.2.1; LACHAT/STOLL/BRUNNER, a.a.O., S. 331 Rz. 4.8; so auch WEBER, a.a.O., N. 11a zu Art. 269 OR, der von einer Verzinsung zu durchschnittlich 2,5 % [auf einem vollen Satz von 5 %] spricht, sowie HIGI, a.a.O., N. 245 zu Art. 269a OR [s. immerhin auch N. 95 zu Art. 269 OR, wo von einer Verzinsung auf dem nicht amortisierten Teil der ausserordentlichen Unterhaltskosten die Rede ist]; BÄTTIG, a.a.O., S. 16). Dies entspricht dem Verzinsungsmodus, den die Rechtsprechung für wertvermehrende Investitionen anwendet (vgl. BGE 118 II 415 E. 3c/aa). Dabei fällt auf, dass das Bundesgericht in BGE 118 II 415 auch insoweit von der Verzinsung (rémunération) des nicht amortisierten Restbetrags ("montant de l'investissement non amorti") spricht und damit die Verzinsung zum halben Satz meint. Die Verwendung der gleichen Terminologie im Urteil vom 26. Juli 1995 deutet darauf hin, dass das Bundesgericht schon im damaligen Entscheid für die nicht wertvermehrenden, ausserordentlichen Unterhaltskosten keine andere Verzinsungslösung statuieren wollte, als für die wertvermehrenden Investitionen. Die entsprechende Methode erscheint denn auch als sachgerecht und einzig praktikabel. Bei diesem Vorgehen resultiert anfänglich eine zu niedrige Verzinsung des investierten Kapitals, die aber durch die höhere Verzinsung in der zweiten Hälfte der Amortisationsdauer aufgefangen wird (RAYMOND BISANG UND ANDERE, a.a.O., N. 74 zu Art. 269a OR ). Mit einer entsprechenden Festsetzung des Mietzinses am massgebenden Stichtag wird dem für dieses Jahr und alle Folgejahre bis zur vollständigen Amortisation eingesetzten Kapital, das zu verzinsen ist, Rechnung getragen, auch wenn eine Investition bzw. das für ausserordentliche Unterhaltskosten "bevorschusste" Kapital bloss ein einziges Mal für eine Mietzinserhöhung herangezogen werden kann, wie die Beschwerdeführerin geltend macht. Dagegen würde eine Festlegung des Mietzinses im Zeitpunkt der Beendigung der Renovation unter Berücksichtigung einer Verzinsung des vollen, für ausserordentliche Unterhaltsaufwendungen investierten Kapitals zum vollen Satz infolge der allmählichen Amortisation des investierten Kapitals in den Folgejahren zu einem zunehmend übersetzten Mietzins bzw. einer zunehmenden Nettorendite führen. Darauf könnten sich die Mieter mangels Änderung von relativen Kostenfaktoren nicht als Angriffsmittel berufen, um eine Herabsetzung des Mietzinses zu verlangen, sondern nur einredeweise, falls sie sich gegen eine allfällige weitere Mietzinserhöhung des Vermieters zur Wehr setzen können (vgl. dazu BGE 121 III 163 E. 2d; WEBER, a.a.O., N. 16 und 18 zu Art. 269 OR mit zahlreichen BGE 140 III 433 S. 444 Hinweisen). Es wäre denn auch nicht praktikabel, den Mietzins jedes Jahr erneut unter Berücksichtigung der noch nicht amortisierten und zu verzinsenden Restbeträge zu errechnen, wie die Beschwerdeführerin sinngemäss postuliert. Die Vorinstanz verletzte demnach Art. 269 und 269a OR nicht, indem sie die Verzinsung des für ausserordentlichen Unterhalt aufgewendeten Kapitals bloss zu einem gemittelten Satz zuliess.
Urteilskopf
63. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen B. und Mitb. (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_565/2013 vom 8. Juli 2014
Regeste Art. 269 und 269a OR ; Mietzinsfestsetzung; Kostenmiete; Orts- oder Quartierüblichkeit; Verzinsung des für ausserordentlichen Unterhalt aufgewendeten Kapitals. Es verletzt kein Bundesrecht, eine 26- bzw. 27-jährige Liegenschaft nicht als Altliegenschaft zu qualifizieren, bei der die Mietzinsanpassung an die Orts- oder Quartierüblichkeit gegenüber der Kostenmiete im Vordergrund stünde, und die Einrede des übersetzten Ertrages zuzulassen (E. 3.1). Bestimmung des Satzes für die Verzinsung des für ausserordentlichen Unterhalt aufgewendeten Kapitals bzw. der Kosten für den werterhaltenden Teil von umfassenden Sanierungen (E. 3.5).
Regeste
Art. 269 und 269a OR ; Mietzinsfestsetzung; Kostenmiete; Orts- oder Quartierüblichkeit; Verzinsung des für ausserordentlichen Unterhalt aufgewendeten Kapitals. Es verletzt kein Bundesrecht, eine 26- bzw. 27-jährige Liegenschaft nicht als Altliegenschaft zu qualifizieren, bei der die Mietzinsanpassung an die Orts- oder Quartierüblichkeit gegenüber der Kostenmiete im Vordergrund stünde, und die Einrede des übersetzten Ertrages zuzulassen (E. 3.1). Bestimmung des Satzes für die Verzinsung des für ausserordentlichen Unterhalt aufgewendeten Kapitals bzw. der Kosten für den werterhaltenden Teil von umfassenden Sanierungen (E. 3.5).
Art. 269 und 269a OR Es verletzt kein Bundesrecht, eine 26- bzw. 27-jährige Liegenschaft nicht als Altliegenschaft zu qualifizieren, bei der die Mietzinsanpassung an die Orts- oder Quartierüblichkeit gegenüber der Kostenmiete im Vordergrund stünde, und die Einrede des übersetzten Ertrages zuzulassen (E. 3.1). Bestimmung des Satzes für die Verzinsung des für ausserordentlichen Unterhalt aufgewendeten Kapitals bzw. der Kosten für den werterhaltenden Teil von umfassenden Sanierungen (E. 3.5).
Erwägungen ab Seite 434
Erwägungen ab Seite 434 BGE 140 III 433 S. 434
BGE 140 III 433 S. 434
Aus den Erwägungen:
3. Nach Art. 269 OR sind Mietzinse u.a. missbräuchlich, wenn damit ein übersetzter Ertrag aus der Mietsache erzielt wird. Dagegen sind Mietzinse in der Regel insbesondere dann nicht missbräuchlich, wenn sie im Rahmen der orts- oder quartierüblichen Mietzinse liegen ( Art. 269a lit. a OR ) oder durch Kostensteigerungen oder Mehrleistungen des Vermieters begründet sind ( Art. 269a lit. b OR ).
3. Art. 269 OR Art. 269a lit. a OR Art. 269a lit. b OR Die kantonalen Instanzen stellten fest, dass die Beschwerdeführerin aufgrund der wertvermehrenden Investitionen im Zusammenhang mit der umfassenden Überholung der Liegenschaft an und für sich zu einem monatlichen Mietzinsaufschlag von Fr. 2.45 pro Monat und Quadratmeter vermieteter Wohnungsfläche berechtigt wäre. Die Beschwerdegegner wendeten dagegen ein, die Beschwerdeführerin erwirtschafte bei einer entsprechenden Erhöhung der Nettomietzinse aus den Liegenschaften einen übersetzten Ertrag. Die Beschwerdeführerin hielt dem wiederum entgegen, dass hier eine Altliegenschaft vorliege, bei der die Zulässigkeit des erzielten Ertrags nicht mit einer Nettorenditenberechnung, sondern durch einen Vergleich mit orts- und quartierüblichen Mietzinsen zu bestimmen sei.
Unbestritten ist vorliegend, dass sowohl Mieter als auch Vermieter gegenüber einem auf einen relativen Grund gestützten Mietzinsanpassungsbegehren (wie hier auf Erhöhung wegen wertvermehrender Aufwendungen) ohne Weiteres einredeweise einen absoluten Anpassungsgrund vorbringen können ( BGE 121 III 163 ; WEBER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, 5. Aufl. 2011, N. 18 f. zu Art. 269 OR ).
Art. 269 OR 3.1 Auch wenn sich ein Vermieter für eine Mietzinsanpassung auf das Kriterium der orts- oder quartierüblichen Mietzinse ( Art. 269a lit. a OR ) beruft, kann der Mieter in der Regel den Nachweis des übersetzten Ertrags ( Art. 269 OR ) erbringen, mithin die Vermutung nach Art. 269a lit. a OR widerlegen ( BGE 124 III 310 ; Urteile 4A_276/2011 vom 11. Oktober 2011 E. 5.2.1 und 5.2.3; 4A_669/2010 BGE 140 III 433 S. 435 vom 28. April 2011 E. 4.1; je mit Hinweisen). Bei Grundstücken, die vor mehreren Jahrzehnten gebaut oder erworben worden sind, steht allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts die Mietzinsanpassung an die Orts- oder Quartierüblichkeit im Vordergrund. Denn bei solchen Liegenschaften fehlen oft die Belege zur Feststellung des investierten Eigenkapitals im Hinblick auf die Nettorenditeberechnung oder sie führen zu wirtschaftlich unrealistischen Ergebnissen. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten langjährige Eigentümer von Altbauten durch die Missbrauchsgesetzgebung gegenüber Neuerwerbern nicht benachteiligt und daher eine gewisse Angleichung von Alt- und Neuzinsen ermöglicht werden ( BGE 124 III 310 E. 2b in fine; BGE 122 III 257 E. 4a/bb S. 261; Urteile 4A_276/2011 vom 11. Oktober 2011 E. 5.2.3 und 5.5; 4A_669/2010 vom 28. April 2011 E. 4.1; 4C.176/2003 vom 13. Januar 2004 E. 3.3; vgl. auch den unter altem Recht ergangenen BGE 112 II 149 E. 3d S. 155).
3.1 Art. 269a lit. a OR Art. 269 OR Art. 269a lit. a OR BGE 140 III 433 S. 435
Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz sei zu Unrecht und unter Verletzung von Art. 269 f. OR zur Auffassung gelangt, dass es sich bei den streitbetroffenen Liegenschaften nicht um Altbauten, sondern um Neubauten handle und damit bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Mietzinse auf das Kriterium der Kostenmiete bzw. auf die Nettorendite und nicht auf die orts- und quartierüblichen Mietzinse abzustellen sei. Die Zulässigkeit des erzielten Mietertrages dürfe vorliegend nicht anhand einer Berechnung der Nettorendite ermittelt werden, sondern ausschliesslich durch einen Vergleich der Mieterträge mit orts- und quartierüblichen Mietzinsen.
Die Beschwerdegegner bestreiten, dass es sich hier um Altliegenschaften handle. Um den nach Gesetz und Rechtspraxis anerkannten Vorrang der Kostenmiete gegenüber der Marktmiete zu gewährleisten und einer opportunistischen Vermischung von Marktmiete und Kostenmiete zu begegnen, sei eine enge Auslegung des Begriffs des Altbaus erforderlich.
3.1.1 Wie die Vorinstanz zutreffend festhielt, äusserte sich das Bundesgericht bisher nicht explizit dazu, wie alt eine Liegenschaft mindestens sein muss, um als Altliegenschaft (immeuble ancien) zu gelten. Das Bundesgericht legte sich insoweit nicht zahlenmässig fest, sondern hielt bloss fest, es müsse sich um Liegenschaften handeln, die "vor mehreren Jahrzehnten gebaut oder erworben worden sind" ("immeubles construits ou acquis il y a quelques décennies") (vgl. die in der vorstehenden E. 3.1 zitierten Urteile; ferner die Urteile BGE 140 III 433 S. 436 4C.285/2005 vom 18. Januar 2006 E. 2.4; 4C.236/2004 vom 12. November 2004 E. 3.2, in: Droit du bail 2005 S. 36 f. Nr. 17; 4C.323/2001 vom 9. April 2002 E. 3a in fine, in: SJ 2002 I S. 434). Wie die Vorinstanz richtig ausführte, qualifizierte das Bundesgericht Liegenschaften in drei beurteilten Fällen als Altliegenschaften, in denen das Baujahr der Liegenschaft vor 1900 lag und der Erwerb 37 Jahre zurück lag (Urteile 4A_669/2010 vom 28. April 2011 E. 4.2) bzw. das Grundstück vor über 100 Jahren erworben und 40 Jahre vor der strittigen Mietzinserhöhung überbaut (Urteil 4C.176/2003 vom 13. Januar 2004 E. 3.3) bzw. die Liegenschaft 42 Jahre vor der Mietzinserhöhung erworben wurde (Urteil 4C.323/2001 vom 9. April 2002 E. 3a, SJ 2002 I S. 434 ff., wo auf BGE 122 III 257 E. 4 hingewiesen wurde, nach dem bei einer vor mehr als vierzig Jahren erworbenen Liegenschaft die Berufung auf die Quartier- und Ortsüblichkeit zuzulassen sei; vgl. immerhin auch der unter altem Recht ergangene BGE 112 II 149 E. 3, wo das Bundesgericht bereits bei einer im Zeitpunkt der Mietzinserhöhung erst 23-jährigen Liegenschaft von einer Altbaute ausging [kritisch dazu: HEINRICH, in: Vertragsverhältnisse, 2. Aufl. 2012, in: Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, N. 4 zu 269-269a OR]). Sodann wies die Vorinstanz auf das Urteil 4A_505/2010 vom 20. Januar 2011 E. 6.3 hin, wo das Bundesgericht festhielt, dass nicht nur ältere Liegenschaften einer umfassenden Überholung im Sinne von Art. 14 der Verordnung vom 9. Mai 1990 über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen (VMWG; SR 221.213.11) zugänglich seien und eine solche auch bei einer 23 Jahre alten Liegenschaft nicht ausgeschlossen sei. Daraus könne geschlossen werden, dass eine erst 23-jährige Liegenschaft nicht als Altbaute gelten könne. Gestützt darauf und auf verschiedene Literaturstellen, auf die einzugehen sich hier erübrigt, kam die Vorinstanz zum Schluss, dass Bauten, die weniger als dreissig Jahre alt seien, mit Sicherheit nicht unter den Begriff der Altbauten fielen, so dass bei den vorliegend streitbetroffenen Häusern, die 26- bzw. 27-jährig seien, nicht von Altbauten gesprochen werden könne.
3.1.1 BGE 140 III 433 S. 436
Art. 14 der Verordnung vom 9. Mai 1990 über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen (VMWG; SR 221.213.11) 3.1.2 Es genügt hier festzuhalten, dass die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzte, indem sie die vorliegenden, 26- bzw. 27-jährigen Liegenschaften bei der Sanierung nicht als Altliegenschaften qualifizierte. Es kann in einem solchen Fall nicht von einer "vor mehreren Jahrzehnten" gebauten oder erworbenen Liegenschaft im Sinne der bundesgerichtlichen Praxis gesprochen werden. BGE 140 III 433 S. 437
3.1.2 BGE 140 III 433 S. 437
Die Beschwerdeführerin zeigt überdies nicht auf, dass hier eine Nettorenditeberechnung aufgrund der Investitionsbelege zu einem wirtschaftlich nicht realistischen Ergebnis und damit zu einer Benachteiligung von ihr als langjähriger Eigentümerin der streitbetroffenen Liegenschaften führen müsste, wie sie der Gesetzgeber vermeiden wollte. Dazu müsste sie darlegen, dass die Investitionsbelege insgesamt, d.h. auch unter Einbezug der Belege über die ursprünglichen Anlagekosten, keinen sachgerechten Bezug zur Realität mehr haben und deren Berücksichtigung zu unrealistischen zulässigen Mieterträgen führte ( BGE 122 III 257 E. 4a/bb). Dies tut sie indessen nicht, sondern sie begnügt sich damit zu monieren, die Vorinstanz sei hinsichtlich der zulässigen Mietzinse für die einzelnen Wohnungen zu einem unrealistischen Ergebnis gekommen, indem ihre Berechnungen dazu führten, dass bei unbestrittenen umfassenden Investitionen (zur umfassenden Überholung der Liegenschaften im Jahre 2009) von Fr. 5'425'682.- bei 11 von 16 Mietern eine Mietzinsreduktion und nur bei fünf Mietern eine Erhöhung erfolge. Überdies trifft ihre Behauptung nicht zu, dass bei 11 Mietern eine Mietzinsreduktion erfolge, sondern die Vorinstanz verweigerte insoweit aufgrund der Einrede des übersetzten Ertrages lediglich eine Erhöhung der Mietzinse.
Die Beschwerdeführerin hält weiter dafür, sie werde als langjährige Eigentümerin offensichtlich gegenüber Eigentümern benachteiligt, die eine Liegenschaft erst kürzlich erworben hätten, weil sie nicht mehr in der Lage sei, die für die korrekte Berechnung der Nettorendite erforderlichen detaillierten Unterlagen beizubringen. Die Feststellung der Vorinstanz, wonach die Anlagekosten belegt seien, sei offensichtlich falsch und es sei festzustellen, dass die Anlagekosten aufgrund des Alters der Liegenschaft nicht lückenlos belegt werden könnten.
Die Beschwerdeführerin unterlässt es aufzuzeigen, weshalb die von ihr gerügte Feststellung der Vorinstanz entscheiderheblich sein soll. Dies ist denn auch nicht ersichtlich, weshalb auf die Rüge der offensichtlich unrichtigen Feststellung nicht eingetreten werden kann. Ob die Belege im vorliegenden Fall tatsächlich nicht beigebracht werden können, wie die Beschwerdeführerin behauptet, und ob die Anlagekosten tatsächlich belegt sind, ist nicht dafür entscheidend, ob von einer Altliegenschaft auszugehen ist. Dass wegen Schwierigkeiten zur Beibringung von Investitionsbelegen von einer BGE 140 III 433 S. 438 Altliegenschaft ausgegangen werden kann, ist erforderlich, dass es aufgrund des Alters oder der Geschichte einer Liegenschaft abstrakt gesehen wahrscheinlich ist, dass die Belege nicht mehr greifbar sind. Solches hat das Bundesgericht beispielsweise in einem Fall angenommen, in dem eine Liegenschaft vor fast einem Jahrhundert durch Schenkung erworben wurde und der Wert der Liegenschaft im Schenkungszeitpunkt ebenso unbekannt war wie der Preis, zu dem der Schenker die Liegenschaft gekauft hatte (Urteil 4C.285/2005 vom 18. Januar 2006 E. 2.6). Von einem solchen Fall ist man bei den vorliegenden, vor 26 bzw. 27 Jahren erstellten und professionell verwalteten Liegenschaften weit entfernt. Der Beschwerdeführerin kann nicht gefolgt werden, wenn sie dafür hält, es sei notorisch, dass nach einer solchen Zeitdauer Belege einer Investition nicht mehr lückenlos beschafft werden können. In den Jahren 1982 und 1983, als die Liegenschaften gebaut wurden, war bekannt, dass die Nettoertragsberechnung, und damit die dazu erforderlichen Belege für die Mietzinsfestsetzung von Bedeutung sind (vgl. dazu z.B. BGE 106 II 356 ). Es ist demzufolge zu erwarten, dass diese wichtigen Belege im Rahmen einer professionellen Liegenschaftenverwaltung sorgfältig aufbewahrt werden und nicht bereits nach 26 oder 27 Jahren verschwunden sind. Es ist unbehelflich, wenn die Beschwerdeführerin dagegen einwendet, die gesetzliche Aufbewahrungsfrist für Unterlagen sei längstens abgelaufen.
BGE 140 III 433 S. 438
Die Vorinstanz hat nach dem Ausgeführten kein Bundesrecht verletzt, indem sie die streitbetroffenen Liegenschaften nicht als Altliegenschaften qualifizierte, bei der die Mietzinsbestimmung nach der Orts- und Quartierüblichkeit im Vordergrund stünde, und die Einrede der Mieter zuliess, der erzielte Mietertrag sei übersetzt.
(...)
3.5 Schliesslich macht die Beschwerdeführerin geltend, die Vorinstanz gehe bei der Verzinsung der ausserordentlichen Unterhaltskosten im Rahmen des werterhaltenden Teils der Investitionen für die Heizungserneuerung, die Fassadensanierung und die Renovation im Jahr 2009 zu Unrecht von einem gemittelten Zinssatz von 1,75 % für den gesamthaft anzurechnenden Betrag von Fr. 3'594'633.60 aus. Die Anwendung eines gemittelten Zinssatzes sei aufgrund der Systematik der Berechnung der Nettorendite nicht korrekt und verstosse gegen die Art. 269 und 269a OR. Richtigerweise seien die ausserordentlichen Unterhaltskosten jährlich mit 5 % auf dem noch nicht BGE 140 III 433 S. 439 amortisierten Restbetrag zu verzinsen und in die Unterhaltsrechnung einzustellen.
3.5 Art. 269 und 269a OR BGE 140 III 433 S. 439
3.5.1 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind von den Mietzinseinnahmen als Unterhaltskosten die Aufwendungen in Abzug zu bringen, die dem Vermieter für die Instandhaltung des Mietobjekts zum vorausgesetzten Gebrauch entstehen. Um die Zufälligkeiten anfallender Unterhaltsarbeiten auszugleichen, ist auf die durchschnittlichen Aufwendungen der letzten fünf - eventuell mindestens drei - Jahre abzustellen ( BGE 117 II 77 E. 3c/bb S. 85; Urteil 4C.293/2000 vom 24. Januar 2001 E. 1b mit Hinweisen). Ausserordentlich hohe Unterhaltskosten sind auf die Lebensdauer der damit finanzierten Einrichtungen zu verteilen. Die entsprechenden Teilbeträge können jährlich bis zur vollständigen Amortisation in die Unterhaltsrechnung eingestellt werden und sind mit 5 % auf dem jeweils noch nicht amortisierten Restbetrag zu verzinsen (Urteil 4C.293/2000 vom 24. Januar 2001 E. 1b, in: MietRecht aktuell [MRA] 2001 S. 116 ff., u.a. mit Hinweis auf Urteil 4C.107/1995 vom 26. Juli 1995 E. 4).
3.5.1 Die Vorinstanz kam zum Schluss, das Bundesgericht sei in den beiden Entscheiden vom 24. Januar 2001 und vom 26. Juli 1995 in Bezug auf ausserordentliche Unterhaltskosten von einem Zinssatz von 5 % ausgegangen, ohne eine Begründung dafür zu liefern. Aus den beiden Urteilen könne nicht abgeleitet werden, dass es sich beim Zinssatz von 5 % um den allgemein gültigen Durchschnittszinssatz handle. Die Anwendung eines allgemein gültigen Durchschnittszinssatzes von 5 % erscheine zur Verzinsung des für ausserordentliche Investitionen verwendeten Kapitals nicht sachgerecht, da der Vermieter das dafür notwendige Kapital gewöhnlich mittels einer Hypothek beschaffe. Selbst wenn der Vermieter das Kapital mit Eigenmitteln finanzieren sollte, erscheine ein Zinssatz von 5 % zu hoch. Es sei zudem nicht ersichtlich, weshalb für die Verzinsung von ausserordentlichen Investitionen andere Grundsätze gelten sollten als für die Verzinsung des wertvermehrenden Anteils. Aus diesen Gründen folgte die Vorinstanz der Auffassung von LACHAT/BRUTSCHIN (in: Das Mietrecht für die Praxis, Lachat und andere [Hrsg.], 8. Aufl. 2009, S. 375 Ziff. 19/4.8), nach welcher der Referenzzinssatz (derzeit 3 %), erhöht um ein halbes Prozent, zur Verzinsung der ausserordentlichen Unterhaltskosten anzuwenden sei. Ein Verzicht auf die Verzinsung - wie von den Beschwerdegegnern gefordert - wäre demgegenüber nicht sachgerecht. Analog der Verzinsung des BGE 140 III 433 S. 440 wertvermehrenden Anteils von Sanierungen sei bei den ausserordentlichen Unterhaltskosten (hier unbestrittenermassen Fr. 3'594'633.60) ein gemittelter Zinssatz anzuwenden, der vorliegend 1,75 % betrage.
BGE 140 III 433 S. 440
3.5.2 Was die Höhe des Zinssatzes angeht, trifft es zu, dass das Bundesgericht in seinen Urteilen 4C.107/1995 vom 26. Juli 1995 E. 4 (Übersetzung in: mp 1996 S. 140 f.) und 4C.293/2000 vom 24. Januar 2001 E. 1b nicht näher begründete, weshalb es für die Verzinsung der ausserordentlichen Unterhaltskosten einen Zinssatz von 5 % anwendete. Dies lässt sich damit erklären, dass die Höhe des Zinssatzes in den beiden betreffenden Bundesgerichtsverfahren nicht umstritten war. Das Bundesgericht verwies dazu im ersten Urteil bloss auf die Lehrmeinung von LACHAT/MICHELI (Le nouveau droit du bail, 2. Aufl. 1992, S. 229 Ziff. 3.3.3 und S. 213 Ziff. 2.8.4), in seinem zweiten Urteil auf LACHAT/STOLL/BRUNNER (Mietrecht für die Praxis, 4. Aufl. 1999, S. 293 [recte S. 301] Ziff. 6.5) sowie auf CORBOZ (Le loyer abusif au sens de l'AMSL, BR 1992 S. 32), der sich an der zitierten Stelle allerdings nicht zur Höhe des Zinssatzes äusserte. Da das Bundesgericht keine eingehenden Erwägungen zur Frage anstellte, wie hoch der Zinssatz zu bemessen sei, kann entgegen der Auffassung von BÄTTIG (Die Überwälzung der Kosten von umfassenden Überholungen auf den Mietzins, MRA 1-2/2009 S. 1 ff., S. 16 f.) aus dem Entscheid vom 24. Januar 2001 nicht abgeleitet werden, dass es sich beim "vom Bundesgericht gewählten" Satz von 5 % in Anbetracht der Tatsache, dass der massgebliche Zinssatz im fraglichen Zeitpunkt (Dezember 1997) bei 4,25 % lag, um einen gewollt festgelegten, allgemein gültigen Durchschnittssatz handelt und nicht um einen vom jeweiligen Hypothekar- bzw. Referenzzinssatz abhängigen Wert.
3.5.2 Gestützt auf die beiden Urteile des Bundesgerichts sprechen sich auch weitere Autoren ohne nähere Begründung für einen Zinssatz von 5 % aus (RAYMOND BISANG UND ANDERE, Das schweizerische Mietrecht, Kommentar, 3. Aufl. 2008, N. 30 zu Art. 269 OR, N. 82 zu Art. 269a OR ; HIGI, Zürcher Kommentar, 4. Aufl. 1998, N. 95 zu Art. 269 OR und N. 244 zu Art. 269a OR ; POLIVKA, Berechnung der Nettorendite, MRA 4/2001 S. 121; BOHNET, in: Droit du bail à loyer, Bohnet und andere [Hrsg.], 2010, N. 67 zu Art. 269 OR ; HEINRICH, a.a.O., N. 13 zu Art. 269-269a OR ). Neuerdings vertreten nun aber LACHAT/STOLL/BRUNNER (Mietrecht für die Praxis, 6. Aufl. 2005, N. 19/4.8 S. 331 und N. 19./5.2 S. 337 ff. und N. 18/6.5 S. 302) und LACHAT/ BGE 140 III 433 S. 441 BRUTSCHIN (a.a.O., N. 19/4.8 und N. 19/5.2.1) die Auffassung, es sei nur dann von einem Zinssatz von 5 % auszugehen, wenn der Referenzzinssatz 4,5 % beträgt, d.h. sie gehen von einem variablen Zinssatz aus, der sich aus dem Referenzzinssatz, erhöht um ein halbes Prozent, errechnet. Für eine entsprechende Bestimmung des Zinssatzes spricht sich auch WEBER aus (a.a.O., N. 11a zu Art. 269 OR ; s. auch der Hinweis auf die betreffende Literaturstelle bei BOHNET, a.a.O., N. 67 zu Art. 269 OR ).
Art. 269 OR Art. 269a OR Art. 269 OR Art. 269a OR Art. 269 OR Art. 269-269a OR BGE 140 III 433 S. 441
Art. 269 OR Art. 269 OR Nachdem LACHAT und Mitautoren, auf die allein sich das Bundesgericht in seinen Urteilen vom 26. Juli 1995 und vom 24. Januar 2001 ohne weitere Erwägungen gestützt hat, ihre Meinung geändert haben, rechtfertigt sich ohne weiteres eine Überprüfung der betreffenden Rechtsprechung. Es ist dabei der Vorinstanz beizupflichten, dass kein Grund dafür ersichtlich ist, das für ausserordentliche Unterhaltsaufwendungen eingesetzte Kapital anders zu verzinsen als das für den wertvermehrenden Teil von Renovationen eingesetzte, mithin zum als angemessen beurteilten Zinssatz, der 0,5 % über dem Referenzzinssatz für Hypotheken im Zeitpunkt der Mitteilung der Mietzinserhöhung liegt (vgl. dazu BGE 118 II 415 E. 3c/aa; Urteil 4A_470/2009 vom 18. Februar 2010 E. 6; je mit Hinweisen; CORBOZ, a.a.O., S. 32). Ein fixer Zinssatz von 5 % würde dagegen der Entwicklung der Kapitalmarktverhältnisse nicht Rechnung tragen und könnte je nach Marktsituation zu einer ungerechtfertigten Schlechter- oder Besserstellung einer Mietvertragspartei führen.
Die Vorinstanz verletzte damit kein Bundesrecht, indem sie eine Verzinsung der Kosten für den werterhaltenden Teil der Gebäudesanierungen bloss zu einem Satz gewährte, der ein halbes Prozent über dem Referenzzinssatz für Hypotheken zum Zeitpunkt der Mietzinserhöhung liegt. Dem Risiko, das der Vermieter mit solchen Investitionen eingeht und das nach Meinung der Beschwerdeführerin einen Zinssatz von 5 % rechtfertigt, trägt die Rechtsprechung mit der Erhöhung des Referenzzinssatzes um ein halbes Prozent Rechnung (vgl. WEBER, a.a.O., N. 7 zu Art. 269 OR ; LACHAT/BRUTSCHIN, a.a.O., N. 18/5.1 S. 337).
Art. 269 OR 3.5.3 Die Vorinstanz erwog, es sei bei den ausserordentlichen Unterhaltskosten analog der Verzinsung des wertvermehrenden Anteils ein gemittelter Zinssatz anzuwenden.
3.5.3 3.5.3.1 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin hat die Vorinstanz mit dieser kurzen Erwägung ihrer aus dem BGE 140 III 433 S. 442 verfassungsmässigen Anspruch auf rechtliches Gehör folgenden Pflicht, ihren Entscheid zu begründen, Genüge getan (vgl. dazu BGE 138 I 232 E. 5.1; BGE 136 I 184 E. 2.2.1 S. 188; vgl. auch BGE 139 V 496 E. 5.1 S. 503 f.). Sie erwähnte mit hinreichender Deutlichkeit, weshalb sie die Anwendung eines gemittelten Zinssatzes befürwortete, nämlich in Analogie zur Praxis betreffend Verzinsung von wertvermehrenden Investitionen. Der Beschwerdeführerin war danach eine sachgerechte Anfechtung des Entscheides möglich und ihre betreffende Gehörsrüge ist unbegründet.
3.5.3.1 BGE 140 III 433 S. 442
3.5.3.2 Die Beschwerdeführerin stösst sich daran, dass die Vorinstanz eine Verzinsung zu einem gemittelten Zinssatz von 1,75 % (die Hälfte des um ein halbes Prozent erhöhten Referenzzinssatzes von 3 %) gewährte, anstelle einer Verzinsung von 5 % (bzw. nach dem in vorstehender Erwägung 3.5.2 Ausgeführten: von 3,5 %) auf dem jeweils noch nicht amortisierten Restbetrag, wie im erwähnten Urteil 4C.293/2000 vom 24. Januar 2001 E. 1b festgehalten wurde.
3.5.3.2 Hierzu gilt Ähnliches wie betreffend der Höhe des Zinssatzes. Das Bundesgericht entschied erstmals im Urteil 4C.107/1995 vom 26. Juli 1995 E. 4a, es sei eine Verzinsung zu 5 % auf dem jeweils nicht amortisierten Betrag zu gewähren. Es stützte sich dabei ohne eingehende Begründung auf die Lehrmeinung von LACHAT/MICHELI (a.a.O., S. 213 Rz. 8.4), in der eine Verzinsung "calculé sur la part non encore amortie" befürwortet wurde. Im angerufenen Urteil vom 24. Januar 2001 verwies das Bundesgericht ohne weitere Begründung auf diesen Entscheid und auf LACHAT/STOLL/BRUNNER (a.a.O., S. 301 f. Rz. 6.5), die von einem Zins "für den noch nicht amortisierten Anteil" der ausserordentlichen Unterhaltskosten sprachen (in diesem Sinn unter Berufung auf die Urteile vom 26. Juli 1995 und vom 24. Januar 2001 auch: RAYMOND BISANG UND ANDERE, a.a.O., N. 82 zu Art. 269a OR und BOHNET, a.a.O., N. 67 zu Art. 269 OR ). CORBOZ (a.a.O., S. 32), den das Bundesgericht an der betreffenden Urteilsstelle weiter zitierte, äusserte sich nicht zu dieser Frage.
Art. 269a OR Art. 269 OR LACHAT und seine Mitautoren änderten seit dem Urteil vom 24. Januar 2001 auch in diesem Punkt ihre Meinung und vertreten heute die Auffassung, um der Amortisierung des investierten Kapitals Rechnung zu tragen, habe die Verzinsung während der ganzen Amortisationsdauer entweder zum vollen Zinssatz für die Hälfte des investierten Kapitals oder zum halben Zinssatz für das ganze investierte Kapital zu erfolgen (LACHAT/BRUTSCHIN, a.a.O., S. 375 BGE 140 III 433 S. 443 Rz. 19/4.8, S. 383 Rz. 19/5.2.1; LACHAT/STOLL/BRUNNER, a.a.O., S. 331 Rz. 4.8; so auch WEBER, a.a.O., N. 11a zu Art. 269 OR, der von einer Verzinsung zu durchschnittlich 2,5 % [auf einem vollen Satz von 5 %] spricht, sowie HIGI, a.a.O., N. 245 zu Art. 269a OR [s. immerhin auch N. 95 zu Art. 269 OR, wo von einer Verzinsung auf dem nicht amortisierten Teil der ausserordentlichen Unterhaltskosten die Rede ist]; BÄTTIG, a.a.O., S. 16). Dies entspricht dem Verzinsungsmodus, den die Rechtsprechung für wertvermehrende Investitionen anwendet (vgl. BGE 118 II 415 E. 3c/aa). Dabei fällt auf, dass das Bundesgericht in BGE 118 II 415 auch insoweit von der Verzinsung (rémunération) des nicht amortisierten Restbetrags ("montant de l'investissement non amorti") spricht und damit die Verzinsung zum halben Satz meint. Die Verwendung der gleichen Terminologie im Urteil vom 26. Juli 1995 deutet darauf hin, dass das Bundesgericht schon im damaligen Entscheid für die nicht wertvermehrenden, ausserordentlichen Unterhaltskosten keine andere Verzinsungslösung statuieren wollte, als für die wertvermehrenden Investitionen.
BGE 140 III 433 S. 443
Art. 269 OR Art. 269a OR Art. 269 OR Die entsprechende Methode erscheint denn auch als sachgerecht und einzig praktikabel. Bei diesem Vorgehen resultiert anfänglich eine zu niedrige Verzinsung des investierten Kapitals, die aber durch die höhere Verzinsung in der zweiten Hälfte der Amortisationsdauer aufgefangen wird (RAYMOND BISANG UND ANDERE, a.a.O., N. 74 zu Art. 269a OR ). Mit einer entsprechenden Festsetzung des Mietzinses am massgebenden Stichtag wird dem für dieses Jahr und alle Folgejahre bis zur vollständigen Amortisation eingesetzten Kapital, das zu verzinsen ist, Rechnung getragen, auch wenn eine Investition bzw. das für ausserordentliche Unterhaltskosten "bevorschusste" Kapital bloss ein einziges Mal für eine Mietzinserhöhung herangezogen werden kann, wie die Beschwerdeführerin geltend macht. Dagegen würde eine Festlegung des Mietzinses im Zeitpunkt der Beendigung der Renovation unter Berücksichtigung einer Verzinsung des vollen, für ausserordentliche Unterhaltsaufwendungen investierten Kapitals zum vollen Satz infolge der allmählichen Amortisation des investierten Kapitals in den Folgejahren zu einem zunehmend übersetzten Mietzins bzw. einer zunehmenden Nettorendite führen. Darauf könnten sich die Mieter mangels Änderung von relativen Kostenfaktoren nicht als Angriffsmittel berufen, um eine Herabsetzung des Mietzinses zu verlangen, sondern nur einredeweise, falls sie sich gegen eine allfällige weitere Mietzinserhöhung des Vermieters zur Wehr setzen können (vgl. dazu BGE 121 III 163 E. 2d; WEBER, a.a.O., N. 16 und 18 zu Art. 269 OR mit zahlreichen BGE 140 III 433 S. 444 Hinweisen). Es wäre denn auch nicht praktikabel, den Mietzins jedes Jahr erneut unter Berücksichtigung der noch nicht amortisierten und zu verzinsenden Restbeträge zu errechnen, wie die Beschwerdeführerin sinngemäss postuliert.
Art. 269a OR Art. 269 OR BGE 140 III 433 S. 444
Die Vorinstanz verletzte demnach Art. 269 und 269a OR nicht, indem sie die Verzinsung des für ausserordentlichen Unterhalt aufgewendeten Kapitals bloss zu einem gemittelten Satz zuliess.
Art. 269 und 269a OR
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Urteilskopf
64. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. AG gegen Y. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_126/2014 vom 10. Juli 2014
Regeste Art. 99 ZPO ; Bezifferung des Antrags auf Sicherstellung der Parteientschädigung. Der Antrag auf Sicherstellung der Parteientschädigung ( Art. 99 ZPO ) muss nicht beziffert werden (E. 3.2).
Regeste
Art. 99 ZPO ; Bezifferung des Antrags auf Sicherstellung der Parteientschädigung. Der Antrag auf Sicherstellung der Parteientschädigung ( Art. 99 ZPO ) muss nicht beziffert werden (E. 3.2).
Art. 99 ZPO Der Antrag auf Sicherstellung der Parteientschädigung ( Art. 99 ZPO ) muss nicht beziffert werden (E. 3.2).
Art. 99 ZPO Sachverhalt ab Seite 444
Sachverhalt ab Seite 444 BGE 140 III 444 S. 444
BGE 140 III 444 S. 444
A. Y. erhob am 28. Dezember 2012 beim Bezirksgericht Rheinfelden Klage auf Bestreitung neuen Vermögens gemäss Art. 265a Abs. 4 SchKG. Beklagte in diesem Verfahren ist die X. AG.
A. Art. 265a Abs. 4 SchKG Mit Verfügung vom 10. April 2013 bewilligte das Bezirksgericht Y. die unentgeltliche Rechtspflege. Mit Verfügung vom 6. Mai 2013 setzte es Rechtsanwalt Mahendra Williams als unentgeltlichen Rechtsbeistand ein. BGE 140 III 444 S. 445
BGE 140 III 444 S. 445
Am 11. Juni 2013 stellte die X. AG verschiedene Anträge. Ziffer 1 ihrer Rechtsbegehren lautete wie folgt:
"Die klagende Partei sei zu verpflichten, für die nach gerichtlichem Ermessen festzusetzende Parteientschädigung samt Auslagen der beklagten Partei gemäss dem Dekret über die Entschädigung der Anwälte Sicherheit zu leisten."
Am 8. Juli 2013 beantragte die X. AG zudem, Y. die unentgeltliche Rechtspflege nicht zu gewähren.
Mit Verfügung vom 18. November 2013 bewilligte das Bezirksgericht Y. weiterhin die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. Das Sicherstellungsgesuch wies es ab.
B. Die X. AG erhob am 6. Dezember 2013 Beschwerde an das Obergericht des Kantons Aargau und verlangte die Aufhebung der Verfügung vom 18. November 2013. Das Gesuch von Y. um unentgeltliche Rechtspflege sei abzuweisen. Er "sei zu verpflichten, für die nach gerichtlichem Ermessen festzusetzende Parteientschädigung samt Auslagen der beklagten Partei gemäss dem Dekret über die Entschädigung der Anwälte Sicherheit zu leisten". Allenfalls sei die Sache zur Neubeurteilung an das Bezirksgericht zurückzuweisen.
B. Mit Entscheid vom 20. Januar 2014 trat das Obergericht auf die Beschwerde nicht ein.
C. Am 12. Februar 2014 hat die X. AG (Beschwerdeführerin) Beschwerde in Zivilsachen und eventualiter subsidiäre Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie verlangt die Aufhebung des Entscheides des Obergerichts vom 20. Januar 2014. Das Gesuch von Y. (Beschwerdegegner) um unentgeltliche Rechtspflege sei abzuweisen. Er sei zu verpflichten, für die nach gerichtlichem Ermessen festzusetzende Parteientschädigung samt Auslagen, mindestens in der Höhe der Grundentschädigung von Fr. 10'515.30 zuzüglich MWST, gemäss dem Dekret über die Entschädigung der Anwälte Sicherheit zu leisten. Eventuell sei die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurückzuweisen.
C. Der Beschwerdegegner ersucht um Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Eventualiter sei die Sache an das Obergericht zurückzuweisen.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut und weist die Angelegenheit an das Obergericht zurück.
(Zusammenfassung) BGE 140 III 444 S. 446
BGE 140 III 444 S. 446
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
3.
3. 3.2
3.2 3.2.1 Art. 311 ff. ZPO Art. 103 ZPO Art. 319 ff. ZPO Art. 319 ff. ZPO 3.2.2 Eine Sicherheitsleistung für die Parteientschädigung wird gemäss Art. 99 Abs. 1 ZPO nur auf Antrag der beklagten Partei hin angeordnet. Die ZPO äussert sich nicht ausdrücklich dazu, ob dieser Antrag beziffert werden muss. Die Lehre bezieht dazu - soweit ersichtlich - nur am Rande Stellung: STERCHI bringt vor, die Höhe der Sicherheitsleistung sei soweit möglich und tunlich zu beziffern, andernfalls setze das Gericht sie nach Ermessen fest (MARTIN H. STERCHI, in: Berner Kommentar, Schweizerische BGE 140 III 444 S. 447 Zivilprozessordnung, 2012, N. 3 zu Art. 99 ZPO ). Mit anderen Worten hält dieser Autor eine Bezifferung nicht unbedingt für notwendig. Ähnlich äussern sich SUTER/VON HOLZEN, wonach sich der Beklagte sinnvollerweise zur Höhe der Kaution äussern solle, um dem Gericht einen Anhaltspunkt zu geben, auch wenn dies nicht vorgeschrieben sei (SUTER/VON HOLZEN, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 7 zu Art. 100 ZPO ). Gemäss STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND sollte die verlangte Kaution beziffert werden (STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2013, § 16 Rz. 28), doch äussern sich diese Autoren nicht zu den Folgen der fehlenden Bezifferung. Eine Pflicht zur Bezifferung nehmen hingegen SPÜHLER/DOLGE/GEHRI und TREZZINI an (SPÜHLER/DOLGE/GEHRI, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl. 2010, 8. Kap. Rz. 48; FRANCESCO TREZZINI, in: Commentario al Codice di diritto processuale civile svizzero, 2011, S. 402 zu Art. 99 ZPO ). STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND und TREZZINI nehmen Bezug auf das Urteil 5A_815/2009 vom 31. März 2010 E. 3.4. Zu beurteilen war dort der Fall eines Beschwerdeführers, der vor der kantonalen Instanz "angemessene" Sicherheitsleistung verlangt hatte. Das Bundesgericht hat es im Ergebnis nicht als willkürlich erachtet, wenn das kantonale Gericht das nicht bezifferte Begehren abgewiesen hat, denn die anwendbare kantonale ZPO sah vor, dass Klagen zu beziffern seien. Dieses Urteil betraf jedoch die frühere Freiburger ZPO und die Überprüfung erfolgte insoweit einzig unter Willkürgesichtspunkten. Daraus kann für die freie Auslegung der schweizerischen ZPO nichts abgeleitet werden.
3.2.2 Art. 99 Abs. 1 ZPO BGE 140 III 444 S. 447
Art. 99 ZPO Art. 100 ZPO Art. 99 ZPO Da mit der Sicherstellung eine allfällige künftige Parteientschädigung gesichert werden soll, drängt sich ein Vergleich mit den Anträgen auf Ausrichtung einer solchen Entschädigung auf. Im Geltungsbereich der ZPO wird eine Parteientschädigung nur auf Antrag hin festgesetzt ( Art. 105 Abs. 2 ZPO ; BGE 139 III 334 E. 4.3 S. 344). In der Lehre herrscht weitgehend Einigkeit, dass der Antrag auf Ausrichtung einer Parteientschädigung nicht beziffert werden muss, sondern dass allgemein übliche Formulierungen wie "unter Kosten- und Entschädigungsfolge" genügen (ISAAK MEIER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2010, S. 420; DENIS TAPPY, in: CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, N. 8 zu Art. 105 ZPO ; ADRIAN URWYLER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], 2011, N. 6 zu Art. 105 ZPO ; STERCHI, a.a.O., N. 7 zu Art. 105 ZPO ; VIKTOR RÜEGG, in: Basler Kommentar, BGE 140 III 444 S. 448 Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 2 zu Art. 105 ZPO ; DAVID JENNY, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 6 zu Art. 105 ZPO ; HANS SCHMID, in: ZPO, Oberhammer/Domej/Haas [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 3 zu Art. 105 ZPO ). Einige Autoren verlangen zwar keine Bezifferung der Kosten für die berufsmässige Vertretung ( Art. 95 Abs. 3 lit. b ZPO ), wohl aber der Auslagen ( Art. 95 Abs. 3 lit. a ZPO ) und der Umtriebsentschädigung ( Art. 95 Abs. 3 lit. c ZPO ; in diesem Sinne STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, a.a.O., § 16 Rz. 34; ALEXANDER FISCHER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Baker & McKenzie [Hrsg.], 2010, N. 5 zu Art. 105 ZPO ; ähnlich TREZZINI, a.a.O., S. 430 zu Art. 105 ZPO, der einen nichtbezifferten Antrag genügen lässt ausser im Falle von Art. 95 Abs. 3 lit. c ZPO ). Die Bezifferung sei diesfalls notwendig, weil es den Gerichten mangels einer diesbezüglichen Regelung in den kantonalen Tarifen nicht möglich sein werde, die Auslagen bzw. die Umtriebsentschädigung selber zu bestimmen (so FISCHER, a.a.O.). Dies überzeugt jedoch nicht: Einerseits ist es den Kantonen unbenommen, auch diese Fragen ausdrücklich zu regeln ( Art. 96 ZPO ) oder eine entsprechende Gerichtspraxis zu entwickeln (vgl. § 13 Abs. 1 des aargauischen Anwaltstarifs, wonach die Entscheidbehörde für den Auslagenersatz eine Pauschale festsetzen kann). Andererseits ist nicht einzusehen, weshalb die entsprechenden Posten nicht mit einer ermessensweise festgesetzten Entschädigung mitabgegolten werden könnten, wenn die Partei auf eine ausdrückliche Bezifferung verzichtet hat und damit das Risiko eingeht, nicht alle Auslagen oder Aufwendungen erstattet zu erhalten.
Art. 105 Abs. 2 ZPO Art. 105 ZPO Art. 105 ZPO Art. 105 ZPO BGE 140 III 444 S. 448
Art. 105 ZPO Art. 105 ZPO Art. 105 ZPO Art. 95 Abs. 3 lit. b ZPO Art. 95 Abs. 3 lit. a ZPO Art. 95 Abs. 3 lit. c ZPO Art. 105 ZPO Art. 105 ZPO Art. 95 Abs. 3 lit. c ZPO Art. 96 ZPO Ein bezifferter und substanziierter Antrag auf Ausrichtung einer Parteientschädigung liegt in der Regel in der Einreichung einer Kostennote (STERCHI, a.a.O., N. 7 zu Art. 105 ZPO ). Gemäss Art. 105 Abs. 2 ZPO steht es den Parteien jedoch frei, ob sie eine Kostennote einreichen wollen oder nicht. Dies bestätigt, dass die Bezifferung des Antrags auf Parteientschädigung nicht erforderlich ist. Fehlt eine Bezifferung, legen die Gerichte die Parteientschädigung nach ihrem Ermessen anhand der kantonalen Tarife fest (Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 96 ZPO ).
Art. 105 ZPO Art. 105 Abs. 2 ZPO Art. 96 ZPO Es ist nicht ersichtlich, weshalb beim Antrag auf Leistung einer Sicherheit für die Parteientschädigung strengere Vorschriften gelten sollten, was die Bezifferung des Antrags betrifft, als später bei den Anträgen auf Zusprechung einer Parteientschädigung. Triftige BGE 140 III 444 S. 449 Gründe, die gegen eine Gleichbehandlung sprechen, bestehen nicht. Dies gilt umso mehr, als die Bezifferung für die antragstellende Partei am Ende des Prozesses sogar einfacher wäre als zum Zeitpunkt des Sicherstellungsantrags: Während der angefallene Aufwand am Schluss des Prozesses relativ einfach bestimmt werden kann, so kann zum Zeitpunkt des Sicherstellungsgesuchs der künftige Aufwand nur abgeschätzt werden (zur umstrittenen Frage, ob auch bereits angefallene Kosten sichergestellt werden können vgl. Urteil 4A_26/2013 vom 5. September 2013 E. 2.2, in: SJ 2014 I S. 101). Aus der Optik des mit dem Sicherstellungsantrag konfrontierten Gerichts ist keine Bezifferung notwendig. Es ist davon auszugehen, dass das Gericht in der Lage ist, den erwarteten Aufwand und damit die am Ende des Verfahrens allenfalls zu sprechende Parteientschädigung abzuschätzen, so wie es auch am Ende des Verfahrens in der Lage ist, bei Fehlen einer Kostennote den gebotenen und zu entschädigenden Aufwand abzuschätzen. Eine Bezifferung durch die Partei könnte ihm dabei als Anhaltspunkt dienen. Da das Gericht bei der Festsetzung aber - je nach Tarif - dennoch über einen weiten Ermessensspielraum verfügen würde, wäre der Nutzen der Bezifferung beschränkt. Für die klagende Partei als Gegnerin des Sicherstellungsgesuchs ist eine Bezifferung desselben ebenfalls nicht notwendig. Für ihre allfällige Stellungnahme zum Sicherstellungsgesuch kann sie sich am anwendbaren Tarif orientieren und sich deshalb auch ohne Bezifferung dazu äussern, wie das Gericht sein Ermessen bei der Festlegung der Höhe der Sicherstellung betätigen soll (vgl. zur Anhörung der klagenden Partei Urteil 5A_64/2014 vom 13. Mai 2014 E. 2.1 [zur ZPO/ZG]). Eine Bezifferung des Sicherstellungsantrags ist folglich zwar zulässig, aber von Gesetzes wegen nicht vorgeschrieben.
BGE 140 III 444 S. 449
3.2.3 Im vorliegenden Fall können für den Antrag in der Beschwerde an das Obergericht keine strengeren Anforderungen an die Bezifferung gestellt werden als für den Sicherstellungsantrag vor Bezirksgericht. Das Bezirksgericht hat den Sicherstellungsantrag noch nicht inhaltlich beurteilt, da es dem Beschwerdegegner die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt hat ( Art. 118 Abs. 1 lit. a ZPO ). Das Bezirksgericht hat Art. 99 ff. ZPO und die einschlägigen Bestimmungen des Anwaltstarifs noch gar nicht angewandt. Die Beschwerdeführerin kritisiert vor Obergericht nicht die fehlerhafte Anwendung dieser Normen und es geht insbesondere nicht darum, dass die Beschwerdeführerin eine in ihren Augen zu tief ausgefallene Sicherheitsleistung vor Obergericht angefochten hätte. Inwiefern in einem solchen BGE 140 III 444 S. 450 Fall eine erstmalige Bezifferung vor der Rechtsmittelinstanz angesichts von Art. 326 Abs. 1 ZPO (Ausschluss neuer Anträge) zulässig wäre, braucht an dieser Stelle nicht beurteilt zu werden. Vorliegend bezweckt die Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde an das Obergericht vielmehr, dass ihr Antrag zum ersten Mal geprüft wird. Dementsprechend hat sie ihn wörtlich wiederholt für den Fall, dass das Obergericht reformatorisch entscheiden würde ( Art. 327 Abs. 3 lit. b ZPO ). Bei einem reformatorischen Entscheid hätte das Obergericht erstmals anhand des anwendbaren Tarifs im Rahmen seines Ermessens die Höhe der Sicherheitsleistung festzulegen. Insoweit können an die kantonale Beschwerde keine strengeren Anforderungen gestellt werden als an die Begehren vor der ersten Instanz. Dass die Beschwerdeführerin ihren Antrag in der kantonalen Beschwerde nicht beziffert hat, schadet ihr demnach nicht.
3.2.3 Art. 118 Abs. 1 lit. a ZPO Art. 99 ff. ZPO BGE 140 III 444 S. 450
Art. 326 Abs. 1 ZPO Art. 327 Abs. 3 lit. b ZPO 3.2.4 Die Beschwerde in Zivilsachen ist demnach begründet, soweit auf sie eingetreten werden kann. Da das Obergericht in der Sache noch nicht entschieden hat, kann das Bundesgericht dies entgegen der reformatorischen Anträge der Beschwerdeführerin, die im Übrigen teilweise unzulässig sind (nicht publ. E. 3.1.3), auch nicht tun. Vielmehr ist die Angelegenheit an das Obergericht zur weiteren Behandlung im Sinne der Erwägungen zurückzuweisen.
3.2.4
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Urteilskopf
65. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Versicherung B. AG (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_65/2014 vom 1. September 2014
Regeste Art. 243 ff. und 233 ZPO, vereinfachtes Verfahren. Anspruch und Verzicht auf Durchführung einer Hauptverhandlung (E. 3).
Regeste
Art. 243 ff. und 233 ZPO, vereinfachtes Verfahren. Anspruch und Verzicht auf Durchführung einer Hauptverhandlung (E. 3).
Art. 243 ff. und 233 ZPO Anspruch und Verzicht auf Durchführung einer Hauptverhandlung (E. 3).
Erwägungen ab Seite 450
Erwägungen ab Seite 450 BGE 140 III 450 S. 450
BGE 140 III 450 S. 450
Aus den Erwägungen:
3. Zunächst fragt es sich, ob die Vorinstanz nach den angerufenen Vorschriften der ZPO gehalten gewesen wäre, einen weiteren Schriftenwechsel oder eine Hauptverhandlung durchzuführen. BGE 140 III 450 S. 451
3. BGE 140 III 450 S. 451
3.1 Art. 243 ff. ZPO Art. 243 Abs. 2 lit. f ZPO Art. 247 Abs. 2 lit. a ZPO Art. 247 ZPO Art. 247 ZPO Art. 247 ZPO Art. 247 ZPO Art. 247 ZPO Art. 246 ZPO Art. 243 ZPO Art. 243 ZPO Der Ablauf des Verfahrens hängt zunächst davon ab, ob die klagende Partei ihre Klageschrift, wenn sie ihre Klage dem Gericht nicht mündlich einreicht (vgl. Art. 244 Abs. 1 ZPO ), mit einer Begründung versieht, die den Anforderungen an eine Klagebegründung nach Art. 221 ZPO genügt (vgl. MAZAN, a.a.O., N. 10 f. zu Art. 245 ZPO ; GASSER/RICKLI, Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], 2. Aufl. 2014, N. 1 ff. zu Art. 245 ZPO ). Enthält die Klage keine (solche) Begründung, so stellt das Gericht sie der beklagten Partei zu und lädt die Parteien zugleich zur Verhandlung vor ( Art. 245 Abs. 1 ZPO ). Enthält die Klage eine Begründung, so setzt das Gericht der beklagten Partei zunächst eine Frist zur schriftlichen BGE 140 III 450 S. 452 Stellungnahme ( Art. 245 Abs. 2 ZPO ). Erfordern es die Verhältnisse, so kann das Gericht einen Schriftenwechsel anordnen und Instruktionsverhandlungen durchführen ( Art. 246 Abs. 2 ZPO ).
Art. 244 Abs. 1 ZPO Art. 221 ZPO Art. 245 ZPO Art. 245 ZPO Art. 245 Abs. 1 ZPO BGE 140 III 450 S. 452
Art. 245 Abs. 2 ZPO Art. 246 Abs. 2 ZPO Nach der unbestrittenen Beurteilung der Vorinstanz genügte die Eingabe des Beschwerdeführers vom 28. März 2013 den Anforderungen an eine Klagebegründung und setzte sie der Beschwerdegegnerin daher Frist zur Stellungnahme. Nach Eingang derselben wandte sie sich am 10. Juni 2013 mit folgendem Schreiben an den Beschwerdeführer (bzw. dessen Laienvertreter). Eine Kopie des Schreibens stellte sie der Beschwerdegegnerin zur Kenntnisnahme zu:
"Sehr geehrter Herr J.
In der oben erwähnten Streitsache hat die Beklagte durch ihren Rechtsvertreter (...) die Klageantwort eingereicht. Sie erhalten das Doppel samt Akten [Beilagen gem. Beweismittelverzeichnis] zur Kenntnisnahme. Ein Schriftenwechsel im Sinn von Art. 246 Abs. 2 ZPO ist aus jetziger Sicht nicht erforderlich. Damit wird die zuständige Gerichtsabteilung die anhängige Klage nun beurteilen. (...) Der begründete Entscheid wird Ihnen zu gegebener Zeit zugesandt."
Art. 246 Abs. 2 ZPO Der Beschwerdeführer reagierte nicht auf dieses Schreiben. Am 2. September 2013 reichte er ein ärztliches Zeugnis ein, das die - nicht weiterverfolgten - Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche beschlägt, und stellte den Antrag, das Gericht möge die Bearbeitung des Verfahrens bestmöglich vorziehen. Mit Schreiben vom 21. November 2013 wiederholte er diesen Antrag. Am 15. Januar 2014 fällte die Vorinstanz den angefochtenen Entscheid.
3.2 Wie der Beschwerdeführer zu Recht rügt, vereitelte die Vorinstanz mit ihrem Vorgehen dessen Anspruch auf Durchführung einer Hauptverhandlung:
3.2 Wird in einer im vereinfachten Verfahren zu beurteilenden Streitsache die Klage schriftlich und mit Begründung erhoben, setzt das Gericht der beklagten Partei nach Art. 245 Abs. 2 ZPO "zunächst" (fehlt im franz. Gesetzestext; s. dagegen auch im ital. Text: "dapprima") eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme. Mit dem Wort "zunächst" bzw. "dapprima" bringt der Gesetzgeber klar zum Ausdruck, dass bei dieser Form des vereinfachten Verfahrens zunächst der erste Schriftenwechsel stattfindet und das Gericht dann entweder (sofern es die Verhältnisse erfordern [ Art. 246 Abs. 2 ZPO ])einen (weiteren) Schriftenwechsel anordnet oder zu einer Verhandlung vorlädt, d.h. dass das Verfahren bloss mit einem BGE 140 III 450 S. 453 Schriftenwechsel beginnt (MAZAN, a.a.O., N. 16 und 20 zu Art. 245 ZPO, N. 18 zu Art. 246 ZPO ; GASSER/RICKLI, a.a.O., N. 6 zu Art. 244 ZPO ; Botschaft ZPO, a.a.O., 7347 f. zu Art. 240 und 241 Entwurf).
Art. 245 Abs. 2 ZPO Art. 246 Abs. 2 ZPO BGE 140 III 450 S. 453
Art. 245 ZPO Art. 246 ZPO Art. 244 ZPO Dabei ergibt sich aus dem Zusammenhang der Absätze 1 und 2 von Art. 245 ZPO, dass die in Art. 245 Abs. 1 ZPO aufgestellte Regel, nach der grundsätzlich eine mündliche Verhandlung durchzuführen ist, auch für den in Art. 245 Abs. 2 ZPO erfassten Fall gilt, dass eine schriftlich begründete Klage eingereicht wird. Ebenso wäre im Prozess nach der Durchführung des Schriftenwechsels schon nach den für das ordentliche Verfahren aufgestellten Bestimmungen von Art. 228 ff. ZPO, die auch für das vereinfachte Verfahren gelten (vgl. Art. 219 ZPO ), grundsätzlich eine Hauptverhandlung durchzuführen (Botschaft ZPO, a.a.O., 7340 zu Art. 222 und 223 Entwurf; MICHAEL WIDMER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung, Baker & McKenzie [Hrsg.], 2010, N. 1 zu Art. 233 ZPO ; vgl. dagegen für das summarische Verfahren: Art. 256 Abs. 1 ZPO ). Die Verhandlung ist grundsätzlich öffentlich ( Art. 54 ZPO ). Damit wird der grundrechtlichen Garantie auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung nachgelebt (vgl. NAEGELI/MAYHALL, in: ZPO, Oberhammer und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 7 zu Art. 233 ZPO ; CHRISTOPH LEUENBERGER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 1 zu Art. 233 ZPO ; KILLIAS, a.a.O., N. 7 zu Art. 233 ZPO ). Immerhin können die Parteien gemeinsam auf die Durchführung einer solchen verzichten ( Art. 233 ZPO ). Das Gericht darf indessen nicht von sich aus von der Abhaltung einer Hauptverhandlung absehen, weil es eine solche für unnötig erachtet (ERIC PAHUD, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kommentar, Brunner und andere [Hrsg.], 2011, N. 9 zu Art. 233 ZPO ; KILLIAS, a.a.O., N. 7 zu Art. 233 ZPO ; NAEGELI/MAYHALL, a.a.O., N. 7 zu Art. 233 ZPO ; LEUENBERGER, a.a.O., N. 1a zu Art. 233 ZPO ). Einen verfahrensabschliessenden Endentscheid darf das Gericht erst fällen, wenn das Verfahren spruchreif ist ( Art. 236 ZPO ), was bedeutet, dass das Gericht über sämtliche Entscheidungsgrundlagen verfügt, um über die Begründetheit oder Unbegründetheit des geltend gemachten Anspruchs zu befinden oder einen Nichteintretensentscheid zu erlassen. Voraussetzung ist überdies, dass das vom Gesetz vorgeschriebene Verfahren ordnungsgemäss durchgeführt worden ist. Es ist grundsätzlich unzulässig, einen Sachentscheid ohne Durchführung einer Hauptverhandlung zu fällen, ohne dass die Parteien im Sinn von BGE 140 III 450 S. 454 Art. 233 ZPO auf eine solche verzichtet hätten (MARKUS KRIECH, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kommentar, Brunner und andere [Hrsg.], 2011, N. 8 zu Art. 236 ZPO ; KILLIAS, a.a.O., N. 1 zu Art. 236 ZPO ).
Art. 245 ZPO Art. 245 Abs. 1 ZPO Art. 245 Abs. 2 ZPO Art. 228 ff. ZPO Art. 219 ZPO Art. 233 ZPO Art. 256 Abs. 1 ZPO Art. 54 ZPO Art. 233 ZPO Art. 233 ZPO Art. 233 ZPO Art. 233 ZPO Art. 233 ZPO Art. 233 ZPO Art. 233 ZPO Art. 233 ZPO Art. 236 ZPO BGE 140 III 450 S. 454
Art. 233 ZPO Art. 236 ZPO Art. 236 ZPO Ein Verzicht auf eine Hauptverhandlung setzt nach Art. 233 ZPO voraus, dass beide Parteien den Verzicht auf eine solche erklären. Eine bestimmte Form schreibt das Gesetz dafür nicht vor und die Erklärung kann auch mündlich abgegeben werden. Eine ausdrückliche Äusserung verlangt das Gesetz nicht (DANIEL WILLISEGGER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 5, 8 und 10 zu Art. 233 ZPO ; TAPPY, a.a.O., N. 13 zu Art. 232 ZPO in Verbindung mit N. 9 zu Art. 233 ZPO ). Auch ein konkludenter Verzicht auf eine Verhandlung ist nicht ausgeschlossen. Allerdings ist mit Rücksicht darauf, dass die Abhaltung einer Verhandlung der Wahrung von grundrechtlichen Ansprüchen (Anspruch auf rechtliches Gehör; Anspruch auf öffentliche mündliche Verhandlung) dient, nicht leichthin von einem solchen auszugehen; insbesondere bei juristischen Laien ist beispielsweise zu verlangen, dass das Gericht klar darauf hinweist, es werde aufgrund der Akten entscheiden, wenn nicht innerhalb einer bestimmten Frist eine mündliche Verhandlung verlangt werde, so dass das Schweigen des Adressaten unzweideutig auf einen Verzicht schliessen lässt (TAPPY, a.a.O., N. 9 zu Art. 233 ZPO ).
Art. 233 ZPO Art. 233 ZPO Art. 232 ZPO Art. 233 ZPO Art. 233 ZPO Art. 243 Abs. 2 ZPO Art. 247 Abs. 2 lit. a ZPO Art. 233 ZPO Art. 233 ZPO Art. 7 ZPO Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG BGE 140 III 450 S. 455
Die Vorinstanz liess dem Beschwerdeführer mit ihrem Schreiben vom 10. Juni 2013 die Stellungnahme nach Art. 245 Abs. 2 ZPO bzw. die Klageantwort der Beschwerdegegnerin (vgl. dazu TAPPY, a.a.O., N. 7 zu Art. 245 ZPO ; KILLIAS, a.a.O., N. 10 zu Art. 245 ZPO ) bloss zur Kenntnisnahme zukommen und informierte ihn darüber, dass sie einen Schriftenwechsel nach Art. 246 Abs. 2 ZPO "aus jetziger Sicht nicht erforderlich" erachte. Sodann kündigte sie an, das Gericht werde nun zur Beurteilung der Klage schreiten und dem Beschwerdeführer werde der Entscheid zu gegebener Zeit zugestellt. Sie informierte den Beschwerdeführer damit nicht über dessen grundsätzlichen Anspruch auf eine mündliche Verhandlung bzw. forderte ihn nicht dazu auf, zu erklären, ob er eine solche verlange, andernfalls aufgrund der Akten entschieden werde. Dessen Schweigen auf das Schreiben kann damit nicht als konkludente Verzichtserklärung gedeutet werden, wurde er doch von einem juristischen Laien vertreten, von dem nicht erwartet werden kann, dass er sich über seinen grundsätzlichen Anspruch auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung im Klaren ist und auf diesem beharrt, wenn das Gericht ihm, wie vorliegend, ankündigt, es werde nun direkt zur Urteilsfällung schreiten.
Art. 245 Abs. 2 ZPO Art. 245 ZPO Art. 245 ZPO Art. 246 Abs. 2 ZPO 3.3 Aus dem Ausgeführten ergibt sich, dass die Vorinstanz den Anspruch des Beschwerdeführers auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung verletzte, indem sie nach einem einfachen Schriftenwechsel und ohne Verzicht der Parteien auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Urteilsfällung schritt.
3.3 Dies führt ohne Weiteres zur Gutheissung der Beschwerde und zur Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur rechtskonformen Durchführung des Verfahrens und zu anschliessender neuer Entscheidung. Auf die weiteren Rügen des Beschwerdeführers gegen den angefochtenen Entscheid muss bei dieser Sachlage nicht eingegangen werden.
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Urteilskopf 140 III 456 66. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A. contre B. (recours en matière civile) 5A_10/2014 du 22 août 2014 Regeste Art. 82 und 84 SchKG ; Art. 16 IPRG ; Rechtsöffnungsverfahren; Feststellung ausländischen Rechts. Es obliegt dem Betreibenden, soweit dies von ihm zumutbarerweise verlangt werden kann, den Inhalt ausländischen Rechts zu ermitteln, vorliegend hinsichtlich der Fälligkeit der Forderung (E. 2). Sachverhalt ab Seite 456 BGE 140 III 456 S. 456 A. Le 3 décembre 2012, B. (poursuivant) a fait notifier à A. (poursuivi) un commandement de payer la somme de 299'624 fr. avec intérêts à 10 % dès le 27 novembre 2007 (contre-valeur de GBP 200'000) (...), en invoquant comme titre de la créance: "IOU Loan note du 5 juin 2008 signée tant par le débiteur que par le créancier" (...). Le poursuivi a formé opposition totale. B. Statuant le 19 mars 2013 sur la requête formée le 29 janvier 2013 par le poursuivant, le Juge de paix du district de la Riviera - Pays-d'Enhaut a prononcé la mainlevée provisoire de l'opposition à concurrence de 299'624 fr. plus intérêts à 10 % l'an dès le 27 novembre 2007. Par arrêt du 27 novembre 2013, la Cour des poursuites et faillites du Tribunal cantonal du canton de Vaud a rejeté le recours du poursuivi et confirmé cette décision. (...) BGE 140 III 456 S. 457 Le Tribunal fédéral a admis le recours en matière civile du poursuivi et rejeté la requête de mainlevée. (extrait) Erwägungen Extrait des considérants : 2. 2.1 L'autorité précédente est partie du principe que la cause revêt un caractère international en raison du domicile à l'étranger du poursuivant (art. 1 er al. 1 let. b LDIP; RS 291). Contrairement au premier juge, l'invocation du droit suisse par le poursuivant (i.e. art. 318 CO ) ainsi que l'absence de contestation du poursuivi à cet égard ne permettent pas de conclure à une élection de ce droit (cf. art. 116 LDIP ); après avoir qualifié de prêt de consommation l'accord liant les parties, elle a retenu que celui-ci est soumis à la législation anglaise, en tant que droit du domicile du prêteur (poursuivant) à l'époque de la conclusion du contrat ( art. 117 al. 2 et 3 let. b LDIP ). Quant au droit applicable, la cour cantonale a considéré qu'il incombe à la partie qui s'en prévaut "d'établir le contenu d'un droit étranger peu connu et dont l'accès aux sources n'est pas aisé", faute que quoi, "soit que la partie n'entreprenne pas cette preuve, soit qu'elle échoue dans celle-ci, le juge applique le droit suisse, en vertu de l' art. 16 al. 2 LDIP "; en effet, le juge de la mainlevée ne dispose ni du temps ni des moyens nécessaires pour établir d'office la législation étrangère, car il ne peut recourir aux mécanismes de la Convention européenne du 7 juin 1968 dans le domaine de l'information sur le droit étranger (RS 0.274.161) ni ordonner une expertise sur le droit étranger. En l'espèce, "aucune des parties n'a cherché à établir le contenu du droit anglais", que ce soit en première ou en seconde instance. Cela étant, vu les principes précités, "découlant notamment du caractère simple et rapide de la procédure sommaire applicable", il n'y a pas d'obligation "de suspendre la cause en vue de faire établir le droit anglais, ni d'annuler le prononcé aux fins que le premier juge établisse le droit étranger"; aussi, le présent litige appelle-t-il l'application du droit suisse ( art. 16 al. 2 LDIP ). 2.2 2.2.1 Les conditions d'octroi de la mainlevée provisoire de l'opposition, qui est un pur incident de la poursuite ( ATF 139 III 444 consid. 4.1.1 et les références), spécialement l'exigence d'une reconnaissance de dette ainsi que les éléments d'un tel acte, ressortissent à la lex fori suisse; en revanche, les questions de droit matériel - notamment l'exigibilité de la réclamation (cf. pour le séquestre: arrêts BGE 140 III 456 S. 458 5P.355/2006 du 8 novembre 2006 consid. 4.1, in Pra 2007 n° 47; 5A_268/2011 du 31 octobre 2011 consid. 3.1) - qui touchent à l'engagement du poursuivi sont résolues par la loi que désignent les règles de conflit du droit international privé suisse (STAEHELIN, in Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, vol. I, 2 e éd. 2010, n° 174 ad art. 82 LP, et VOCK, in SchKG, Kurzkommentar, 2 e éd. 2014, n° 42 ad art. 82 LP ; STÜCHELI, Die Rechtsöffnung, 2000, p. 338 ss; cf. par exemple, pour la prescription: arrêt de l'Obergericht du canton de Bâle-Campagne du 21 avril 1988, in BJM 1989 p. 258 ss). Sous réserve de l'exigibilité de la prétention de son adversaire (cf. infra, consid. 2.4), le recourant ne conteste pas l'existence d'un engagement de nature obligatoire - à savoir un contrat de prêt de consommation (cf. STAEHELIN, op. cit., n os 119 ss ad art. 82 LP ) -, comportant sa signature, par lequel il a promis de payer au poursuivant, sans réserve ni condition, une somme d'argent déterminée (cf. ATF 139 III 297 consid. 2.3.1). 2.2.2 L'intimé conteste l'application du droit anglais; en bref, il expose que la reconnaissance de dette a été souscrite à "X." et qu'elle ne mentionne pas le domicile du prêteur, qui est au surplus de "nationalité zimbabwéienne". Ce moyen - que la partie intimée est admise à soulever (cf. ATF 134 III 332 consid. 2.3; ATF 136 III 502 consid. 6.2; ATF 137 I 257 consid. 5.4) - doit être écarté. D'une part, l'intéressé ne réfute pas les motifs de l'autorité précédente ( art. 42 al. 2 LTF ; ATF 134 II 244 consid. 2.1), de sorte que son argumentation est irrecevable ( ATF 140 III 86 consid. 2). D'autre part, en matière contractuelle - sauf volonté contraire des contractants ( art. 116 al. 1 LDIP ), qui n'est pas démontrée en l'espèce -, le critère de rattachement pertinent n'est pas le lieu de la conclusion du contrat, mais, en principe, la résidence habituelle de la partie qui doit fournir la prestation caractéristique ( art. 117 al. 2 LDIP ; BONOMI, in Commentaire romand, Loi sur le droit international privé, Convention de Lugano, 2011, n° 4 ad art. 117 LDIP ), en l'occurrence celle du prêteur ( art. 117 al. 3 let. b LDIP ; ATF 128 III 295 consid. 2a; BONOMI, op. cit., n° 34 ad art. 117 LDIP et les références; cf. déjà avant l'entrée en vigueur de la LDIP: ATF 78 II 190 consid. 1). La nationalité de celui-ci n'est pas davantage décisive. 2.3 Aux termes de l' art. 16 LDIP, le contenu du droit étranger est établi d'office; à cet effet, la collaboration des parties peut être BGE 140 III 456 S. 459 requise; en matière patrimoniale, la preuve peut être mise à la charge des parties (al. 1). Le droit suisse s'applique si le contenu du droit étranger ne peut pas être établi (al. 2). L' art. 16 al. 1 LDIP consacre l'obligation pour le juge cantonal d'établir d'office le droit étranger ( ATF 118 II 83 consid. 2a), sans s'en remettre au bon vouloir des parties, auxquelles il doit toutefois donner la possibilité de s'exprimer quant au droit applicable à un stade de la procédure qui précède l'application de ce droit ( ATF 121 III 436 consid. 5a). Le juge cantonal doit ainsi déterminer le contenu du droit étranger en s'inspirant des sources de celui-ci, c'est-à-dire la législation, la jurisprudence et éventuellement la doctrine; ce devoir vaut aussi lorsqu'il s'agit d'établir le droit d'un pays non voisin, en recourant à l'assistance que peuvent fournir les instituts et services spécialisés compétents, tel que l'Institut suisse de droit comparé ( ATF 121 III 436 consid. 5b). Le juge cantonal doit d'abord chercher à établir lui-même le droit étranger ( art. 16 al. 1, 1 re phrase, LDIP). Il a plusieurs possibilités pour associer les parties à l'établissement du droit applicable. Il peut, dans tous les cas, exiger que celles-ci collaborent à l'établissement de ce droit (art. 16 al. 1, 2 e phrase, LDIP), par exemple en invitant une partie qui est proche d'un ordre juridique étranger à lui apporter, en raison de cette proximité, des informations sur le droit applicable. Il peut également, dans les affaires patrimoniales, mettre la preuve du droit étranger à la charge des parties (art. 16 al. 1, 3 e phrase, LDIP). Même si les parties n'établissent pas le contenu du droit étranger, le juge doit, en vertu du principe "iura novit curia", chercher à déterminer ce droit, dans la mesure où cela n'est ni intolérable ni disproportionné. Ce n'est que lorsque les efforts entrepris n'aboutissent pas à un résultat fiable, ou qu'il existe de sérieux doutes quant au résultat obtenu ( ATF 128 III 346 consid. 3.2.1), que le droit suisse peut être appliqué en lieu et place du droit étranger normalement applicable ( art. 16 al. 2 LDIP ). L'application de la disposition précitée aux litiges soumis à la procédure sommaire ( art. 248 ss CPC ), en particulier aux mesures provisionnelles ( art. 261 ss CPC ), fait l'objet de controverses (cf. notamment: KNOEPFLER ET AL., Droit international privé suisse, 3 e éd. 2005, n. 468; MÄCHLER-ERNE/WOLF-METTIER, in Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 3 e éd. 2013, n os 16 et 20 ad art. 16 LDIP ). En matière de séquestre ( art. 271 ss LP ), à savoir dans un domaine où le juge procède à un examen sommaire du bien-fondé de la créance alléguée ( ATF 138 III 232 consid. 4.1.1), le Tribunal fédéral a jugé BGE 140 III 456 S. 460 qu'il n'est pas arbitraire ( art. 9 Cst. ), vu l'urgence qu'une telle mesure implique ( ATF 107 III 29 consid. 3), "de renoncer à établir le contenu du droit étranger et d'appliquer directement le droit suisse" (arrêt 5A_60/2013 du 27 mai 2013 consid. 3.2.1.2). Pour la mainlevée d'opposition, une ancienne jurisprudence vaudoise affirme que, lorsque le droit étranger est applicable, le juge peut "exiger des parties qu'elles établissent l'existence des règles légales invoquées et, à ce défaut, s'en tenir au droit suisse" (arrêt du 12 janvier 1937, in PANCHAUD/CAPREZ, La mainlevée d'opposition, 1939, § 151). 2.4 L'opinion de la juridiction précédente d'après laquelle le juge de la mainlevée, qui statue en procédure sommaire ( art. 251 let. a CPC ), n'a pas l'obligation de rechercher d'office le contenu du droit étranger - en d'autres termes l'inapplication de l' art. 16 al. 1, 1 re phrase, LDIP - reflète l'avis dominant (STAEHELIN, op. cit., n° 174 ad art. 82 LDIP et les citations); en effet, si elle ne présente certes pas le degré d'urgence consubstantiel au séquestre, la procédure de mainlevée ne postule pas moins une certaine célérité, ce que confirme l' art. 84 al. 2 LP ( ATF 138 III 483 consid. 3.2.4). Toutefois, s'il n'incombe pas au juge de la mainlevée de constater de son propre chef le contenu du droit étranger, cela ne dispense pas pour autant le poursuivant d'établir ce droit, dans la mesure où l'on peut raisonnablement l'exiger de lui (art. 16 al. 1, 3 e phrase, LDIP; cf. pour le séquestre: arrêt 5P.422/1999 du 13 mars 2000 consid. 3b; BREITSCHMID, Übersicht zur Arrestbewilligungspraxis nach revidiertem SchKG, PJA 1999 p. 1009 ch. 1.3 let. b; MEIER-DIETERLE, Formelles Arrestrecht - eine Checkliste, PJA 2002 p. 1227 ch. 9), même sans y avoir été invité par le juge (arrêt de la Camera d'esecuzione e fallimenti del Tribunale d'appello du canton du Tessin du 24 février 2000, in Rep 133/2000 p. 230). De manière générale, le juge ne peut d'ailleurs s'en remettre au bon vouloir des parties de prouver ou non le contenu du droit étranger et, si elles ne le font pas, se référer au droit suisse ( ATF 121 III 436 consid. 5a, qui s'appuie sur le Message du 10 novembre 1982 concernant une loi de DIP, FF 1983 I 302 ch. 214.4). En l'occurrence, on ne saurait soutenir que le poursuivant a entrepris des "efforts" pour établir le contenu du droit anglais, lesquels n'ont pas été couronnés de succès, justifiant dès lors l'application du droit suisse ( art. 16 al. 2 LDIP ). Au contraire, il ressort de l'arrêt attaqué ( art. 105 al. 1 LTF ; cf. ATF 140 III 16 consid. 1.3.1), complété par la BGE 140 III 456 S. 461 requête de mainlevée provisoire ( art. 105 al. 2 LTF ), qu'il n'a pas voué la moindre attention au droit applicable, alors qu'une telle problématique se posait inévitablement vu son domicile à l'étranger ( ATF 131 III 76 consid. 2.3; ATF 137 III 481 consid. 2.1) - cet élément étant renforcé par la langue de la reconnaissance de dette (i.e. anglais) et la monnaie stipulée (i.e. livres sterling) -, et s'est prévalu du délai de dénonciation de "l'art. 318 [CO]", sans expliquer en quoi le droit suisse aurait vocation à s'appliquer. Le seul point litigieux ici étant l' exigibilité de la créance - condition dont le poursuivant doit démontrer la réalisation (VOCK, op. cit., n° 16 ad art. 82 LP ; STAEHELIN, op. cit., n° 79 ad art. 82 LP avec les arrêts cités) -, il appartenait à l'intimé d'établir le contenu du droit anglais à cet égard; pareille incombance n'était pas insupportable (cf. pour le séquestre: MEIER-DIETERLE, loc. cit.; cf. pour les mesures provisionnelles en général: MÄCHLER-ERNE/WOLF-METTIER, op. cit., n° 20 ad art. 16 LDIP ; KREN KOSTKIEWICZ, Vorsorgliche Massnahmen im schweizerischen IPRG: direkte Zuständigkeit, anwendbares Recht sowie Anerkennung und Vollstreckung, in Mélanges Schüpbach, 2000, p. 300-301; SCHWANDER, RSDIE 1991 p. 281 ch. 2), puisqu'il est domicilié en Angleterre et, dès lors, se trouve le mieux placé pour apporter tous les éléments nécessaires. En définitive, faute d'être documentée quant à l'exigibilité de la créance, la requête de mainlevée doit être rejetée (cf. arrêt de l'Obergericht du canton de Soleure du 8 janvier 1996, in BlSchK 1999 p. 30 ss). 2.5 De jurisprudence constante, le prononcé qui rejette une requête de mainlevée n'a pas l'autorité de la chose jugée quant à l'existence de la prétention litigieuse ( ATF 136 III 583 consid. 2.3) et, partant, n'empêche pas le poursuivant de requérir derechef la mainlevée, y compris dans la même poursuite (arrêt 5A_696/2012 du 23 janvier 2013 consid. 4.1.2 avec les citations), en produisant les documents idoines (dispositions légales, pratique des tribunaux, avis de droit, etc.).
Urteilskopf
66. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A. contre B. (recours en matière civile)
5A_10/2014 du 22 août 2014
Regeste Art. 82 und 84 SchKG ; Art. 16 IPRG ; Rechtsöffnungsverfahren; Feststellung ausländischen Rechts. Es obliegt dem Betreibenden, soweit dies von ihm zumutbarerweise verlangt werden kann, den Inhalt ausländischen Rechts zu ermitteln, vorliegend hinsichtlich der Fälligkeit der Forderung (E. 2).
Regeste
Art. 82 und 84 SchKG ; Art. 16 IPRG ; Rechtsöffnungsverfahren; Feststellung ausländischen Rechts. Es obliegt dem Betreibenden, soweit dies von ihm zumutbarerweise verlangt werden kann, den Inhalt ausländischen Rechts zu ermitteln, vorliegend hinsichtlich der Fälligkeit der Forderung (E. 2).
Art. 82 und 84 SchKG Art. 16 IPRG Es obliegt dem Betreibenden, soweit dies von ihm zumutbarerweise verlangt werden kann, den Inhalt ausländischen Rechts zu ermitteln, vorliegend hinsichtlich der Fälligkeit der Forderung (E. 2).
Sachverhalt ab Seite 456
Sachverhalt ab Seite 456 BGE 140 III 456 S. 456
BGE 140 III 456 S. 456
A. Le 3 décembre 2012, B. (poursuivant) a fait notifier à A. (poursuivi) un commandement de payer la somme de 299'624 fr. avec intérêts à 10 % dès le 27 novembre 2007 (contre-valeur de GBP 200'000) (...), en invoquant comme titre de la créance: "IOU Loan note du 5 juin 2008 signée tant par le débiteur que par le créancier" (...). Le poursuivi a formé opposition totale.
A. B. Statuant le 19 mars 2013 sur la requête formée le 29 janvier 2013 par le poursuivant, le Juge de paix du district de la Riviera - Pays-d'Enhaut a prononcé la mainlevée provisoire de l'opposition à concurrence de 299'624 fr. plus intérêts à 10 % l'an dès le 27 novembre 2007. Par arrêt du 27 novembre 2013, la Cour des poursuites et faillites du Tribunal cantonal du canton de Vaud a rejeté le recours du poursuivi et confirmé cette décision. (...) BGE 140 III 456 S. 457
B. BGE 140 III 456 S. 457
Le Tribunal fédéral a admis le recours en matière civile du poursuivi et rejeté la requête de mainlevée.
(extrait)
Erwägungen
Erwägungen Extrait des considérants :
2.
2. 2.1 L'autorité précédente est partie du principe que la cause revêt un caractère international en raison du domicile à l'étranger du poursuivant (art. 1 er al. 1 let. b LDIP; RS 291). Contrairement au premier juge, l'invocation du droit suisse par le poursuivant (i.e. art. 318 CO ) ainsi que l'absence de contestation du poursuivi à cet égard ne permettent pas de conclure à une élection de ce droit (cf. art. 116 LDIP ); après avoir qualifié de prêt de consommation l'accord liant les parties, elle a retenu que celui-ci est soumis à la législation anglaise, en tant que droit du domicile du prêteur (poursuivant) à l'époque de la conclusion du contrat ( art. 117 al. 2 et 3 let. b LDIP ).
2.1 art. 318 CO art. 116 LDIP art. 117 al. 2 et 3 let. b LDIP Quant au droit applicable, la cour cantonale a considéré qu'il incombe à la partie qui s'en prévaut "d'établir le contenu d'un droit étranger peu connu et dont l'accès aux sources n'est pas aisé", faute que quoi, "soit que la partie n'entreprenne pas cette preuve, soit qu'elle échoue dans celle-ci, le juge applique le droit suisse, en vertu de l' art. 16 al. 2 LDIP "; en effet, le juge de la mainlevée ne dispose ni du temps ni des moyens nécessaires pour établir d'office la législation étrangère, car il ne peut recourir aux mécanismes de la Convention européenne du 7 juin 1968 dans le domaine de l'information sur le droit étranger (RS 0.274.161) ni ordonner une expertise sur le droit étranger. En l'espèce, "aucune des parties n'a cherché à établir le contenu du droit anglais", que ce soit en première ou en seconde instance. Cela étant, vu les principes précités, "découlant notamment du caractère simple et rapide de la procédure sommaire applicable", il n'y a pas d'obligation "de suspendre la cause en vue de faire établir le droit anglais, ni d'annuler le prononcé aux fins que le premier juge établisse le droit étranger"; aussi, le présent litige appelle-t-il l'application du droit suisse ( art. 16 al. 2 LDIP ). art. 16 al. 2 LDIP art. 16 al. 2 LDIP 2.2
2.2 2.2.1 Les conditions d'octroi de la mainlevée provisoire de l'opposition, qui est un pur incident de la poursuite ( ATF 139 III 444 consid. 4.1.1 et les références), spécialement l'exigence d'une reconnaissance de dette ainsi que les éléments d'un tel acte, ressortissent à la lex fori suisse; en revanche, les questions de droit matériel - notamment l'exigibilité de la réclamation (cf. pour le séquestre: arrêts BGE 140 III 456 S. 458 5P.355/2006 du 8 novembre 2006 consid. 4.1, in Pra 2007 n° 47; 5A_268/2011 du 31 octobre 2011 consid. 3.1) - qui touchent à l'engagement du poursuivi sont résolues par la loi que désignent les règles de conflit du droit international privé suisse (STAEHELIN, in Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, vol. I, 2 e éd. 2010, n° 174 ad art. 82 LP, et VOCK, in SchKG, Kurzkommentar, 2 e éd. 2014, n° 42 ad art. 82 LP ; STÜCHELI, Die Rechtsöffnung, 2000, p. 338 ss; cf. par exemple, pour la prescription: arrêt de l'Obergericht du canton de Bâle-Campagne du 21 avril 1988, in BJM 1989 p. 258 ss).
2.2.1 BGE 140 III 456 S. 458
art. 82 LP art. 82 LP Sous réserve de l'exigibilité de la prétention de son adversaire (cf. infra, consid. 2.4), le recourant ne conteste pas l'existence d'un engagement de nature obligatoire - à savoir un contrat de prêt de consommation (cf. STAEHELIN, op. cit., n os 119 ss ad art. 82 LP ) -, comportant sa signature, par lequel il a promis de payer au poursuivant, sans réserve ni condition, une somme d'argent déterminée (cf. ATF 139 III 297 consid. 2.3.1). art. 82 LP 2.2.2 L'intimé conteste l'application du droit anglais; en bref, il expose que la reconnaissance de dette a été souscrite à "X." et qu'elle ne mentionne pas le domicile du prêteur, qui est au surplus de "nationalité zimbabwéienne".
2.2.2 Ce moyen - que la partie intimée est admise à soulever (cf. ATF 134 III 332 consid. 2.3; ATF 136 III 502 consid. 6.2; ATF 137 I 257 consid. 5.4) - doit être écarté. D'une part, l'intéressé ne réfute pas les motifs de l'autorité précédente ( art. 42 al. 2 LTF ; ATF 134 II 244 consid. 2.1), de sorte que son argumentation est irrecevable ( ATF 140 III 86 consid. 2). D'autre part, en matière contractuelle - sauf volonté contraire des contractants ( art. 116 al. 1 LDIP ), qui n'est pas démontrée en l'espèce -, le critère de rattachement pertinent n'est pas le lieu de la conclusion du contrat, mais, en principe, la résidence habituelle de la partie qui doit fournir la prestation caractéristique ( art. 117 al. 2 LDIP ; BONOMI, in Commentaire romand, Loi sur le droit international privé, Convention de Lugano, 2011, n° 4 ad art. 117 LDIP ), en l'occurrence celle du prêteur ( art. 117 al. 3 let. b LDIP ; ATF 128 III 295 consid. 2a; BONOMI, op. cit., n° 34 ad art. 117 LDIP et les références; cf. déjà avant l'entrée en vigueur de la LDIP: ATF 78 II 190 consid. 1). La nationalité de celui-ci n'est pas davantage décisive. art. 42 al. 2 LTF art. 116 al. 1 LDIP art. 117 al. 2 LDIP art. 117 LDIP art. 117 al. 3 let. b LDIP art. 117 LDIP ATF 78 II 190 2.3 Aux termes de l' art. 16 LDIP, le contenu du droit étranger est établi d'office; à cet effet, la collaboration des parties peut être BGE 140 III 456 S. 459 requise; en matière patrimoniale, la preuve peut être mise à la charge des parties (al. 1). Le droit suisse s'applique si le contenu du droit étranger ne peut pas être établi (al. 2).
2.3 art. 16 LDIP BGE 140 III 456 S. 459
L' art. 16 al. 1 LDIP consacre l'obligation pour le juge cantonal d'établir d'office le droit étranger ( ATF 118 II 83 consid. 2a), sans s'en remettre au bon vouloir des parties, auxquelles il doit toutefois donner la possibilité de s'exprimer quant au droit applicable à un stade de la procédure qui précède l'application de ce droit ( ATF 121 III 436 consid. 5a). Le juge cantonal doit ainsi déterminer le contenu du droit étranger en s'inspirant des sources de celui-ci, c'est-à-dire la législation, la jurisprudence et éventuellement la doctrine; ce devoir vaut aussi lorsqu'il s'agit d'établir le droit d'un pays non voisin, en recourant à l'assistance que peuvent fournir les instituts et services spécialisés compétents, tel que l'Institut suisse de droit comparé ( ATF 121 III 436 consid. 5b). Le juge cantonal doit d'abord chercher à établir lui-même le droit étranger ( art. 16 al. 1, 1 re phrase, LDIP). Il a plusieurs possibilités pour associer les parties à l'établissement du droit applicable. Il peut, dans tous les cas, exiger que celles-ci collaborent à l'établissement de ce droit (art. 16 al. 1, 2 e phrase, LDIP), par exemple en invitant une partie qui est proche d'un ordre juridique étranger à lui apporter, en raison de cette proximité, des informations sur le droit applicable. Il peut également, dans les affaires patrimoniales, mettre la preuve du droit étranger à la charge des parties (art. 16 al. 1, 3 e phrase, LDIP). Même si les parties n'établissent pas le contenu du droit étranger, le juge doit, en vertu du principe "iura novit curia", chercher à déterminer ce droit, dans la mesure où cela n'est ni intolérable ni disproportionné. Ce n'est que lorsque les efforts entrepris n'aboutissent pas à un résultat fiable, ou qu'il existe de sérieux doutes quant au résultat obtenu ( ATF 128 III 346 consid. 3.2.1), que le droit suisse peut être appliqué en lieu et place du droit étranger normalement applicable ( art. 16 al. 2 LDIP ). art. 16 al. 1 LDIP art. 16 al. 1, 1 re art. 16 al. 2 LDIP L'application de la disposition précitée aux litiges soumis à la procédure sommaire ( art. 248 ss CPC ), en particulier aux mesures provisionnelles ( art. 261 ss CPC ), fait l'objet de controverses (cf. notamment: KNOEPFLER ET AL., Droit international privé suisse, 3 e éd. 2005, n. 468; MÄCHLER-ERNE/WOLF-METTIER, in Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 3 e éd. 2013, n os 16 et 20 ad art. 16 LDIP ). En matière de séquestre ( art. 271 ss LP ), à savoir dans un domaine où le juge procède à un examen sommaire du bien-fondé de la créance alléguée ( ATF 138 III 232 consid. 4.1.1), le Tribunal fédéral a jugé BGE 140 III 456 S. 460 qu'il n'est pas arbitraire ( art. 9 Cst. ), vu l'urgence qu'une telle mesure implique ( ATF 107 III 29 consid. 3), "de renoncer à établir le contenu du droit étranger et d'appliquer directement le droit suisse" (arrêt 5A_60/2013 du 27 mai 2013 consid. 3.2.1.2). Pour la mainlevée d'opposition, une ancienne jurisprudence vaudoise affirme que, lorsque le droit étranger est applicable, le juge peut "exiger des parties qu'elles établissent l'existence des règles légales invoquées et, à ce défaut, s'en tenir au droit suisse" (arrêt du 12 janvier 1937, in PANCHAUD/CAPREZ, La mainlevée d'opposition, 1939, § 151). art. 248 ss CPC art. 261 ss CPC art. 16 LDIP art. 271 ss LP BGE 140 III 456 S. 460
art. 9 Cst. 2.4 L'opinion de la juridiction précédente d'après laquelle le juge de la mainlevée, qui statue en procédure sommaire ( art. 251 let. a CPC ), n'a pas l'obligation de rechercher d'office le contenu du droit étranger - en d'autres termes l'inapplication de l' art. 16 al. 1, 1 re phrase, LDIP - reflète l'avis dominant (STAEHELIN, op. cit., n° 174 ad art. 82 LDIP et les citations); en effet, si elle ne présente certes pas le degré d'urgence consubstantiel au séquestre, la procédure de mainlevée ne postule pas moins une certaine célérité, ce que confirme l' art. 84 al. 2 LP ( ATF 138 III 483 consid. 3.2.4).
2.4 art. 251 let. a CPC art. 16 al. 1, 1 re art. 82 LDIP art. 84 al. 2 LP Toutefois, s'il n'incombe pas au juge de la mainlevée de constater de son propre chef le contenu du droit étranger, cela ne dispense pas pour autant le poursuivant d'établir ce droit, dans la mesure où l'on peut raisonnablement l'exiger de lui (art. 16 al. 1, 3 e phrase, LDIP; cf. pour le séquestre: arrêt 5P.422/1999 du 13 mars 2000 consid. 3b; BREITSCHMID, Übersicht zur Arrestbewilligungspraxis nach revidiertem SchKG, PJA 1999 p. 1009 ch. 1.3 let. b; MEIER-DIETERLE, Formelles Arrestrecht - eine Checkliste, PJA 2002 p. 1227 ch. 9), même sans y avoir été invité par le juge (arrêt de la Camera d'esecuzione e fallimenti del Tribunale d'appello du canton du Tessin du 24 février 2000, in Rep 133/2000 p. 230). De manière générale, le juge ne peut d'ailleurs s'en remettre au bon vouloir des parties de prouver ou non le contenu du droit étranger et, si elles ne le font pas, se référer au droit suisse ( ATF 121 III 436 consid. 5a, qui s'appuie sur le Message du 10 novembre 1982 concernant une loi de DIP, FF 1983 I 302 ch. 214.4).
En l'occurrence, on ne saurait soutenir que le poursuivant a entrepris des "efforts" pour établir le contenu du droit anglais, lesquels n'ont pas été couronnés de succès, justifiant dès lors l'application du droit suisse ( art. 16 al. 2 LDIP ). Au contraire, il ressort de l'arrêt attaqué ( art. 105 al. 1 LTF ; cf. ATF 140 III 16 consid. 1.3.1), complété par la BGE 140 III 456 S. 461 requête de mainlevée provisoire ( art. 105 al. 2 LTF ), qu'il n'a pas voué la moindre attention au droit applicable, alors qu'une telle problématique se posait inévitablement vu son domicile à l'étranger ( ATF 131 III 76 consid. 2.3; ATF 137 III 481 consid. 2.1) - cet élément étant renforcé par la langue de la reconnaissance de dette (i.e. anglais) et la monnaie stipulée (i.e. livres sterling) -, et s'est prévalu du délai de dénonciation de "l'art. 318 [CO]", sans expliquer en quoi le droit suisse aurait vocation à s'appliquer. Le seul point litigieux ici étant l' exigibilité de la créance - condition dont le poursuivant doit démontrer la réalisation (VOCK, op. cit., n° 16 ad art. 82 LP ; STAEHELIN, op. cit., n° 79 ad art. 82 LP avec les arrêts cités) -, il appartenait à l'intimé d'établir le contenu du droit anglais à cet égard; pareille incombance n'était pas insupportable (cf. pour le séquestre: MEIER-DIETERLE, loc. cit.; cf. pour les mesures provisionnelles en général: MÄCHLER-ERNE/WOLF-METTIER, op. cit., n° 20 ad art. 16 LDIP ; KREN KOSTKIEWICZ, Vorsorgliche Massnahmen im schweizerischen IPRG: direkte Zuständigkeit, anwendbares Recht sowie Anerkennung und Vollstreckung, in Mélanges Schüpbach, 2000, p. 300-301; SCHWANDER, RSDIE 1991 p. 281 ch. 2), puisqu'il est domicilié en Angleterre et, dès lors, se trouve le mieux placé pour apporter tous les éléments nécessaires. En définitive, faute d'être documentée quant à l'exigibilité de la créance, la requête de mainlevée doit être rejetée (cf. arrêt de l'Obergericht du canton de Soleure du 8 janvier 1996, in BlSchK 1999 p. 30 ss). art. 16 al. 2 LDIP art. 105 al. 1 LTF BGE 140 III 456 S. 461
art. 105 al. 2 LTF art. 82 LP art. 82 LP art. 16 LDIP 2.5 De jurisprudence constante, le prononcé qui rejette une requête de mainlevée n'a pas l'autorité de la chose jugée quant à l'existence de la prétention litigieuse ( ATF 136 III 583 consid. 2.3) et, partant, n'empêche pas le poursuivant de requérir derechef la mainlevée, y compris dans la même poursuite (arrêt 5A_696/2012 du 23 janvier 2013 consid. 4.1.2 avec les citations), en produisant les documents idoines (dispositions légales, pratique des tribunaux, avis de droit, etc.).
2.5
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Urteilskopf 140 III 462 67. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause Etat de Genève contre Banque X. et Office des faillites de Genève (recours en matière civile) 5A_133/2014 du 22 août 2014 Regeste Art. 230a SchKG, insbes. Abs. 3, und Art. 247-250 SchKG ; Einstellung des Konkursverfahrens über eine juristische Person mangels Aktiven; Spezialliquidation nach Kaskadensystem, Verfahren der unentgeltlichen Übertragung der Konkursaktiven auf den Staat; Erstellung eines Kollokationsplans. Ist der Konkurs über eine juristische Person mangels Aktiven eingestellt worden, befinden sich in der Konkursmasse aber verpfändete Vermögenswerte, so erfolgt die Liquidation nach dem Kaskadensystem von Art. 230a Abs. 2-4 SchKG. Beabsichtigt das Konkursamt, die Aktiven gemäss Art. 230a Abs. 3 SchKG unentgeltlich auf den Staat zu übertragen, muss es einen Kollokationsplan erstellen, der ein Lastenverzeichnis enthält (E. 5.1 und 5.2). Sachverhalt ab Seite 462 BGE 140 III 462 S. 462 A. La faillite de A. SA a été prononcée le 5 mars 2007. Faute d'actifs suffisants, la faillite a été suspendue le 21 novembre 2007. La liquidation sommaire de la faillite a été ordonnée le 22 janvier 2008, après que la Banque X. eut procédé à l'avance de frais. BGE 140 III 462 S. 463 Le 5 mars 2008, la Banque X. a produit dans la faillite de A. SA une créance garantie par une cédule hypothécaire, constituée sur deux parcelles inscrites comme sites contaminés. La faillite a à nouveau été suspendue le 5 novembre 2012. En dépit du délai octroyé pour requérir la liquidation et effectuer l'avance de frais, aucun créancier ne s'est annoncé. Aucun créancier n'ayant requis la réalisation de son gage, l'Office des faillites a annoncé à la Banque X., par courrier du 18 décembre 2012, que les actifs immobiliers de la faillie seraient cédés à l'Etat. L'Office a pris contact avec l'Etat de Genève le 15 janvier 2013, afin de déterminer si celui-ci acceptait la cession. Le 20 septembre 2013, l'Etat de Genève s'est prononcé sur le sort de la cédule hypothécaire de la Banque X. dans l'hypothèse d'une cession des parcelles, considérant que celles-ci devaient être remises libres de droit. Le 11 octobre 2013, la Banque X. s'est déclarée disposée à abattre substantiellement le montant nominal de la cédule, mais a refusé une cession libre de droit. Le 5 décembre 2013, les parcelles ont été cédées à l'Etat de Genève. Le 6 décembre 2013, l'Office des faillites en a informé la Banque X., indiquant que la cession entraînait l'extinction des créances garanties par gages, de sorte qu'il devait procéder à la mutation au Registre foncier et à la radiation des cédules inscrites sur les feuillets concernés. L'Office a donc requis de la Banque X. qu'elle lui remette son titre par retour de courrier. B. Le 6 décembre 2013, la Banque X. (ci-après: la plaignante) s'est opposée à la radiation de sa cédule hypothécaire, concluant à ce qu'il soit reconnu que son droit de gage subsistait malgré la cession des parcelles à l'Etat de Genève. L'Etat de Genève et l'Office ont conclu au rejet de la plainte. Par arrêt du 6 février 2014, la Chambre de surveillance a admis la plainte, en tant que l'office avait invité la plaignante à lui remettre la cédule hypothécaire en vue de la radier, et a annulé en conséquence la décision querellée. C. Le Tribunal fédéral a rejeté, par substitution de motifs, le recours en matière civile formé par l'Etat de Genève contre cette décision. (résumé) BGE 140 III 462 S. 464 Erwägungen Extrait des considérants: 5. (...) 5.1 La suspension faute d'actif de la faillite d'une personne morale constitue le passage obligé précédant une liquidation spécifique, régie par les règles de la faillite ( ATF 130 III 481 consid. 2.3 p. 486; arrêt 7B.51/2000 du 22 mars 2000 consid. 2). Cette liquidation se déroule en cascade: réalisation sur requête d'un créancier gagiste ( art. 230a al. 2 LP ); à défaut, cession à l'Etat ( art. 230a al. 3 LP ); en cas de refus de la cession, réalisation par l'office ( art. 230a al. 4 LP ). Lorsque les créanciers gagistes ne requièrent pas la réalisation de leur gage comme le prescrit l' art. 230a al. 2 LP, l'office offre donc la cession des actifs à l'Etat ou réalise ceux-ci conformément aux alinéas 3 et 4 de l' art. 230a LP. Dans le cadre de la cession des actifs à l'Etat selon l' art. 230a al. 3 LP, les dettes personnelles ne sont pas reprises par l'Etat, mais les charges qui grèvent les actifs cédés demeurent, même lorsque les créanciers gagistes ont laissé écouler le délai imparti par l'office au sens de l' art. 230a al. 2 LP ( ATF 130 III 481 consid. 2.2 p. 486; FRANÇOIS VOUILLOZ, in Commentaire romand, Poursuite et faillite, Dallèves/Foëx/Jeandin [éd.], 2005, n° 33 ad art. 230a LP ; FRANCO LORANDI, Einstellung des Konkurses über juristische Personen mangels Aktiven (Art. 230a SchKG), PJA 1999 p. 44; PIERRE-ROBERT GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 5 e éd. 2012, n. 1853 p. 439; URS LUSTENBERGER, in Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, vol. II, Staehelin/Bauer/Staehelin [éd.], 2 e éd. 2010, n° 11 ad art. 230a LP ). La cession à l'Etat a ainsi pour conséquence l'extinction des créances garanties par gage (VOUILLOZ, op. cit., n° 34 ad art. 230a LP ; GILLIÉRON, op. cit., n. 1854 p. 439; DOMINIK GASSER, Die Liquidation nach Artikel 230a SchKG, Schuldbertreibung und Konkurs im Wandel, in Festschrift 75 Jahre Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz, 2000, p. 58; FRANCO LORANDI, Erblasser, Erbengemeinschaft, Erbe(n) und Erbschaft als Schuldner, PJA 2012 p. 1392). Lorsqu'il envisage de céder gratuitement des actifs à l'Etat selon l' art. 230a al. 3 LP, l'office des faillites dresse un état de collocation et un état des charges, selon la procédure des art. 247 al. 2 et 3 et 248 à 250 LP (LORANDI, Einstellung des Konkurs [...], PJA 1999 p. 44; VOUILLOZ, op. cit., n° 34 ad art. 230a LP ). BGE 140 III 462 S. 465 5.2 En l'occurrence, il apparaît que l'Office des faillites n'a pas établi d'état de collocation, ni d'état des charges des actifs cédés, dans le contexte de la cession à l'Etat ( art. 230a al. 3 LP ), singulièrement après avoir informé les parties qu'il envisageait de céder deux parcelles au recourant. A cet égard, le seul état de collocation dressé, qui date du 11 juin 2008, à savoir antérieurement à la seconde suspension de la faillite faute d'actif, est insuffisant, dès lors qu'il se réfère à l'ensemble du patrimoine de la faillie à cette époque et n'a pas été établi spécifiquement dans l'optique d'une cession gratuite de parcelles à l'Etat au sens de l' art. 230a al. 3 LP. Dans ces circonstances, la créancière gagiste a contesté l'extinction de sa créance garantie par sa cédule hypothécaire et la radiation de ladite cédule inscrite sur les feuillets concernés du Registre foncier, dès qu'elle a été en mesure de le faire, autrement dit dès qu'elle en a été informée, le 6 décembre 2013. L'Office des faillites a transmis cette opposition, traitée comme une plainte ( art. 17 LP ) à la Chambre de surveillance. Or cette dernière autorité, qui a statué en qualité d'autorité de surveillance en matière de poursuite pour dettes et de faillite ( art. 13 LP ), n'est pas compétente pour se prononcer sur le point de savoir si le gage incorporé dans la cédule hypothécaire est une charge qui doit être transférée à l'Etat en cas de cession des actifs à celui-ci à titre gratuit ou si la cédule hypothécaire n'est pas reprise par l'Etat dans le cadre de la cession, question - de droit matériel - qui relève des juridictions civiles ou administratives ( ATF 115 III 18 consid. 3b p. 21; ATF 113 III 2 consid. 2b p. 3). La décision attaquée, qui admet la plainte de la créancière gagiste et annule la décision du 6 décembre 2013 relative à la restitution de la cédule hypothécaire en vue de sa radiation aboutit donc à un résultat correct. L'Office des faillites, en omettant de dresser un état de collocation - incluant un état des charges pour chaque immeuble cédé ( art. 125 al. 2 ORFI [RS 281.42]) - au cours de la procédure tendant à la cession des parcelles à l'Etat, a privé la créancière gagiste de la possibilité de contester utilement l'extinction de sa créance garantie par cédule hypothécaire. Vu ce qui précède, l'Office des faillites ne pouvait ainsi pas ordonner sans autre la restitution de la cédule hypothécaire en vue de sa radiation, mais devait établir au préalable l'état de collocation, nécessaire à la procédure de cession gratuite à l'Etat. Il s'ensuit que la décision attaquée peut être confirmée par substitution de motifs (cf. consid. 2 non publié). Le sort du recours est ainsi scellé, sans qu'il soit nécessaire d'examiner les autres griefs soulevés par le recourant.
Urteilskopf
67. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause Etat de Genève contre Banque X. et Office des faillites de Genève (recours en matière civile)
5A_133/2014 du 22 août 2014
Regeste Art. 230a SchKG, insbes. Abs. 3, und Art. 247-250 SchKG ; Einstellung des Konkursverfahrens über eine juristische Person mangels Aktiven; Spezialliquidation nach Kaskadensystem, Verfahren der unentgeltlichen Übertragung der Konkursaktiven auf den Staat; Erstellung eines Kollokationsplans. Ist der Konkurs über eine juristische Person mangels Aktiven eingestellt worden, befinden sich in der Konkursmasse aber verpfändete Vermögenswerte, so erfolgt die Liquidation nach dem Kaskadensystem von Art. 230a Abs. 2-4 SchKG. Beabsichtigt das Konkursamt, die Aktiven gemäss Art. 230a Abs. 3 SchKG unentgeltlich auf den Staat zu übertragen, muss es einen Kollokationsplan erstellen, der ein Lastenverzeichnis enthält (E. 5.1 und 5.2).
Regeste
Art. 230a SchKG, insbes. Abs. 3, und Art. 247-250 SchKG ; Einstellung des Konkursverfahrens über eine juristische Person mangels Aktiven; Spezialliquidation nach Kaskadensystem, Verfahren der unentgeltlichen Übertragung der Konkursaktiven auf den Staat; Erstellung eines Kollokationsplans. Ist der Konkurs über eine juristische Person mangels Aktiven eingestellt worden, befinden sich in der Konkursmasse aber verpfändete Vermögenswerte, so erfolgt die Liquidation nach dem Kaskadensystem von Art. 230a Abs. 2-4 SchKG. Beabsichtigt das Konkursamt, die Aktiven gemäss Art. 230a Abs. 3 SchKG unentgeltlich auf den Staat zu übertragen, muss es einen Kollokationsplan erstellen, der ein Lastenverzeichnis enthält (E. 5.1 und 5.2).
Art. 230a SchKG Art. 247-250 SchKG Ist der Konkurs über eine juristische Person mangels Aktiven eingestellt worden, befinden sich in der Konkursmasse aber verpfändete Vermögenswerte, so erfolgt die Liquidation nach dem Kaskadensystem von Art. 230a Abs. 2-4 SchKG. Beabsichtigt das Konkursamt, die Aktiven gemäss Art. 230a Abs. 3 SchKG unentgeltlich auf den Staat zu übertragen, muss es einen Kollokationsplan erstellen, der ein Lastenverzeichnis enthält (E. 5.1 und 5.2).
Art. 230a Abs. 2-4 SchKG Art. 230a Abs. 3 SchKG Sachverhalt ab Seite 462
Sachverhalt ab Seite 462 BGE 140 III 462 S. 462
BGE 140 III 462 S. 462
A. La faillite de A. SA a été prononcée le 5 mars 2007. Faute d'actifs suffisants, la faillite a été suspendue le 21 novembre 2007. La liquidation sommaire de la faillite a été ordonnée le 22 janvier 2008, après que la Banque X. eut procédé à l'avance de frais. BGE 140 III 462 S. 463
A. BGE 140 III 462 S. 463
Le 5 mars 2008, la Banque X. a produit dans la faillite de A. SA une créance garantie par une cédule hypothécaire, constituée sur deux parcelles inscrites comme sites contaminés.
La faillite a à nouveau été suspendue le 5 novembre 2012. En dépit du délai octroyé pour requérir la liquidation et effectuer l'avance de frais, aucun créancier ne s'est annoncé.
Aucun créancier n'ayant requis la réalisation de son gage, l'Office des faillites a annoncé à la Banque X., par courrier du 18 décembre 2012, que les actifs immobiliers de la faillie seraient cédés à l'Etat. L'Office a pris contact avec l'Etat de Genève le 15 janvier 2013, afin de déterminer si celui-ci acceptait la cession.
Le 20 septembre 2013, l'Etat de Genève s'est prononcé sur le sort de la cédule hypothécaire de la Banque X. dans l'hypothèse d'une cession des parcelles, considérant que celles-ci devaient être remises libres de droit. Le 11 octobre 2013, la Banque X. s'est déclarée disposée à abattre substantiellement le montant nominal de la cédule, mais a refusé une cession libre de droit.
Le 5 décembre 2013, les parcelles ont été cédées à l'Etat de Genève.
Le 6 décembre 2013, l'Office des faillites en a informé la Banque X., indiquant que la cession entraînait l'extinction des créances garanties par gages, de sorte qu'il devait procéder à la mutation au Registre foncier et à la radiation des cédules inscrites sur les feuillets concernés. L'Office a donc requis de la Banque X. qu'elle lui remette son titre par retour de courrier.
B. Le 6 décembre 2013, la Banque X. (ci-après: la plaignante) s'est opposée à la radiation de sa cédule hypothécaire, concluant à ce qu'il soit reconnu que son droit de gage subsistait malgré la cession des parcelles à l'Etat de Genève.
B. L'Etat de Genève et l'Office ont conclu au rejet de la plainte.
Par arrêt du 6 février 2014, la Chambre de surveillance a admis la plainte, en tant que l'office avait invité la plaignante à lui remettre la cédule hypothécaire en vue de la radier, et a annulé en conséquence la décision querellée.
C. Le Tribunal fédéral a rejeté, par substitution de motifs, le recours en matière civile formé par l'Etat de Genève contre cette décision.
C. (résumé) BGE 140 III 462 S. 464
BGE 140 III 462 S. 464
Erwägungen
Erwägungen Extrait des considérants:
5. (...)
5. 5.1 La suspension faute d'actif de la faillite d'une personne morale constitue le passage obligé précédant une liquidation spécifique, régie par les règles de la faillite ( ATF 130 III 481 consid. 2.3 p. 486; arrêt 7B.51/2000 du 22 mars 2000 consid. 2). Cette liquidation se déroule en cascade: réalisation sur requête d'un créancier gagiste ( art. 230a al. 2 LP ); à défaut, cession à l'Etat ( art. 230a al. 3 LP ); en cas de refus de la cession, réalisation par l'office ( art. 230a al. 4 LP ). Lorsque les créanciers gagistes ne requièrent pas la réalisation de leur gage comme le prescrit l' art. 230a al. 2 LP, l'office offre donc la cession des actifs à l'Etat ou réalise ceux-ci conformément aux alinéas 3 et 4 de l' art. 230a LP.
5.1 art. 230a al. 2 LP art. 230a al. 3 LP art. 230a al. 4 LP art. 230a al. 2 LP art. 230a LP Dans le cadre de la cession des actifs à l'Etat selon l' art. 230a al. 3 LP, les dettes personnelles ne sont pas reprises par l'Etat, mais les charges qui grèvent les actifs cédés demeurent, même lorsque les créanciers gagistes ont laissé écouler le délai imparti par l'office au sens de l' art. 230a al. 2 LP ( ATF 130 III 481 consid. 2.2 p. 486; FRANÇOIS VOUILLOZ, in Commentaire romand, Poursuite et faillite, Dallèves/Foëx/Jeandin [éd.], 2005, n° 33 ad art. 230a LP ; FRANCO LORANDI, Einstellung des Konkurses über juristische Personen mangels Aktiven (Art. 230a SchKG), PJA 1999 p. 44; PIERRE-ROBERT GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 5 e éd. 2012, n. 1853 p. 439; URS LUSTENBERGER, in Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, vol. II, Staehelin/Bauer/Staehelin [éd.], 2 e éd. 2010, n° 11 ad art. 230a LP ). La cession à l'Etat a ainsi pour conséquence l'extinction des créances garanties par gage (VOUILLOZ, op. cit., n° 34 ad art. 230a LP ; GILLIÉRON, op. cit., n. 1854 p. 439; DOMINIK GASSER, Die Liquidation nach Artikel 230a SchKG, Schuldbertreibung und Konkurs im Wandel, in Festschrift 75 Jahre Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz, 2000, p. 58; FRANCO LORANDI, Erblasser, Erbengemeinschaft, Erbe(n) und Erbschaft als Schuldner, PJA 2012 p. 1392). Lorsqu'il envisage de céder gratuitement des actifs à l'Etat selon l' art. 230a al. 3 LP, l'office des faillites dresse un état de collocation et un état des charges, selon la procédure des art. 247 al. 2 et 3 et 248 à 250 LP (LORANDI, Einstellung des Konkurs [...], PJA 1999 p. 44; VOUILLOZ, op. cit., n° 34 ad art. 230a LP ). BGE 140 III 462 S. 465
art. 230a al. 3 LP art. 230a al. 2 LP art. 230a LP art. 230a LP art. 230a LP art. 230a al. 3 LP art. 230a LP BGE 140 III 462 S. 465
5.2 En l'occurrence, il apparaît que l'Office des faillites n'a pas établi d'état de collocation, ni d'état des charges des actifs cédés, dans le contexte de la cession à l'Etat ( art. 230a al. 3 LP ), singulièrement après avoir informé les parties qu'il envisageait de céder deux parcelles au recourant. A cet égard, le seul état de collocation dressé, qui date du 11 juin 2008, à savoir antérieurement à la seconde suspension de la faillite faute d'actif, est insuffisant, dès lors qu'il se réfère à l'ensemble du patrimoine de la faillie à cette époque et n'a pas été établi spécifiquement dans l'optique d'une cession gratuite de parcelles à l'Etat au sens de l' art. 230a al. 3 LP. Dans ces circonstances, la créancière gagiste a contesté l'extinction de sa créance garantie par sa cédule hypothécaire et la radiation de ladite cédule inscrite sur les feuillets concernés du Registre foncier, dès qu'elle a été en mesure de le faire, autrement dit dès qu'elle en a été informée, le 6 décembre 2013. L'Office des faillites a transmis cette opposition, traitée comme une plainte ( art. 17 LP ) à la Chambre de surveillance. Or cette dernière autorité, qui a statué en qualité d'autorité de surveillance en matière de poursuite pour dettes et de faillite ( art. 13 LP ), n'est pas compétente pour se prononcer sur le point de savoir si le gage incorporé dans la cédule hypothécaire est une charge qui doit être transférée à l'Etat en cas de cession des actifs à celui-ci à titre gratuit ou si la cédule hypothécaire n'est pas reprise par l'Etat dans le cadre de la cession, question - de droit matériel - qui relève des juridictions civiles ou administratives ( ATF 115 III 18 consid. 3b p. 21; ATF 113 III 2 consid. 2b p. 3). La décision attaquée, qui admet la plainte de la créancière gagiste et annule la décision du 6 décembre 2013 relative à la restitution de la cédule hypothécaire en vue de sa radiation aboutit donc à un résultat correct. L'Office des faillites, en omettant de dresser un état de collocation - incluant un état des charges pour chaque immeuble cédé ( art. 125 al. 2 ORFI [RS 281.42]) - au cours de la procédure tendant à la cession des parcelles à l'Etat, a privé la créancière gagiste de la possibilité de contester utilement l'extinction de sa créance garantie par cédule hypothécaire. Vu ce qui précède, l'Office des faillites ne pouvait ainsi pas ordonner sans autre la restitution de la cédule hypothécaire en vue de sa radiation, mais devait établir au préalable l'état de collocation, nécessaire à la procédure de cession gratuite à l'Etat. Il s'ensuit que la décision attaquée peut être confirmée par substitution de motifs (cf. consid. 2 non publié). Le sort du recours est ainsi scellé, sans qu'il soit nécessaire d'examiner les autres griefs soulevés par le recourant.
5.2 art. 230a al. 3 LP art. 230a al. 3 LP art. 17 LP art. 13 LP art. 125 al. 2 ORFI
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Urteilskopf 140 III 466 68. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A. contre B. SA (recours en matière civile) 5A_980/2013 du 16 juillet 2014 Regeste Art. 9 BV, Art. 278 Abs. 1 und 3 SchKG ; Einsprache gegen den Arrestbefehl, Verbindlichkeit des Rückweisungsentscheids für den Einspracherichter, Zulässigkeit neuer Tatsachen. Zum Grundsatz der Verbindlichkeit des Rückweisungsentscheids (E. 4.2.1). Beschränkung der Verbindlichkeit des Rückweisungsentscheids auf die Erwägungen betreffend den Begriff der Glaubhaftmachung der Forderung; Zulässigkeit einer neuen Würdigung des Grades der Glaubhaftmachung aufgrund ergänzender nachträglich festgestellter Tatsachen (E. 4.2.2). Zulässigkeit echter Noven im Verfahren der Beschwerde an die richterliche Behörde und im Einspracheverfahren gegen den Arrestbefehl (E. 4.2.3). Willkürlich ist der kantonale Entscheid, der neue, im Rahmen des Rückweisungsverfahrens vor dem Einspracherichter vorgebrachte Tatsachen für unzulässig erklärt, ohne zu prüfen, ob es sich dabei um echte Noven handelt (E. 4.2.4). Sachverhalt ab Seite 467 BGE 140 III 466 S. 467 Entre le mois de juin 1989 et le mois d'août 1991, des négociations sont intervenues entre l'Etat français et la République de Chine (Taïwan) au sujet de la vente à cette dernière de six navires de guerre pour un marché total d'environ 2,5 milliards d'euros. Le 26 septembre 1989, B. SA, active dans le domaine de l'électronique civile et militaire, et la société de consulting D. Ltd, dont A. était l'actionnaire principal, ont passé un contrat en vue de la négociation de cette vente. D. Ltd devait tenir sa cocontractante régulièrement informée de l'évolution de la vente potentielle et, à la demande de cette dernière, participer aux négociations à venir et la soutenir à cette fin. Sa rémunération était fixée à 15 % du prix de vente total (2,5 milliards d'euros), soit quelque 375'000'000 EUR. Les négociations ont abouti, le 31 août 1991, à la signature d'un contrat entre B. SA, agissant en qualité de représentante de plusieurs partenaires, et la Marine de la République de Chine (Taïwan), portant sur la vente de six navires d'observation et de surveillance pour un prix brut de 2'525'692'731 USD. B. SA s'engageait à n'accorder aucun don, cadeau ou paiement personnel à des employés ou fonctionnaires (officiers) de la Marine de la République de Chine qui agissait pour le compte de l'Etat et y garantissait n'avoir pas employé ou commissionné de société ou de personne autre que ses propres employés pour faire aboutir ce contrat et n'avoir pas désigné d'agent, de représentant ou autre personne, qui aurait reçu ou devrait recevoir une commission, un pourcentage ou des honoraires. Par sentence arbitrale du 20 avril 2010, B. SA a été condamnée à payer à la République de Chine (Taïwan) 482'326'869 USD, 209'341'703 FF et 38'770'785 EUR, plus intérêts, pour avoir recouru à un intermédiaire, soit A., pour l'obtention du marché et effectué des paiements indirects par le biais de ce dernier à un officier de la marine taïwanaise, en violation des dispositions contractuelles précitées. En exécution de cette sentence, B. SA a versé, le 12 juillet 2011, une somme dont la contrevaleur s'élève à 773'749'000 CHF. Le 18 octobre 2011, B. SA a requis le séquestre, à hauteur de 773'749'000 CHF, plus intérêts à 5 % dès le 29 avril 2010, des avoirs déposés sur divers comptes ouverts auprès d'établissements bancaires genevois, zurichois et bâlois au nom de membres de la famille de A. ou de sociétés dont les ayants droit économiques étaient soit ce dernier ainsi que des membres de sa famille soit BGE 140 III 466 S. 468 uniquement des membres de sa famille. Elle a invoqué avoir une action récursoire à l'encontre de A. du fait de l'exécution de la sentence arbitrale du 29 avril 2010. Par ordonnance du 19 octobre 2011, le Tribunal de première instance du canton de Genève a ordonné le séquestre à concurrence du montant requis. Le 11 septembre 2012, considérant que B. SA n'avait pas rendu vraisemblable l'existence de sa créance récursoire, il a admis l'opposition au séquestre formée par A. et révoqué le séquestre. Statuant sur recours de B. SA le 14 décembre 2012, la Cour de justice a annulé cette décision, motif pris que le premier juge avait donné à la notion de vraisemblance de l'existence de la créance une acception trop étroite, non conforme à celle requise par l' art. 272 al. 1 LP. Elle a ensuite admis qu'à ce stade, la créance alléguée était vraisemblable, tant en ce qui concerne son existence que sa quotité. Cela étant, en raison du principe du double degré de juridiction qu'elle devait respecter, elle a renvoyé la cause au premier juge pour qu'il statue sur les autres conditions du séquestre ( art. 272 al. 1 ch. 2 et 3 LP ). Dans le cadre de la procédure de renvoi, A. a déposé des déterminations complémentaires sur faits nouveaux ainsi qu'un bordereau de pièces nouvelles, concluant à la révocation de l'ordonnance de séquestre du 19 octobre 2011. Se fondant sur un avis de droit et sur un jugement du 30 octobre 2012 du Tribunal de district de Taïpei déboutant la République de Chine (Taïwan) de toutes ses prétentions à son égard pour cause de prescription, il a notamment allégué que B. SA ne pouvait disposer d'aucune créance récursoire à son encontre. Le 26 juin 2013, après avoir notamment déclaré irrecevables les faits nouveaux invoqués par A., motif pris qu'ils se rapportaient à la question de la vraisemblance de la créance qui avait été définitivement tranchée dans l'arrêt de renvoi du 14 décembre 2012, le Tribunal de première instance a rejeté l'opposition au séquestre après examen des autres conditions posées par l' art. 272 al. 1 ch. 2 et 3 LP. La Chambre civile de la Cour de justice a confirmé ce jugement le 22 novembre 2013. Par écriture du 27 décembre 2013, A. exerce un recours en matière civile contre l'arrêt du 14 décembre 2012 et celui du 22 novembre BGE 140 III 466 S. 469 2013. Il conclut principalement à leur annulation, à l'admission de son opposition au séquestre et à la révocation de l'ordonnance de séquestre du 19 octobre 2011. Il demande, subsidiairement, le renvoi de la cause à la Cour de justice pour nouvelle décision dans le sens des considérants et, plus subsidiairement, au Tribunal de première instance, ainsi que, dans tous les cas, le déboutement de B. SA. Le Tribunal fédéral a admis le recours en matière civile interjeté contre l'arrêt du 22 novembre 2013 en tant que celui-ci déclarait irrecevables les faits nouveaux allégués dans le cadre de la procédure de renvoi, a annulé ce dernier et a renvoyé la cause pour nouvelle décision dans le sens des considérants. (résumé) Erwägungen Extrait des considérants: 4. Selon le recourant, la Cour de justice aurait arbitrairement ( art. 9 Cst. ) considéré que tant le Tribunal de première instance qu'elle-même n'avaient pas à tenir compte des faits nouveaux en relation avec l'existence de la créance en raison du principe de l'autorité de l'arrêt de renvoi. 4.1 Reprenant les principes dégagés par le Tribunal fédéral en cas de renvoi de la cause à une autorité inférieure, la Cour de justice a retenu que, par arrêt du 14 décembre 2012, elle avait admis la vraisemblance de la créance et renvoyé la cause à l'autorité précédente pour décision sur les autres conditions du séquestre ( art. 271 al. 1 ch. 2 et 3 LP ). Le premier juge étant lié par les considérants de ce prononcé, il ne pouvait faire porter son examen que sur ces autres conditions et n'était autorisé à prendre en considération, sur la base de l' art. 278 al. 3 LP, que les faits nouveaux s'y rapportant. Dès lors que, en l'espèce, les allégations nouvelles du débiteur séquestré avaient trait à la question de l'existence de la créance, sur laquelle ce magistrat n'était pas habilité à se prononcer au regard des motifs de l'arrêt de renvoi, c'était donc à bon droit qu'elles avaient été déclarées irrecevables. Elle était par ailleurs elle-même tenue par son propre arrêt de renvoi et ne pouvait dès lors revoir la question de la vraisemblance de la créance qu'elle avait déjà tranchée, et ce même en cas de survenance de faits nouveaux. En effet, selon l' art. 278 al. 3 LP, le juge du séquestre n'est tenu de prendre en considération d'éventuelles circonstances nouvelles que jusqu'au moment où il rend sa décision. BGE 140 III 466 S. 470 Or, elle s'était prononcée sur la problématique de la vraisemblance de l'existence de la créance dans son arrêt de renvoi du 14 décembre 2012, de sorte que d'éventuels faits nouveaux invoqués postérieurement au prononcé de celui-ci ne pouvaient avoir pour conséquence d'entraîner un réexamen de cette question. 4.2 4.2.1 Il est généralement admis que l'autorité inférieure à laquelle la cause est renvoyée se trouve liée par les considérants de droit émis par l'autorité supérieure. Ce principe, qui découle logiquement de la hiérarchie des juridictions, s'applique en cas de renvoi prononcé sur appel ou sur recours (Message du 28 juin 2006 relatif au code de procédure civile suisse, FF 2006 6983 ad art. 315; NICOLAS JEANDIN, in CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, n° 4 ad art. 318 et n° 5 ad art. 327 CPC ; KARL SPÜHLER, in Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2 e éd. 2013, n° 3 ad art. 318 CPC ). De même, lorsqu'un recours est interjeté contre une décision rendue à la suite d'un arrêt de renvoi, l'autorité de recours ne revoit pas les questions de droit qu'elle a elle-même définitivement tranchées dans l'arrêt de renvoi. Ce principe découle de la constatation que la juridiction supérieure n'est pas autorité de recours contre ses propres décisions. Le Tribunal fédéral applique le même principe lorsqu'une cause lui revient alors qu'il a rendu précédemment un arrêt de renvoi ( ATF 125 III 421 consid. 2a p. 423, ATF 125 III 443 consid. 3a p. 446). 4.2.2 Il résulte de l'arrêt de renvoi du 14 décembre 2012 que la Cour de justice a annulé la décision du premier juge, motif pris qu'il avait donné à la notion de la vraisemblance de l'existence de la créance une acception trop étroite, non conforme à celle requise par l' art. 272 al. 1 LP. Ce faisant, elle a traité une question de droit ( ATF 130 III 321 consid. 5 p. 327 et les références; arrêts 5A_118/2012 du 20 avril 2012 consid. 3.2; 5A_735/2012 du 17 mai 2013 consid. 4.2.2, non publié in SJ 2014 I p. 17), dont la résolution liait l'instance inférieure dans le cadre du renvoi. Dans la mesure où, sur la base de sa propre appréciation des circonstances établies à ce stade, elle a ensuite admis que le degré de vraisemblance requis par le droit fédéral était atteint dans le cas d'espèce, elle a procédé à une appréciation des preuves ( ATF 130 III 321 précité). Si l'autorité inférieure était liée par les considérants de droit relatifs à la notion de vraisemblance, elle était libre de procéder à une nouvelle appréciation de la situation, pour autant qu'elle puisse tenir compte de faits complémentaires établis postérieurement (cf. ATF 87 II 194 consid. 2b). BGE 140 III 466 S. 471 4.2.3 En matière d'opposition au séquestre, l'art. 278 al. 3, 2 e phrase, LP dispose que les parties peuvent alléguer des faits nouveaux dans la procédure de recours à l'autorité judiciaire supérieure (cf. art. 278 al. 3, 1 re phrase, LP) contre la décision rendue sur opposition. Cette disposition instaure une exception (cf. art. 326 al. 2 CPC ) à l' art. 326 al. 1 CPC qui prohibe les conclusions, les allégations de faits et les preuves nouvelles dans le cadre d'un recours. Se référant en particulier au Message, selon lequel il s'agit en tous les cas des faits nouveaux "proprement dits", soit ceux intervenus après la décision de première instance (Message du 8 mai 1991 concernant la révision de la loi sur la poursuite pour dettes et la faillite, FF 1991 III 200; cf. aussi arrêt 5P.296/2005 du 17 novembre 2005 consid. 4.2.1, selon lequel il n'est pas arbitraire de considérer que seuls les vrais nova sont recevables), le Tribunal fédéral s'est expressément prononcé sur la recevabilité des vrais nova. Il a en revanche laissé ouverte, respectivement n'a pas abordé, la question de la recevabilité des pseudo-nova dans les arrêts 5A_364/2008 du 12 août 2008 consid. 4.1.2 et 5A_328/2013 du 4 novembre 2013 consid. 4.3.2. Il a en outre admis que cette possibilité d'invoquer des faits nouveaux vaut non seulement dans la procédure de recours de l' art. 278 al. 3 LP, mais aussi dans la procédure d'opposition au séquestre selon l' art. 278 al. 1 LP. En effet, dans le cadre de cette dernière, le débiteur (ou le tiers) dont les droits sont touchés par le séquestre ( art. 278 al. 1 LP ) et qui n'a pas pu participer à la procédure d'autorisation de séquestre ( art. 272 et 274 LP ), a la possibilité de présenter ses objections; le juge réexamine donc en contradictoire la réalisation des conditions du séquestre qu'il a ordonné. L'opposant doit tenter de démontrer que son point de vue est plus vraisemblable que celui du créancier séquestrant (arrêt 5A_925/2012 du 5 avril 2013 consid. 9.3 et les références). La procédure d'opposition ayant le même objet que la procédure d'autorisation de séquestre, le juge doit revoir la cause dans son entier et tenir compte de la situation telle qu'elle se présente au moment de la décision sur opposition (arrêts 5A_328/2013 du 4 novembre 2013 consid. 4.3.2; 5A_364/2008 du 12 août 2008 consid. 4.1.1; STOFFEL/CHABLOZ, in Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, n° 28 ad art. 278 LP ; JAEGER/WALDER/KULL/KOTTMANN, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, vol. II, Art. 159-292, 4 e éd. 1999, n° 1 ad art. 278 LP ; cf. aussi: PIERRE-ROBERT GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale BGE 140 III 466 S. 472 sur la poursuite pour dettes et la faillite, vol. IV, articles 271-352, 2003, n° 81 ad art. 278 LP, selon lequel le pouvoir de réexamen du juge du séquestre ne saurait être plus restreint que celui de l'autorité de recours, devant laquelle les parties peuvent invoquer des faits nouveaux en vertu de l'art. 278 al. 3, 2 e phrase, LP). Cette solution est conforme à la volonté du législateur, selon laquelle, si l'état de fait se modifie alors que la procédure d'opposition est pendante, les circonstances nouvelles doivent être prises en compte, afin d'éviter qu'un séquestre ne soit prononcé alors que les circonstances s'y opposent (Message précité, FF 1991 III 199). 4.2.4 En l'espèce, dans ses déterminations complémentaires sur faits nouveaux déposées dans le cadre du renvoi, se fondant sur un jugement du 30 octobre 2012 du Tribunal de district de Taïpei et un avis de droit de l'ISDC du 28 mars 2013, le recourant a allégué que la république de Chine (Taïwan) ayant été déboutée de toutes ses prétentions à son égard pour cause de prescription, l'intimée ne disposait d'aucune créance à son encontre qui serait fondée sur l'art. 218-1 du Code civil taïwanais. Vu les principes développés ci-devant, la Cour de justice est tombée dans l'arbitraire en écartant ces faits sans examiner s'ils constituaient des vrais nova et en omettant, pour le cas où il s'agirait de pseudo-nova, de discuter leur recevabilité, question laissée ouverte par le Tribunal fédéral jusqu'à ce jour. 4.2.5 Dans ces conditions, autant que le recourant se plaint aussi d'une violation de son droit d'être entendu ( art. 29 al. 2 Cst. ), son grief n'a pas de portée propre.
Urteilskopf
68. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A. contre B. SA (recours en matière civile)
5A_980/2013 du 16 juillet 2014
Regeste Art. 9 BV, Art. 278 Abs. 1 und 3 SchKG ; Einsprache gegen den Arrestbefehl, Verbindlichkeit des Rückweisungsentscheids für den Einspracherichter, Zulässigkeit neuer Tatsachen. Zum Grundsatz der Verbindlichkeit des Rückweisungsentscheids (E. 4.2.1). Beschränkung der Verbindlichkeit des Rückweisungsentscheids auf die Erwägungen betreffend den Begriff der Glaubhaftmachung der Forderung; Zulässigkeit einer neuen Würdigung des Grades der Glaubhaftmachung aufgrund ergänzender nachträglich festgestellter Tatsachen (E. 4.2.2). Zulässigkeit echter Noven im Verfahren der Beschwerde an die richterliche Behörde und im Einspracheverfahren gegen den Arrestbefehl (E. 4.2.3). Willkürlich ist der kantonale Entscheid, der neue, im Rahmen des Rückweisungsverfahrens vor dem Einspracherichter vorgebrachte Tatsachen für unzulässig erklärt, ohne zu prüfen, ob es sich dabei um echte Noven handelt (E. 4.2.4).
Regeste
Art. 9 BV, Art. 278 Abs. 1 und 3 SchKG ; Einsprache gegen den Arrestbefehl, Verbindlichkeit des Rückweisungsentscheids für den Einspracherichter, Zulässigkeit neuer Tatsachen. Zum Grundsatz der Verbindlichkeit des Rückweisungsentscheids (E. 4.2.1). Beschränkung der Verbindlichkeit des Rückweisungsentscheids auf die Erwägungen betreffend den Begriff der Glaubhaftmachung der Forderung; Zulässigkeit einer neuen Würdigung des Grades der Glaubhaftmachung aufgrund ergänzender nachträglich festgestellter Tatsachen (E. 4.2.2). Zulässigkeit echter Noven im Verfahren der Beschwerde an die richterliche Behörde und im Einspracheverfahren gegen den Arrestbefehl (E. 4.2.3). Willkürlich ist der kantonale Entscheid, der neue, im Rahmen des Rückweisungsverfahrens vor dem Einspracherichter vorgebrachte Tatsachen für unzulässig erklärt, ohne zu prüfen, ob es sich dabei um echte Noven handelt (E. 4.2.4).
Art. 9 BV Art. 278 Abs. 1 und 3 SchKG Zum Grundsatz der Verbindlichkeit des Rückweisungsentscheids (E. 4.2.1).
Beschränkung der Verbindlichkeit des Rückweisungsentscheids auf die Erwägungen betreffend den Begriff der Glaubhaftmachung der Forderung; Zulässigkeit einer neuen Würdigung des Grades der Glaubhaftmachung aufgrund ergänzender nachträglich festgestellter Tatsachen (E. 4.2.2).
Zulässigkeit echter Noven im Verfahren der Beschwerde an die richterliche Behörde und im Einspracheverfahren gegen den Arrestbefehl (E. 4.2.3).
Willkürlich ist der kantonale Entscheid, der neue, im Rahmen des Rückweisungsverfahrens vor dem Einspracherichter vorgebrachte Tatsachen für unzulässig erklärt, ohne zu prüfen, ob es sich dabei um echte Noven handelt (E. 4.2.4).
Sachverhalt ab Seite 467
Sachverhalt ab Seite 467 BGE 140 III 466 S. 467
BGE 140 III 466 S. 467
Entre le mois de juin 1989 et le mois d'août 1991, des négociations sont intervenues entre l'Etat français et la République de Chine (Taïwan) au sujet de la vente à cette dernière de six navires de guerre pour un marché total d'environ 2,5 milliards d'euros.
Le 26 septembre 1989, B. SA, active dans le domaine de l'électronique civile et militaire, et la société de consulting D. Ltd, dont A. était l'actionnaire principal, ont passé un contrat en vue de la négociation de cette vente. D. Ltd devait tenir sa cocontractante régulièrement informée de l'évolution de la vente potentielle et, à la demande de cette dernière, participer aux négociations à venir et la soutenir à cette fin. Sa rémunération était fixée à 15 % du prix de vente total (2,5 milliards d'euros), soit quelque 375'000'000 EUR.
Les négociations ont abouti, le 31 août 1991, à la signature d'un contrat entre B. SA, agissant en qualité de représentante de plusieurs partenaires, et la Marine de la République de Chine (Taïwan), portant sur la vente de six navires d'observation et de surveillance pour un prix brut de 2'525'692'731 USD. B. SA s'engageait à n'accorder aucun don, cadeau ou paiement personnel à des employés ou fonctionnaires (officiers) de la Marine de la République de Chine qui agissait pour le compte de l'Etat et y garantissait n'avoir pas employé ou commissionné de société ou de personne autre que ses propres employés pour faire aboutir ce contrat et n'avoir pas désigné d'agent, de représentant ou autre personne, qui aurait reçu ou devrait recevoir une commission, un pourcentage ou des honoraires.
Par sentence arbitrale du 20 avril 2010, B. SA a été condamnée à payer à la République de Chine (Taïwan) 482'326'869 USD, 209'341'703 FF et 38'770'785 EUR, plus intérêts, pour avoir recouru à un intermédiaire, soit A., pour l'obtention du marché et effectué des paiements indirects par le biais de ce dernier à un officier de la marine taïwanaise, en violation des dispositions contractuelles précitées.
En exécution de cette sentence, B. SA a versé, le 12 juillet 2011, une somme dont la contrevaleur s'élève à 773'749'000 CHF.
Le 18 octobre 2011, B. SA a requis le séquestre, à hauteur de 773'749'000 CHF, plus intérêts à 5 % dès le 29 avril 2010, des avoirs déposés sur divers comptes ouverts auprès d'établissements bancaires genevois, zurichois et bâlois au nom de membres de la famille de A. ou de sociétés dont les ayants droit économiques étaient soit ce dernier ainsi que des membres de sa famille soit BGE 140 III 466 S. 468 uniquement des membres de sa famille. Elle a invoqué avoir une action récursoire à l'encontre de A. du fait de l'exécution de la sentence arbitrale du 29 avril 2010.
BGE 140 III 466 S. 468
Par ordonnance du 19 octobre 2011, le Tribunal de première instance du canton de Genève a ordonné le séquestre à concurrence du montant requis.
Le 11 septembre 2012, considérant que B. SA n'avait pas rendu vraisemblable l'existence de sa créance récursoire, il a admis l'opposition au séquestre formée par A. et révoqué le séquestre.
Statuant sur recours de B. SA le 14 décembre 2012, la Cour de justice a annulé cette décision, motif pris que le premier juge avait donné à la notion de vraisemblance de l'existence de la créance une acception trop étroite, non conforme à celle requise par l' art. 272 al. 1 LP. Elle a ensuite admis qu'à ce stade, la créance alléguée était vraisemblable, tant en ce qui concerne son existence que sa quotité. Cela étant, en raison du principe du double degré de juridiction qu'elle devait respecter, elle a renvoyé la cause au premier juge pour qu'il statue sur les autres conditions du séquestre ( art. 272 al. 1 ch. 2 et 3 LP ). art. 272 al. 1 LP art. 272 al. 1 ch. 2 et 3 LP Dans le cadre de la procédure de renvoi, A. a déposé des déterminations complémentaires sur faits nouveaux ainsi qu'un bordereau de pièces nouvelles, concluant à la révocation de l'ordonnance de séquestre du 19 octobre 2011. Se fondant sur un avis de droit et sur un jugement du 30 octobre 2012 du Tribunal de district de Taïpei déboutant la République de Chine (Taïwan) de toutes ses prétentions à son égard pour cause de prescription, il a notamment allégué que B. SA ne pouvait disposer d'aucune créance récursoire à son encontre.
Le 26 juin 2013, après avoir notamment déclaré irrecevables les faits nouveaux invoqués par A., motif pris qu'ils se rapportaient à la question de la vraisemblance de la créance qui avait été définitivement tranchée dans l'arrêt de renvoi du 14 décembre 2012, le Tribunal de première instance a rejeté l'opposition au séquestre après examen des autres conditions posées par l' art. 272 al. 1 ch. 2 et 3 LP. art. 272 al. 1 ch. 2 et 3 LP La Chambre civile de la Cour de justice a confirmé ce jugement le 22 novembre 2013.
Par écriture du 27 décembre 2013, A. exerce un recours en matière civile contre l'arrêt du 14 décembre 2012 et celui du 22 novembre BGE 140 III 466 S. 469 2013. Il conclut principalement à leur annulation, à l'admission de son opposition au séquestre et à la révocation de l'ordonnance de séquestre du 19 octobre 2011. Il demande, subsidiairement, le renvoi de la cause à la Cour de justice pour nouvelle décision dans le sens des considérants et, plus subsidiairement, au Tribunal de première instance, ainsi que, dans tous les cas, le déboutement de B. SA.
BGE 140 III 466 S. 469
Le Tribunal fédéral a admis le recours en matière civile interjeté contre l'arrêt du 22 novembre 2013 en tant que celui-ci déclarait irrecevables les faits nouveaux allégués dans le cadre de la procédure de renvoi, a annulé ce dernier et a renvoyé la cause pour nouvelle décision dans le sens des considérants.
(résumé)
Erwägungen
Erwägungen Extrait des considérants:
4. Selon le recourant, la Cour de justice aurait arbitrairement ( art. 9 Cst. ) considéré que tant le Tribunal de première instance qu'elle-même n'avaient pas à tenir compte des faits nouveaux en relation avec l'existence de la créance en raison du principe de l'autorité de l'arrêt de renvoi.
4. art. 9 Cst. 4.1 Reprenant les principes dégagés par le Tribunal fédéral en cas de renvoi de la cause à une autorité inférieure, la Cour de justice a retenu que, par arrêt du 14 décembre 2012, elle avait admis la vraisemblance de la créance et renvoyé la cause à l'autorité précédente pour décision sur les autres conditions du séquestre ( art. 271 al. 1 ch. 2 et 3 LP ). Le premier juge étant lié par les considérants de ce prononcé, il ne pouvait faire porter son examen que sur ces autres conditions et n'était autorisé à prendre en considération, sur la base de l' art. 278 al. 3 LP, que les faits nouveaux s'y rapportant. Dès lors que, en l'espèce, les allégations nouvelles du débiteur séquestré avaient trait à la question de l'existence de la créance, sur laquelle ce magistrat n'était pas habilité à se prononcer au regard des motifs de l'arrêt de renvoi, c'était donc à bon droit qu'elles avaient été déclarées irrecevables.
4.1 art. 271 al. 1 ch. 2 et 3 LP art. 278 al. 3 LP Elle était par ailleurs elle-même tenue par son propre arrêt de renvoi et ne pouvait dès lors revoir la question de la vraisemblance de la créance qu'elle avait déjà tranchée, et ce même en cas de survenance de faits nouveaux. En effet, selon l' art. 278 al. 3 LP, le juge du séquestre n'est tenu de prendre en considération d'éventuelles circonstances nouvelles que jusqu'au moment où il rend sa décision. BGE 140 III 466 S. 470 Or, elle s'était prononcée sur la problématique de la vraisemblance de l'existence de la créance dans son arrêt de renvoi du 14 décembre 2012, de sorte que d'éventuels faits nouveaux invoqués postérieurement au prononcé de celui-ci ne pouvaient avoir pour conséquence d'entraîner un réexamen de cette question. art. 278 al. 3 LP BGE 140 III 466 S. 470
4.2
4.2 4.2.1 Il est généralement admis que l'autorité inférieure à laquelle la cause est renvoyée se trouve liée par les considérants de droit émis par l'autorité supérieure. Ce principe, qui découle logiquement de la hiérarchie des juridictions, s'applique en cas de renvoi prononcé sur appel ou sur recours (Message du 28 juin 2006 relatif au code de procédure civile suisse, FF 2006 6983 ad art. 315; NICOLAS JEANDIN, in CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, n° 4 ad art. 318 et n° 5 ad art. 327 CPC ; KARL SPÜHLER, in Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2 e éd. 2013, n° 3 ad art. 318 CPC ).
4.2.1 art. 327 CPC art. 318 CPC De même, lorsqu'un recours est interjeté contre une décision rendue à la suite d'un arrêt de renvoi, l'autorité de recours ne revoit pas les questions de droit qu'elle a elle-même définitivement tranchées dans l'arrêt de renvoi. Ce principe découle de la constatation que la juridiction supérieure n'est pas autorité de recours contre ses propres décisions. Le Tribunal fédéral applique le même principe lorsqu'une cause lui revient alors qu'il a rendu précédemment un arrêt de renvoi ( ATF 125 III 421 consid. 2a p. 423, ATF 125 III 443 consid. 3a p. 446).
4.2.2 Il résulte de l'arrêt de renvoi du 14 décembre 2012 que la Cour de justice a annulé la décision du premier juge, motif pris qu'il avait donné à la notion de la vraisemblance de l'existence de la créance une acception trop étroite, non conforme à celle requise par l' art. 272 al. 1 LP. Ce faisant, elle a traité une question de droit ( ATF 130 III 321 consid. 5 p. 327 et les références; arrêts 5A_118/2012 du 20 avril 2012 consid. 3.2; 5A_735/2012 du 17 mai 2013 consid. 4.2.2, non publié in SJ 2014 I p. 17), dont la résolution liait l'instance inférieure dans le cadre du renvoi. Dans la mesure où, sur la base de sa propre appréciation des circonstances établies à ce stade, elle a ensuite admis que le degré de vraisemblance requis par le droit fédéral était atteint dans le cas d'espèce, elle a procédé à une appréciation des preuves ( ATF 130 III 321 précité). Si l'autorité inférieure était liée par les considérants de droit relatifs à la notion de vraisemblance, elle était libre de procéder à une nouvelle appréciation de la situation, pour autant qu'elle puisse tenir compte de faits complémentaires établis postérieurement (cf. ATF 87 II 194 consid. 2b). BGE 140 III 466 S. 471
4.2.2 art. 272 al. 1 LP BGE 140 III 466 S. 471
4.2.3 En matière d'opposition au séquestre, l'art. 278 al. 3, 2 e phrase, LP dispose que les parties peuvent alléguer des faits nouveaux dans la procédure de recours à l'autorité judiciaire supérieure (cf. art. 278 al. 3, 1 re phrase, LP) contre la décision rendue sur opposition. Cette disposition instaure une exception (cf. art. 326 al. 2 CPC ) à l' art. 326 al. 1 CPC qui prohibe les conclusions, les allégations de faits et les preuves nouvelles dans le cadre d'un recours.
4.2.3 art. 278 al. 3, 1 re art. 326 al. 2 CPC art. 326 al. 1 CPC Se référant en particulier au Message, selon lequel il s'agit en tous les cas des faits nouveaux "proprement dits", soit ceux intervenus après la décision de première instance (Message du 8 mai 1991 concernant la révision de la loi sur la poursuite pour dettes et la faillite, FF 1991 III 200; cf. aussi arrêt 5P.296/2005 du 17 novembre 2005 consid. 4.2.1, selon lequel il n'est pas arbitraire de considérer que seuls les vrais nova sont recevables), le Tribunal fédéral s'est expressément prononcé sur la recevabilité des vrais nova. Il a en revanche laissé ouverte, respectivement n'a pas abordé, la question de la recevabilité des pseudo-nova dans les arrêts 5A_364/2008 du 12 août 2008 consid. 4.1.2 et 5A_328/2013 du 4 novembre 2013 consid. 4.3.2.
Il a en outre admis que cette possibilité d'invoquer des faits nouveaux vaut non seulement dans la procédure de recours de l' art. 278 al. 3 LP, mais aussi dans la procédure d'opposition au séquestre selon l' art. 278 al. 1 LP. En effet, dans le cadre de cette dernière, le débiteur (ou le tiers) dont les droits sont touchés par le séquestre ( art. 278 al. 1 LP ) et qui n'a pas pu participer à la procédure d'autorisation de séquestre ( art. 272 et 274 LP ), a la possibilité de présenter ses objections; le juge réexamine donc en contradictoire la réalisation des conditions du séquestre qu'il a ordonné. L'opposant doit tenter de démontrer que son point de vue est plus vraisemblable que celui du créancier séquestrant (arrêt 5A_925/2012 du 5 avril 2013 consid. 9.3 et les références). La procédure d'opposition ayant le même objet que la procédure d'autorisation de séquestre, le juge doit revoir la cause dans son entier et tenir compte de la situation telle qu'elle se présente au moment de la décision sur opposition (arrêts 5A_328/2013 du 4 novembre 2013 consid. 4.3.2; 5A_364/2008 du 12 août 2008 consid. 4.1.1; STOFFEL/CHABLOZ, in Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, n° 28 ad art. 278 LP ; JAEGER/WALDER/KULL/KOTTMANN, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, vol. II, Art. 159-292, 4 e éd. 1999, n° 1 ad art. 278 LP ; cf. aussi: PIERRE-ROBERT GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale BGE 140 III 466 S. 472 sur la poursuite pour dettes et la faillite, vol. IV, articles 271-352, 2003, n° 81 ad art. 278 LP, selon lequel le pouvoir de réexamen du juge du séquestre ne saurait être plus restreint que celui de l'autorité de recours, devant laquelle les parties peuvent invoquer des faits nouveaux en vertu de l'art. 278 al. 3, 2 e phrase, LP). Cette solution est conforme à la volonté du législateur, selon laquelle, si l'état de fait se modifie alors que la procédure d'opposition est pendante, les circonstances nouvelles doivent être prises en compte, afin d'éviter qu'un séquestre ne soit prononcé alors que les circonstances s'y opposent (Message précité, FF 1991 III 199). art. 278 al. 3 LP art. 278 al. 1 LP art. 278 al. 1 LP art. 272 et 274 LP art. 278 LP art. 278 LP BGE 140 III 466 S. 472
art. 278 LP 4.2.4 En l'espèce, dans ses déterminations complémentaires sur faits nouveaux déposées dans le cadre du renvoi, se fondant sur un jugement du 30 octobre 2012 du Tribunal de district de Taïpei et un avis de droit de l'ISDC du 28 mars 2013, le recourant a allégué que la république de Chine (Taïwan) ayant été déboutée de toutes ses prétentions à son égard pour cause de prescription, l'intimée ne disposait d'aucune créance à son encontre qui serait fondée sur l'art. 218-1 du Code civil taïwanais. Vu les principes développés ci-devant, la Cour de justice est tombée dans l'arbitraire en écartant ces faits sans examiner s'ils constituaient des vrais nova et en omettant, pour le cas où il s'agirait de pseudo-nova, de discuter leur recevabilité, question laissée ouverte par le Tribunal fédéral jusqu'à ce jour.
4.2.4 4.2.5 Dans ces conditions, autant que le recourant se plaint aussi d'une violation de son droit d'être entendu ( art. 29 al. 2 Cst. ), son grief n'a pas de portée propre.
4.2.5 art. 29 al. 2 Cst.
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Urteilskopf 140 III 473 69. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen B. Ltd. (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_256/2014 vom 8. September 2014 Regeste Art. 15, 117 und 122 IPRG ; anwendbares Recht; Übertragung von Patentanmeldungen. Bestimmung des anwendbaren Rechts. Auf Verträge über die Übertragung von Patentanmeldungen ist Art. 122 IPRG anwendbar. Offengelassen, ob für eine Abweichung von der in Art. 122 IPRG vorgesehenen Anknüpfung Art. 15 oder 117 Abs. 1 IPRG massgebend wäre (E. 2). Sachverhalt ab Seite 473 BGE 140 III 473 S. 473 A. Vom 13. bis zum 17. Dezember 2008 trafen sich Vertreter der A. AG (Sitz in der Schweiz; Klägerin, Beschwerdeführerin) in Hongkong mit Vertretern der B. Ltd. (Sitz in Hongkong; Beklagte, Beschwerdegegnerin). Hintergrund des Treffens war ein Streit der Parteien über die Frage, wem zwei Patentanmeldungen betreffend Kaffeekapseln und eine Patentanmeldung betreffend einen Mechanismus zum Aufstechen der Kaffeekapseln zustehen würden. Als Inhaberin war in allen drei Patentanmeldungen die B. Ltd. angegeben. Die Parteien sind sich nicht einig über das Ergebnis des Treffens in Hongkong. Die B. Ltd. macht geltend, die Parteien hätten sich darauf geeinigt, dass sie der A. AG die Patentanmeldung betreffend den Aufstechmechanismus abtrete und demgegenüber die BGE 140 III 473 S. 474 Patentanmeldungen betreffend die Kaffeekapseln behalte. Die A. AG bestreitet das Zustandekommen einer Vereinbarung. Am 19. Dezember 2008 trat die B. Ltd. der A. AG die Patentanmeldung betreffend den Aufstechmechanismus ab. B. Am 21. Juni 2010 reichte die A. AG beim Handelsgericht des Kantons Bern gegen die B. Ltd. Klage ein auf Abtretung der Patentanmeldungen betreffend die Kaffeekapseln. Das Handelsgericht beschränkte das Verfahren auf die Frage des Zustandekommens und des Inhalts der in der Zeit vom 13. bis zum 17. Dezember 2008 in Hongkong allenfalls getroffenen Vereinbarung der Parteien und auf deren allfällige rechtliche Bedeutung. Mit Entscheid vom 2. Juli 2013 wies das Handelsgericht des Kantons Bern die Klage ab. C. Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 28. April 2014 beantragt die A. AG dem Bundesgericht, es sei das Urteil des Handelsgerichts aufzuheben und es sei die Klage gutzuheissen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an das Handelsgericht zurückzuweisen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut, hebt den vorinstanzlichen Entscheid auf und weist die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurück. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Zwischen den Parteien ist umstritten, ob auf ihre Streitigkeit Schweizer Recht oder das Recht von Hongkong anwendbar sei. Da die Beschwerdeführerin ihren Sitz in U. (Schweiz) und die Beschwerdegegnerin den ihren in Hongkong hat, liegt ein internationaler Sachverhalt vor ( BGE 140 III 115 E. 3 S. 117; BGE 137 III 481 E. 2.1 S. 483). Das anwendbare Recht ist somit nach dem IPRG zu ermitteln ( Art. 1 Abs. 1 lit. b IPRG [SR 291]). 2.1 Die Vorinstanz hat ausgeführt, die Frage des Zustandekommens eines Vertrags sei nach der lex causae, d.h. nach dem auf den Vertrag anzuwendenden Recht zu beurteilen. Da die Parteien keine Rechtswahl getroffen hätten, unterstehe der Vertrag nach Art. 117 Abs. 1 IPRG dem Recht des Staates, mit dem er am engsten zusammenhänge. Nach Art. 117 Abs. 2 IPRG werde vermutet, der engste Zusammenhang bestehe mit dem Staat, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung erbringen solle, ihren gewöhnlichen Aufenthalt habe oder, wenn sie den Vertrag aufgrund einer beruflichen BGE 140 III 473 S. 475 oder gewerblichen Tätigkeit geschlossen habe, in dem sich ihre Niederlassung befinde. Eine charakteristische Leistung sei vorliegend nicht auszumachen. Massgebend sei somit jenes Recht, welches in Würdigung aller bei Vertragsabschluss erkennbarer Umstände am engsten mit dem Vertragsinhalt zusammenhänge. Gegenstand des in Hongkong allenfalls abgeschlossenen Vertrags seien drei Patentanmeldungen. Für alle drei Anmeldungen werde Schutz auf dem Gebiet der Schweiz beantragt, jedoch nur für zwei Anmeldungen gleichzeitig Schutz in China bzw. in Hongkong. Aufgrund des territorialen Schutzbereichs überwiege gesamtheitlich betrachtet der Zusammenhang mit der Schweiz, weshalb Schweizer Recht anwendbar sei. 2.2 Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe durch die Anwendung von Schweizer Recht Art. 117 IPRG und Art. 9 BV verletzt. Da keine charakteristische Leistung auszumachen sei und kaum Indizien für die Wahl des anwendbaren Rechts ersichtlich seien, müsse auf den Ort abgestellt werden, an dem über mehrere Tage verhandelt worden sei. Entsprechend sei auf den angeblich geschlossenen Vertrag bzw. auf die Frage, ob ein solcher überhaupt geschlossen worden sei, das Recht von Hongkong anwendbar. 2.3 Art. 116 f. IPRG regeln das auf Verträge anwendbare Recht im Allgemeinen. Für Verträge über Immaterialgüterrechte besteht jedoch mit Art. 122 IPRG eine Sonderbestimmung. Danach unterstehen solche Verträge dem Recht des Staates, in dem derjenige, der das Immaterialgüterrecht überträgt oder die Benutzung an ihm einräumt, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat ( Art. 122 Abs. 1 IPRG ). Für juristische Personen ist anstelle des gewöhnlichen Aufenthalts der Niederlassungsort massgebend (PHILIPPE DUCOR, in: Commentaire romand, Loi sur le droit international privé, Convention de Lugano, 2011, N. 7 zu Art. 122 IPRG ; JEGHER/VASELLA, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 3. Aufl. 2013, N. 16 zu Art. 122 IPRG ; SCHNYDER/DOSS, in: Internationales Privatrecht, 2. Aufl. 2012, N. 6 zu Art. 122 IPRG ; FRANK VISCHER, in: Zürcher Kommentar zum IPRG, 2. Aufl. 2004, N. 14 zu Art. 122 IPRG ). Dieser befindet sich in dem Staat, in dem der Sitz liegt ( Art. 21 Abs. 4 IPRG ). Zu den Immaterialgüterrechten i.S. von Art. 122 IPRG gehören Patentrechte, aber auch bereits Rechte aus Schutzrechtsanmeldungen (JEGHER/VASELLA, a.a.O., N. 4 zu Art. 110 IPRG mit Hinweisen; SCHNYDER/DOSS, a.a.O., N. 2 zu Art. 122 IPRG ). Patent anmeldungen sind somit von dieser Bestimmung erfasst. Im Gegensatz zu Art. 110 IPRG, BGE 140 III 473 S. 476 der das Immaterialgüterstatut regelt, befasst sich Art. 122 IPRG mit dem Vertragsstatut. Dieses bestimmt u.a. über den Abschluss, Inhalt und die Gültigkeit eines Vertrags (DUCOR, a.a.O., N. 5 zu Art. 122 IPRG ; JEGHER/VASELLA, a.a.O., N. 13 zu Art. 122 IPRG ; SCHNYDER/DOSS, a.a.O., N. 5 zu Art. 122 IPRG ; VISCHER, a.a.O., N. 11 zu Art. 122 IPRG ). Eine Abweichung von der in Art. 122 IPRG vorgesehenen ordentlichen Anknüpfung ist gemäss Art. 15 Abs. 1 IPRG möglich, wennder Sachverhalt mit einem anderen Recht in viel engerem Zusammenhang steht (vgl. DUCOR, a.a.O., N. 8 ff. zu Art. 122 IPRG ; JEGHER/VASELLA, a.a.O., N. 15 zu Art. 122 IPRG mit Hinweisen; SCHNYDER/DOSS, a.a.O., N. 14 zu Art. 122 IPRG ). Teilweise wird vertreten, eine Korrektur der Anknüpfung habe über Art. 117 Abs. 1 IPRG zu erfolgen, wobei auch hier ein eindeutig engerer Zusammenhang mit einem anderen als dem nach Art. 122 Abs. 1 IPRG anwendbaren Recht gefordert wird (so etwa VISCHER, a.a.O., N. 18 zu Art. 122 IPRG ). 2.4 Mit dem von den Parteien in Hongkong allenfalls abgeschlossenen Vertrag sollte die Frage der Übertragung von drei Patentanmeldungen geregelt werden, als deren Inhaberin jeweils die Beschwerdegegnerin angegeben war. Patentanmeldungen stellen Immaterialgüterrechte i.S. von Art. 122 IPRG dar. Da vorliegend umstritten ist, ob ein Vertrag zwischen den Parteien zustande gekommen ist und gegebenenfalls mit welchem Inhalt, ist das Vertragsstatut nach Art. 122 IPRG und nicht das Immaterialgüterstatut nach Art. 110 IPRG anwendbar. Anwendbar ist mithin das Recht des Staates, in dem die Beschwerdegegnerin als die das Immaterialgüterrecht allenfalls übertragende Partei ihren Sitz hat. Die Beschwerdegegnerin hat und hatte auch im Zeitpunkt des allfälligen Vertragsschlusses ihren Sitz in Hongkong. Damit ist nach Art. 122 Abs. 1 IPRG das Recht von Hongkong anzuwenden. Ein eindeutig engerer Zusammenhang des Vertrags mit dem Schweizer Recht liegt nicht vor. Es kann damit offenbleiben, ob für eine Abweichung von der Anknüpfung Art. 15 IPRG oder Art. 117 Abs. 1 IPRG massgebend wäre. Die Vorinstanz hat somit Bundesrecht verletzt, indem sie Schweizer Recht angewendet hat. Der vorinstanzliche Entscheid ist daher aufzuheben und die Sache ist zu neuer Entscheidung auf der Basis des Rechts von Hongkong an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Inhalt des anzuwendenden ausländischen Rechts ist nach Art. 16 Abs. 1 IPRG BGE 140 III 473 S. 477 grundsätzlich von Amtes wegen festzustellen, der Nachweis kann aber bei vermögensrechtlichen Ansprüchen den Parteien überbunden werden.
Urteilskopf
69. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen B. Ltd. (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_256/2014 vom 8. September 2014
Regeste Art. 15, 117 und 122 IPRG ; anwendbares Recht; Übertragung von Patentanmeldungen. Bestimmung des anwendbaren Rechts. Auf Verträge über die Übertragung von Patentanmeldungen ist Art. 122 IPRG anwendbar. Offengelassen, ob für eine Abweichung von der in Art. 122 IPRG vorgesehenen Anknüpfung Art. 15 oder 117 Abs. 1 IPRG massgebend wäre (E. 2).
Regeste
Art. 15, 117 und 122 IPRG ; anwendbares Recht; Übertragung von Patentanmeldungen. Bestimmung des anwendbaren Rechts. Auf Verträge über die Übertragung von Patentanmeldungen ist Art. 122 IPRG anwendbar. Offengelassen, ob für eine Abweichung von der in Art. 122 IPRG vorgesehenen Anknüpfung Art. 15 oder 117 Abs. 1 IPRG massgebend wäre (E. 2).
Art. 15, 117 und 122 IPRG Bestimmung des anwendbaren Rechts. Auf Verträge über die Übertragung von Patentanmeldungen ist Art. 122 IPRG anwendbar. Offengelassen, ob für eine Abweichung von der in Art. 122 IPRG vorgesehenen Anknüpfung Art. 15 oder 117 Abs. 1 IPRG massgebend wäre (E. 2).
Art. 122 IPRG Art. 122 IPRG Art. 15 oder 117 Abs. 1 IPRG Sachverhalt ab Seite 473
Sachverhalt ab Seite 473 BGE 140 III 473 S. 473
BGE 140 III 473 S. 473
A. Vom 13. bis zum 17. Dezember 2008 trafen sich Vertreter der A. AG (Sitz in der Schweiz; Klägerin, Beschwerdeführerin) in Hongkong mit Vertretern der B. Ltd. (Sitz in Hongkong; Beklagte, Beschwerdegegnerin). Hintergrund des Treffens war ein Streit der Parteien über die Frage, wem zwei Patentanmeldungen betreffend Kaffeekapseln und eine Patentanmeldung betreffend einen Mechanismus zum Aufstechen der Kaffeekapseln zustehen würden. Als Inhaberin war in allen drei Patentanmeldungen die B. Ltd. angegeben.
A. Die Parteien sind sich nicht einig über das Ergebnis des Treffens in Hongkong. Die B. Ltd. macht geltend, die Parteien hätten sich darauf geeinigt, dass sie der A. AG die Patentanmeldung betreffend den Aufstechmechanismus abtrete und demgegenüber die BGE 140 III 473 S. 474 Patentanmeldungen betreffend die Kaffeekapseln behalte. Die A. AG bestreitet das Zustandekommen einer Vereinbarung. Am 19. Dezember 2008 trat die B. Ltd. der A. AG die Patentanmeldung betreffend den Aufstechmechanismus ab.
BGE 140 III 473 S. 474
B. Am 21. Juni 2010 reichte die A. AG beim Handelsgericht des Kantons Bern gegen die B. Ltd. Klage ein auf Abtretung der Patentanmeldungen betreffend die Kaffeekapseln. Das Handelsgericht beschränkte das Verfahren auf die Frage des Zustandekommens und des Inhalts der in der Zeit vom 13. bis zum 17. Dezember 2008 in Hongkong allenfalls getroffenen Vereinbarung der Parteien und auf deren allfällige rechtliche Bedeutung. Mit Entscheid vom 2. Juli 2013 wies das Handelsgericht des Kantons Bern die Klage ab.
B. C. Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 28. April 2014 beantragt die A. AG dem Bundesgericht, es sei das Urteil des Handelsgerichts aufzuheben und es sei die Klage gutzuheissen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an das Handelsgericht zurückzuweisen.
C. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut, hebt den vorinstanzlichen Entscheid auf und weist die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurück.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
2. Zwischen den Parteien ist umstritten, ob auf ihre Streitigkeit Schweizer Recht oder das Recht von Hongkong anwendbar sei. Da die Beschwerdeführerin ihren Sitz in U. (Schweiz) und die Beschwerdegegnerin den ihren in Hongkong hat, liegt ein internationaler Sachverhalt vor ( BGE 140 III 115 E. 3 S. 117; BGE 137 III 481 E. 2.1 S. 483). Das anwendbare Recht ist somit nach dem IPRG zu ermitteln ( Art. 1 Abs. 1 lit. b IPRG [SR 291]).
2. Art. 1 Abs. 1 lit. b IPRG 2.1 Die Vorinstanz hat ausgeführt, die Frage des Zustandekommens eines Vertrags sei nach der lex causae, d.h. nach dem auf den Vertrag anzuwendenden Recht zu beurteilen. Da die Parteien keine Rechtswahl getroffen hätten, unterstehe der Vertrag nach Art. 117 Abs. 1 IPRG dem Recht des Staates, mit dem er am engsten zusammenhänge. Nach Art. 117 Abs. 2 IPRG werde vermutet, der engste Zusammenhang bestehe mit dem Staat, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung erbringen solle, ihren gewöhnlichen Aufenthalt habe oder, wenn sie den Vertrag aufgrund einer beruflichen BGE 140 III 473 S. 475 oder gewerblichen Tätigkeit geschlossen habe, in dem sich ihre Niederlassung befinde. Eine charakteristische Leistung sei vorliegend nicht auszumachen. Massgebend sei somit jenes Recht, welches in Würdigung aller bei Vertragsabschluss erkennbarer Umstände am engsten mit dem Vertragsinhalt zusammenhänge. Gegenstand des in Hongkong allenfalls abgeschlossenen Vertrags seien drei Patentanmeldungen. Für alle drei Anmeldungen werde Schutz auf dem Gebiet der Schweiz beantragt, jedoch nur für zwei Anmeldungen gleichzeitig Schutz in China bzw. in Hongkong. Aufgrund des territorialen Schutzbereichs überwiege gesamtheitlich betrachtet der Zusammenhang mit der Schweiz, weshalb Schweizer Recht anwendbar sei.
2.1 Art. 117 Abs. 1 IPRG Art. 117 Abs. 2 IPRG BGE 140 III 473 S. 475
2.2 Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe durch die Anwendung von Schweizer Recht Art. 117 IPRG und Art. 9 BV verletzt. Da keine charakteristische Leistung auszumachen sei und kaum Indizien für die Wahl des anwendbaren Rechts ersichtlich seien, müsse auf den Ort abgestellt werden, an dem über mehrere Tage verhandelt worden sei. Entsprechend sei auf den angeblich geschlossenen Vertrag bzw. auf die Frage, ob ein solcher überhaupt geschlossen worden sei, das Recht von Hongkong anwendbar.
2.2 Art. 117 IPRG Art. 9 BV 2.3 Art. 116 f. IPRG regeln das auf Verträge anwendbare Recht im Allgemeinen. Für Verträge über Immaterialgüterrechte besteht jedoch mit Art. 122 IPRG eine Sonderbestimmung. Danach unterstehen solche Verträge dem Recht des Staates, in dem derjenige, der das Immaterialgüterrecht überträgt oder die Benutzung an ihm einräumt, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat ( Art. 122 Abs. 1 IPRG ). Für juristische Personen ist anstelle des gewöhnlichen Aufenthalts der Niederlassungsort massgebend (PHILIPPE DUCOR, in: Commentaire romand, Loi sur le droit international privé, Convention de Lugano, 2011, N. 7 zu Art. 122 IPRG ; JEGHER/VASELLA, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 3. Aufl. 2013, N. 16 zu Art. 122 IPRG ; SCHNYDER/DOSS, in: Internationales Privatrecht, 2. Aufl. 2012, N. 6 zu Art. 122 IPRG ; FRANK VISCHER, in: Zürcher Kommentar zum IPRG, 2. Aufl. 2004, N. 14 zu Art. 122 IPRG ). Dieser befindet sich in dem Staat, in dem der Sitz liegt ( Art. 21 Abs. 4 IPRG ).
2.3 Art. 122 IPRG Art. 122 Abs. 1 IPRG Art. 122 IPRG Art. 122 IPRG Art. 122 IPRG Art. 122 IPRG Art. 21 Abs. 4 IPRG Zu den Immaterialgüterrechten i.S. von Art. 122 IPRG gehören Patentrechte, aber auch bereits Rechte aus Schutzrechtsanmeldungen (JEGHER/VASELLA, a.a.O., N. 4 zu Art. 110 IPRG mit Hinweisen; SCHNYDER/DOSS, a.a.O., N. 2 zu Art. 122 IPRG ). Patent anmeldungen sind somit von dieser Bestimmung erfasst. Im Gegensatz zu Art. 110 IPRG, BGE 140 III 473 S. 476 der das Immaterialgüterstatut regelt, befasst sich Art. 122 IPRG mit dem Vertragsstatut. Dieses bestimmt u.a. über den Abschluss, Inhalt und die Gültigkeit eines Vertrags (DUCOR, a.a.O., N. 5 zu Art. 122 IPRG ; JEGHER/VASELLA, a.a.O., N. 13 zu Art. 122 IPRG ; SCHNYDER/DOSS, a.a.O., N. 5 zu Art. 122 IPRG ; VISCHER, a.a.O., N. 11 zu Art. 122 IPRG ).
Art. 122 IPRG Art. 110 IPRG Art. 122 IPRG Art. 110 IPRG BGE 140 III 473 S. 476
Art. 122 IPRG Art. 122 IPRG Art. 122 IPRG Art. 122 IPRG Art. 122 IPRG Eine Abweichung von der in Art. 122 IPRG vorgesehenen ordentlichen Anknüpfung ist gemäss Art. 15 Abs. 1 IPRG möglich, wennder Sachverhalt mit einem anderen Recht in viel engerem Zusammenhang steht (vgl. DUCOR, a.a.O., N. 8 ff. zu Art. 122 IPRG ; JEGHER/VASELLA, a.a.O., N. 15 zu Art. 122 IPRG mit Hinweisen; SCHNYDER/DOSS, a.a.O., N. 14 zu Art. 122 IPRG ). Teilweise wird vertreten, eine Korrektur der Anknüpfung habe über Art. 117 Abs. 1 IPRG zu erfolgen, wobei auch hier ein eindeutig engerer Zusammenhang mit einem anderen als dem nach Art. 122 Abs. 1 IPRG anwendbaren Recht gefordert wird (so etwa VISCHER, a.a.O., N. 18 zu Art. 122 IPRG ).
Art. 122 IPRG Art. 15 Abs. 1 IPRG Art. 122 IPRG Art. 122 IPRG Art. 122 IPRG Art. 117 Abs. 1 IPRG Art. 122 Abs. 1 IPRG Art. 122 IPRG 2.4 Mit dem von den Parteien in Hongkong allenfalls abgeschlossenen Vertrag sollte die Frage der Übertragung von drei Patentanmeldungen geregelt werden, als deren Inhaberin jeweils die Beschwerdegegnerin angegeben war. Patentanmeldungen stellen Immaterialgüterrechte i.S. von Art. 122 IPRG dar. Da vorliegend umstritten ist, ob ein Vertrag zwischen den Parteien zustande gekommen ist und gegebenenfalls mit welchem Inhalt, ist das Vertragsstatut nach Art. 122 IPRG und nicht das Immaterialgüterstatut nach Art. 110 IPRG anwendbar. Anwendbar ist mithin das Recht des Staates, in dem die Beschwerdegegnerin als die das Immaterialgüterrecht allenfalls übertragende Partei ihren Sitz hat. Die Beschwerdegegnerin hat und hatte auch im Zeitpunkt des allfälligen Vertragsschlusses ihren Sitz in Hongkong. Damit ist nach Art. 122 Abs. 1 IPRG das Recht von Hongkong anzuwenden. Ein eindeutig engerer Zusammenhang des Vertrags mit dem Schweizer Recht liegt nicht vor. Es kann damit offenbleiben, ob für eine Abweichung von der Anknüpfung Art. 15 IPRG oder Art. 117 Abs. 1 IPRG massgebend wäre.
2.4 Art. 122 IPRG Art. 122 IPRG Art. 110 IPRG Art. 122 Abs. 1 IPRG Art. 15 IPRG Art. 117 Abs. 1 IPRG Die Vorinstanz hat somit Bundesrecht verletzt, indem sie Schweizer Recht angewendet hat. Der vorinstanzliche Entscheid ist daher aufzuheben und die Sache ist zu neuer Entscheidung auf der Basis des Rechts von Hongkong an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Inhalt des anzuwendenden ausländischen Rechts ist nach Art. 16 Abs. 1 IPRG BGE 140 III 473 S. 477 grundsätzlich von Amtes wegen festzustellen, der Nachweis kann aber bei vermögensrechtlichen Ansprüchen den Parteien überbunden werden.
Art. 16 Abs. 1 IPRG BGE 140 III 473 S. 477
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Urteilskopf 140 III 477 70. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. SA gegen A. (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_74/2014 vom 28. August 2014 Regeste Art. 190 Abs. 3 IPRG ; zulässige Rügen bei der Anfechtung von Zwischenentscheiden. Zulässigkeit der Rügen nach Art. 190 Abs. 2 lit. c-e IPRG im Rahmen der Beschwerde gegen einen Zwischenentscheid über die Bestellung oder die Zuständigkeit des Schiedsgerichts (E. 3.1). Erwägungen ab Seite 477 BGE 140 III 477 S. 477 Aus den Erwägungen: 3. Die Beschwerdeführerin macht geltend, das Schiedsgericht habe sich zu Unrecht für zuständig erklärt, da keine gültige Schiedsvereinbarung vorliege ( Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG [SR 291]). 3.1 Das Bundesgericht prüft die Zuständigkeitsrüge nach Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG in rechtlicher Hinsicht frei, einschliesslich materieller Vorfragen, von deren Beantwortung die Zuständigkeit abhängt ( BGE 140 III 134 E. 3.1 mit Hinweisen). Demgegenüber überprüft es die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Schiedsentscheids auch im Rahmen der Zuständigkeitsrüge nur, wenn gegenüber diesen Sachverhaltsfeststellungen zulässige Rügen im Sinne von Art. 190 Abs. 2 IPRG vorgebracht oder ausnahmsweise Noven berücksichtigt werden ( BGE 138 III 29 E. 2.2.1 S. 34; BGE 134 III 565 E. 3.1 S. 567; BGE 133 III 139 E. 5 S. 141; je mit Hinweisen). Dies gilt auch bei der Beschwerde gegen den angefochtenen Zwischenentscheid über die Zuständigkeit des Schiedsgerichts. Vor- und BGE 140 III 477 S. 478 Zwischenentscheide können nach dem Wortlaut von Art. 190 Abs. 3 IPRG zwar nur aus den in Art. 190 Abs. 2 lit. a und b IPRG genannten Gründen angefochten werden, d.h. wegen rechtsfehlerhafter Bestellung (lit. a) oder unrichtiger Beurteilung der Zuständigkeit (lit. b) des Schiedsgerichts. Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, dass gerichtsorganisatorische Fragen ihrer Natur nach vor der Weiterführung des Verfahrens endgültig zu erledigen sind ( BGE 130 III 76 E. 3.2.1 S. 80, der in E. 4.6 bezeichnenderweise von einem Ausschluss von Rügen "ausserhalb des Zuständigkeits- und Organisationsbereichs" spricht; vgl. auch BGE 138 III 94 E. 2.1 mit Hinweisen). Daraus ergibt sich auch die Obliegenheit der Parteien, diese Rügen bereits mit einer Beschwerde gegen den ersten Vor- oder Zwischenentscheid vorzutragen, ansonsten die Einwände verwirken ( BGE 130 III 76 E. 3.2.1 S. 80). Der Zweck einer frühzeitigen und endgültigen Erledigung der gerichtsorganisatorischen Fragen der ordnungsgemässen Ernennung oder Zusammensetzung bzw. der schiedsgerichtlichen Zuständigkeit kann allerdings nur erreicht werden, wenn der bundesgerichtliche Beschwerdeentscheid darüber auf einem Tatsachenfundament gefällt wird, das später nicht mehr in Frage gestellt werden kann. Wird nach Art. 190 Abs. 2 lit. a und b IPRG die vorschriftswidrige Bestellung oder eine unrichtige Beurteilung der Zuständigkeit gerügt, muss den Parteien gegenüber den tatsächlichen Feststellungen, auf deren Grundlage das Schiedsgericht seine ordnungsgemässe Bestellung oder seine Zuständigkeit bejaht hat, auch die Rüge offenstehen, diese beruhten auf einer Verletzung der in Art. 190 Abs. 2 IPRG vorgesehenen Verfahrensrechte, wie etwa des rechtlichen Gehörs oder des Grundsatzes der Gleichbehandlung (lit. d). Andernfalls würde in Kauf genommen, dass das Bundesgericht seinen Entscheid über die Bestellung oder die Zuständigkeit unter Umständen auf Grundlage eines Sachverhalts fällen müsste, der vom Schiedsgericht in Verletzung dieser Verfahrensgarantien festgestellt wurde. Auf diese Weise könnte etwa eine Gutheissung des Beschwerdeantrags, es sei der die Zuständigkeit bejahende Zwischenentscheid aufzuheben und die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts festzustellen, aus rein (zuständigkeits-) rechtlichen Gründen erfolgen, ohne dass sich die Gegenseite je gegen eine allfällige Gehörsverletzung bei der Sachverhaltsermittlung hätte zur Wehr setzen können. Im Falle einer Beschwerdeabweisung wäre die Gehörsrüge nur aufgeschoben und gegen den ersten Teil- bzw. den Endschiedsspruch zu erheben, womit gegebenenfalls BGE 140 III 477 S. 479 am Ende des Schiedsverfahrens einmal mehr Zuständigkeitsfragen beurteilt werden müssten. Dies würde dem Zweck von Art. 190 Abs. 3 IPRG, diese Fragen sogleich und abschliessend zu klären, widersprechen. Auch die Beschwerde gegen einen Vor- oder Zwischenentscheid wegen vorschriftswidriger Ernennung des Einzelschiedsrichters oder vorschriftswidriger Zusammensetzung ( Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG ) bzw. wegen fehlender Zuständigkeit des Schiedsgerichts ( Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG ) ist vom Bundesgericht auf Grundlage von schiedsgerichtlichen Sachverhaltsfeststellungen zu beurteilen, die allfälligen Vorwürfen einer Verletzung fundamentaler Verfahrensrechte standhalten. Im Rahmen einer solchen Beschwerde können daher auch die weiteren Rügen nach Art. 190 Abs. 2 IPRG erhoben werden, sofern sie mit der Bestellung bzw. der Zuständigkeit zusammenhängen (gl.M. BERGER/KELLERHALS, International and Domestic Arbitration in Switzerland, 2. Aufl. 2010, Rz. 1537; KAUFMANN-KOHLER/RIGOZZI, Arbitrage international, 2. Aufl. 2010, Rz. 717; ERICH TAGWERKER, Zur Anfechtung schiedsgerichtlicher Vor- und Zwischenentscheide nach Art. 190 IPRG, 2009, S. 34 ff.; SÉBASTIEN BESSON, Le recours contre la sentence arbitrale internationale selon la nouvelle LTF, Bulletin ASA 2007 S. 9 Fn. 24; ANDREAS BUCHER, in: Commentaire romand, Loi sur le droit international privé, Convention de Lugano, 2011, N. 20 zu Art. 190 IPRG ; MATTHIAS LEEMANN, Challenging international arbitration awards in Switzerland on the ground of a lack of independence and impartiality of an arbitrator, Bulletin ASA 2011 S. 18 f.; CHRISTIAN LUCZAK, Beschwerde gegen Schiedsgerichtsentscheide, in: Prozessieren vor Bundesgericht, 3. Aufl. 2011, Rz. 6.24; vgl. zu der Art. 190 Abs. 3 IPRG entsprechenden Bestimmung von Art. 392 lit. b ZPO DIETER GRÄNICHER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Thomas Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 25 zu Art. 392 ZPO ; MICHAEL MRÁZ, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 14 zu Art. 392 ZPO ; MARUGG/NEUKOM CHANEY, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2014, N. 23 zu Art. 392 ZPO ; a.M. STEFANIE PFISTERER, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 3. Aufl. 2013, N. 90 zu Art. 190 IPRG ). Solche Rügen sind jedoch strikte auf Punkte zu beschränken, die unmittelbar die Bestellung oder die Zuständigkeit des Schiedsgerichts betreffen; ansonsten sind sie unzulässig und es ist darauf nicht einzutreten. BGE 140 III 477 S. 480 Die von der Beschwerdeführerin erhobenen Rügen, das Schiedsgericht habe im Rahmen der Sachverhaltsfeststellung seiner Zuständigkeitsentscheidung den Grundsatz der Gleichbehandlung der Parteien und den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt ( Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG ), sind demnach zulässig.
Urteilskopf
70. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. SA gegen A. (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_74/2014 vom 28. August 2014
Regeste Art. 190 Abs. 3 IPRG ; zulässige Rügen bei der Anfechtung von Zwischenentscheiden. Zulässigkeit der Rügen nach Art. 190 Abs. 2 lit. c-e IPRG im Rahmen der Beschwerde gegen einen Zwischenentscheid über die Bestellung oder die Zuständigkeit des Schiedsgerichts (E. 3.1).
Regeste
Art. 190 Abs. 3 IPRG ; zulässige Rügen bei der Anfechtung von Zwischenentscheiden. Zulässigkeit der Rügen nach Art. 190 Abs. 2 lit. c-e IPRG im Rahmen der Beschwerde gegen einen Zwischenentscheid über die Bestellung oder die Zuständigkeit des Schiedsgerichts (E. 3.1).
Art. 190 Abs. 3 IPRG Zulässigkeit der Rügen nach Art. 190 Abs. 2 lit. c-e IPRG im Rahmen der Beschwerde gegen einen Zwischenentscheid über die Bestellung oder die Zuständigkeit des Schiedsgerichts (E. 3.1).
Art. 190 Abs. 2 lit. c-e IPRG Erwägungen ab Seite 477
Erwägungen ab Seite 477 BGE 140 III 477 S. 477
BGE 140 III 477 S. 477
Aus den Erwägungen:
3. Die Beschwerdeführerin macht geltend, das Schiedsgericht habe sich zu Unrecht für zuständig erklärt, da keine gültige Schiedsvereinbarung vorliege ( Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG [SR 291]).
3. Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG 3.1 Das Bundesgericht prüft die Zuständigkeitsrüge nach Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG in rechtlicher Hinsicht frei, einschliesslich materieller Vorfragen, von deren Beantwortung die Zuständigkeit abhängt ( BGE 140 III 134 E. 3.1 mit Hinweisen). Demgegenüber überprüft es die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Schiedsentscheids auch im Rahmen der Zuständigkeitsrüge nur, wenn gegenüber diesen Sachverhaltsfeststellungen zulässige Rügen im Sinne von Art. 190 Abs. 2 IPRG vorgebracht oder ausnahmsweise Noven berücksichtigt werden ( BGE 138 III 29 E. 2.2.1 S. 34; BGE 134 III 565 E. 3.1 S. 567; BGE 133 III 139 E. 5 S. 141; je mit Hinweisen).
3.1 Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG Art. 190 Abs. 2 IPRG Dies gilt auch bei der Beschwerde gegen den angefochtenen Zwischenentscheid über die Zuständigkeit des Schiedsgerichts. Vor- und BGE 140 III 477 S. 478 Zwischenentscheide können nach dem Wortlaut von Art. 190 Abs. 3 IPRG zwar nur aus den in Art. 190 Abs. 2 lit. a und b IPRG genannten Gründen angefochten werden, d.h. wegen rechtsfehlerhafter Bestellung (lit. a) oder unrichtiger Beurteilung der Zuständigkeit (lit. b) des Schiedsgerichts. Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, dass gerichtsorganisatorische Fragen ihrer Natur nach vor der Weiterführung des Verfahrens endgültig zu erledigen sind ( BGE 130 III 76 E. 3.2.1 S. 80, der in E. 4.6 bezeichnenderweise von einem Ausschluss von Rügen "ausserhalb des Zuständigkeits- und Organisationsbereichs" spricht; vgl. auch BGE 138 III 94 E. 2.1 mit Hinweisen). Daraus ergibt sich auch die Obliegenheit der Parteien, diese Rügen bereits mit einer Beschwerde gegen den ersten Vor- oder Zwischenentscheid vorzutragen, ansonsten die Einwände verwirken ( BGE 130 III 76 E. 3.2.1 S. 80).
BGE 140 III 477 S. 478
Art. 190 Abs. 3 IPRG Art. 190 Abs. 2 lit. a und b IPRG Der Zweck einer frühzeitigen und endgültigen Erledigung der gerichtsorganisatorischen Fragen der ordnungsgemässen Ernennung oder Zusammensetzung bzw. der schiedsgerichtlichen Zuständigkeit kann allerdings nur erreicht werden, wenn der bundesgerichtliche Beschwerdeentscheid darüber auf einem Tatsachenfundament gefällt wird, das später nicht mehr in Frage gestellt werden kann. Wird nach Art. 190 Abs. 2 lit. a und b IPRG die vorschriftswidrige Bestellung oder eine unrichtige Beurteilung der Zuständigkeit gerügt, muss den Parteien gegenüber den tatsächlichen Feststellungen, auf deren Grundlage das Schiedsgericht seine ordnungsgemässe Bestellung oder seine Zuständigkeit bejaht hat, auch die Rüge offenstehen, diese beruhten auf einer Verletzung der in Art. 190 Abs. 2 IPRG vorgesehenen Verfahrensrechte, wie etwa des rechtlichen Gehörs oder des Grundsatzes der Gleichbehandlung (lit. d). Andernfalls würde in Kauf genommen, dass das Bundesgericht seinen Entscheid über die Bestellung oder die Zuständigkeit unter Umständen auf Grundlage eines Sachverhalts fällen müsste, der vom Schiedsgericht in Verletzung dieser Verfahrensgarantien festgestellt wurde. Auf diese Weise könnte etwa eine Gutheissung des Beschwerdeantrags, es sei der die Zuständigkeit bejahende Zwischenentscheid aufzuheben und die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts festzustellen, aus rein (zuständigkeits-) rechtlichen Gründen erfolgen, ohne dass sich die Gegenseite je gegen eine allfällige Gehörsverletzung bei der Sachverhaltsermittlung hätte zur Wehr setzen können. Im Falle einer Beschwerdeabweisung wäre die Gehörsrüge nur aufgeschoben und gegen den ersten Teil- bzw. den Endschiedsspruch zu erheben, womit gegebenenfalls BGE 140 III 477 S. 479 am Ende des Schiedsverfahrens einmal mehr Zuständigkeitsfragen beurteilt werden müssten. Dies würde dem Zweck von Art. 190 Abs. 3 IPRG, diese Fragen sogleich und abschliessend zu klären, widersprechen.
Art. 190 Abs. 2 lit. a und b IPRG Art. 190 Abs. 2 IPRG BGE 140 III 477 S. 479
Art. 190 Abs. 3 IPRG Auch die Beschwerde gegen einen Vor- oder Zwischenentscheid wegen vorschriftswidriger Ernennung des Einzelschiedsrichters oder vorschriftswidriger Zusammensetzung ( Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG ) bzw. wegen fehlender Zuständigkeit des Schiedsgerichts ( Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG ) ist vom Bundesgericht auf Grundlage von schiedsgerichtlichen Sachverhaltsfeststellungen zu beurteilen, die allfälligen Vorwürfen einer Verletzung fundamentaler Verfahrensrechte standhalten. Im Rahmen einer solchen Beschwerde können daher auch die weiteren Rügen nach Art. 190 Abs. 2 IPRG erhoben werden, sofern sie mit der Bestellung bzw. der Zuständigkeit zusammenhängen (gl.M. BERGER/KELLERHALS, International and Domestic Arbitration in Switzerland, 2. Aufl. 2010, Rz. 1537; KAUFMANN-KOHLER/RIGOZZI, Arbitrage international, 2. Aufl. 2010, Rz. 717; ERICH TAGWERKER, Zur Anfechtung schiedsgerichtlicher Vor- und Zwischenentscheide nach Art. 190 IPRG, 2009, S. 34 ff.; SÉBASTIEN BESSON, Le recours contre la sentence arbitrale internationale selon la nouvelle LTF, Bulletin ASA 2007 S. 9 Fn. 24; ANDREAS BUCHER, in: Commentaire romand, Loi sur le droit international privé, Convention de Lugano, 2011, N. 20 zu Art. 190 IPRG ; MATTHIAS LEEMANN, Challenging international arbitration awards in Switzerland on the ground of a lack of independence and impartiality of an arbitrator, Bulletin ASA 2011 S. 18 f.; CHRISTIAN LUCZAK, Beschwerde gegen Schiedsgerichtsentscheide, in: Prozessieren vor Bundesgericht, 3. Aufl. 2011, Rz. 6.24; vgl. zu der Art. 190 Abs. 3 IPRG entsprechenden Bestimmung von Art. 392 lit. b ZPO DIETER GRÄNICHER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Thomas Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 25 zu Art. 392 ZPO ; MICHAEL MRÁZ, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 14 zu Art. 392 ZPO ; MARUGG/NEUKOM CHANEY, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2014, N. 23 zu Art. 392 ZPO ; a.M. STEFANIE PFISTERER, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 3. Aufl. 2013, N. 90 zu Art. 190 IPRG ). Solche Rügen sind jedoch strikte auf Punkte zu beschränken, die unmittelbar die Bestellung oder die Zuständigkeit des Schiedsgerichts betreffen; ansonsten sind sie unzulässig und es ist darauf nicht einzutreten. BGE 140 III 477 S. 480
Art. 190 Abs. 2 lit. a IPRG Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG Art. 190 Abs. 2 IPRG Art. 190 IPRG Art. 190 IPRG Art. 190 Abs. 3 IPRG Art. 392 lit. b ZPO Art. 392 ZPO Art. 392 ZPO Art. 392 ZPO Art. 190 IPRG BGE 140 III 477 S. 480
Die von der Beschwerdeführerin erhobenen Rügen, das Schiedsgericht habe im Rahmen der Sachverhaltsfeststellung seiner Zuständigkeitsentscheidung den Grundsatz der Gleichbehandlung der Parteien und den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt ( Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG ), sind demnach zulässig.
Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG
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Urteilskopf 140 III 481 71. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y. AG (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_508/2014 vom 19. September 2014 Regeste Art. 2 ZGB ; rechtsmissbräuchliche Betreibung? Betreibungsbegehren, das der Betreibende drei Tage vor den Vergleichsverhandlungen stellt, die er selbst initiiert und für die er den Rückzug einer früheren Betreibung in Aussicht gestellt hat (E. 2). Sachverhalt ab Seite 481 BGE 140 III 481 S. 481 A. X. leitete am 7. Februar 2014 eine Betreibung gegen die Y. AG ein. Dabei machte er einen Schadenersatzanspruch in der Höhe von Fr. 1'392'000.- nebst Zins zu 3,5 % seit dem 11. Februar 2014 geltend. Am 10. Februar 2014 stellte das Betreibungsamt Bern-Mittelland den Zahlungsbefehl aus (Betreibung Nr. x). Dieser wurde der Y. AG am 13. Februar 2014 zugestellt. Am 14. Februar 2014 erhob die Y. AG Rechtsvorschlag. Am 20. Februar 2014 gelangte sie an das Obergericht des Kantons Bern als Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen und beantragte, die Verfügung des Betreibungsamts Bern-Mittelland vom 10. Februar 2014 für nichtig zu BGE 140 III 481 S. 482 erklären, eventualiter aufzuheben. Das Betreibungsamt sei anzuweisen, den Eintrag in der Betreibungssache Nr. x aus dem Betreibungsregister zu löschen. Am 10. Juli 2014 hiess das Obergericht des Kantons Bern die Beschwerde unter Hinweis auf die Rechtsmissbräuchlichkeit der erfolgten Betreibung gut. B. Mit Eingabe in italienischer Sprache vom 20. Juni 2014 wendet sich X. (Beschwerdeführer) an das Bundesgericht. Er verlangt, den Entscheid des Obergerichts aufzuheben und den Zahlungsbefehl in der Betreibung Nr. x für gültig zu erklären und im Betreibungsregister eingetragen zu lassen. Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten, aber keine Vernehmlassungen eingeholt. Es weist die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Einzig umstritten ist die Frage, ob der Beschwerdeführer die Betreibung Nr. x rechtsmissbräuchlich angestrengt hat. Die Vorinstanz ist dieser Meinung. Sie begründet ihren Standpunkt damit, dass der Beschwerdeführer am 7. Februar 2014, als er die Betreibung anhob, Vergleichsverhandlungen mit der Betriebenen geführt habe. Inhalt dieser Vergleichsverhandlungen sei der mögliche Rückzug eines früheren Betreibungsbegehrens des Beschwerdeführers in gleicher Sache (Betreibung Nr. y des Betreibungsamts Bern-Mittelland) gewesen. Dieses frühere Betreibungsbegehren sei der Grund gewesen, weshalb die Betriebene nicht nur Rechtsvorschlag erhoben, sondern gegen den Beschwerdeführer eine - soweit ersichtlich - nach wie vor hängige negative Feststellungsklage an seinem Wohnsitz im Kanton A. angestrengt habe. 2.2 Der Beschwerdeführer bestreitet, rechtsmissbräuchlich gehandelt zu haben. Er ist der Meinung, dass ihm die Betriebene den in Betreibung gesetzten Betrag schulde, weil sie ihrem Bewachungsauftrag im Zusammenhang mit dem Betrieb des Asylzentrums in B. nicht nachgekommen und er deshalb zu Schaden gekommen sei. Der Zahlungsbefehl verfolge damit keine sachfremden Zwecke. 2.3 2.3.1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln ( Art. 2 Abs. 1 ZGB ). Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz ( Art. 2 Abs. 2 ZGB ). Nach der Rechtsprechung, die das BGE 140 III 481 S. 483 Obergericht richtig wiedergibt, ist eine Betreibung nur in Ausnahmefällen wegen Rechtsmissbrauchs nichtig. Rechtsmissbräuchlich verhält sich der Gläubiger, wenn er mit der Betreibung offensichtlich Ziele verfolgt, die nicht das Geringste mit der Zwangsvollstreckung zu tun haben. Allerdings steht es weder dem Betreibungsamt noch der Aufsichtsbehörde zu, die Begründetheit der in Betreibung gesetzten Forderung zu beurteilen. Deshalb darf sich der Vorwurf des Schuldners auch nicht darin erschöpfen, dass der umstrittene Anspruch rechtsmissbräuchlich erhoben werde (s. BGE 113 III 2 E. 2b S. 3 ff.). Rechtsmissbräuchlich und deswegen nichtig kann eine Betreibung demgegenüber dann sein, wenn der Betreibende bloss die Kreditwürdigkeit eines (angeblichen) Schuldners schädigen will, wenn er in schikanöser Weise einen völlig übersetzten Betrag in Betreibung setzt ( BGE 130 II 270 E. 3.2.2 S. 278; BGE 115 III 18 E. 3b S. 21). 2.3.2 Der Sache nach geht es dem Beschwerdeführer zumindest vordergründig darum, von der Betriebenen Schadenersatz und Genugtuung für erlittene seelische Unbill zu erhalten. Allein unter diesem Blickwinkel kann in der Tat nicht gesagt werden, seine Vorgehensweise habe mit der Zwangsvollstreckung nicht das Geringste zu tun. Insbesondere ist es ihm auch nicht verwehrt, die tatsächliche oder vermeintliche Schuldnerin ein zweites Mal zu betreiben, wenn diese gegen einen ersten Zahlungsbefehl Rechtsvorschlag erhoben hat. Trotzdem hält die Einschätzung der Vorinstanz, der Beschwerdeführer habe sich rechtsmissbräuchlich verhalten, vor Bundesrecht stand. Die Ausübung eines Rechts ist nämlich auch dann rechtsmissbräuchlich, wenn damit aufgrund früheren Verhaltens legitime Erwartungen der anderen Seite enttäuscht werden (venire contra factum proprium; BGE 133 III 61 E. 4.1 S. 76; BGE 130 III 113 E. 4.2 S. 123; BGE 129 III 493 E. 5.1 S. 497; je mit Hinweisen). Ein Verschulden jener Partei, die sich widersprüchlich verhält, ist dabei nicht erforderlich. Vielmehr genügt es, wenn aus objektiver Sicht Erwartungen zunächst geweckt und anschliessend enttäuscht werden (HAUSHEER/AEBI-MÜLLER, Berner Kommentar, 2012, N. 269 zu Art. 2 ZGB ). 2.3.3 Im konkreten Fall führte der Beschwerdeführer mit der Betriebenen Vergleichsverhandlungen, die er selbst angestrengt hatte. Im Hinblick auf den Verhandlungstermin vom 10. Februar 2014 vor dem zuständigen Gericht stellte er der Betriebenen den Rückzug seiner früheren Betreibung Nr. y in Aussicht, in der das Betreibungsamt Bern-Mittelland den Zahlungsbefehl am 10. Februar 2012 ausgestellt hatte. Es verstösst gegen Treu und Glauben und ist BGE 140 III 481 S. 484 rechtsmissbräuchlich, wenn der Beschwerdeführer am 7. Februar 2014 und damit gerade einmal drei Tage vor dem besagten Verhandlungstermin ein zweites Betreibungsbegehren stellt. Eine solche Verhaltensweise lässt die laufenden Vergleichsverhandlungen und den angestrebten Vergleich in Bezug auf den Rückzug des ersten Betreibungsbegehrens als sinnlos erscheinen. Daran ändert nichts, dass im zweiten Betreibungsbegehren ein höherer Forderungsbetrag genannt wird (Fr. 1'392'000.- gegenüber Fr. 1'000'000.-). In der Sache beruft sich der Beschwerdeführer für seine angebliche Forderung, was von keiner Seite bestritten wird, auf den gleichen Lebenssachverhalt und auf die gleiche rechtliche Grundlage. 2.4 Am rechtsmissbräuchlichen Charakter der heute zu beurteilenden zweiten Betreibung ändert auch die Tatsache nichts, dass das Betreibungsamt Bern-Mittelland den Rechtsmissbrauch nicht ohne weiteres erkennen konnte, wie es in seiner Vernehmlassung an die Vorinstanz selbst ausführte. Das Verfahren vor der Aufsichtsbehörde ist kontradiktorischer Natur und unterscheidet sich damit vom Verfahren vor dem Betreibungsamt (vgl. BGE 140 III 175 E. 4.3 S. 178 f.). Dies bringt es mit sich, dass die Rechtsmissbräuchlichkeit möglicherweise erst von der Beschwerdeinstanz erkannt wird. Allein die Tatsache, dass die Vorinstanz das Betreibungsbegehren als rechtsmissbräuchlich bezeichnet, bedeutet deshalb nicht, dass bereits das Betreibungsamt dies hätte bemerken müssen. Im Übrigen hat das Betreibungsamt die Möglichkeit, seine nichtige Verfügung durch den Erlass einer neuen Verfügung zu ersetzen, wenn es vom wahren Sachverhalt Kenntnis erhält. Ist in diesem Moment bereits ein Verfahren bei der Aufsichtsbehörde hängig, so steht dem Amt diese Befugnis immerhin bis zur Vernehmlassung zu ( Art. 22 Abs. 2 SchKG ).
Urteilskopf
71. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y. AG (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_508/2014 vom 19. September 2014
Regeste Art. 2 ZGB ; rechtsmissbräuchliche Betreibung? Betreibungsbegehren, das der Betreibende drei Tage vor den Vergleichsverhandlungen stellt, die er selbst initiiert und für die er den Rückzug einer früheren Betreibung in Aussicht gestellt hat (E. 2).
Regeste
Art. 2 ZGB ; rechtsmissbräuchliche Betreibung? Betreibungsbegehren, das der Betreibende drei Tage vor den Vergleichsverhandlungen stellt, die er selbst initiiert und für die er den Rückzug einer früheren Betreibung in Aussicht gestellt hat (E. 2).
Art. 2 ZGB Betreibungsbegehren, das der Betreibende drei Tage vor den Vergleichsverhandlungen stellt, die er selbst initiiert und für die er den Rückzug einer früheren Betreibung in Aussicht gestellt hat (E. 2).
Sachverhalt ab Seite 481
Sachverhalt ab Seite 481 BGE 140 III 481 S. 481
BGE 140 III 481 S. 481
A. X. leitete am 7. Februar 2014 eine Betreibung gegen die Y. AG ein. Dabei machte er einen Schadenersatzanspruch in der Höhe von Fr. 1'392'000.- nebst Zins zu 3,5 % seit dem 11. Februar 2014 geltend. Am 10. Februar 2014 stellte das Betreibungsamt Bern-Mittelland den Zahlungsbefehl aus (Betreibung Nr. x). Dieser wurde der Y. AG am 13. Februar 2014 zugestellt. Am 14. Februar 2014 erhob die Y. AG Rechtsvorschlag. Am 20. Februar 2014 gelangte sie an das Obergericht des Kantons Bern als Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen und beantragte, die Verfügung des Betreibungsamts Bern-Mittelland vom 10. Februar 2014 für nichtig zu BGE 140 III 481 S. 482 erklären, eventualiter aufzuheben. Das Betreibungsamt sei anzuweisen, den Eintrag in der Betreibungssache Nr. x aus dem Betreibungsregister zu löschen. Am 10. Juli 2014 hiess das Obergericht des Kantons Bern die Beschwerde unter Hinweis auf die Rechtsmissbräuchlichkeit der erfolgten Betreibung gut.
A. BGE 140 III 481 S. 482
B. Mit Eingabe in italienischer Sprache vom 20. Juni 2014 wendet sich X. (Beschwerdeführer) an das Bundesgericht. Er verlangt, den Entscheid des Obergerichts aufzuheben und den Zahlungsbefehl in der Betreibung Nr. x für gültig zu erklären und im Betreibungsregister eingetragen zu lassen. Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten, aber keine Vernehmlassungen eingeholt. Es weist die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist.
B. Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
2.
2. 2.1 Einzig umstritten ist die Frage, ob der Beschwerdeführer die Betreibung Nr. x rechtsmissbräuchlich angestrengt hat. Die Vorinstanz ist dieser Meinung. Sie begründet ihren Standpunkt damit, dass der Beschwerdeführer am 7. Februar 2014, als er die Betreibung anhob, Vergleichsverhandlungen mit der Betriebenen geführt habe. Inhalt dieser Vergleichsverhandlungen sei der mögliche Rückzug eines früheren Betreibungsbegehrens des Beschwerdeführers in gleicher Sache (Betreibung Nr. y des Betreibungsamts Bern-Mittelland) gewesen. Dieses frühere Betreibungsbegehren sei der Grund gewesen, weshalb die Betriebene nicht nur Rechtsvorschlag erhoben, sondern gegen den Beschwerdeführer eine - soweit ersichtlich - nach wie vor hängige negative Feststellungsklage an seinem Wohnsitz im Kanton A. angestrengt habe.
2.1 2.2 Der Beschwerdeführer bestreitet, rechtsmissbräuchlich gehandelt zu haben. Er ist der Meinung, dass ihm die Betriebene den in Betreibung gesetzten Betrag schulde, weil sie ihrem Bewachungsauftrag im Zusammenhang mit dem Betrieb des Asylzentrums in B. nicht nachgekommen und er deshalb zu Schaden gekommen sei. Der Zahlungsbefehl verfolge damit keine sachfremden Zwecke.
2.2 2.3
2.3 2.3.1 Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln ( Art. 2 Abs. 1 ZGB ). Der offenbare Missbrauch eines Rechtes findet keinen Rechtsschutz ( Art. 2 Abs. 2 ZGB ). Nach der Rechtsprechung, die das BGE 140 III 481 S. 483 Obergericht richtig wiedergibt, ist eine Betreibung nur in Ausnahmefällen wegen Rechtsmissbrauchs nichtig. Rechtsmissbräuchlich verhält sich der Gläubiger, wenn er mit der Betreibung offensichtlich Ziele verfolgt, die nicht das Geringste mit der Zwangsvollstreckung zu tun haben. Allerdings steht es weder dem Betreibungsamt noch der Aufsichtsbehörde zu, die Begründetheit der in Betreibung gesetzten Forderung zu beurteilen. Deshalb darf sich der Vorwurf des Schuldners auch nicht darin erschöpfen, dass der umstrittene Anspruch rechtsmissbräuchlich erhoben werde (s. BGE 113 III 2 E. 2b S. 3 ff.). Rechtsmissbräuchlich und deswegen nichtig kann eine Betreibung demgegenüber dann sein, wenn der Betreibende bloss die Kreditwürdigkeit eines (angeblichen) Schuldners schädigen will, wenn er in schikanöser Weise einen völlig übersetzten Betrag in Betreibung setzt ( BGE 130 II 270 E. 3.2.2 S. 278; BGE 115 III 18 E. 3b S. 21).
2.3.1 Art. 2 Abs. 1 ZGB Art. 2 Abs. 2 ZGB BGE 140 III 481 S. 483
2.3.2 Der Sache nach geht es dem Beschwerdeführer zumindest vordergründig darum, von der Betriebenen Schadenersatz und Genugtuung für erlittene seelische Unbill zu erhalten. Allein unter diesem Blickwinkel kann in der Tat nicht gesagt werden, seine Vorgehensweise habe mit der Zwangsvollstreckung nicht das Geringste zu tun. Insbesondere ist es ihm auch nicht verwehrt, die tatsächliche oder vermeintliche Schuldnerin ein zweites Mal zu betreiben, wenn diese gegen einen ersten Zahlungsbefehl Rechtsvorschlag erhoben hat. Trotzdem hält die Einschätzung der Vorinstanz, der Beschwerdeführer habe sich rechtsmissbräuchlich verhalten, vor Bundesrecht stand. Die Ausübung eines Rechts ist nämlich auch dann rechtsmissbräuchlich, wenn damit aufgrund früheren Verhaltens legitime Erwartungen der anderen Seite enttäuscht werden (venire contra factum proprium; BGE 133 III 61 E. 4.1 S. 76; BGE 130 III 113 E. 4.2 S. 123; BGE 129 III 493 E. 5.1 S. 497; je mit Hinweisen). Ein Verschulden jener Partei, die sich widersprüchlich verhält, ist dabei nicht erforderlich. Vielmehr genügt es, wenn aus objektiver Sicht Erwartungen zunächst geweckt und anschliessend enttäuscht werden (HAUSHEER/AEBI-MÜLLER, Berner Kommentar, 2012, N. 269 zu Art. 2 ZGB ).
2.3.2 Art. 2 ZGB 2.3.3 Im konkreten Fall führte der Beschwerdeführer mit der Betriebenen Vergleichsverhandlungen, die er selbst angestrengt hatte. Im Hinblick auf den Verhandlungstermin vom 10. Februar 2014 vor dem zuständigen Gericht stellte er der Betriebenen den Rückzug seiner früheren Betreibung Nr. y in Aussicht, in der das Betreibungsamt Bern-Mittelland den Zahlungsbefehl am 10. Februar 2012 ausgestellt hatte. Es verstösst gegen Treu und Glauben und ist BGE 140 III 481 S. 484 rechtsmissbräuchlich, wenn der Beschwerdeführer am 7. Februar 2014 und damit gerade einmal drei Tage vor dem besagten Verhandlungstermin ein zweites Betreibungsbegehren stellt. Eine solche Verhaltensweise lässt die laufenden Vergleichsverhandlungen und den angestrebten Vergleich in Bezug auf den Rückzug des ersten Betreibungsbegehrens als sinnlos erscheinen. Daran ändert nichts, dass im zweiten Betreibungsbegehren ein höherer Forderungsbetrag genannt wird (Fr. 1'392'000.- gegenüber Fr. 1'000'000.-). In der Sache beruft sich der Beschwerdeführer für seine angebliche Forderung, was von keiner Seite bestritten wird, auf den gleichen Lebenssachverhalt und auf die gleiche rechtliche Grundlage.
2.3.3 BGE 140 III 481 S. 484
2.4 Am rechtsmissbräuchlichen Charakter der heute zu beurteilenden zweiten Betreibung ändert auch die Tatsache nichts, dass das Betreibungsamt Bern-Mittelland den Rechtsmissbrauch nicht ohne weiteres erkennen konnte, wie es in seiner Vernehmlassung an die Vorinstanz selbst ausführte. Das Verfahren vor der Aufsichtsbehörde ist kontradiktorischer Natur und unterscheidet sich damit vom Verfahren vor dem Betreibungsamt (vgl. BGE 140 III 175 E. 4.3 S. 178 f.). Dies bringt es mit sich, dass die Rechtsmissbräuchlichkeit möglicherweise erst von der Beschwerdeinstanz erkannt wird. Allein die Tatsache, dass die Vorinstanz das Betreibungsbegehren als rechtsmissbräuchlich bezeichnet, bedeutet deshalb nicht, dass bereits das Betreibungsamt dies hätte bemerken müssen. Im Übrigen hat das Betreibungsamt die Möglichkeit, seine nichtige Verfügung durch den Erlass einer neuen Verfügung zu ersetzen, wenn es vom wahren Sachverhalt Kenntnis erhält. Ist in diesem Moment bereits ein Verfahren bei der Aufsichtsbehörde hängig, so steht dem Amt diese Befugnis immerhin bis zur Vernehmlassung zu ( Art. 22 Abs. 2 SchKG ).
2.4 Art. 22 Abs. 2 SchKG
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Urteilskopf 140 III 485 72. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y. (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_798/2013 vom 21. August 2014 Regeste Vorsorgliche Massnahmen im Scheidungsverfahren; Ehegattenunterhalt; Sparquote ( Art. 276 ZPO ; Art. 163 und 176 ZGB ; Art. 9 BV ). Anforderungen an den Nachweis der Sparquote. Deren Berücksichtigung setzt insbesondere eine konkrete Berechnung des Bedarfs der Ehegatten während des Zusammenlebens bzw. der beiden Haushalte nach Aufhebung des gemeinsamen ehelichen Haushalts voraus. Wird der Bedarf nicht konkret berechnet, sondern auf die zweistufige Methode der Existenzminimumsberechnung mit Überschussverteilung zurückgegriffen, ist die Berücksichtigung einer behaupteten, aber weder im Grundsatz noch betragsmässig glaubhaft gemachten Sparquote willkürlich (E. 3). Willkür im Ergebnis im konkreten Fall bejaht (E. 4.5). Sachverhalt ab Seite 486 BGE 140 III 485 S. 486 A. X. (Ehefrau) und Y. (Ehemann) führen ein Scheidungsverfahren. Der Amtsgerichtspräsident verpflichtete den Ehemann im Rahmen vorsorglicher Massnahmen, der Ehefrau rückwirkend ab 1. Mai 2012 an den Unterhalt der drei Töchter monatlich vorauszahlbare Unterhaltsbeiträge von je Fr. 1'880.- zuzüglich Kinderzulagen zu bezahlen (Ziffer 3.4); ferner verhielt er ihn dazu, an den Unterhalt der Ehefrau persönlich rückwirkend ab 1. Mai 2012 einen monatlich vorauszahlbaren Beitrag von Fr. 2'373.- zu entrichten, wobei mit Bezug auf beide Unterhaltsbeiträge bereits geleistete Zahlungen angerechnet werden können (Ziffer 3.6). B. Das Obergericht des Kantons Solothurn hiess die Berufungen der Parteien teilweise gut und verpflichtete den Ehemann in Abänderung von Ziffer 3.4 und 3.6 des erstinstanzlichen Entscheides, der Ehefrau an den Unterhalt der drei Töchter rückwirkend ab 1. Mai 2012 monatlich vorauszahlbare Unterhaltsbeiträge von je Fr. 1'750.- zuzüglich Kinderzulagen zu bezahlen (Ziffer 2) und an ihren persönlichen Unterhalt ab 1. Mai 2012 einen monatlich vorauszahlbaren Beitrag von Fr. 2'575.- zu leisten (Ziffer 3). Mit Bezug auf die Anrechnung bereits geleisteter Zahlungen änderte sich nichts. C. Die Ehefrau (Beschwerdeführerin) hat gegen Ziffer 3 des obergerichtlichen Urteils beim Bundesgericht Beschwerde erhoben. Sie beantragt, der Ehemann (Beschwerdegegner) sei in Abänderung des angefochtenen Urteils zu verpflichten, ihr persönlich ab 1. Mai 2012 einen monatlich vorauszahlbaren Unterhaltsbeitrag von Fr. 3'700.- zu bezahlen. Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. D. Die Beschwerde wurde an der Sitzung der II. zivilrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts vom 21. August 2014 öffentlich beraten und das Urteil anschliessend an die Beratung und Abstimmung mündlich eröffnet. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und reformiert das angefochtene Urteil der Vorinstanz im beantragten Umfang. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Die Beschwerdeführerin beanstandet einzig die Berücksichtigung einer Sparquote als willkürlich ( Art. 9 BV ) bzw. gegen den BGE 140 III 485 S. 487 Gleichheitsgrundsatz verstossend ( Art. 8 Abs. 1 BV ). Sie macht im Wesentlichen geltend, beide kantonalen Instanzen hätten sich bei der Unterhaltsbemessung richtigerweise für die Methode des betreibungsrechtlichen Existenzminimums mit Überschussverteilung entschieden. Der Beschwerdegegner habe im Verfahren nie eine Sparquote behauptet, geschweige denn eine solche nachgewiesen. Sie habe das Obergericht in der Berufung darauf angesprochen; die Vorinstanz habe die Beanstandung mit der Bemerkung abgetan, die Sparquote sei offenbar in der Sühneverhandlung diskutiert worden. Der Beschwerdegegner habe zwar im Rahmen der Befragung erklärt, es habe eine hohe Sparquote bestanden; doch sei nie ein Betrag genannt und anlässlich der Verhandlung die Sparquote nicht weiter thematisiert worden. Auch wenn im Massnahmeverfahren die Untersuchungsmaxime gelte, treffe die Parteien eine Mitwirkungspflicht, welcher der Beschwerdegegner nicht nachgekommen sei. Im Übrigen würden die Kinder mit der vorgenommenen Überschussverteilung auch nicht privilegiert. 3.2 Der Beschwerdegegner bringt im Wesentlichen vor, die Sparquote sei in dem Sinne rechtsgenügend behauptet und belegt worden, als seitens beider Parteien sämtliche Einkommens- und Bedarfspositionen dargelegt worden seien. Erst basierend darauf könne die Sparquote ermittelt werden. Überdies habe bei der "einstufig konkreten Methode" keine Veranlassung bestanden, die Sparquote nachzuweisen. Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin hätten die kantonalen Instanzen die Methode des betreibungsrechtlichen Existenzminimums mit Überschussverteilung nicht in ihrer reinen Form angewandt. Der erstinstanzliche Richter habe anlässlich der Verhandlung vom 27. Mai 2013 denn auch erkannt, dass bei so guten finanziellen Verhältnissen der Unterhalt nicht nach der besagten Methode bestimmt werden könne. Die gewählte Methode erscheine auch dogmatisch nicht völlig korrekt, zumal bei guten finanziellen Verhältnissen nach der sogenannten einstufig-konkreten Methode vorzugehen sei. Auf diese Weise seien die kantonalen Instanzen verfahren, indem sie nicht auf den existenzrechtlichen Bedarf abgestellt, sondern auch Ferien und Soziales sowie die Kosten für ein Auto ohne Kompetenzcharakter berücksichtigt hätten. Der Bedarf der Beschwerdeführerin sei im Sinne eines gebührenden Unterhalts festgesetzt worden. Der Beschwerdegegner legt sodann aufgrund eigener Berechnungen dar, weshalb der Entscheid seiner Ansicht nach nicht willkürlich ist. BGE 140 III 485 S. 488 3.3 Der Unterhalt, um den es hier geht, knüpft an den in der Ehe zuletzt, bis zur Aufhebung des gemeinsamen Haushalts gelebten Standard an, auf dessen Fortführung bei genügenden Mitteln beide Ehegatten Anspruch haben ( BGE 119 II 314 E. 4b/aa S. 318). Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom gebührenden Unterhalt. Was sodann die Bemessung des elterlichen Unterhaltsbeitrages betrifft, sind die Grundsätze im Kindesrecht geregelt. Der Unterhaltsbeitrag soll den Bedürfnissen des Kindes sowie der Lebensstellung und Leistungsfähigkeit der Eltern entsprechen ( Art. 285 Abs. 1 ZGB ; BGE 137 III 59 E. 4.2.1 S. 62). Das Gesetz schreibt keine bestimmten Methoden für die Berechnung von Unterhaltsbeiträgen vor. Ausgangspunkt ist indes der gebührende Unterhalt der unterhaltsberechtigten Person, auf den sie bei genügenden Mitteln Anspruch hat. Der Unterhaltsbeiträge beanspruchende Ehegatte muss sich sodann anrechnen lassen, was er mit eigenen Einkünften selber zu decken in der Lage ist (sog. "Eigenversorgungskapazität"). Verbleibt eine Differenz, wird der Unterhaltsbeitrag nach Massgabe der Leistungsfähigkeit der unterhaltsverpflichteten Person festgesetzt. Der so ermittelte Beitrag stellt die Obergrenze des Unterhaltsanspruchs dar. Aus den soeben dargelegten Grundsätzen folgt, dass der jeweilige Bedarf grundsätzlich konkret, das heisst, anhand der tatsächlich getätigten Ausgaben zu ermitteln ist (vgl. für den nachehelichen Unterhalt im Sinne von Art. 125 ZGB : BGE 134 III 145 E. 4 S. 146 f.). Indessen hat das Bundesgericht präzisiert, dass die Methode der Existenzminimumsberechnung mit (allfälliger) Überschussverteilung (auch zweistufige Methode genannt) jedenfalls dann zulässige Ergebnisse gestatte, wenn die Ehegatten - gegebenenfalls trotz guter finanzieller Verhältnisse - nichts angespart haben oder aber die bisherige Sparquote durch die trennungsbedingten Mehrkosten aufgebraucht wird ( BGE 137 III 102 E. 4.2.1.1 S. 106 f.; BGE 134 III 577 E. 3 S. 578). Der Unterhaltsschuldner, der eine Sparquote behauptet, trägt hiefür die Behauptungs- und Beweislast. Dass der Sachrichter den Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen ( Art. 277 Abs. 3 ZPO ) oder gegebenenfalls zu erforschen hat ( Art. 296 ZPO ), enthebt den Unterhaltsschuldner zwar von der subjektiven Beweislast oder Beweisführungslast, ändert aber nichts an seiner Mitwirkungspflicht, aufgrund derer die Sparquote behauptet, beziffert und soweit möglich belegt werden muss (vgl. dazu: BGE 130 I 180 E. 3.2 BGE 140 III 485 S. 489 S. 183 f.; BGE 128 III 411 E. 3.2.1 S. 413; HAUSHEER/SPYCHER, in: Handbuch des Unterhaltsrechts, 2. Aufl. 2010, Rz. 05.173 S. 332). Es handelt sich um einen klaren Rechtsgrundsatz, dessen Missachtung Willkür in der Rechtsanwendung darstellt (zum Begriff vgl. BGE 140 III 16 E. 2.1; BGE 138 I 49 E. 7.1). Damit ist gleichzeitig gesagt, dass es, anders als wovon der Beschwerdegegner auszugehen scheint, weder vom Ermessen des Sachrichters noch von Billigkeitsgesichtspunkten abhängt, ob eine Sparquote zu berücksichtigen ist oder nicht. 3.4 Die kantonalen Instanzen haben für die Ermittlung des Bedarfs der beiden Haushalte nicht ausschliesslich auf die Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums nach Art. 93 SchKG abgestellt. Vielmehr haben sie angesichts der guten finanziellen Verhältnisse weitere Positionen wie Ausgaben für die Telecom und Mobiliarversicherung sowie für ein Auto ohne Kompetenzcharakter und für eine Garage angerechnet. Sodann wurde im Bedarf der Beschwerdeführerin und der Kinder ein Betrag von Fr. 1'000.- für Ferien und Soziales hinzugezählt. Auf den ersten Blick scheint somit die konkrete Lebenshaltung der beiden Haushalte während des Getrenntlebens ermittelt worden zu sein. Nicht konkret berechnet wurden indes die persönlichen Bedürfnisse der Parteien, zumal die kantonalen Instanzen diesbezüglich den Grundbetrag (Fr. 1'200.- beim Beschwerdegegner und Fr. 1'350.- bei der Beschwerdeführerin als Alleinerziehende) der betreibungsrechtlichen Richtlinien zu Art. 93 SchKG übernommen haben, ohne dass mit Bezug auf diese Position der konkrete, während der Ehe gelebte Standard der Ehegatten ermittelt worden wäre. Daran vermag nichts zu ändern, dass beim Bedarf der Beschwerdeführerin ein relativ hoher Betrag (Fr. 1'000.-) für Ferien und Soziales eingesetzt worden ist. Als Zwischenergebnis gilt somit, dass die Vorinstanzen - entgegen der Auffassung des Beschwerdegegners - nicht bzw. nicht ausschliesslich von der konkreten Lebenshaltung zur Ermittlung des Unterhaltsbedarfs ausgegangen sind. 3.5 3.5.1 Dem angefochtenen Entscheid kann nicht entnommen werden, warum die kantonalen Instanzen angesichts des überdurchschnittlichen Einkommens des Beschwerdegegners nicht die konkrete Lebenshaltung ermittelt, sondern sich der Methode des um gewisse Positionen erweiterten Existenzminimums mit Überschussverteilung bedient haben. Die Parteien haben indes die Anwendung der Methode nicht als unzulässig bzw. willkürlich angefochten. Mit dieser BGE 140 III 485 S. 490 Feststellung hat es diesbezüglich sein Bewenden, und es erübrigen sich weitere Ausführungen. 3.5.2 Wird indes die Lebenshaltung nicht konkret berechnet, sondern auf die vorgenannte Methode zurückgegriffen, erweckt allein schon die Berücksichtigung einer angeblichen Sparquote im Lichte von Art. 9 BV Bedenken: Es vermag angesichts der aufgezeigten Grundsätze nicht einzuleuchten, inwiefern aus einem nicht konkret berechneten Bedarf des Haushalts während des gemeinsamen Zusammenlebens bzw. der beiden Haushalte nach Aufhebung des gemeinsamen ehelichen Haushaltes auf eine konkrete Sparquote geschlossen werden kann. Ein überdurchschnittliches Einkommen kann höchstens ein Indiz sein dafür, dass eine Sparquote verbleiben sollte. Mit Blick auf die Verhältnisse des konkreten Falles ist dies jedoch keinesfalls zwingend (HAUSHEER/SPYCHER, a.a.O., Rz. 02.61c S. 74). 3.5.3 Um auf eine Sparquote schliessen zu können, braucht es also mehr als die Höhe des Einkommens des Ehemannes. Nun lässt sich den Akten nicht entnehmen, dass der Beschwerdegegner als Unterhaltsschuldner die vom Obergericht angenommene Sparquote beziffert und belegt hätte. Dass darüber anlässlich der Verhandlung vor dem erstinstanzlichen Richter diskutiert worden, die Sparquote somit entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin thematisiert worden ist, genügt nicht. Das Obergericht hat auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen - die Höhe des Einkommens des Beschwerdegegners - eine unhaltbare Schlussfolgerung - nämlich das Vorhandensein einer Sparquote - gezogen, und ist damit bei der Sachverhaltsfeststellung in Willkür verfallen. Damit erweist sich auch der Abzug einer weder dem Grundsatz nach noch betragsmässig glaubhaft gemachten Sparquote von einem anhand der zweistufigen Methode errechneten Überschuss als willkürlich. Nichts Gegenteiliges lässt sich der vom Beschwerdegegner angegebenen Literaturstelle im Handbuch des Unterhaltsrechts ableiten. Im Gegenteil: Auch diese Autoren vertreten die Auffassung, dass eine Sparquote nicht etwa aus einem überdurchschnittlichen Einkommen abgeleitet werden könne; vielmehr erfordere auch die Abgrenzung zwischen der dem nachehelichen Unterhalt zugänglichen bisherigen Sparquote und der unantastbaren Vermögensumteilung letztlich eine "quantitative" Grenzziehung und "einen entsprechenden Nachweis oder zumindest Glaubhaftmachung durch den Unterhaltsverpflichteten" (HAUSHEER/SPYCHER, a.a.O., Rz. 02.61c S. 74). BGE 140 III 485 S. 491 Damit hat das Obergericht den Grundsätzen für die Berechnung des ehelichen Bedarfs nach Aufhebung des gemeinsamen ehelichen Haushalts - soweit hier rechtsgenügend beanstandet - in unhaltbarer Weise nicht Rechnung getragen. 4. (...) 4.5 Ausgehend vom berechneten Überschuss von Fr. 2'593.- (15'242.-./. 5'339.-./. Fr. 7'310.-) beträgt der Anteil der Beschwerdeführerin und der Kinder somit rund Fr. 1'730.- (rund 2/3; vgl. BGE 126 III 8 ) und verbleiben dem Beschwerdegegner rund Fr. 863.-. Damit ergibt sich für die Beschwerdeführerin (inkl. Kinder) ein Gesamtunterhalt von Fr. 9'040.- (Fr. 7'310.- + Fr. 1'730.-). Nach Abzug des Unterhaltsbedarfs der drei Töchter von Fr. 5'250.- (je Fr. 1'750.-) verbleibt ein Bedarf der Beschwerdeführerin von Fr. 3'790.- (Fr. 9'040.-./. Fr. 5'250.-). Im Verhältnis zum vorinstanzlich zugesprochenen Unterhaltsbeitrag von Fr. 2'575.- besteht eine Differenz von Fr. 1'215.-. Mit anderen Worten macht der vom Obergericht zugesprochene Unterhaltsbeitrag knapp zwei Drittel dessen aus, worauf die Beschwerdeführerin Anspruch hat. Die Kürzung um knapp ein Drittel ist unter allen Titeln offensichtlich unhaltbar. Damit erweist sich das angefochtene Urteil auch im Ergebnis als willkürlich.
Urteilskopf
72. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_798/2013 vom 21. August 2014
Regeste Vorsorgliche Massnahmen im Scheidungsverfahren; Ehegattenunterhalt; Sparquote ( Art. 276 ZPO ; Art. 163 und 176 ZGB ; Art. 9 BV ). Anforderungen an den Nachweis der Sparquote. Deren Berücksichtigung setzt insbesondere eine konkrete Berechnung des Bedarfs der Ehegatten während des Zusammenlebens bzw. der beiden Haushalte nach Aufhebung des gemeinsamen ehelichen Haushalts voraus. Wird der Bedarf nicht konkret berechnet, sondern auf die zweistufige Methode der Existenzminimumsberechnung mit Überschussverteilung zurückgegriffen, ist die Berücksichtigung einer behaupteten, aber weder im Grundsatz noch betragsmässig glaubhaft gemachten Sparquote willkürlich (E. 3). Willkür im Ergebnis im konkreten Fall bejaht (E. 4.5).
Regeste
Vorsorgliche Massnahmen im Scheidungsverfahren; Ehegattenunterhalt; Sparquote ( Art. 276 ZPO ; Art. 163 und 176 ZGB ; Art. 9 BV ). Anforderungen an den Nachweis der Sparquote. Deren Berücksichtigung setzt insbesondere eine konkrete Berechnung des Bedarfs der Ehegatten während des Zusammenlebens bzw. der beiden Haushalte nach Aufhebung des gemeinsamen ehelichen Haushalts voraus. Wird der Bedarf nicht konkret berechnet, sondern auf die zweistufige Methode der Existenzminimumsberechnung mit Überschussverteilung zurückgegriffen, ist die Berücksichtigung einer behaupteten, aber weder im Grundsatz noch betragsmässig glaubhaft gemachten Sparquote willkürlich (E. 3). Willkür im Ergebnis im konkreten Fall bejaht (E. 4.5).
Art. 276 ZPO Art. 163 und 176 ZGB Art. 9 BV Anforderungen an den Nachweis der Sparquote. Deren Berücksichtigung setzt insbesondere eine konkrete Berechnung des Bedarfs der Ehegatten während des Zusammenlebens bzw. der beiden Haushalte nach Aufhebung des gemeinsamen ehelichen Haushalts voraus. Wird der Bedarf nicht konkret berechnet, sondern auf die zweistufige Methode der Existenzminimumsberechnung mit Überschussverteilung zurückgegriffen, ist die Berücksichtigung einer behaupteten, aber weder im Grundsatz noch betragsmässig glaubhaft gemachten Sparquote willkürlich (E. 3). Willkür im Ergebnis im konkreten Fall bejaht (E. 4.5).
Sachverhalt ab Seite 486
Sachverhalt ab Seite 486 BGE 140 III 485 S. 486
BGE 140 III 485 S. 486
A. X. (Ehefrau) und Y. (Ehemann) führen ein Scheidungsverfahren. Der Amtsgerichtspräsident verpflichtete den Ehemann im Rahmen vorsorglicher Massnahmen, der Ehefrau rückwirkend ab 1. Mai 2012 an den Unterhalt der drei Töchter monatlich vorauszahlbare Unterhaltsbeiträge von je Fr. 1'880.- zuzüglich Kinderzulagen zu bezahlen (Ziffer 3.4); ferner verhielt er ihn dazu, an den Unterhalt der Ehefrau persönlich rückwirkend ab 1. Mai 2012 einen monatlich vorauszahlbaren Beitrag von Fr. 2'373.- zu entrichten, wobei mit Bezug auf beide Unterhaltsbeiträge bereits geleistete Zahlungen angerechnet werden können (Ziffer 3.6).
A. B. Das Obergericht des Kantons Solothurn hiess die Berufungen der Parteien teilweise gut und verpflichtete den Ehemann in Abänderung von Ziffer 3.4 und 3.6 des erstinstanzlichen Entscheides, der Ehefrau an den Unterhalt der drei Töchter rückwirkend ab 1. Mai 2012 monatlich vorauszahlbare Unterhaltsbeiträge von je Fr. 1'750.- zuzüglich Kinderzulagen zu bezahlen (Ziffer 2) und an ihren persönlichen Unterhalt ab 1. Mai 2012 einen monatlich vorauszahlbaren Beitrag von Fr. 2'575.- zu leisten (Ziffer 3). Mit Bezug auf die Anrechnung bereits geleisteter Zahlungen änderte sich nichts.
B. C. Die Ehefrau (Beschwerdeführerin) hat gegen Ziffer 3 des obergerichtlichen Urteils beim Bundesgericht Beschwerde erhoben. Sie beantragt, der Ehemann (Beschwerdegegner) sei in Abänderung des angefochtenen Urteils zu verpflichten, ihr persönlich ab 1. Mai 2012 einen monatlich vorauszahlbaren Unterhaltsbeitrag von Fr. 3'700.- zu bezahlen. Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.
C. D. Die Beschwerde wurde an der Sitzung der II. zivilrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts vom 21. August 2014 öffentlich beraten und das Urteil anschliessend an die Beratung und Abstimmung mündlich eröffnet. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und reformiert das angefochtene Urteil der Vorinstanz im beantragten Umfang.
D. (Zusammenfassung)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
3.
3. 3.1 Die Beschwerdeführerin beanstandet einzig die Berücksichtigung einer Sparquote als willkürlich ( Art. 9 BV ) bzw. gegen den BGE 140 III 485 S. 487 Gleichheitsgrundsatz verstossend ( Art. 8 Abs. 1 BV ). Sie macht im Wesentlichen geltend, beide kantonalen Instanzen hätten sich bei der Unterhaltsbemessung richtigerweise für die Methode des betreibungsrechtlichen Existenzminimums mit Überschussverteilung entschieden. Der Beschwerdegegner habe im Verfahren nie eine Sparquote behauptet, geschweige denn eine solche nachgewiesen. Sie habe das Obergericht in der Berufung darauf angesprochen; die Vorinstanz habe die Beanstandung mit der Bemerkung abgetan, die Sparquote sei offenbar in der Sühneverhandlung diskutiert worden. Der Beschwerdegegner habe zwar im Rahmen der Befragung erklärt, es habe eine hohe Sparquote bestanden; doch sei nie ein Betrag genannt und anlässlich der Verhandlung die Sparquote nicht weiter thematisiert worden. Auch wenn im Massnahmeverfahren die Untersuchungsmaxime gelte, treffe die Parteien eine Mitwirkungspflicht, welcher der Beschwerdegegner nicht nachgekommen sei. Im Übrigen würden die Kinder mit der vorgenommenen Überschussverteilung auch nicht privilegiert.
3.1 Art. 9 BV BGE 140 III 485 S. 487
Art. 8 Abs. 1 BV 3.2 Der Beschwerdegegner bringt im Wesentlichen vor, die Sparquote sei in dem Sinne rechtsgenügend behauptet und belegt worden, als seitens beider Parteien sämtliche Einkommens- und Bedarfspositionen dargelegt worden seien. Erst basierend darauf könne die Sparquote ermittelt werden. Überdies habe bei der "einstufig konkreten Methode" keine Veranlassung bestanden, die Sparquote nachzuweisen. Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin hätten die kantonalen Instanzen die Methode des betreibungsrechtlichen Existenzminimums mit Überschussverteilung nicht in ihrer reinen Form angewandt. Der erstinstanzliche Richter habe anlässlich der Verhandlung vom 27. Mai 2013 denn auch erkannt, dass bei so guten finanziellen Verhältnissen der Unterhalt nicht nach der besagten Methode bestimmt werden könne. Die gewählte Methode erscheine auch dogmatisch nicht völlig korrekt, zumal bei guten finanziellen Verhältnissen nach der sogenannten einstufig-konkreten Methode vorzugehen sei. Auf diese Weise seien die kantonalen Instanzen verfahren, indem sie nicht auf den existenzrechtlichen Bedarf abgestellt, sondern auch Ferien und Soziales sowie die Kosten für ein Auto ohne Kompetenzcharakter berücksichtigt hätten. Der Bedarf der Beschwerdeführerin sei im Sinne eines gebührenden Unterhalts festgesetzt worden. Der Beschwerdegegner legt sodann aufgrund eigener Berechnungen dar, weshalb der Entscheid seiner Ansicht nach nicht willkürlich ist. BGE 140 III 485 S. 488
3.2 BGE 140 III 485 S. 488
3.3 Der Unterhalt, um den es hier geht, knüpft an den in der Ehe zuletzt, bis zur Aufhebung des gemeinsamen Haushalts gelebten Standard an, auf dessen Fortführung bei genügenden Mitteln beide Ehegatten Anspruch haben ( BGE 119 II 314 E. 4b/aa S. 318). Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom gebührenden Unterhalt. Was sodann die Bemessung des elterlichen Unterhaltsbeitrages betrifft, sind die Grundsätze im Kindesrecht geregelt. Der Unterhaltsbeitrag soll den Bedürfnissen des Kindes sowie der Lebensstellung und Leistungsfähigkeit der Eltern entsprechen ( Art. 285 Abs. 1 ZGB ; BGE 137 III 59 E. 4.2.1 S. 62).
3.3 Art. 285 Abs. 1 ZGB Das Gesetz schreibt keine bestimmten Methoden für die Berechnung von Unterhaltsbeiträgen vor. Ausgangspunkt ist indes der gebührende Unterhalt der unterhaltsberechtigten Person, auf den sie bei genügenden Mitteln Anspruch hat. Der Unterhaltsbeiträge beanspruchende Ehegatte muss sich sodann anrechnen lassen, was er mit eigenen Einkünften selber zu decken in der Lage ist (sog. "Eigenversorgungskapazität"). Verbleibt eine Differenz, wird der Unterhaltsbeitrag nach Massgabe der Leistungsfähigkeit der unterhaltsverpflichteten Person festgesetzt. Der so ermittelte Beitrag stellt die Obergrenze des Unterhaltsanspruchs dar.
Aus den soeben dargelegten Grundsätzen folgt, dass der jeweilige Bedarf grundsätzlich konkret, das heisst, anhand der tatsächlich getätigten Ausgaben zu ermitteln ist (vgl. für den nachehelichen Unterhalt im Sinne von Art. 125 ZGB : BGE 134 III 145 E. 4 S. 146 f.). Indessen hat das Bundesgericht präzisiert, dass die Methode der Existenzminimumsberechnung mit (allfälliger) Überschussverteilung (auch zweistufige Methode genannt) jedenfalls dann zulässige Ergebnisse gestatte, wenn die Ehegatten - gegebenenfalls trotz guter finanzieller Verhältnisse - nichts angespart haben oder aber die bisherige Sparquote durch die trennungsbedingten Mehrkosten aufgebraucht wird ( BGE 137 III 102 E. 4.2.1.1 S. 106 f.; BGE 134 III 577 E. 3 S. 578). Der Unterhaltsschuldner, der eine Sparquote behauptet, trägt hiefür die Behauptungs- und Beweislast. Dass der Sachrichter den Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen ( Art. 277 Abs. 3 ZPO ) oder gegebenenfalls zu erforschen hat ( Art. 296 ZPO ), enthebt den Unterhaltsschuldner zwar von der subjektiven Beweislast oder Beweisführungslast, ändert aber nichts an seiner Mitwirkungspflicht, aufgrund derer die Sparquote behauptet, beziffert und soweit möglich belegt werden muss (vgl. dazu: BGE 130 I 180 E. 3.2 BGE 140 III 485 S. 489 S. 183 f.; BGE 128 III 411 E. 3.2.1 S. 413; HAUSHEER/SPYCHER, in: Handbuch des Unterhaltsrechts, 2. Aufl. 2010, Rz. 05.173 S. 332). Es handelt sich um einen klaren Rechtsgrundsatz, dessen Missachtung Willkür in der Rechtsanwendung darstellt (zum Begriff vgl. BGE 140 III 16 E. 2.1; BGE 138 I 49 E. 7.1). Damit ist gleichzeitig gesagt, dass es, anders als wovon der Beschwerdegegner auszugehen scheint, weder vom Ermessen des Sachrichters noch von Billigkeitsgesichtspunkten abhängt, ob eine Sparquote zu berücksichtigen ist oder nicht.
Art. 125 ZGB Art. 277 Abs. 3 ZPO Art. 296 ZPO BGE 140 III 485 S. 489
3.4 Die kantonalen Instanzen haben für die Ermittlung des Bedarfs der beiden Haushalte nicht ausschliesslich auf die Richtlinien für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums nach Art. 93 SchKG abgestellt. Vielmehr haben sie angesichts der guten finanziellen Verhältnisse weitere Positionen wie Ausgaben für die Telecom und Mobiliarversicherung sowie für ein Auto ohne Kompetenzcharakter und für eine Garage angerechnet. Sodann wurde im Bedarf der Beschwerdeführerin und der Kinder ein Betrag von Fr. 1'000.- für Ferien und Soziales hinzugezählt. Auf den ersten Blick scheint somit die konkrete Lebenshaltung der beiden Haushalte während des Getrenntlebens ermittelt worden zu sein. Nicht konkret berechnet wurden indes die persönlichen Bedürfnisse der Parteien, zumal die kantonalen Instanzen diesbezüglich den Grundbetrag (Fr. 1'200.- beim Beschwerdegegner und Fr. 1'350.- bei der Beschwerdeführerin als Alleinerziehende) der betreibungsrechtlichen Richtlinien zu Art. 93 SchKG übernommen haben, ohne dass mit Bezug auf diese Position der konkrete, während der Ehe gelebte Standard der Ehegatten ermittelt worden wäre. Daran vermag nichts zu ändern, dass beim Bedarf der Beschwerdeführerin ein relativ hoher Betrag (Fr. 1'000.-) für Ferien und Soziales eingesetzt worden ist. Als Zwischenergebnis gilt somit, dass die Vorinstanzen - entgegen der Auffassung des Beschwerdegegners - nicht bzw. nicht ausschliesslich von der konkreten Lebenshaltung zur Ermittlung des Unterhaltsbedarfs ausgegangen sind.
3.4 Art. 93 SchKG Art. 93 SchKG 3.5
3.5 3.5.1 Dem angefochtenen Entscheid kann nicht entnommen werden, warum die kantonalen Instanzen angesichts des überdurchschnittlichen Einkommens des Beschwerdegegners nicht die konkrete Lebenshaltung ermittelt, sondern sich der Methode des um gewisse Positionen erweiterten Existenzminimums mit Überschussverteilung bedient haben. Die Parteien haben indes die Anwendung der Methode nicht als unzulässig bzw. willkürlich angefochten. Mit dieser BGE 140 III 485 S. 490 Feststellung hat es diesbezüglich sein Bewenden, und es erübrigen sich weitere Ausführungen.
3.5.1 BGE 140 III 485 S. 490
3.5.2 Wird indes die Lebenshaltung nicht konkret berechnet, sondern auf die vorgenannte Methode zurückgegriffen, erweckt allein schon die Berücksichtigung einer angeblichen Sparquote im Lichte von Art. 9 BV Bedenken: Es vermag angesichts der aufgezeigten Grundsätze nicht einzuleuchten, inwiefern aus einem nicht konkret berechneten Bedarf des Haushalts während des gemeinsamen Zusammenlebens bzw. der beiden Haushalte nach Aufhebung des gemeinsamen ehelichen Haushaltes auf eine konkrete Sparquote geschlossen werden kann. Ein überdurchschnittliches Einkommen kann höchstens ein Indiz sein dafür, dass eine Sparquote verbleiben sollte. Mit Blick auf die Verhältnisse des konkreten Falles ist dies jedoch keinesfalls zwingend (HAUSHEER/SPYCHER, a.a.O., Rz. 02.61c S. 74).
3.5.2 Art. 9 BV 3.5.3 Um auf eine Sparquote schliessen zu können, braucht es also mehr als die Höhe des Einkommens des Ehemannes. Nun lässt sich den Akten nicht entnehmen, dass der Beschwerdegegner als Unterhaltsschuldner die vom Obergericht angenommene Sparquote beziffert und belegt hätte. Dass darüber anlässlich der Verhandlung vor dem erstinstanzlichen Richter diskutiert worden, die Sparquote somit entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin thematisiert worden ist, genügt nicht.
3.5.3 Das Obergericht hat auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen - die Höhe des Einkommens des Beschwerdegegners - eine unhaltbare Schlussfolgerung - nämlich das Vorhandensein einer Sparquote - gezogen, und ist damit bei der Sachverhaltsfeststellung in Willkür verfallen. Damit erweist sich auch der Abzug einer weder dem Grundsatz nach noch betragsmässig glaubhaft gemachten Sparquote von einem anhand der zweistufigen Methode errechneten Überschuss als willkürlich. Nichts Gegenteiliges lässt sich der vom Beschwerdegegner angegebenen Literaturstelle im Handbuch des Unterhaltsrechts ableiten. Im Gegenteil: Auch diese Autoren vertreten die Auffassung, dass eine Sparquote nicht etwa aus einem überdurchschnittlichen Einkommen abgeleitet werden könne; vielmehr erfordere auch die Abgrenzung zwischen der dem nachehelichen Unterhalt zugänglichen bisherigen Sparquote und der unantastbaren Vermögensumteilung letztlich eine "quantitative" Grenzziehung und "einen entsprechenden Nachweis oder zumindest Glaubhaftmachung durch den Unterhaltsverpflichteten" (HAUSHEER/SPYCHER, a.a.O., Rz. 02.61c S. 74).
BGE 140 III 485 S. 491
BGE 140 III 485 S. 491
Damit hat das Obergericht den Grundsätzen für die Berechnung des ehelichen Bedarfs nach Aufhebung des gemeinsamen ehelichen Haushalts - soweit hier rechtsgenügend beanstandet - in unhaltbarer Weise nicht Rechnung getragen.
4. (...)
4. 4.5 Ausgehend vom berechneten Überschuss von Fr. 2'593.- (15'242.-./. 5'339.-./. Fr. 7'310.-) beträgt der Anteil der Beschwerdeführerin und der Kinder somit rund Fr. 1'730.- (rund 2/3; vgl. BGE 126 III 8 ) und verbleiben dem Beschwerdegegner rund Fr. 863.-. Damit ergibt sich für die Beschwerdeführerin (inkl. Kinder) ein Gesamtunterhalt von Fr. 9'040.- (Fr. 7'310.- + Fr. 1'730.-). Nach Abzug des Unterhaltsbedarfs der drei Töchter von Fr. 5'250.- (je Fr. 1'750.-) verbleibt ein Bedarf der Beschwerdeführerin von Fr. 3'790.- (Fr. 9'040.-./. Fr. 5'250.-). Im Verhältnis zum vorinstanzlich zugesprochenen Unterhaltsbeitrag von Fr. 2'575.- besteht eine Differenz von Fr. 1'215.-. Mit anderen Worten macht der vom Obergericht zugesprochene Unterhaltsbeitrag knapp zwei Drittel dessen aus, worauf die Beschwerdeführerin Anspruch hat. Die Kürzung um knapp ein Drittel ist unter allen Titeln offensichtlich unhaltbar. Damit erweist sich das angefochtene Urteil auch im Ergebnis als willkürlich.
4.5
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Urteilskopf 140 III 491 73. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. gegen B.B. und C.B. (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_240/2014 vom 28. August 2014 Regeste Art. 266n OR ; Art. 2 Abs. 2 ZGB ; Wohnung der Familie; gemeinschaftliche Miete; Kündigung durch den Vermieter; Rechtsmissbrauch. Anfechtung der Kündigung des Vermieters mit der Begründung, die Ansetzung der Zahlungsfrist mit Kündigungsandrohung und die Kündigung seien der Ehefrau und Mitmieterin des Klägers nicht separat zugestellt worden. Anwendbarkeit von Art. 266n OR vorliegend verneint (E. 4.1). Der Mieter, der sich auf die unterbliebene Zustellung an seine Mitmieterin beruft, handelt rechtsmissbräuchlich, wenn die Mitmieterin das Mietobjekt bereits vor der Mahnung und der Kündigung definitiv verlassen und keinerlei Interesse an der Nichtauflösung des Mietvertrages hat (E. 4.2). Erwägungen ab Seite 492 BGE 140 III 491 S. 492 Aus den Erwägungen: 4. Der Beschwerdeführer beanstandet die Kündigung vom 3. Dezember 2011 sodann in formeller Hinsicht. 4.1 Er berief sich vor der Vorinstanz einerseits darauf, dass es sich beim Mietobjekt um die Familienwohnung gehandelt habe, weshalb die Mahnung und die Kündigung auch separat seiner Ehefrau (und Tochter der Beschwerdegegner) hätten zugestellt werden müssen. Bei einer Familienwohnung sind die Kündigung durch den Vermieter sowie die Ansetzung einer Zahlungsfrist mit Kündigungsandrohung (Art. 257d) dem Mieter und seinem Ehegatten separat zuzustellen ( Art. 266n OR ). Die Vorinstanz stellte fest, es habe sich beim Mietobjekt im Zeitpunkt von Mahnung und Kündigung nicht mehr um eine Familienwohnung gehandelt, nachdem die Ehefrau die Wohnung (gegen) Ende Februar 2012 endgültig verlassen habe. Der Beschwerdeführer beanstandet diese Feststellung der Vorinstanz als offensichtlich falsch und willkürlich. Zu Unrecht: Die Vorinstanz stützte ihre Feststellung, dass die Ehefrau die Familienwohnung BGE 140 III 491 S. 493 endgültig verlassen habe, unter anderem auf die eigenen Angaben des Beschwerdeführers. Sie hielt sodann fest, dass die Ehefrau, zu deren Gunsten sich hier Art. 266n OR auswirken würde, mit ihrem definitiven Auszug, bestätigt mit ihrer Nichtbeteiligung an den beiden Anfechtungsverfahren, zum Ausdruck gebracht habe, dass sie das Haus definitiv nicht mehr als Zentrum des Familienlebens betrachte. Der Beschwerdeführer vermag diese tatsächliche Würdigung nicht als willkürlich auszuweisen. Die daraus gezogene Folgerung der Vorinstanz, dass die Mietliegenschaft im Zeitpunkt von Mahnung und Kündigung nicht mehr als Familienwohnung im Sinne von Art. 266m und 266n OR zu qualifizieren gewesen sei, stimmt mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung überein ( BGE 139 III 7 E. 2.3.1 S. 11; BGE 136 III 257 E. 2.1) und ist nicht zu beanstanden. Mangels Vorliegens einer Familienwohnung ging die Berufung des Beschwerdeführers auf Art. 266n OR demnach von vornherein fehl. 4.2 Andererseits berief sich der Beschwerdeführer auf ein gemeinschaftliches Mietverhältnis, mit der Schlussfolgerung, er und seine Ehefrau als Mitmieterin hätten je Adressat von Mahnung und Kündigung sein müssen. 4.2.1 Der gemeinsame Mietvertrag stellt ein einheitliches Rechtsverhältnis dar ( BGE 136 III 431 E. 3.1 S. 434). Das Kündigungsrecht als unteilbares Gestaltungsrecht steht daher nur allen Mietern oder Vermietern gemeinsam zu und muss gegenüber allen Vermietern bzw. Mietern ausgeübt werden; ansonsten ist die Kündigung nichtig (Urteile 4A_189/2009 vom 13. Juli 2009 E. 2.1; 4C.331/1993 vom 20. Juni 1994 E. 5b; siehe auch HIGI, Zürcher Kommentar, 4. Aufl. 1995, N. 84 Vorbemerkungen zu Art. 266-266o OR ; LACHAT UND ANDERE, Das Mietrecht für die Praxis, 8. Aufl. 2009, N. 25/5.6 S. 518; Das schweizerische Mietrecht, Kommentar, 3. Aufl. 2008, N. 15 Vorbemerkungen zu Art. 266-266o und N. 28a zu Art. 266l-266o; WEBER, Der gemeinsame Mietvertrag, 1993, S. 170 und 175; derselbe, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, 5. Aufl. 2011, N. 1 zu Art. 266a OR und N. 4 zu 266o OR). 4.2.2 Die Vorinstanz erkannte, dass im Zeitpunkt von Mahnung und Kündigung der Beschwerdeführer und seine von ihm getrennt lebende Ehefrau als gemeinsame Mieter der Liegenschaft zu betrachten seien. Mangels Einverständnisses des Beschwerdeführers sei nämlich die Ehefrau durch die einseitige Erklärung der Vermieter vom 30. Juni 2012 nicht rechtswirksam aus dem Mietverhältnis entlassen worden. BGE 140 III 491 S. 494 Sodann führte die Vorinstanz aus, dass bei mehreren Mietern - soweit wie vorliegend keine Familienwohnung betroffen sei - nach einhelliger Lehre die Zustellung eines einzigen Kündigungsformulars an alle Mieter genüge, was auch bezüglich der Mahnung gelten müsse. Immerhin habe aber der Vermieter, der sich im Falle einer Mitmieterschaft auf eine Mahnung respektive ein Kündigungsformular beschränke, in der Anschrift sämtliche Mieter des betroffenen Mietobjekts aufzuführen. Dies sei vorliegend unterblieben. Ob die Mahnung und die Kündigung der Ehefrau und Mitmieterin zugestellt worden waren, wie die Beschwerdegegner mit von der Ehefrau ausgestellten Empfangsbestätigungen zu belegen versuchten, der Beschwerdeführer aber bestritt, liess die Vorinstanz schliesslich offen. Die diese Frage betreffenden Rügen einer Rechtsverweigerung sowie einer Verletzung des rechtlichen Gehörs, von Art. 8 ZGB und von Art. 9 BV gehen - wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt - am streitentscheidenden Punkt vorbei. 4.2.3 Die Vorinstanz befand, die Berufung des Beschwerdeführers auf (allfällige) Formmängel sei rechtsmissbräuchlich. Sie stützte sich dabei auf BGE 139 III 7. Gemäss diesem Urteil verhält sich die Mieterin rechtsmissbräuchlich, die sich auf Art. 266n OR beruft und geltend macht, die Kündigung sei nichtig, da diese ihrem Ehemann nicht zugestellt worden sei, wenn der Ehemann die Familienwohnung verlassen hat und sich für die Kündigung überhaupt nicht interessiert (E. 2.3.2). Die Vorinstanz erwog, die Konsequenz, wenn eine Kündigung nicht allen Mitmietern gegenüber ausgesprochen werde, unterscheide sich nicht von der in Art. 266o OR vorgesehenen Rechtsfolge; die Kündigung sei in beiden Fällen wirkungslos. Ebenso wenig bestehe ein Unterschied "unter dem Aspekt der Rechtsstellung", wolle doch Art. 266n OR dem Ehegatten ungeachtet dessen, ob er obligationenrechtlich auch Mieter der Familienwohnung sei oder nicht, bei einer Kündigung durch den Vermieter die Rechtsstellung eines Mieters verschaffen und ihm erlauben, gegebenenfalls die Mieterrechte geltend zu machen. Deshalb müsse sich der Mitmieter auch die gleichen Einreden, namentlich diejenige der rechtsmissbräuchlichen Berufung auf das Erfordernis der Mitteilung an den anderen Mitmieter, entgegenhaltenlassen. Wie bei der Familienwohnung der eine Ehegatte, mache bei der gemeinschaftlichen Miete der Mitmieter nicht sein eigenes, sondern das BGE 140 III 491 S. 495 Interesse des anderen geltend, was dann, wenn der andere Mitmieter - wie hier - seinerseits gar kein entsprechendes Interesse habe, keinen Rechtsschutz verdiene. 4.2.4 Dieser Beurteilung ist beizupflichten: Gemäss Art. 2 Abs. 2 ZGB findet der offene Missbrauch eines Rechts keinen Rechtsschutz. Wann ein solcher Missbrauch vorliegt, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles zu bestimmen, wobei die von der Lehre und Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen des Rechtsmissbrauchs zu beachten sind ( BGE 135 III 162 E. 3.3.1 S. 169; BGE 129 III 493 E. 5.1 S. 497). Zu diesen zählt namentlich die zweckwidrige Verwendung eines Rechtsinstituts ( BGE 135 III 162 E. 3.3.1 S. 169). Das Erfordernis der doppelten Zustellung bei der Familienwohnung nach Art. 266n OR soll dem Ehegatten des Mieters ermöglichen, die Kündigung der Wohnung anzufechten oder die Erstreckung des Mietverhältnisses zu erwirken, wie es der Mieter könnte. Das Bundesgericht schloss in BGE 139 III 7, den Mieterinnen sei die Kündigung je auf dem offiziellen Formular zugestellt worden, das sie über ihre Rechte unterrichtet habe. Mit ihrer Argumentation würden die Beschwerdeführerinnen in Realität die Interessen eines Dritten geltend machen. Nachdem sich letzter überhaupt nicht für die Frage interessiere, sei dies rechtsmissbräuchlich (E. 2.3.2). Die vorliegende Konstellation ist wertungsmässig gleich zu beurteilen: Gemäss der für das Bundesgericht verbindlichen tatsächlichen Feststellung der Vorinstanz hat die Ehefrau des Beschwerdeführers (und Tochter der Beschwerdegegner) die Wohnung bereits vor der Mahnung und der Kündigung definitiv verlassen und hat bzw. hatte keinerlei Interesse an der Nichtauflösung des Mietvertrags infolge der am 18. August 2012 ausgesprochenen Kündigung. Auch hier beruft sich somit ein Mieter auf die Interessen einer Drittperson, die diese gar nicht hat respektive gerade nicht wahrnehmen will. Er bemüht eine Bestimmung (betreffend Zustellung der Kündigung an den Mitmieter) für einen ihr fremden Zweck, was rechtsmissbräuchlich ist und keinen Rechtsschutz verdient. Dies hat die Vorinstanz zutreffend erkannt.
Urteilskopf
73. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. gegen B.B. und C.B. (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_240/2014 vom 28. August 2014
Regeste Art. 266n OR ; Art. 2 Abs. 2 ZGB ; Wohnung der Familie; gemeinschaftliche Miete; Kündigung durch den Vermieter; Rechtsmissbrauch. Anfechtung der Kündigung des Vermieters mit der Begründung, die Ansetzung der Zahlungsfrist mit Kündigungsandrohung und die Kündigung seien der Ehefrau und Mitmieterin des Klägers nicht separat zugestellt worden. Anwendbarkeit von Art. 266n OR vorliegend verneint (E. 4.1). Der Mieter, der sich auf die unterbliebene Zustellung an seine Mitmieterin beruft, handelt rechtsmissbräuchlich, wenn die Mitmieterin das Mietobjekt bereits vor der Mahnung und der Kündigung definitiv verlassen und keinerlei Interesse an der Nichtauflösung des Mietvertrages hat (E. 4.2).
Regeste
Art. 266n OR ; Art. 2 Abs. 2 ZGB ; Wohnung der Familie; gemeinschaftliche Miete; Kündigung durch den Vermieter; Rechtsmissbrauch. Anfechtung der Kündigung des Vermieters mit der Begründung, die Ansetzung der Zahlungsfrist mit Kündigungsandrohung und die Kündigung seien der Ehefrau und Mitmieterin des Klägers nicht separat zugestellt worden. Anwendbarkeit von Art. 266n OR vorliegend verneint (E. 4.1). Der Mieter, der sich auf die unterbliebene Zustellung an seine Mitmieterin beruft, handelt rechtsmissbräuchlich, wenn die Mitmieterin das Mietobjekt bereits vor der Mahnung und der Kündigung definitiv verlassen und keinerlei Interesse an der Nichtauflösung des Mietvertrages hat (E. 4.2).
Art. 266n OR Art. 2 Abs. 2 ZGB Anfechtung der Kündigung des Vermieters mit der Begründung, die Ansetzung der Zahlungsfrist mit Kündigungsandrohung und die Kündigung seien der Ehefrau und Mitmieterin des Klägers nicht separat zugestellt worden. Anwendbarkeit von Art. 266n OR vorliegend verneint (E. 4.1). Der Mieter, der sich auf die unterbliebene Zustellung an seine Mitmieterin beruft, handelt rechtsmissbräuchlich, wenn die Mitmieterin das Mietobjekt bereits vor der Mahnung und der Kündigung definitiv verlassen und keinerlei Interesse an der Nichtauflösung des Mietvertrages hat (E. 4.2).
Art. 266n OR Erwägungen ab Seite 492
Erwägungen ab Seite 492 BGE 140 III 491 S. 492
BGE 140 III 491 S. 492
Aus den Erwägungen:
4. Der Beschwerdeführer beanstandet die Kündigung vom 3. Dezember 2011 sodann in formeller Hinsicht.
4. 4.1 Er berief sich vor der Vorinstanz einerseits darauf, dass es sich beim Mietobjekt um die Familienwohnung gehandelt habe, weshalb die Mahnung und die Kündigung auch separat seiner Ehefrau (und Tochter der Beschwerdegegner) hätten zugestellt werden müssen.
4.1 Bei einer Familienwohnung sind die Kündigung durch den Vermieter sowie die Ansetzung einer Zahlungsfrist mit Kündigungsandrohung (Art. 257d) dem Mieter und seinem Ehegatten separat zuzustellen ( Art. 266n OR ).
Art. 266n OR Die Vorinstanz stellte fest, es habe sich beim Mietobjekt im Zeitpunkt von Mahnung und Kündigung nicht mehr um eine Familienwohnung gehandelt, nachdem die Ehefrau die Wohnung (gegen) Ende Februar 2012 endgültig verlassen habe.
Der Beschwerdeführer beanstandet diese Feststellung der Vorinstanz als offensichtlich falsch und willkürlich. Zu Unrecht: Die Vorinstanz stützte ihre Feststellung, dass die Ehefrau die Familienwohnung BGE 140 III 491 S. 493 endgültig verlassen habe, unter anderem auf die eigenen Angaben des Beschwerdeführers. Sie hielt sodann fest, dass die Ehefrau, zu deren Gunsten sich hier Art. 266n OR auswirken würde, mit ihrem definitiven Auszug, bestätigt mit ihrer Nichtbeteiligung an den beiden Anfechtungsverfahren, zum Ausdruck gebracht habe, dass sie das Haus definitiv nicht mehr als Zentrum des Familienlebens betrachte. Der Beschwerdeführer vermag diese tatsächliche Würdigung nicht als willkürlich auszuweisen. Die daraus gezogene Folgerung der Vorinstanz, dass die Mietliegenschaft im Zeitpunkt von Mahnung und Kündigung nicht mehr als Familienwohnung im Sinne von Art. 266m und 266n OR zu qualifizieren gewesen sei, stimmt mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung überein ( BGE 139 III 7 E. 2.3.1 S. 11; BGE 136 III 257 E. 2.1) und ist nicht zu beanstanden.
BGE 140 III 491 S. 493
Art. 266n OR Art. 266m und 266n OR Mangels Vorliegens einer Familienwohnung ging die Berufung des Beschwerdeführers auf Art. 266n OR demnach von vornherein fehl.
Art. 266n OR 4.2 Andererseits berief sich der Beschwerdeführer auf ein gemeinschaftliches Mietverhältnis, mit der Schlussfolgerung, er und seine Ehefrau als Mitmieterin hätten je Adressat von Mahnung und Kündigung sein müssen.
4.2 4.2.1 Der gemeinsame Mietvertrag stellt ein einheitliches Rechtsverhältnis dar ( BGE 136 III 431 E. 3.1 S. 434). Das Kündigungsrecht als unteilbares Gestaltungsrecht steht daher nur allen Mietern oder Vermietern gemeinsam zu und muss gegenüber allen Vermietern bzw. Mietern ausgeübt werden; ansonsten ist die Kündigung nichtig (Urteile 4A_189/2009 vom 13. Juli 2009 E. 2.1; 4C.331/1993 vom 20. Juni 1994 E. 5b; siehe auch HIGI, Zürcher Kommentar, 4. Aufl. 1995, N. 84 Vorbemerkungen zu Art. 266-266o OR ; LACHAT UND ANDERE, Das Mietrecht für die Praxis, 8. Aufl. 2009, N. 25/5.6 S. 518; Das schweizerische Mietrecht, Kommentar, 3. Aufl. 2008, N. 15 Vorbemerkungen zu Art. 266-266o und N. 28a zu Art. 266l-266o; WEBER, Der gemeinsame Mietvertrag, 1993, S. 170 und 175; derselbe, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, 5. Aufl. 2011, N. 1 zu Art. 266a OR und N. 4 zu 266o OR).
4.2.1 Art. 266-266o OR Art. 266a OR 4.2.2 Die Vorinstanz erkannte, dass im Zeitpunkt von Mahnung und Kündigung der Beschwerdeführer und seine von ihm getrennt lebende Ehefrau als gemeinsame Mieter der Liegenschaft zu betrachten seien. Mangels Einverständnisses des Beschwerdeführers sei nämlich die Ehefrau durch die einseitige Erklärung der Vermieter vom 30. Juni 2012 nicht rechtswirksam aus dem Mietverhältnis entlassen worden. BGE 140 III 491 S. 494
4.2.2 BGE 140 III 491 S. 494
Sodann führte die Vorinstanz aus, dass bei mehreren Mietern - soweit wie vorliegend keine Familienwohnung betroffen sei - nach einhelliger Lehre die Zustellung eines einzigen Kündigungsformulars an alle Mieter genüge, was auch bezüglich der Mahnung gelten müsse. Immerhin habe aber der Vermieter, der sich im Falle einer Mitmieterschaft auf eine Mahnung respektive ein Kündigungsformular beschränke, in der Anschrift sämtliche Mieter des betroffenen Mietobjekts aufzuführen. Dies sei vorliegend unterblieben.
Ob die Mahnung und die Kündigung der Ehefrau und Mitmieterin zugestellt worden waren, wie die Beschwerdegegner mit von der Ehefrau ausgestellten Empfangsbestätigungen zu belegen versuchten, der Beschwerdeführer aber bestritt, liess die Vorinstanz schliesslich offen.
Die diese Frage betreffenden Rügen einer Rechtsverweigerung sowie einer Verletzung des rechtlichen Gehörs, von Art. 8 ZGB und von Art. 9 BV gehen - wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt - am streitentscheidenden Punkt vorbei.
Art. 8 ZGB Art. 9 BV 4.2.3 Die Vorinstanz befand, die Berufung des Beschwerdeführers auf (allfällige) Formmängel sei rechtsmissbräuchlich.
4.2.3 Sie stützte sich dabei auf BGE 139 III 7. Gemäss diesem Urteil verhält sich die Mieterin rechtsmissbräuchlich, die sich auf Art. 266n OR beruft und geltend macht, die Kündigung sei nichtig, da diese ihrem Ehemann nicht zugestellt worden sei, wenn der Ehemann die Familienwohnung verlassen hat und sich für die Kündigung überhaupt nicht interessiert (E. 2.3.2). Die Vorinstanz erwog, die Konsequenz, wenn eine Kündigung nicht allen Mitmietern gegenüber ausgesprochen werde, unterscheide sich nicht von der in Art. 266o OR vorgesehenen Rechtsfolge; die Kündigung sei in beiden Fällen wirkungslos. Ebenso wenig bestehe ein Unterschied "unter dem Aspekt der Rechtsstellung", wolle doch Art. 266n OR dem Ehegatten ungeachtet dessen, ob er obligationenrechtlich auch Mieter der Familienwohnung sei oder nicht, bei einer Kündigung durch den Vermieter die Rechtsstellung eines Mieters verschaffen und ihm erlauben, gegebenenfalls die Mieterrechte geltend zu machen. Deshalb müsse sich der Mitmieter auch die gleichen Einreden, namentlich diejenige der rechtsmissbräuchlichen Berufung auf das Erfordernis der Mitteilung an den anderen Mitmieter, entgegenhaltenlassen. Wie bei der Familienwohnung der eine Ehegatte, mache bei der gemeinschaftlichen Miete der Mitmieter nicht sein eigenes, sondern das BGE 140 III 491 S. 495 Interesse des anderen geltend, was dann, wenn der andere Mitmieter - wie hier - seinerseits gar kein entsprechendes Interesse habe, keinen Rechtsschutz verdiene.
Art. 266n OR Art. 266o OR Art. 266n OR BGE 140 III 491 S. 495
4.2.4 Dieser Beurteilung ist beizupflichten:
4.2.4 Gemäss Art. 2 Abs. 2 ZGB findet der offene Missbrauch eines Rechts keinen Rechtsschutz. Wann ein solcher Missbrauch vorliegt, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles zu bestimmen, wobei die von der Lehre und Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen des Rechtsmissbrauchs zu beachten sind ( BGE 135 III 162 E. 3.3.1 S. 169; BGE 129 III 493 E. 5.1 S. 497). Zu diesen zählt namentlich die zweckwidrige Verwendung eines Rechtsinstituts ( BGE 135 III 162 E. 3.3.1 S. 169).
Art. 2 Abs. 2 ZGB Das Erfordernis der doppelten Zustellung bei der Familienwohnung nach Art. 266n OR soll dem Ehegatten des Mieters ermöglichen, die Kündigung der Wohnung anzufechten oder die Erstreckung des Mietverhältnisses zu erwirken, wie es der Mieter könnte. Das Bundesgericht schloss in BGE 139 III 7, den Mieterinnen sei die Kündigung je auf dem offiziellen Formular zugestellt worden, das sie über ihre Rechte unterrichtet habe. Mit ihrer Argumentation würden die Beschwerdeführerinnen in Realität die Interessen eines Dritten geltend machen. Nachdem sich letzter überhaupt nicht für die Frage interessiere, sei dies rechtsmissbräuchlich (E. 2.3.2).
Art. 266n OR Die vorliegende Konstellation ist wertungsmässig gleich zu beurteilen: Gemäss der für das Bundesgericht verbindlichen tatsächlichen Feststellung der Vorinstanz hat die Ehefrau des Beschwerdeführers (und Tochter der Beschwerdegegner) die Wohnung bereits vor der Mahnung und der Kündigung definitiv verlassen und hat bzw. hatte keinerlei Interesse an der Nichtauflösung des Mietvertrags infolge der am 18. August 2012 ausgesprochenen Kündigung. Auch hier beruft sich somit ein Mieter auf die Interessen einer Drittperson, die diese gar nicht hat respektive gerade nicht wahrnehmen will. Er bemüht eine Bestimmung (betreffend Zustellung der Kündigung an den Mitmieter) für einen ihr fremden Zweck, was rechtsmissbräuchlich ist und keinen Rechtsschutz verdient. Dies hat die Vorinstanz zutreffend erkannt.
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Urteilskopf 140 III 496 74. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause A. et consorts contre D. et E. (recours en matière civile) 4A_31/2014 du 27 août 2014 Regeste Miete; gegen Treu und Glauben verstossende Kündigung ( Art. 271 Abs. 1 OR ). Die Kündigung im Hinblick auf Umbau- oder Renovationsarbeiten ist missbräuchlich, wenn das Projekt des Vermieters mit den Bestimmungen des öffentlichen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, so dass die notwendigen Bewilligungen mit Sicherheit nicht erlangt werden können (E. 4.1 und 4.2.1). Eine derartige Kündigung widerspricht ebenfalls Treu und Glauben, wenn das Projekt des Vermieters im Moment, in dem die Kündigung ausgesprochen und dem Mieter zur Kenntnis gebracht wird, nicht hinreichend fortgeschritten und ausgearbeitet ist, um das Ausmass der geplanten Arbeiten abschätzen zu können und so zu bestimmen, ob diese einen Wegzug des Mieters erfordern (E. 4.1 und 4.2.2). Erwägungen ab Seite 496 BGE 140 III 496 S. 496 Extrait des considérants: 4. Invoquant la protection contre les congés abusifs, les recourants se plaignent essentiellement d'une violation de l' art. 271 al. 1 CO. BGE 140 III 496 S. 497 4.1 Les parties au contrat sont libres de résilier un bail de durée indéterminée pour le prochain terme légal ou contractuel; un motif particulier n'est pas exigé ( art. 266a al. 1 CO ). Le congé est toutefois annulable lorsqu'il contrevient aux règles de la bonne foi ( art. 271 al. 1 CO ; cf. également art. 271a CO ). Tel est le cas lorsqu'il ne répond à aucun intérêt objectif, sérieux et digne de protection et qu'il apparaît ainsi purement chicanier. Le seul fait que la résiliation entraîne des conséquences pénibles pour le locataire n'est pas suffisant; il faut une disproportion crasse entre l'intérêt du preneur au maintien du contrat et l'intérêt du bailleur à y mettre fin. En règle générale, l'absence d'intérêt digne de protection du bailleur est également admise lorsque la motivation du congé, demandée par le locataire, est lacunaire ou fausse. Pour juger de la validité de la résiliation, il faut se placer au moment où celle-ci a été notifiée ( ATF 138 III 59 consid. 2.1 p. 61 s. et les arrêts cités). Dans un arrêt de principe rendu en 2008 ( ATF 135 III 112 ), le Tribunal fédéral a jugé qu'une résiliation de bail en vue de vastes travaux d'assainissement de l'objet loué ne contrevient pas aux règles de la bonne foi. Il en va ainsi même si le locataire se dit prêt à rester dans l'appartement durant les travaux et à s'accommoder des inconvénients qui en résultent, car sa présence est propre à entraîner des complications, des coûts supplémentaires ou une prolongation de la durée des travaux. La résiliation est critiquable uniquement s'il apparaît que la présence du locataire ne compliquerait pas les travaux, ou seulement de manière insignifiante, par exemple en cas de réfection des peintures ou lors de travaux extérieurs tels qu'une rénovation de façade ou un agrandissement de balcon. Dans la cause ayant donné lieu à cet arrêt, le bailleur avait détaillé les travaux prévus dans une lettre jointe à l'avis de résiliation (arrêt précité point A et consid. 4.2 p. 119 s.). Par ailleurs, le congé en vue de travaux de transformation ou de rénovation est abusif lorsque le projet du bailleur ne présente pas de réalité tangible ou qu'il apparaît objectivement impossible, notamment parce qu'il est de toute évidence incompatible avec les règles du droit public applicable et que le bailleur n'obtiendra ainsi pas les autorisations nécessaires; la preuve de l'impossibilité objective incombe au locataire. La validité du congé ne suppose pas que le bailleur ait déjà obtenu les autorisations nécessaires, ni même qu'il ait déposé les documents dont elles dépendent (arrêt 4A_210/2014 du BGE 140 III 496 S. 498 17 juillet 2014 consid. 3.1 et les arrêts cités; cf. également ATF 136 III 190 consid. 4 p. 194 s.). 4.2 4.2.1 Les recourants soutiennent que les congés sont abusifs au motif que les travaux projetés sont incompatibles avec le droit public, plus précisément avec la loi vaudoise du 4 mars 1985 concernant la démolition, la transformation et la rénovation de maisons d'habitation, ainsi que l'utilisation de logements à d'autres fins que l'habitation (LDTR/VD; RSV 840.15). La LDTR/VD soumet à autorisation la transformation et la rénovation, totales ou partielles, de maisons d'habitation; par rénovation, elle entend tous travaux d'une certaine importance, apportant une plus-value à l'immeuble, à l'exclusion des travaux d'entretien courant (art. 1). En règle générale, l'autorisation est refusée lorsque l'immeuble en cause comprend des logements d'une catégorie où sévit la pénurie (art. 3). L'autorisation est accordée pour des motifs de sécurité, de salubrité ou d'intérêt général; elle peut l'être à titre exceptionnel si d'autres circonstances le commandent impérativement (art. 4 al. 1). Le règlement d'application du 6 mai 1988 (RLDTR/VD; RSV 840.15.1) précise, d'une part, que le propriétaire peut être dispensé de présenter une demande d'autorisation lorsque les travaux envisagés représentent un coût inférieur aux 20 % de la valeur à neuf de l'assurance-incendie de l'immeuble (art. 1 al. 2) et, d'autre part, que l'autorisation est accordée en particulier lorsque l'opération envisagée apparaît indispensable ou opportune sur le plan technique (art. 12 al. 1). Les recourants sont d'avis que le RLDTR/VD est en partie (art. 12 al. 1) incompatible avec la LDTR/VD. Ils critiquent longuement la pratique, à leur sens trop large, de l'administration cantonale en la matière et entendent démontrer que le projet des intimés est totalement incompatible avec ce qu'ils estiment être une application correcte de la LDTR/VD. Ce faisant, ils oublient que l'enjeu ne se situe pas là. En effet, le point n'est pas de savoir si l'administration cantonale applique correctement la LDTR/VD ou si le RLDTR/VD se concilie avec la LDTR/VD, questions que le Tribunal fédéral ne pourrait au demeurant revoir que sous l'angle de l'arbitraire; il n'est pas non plus nécessaire de se demander si une législation cantonale aussi restrictive et absolue que l'entendent les locataires serait compatible avec le droit fédéral (cf. ATF 113 Ia 126 consid. 7b/aa p. 134 ss). BGE 140 III 496 S. 499 Dans la présente cause, il s'agit uniquement d'examiner si les congés, motivés par des travaux futurs, contreviennent aux règles de la bonne foi parce que, au moment où ils ont été donnés, l'autorisation, par l'administration cantonale, des travaux envisagés apparaissait de toute évidence exclue. A cet égard, il faut souligner que la législation cantonale accorde un important pouvoir d'appréciation à l'administration pour autoriser des projets, pouvoir dont celle-ci fait largement usage selon ce que les locataires affirment eux-mêmes. En règle générale, il ne devrait donc guère être possible de prédire que l'administration, de toute évidence, refusera une autorisation au sens de la LDTR/VD. En l'espèce, les éléments apportés par les locataires, à qui le fardeau de la preuve incombe, ne sont en tout cas pas à même de démontrer que le projet de rénovation ici en cause est de toute évidence incompatible avec les règles de droit public applicables et que les bailleurs n'obtiendront assurément pas les autorisations nécessaires. Sous cet angle, le grief tiré d'une violation de l' art. 271 al. 1 CO se révèle mal fondé. 4.2.2 Selon les recourants, les résiliations sont également abusives pour une autre raison; au moment où les congés ont été signifiés, les travaux projetés ne seraient pas encore arrivés à maturité et n'auraient pas présenté de réalité tangible. Comme déjà relevé, la résiliation du bail motivée par des travaux futurs n'est pas contraire aux règles de la bonne foi lorsque la présence du locataire serait susceptible d'entraîner des complications, des coûts supplémentaires ou une prolongation de la durée des travaux. Savoir si tel est le cas dépend des travaux envisagés. La validité du congé suppose ainsi qu'au moment de la résiliation du bail, le bailleur dispose d'un projet suffisamment mûr et élaboré pour pouvoir constater concrètement que la présence du locataire entraverait les travaux. C'est pourquoi le Tribunal fédéral a déjà admis qu'un congé en vue d'une rénovation importante contrevient aux règles de la bonne foi lorsqu'il n'est pas possible d'apprécier l'importance des travaux envisagés et de déterminer si ceux-ci nécessitent que le bâtiment soit vidé de ses locataires (arrêts 4A_425/2009 du 11 novembre 2009 consid. 3.2.2; 4A_518/2010 du 16 décembre 2010 consid. 2.4.2). En outre, faute de renseignements suffisamment précis, le locataire n'est pas en mesure de se faire une idée sur la réalité des intentions du bailleur et sur la gêne que sa présence entraînerait pour l'exécution BGE 140 III 496 S. 500 des travaux envisagés; or, il a le droit d'obtenir du bailleur une motivation qui lui permette d'apprécier ses chances de contester le congé avec succès et de décider en connaissance de cause, dans les trente jours suivant la réception de la résiliation ( art. 273 al. 1 CO ), s'il entend procéder ( art. 271 al. 2 CO ). En l'espèce, la motivation donnée par les intimés et le gérant à l'époque de la notification des congés en mai 2010 est succincte et très générale: "rénovation, transformation, restructuration", respectivement "restructuration de l'étage". Sur cette base, les locataires ne pouvaient guère imaginer quels travaux précis les toucheraient individuellement. La Cour d'appel civile a retenu que le gérant avait visité les immeubles en février 2010 et transmis les plans de l'état actuel à l'un des bailleurs, que des plans indiquant les murs à démolir avaient été établis en juin 2010, que le gérant avait rédigé en août 2010 un rapport établissant un diagnostic sommaire destiné à donner une première évaluation de l'état des immeubles et à faire une première estimation des coûts d'une remise en état avant de passer à des études plus approfondies, qu'un architecte avait établi en avril 2011 un rapport sur les travaux à exécuter et que la mise à l'enquête avait commencé le 3 août 2011. A l'exception de la visite des immeubles par le gérant en février 2010, toutes ces opérations sont postérieures à la résiliation des baux. Il ne ressort ainsi pas des faits constatés par la cour cantonale qu'au moment où les congés ont été donnés, les bailleurs disposaient d'un projet un tant soit peu élaboré; rien ne permet même de retenir qu'il existait une simple ébauche des travaux futurs. Or, à elle seule, la ferme intention générale de transformer et rénover les immeubles ne saurait être considérée comme déterminante. Par conséquent, il y a lieu d'admettre que les congés du 19 mai 2010, à tout le moins prématurés, contreviennent aux règles de la bonne foi.
Urteilskopf
74. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause A. et consorts contre D. et E. (recours en matière civile)
4A_31/2014 du 27 août 2014
Regeste Miete; gegen Treu und Glauben verstossende Kündigung ( Art. 271 Abs. 1 OR ). Die Kündigung im Hinblick auf Umbau- oder Renovationsarbeiten ist missbräuchlich, wenn das Projekt des Vermieters mit den Bestimmungen des öffentlichen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, so dass die notwendigen Bewilligungen mit Sicherheit nicht erlangt werden können (E. 4.1 und 4.2.1). Eine derartige Kündigung widerspricht ebenfalls Treu und Glauben, wenn das Projekt des Vermieters im Moment, in dem die Kündigung ausgesprochen und dem Mieter zur Kenntnis gebracht wird, nicht hinreichend fortgeschritten und ausgearbeitet ist, um das Ausmass der geplanten Arbeiten abschätzen zu können und so zu bestimmen, ob diese einen Wegzug des Mieters erfordern (E. 4.1 und 4.2.2).
Regeste
Miete; gegen Treu und Glauben verstossende Kündigung ( Art. 271 Abs. 1 OR ). Die Kündigung im Hinblick auf Umbau- oder Renovationsarbeiten ist missbräuchlich, wenn das Projekt des Vermieters mit den Bestimmungen des öffentlichen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, so dass die notwendigen Bewilligungen mit Sicherheit nicht erlangt werden können (E. 4.1 und 4.2.1). Eine derartige Kündigung widerspricht ebenfalls Treu und Glauben, wenn das Projekt des Vermieters im Moment, in dem die Kündigung ausgesprochen und dem Mieter zur Kenntnis gebracht wird, nicht hinreichend fortgeschritten und ausgearbeitet ist, um das Ausmass der geplanten Arbeiten abschätzen zu können und so zu bestimmen, ob diese einen Wegzug des Mieters erfordern (E. 4.1 und 4.2.2).
Art. 271 Abs. 1 OR Die Kündigung im Hinblick auf Umbau- oder Renovationsarbeiten ist missbräuchlich, wenn das Projekt des Vermieters mit den Bestimmungen des öffentlichen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, so dass die notwendigen Bewilligungen mit Sicherheit nicht erlangt werden können (E. 4.1 und 4.2.1).
Eine derartige Kündigung widerspricht ebenfalls Treu und Glauben, wenn das Projekt des Vermieters im Moment, in dem die Kündigung ausgesprochen und dem Mieter zur Kenntnis gebracht wird, nicht hinreichend fortgeschritten und ausgearbeitet ist, um das Ausmass der geplanten Arbeiten abschätzen zu können und so zu bestimmen, ob diese einen Wegzug des Mieters erfordern (E. 4.1 und 4.2.2).
Erwägungen ab Seite 496
Erwägungen ab Seite 496 BGE 140 III 496 S. 496
BGE 140 III 496 S. 496
Extrait des considérants:
4. Invoquant la protection contre les congés abusifs, les recourants se plaignent essentiellement d'une violation de l' art. 271 al. 1 CO. BGE 140 III 496 S. 497
4. art. 271 al. 1 CO BGE 140 III 496 S. 497
4.1 Les parties au contrat sont libres de résilier un bail de durée indéterminée pour le prochain terme légal ou contractuel; un motif particulier n'est pas exigé ( art. 266a al. 1 CO ). Le congé est toutefois annulable lorsqu'il contrevient aux règles de la bonne foi ( art. 271 al. 1 CO ; cf. également art. 271a CO ). Tel est le cas lorsqu'il ne répond à aucun intérêt objectif, sérieux et digne de protection et qu'il apparaît ainsi purement chicanier. Le seul fait que la résiliation entraîne des conséquences pénibles pour le locataire n'est pas suffisant; il faut une disproportion crasse entre l'intérêt du preneur au maintien du contrat et l'intérêt du bailleur à y mettre fin. En règle générale, l'absence d'intérêt digne de protection du bailleur est également admise lorsque la motivation du congé, demandée par le locataire, est lacunaire ou fausse. Pour juger de la validité de la résiliation, il faut se placer au moment où celle-ci a été notifiée ( ATF 138 III 59 consid. 2.1 p. 61 s. et les arrêts cités).
4.1 art. 266a al. 1 CO art. 271 al. 1 CO art. 271a CO Dans un arrêt de principe rendu en 2008 ( ATF 135 III 112 ), le Tribunal fédéral a jugé qu'une résiliation de bail en vue de vastes travaux d'assainissement de l'objet loué ne contrevient pas aux règles de la bonne foi. Il en va ainsi même si le locataire se dit prêt à rester dans l'appartement durant les travaux et à s'accommoder des inconvénients qui en résultent, car sa présence est propre à entraîner des complications, des coûts supplémentaires ou une prolongation de la durée des travaux. La résiliation est critiquable uniquement s'il apparaît que la présence du locataire ne compliquerait pas les travaux, ou seulement de manière insignifiante, par exemple en cas de réfection des peintures ou lors de travaux extérieurs tels qu'une rénovation de façade ou un agrandissement de balcon. Dans la cause ayant donné lieu à cet arrêt, le bailleur avait détaillé les travaux prévus dans une lettre jointe à l'avis de résiliation (arrêt précité point A et consid. 4.2 p. 119 s.).
Par ailleurs, le congé en vue de travaux de transformation ou de rénovation est abusif lorsque le projet du bailleur ne présente pas de réalité tangible ou qu'il apparaît objectivement impossible, notamment parce qu'il est de toute évidence incompatible avec les règles du droit public applicable et que le bailleur n'obtiendra ainsi pas les autorisations nécessaires; la preuve de l'impossibilité objective incombe au locataire. La validité du congé ne suppose pas que le bailleur ait déjà obtenu les autorisations nécessaires, ni même qu'il ait déposé les documents dont elles dépendent (arrêt 4A_210/2014 du BGE 140 III 496 S. 498 17 juillet 2014 consid. 3.1 et les arrêts cités; cf. également ATF 136 III 190 consid. 4 p. 194 s.).
BGE 140 III 496 S. 498
4.2
4.2 4.2.1 Les recourants soutiennent que les congés sont abusifs au motif que les travaux projetés sont incompatibles avec le droit public, plus précisément avec la loi vaudoise du 4 mars 1985 concernant la démolition, la transformation et la rénovation de maisons d'habitation, ainsi que l'utilisation de logements à d'autres fins que l'habitation (LDTR/VD; RSV 840.15).
4.2.1 La LDTR/VD soumet à autorisation la transformation et la rénovation, totales ou partielles, de maisons d'habitation; par rénovation, elle entend tous travaux d'une certaine importance, apportant une plus-value à l'immeuble, à l'exclusion des travaux d'entretien courant (art. 1). En règle générale, l'autorisation est refusée lorsque l'immeuble en cause comprend des logements d'une catégorie où sévit la pénurie (art. 3). L'autorisation est accordée pour des motifs de sécurité, de salubrité ou d'intérêt général; elle peut l'être à titre exceptionnel si d'autres circonstances le commandent impérativement (art. 4 al. 1). Le règlement d'application du 6 mai 1988 (RLDTR/VD; RSV 840.15.1) précise, d'une part, que le propriétaire peut être dispensé de présenter une demande d'autorisation lorsque les travaux envisagés représentent un coût inférieur aux 20 % de la valeur à neuf de l'assurance-incendie de l'immeuble (art. 1 al. 2) et, d'autre part, que l'autorisation est accordée en particulier lorsque l'opération envisagée apparaît indispensable ou opportune sur le plan technique (art. 12 al. 1).
Les recourants sont d'avis que le RLDTR/VD est en partie (art. 12 al. 1) incompatible avec la LDTR/VD. Ils critiquent longuement la pratique, à leur sens trop large, de l'administration cantonale en la matière et entendent démontrer que le projet des intimés est totalement incompatible avec ce qu'ils estiment être une application correcte de la LDTR/VD. Ce faisant, ils oublient que l'enjeu ne se situe pas là. En effet, le point n'est pas de savoir si l'administration cantonale applique correctement la LDTR/VD ou si le RLDTR/VD se concilie avec la LDTR/VD, questions que le Tribunal fédéral ne pourrait au demeurant revoir que sous l'angle de l'arbitraire; il n'est pas non plus nécessaire de se demander si une législation cantonale aussi restrictive et absolue que l'entendent les locataires serait compatible avec le droit fédéral (cf. ATF 113 Ia 126 consid. 7b/aa p. 134 ss). BGE 140 III 496 S. 499 Dans la présente cause, il s'agit uniquement d'examiner si les congés, motivés par des travaux futurs, contreviennent aux règles de la bonne foi parce que, au moment où ils ont été donnés, l'autorisation, par l'administration cantonale, des travaux envisagés apparaissait de toute évidence exclue.
BGE 140 III 496 S. 499
A cet égard, il faut souligner que la législation cantonale accorde un important pouvoir d'appréciation à l'administration pour autoriser des projets, pouvoir dont celle-ci fait largement usage selon ce que les locataires affirment eux-mêmes. En règle générale, il ne devrait donc guère être possible de prédire que l'administration, de toute évidence, refusera une autorisation au sens de la LDTR/VD. En l'espèce, les éléments apportés par les locataires, à qui le fardeau de la preuve incombe, ne sont en tout cas pas à même de démontrer que le projet de rénovation ici en cause est de toute évidence incompatible avec les règles de droit public applicables et que les bailleurs n'obtiendront assurément pas les autorisations nécessaires.
Sous cet angle, le grief tiré d'une violation de l' art. 271 al. 1 CO se révèle mal fondé. art. 271 al. 1 CO 4.2.2 Selon les recourants, les résiliations sont également abusives pour une autre raison; au moment où les congés ont été signifiés, les travaux projetés ne seraient pas encore arrivés à maturité et n'auraient pas présenté de réalité tangible.
4.2.2 Comme déjà relevé, la résiliation du bail motivée par des travaux futurs n'est pas contraire aux règles de la bonne foi lorsque la présence du locataire serait susceptible d'entraîner des complications, des coûts supplémentaires ou une prolongation de la durée des travaux. Savoir si tel est le cas dépend des travaux envisagés. La validité du congé suppose ainsi qu'au moment de la résiliation du bail, le bailleur dispose d'un projet suffisamment mûr et élaboré pour pouvoir constater concrètement que la présence du locataire entraverait les travaux. C'est pourquoi le Tribunal fédéral a déjà admis qu'un congé en vue d'une rénovation importante contrevient aux règles de la bonne foi lorsqu'il n'est pas possible d'apprécier l'importance des travaux envisagés et de déterminer si ceux-ci nécessitent que le bâtiment soit vidé de ses locataires (arrêts 4A_425/2009 du 11 novembre 2009 consid. 3.2.2; 4A_518/2010 du 16 décembre 2010 consid. 2.4.2). En outre, faute de renseignements suffisamment précis, le locataire n'est pas en mesure de se faire une idée sur la réalité des intentions du bailleur et sur la gêne que sa présence entraînerait pour l'exécution BGE 140 III 496 S. 500 des travaux envisagés; or, il a le droit d'obtenir du bailleur une motivation qui lui permette d'apprécier ses chances de contester le congé avec succès et de décider en connaissance de cause, dans les trente jours suivant la réception de la résiliation ( art. 273 al. 1 CO ), s'il entend procéder ( art. 271 al. 2 CO ).
BGE 140 III 496 S. 500
art. 273 al. 1 CO art. 271 al. 2 CO En l'espèce, la motivation donnée par les intimés et le gérant à l'époque de la notification des congés en mai 2010 est succincte et très générale: "rénovation, transformation, restructuration", respectivement "restructuration de l'étage". Sur cette base, les locataires ne pouvaient guère imaginer quels travaux précis les toucheraient individuellement.
La Cour d'appel civile a retenu que le gérant avait visité les immeubles en février 2010 et transmis les plans de l'état actuel à l'un des bailleurs, que des plans indiquant les murs à démolir avaient été établis en juin 2010, que le gérant avait rédigé en août 2010 un rapport établissant un diagnostic sommaire destiné à donner une première évaluation de l'état des immeubles et à faire une première estimation des coûts d'une remise en état avant de passer à des études plus approfondies, qu'un architecte avait établi en avril 2011 un rapport sur les travaux à exécuter et que la mise à l'enquête avait commencé le 3 août 2011. A l'exception de la visite des immeubles par le gérant en février 2010, toutes ces opérations sont postérieures à la résiliation des baux.
Il ne ressort ainsi pas des faits constatés par la cour cantonale qu'au moment où les congés ont été donnés, les bailleurs disposaient d'un projet un tant soit peu élaboré; rien ne permet même de retenir qu'il existait une simple ébauche des travaux futurs. Or, à elle seule, la ferme intention générale de transformer et rénover les immeubles ne saurait être considérée comme déterminante. Par conséquent, il y a lieu d'admettre que les congés du 19 mai 2010, à tout le moins prématurés, contreviennent aux règles de la bonne foi.
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Urteilskopf
9. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde KESB Thun (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_702/2013 vom 10. Dezember 2013
Regeste Art. 389, 391 Abs. 1, Art. 392 Ziff. 1, Art. 394 Abs. 1 i.V.m. Art. 395 ZGB ; Maximen der Subsidiarität und der Verhältnismässigkeit im Erwachsenenschutzrecht. Bedeutung von und Zusammenhang zwischen Subsidiarität und Verhältnismässigkeit ( Art. 389 ZGB ) im Hinblick auf die Anordnung einer Massnahme des Erwachsenenschutzes "entsprechend den Bedürfnissen der betroffenen Person" ( Art. 391 Abs. 1 ZGB ). Im konkreten Fall erscheint die Vertretungsbeistandschaft nach Art. 394 Abs. 1 i.V.m. Art. 395 ZGB nicht angebracht, da eine mildere Massnahme nach Art. 392 Ziff. 1 ZGB möglich ist (E. 4.3).
Regeste
Art. 389, 391 Abs. 1, Art. 392 Ziff. 1, Art. 394 Abs. 1 i.V.m. Art. 395 ZGB ; Maximen der Subsidiarität und der Verhältnismässigkeit im Erwachsenenschutzrecht. Bedeutung von und Zusammenhang zwischen Subsidiarität und Verhältnismässigkeit ( Art. 389 ZGB ) im Hinblick auf die Anordnung einer Massnahme des Erwachsenenschutzes "entsprechend den Bedürfnissen der betroffenen Person" ( Art. 391 Abs. 1 ZGB ). Im konkreten Fall erscheint die Vertretungsbeistandschaft nach Art. 394 Abs. 1 i.V.m. Art. 395 ZGB nicht angebracht, da eine mildere Massnahme nach Art. 392 Ziff. 1 ZGB möglich ist (E. 4.3).
Art. 395 ZGB Bedeutung von und Zusammenhang zwischen Subsidiarität und Verhältnismässigkeit ( Art. 389 ZGB ) im Hinblick auf die Anordnung einer Massnahme des Erwachsenenschutzes "entsprechend den Bedürfnissen der betroffenen Person" ( Art. 391 Abs. 1 ZGB ). Im konkreten Fall erscheint die Vertretungsbeistandschaft nach Art. 394 Abs. 1 i.V.m. Art. 395 ZGB nicht angebracht, da eine mildere Massnahme nach Art. 392 Ziff. 1 ZGB möglich ist (E. 4.3).
Art. 389 ZGB Art. 391 Abs. 1 ZGB Art. 395 ZGB Art. 392 Ziff. 1 ZGB Sachverhalt ab Seite 50
Sachverhalt ab Seite 50 BGE 140 III 49 S. 50
BGE 140 III 49 S. 50
A.
A. A.a Im Februar 2003 wurde für X. eine Beistandschaft auf eigenes Begehren nach aArt. 394 ZGB errichtet. Im Januar 2013 demissionierte Beistand C. Er beantragte der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Thun, die Beistandschaft an die Wohn- und Lebensgemeinschaft B. in D. zu übertragen, wo X. seit längerer Zeit lebt. X. und A., der Leiter der Wohn- und Lebensgemeinschaft B., beantragten, die Beistandschaft aufzuheben.
A.a A.b Mit Entscheid vom 18. April 2013 hob die KESB Thun die Beistandschaft nach aArt. 394 ZGB auf und ordnete neu eine Vertretungsbeistandschaft mit Einkommens- und Vermögensverwaltung nach Art. 394 i.V.m. Art. 395 ZGB an. Soweit vor Bundesgericht noch relevant, übertrug sie dem Beistand die Aufgabe, X. "beim Erledigen der administrativen Angelegenheiten soweit nötig zu vertreten, insbesondere auch im Verkehr mit Behörden, Ämtern, Banken, Post, (Sozial-)Versicherungen, sonstigen Institutionen und Privatpersonen". Weiter wurde der Beistand damit betraut, X. "beim Erledigen der finanziellen Angelegenheiten zu vertreten, insbesondere sein Einkommen und Vermögen sorgfältig zu verwalten". C. wurde aus dem Amt entlassen. Als neuen Beistand setzte die KESB den Berufsbeistand E. ein.
A.b Art. 395 ZGB B. Hierauf erhoben X. und A. Beschwerde beim Obergericht des Kantons Bern. Dieses hiess das Rechtsmittel teilweise gut, wies mit Bezug auf die streitigen Anordnungen (lit. A.b) aber ab (Entscheid vom 22. August 2013).
B. C.
C. C.a Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 20. September 2013 gelangt X. (Beschwerdeführer) an das Bundesgericht. Er verlangt, das Urteil des Obergerichts und den Kammerentscheid der KESB Thun aufzuheben und festzustellen, dass die Voraussetzungen für eine künftige Beistandschaft nicht gegeben sind. Eventualiter sei C. als Vertretungsbeistand nach Art. 394 ZGB zu bestellen, subeventualiter die Sache zur Neubeurteilung an das Obergericht zurückzuweisen.
C.a Art. 394 ZGB C.b Mit Verfügung vom 4. Oktober 2013 hat das präsidierende Mitglied der II. zivilrechtlichen Abteilung der Beschwerde antragsgemäss aufschiebende Wirkung zuerkannt. BGE 140 III 49 S. 51
C.b BGE 140 III 49 S. 51
C.c Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und hebt die angeordnete Beistandschaft auf.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
4.
4. 4.3 4.3.1 In Art. 389 ZGB unterstellt der Gesetzgeber alle behördlichen Massnahmen des Erwachsenenschutzes den beiden Maximen der Subsidiarität und der Verhältnismässigkeit. Subsidiarität ( Art. 389 Abs. 1 ZGB ) heisst, dass behördliche Massnahmen nur dann anzuordnen sind, wenn die Betreuung der hilfsbedürftigen Person auf andere Weise nicht angemessen sichergestellt ist (Botschaft vom 28. Juni 2006, zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht] BBl 2006 7042 Ziff. 2.2.1). Ist die gebotene Unterstützung der hilfsbedürftigen Person auf andere Art - durch die Familie, andere nahestehende Personen (vgl. dazu Urteil 5A_663/2013 vom 5. November 2013 E. 3) oder private oder öffentliche Dienste - schon gewährleistet, so ordnet die Erwachsenenschutzbehörde keine Massnahme an ( Art. 389 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB ). Kommt die Erwachsenenschutzbehörde demgegenüber zum Schluss, die vorhandene Unterstützung der hilfsbedürftigen Person sei nicht ausreichend oder von vornherein ungenügend, so muss ihre behördliche Massnahme verhältnismässig, das heisst erforderlich und geeignet sein ( Art. 389 Abs. 2 ZGB ). Die Erwachsenenschutzbehörde hat dabei nicht gesetzlich fest umschriebene, starre Massnahmen, sondern "Massnahmen nach BGE 140 III 49 S. 52 Mass" zu treffen, das heisst solche, die den Bedürfnissen der betroffenen Person entsprechen ( Art. 391 Abs. 1 ZGB ). Es gilt der Grundsatz "Soviel staatliche Fürsorge wie nötig, so wenig staatlicher Eingriff wie möglich" (vgl. Botschaft, a.a.O., S. 7017 Ziff. 1.3.4. a.E.). Dies gilt auch für die Errichtung einer Vertretungsbeistandschaft nach Art. 394 Abs. 1 ZGB.
4.3.1 Art. 389 ZGB Art. 389 Abs. 1 ZGB Art. 389 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB Art. 389 Abs. 2 ZGB BGE 140 III 49 S. 52
Art. 391 Abs. 1 ZGB Art. 394 Abs. 1 ZGB 4.3.2 Unter dem Gesichtspunkt der Eignung scheint auch das Obergericht davon auszugehen, dass A. für die Vertretung des Beschwerdeführers in finanziellen Angelegenheiten grundsätzlich in Frage kommt. Einzig der behauptete Interessenkonflikt disqualifiziert ihn in den Augen der Vorinstanz für eine mögliche Unterstützung. Ein solcher Interessenkonflikt besteht aber nur insofern, als A. Präsident des Verwaltungsrates der G. AG ist, der die Liegenschaft der Wohn- und Lebensgemeinschaft B. gehört. Die Voraussetzung der Erforderlichkeit jedes erwachsenenschutzrechtlichen Eingriffs verlangt jedoch, dass sich der verfolgte Zweck - die Unterstützung der hilfsbedürftigen Person - nicht mit milderen behördlichen Massnahmen erreichen lässt. Allein unter diesem Aspekt ist nicht ersichtlich, weshalb dem Beschwerdeführer die nötige Unterstützung nur mittels einer Vertretungsbeistandschaft gemäss Art. 394 i.V.m. Art. 395 ZGB verschafft werden kann, welche die Erledigung sämtlicher finanziellen Angelegenheiten erfasst (s. Sachverhalt lit. A.a.). Ein Grund für einen derart schwerwiegenden erwachsenenschutzrechtlichen Eingriff kann unter Umständen dann vorliegen, wenn die betroffene Person über ein beträchtliches Vermögen verfügt und ohne fremde Unterstützung ernsthaft Gefahr liefe, ihre wirtschaftliche Situation in unhaltbarer Weise aufs Spiel zu setzen (vgl. Urteil 5A_836/2011 vom 5. Juni 2012 E. 2.2.2). Dass solcherlei Umstände auch im Falle des Beschwerdeführers vorlägen, lässt sich dem angefochtenen Entscheid aber gerade nicht entnehmen. Unter den gegebenen Umständen ist dem Schutzbedürfnis des Beschwerdeführers vollauf Genüge getan, wenn die KESB Thun die G. AG und die B. verpflichten würde, sie über bevorstehende Vertragsänderungen zu informieren, die für den Beschwerdeführer mit Preiserhöhungen für Kost und Logis verbunden sind. Die gesetzliche Grundlage für eine solche mildere Massnahme liefert Art. 392 Ziff. 1 ZGB : Erscheint die Errichtung einer Beistandschaft wegen des Umfangs der Aufgaben als offensichtlich unverhältnismässig, so kann die Erwachsenenschutzbehörde von sich aus das Erforderliche vorkehren, namentlich die Zustimmung zu einem Rechtsgeschäft erteilen. Schliesslich lässt BGE 140 III 49 S. 53 sich auf diese Weise auch dem beschriebenen Leitsatz Rechnung tragen, wonach die behördlichen Anordnungen nach Mass zu treffen sind (s. E. 4.3.1).
4.3.2 Art. 395 ZGB Art. 392 Ziff. 1 ZGB BGE 140 III 49 S. 53
4.3.3 Art. 360 Abs. 1 ZGB Art. 389 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB
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Urteilskopf
75. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Obergericht des Kantons Bern (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_374/2013 vom 23. September 2014
Regeste Art. 106 ZPO, Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG ; Auferlegung der Parteientschädigung an den Kanton im Rechtsmittelverfahren um unentgeltliche Rechtspflege, Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Ob die ZPO in einem (Rechtsmittel-)Verfahren um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege eine Grundlage für die Auferlegung der (vollen) Parteikosten an den Kanton als unterliegende Partei bietet, stellt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar (E. 1.3). Obsiegt die um unentgeltliche Rechtspflege nachsuchende Partei im Beschwerdeverfahren, ist ihr vom Kanton die volle Parteientschädigung auszurichten (E. 4).
Regeste
Art. 106 ZPO, Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG ; Auferlegung der Parteientschädigung an den Kanton im Rechtsmittelverfahren um unentgeltliche Rechtspflege, Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Ob die ZPO in einem (Rechtsmittel-)Verfahren um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege eine Grundlage für die Auferlegung der (vollen) Parteikosten an den Kanton als unterliegende Partei bietet, stellt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar (E. 1.3). Obsiegt die um unentgeltliche Rechtspflege nachsuchende Partei im Beschwerdeverfahren, ist ihr vom Kanton die volle Parteientschädigung auszurichten (E. 4).
Art. 106 ZPO Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG Ob die ZPO in einem (Rechtsmittel-)Verfahren um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege eine Grundlage für die Auferlegung der (vollen) Parteikosten an den Kanton als unterliegende Partei bietet, stellt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar (E. 1.3).
Obsiegt die um unentgeltliche Rechtspflege nachsuchende Partei im Beschwerdeverfahren, ist ihr vom Kanton die volle Parteientschädigung auszurichten (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 502
Sachverhalt ab Seite 502 BGE 140 III 501 S. 502
BGE 140 III 501 S. 502
A. Im Rahmen eines Mieterstreckungsverfahrens vor der Schlichtungsbehörde Bern-Mittelland reichte A. am 5. November 2012 ein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung ein. Mit Entscheid vom 2. April 2013 wies die Schlichtungsbehörde das Gesuch wegen Aussichtslosigkeit ab.
A. Dagegen erhob A. Beschwerde an das Obergericht des Kantons Bern. Sie beantragte zudem die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung für das Beschwerdeverfahren. Mit Entscheid vom 18. Juni 2013 hiess das Obergericht die Beschwerde gut und hob den Entscheid der Schlichtungsbehörde auf. A. wurde sowohl für das Schlichtungsverfahren als auch für das Beschwerdeverfahren die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Fürsprecher Mark Schibler als unentgeltlicher Rechtsbeistand beigeordnet. Für das Beschwerdeverfahren und das oberinstanzliche Gesuchsverfahren wurde die amtliche Entschädigung von Fürsprecher Mark Schibler, als amtlicher Rechtsbeistand von A., wie folgt bestimmt (Ziffer 6):
"amtliche Entschädigung 7.5 Stunden à CHF 200.00 CHF 1'500.00 Auslagen MWST-pflichtig CHF 8.60 Mehrwertsteuer 8.0 % auf CHF 1'508.60 CHF 120.70 Auslagen ohne MWST CHF 0.00 Total, vom Kanton Bern auszurichten CHF 1'629.30 volles Honorar CHF 1'725.00 Auslagen MWST-pflichtig CHF 8.60 Mehrwertsteuer 8.0 % auf CHF 1'733.60 CHF 138.70 Auslagen ohne MWST CHF 0.00 Total CHF 1'872.30 nachforderbarer Betrag CHF 243.00
"amtliche Entschädigung 7.5 Stunden à CHF 200.00 "amtliche Entschädigung 7.5 Stunden à CHF 200.00
CHF 1'500.00 CHF 1'500.00
Auslagen MWST-pflichtig Auslagen MWST-pflichtig
CHF 8.60 CHF 8.60
Mehrwertsteuer 8.0 % auf CHF 1'508.60 Mehrwertsteuer 8.0 % auf CHF 1'508.60
CHF 120.70 CHF 120.70
Auslagen ohne MWST Auslagen ohne MWST
CHF 0.00 CHF 0.00
Total, vom Kanton Bern auszurichten Total, vom Kanton Bern auszurichten
CHF 1'629.30 CHF 1'629.30
volles Honorar volles Honorar
CHF 1'725.00 CHF 1'725.00
Auslagen MWST-pflichtig Auslagen MWST-pflichtig
CHF 8.60 CHF 8.60
Mehrwertsteuer 8.0 % auf CHF 1'733.60 Mehrwertsteuer 8.0 % auf CHF 1'733.60
CHF 138.70 CHF 138.70
Auslagen ohne MWST Auslagen ohne MWST
CHF 0.00 CHF 0.00
Total Total
CHF 1'872.30 CHF 1'872.30
nachforderbarer Betrag nachforderbarer Betrag
CHF 243.00 CHF 243.00
Die Beschwerdeführerin hat dem Kanton Bern die ausgerichtete Entschädigung zurückzuzahlen sowie Fürsprecher Mark Schibler die Differenz zwischen der amtlichen Entschädigung und dem vollen Honorar zu erstatten, sobald sie dazu in der Lage ist ( Art. 123 Abs. 1 ZPO )."
Art. 123 Abs. 1 ZPO B. Mit Beschwerde in Zivilsachen und subsidiärer Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht beantragt A. (nachfolgend: Beschwerdeführerin) im Wesentlichen, Ziffer 6 des Entscheides vom 18. Juni 2013 des Obergerichts des Kantons Bern sei aufzuheben und ihr sei für das Verfahren vor der Vorinstanz die volle Parteientschädigung gemäss eingereichter Honorarnote zu Lasten des Kantons Bern auszurichten. Die Vorinstanz beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde in Zivilsachen gut.
B. (Zusammenfassung) BGE 140 III 501 S. 503
BGE 140 III 501 S. 503
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
1.
1. 1.3 Erreicht der Streitwert den massgebenden Betrag nicht, ist die Beschwerde in Zivilsachen dennoch zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt ( Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG ). Dieser Begriff ist restriktiv auszulegen ( BGE 133 III 493 E. 1.1 S. 495). Soweit es bei der aufgeworfenen Frage lediglich um die Anwendung von Grundsätzen der Rechtsprechung auf einen konkreten Fall geht, handelt es sich nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ( BGE 135 III 1 E. 1.3 S. 4; BGE 134 III 115 E. 1.2 S. 117). Die Voraussetzung von Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG ist hingegen erfüllt, wenn ein allgemeines und dringendes Interesse besteht, dass eine umstrittene Frage höchstrichterlich geklärt wird, um eine einheitliche Anwendung und Auslegung des Bundesrechts herbeizuführen und damit eine erhebliche Rechtsunsicherheit auszuräumen ( BGE 138 I 232 E. 2.3 S. 236; BGE 135 III 1 E. 1.3 S. 4). Die Frage muss von allgemeiner Tragweite sein ( BGE 134 III 267 E. 1.2 S. 269). Eine neue Rechtsfrage kann vom Bundesgericht beurteilt werden, wenn dessen Entscheid für die Praxis wegleitend sein kann, namentlich, wenn von unteren Instanzen viele gleichartige Fälle zu beurteilen sein werden ( BGE 135 III 1 E. 1.3 S. 4).
1.3 Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG Ist eine Beschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig, dass sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, hat die Beschwerdeführerin in der Beschwerdeschrift auszuführen, warum diese Voraussetzung erfüllt ist ( Art. 42 Abs. 2 Satz 2 BGG ), ansonsten die Beschwerde in Zivilsachen unzulässig ist ( BGE 133 III 439 E. 2.2.2.1 S. 442).
Art. 42 Abs. 2 Satz 2 BGG 1.3.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, es sei bisher höchstrichterlich noch nicht entschieden worden, ob die ZPO (in einem Verfahren um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege) eine Grundlage für die Auferlegung der (vollen) Parteikosten an den Kanton biete. Die Klärung dieser Rechtsfrage sei von grundsätzlicher Bedeutung, da es nicht sein könne, dass eine Partei trotz vollständigem Obsiegen zur Tragung der Parteikosten verurteilt und lediglich im Rahmen des reduzierten Tarifs für die unentgeltliche Prozessführung entschädigt werde. Es sei sehr wahrscheinlich, dass es in Zukunft noch viele gleich gelagerte Fälle geben werde.
1.3.1 1.3.2 Das Bundesgericht hat sich bereits in unterschiedlichen Konstellationen mit der Frage befasst, ob ein Kanton zur Tragung der BGE 140 III 501 S. 504 Prozesskosten verurteilt werden kann: So hat es in BGE 138 III 471 - allerdings ohne weitere Begründung - entschieden, dass die Gerichts- und Parteikosten eines kantonalen Verfahrens, die von keiner Partei veranlasst wurden, gestützt auf Art. 107 Abs. 2 ZPO ("Verteilung nach Ermessen") dem Kanton auferlegt werden können ( BGE 138 III 471 E. 7 S. 483; kritisch: HEINZMANN/COPT, Le tribunal en tant que partie succombante, BR 2014 S. 143). Verschiedentlich hat das Bundesgericht auch bei Verfahrensmängeln, namentlich bei einer Rechtsverweigerung bzw. bei der Gutheissung einer Rechtsverzögerungsbeschwerde ( Art. 319 lit. c ZPO ), den Kanton zur Zahlung einer Parteientschädigung verpflichtet ( BGE 139 III 471 E. 3.3 S. 475; Urteil 5A_378/2013 vom 23. Oktober 2013 E. 1.3 und E. 2.2 mit Hinweisen; vgl. auch Urteil 5A_278/2013 vom 5. Juli 2013 E. 4.2).
1.3.2 BGE 140 III 501 S. 504
Art. 107 Abs. 2 ZPO Art. 319 lit. c ZPO Vorliegend wird dem Kanton jedoch weder ein Verfahrensfehler vorgeworfen, noch handelt es sich um eine Kostenauflage nach Billigkeit. Vielmehr ist zu entscheiden, ob ein Kanton in einem Verfahren um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege zufolge Unterliegens gestützt auf die Zivilprozessordnung zur Tragung der Parteikosten verurteilt werden kann, und falls dies zu bejahen ist, in welcher Höhe. Diese Frage wurde vom Bundesgericht noch nicht entschieden; auch nicht in BGE 140 III 167. Dieser Entscheid, in dem es um die Parteientschädigung an den unentgeltlichen Rechtsvertreter in einem Verfahren betreffend fürsorgerischer Unterbringung ging, war auf der Grundlage kantonalen Rechts zu beurteilen. Denn Art. 450f ZGB verweist für die nicht durch das ZGB geregelten Verfahrensfragen auf das kantonale Recht; die Bestimmungen der Zivilprozessordnung sind danach nur anwendbar, soweit das kantonale Recht nichts anderes bestimmt (Urteil 5A_327/2013 vom 17. Juli 2013 E. 3.1). Das massgebliche kantonale Recht (Art. 70 Abs. 1 des Gesetzes des Kantons Bern vom 1. Februar 2012 über den Kindes- und Erwachsenenschutz [KESG; BSG 213.316]) bestimmte in diesem Fall, die Kostenregelung richte sich nach den Bestimmungen des Gesetzes vom 23. Mai 1989 über die Verwaltungsrechtspflege ( BGE 140 III 167 E. 2.3 S. 169 f.).
Art. 450f ZGB 1.4 Bei der aufgeworfenen Frage handelt es sich somit um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, deren Entscheidung für die Praxis mit Blick auf eine einheitliche Anwendung und Auslegung des Bundesrechts wegleitend sein kann. Auf die Beschwerde in Zivilsachen ist daher unter Vorbehalt zulässiger ( Art. 95 BGG ) und hinreichend begründeter Rügen (Art. 42 Abs. 1 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG ) BGE 140 III 501 S. 505 einzutreten. Damit fällt die ebenfalls erhobene subsidiäre Verfassungsbeschwerde ausser Betracht ( Art. 113 BGG ).
1.4 Art. 95 BGG Art. 106 Abs. 2 BGG BGE 140 III 501 S. 505
Art. 113 BGG 2. Mit dem angefochtenen Entscheid hat die Vorinstanz die Beschwerde der Beschwerdeführerin gutgeheissen und den Entscheid der Schlichtungsbehörde vom 2. April 2013 aufgehoben. Der Beschwerdeführerin wurde sowohl für das Schlichtungsverfahren wie für das Beschwerdeverfahren die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt und Fürsprecher Mark Schibler als unentgeltlicher Rechtsbeistand beigeordnet. Die Vorinstanz hielt fest, praxisgemäss würden die Parteikosten des oberinstanzlichen Verfahrens bei Beschwerden gegen ablehnende Entscheide betreffend die unentgeltliche Rechtspflege im Hauptverfahren liquidiert. Dies sei jedoch vorliegend nicht möglich, weil das Hauptverfahren bereits vor dem Entscheid der Schlichtungsbehörde betreffend unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos geworden sei. Ausnahmsweise seien daher die Parteikosten für das Beschwerdeverfahren oberinstanzlich zu liquidieren. Da die Gegenpartei im Hauptverfahren nicht förmliche Partei im Verfahren um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege sei, könnten ihr hierfür keine Parteikosten auferlegt werden. Für die Auferlegung der Parteikosten an den Kanton Bern biete die ZPO keine Grundlage. Folglich entschied die Vorinstanz, Fürsprecher Mark Schibler sei gemäss der auch für das Beschwerdeverfahren bewilligten unentgeltlichen Rechtspflege und gemäss der kantonalen Ausfallhaftung nach Art. 122 Abs. 2 ZPO angemessen zu entschädigen. Dabei legte die Vorinstanz die Entschädigung gemäss dem reduzierten Tarif für die unentgeltliche Rechtsverbeiständung fest und verpflichtete die Beschwerdeführerin, dem Kanton Bern die ausgerichtete Entschädigung zurückzuzahlen sowie Fürsprecher Mark Schibler die Differenz zwischen der amtlichen Entschädigung und dem vollen Honorar zu erstatten, sobald sie dazu in der Lage sei ( Art. 123 ZPO ).
2. Art. 122 Abs. 2 ZPO Art. 123 ZPO 2.1 Die Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen geltend, dieser Entscheid verletze in stossender Weise den Gerechtigkeitsgedanken; es könne nicht sein, dass obwohl die Schlichtungsbehörde falsch entschieden habe, die Erhebung einer Beschwerde an die Vorinstanz demnach nötig gewesen sei, sie letztlich zur Tragung ihrer Parteikosten verurteilt werde. Prozesskosten seien gemäss Art. 106 Abs. 1 ZPO der unterliegenden Partei aufzuerlegen. Partei sei, wer rechtsfähig sei oder von Bundesrechts wegen als Partei auftreten könne ( Art. 66 ZPO ). Unterliegende Partei im vorinstanzliche Verfahren sei BGE 140 III 501 S. 506 somit die Schlichtungsbehörde; zumindest sei diese " wie eine Partei zu behandeln". Denn im Bewilligungsverfahren seien sich Schlichtungsbehörde und Beschwerdeführerin gegenüber gestanden. Es handle sich somit um eine Streitigkeit zwischen Schlichtungsbehörde und Beschwerdeführerin, in der die Schlichtungsbehörde im Rechtsmittelverfahren unterlegen sei. Diese Situation sei im Straf- und Verwaltungsverfahren alltäglich und dort werde der Staat (als unterliegende Partei) regelmässig zur Kostentragung verpflichtet. Konkrete Gründe, weshalb dies im Zivilverfahren anders sein sollte, seien keine ersichtlich. Auch im BGG werde die Vorinstanz nirgends als Partei bezeichnet; das Bundesgericht habe aber trotzdem in einem Beschwerdeverfahren gegen die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege durch ein kantonales Obergericht dem Kanton eine Parteientschädigung gestützt auf Art. 68 Abs. 2 BGG auferlegt (Urteil 5A_649/2011 vom 3. Februar 2012 E. 6). Sollte der Parteibegriff in der ZPO aber derart eng ausgelegt werden, dass - im Gegensatz zum BGG, Straf- und Verwaltungsverfahren - das Gemeinwesen weder Partei noch wie eine Partei behandelt werden könne, wären die Parteikosten der Gegenpartei (in der Hauptsache) oder dem Kanton aus Billigkeitsgründen gemäss Art. 107 Abs. 2 ZPO aufzuerlegen.
2.1 Art. 106 Abs. 1 ZPO Art. 66 ZPO BGE 140 III 501 S. 506
Art. 68 Abs. 2 BGG Art. 107 Abs. 2 ZPO 2.2 Art. 322 ZPO Art. 324 ZPO Art. 106 ZPO Art. 122 ZPO BGE 140 III 501 S. 507
Art. 106 ZPO Art. 68 Abs. 3 BGG 3.
3. 3.1 Die Vorinstanz hat im angefochtenen Entscheid zutreffend festgehalten, dass die formelle Gegenpartei des Hauptverfahrens bzw. die Vermieterin nicht als unterliegende Partei im Sinne von Art. 106 Abs. 1 ZPO qualifiziert werden kann, da sie mit Bezug auf die Sach- und Rechtsfrage der Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege nicht materiell am Verfahren beteiligt war und auch keine eigenen Anträge gestellt hat ( Art. 119 Abs. 3 ZPO ; BGE 139 III 334 E. 4.2 S. 342 f.).
3.1 Art. 106 Abs. 1 ZPO Art. 119 Abs. 3 ZPO Zu prüfen ist daher, ob die (vollen) Parteikosten der Beschwerdeführerin für das Beschwerdeverfahren dem Kanton Bern auferlegt werden können.
3.2 Dabei bringt die Beschwerdeführerin zu Recht vor, dass kein Verfahrensfehler vorliegt, der eine Entschädigungspflicht des Kantons gestützt auf Art. 108 ZPO (Verursachung unnötiger Kosten) auslösen könnte. So liegt auch kein Anwendungsfall von Art. 107 Abs. 2 ZPO vor, denn diese Bestimmung findet Anwendung bei einer Streitigkeit zwischen den beiden Parteien des Zivilprozesses und nicht, wenn sich das Rechtsmittel gegen den Kanton selber richtet (Urteil 5A_378/2013 vom 23. Oktober 2013 E. 1.3). Zu prüfen bleibt somit, ob der Kanton gestützt auf Art. 106 ZPO zur Ausrichtung einer Parteientschädigung verpflichtet werden kann.
3.2 Art. 108 ZPO Art. 107 Abs. 2 ZPO Art. 106 ZPO 4. Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der Bestimmung. Ist der Text nicht klar und sind verschiedene BGE 140 III 501 S. 508 Interpretationen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente, namentlich des Zwecks, des Sinnes und der dem Text zugrunde liegenden Wertungen. Wichtig ist ebenfalls der Sinn, der einer Norm im Kontext zukommt. Vom klaren, das heisst eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut, darf nur ausnahmsweise abgewichen werden, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Grund und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit andern Vorschriften ergeben ( BGE 137 III 470 E. 6.4 S. 472).
4. BGE 140 III 501 S. 508
4.1 Entgegen der Vorinstanz lässt sich einzig aufgrund des Wortlauts, namentlich des Begriffs "Partei" in Art. 106 Abs. 1 ZPO eine Anwendung dieser Bestimmung auf die Erstinstanz nicht ausschliessen:
4.1 Art. 106 Abs. 1 ZPO 4.1.1 Das Bundesgericht erwog in BGE 139 III 471 E. 3.3 für den Fall der Kostenauferlegung bei Rechtsverzögerung, in einem Zivilprozess - sei es in erster Instanz oder in der Rechtsmittelinstanz - könne der Kanton normalerweise nicht als unterliegende "Partei" im Sinne von Art. 106 Abs. 1 ZPO betrachtet werden, denn der Kanton sei nicht Partei nach Art. 66 ff. ZPO. Andererseits sei die in Art. 319 lit. c ZPO geregelte Rechtsverzögerungsbeschwerde, auch wenn diese Bestimmung unter dem Randtitel "Anfechtungsobjekt" stehe, gegen den Kanton als Gegenpartei gerichtet. Daher könne der Kanton trotzdem als unterliegende "Partei" im Sinn von Art. 106 Abs. 1 ZPO verstanden werden. Das Gericht hat daher dem Begriff (unterliegende) "Partei" eine weite, über die Art. 66 ff. ZPO hinausgehende Bedeutung zugemessen, weil die Zivilprozessordnung selber in einer anderen Bestimmung ( Art. 319 lit. c ZPO ) der Behörde Parteistellung zuerkennt.
4.1.1 Art. 106 Abs. 1 ZPO Art. 66 ff. ZPO Art. 319 lit. c ZPO Art. 106 Abs. 1 ZPO Art. 66 ff. ZPO Art. 319 lit. c ZPO 4.1.2 Daraus folgt, dass entgegen der Vorinstanz jedenfalls aus den Formulierungen in Art. 322 ZPO ("Gegenpartei") bzw. Art. 324 ZPO ("Vorinstanz") nichts Entscheidendes abgeleitet werden kann. Das Verfahren um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege ist ein solches zwischen der Gesuchstellerin und dem Staat ( BGE 139 III 334 E. 4.2 S. 343.; vgl. auch Urteil 5A_381/2013 vom 19. August 2013 E. 3.2). Im erstinstanzlichen Bewilligungsverfahren handelt es sich - wie die Vorinstanz zu Recht ausführt - um ein Einparteiverfahren, bei dem Partei ist, wessen Sache behandelt wird. Ob das BGE 140 III 501 S. 509 Verfahren deswegen der sog. freiwilligen Gerichtsbarkeit zuzuordnen ist (so ALFRED BÜHLER, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, N. 6 zu Art. 119 ZPO ), kann offenbleiben. Dies ändert sich jedoch, wie das Bundesgericht gerade im Hinblick auf Fälle der freiwilligen Gerichtsbarkeit entschieden hat, wenn gegen den erstinstanzlichen Entscheid Beschwerde erhoben wird. Dann liegt ein Zweiparteienverfahren vor (Urteile 5A_815/2009 vom 31. März 2010 E. 3.1 und 5P.212/2005 vom 22. August 2005 E. 2.2). Die Erstinstanz kann daher wie in den Fällen der Rechtsverzögerungsbeschwerde als Gegenpartei verstanden werden.
4.1.2 Art. 322 ZPO Art. 324 ZPO BGE 140 III 501 S. 509
Art. 119 ZPO 4.2 Aus den Materialien ergeben sich keine eindeutigen Aufschlüsse. Art. 121 ZPO, der das Rechtsmittel gegen einen die unentgeltliche Rechtspflege ablehnenden Entscheid der ersten Instanz regelt, war gleichermassen schon in Art. 110 des Vorentwurfs der Expertenkommission (Rekurs statt Beschwerde) und Art. 119 des Entwurfs des Bundesrats enthalten. In der Botschaft äusserte sich der Bundesrat namentlich zur Höhe der Entschädigung für den unentgeltlichen Rechtsbeistand, weil diesbezüglich der Vorentwurf (Art. 107 Abs. 3 VE-ZPO) eine Entschädigung zum vollen Tarif vorgesehen hatte. Dies sei in der Vernehmlassung jedoch stark kritisiert und entsprechend fallen gelassen worden (Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, BBl 2006 7304 zu Art. 120). In der vorberatenden Kommission des Ständerats wurde einzig festgehalten, der Entwurf des Bundesrates kodifiziere etabliertes Recht, das durch die Rechtsprechung des Bundesgerichts präzisiert worden sei, insbesondere auch, was die Höhe der Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsbeistands betreffe. Daher sei auch die Entschädigung zum vollen Tarif gestrichen worden, denn sie hätte zu erheblichen Mehrbelastungen für die Kantone geführt. Aus der Diskussion der vorberatenden Kommission des Nationalrates ergeben sich keine weiteren Anhaltspunkte. So gab es auch in den parlamentarischen Beratungen keine diesbezüglichen Wortmeldungen (AB 2007 S 513; AB 2008 N 944).
4.2 Art. 121 ZPO 4.3 Ob Art. 106 Abs. 1 ZPO vorliegend anwendbar und insbesondere, ob gestützt darauf eine volle Entschädigung geschuldet ist, hängt vielmehr von der Rechtsnatur des Verfahrens der unentgeltlichen Rechtspflege bzw. deren Regelung in der ZPO ab. Diesbezüglich gehen Beschwerdeführerin und Vorinstanz von einem grundsätzlich unterschiedlichen Verständnis aus. Die Vorinstanz ist der Auffassung, BGE 140 III 501 S. 510 die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege umfasse nicht nur den Aufwand für die Zivilrechtsstreitigkeit, sondern auch den Aufwand für die Erlangung der unentgeltlichen Rechtspflege, mithin bei einem notwendigen Beschwerdeverfahren auch den Aufwand für dieses Beschwerdeverfahren. Entsprechend sei für alle diese Bemühungen der reduzierte Tarif anwendbar. Für die Beschwerdeführerin dagegen handelt es sich um einen Fall des Obsiegens, der wie jeder andere eine ungekürzte Entschädigung bewirkt und ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das Beschwerdeverfahren selber gegenstandslos werden lässt.
4.3 Art. 106 Abs. 1 ZPO BGE 140 III 501 S. 510
4.3.1 Das Bundesgericht hielt in seiner Rechtsprechung zu früheren kantonalen Zivilprozessgesetzen fest, eine kantonale Praxis, nach welcher der Aufwand für die Erlangung der unentgeltlichen Rechtspflege - auch jener für ein allfälliges Beschwerdeverfahren - im Rahmen des Hauptprozesses entschädigt werde, verstosse nicht gegen Art. 29 Abs. 3 BV. Einem allfälligen für die Erlangung der Bewilligung notwendigen, ungewöhnlich hohen Aufwand könne bei der Festsetzung der Entschädigung für das Hauptverfahren Rechnung getragen werden (Urteile 5A_710/2008 vom 12. Januar 2009 E. 3.3.3; 4P.183/2000 vom 24. Oktober 2000 E. 4c). Soweit sich die Lehre überhaupt dazu äussert, wird die Auffassung vertreten, diese Praxis, die ausser bei ungewöhnlich hohem Aufwand zu keiner Entschädigung für den Aufwand im Zusammenhang mit dem Bewilligungsverfahren führt, sei unter der ZPO nicht mehr zulässig. Gleichzeitig wird aber ohne weiteres davon ausgegangen, dass der Entschädigungsanspruch des unentgeltlichen Rechtsbeistands auch den im Rechtsmittelverfahren geleisteten anwaltlichen Aufwand umfasst, wenn die unentgeltliche Rechtspflege erst von der Beschwerdeinstanz gewährt wird (ALFRED BÜHLER, a.a.O., N. 27 f. zu Art. 121 ZPO ). Die Auffassung der Vorinstanz entspricht somit dieser Lehrmeinung.
4.3.1 Art. 29 Abs. 3 BV Art. 121 ZPO 4.3.2 Es scheint unbestritten, dass der öffentlich-rechtliche Entschädigungsanspruch aus der bewilligten unentgeltlichen Rechtspflege auch den anwaltlichen Aufwand für das Gesuch umfasst (ALFRED BÜHLER, a.a.O., N. 151 zu Art. 119 ZPO ; LUKAS HUBER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kommentar, Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], 2011, N. 28 zu Art. 119 ZPO ).
4.3.2 Art. 119 ZPO Art. 119 ZPO In BGE 137 III 470 hat das Bundesgericht im Hinblick auf die Kostenlosigkeit des Verfahrens um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege indessen zwischen dem erstinstanzlichen BGE 140 III 501 S. 511 Gesuchsverfahren und dem Beschwerdeverfahren unterschieden. Dies wurde in der Lehre zum Teil kritisiert mit dem Hinweis, das Beschwerdeverfahren sei ebenfalls "ein Verfahren um die unentgeltliche Rechtspflege" (ALFRED BÜHLER, a.a.O., N. 50a zu Art. 119 und N. 27 zu Art. 121 ZPO ; vgl. auch FRANK EMMEL, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 19 zu Art. 119 ZPO ). Es besteht aber kein Anlass, auf diese Rechtsprechung zurückzukommen. Dann jedoch ist es folgerichtig, auch hinsichtlich der Parteientschädigung zwischen dem Gesuchsverfahren und dem Beschwerdeverfahren zu unterscheiden und diese nicht wie die Vorinstanz als Einheit aufzufassen. Demzufolge ist die Beschwerdeführerin im Fall des Obsiegens so zu behandeln wie in jedem andern Fall des Obsiegens, das heisst, es ist ihr eine normale Parteientschädigung gemäss Art. 106 Abs. 1 ZPO zuzusprechen. Damit wird die um die unentgeltliche Rechtspflege beschwerdeführende Partei so gestellt, als wäre ihr diese von Anfang an bewilligt worden. Somit ist das volle Anwaltshonorar geschuldet.
BGE 140 III 501 S. 511
Art. 121 ZPO Art. 119 ZPO Art. 106 Abs. 1 ZPO 4.4 Dem angefochtenen Entscheid lässt sich entnehmen, dass Fürsprecher Mark Schibler für das Beschwerdeverfahren sowie das oberinstanzliche Gesuchsverfahren ein Honorar von insgesamt Fr. 1'872.30 (Honorar Fr. 1'725.-, Auslagen Fr. 8.60, MWST Fr. 138.70) geltend gemacht hat. Dabei hielt die Vorinstanz fest, das Honorar von Fr. 1'725.- entspreche einem Zeitaufwand von 7,5 Stunden à Fr. 230.-. Dieser Aufwand erscheine zwar hoch, jedoch angesichts der Komplexität des oberinstanzlichen Verfahrens und der von Fürsprecher Mark Schibler getroffenen Abklärungen angemessen. Diese Ausführungen werden im bundesgerichtlichen Verfahren nicht beanstandet. Unter diesen Umständen ist das Bundesgericht in der Lage, dem reformatorischen Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausrichtung der vollen Parteientschädigung für das vorinstanzliche Verfahren zu entsprechen.
4.4
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Urteilskopf 140 III 512 76. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Bank X. AG gegen Bank Y. und Z. (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_723/2013 vom 3. September 2014 Regeste Art. 99 SchKG ; Pfändung von Bankguthaben, die der Betriebene mit Wohnsitz im Ausland bei einer ausländischen Zweigniederlassung der schweizerischen Bank als Drittschuldnerin hält. Eine Forderung, welche auf Beziehungen des Schuldners mit einer ausländischen Niederlassung des in der Schweiz domizilierten Drittschuldners beruht, gilt als an dessen schweizerischem Wohnsitz belegen (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3 ). Sachverhalt ab Seite 512 BGE 140 III 512 S. 512 A. A.a Die Bank X. AG, mit Sitz in Zürich, ist Drittschuldnerin im Arrest- und Pfändungsverfahren, welches von der Banca A. S.p.A. bzw. der Rechtsnachfolgerin Bank Y., mit Sitz in Italien, gegen Z., mit Wohnsitz in Italien, eingeleitet wurde. A.b Das Betreibungsamt Zürich 1 verarrestierte gestützt auf den Arrestbefehl Nr. a des Bezirksgerichts Zürich vom 18. Februar 2008 (mit dem Arrestgrund Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG ; "Ausländerarrest") Guthaben auf näher bezeichneten Konten etc. lautend auf Z. sowie auf (zwei bestimmte) panamaische Gesellschaften "bei der BGE 140 III 512 S. 513 Bank X. AG am Hauptsitz und/oder bei ihrer Zweigniederlassung in Singapur" (Arrestvollzug vom 22. Februar 2008). (...) A.c Am 22. Dezember 2011 vollzog das Betreibungsamt in der Arrestprosequierungsbetreibung Nr. b die Pfändung Nr. c. (...) Am 26. November 2012 erliess (es) die Pfändungsurkunde. Als Pfändungsgegenstand bezeichnete es die bestrittene Forderung des Betreibungsschuldners "gegenüber der Bank X. AG herrührend aus sich allfällig in Singapur befindlichen Vermögenswerten des Schuldners". Gleichentags zeigte es der Bank die Pfändung an. A.d Gegen die Pfändungsurkunde erhob die Bank X. AG als Drittschuldnerin am 17. Dezember 2012 betreibungsrechtliche Beschwerde. Sie beantragte, den Arrest, die Betreibung sowie die Pfändungsurkunde aufzuheben; eventuell sei die Pfändungsurkunde nichtig zu erklären. Das Bezirksgericht Zürich als untere kantonale Aufsichtsbehörde über die Betreibungsämter trat mit Entscheid vom 13. März 2013 auf die Beschwerde nicht ein. Es verneinte die Beschwerdelegitimation der Bank und kam nach Prüfung der Zuständigkeit des Betreibungsamtes zum Schluss, dass kein Grund zum Eingreifen von Amtes wegen bestehe. B. Die Bank X. AG gelangte an das Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, als obere kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, welches die Beschwerde mit Urteil vom 16. September 2013 abwies, soweit darauf eingetreten wurde. C. Mit Eingabe vom 30. September 2013 hat die Bank X. AG Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Die Beschwerdeführerin beantragt, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs vom 16. September 2013 aufzuheben und den Arrest, die Betreibung sowie die Pfändung und Pfändungsurkunde nichtig zu erklären. Die Betreibungsgläubigerin Bank Y. (Beschwerdegegnerin) beantragt das Nichteintreten auf die Beschwerde; eventuell sei sie abzuweisen, subeventuell sei die Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückzuweisen. Der Betreibungsschuldner Z. (Beschwerdegegner) hat sich nicht vernehmen lassen. (...) Das Bundesgericht weist die Beschwerde in Zivilsachen ab. (Auszug) BGE 140 III 512 S. 514 Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt die Pfändung von Forderungen des Betreibungsschuldners aus Geschäftsbeziehungen mit der Zweigniederlassung in Singapur, welche die Beschwerdeführerin als in der Schweiz domizilierte Bank betreibt. Die Vorinstanz hat die Pfändung bestätigt. Die Beschwerdeführerin beruft sich im Wesentlichen auf die Kritik sowie die Zweifel, welche die Vorinstanz an der Rechtsprechung ( BGE 128 III 473 ) geäussert hat, sowie auf den Minderheitsantrag einer Oberrichterin. Im Wesentlichen kritisiert die Beschwerdeführerin, dass die Vorinstanz die örtliche Zuständigkeit des Betreibungsamtes zur Pfändung zwar in Frage gestellt habe, die Pfändung mit Hinweis auf den Grundsatz von Treu und Glauben in der Rechtsanwendung dennoch nicht aufgehoben habe. Sie wirft der Vorinstanz vor, einen widersprüchlichen Entscheid gefällt und Bundes(verfassungs)recht verletzt zu haben. 3.1 Nach der Rechtsprechung ist die Beschwerdeführerin als Drittschuldnerin durch den Vollzug eines gegenüber dem Betreibungsschuldner verfügten Arrestes bzw. den damit verbundenen Massnahmen (wie die Anzeige der Forderungspfändung) in ihren schutzwürdigen (zumindest tatsächlichen) Interessen hinreichend berührt und zur Beschwerde gemäss Art. 17 SchKG legitimiert; das Gleiche gilt (mit Blick auf Art. 275 SchKG ) im Rahmen des Vollzugs der Pfändung (Urteile 5A_36/2008 vom 5. August 2008 E. 3; 7B.28/2001 vom 14. Februar 2001 E. 1; vgl. BGE 80 III 122 E. 2 S. 124). Streitpunkt ist die örtliche Zuständigkeit des Betreibungsamtes. Zu Recht hat die Vorinstanz angenommen, dass die Pfändung von im Ausland gelegenen Vermögenswerten bzw. die deshalb von einem örtlich unzuständigen Betreibungsamt vollzogene Pfändung nicht bloss anfechtbar, sondern nichtig im Sinne von Art. 22 SchKG ist (vgl. BGE 41 III 291 E. 1 S. 292; 55 III 165 S. 166; AMONN/WALTHER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 9. Aufl. 2013, § 22 Rz. 24). Zu prüfen ist, ob die obere Aufsichtsbehörde bei der vorliegenden Pfändung hätte eingreifen müssen, weil ein Verstoss über die Regeln der Belegenheit von Forderungen bzw. die Zuständigkeit des Betreibungsamtes zur Pfändung vorliegt. 3.2 Rechte und Forderungen, die durch Wertpapiere verkörpert sind, sind dort belegen, wo sich diese physisch befinden ( BGE 116 III 107 E. 5b S. 109). Forderungen, die nicht in einem Wertpapier verkörpert sind, sind am Wohnsitz des Gläubigers BGE 140 III 512 S. 515 (Vollstreckungsschuldners) belegen. Wohnt der Vollstreckungsschuldner im Ausland, der Drittschuldner aber in der Schweiz, so gilt die Forderung als am Wohnsitz des Drittschuldners in der Schweiz belegen und ist dort zu verarrestieren bzw. pfänden ( BGE 31 I 198 E. 3 S. 200; zuletzt BGE 137 III 625 E. 3.1 S. 627; vgl. STAEHELIN, Die internationale Zuständigkeit der Schweiz im Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, AJP 1995 S. 265; GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. I, 1999, N. 20 zu Art. 89 SchKG ). Damit sollen - wegen der Mehrfachbelegenheit von Forderungen, wie sie wegen der unterschiedlichen staatlichen Regelungen vorliegen - negative Zuständigkeitskonflikte vermieden werden ( BGE 137 III 625 E. 3.4 S. 628). Weiter hat das Bundesgericht entschieden, dass die Forderung eines im Ausland wohnhaften Vollstreckungsschuldners auch dann am schweizerischen Wohnsitz des Drittschuldners belegen und dort zu verarrestieren bzw. pfänden ist, wenn sie zum Geschäftsbetrieb einer ausländischen Zweigniederlassung dieses Drittschuldners gehört ( BGE 128 III 473 E. 3.1 am Ende, E. 3.2 S. 475, mit Hinweis auf die Lehre; Urteil 7B.28/2001 vom 14. Februar 2001 E. 3). Dabei wird die Belegenheit beim schweizerischen Drittschuldner nicht auf Fälle beschränkt, in welchen dieser in die Kundenbeziehung zur ausländischen Zweigniederlassung "involviert" ist ( BGE 128 III 473 E. 3.1 am Ende, E. 3.2 S. 475, mit Hinweis auf Urteil 7B.28/2001 vom 14. Februar 2001; PEDROTTI, Chi ha paura della competenza?, Bollettino dell'Ordine degli avvocati del Cantone Ticino Nr. 34/November 2007 S. 22; a.M. u.a. OCHSNER, La poursuite contre le débiteur à l'étranger, JdT 2014 II S. 30). 3.3 Die Rechtsprechung ( BGE 128 III 473 ), wonach die Forderung aus dem Geschäftsverkehr mit einer ausländischen Zweigniederlassung eines inländischen Drittschuldners - z.B. einer Bank - vollstreckungsrechtlich in der Schweiz zu lokalisieren ist, wird in der Lehre zum Teil bestätigt (u.a. PEDROTTI, a.a.O., S. 22/23; REISER, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 55 zu Art. 275 SchKG ; GASSER, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts [...], ZBJV 2003 S. 464), zum Teil auch abgelehnt (u.a. ZONDLER, Schweizer Arrest auf Vermögenswerten im Ausland?, AJP 2005 S. 573 ff., 578; JEANDIN/LOMBARDINI, Le séquestre en Suisse d'avoirs bancaires à l'étranger: fiction ou réalité?, AJP 2006 S. 974 ff.; JEANNERET/DE BOTH, Séquestre international, for du séquestre en matière bancaire et séquestre de biens détenus par BGE 140 III 512 S. 516 des tiers, SJ 2006 II S. 181 ff.). Nach der Kritik wird in diesen Fällen (Zweigniederlassung im Ausland) die Verarrestierung verneint und z.T. (entgegen der Praxis; vgl. OCHSNER, a.a.O., mit Hinw.) analog auch die Verarrestierung von Forderungen gegenüber einem ausländischen Hauptsitz am Ort der Niederlassung in der Schweiz verneint (MEIER-DIETERLE, in: SchKG, 2. Aufl. 2014, N. 9 zu Art. 272 SchKG ). 3.4 In der kantonalen Praxis wird die erwähnte Rechtsprechung ( BGE 128 III 473 ) nach eingehender Auseinandersetzung mit der Kritik befolgt (Tessin: Urteil 15.2006.88 der Camera di esecuzione e fallimenti del Tribunale d'appello als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs vom 15. Juni 2007 E. 3 und 4, in: www.sentenze.ti.ch ; Zug: Urteil des Obergerichts vom 6. Dezember 2012 E. 3.2, in: Gerichts- und Verwaltungspraxis des Kantons Zug [GVP- ZG] 2012 S. 166). Das Bundesgericht hat im Jahre 2012 auf die Kritik Bezug genommen und die erwähnte Rechtsprechung als massgebend erachtet (Urteil 5A_262/2010 vom 31. Mai 2012 E. 8.2.2) 3.5 Die Vorbringen der Beschwerdeführerin geben - wie sich aus dem Folgenden ergibt - keinen Anlass zur Änderung der Rechtsprechung. 3.5.1 Die zwangsvollstreckungsrechtliche "Belegenheit" einer Forderung ist reine Fiktion ( BGE 31 I 198 E. 3 am Ende S. 200; 63 III 44 S. 45). Da die Zuständigkeit zur Forderungspfändung international nicht einheitlich geregelt ist, kann es zu Kompetenzkonflikten kommen, was zu Nachteilen des Drittschuldners führen kann und seit langem Thema in Rechtsprechung und Lehre ist (z.B. AUDÉTAT, Die internationale Forderungspfändung nach schweizerischem Recht, 2007, S. 109 ff., mit Hinw.). Zu Recht hat die Vorinstanz festgehalten, dass auch die Belegenheit von Forderungen aus dem Geschäftsverkehr mit einer ausländischen Zweigniederlassung "in der Literatur kontrovers diskutiert wird". Entgegen der Meinung der Vorinstanz könnte eine koordinierte Betrachtungsweise sogar eher zur Belegenheit beim Drittschuldner im Sinne von Art. 2 lit. g EuInsVO (ABl. L 160 vom 30. Juni 2006 S. 1 ff.) führen (so MARCHAND, Précis de droit des poursuites, 2. Aufl. 2013, S. 252) und damit die Belegenheit bei der kontoführenden Zweigniederlassung ausschliessen (MÄSCH, in: Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, Rauscher [Hrsg.], 2010, N. 9 zu Art. 2 EuInsVO). Unabhängig von dieser Diskussion steht jedenfalls fest, dass für die Forderung, welche aus dem Geschäftsverkehr mit einer ausländischen BGE 140 III 512 S. 517 Zweigniederlassung eines inländischen Drittschuldners stammt, eine körperliche Beschlagnahme weder erforderlich noch möglich ist, sondern die Belegenheit gesetzlich zu fingieren - und in der Schweiz fingierbar - ist, weshalb ein Territorialitätsproblem verneint werden kann (LEMBO, Le séquestre des comptes des succursales requis au siège de la banque [...], AJP 2003 S. 805). 3.5.2 In der Praxis wird zu Recht abgelehnt, dass die ausländische Zweigniederlassung einer in der Schweiz domizilierten Bank zwangsvollstreckungsrechtlich gleich wie eine (rechtlich selbständige) Tochtergesellschaft behandelt wird (vgl. Zug: Urteil des Obergerichts vom 6. Dezember 2012 E. 3.4, in: GVP-ZG 2012 S. 166/167); das Gegenteil wird auch von der Vorinstanz als "zu weit gehend" und "nicht ohne weiteres nachvollziehbar" bezeichnet. Der Argumentation der Beschwerdeführerin, dass eine Forderung, die aus dem Geschäftsverkehr mit der ausländischen Zweigniederlassung stammt, überhaupt nichts mit der Schweiz zu tun habe, ist nicht haltbar, denn mit dem Domizil des Drittschuldners weist sie einen hinreichenden Bezug zum Inland auf (vgl. GEIMER, Internationales Zivilprozessrecht, 6. Aufl. 2009, Rz. 3211). Dass die Forderung aus dem Geschäftsverkehr mit einer ausländischen Zweigniederlassung herrührt, rechtfertigt noch nicht, den Drittschuldner mit Wohnsitz bzw. Sitz in der Schweiz, zu welchem die Zweigniederlassung rechtlich gehört, von der zwangsvollstreckungsrechtlichen Souveränität der Schweiz auszunehmen (vgl. allgemein GILLIÉRON, Le droit international suisse de l'exécution forcée des créances [...], Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht [SJIR] 1988 S. 87). 3.5.3 Die praktische Verwertbarkeit der gepfändeten Forderung stösst nicht auf Hindernisse, welche die Pfändung als nichtig erscheinen lassen könnten: Dem Drittschuldner mit Domizil in der Schweiz kann angezeigt werden, dass er dem alten Gläubiger nicht mehr befreiend zahlen kann ( Art. 99 SchKG ; vgl. Urteil 7B.28/2001 vom 14. Februar 2001 E. 3); ebenso kann dem schweizerischen Drittschuldner befohlen werden, das Betreibungsamt zum Forderungseinzug (vgl. Art. 100 SchKG ) und den Ersteigerer der Forderung als neuen Gläubiger anzuerkennen und an diesen zu leisten, oder sich nach Art. 131 SchKG gefallen zu lassen, dass eine bestrittene Forderung gegen ihn geltend gemacht wird (vgl. Urteil 15.2006.88 der Camera di esecuzione e fallimenti [Tessin], a.a.O., E. 3.4). Dass die Gültigkeit der Pfändung nicht vom Vorliegen der Anzeige gemäss Art. 99 SchKG abhängt, steht nach der Rechtsprechung fest BGE 140 III 512 S. 518 ( BGE 115 III 109 E. 2a S. 110); daran ändert auch nichts, dass die Forderung als strittige gepfändet wurde ( BGE 109 III 11 E. 2 S. 13). 3.5.4 Die Beschwerdeführerin gibt (wie die Vorinstanz) zu bedenken, dass es mit der erwähnten Rechtsprechung ( BGE 128 III 473 ) zu einer zusätzlichen Zwangsvollstreckungsmöglichkeit und "unweigerlich zu Vollstreckungskollisionen" komme, insbesondere weil die Zwangsvollstreckung auch am Ort der Zweigniederlassung im Ausland möglich sei. Richtig ist, dass es zu Nachteilen für den Drittschuldner kommen kann (E. 3.5.1), wenn die inländische Pfändung im Ausland nicht anerkannt wird. Er läuft allenfalls Gefahr, doppelt bezahlen zu müssen: im Vollstreckungsstaat dem Vollstreckungsgläubiger, in einem anderen Staat seinem bisherigen Gläubiger (vgl. STAEHELIN, a.a.O., S. 265). Die Nachteile, die sich für den Drittschuldner ergeben, treten jedoch typischerweise für die Beteiligten auf, falls in internationalen Verhältnissen die Zuständigkeitsregeln divergieren und die Anerkennung einer Entscheidung versagt bleibt. Das Gesetz knüpft die Vollstreckungszuständigkeit indessen nicht an die Anerkennung der inländischen Vollstreckungsakte im Ausland an. Das Argument der Vorinstanz, es sei zu berücksichtigen, dass im Land der Zweigniederlassung (nach dortigem Recht) ebenfalls eine Zuständigkeit bestehe, läuft auf eine Beschränkung der schweizerischen Vollstreckungszuständigkeit (am Domizil des Drittschuldners) hinaus. Die Beschränkung der eigenen Zuständigkeit im Falle der ausländischen Zweigniederlassung insbesondere für den Arrestgrund gemäss Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG ("Ausländerarrest") würde eine zusätzliche Voraussetzung einführen, was zu Lasten des Vollstreckungsgläubigers geht und wofür eine genügende gesetzliche Grundlage fehlt. Im Übrigen ist der Blick der Vorinstanz auf den im ausländischen Staat ansässigen Schuldner (Bankkunden), der mit der dortigen Zweigniederlassung eine Bankbeziehung unterhält und sich nicht mit der Extraterritorialität der Forderung aus einer dortigen Zwangsvollstreckung retten könne, zu eng: Es lässt sich dem entgegenhalten, dass derjenige in der Schweiz belangbar sein soll, der - wie der in Italien domizilierte Beschwerdegegner - seine Bankkonten durch eine Bank mit Sitz in der Schweiz, wenn auch von einer Zweigniederlassung im Ausland, führen lässt (vgl. BGE 102 III 94 E. 5c S. 107). Schliesslich ist im vorliegenden Verfahren nicht zu klären, ob es möglich sei, den Drittgläubiger im Inland vom Zwang zur Doppelzahlung zu befreien, wenn er alles in seiner Macht Stehende getan hat, um dem Pfändungsrecht des BGE 140 III 512 S. 519 Vollstreckungsgläubigers auch im Ausland Geltung zu verschaffen (so GEIMER, a.a.O., Rz. 3268). 3.5.5 Es ist wohl zutreffend, dass das Bankenrecht in den verschiedenen Staaten stark reguliert und eine zentralisierte Kontenführung über die Landesgrenze hinweg nicht ohne weiteres zulässig ist. Ein fehlender Zugriff des schweizerischen Hauptsitzes auf das Kundensystem der Zweigniederlassung bedeutet indessen nicht, dass diese über den Arrest bzw. die Pfändung nicht informiert werden könne, wie die Vorinstanz bereits zutreffend festgehalten hat; etwas anderes sei auch nicht behauptet worden. Einer Bank stehen im Falle des Arrestes bzw. der Pfändung regelmässig Angaben bezüglich Konten bei einer bestimmten ausländischen Zweigniederlassung zur Verfügung. Auch im konkreten Fall hat die Beschwerdegegnerin bereits Arrest auf genau bezeichneten Konten "bei der Bank X. AG am Hauptsitz und/oder bei ihrer Zweigniederlassung in Singapur" verlangt und erhalten (Sachverhalt, Bst. A.b). Die Angaben werden vom Arrestgläubiger dem Arrestrichter regelmässig durch Bankkorrespondenzen bekannt gegeben, andernfalls wohl ein (verpönter) Sucharrest vorliegt (vgl. MARCHAND, a.a.O.; LEMBO, a.a.O., S. 806). Weiter hat die Vorinstanz erörtert, ob die Beschwerdeführerin als Drittschuldnerin über die allgemeine Problematik hinaus zur Doppelzahlung gefährdet ist. Der Schlüssel zur Klärung des Doppelzahlungsrisikos liege in der Gestaltung der Rechtsbeziehung der Zweigniederlassung in Singapur mit ihren Kunden. Die Beschwerdeführerin habe hierzu lediglich pauschale Behauptungen aufgestellt und es unterlassen, die AGB der Kundenbeziehung in Singapur einzureichen. Auf diese Tatsachenfeststellung ( Art. 105 Abs. 1 BGG ) geht die Beschwerdeführerin nicht ein. Es ist nachvollziehbar, wenn die Vorinstanz gefolgert hat, die AGB seien so ausgestaltet, dass die Auskunft gegenüber dem Hauptsitz nicht ausgeschlossen sei und kein unmittelbares Doppelzahlungsrisiko bestehe. Angefügt werden kann, dass nach der Lehre zum Recht von Singapur mit Einverständnis des Kontoinhabers an sich geschützte Einzelheiten über das Konto offenbart werden können (vgl. FRIEDMANN, Bank Secrecy in Singapore, Jusletter 5. Oktober 2009 Rz. 6). Auf diese Möglichkeit hat die Vorinstanz hingewiesen und festgehalten, dass die von der Beschwerdeführerin eingereichte "Legal opinion" sich dazu nicht äussere. Dass die Überlegung zum ausländischen Recht unhaltbar sei, wird nicht dargetan. Es besteht kein Anlass, das Vorgehen einer Zweigniederlassung zu erörtern, welche im Zusammenhang mit einem schweizerischen Arrest vor Auszahlung eines Guthabens BGE 140 III 512 S. 520 Rücksprache mit den zuständigen bankinternen Stellen in der Schweiz nimmt (vgl. Urteil des High Court von Singapur vom 29. März 2010, [2010] SGHC 96, in: www.singaporelaw.sg ). 3.6 Wenn die Vorinstanz zum Ergebnis gelangt ist, es bestehe kein Hindernis zur Pfändung, erscheint dies mit den Regeln über die zwangsvollstreckungsrechtliche Zuständigkeit der Schweiz vereinbar. Soweit die Beschwerdeführerin der Vorinstanz die falsche Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben vorwirft, kritisiert sie vergeblich die teilweise unzutreffende - vom Bundesgericht ohnehin ersetzbare ( Art. 106 Abs. 1 BGG ; BGE 133 III 545 E. 2.2 S. 550) - Begründung des angefochtenen Entscheides.
Urteilskopf
76. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Bank X. AG gegen Bank Y. und Z. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_723/2013 vom 3. September 2014
Regeste Art. 99 SchKG ; Pfändung von Bankguthaben, die der Betriebene mit Wohnsitz im Ausland bei einer ausländischen Zweigniederlassung der schweizerischen Bank als Drittschuldnerin hält. Eine Forderung, welche auf Beziehungen des Schuldners mit einer ausländischen Niederlassung des in der Schweiz domizilierten Drittschuldners beruht, gilt als an dessen schweizerischem Wohnsitz belegen (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3 ).
Regeste
Art. 99 SchKG ; Pfändung von Bankguthaben, die der Betriebene mit Wohnsitz im Ausland bei einer ausländischen Zweigniederlassung der schweizerischen Bank als Drittschuldnerin hält. Eine Forderung, welche auf Beziehungen des Schuldners mit einer ausländischen Niederlassung des in der Schweiz domizilierten Drittschuldners beruht, gilt als an dessen schweizerischem Wohnsitz belegen (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3 ).
Art. 99 SchKG Eine Forderung, welche auf Beziehungen des Schuldners mit einer ausländischen Niederlassung des in der Schweiz domizilierten Drittschuldners beruht, gilt als an dessen schweizerischem Wohnsitz belegen (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3 ).
Sachverhalt ab Seite 512
Sachverhalt ab Seite 512 BGE 140 III 512 S. 512
BGE 140 III 512 S. 512
A.
A. A.a Die Bank X. AG, mit Sitz in Zürich, ist Drittschuldnerin im Arrest- und Pfändungsverfahren, welches von der Banca A. S.p.A. bzw. der Rechtsnachfolgerin Bank Y., mit Sitz in Italien, gegen Z., mit Wohnsitz in Italien, eingeleitet wurde.
A.a A.b Das Betreibungsamt Zürich 1 verarrestierte gestützt auf den Arrestbefehl Nr. a des Bezirksgerichts Zürich vom 18. Februar 2008 (mit dem Arrestgrund Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG ; "Ausländerarrest") Guthaben auf näher bezeichneten Konten etc. lautend auf Z. sowie auf (zwei bestimmte) panamaische Gesellschaften "bei der BGE 140 III 512 S. 513 Bank X. AG am Hauptsitz und/oder bei ihrer Zweigniederlassung in Singapur" (Arrestvollzug vom 22. Februar 2008). (...)
A.b Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG BGE 140 III 512 S. 513
A.c Am 22. Dezember 2011 vollzog das Betreibungsamt in der Arrestprosequierungsbetreibung Nr. b die Pfändung Nr. c. (...) Am 26. November 2012 erliess (es) die Pfändungsurkunde. Als Pfändungsgegenstand bezeichnete es die bestrittene Forderung des Betreibungsschuldners "gegenüber der Bank X. AG herrührend aus sich allfällig in Singapur befindlichen Vermögenswerten des Schuldners". Gleichentags zeigte es der Bank die Pfändung an.
A.c A.d Gegen die Pfändungsurkunde erhob die Bank X. AG als Drittschuldnerin am 17. Dezember 2012 betreibungsrechtliche Beschwerde. Sie beantragte, den Arrest, die Betreibung sowie die Pfändungsurkunde aufzuheben; eventuell sei die Pfändungsurkunde nichtig zu erklären. Das Bezirksgericht Zürich als untere kantonale Aufsichtsbehörde über die Betreibungsämter trat mit Entscheid vom 13. März 2013 auf die Beschwerde nicht ein. Es verneinte die Beschwerdelegitimation der Bank und kam nach Prüfung der Zuständigkeit des Betreibungsamtes zum Schluss, dass kein Grund zum Eingreifen von Amtes wegen bestehe.
A.d B. Die Bank X. AG gelangte an das Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, als obere kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, welches die Beschwerde mit Urteil vom 16. September 2013 abwies, soweit darauf eingetreten wurde.
B. C. Mit Eingabe vom 30. September 2013 hat die Bank X. AG Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Die Beschwerdeführerin beantragt, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs vom 16. September 2013 aufzuheben und den Arrest, die Betreibung sowie die Pfändung und Pfändungsurkunde nichtig zu erklären.
C. Die Betreibungsgläubigerin Bank Y. (Beschwerdegegnerin) beantragt das Nichteintreten auf die Beschwerde; eventuell sei sie abzuweisen, subeventuell sei die Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückzuweisen. Der Betreibungsschuldner Z. (Beschwerdegegner) hat sich nicht vernehmen lassen. (...)
Das Bundesgericht weist die Beschwerde in Zivilsachen ab.
(Auszug) BGE 140 III 512 S. 514
BGE 140 III 512 S. 514
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
3. Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt die Pfändung von Forderungen des Betreibungsschuldners aus Geschäftsbeziehungen mit der Zweigniederlassung in Singapur, welche die Beschwerdeführerin als in der Schweiz domizilierte Bank betreibt. Die Vorinstanz hat die Pfändung bestätigt. Die Beschwerdeführerin beruft sich im Wesentlichen auf die Kritik sowie die Zweifel, welche die Vorinstanz an der Rechtsprechung ( BGE 128 III 473 ) geäussert hat, sowie auf den Minderheitsantrag einer Oberrichterin. Im Wesentlichen kritisiert die Beschwerdeführerin, dass die Vorinstanz die örtliche Zuständigkeit des Betreibungsamtes zur Pfändung zwar in Frage gestellt habe, die Pfändung mit Hinweis auf den Grundsatz von Treu und Glauben in der Rechtsanwendung dennoch nicht aufgehoben habe. Sie wirft der Vorinstanz vor, einen widersprüchlichen Entscheid gefällt und Bundes(verfassungs)recht verletzt zu haben.
3. 3.1 Nach der Rechtsprechung ist die Beschwerdeführerin als Drittschuldnerin durch den Vollzug eines gegenüber dem Betreibungsschuldner verfügten Arrestes bzw. den damit verbundenen Massnahmen (wie die Anzeige der Forderungspfändung) in ihren schutzwürdigen (zumindest tatsächlichen) Interessen hinreichend berührt und zur Beschwerde gemäss Art. 17 SchKG legitimiert; das Gleiche gilt (mit Blick auf Art. 275 SchKG ) im Rahmen des Vollzugs der Pfändung (Urteile 5A_36/2008 vom 5. August 2008 E. 3; 7B.28/2001 vom 14. Februar 2001 E. 1; vgl. BGE 80 III 122 E. 2 S. 124). Streitpunkt ist die örtliche Zuständigkeit des Betreibungsamtes. Zu Recht hat die Vorinstanz angenommen, dass die Pfändung von im Ausland gelegenen Vermögenswerten bzw. die deshalb von einem örtlich unzuständigen Betreibungsamt vollzogene Pfändung nicht bloss anfechtbar, sondern nichtig im Sinne von Art. 22 SchKG ist (vgl. BGE 41 III 291 E. 1 S. 292; 55 III 165 S. 166; AMONN/WALTHER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 9. Aufl. 2013, § 22 Rz. 24). Zu prüfen ist, ob die obere Aufsichtsbehörde bei der vorliegenden Pfändung hätte eingreifen müssen, weil ein Verstoss über die Regeln der Belegenheit von Forderungen bzw. die Zuständigkeit des Betreibungsamtes zur Pfändung vorliegt.
3.1 Art. 17 SchKG Art. 275 SchKG Art. 22 SchKG BGE 41 III 291 55 III 165 3.2 Rechte und Forderungen, die durch Wertpapiere verkörpert sind, sind dort belegen, wo sich diese physisch befinden ( BGE 116 III 107 E. 5b S. 109). Forderungen, die nicht in einem Wertpapier verkörpert sind, sind am Wohnsitz des Gläubigers BGE 140 III 512 S. 515 (Vollstreckungsschuldners) belegen. Wohnt der Vollstreckungsschuldner im Ausland, der Drittschuldner aber in der Schweiz, so gilt die Forderung als am Wohnsitz des Drittschuldners in der Schweiz belegen und ist dort zu verarrestieren bzw. pfänden ( BGE 31 I 198 E. 3 S. 200; zuletzt BGE 137 III 625 E. 3.1 S. 627; vgl. STAEHELIN, Die internationale Zuständigkeit der Schweiz im Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, AJP 1995 S. 265; GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. I, 1999, N. 20 zu Art. 89 SchKG ). Damit sollen - wegen der Mehrfachbelegenheit von Forderungen, wie sie wegen der unterschiedlichen staatlichen Regelungen vorliegen - negative Zuständigkeitskonflikte vermieden werden ( BGE 137 III 625 E. 3.4 S. 628).
3.2 BGE 140 III 512 S. 515
BGE 31 I 198 Art. 89 SchKG Weiter hat das Bundesgericht entschieden, dass die Forderung eines im Ausland wohnhaften Vollstreckungsschuldners auch dann am schweizerischen Wohnsitz des Drittschuldners belegen und dort zu verarrestieren bzw. pfänden ist, wenn sie zum Geschäftsbetrieb einer ausländischen Zweigniederlassung dieses Drittschuldners gehört ( BGE 128 III 473 E. 3.1 am Ende, E. 3.2 S. 475, mit Hinweis auf die Lehre; Urteil 7B.28/2001 vom 14. Februar 2001 E. 3). Dabei wird die Belegenheit beim schweizerischen Drittschuldner nicht auf Fälle beschränkt, in welchen dieser in die Kundenbeziehung zur ausländischen Zweigniederlassung "involviert" ist ( BGE 128 III 473 E. 3.1 am Ende, E. 3.2 S. 475, mit Hinweis auf Urteil 7B.28/2001 vom 14. Februar 2001; PEDROTTI, Chi ha paura della competenza?, Bollettino dell'Ordine degli avvocati del Cantone Ticino Nr. 34/November 2007 S. 22; a.M. u.a. OCHSNER, La poursuite contre le débiteur à l'étranger, JdT 2014 II S. 30).
3.3 Die Rechtsprechung ( BGE 128 III 473 ), wonach die Forderung aus dem Geschäftsverkehr mit einer ausländischen Zweigniederlassung eines inländischen Drittschuldners - z.B. einer Bank - vollstreckungsrechtlich in der Schweiz zu lokalisieren ist, wird in der Lehre zum Teil bestätigt (u.a. PEDROTTI, a.a.O., S. 22/23; REISER, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 55 zu Art. 275 SchKG ; GASSER, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts [...], ZBJV 2003 S. 464), zum Teil auch abgelehnt (u.a. ZONDLER, Schweizer Arrest auf Vermögenswerten im Ausland?, AJP 2005 S. 573 ff., 578; JEANDIN/LOMBARDINI, Le séquestre en Suisse d'avoirs bancaires à l'étranger: fiction ou réalité?, AJP 2006 S. 974 ff.; JEANNERET/DE BOTH, Séquestre international, for du séquestre en matière bancaire et séquestre de biens détenus par BGE 140 III 512 S. 516 des tiers, SJ 2006 II S. 181 ff.). Nach der Kritik wird in diesen Fällen (Zweigniederlassung im Ausland) die Verarrestierung verneint und z.T. (entgegen der Praxis; vgl. OCHSNER, a.a.O., mit Hinw.) analog auch die Verarrestierung von Forderungen gegenüber einem ausländischen Hauptsitz am Ort der Niederlassung in der Schweiz verneint (MEIER-DIETERLE, in: SchKG, 2. Aufl. 2014, N. 9 zu Art. 272 SchKG ).
3.3 Art. 275 SchKG BGE 140 III 512 S. 516
Art. 272 SchKG 3.4 In der kantonalen Praxis wird die erwähnte Rechtsprechung ( BGE 128 III 473 ) nach eingehender Auseinandersetzung mit der Kritik befolgt (Tessin: Urteil 15.2006.88 der Camera di esecuzione e fallimenti del Tribunale d'appello als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs vom 15. Juni 2007 E. 3 und 4, in: www.sentenze.ti.ch ; Zug: Urteil des Obergerichts vom 6. Dezember 2012 E. 3.2, in: Gerichts- und Verwaltungspraxis des Kantons Zug [GVP- ZG] 2012 S. 166). Das Bundesgericht hat im Jahre 2012 auf die Kritik Bezug genommen und die erwähnte Rechtsprechung als massgebend erachtet (Urteil 5A_262/2010 vom 31. Mai 2012 E. 8.2.2)
3.4 3.5 Die Vorbringen der Beschwerdeführerin geben - wie sich aus dem Folgenden ergibt - keinen Anlass zur Änderung der Rechtsprechung.
3.5 3.5.1 Die zwangsvollstreckungsrechtliche "Belegenheit" einer Forderung ist reine Fiktion ( BGE 31 I 198 E. 3 am Ende S. 200; 63 III 44 S. 45). Da die Zuständigkeit zur Forderungspfändung international nicht einheitlich geregelt ist, kann es zu Kompetenzkonflikten kommen, was zu Nachteilen des Drittschuldners führen kann und seit langem Thema in Rechtsprechung und Lehre ist (z.B. AUDÉTAT, Die internationale Forderungspfändung nach schweizerischem Recht, 2007, S. 109 ff., mit Hinw.). Zu Recht hat die Vorinstanz festgehalten, dass auch die Belegenheit von Forderungen aus dem Geschäftsverkehr mit einer ausländischen Zweigniederlassung "in der Literatur kontrovers diskutiert wird". Entgegen der Meinung der Vorinstanz könnte eine koordinierte Betrachtungsweise sogar eher zur Belegenheit beim Drittschuldner im Sinne von Art. 2 lit. g EuInsVO (ABl. L 160 vom 30. Juni 2006 S. 1 ff.) führen (so MARCHAND, Précis de droit des poursuites, 2. Aufl. 2013, S. 252) und damit die Belegenheit bei der kontoführenden Zweigniederlassung ausschliessen (MÄSCH, in: Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, Rauscher [Hrsg.], 2010, N. 9 zu Art. 2 EuInsVO). Unabhängig von dieser Diskussion steht jedenfalls fest, dass für die Forderung, welche aus dem Geschäftsverkehr mit einer ausländischen BGE 140 III 512 S. 517 Zweigniederlassung eines inländischen Drittschuldners stammt, eine körperliche Beschlagnahme weder erforderlich noch möglich ist, sondern die Belegenheit gesetzlich zu fingieren - und in der Schweiz fingierbar - ist, weshalb ein Territorialitätsproblem verneint werden kann (LEMBO, Le séquestre des comptes des succursales requis au siège de la banque [...], AJP 2003 S. 805).
3.5.1 BGE 31 I 198 63 III 44 BGE 140 III 512 S. 517
3.5.2 In der Praxis wird zu Recht abgelehnt, dass die ausländische Zweigniederlassung einer in der Schweiz domizilierten Bank zwangsvollstreckungsrechtlich gleich wie eine (rechtlich selbständige) Tochtergesellschaft behandelt wird (vgl. Zug: Urteil des Obergerichts vom 6. Dezember 2012 E. 3.4, in: GVP-ZG 2012 S. 166/167); das Gegenteil wird auch von der Vorinstanz als "zu weit gehend" und "nicht ohne weiteres nachvollziehbar" bezeichnet. Der Argumentation der Beschwerdeführerin, dass eine Forderung, die aus dem Geschäftsverkehr mit der ausländischen Zweigniederlassung stammt, überhaupt nichts mit der Schweiz zu tun habe, ist nicht haltbar, denn mit dem Domizil des Drittschuldners weist sie einen hinreichenden Bezug zum Inland auf (vgl. GEIMER, Internationales Zivilprozessrecht, 6. Aufl. 2009, Rz. 3211). Dass die Forderung aus dem Geschäftsverkehr mit einer ausländischen Zweigniederlassung herrührt, rechtfertigt noch nicht, den Drittschuldner mit Wohnsitz bzw. Sitz in der Schweiz, zu welchem die Zweigniederlassung rechtlich gehört, von der zwangsvollstreckungsrechtlichen Souveränität der Schweiz auszunehmen (vgl. allgemein GILLIÉRON, Le droit international suisse de l'exécution forcée des créances [...], Schweizerisches Jahrbuch für internationales Recht [SJIR] 1988 S. 87).
3.5.2 3.5.3 Die praktische Verwertbarkeit der gepfändeten Forderung stösst nicht auf Hindernisse, welche die Pfändung als nichtig erscheinen lassen könnten: Dem Drittschuldner mit Domizil in der Schweiz kann angezeigt werden, dass er dem alten Gläubiger nicht mehr befreiend zahlen kann ( Art. 99 SchKG ; vgl. Urteil 7B.28/2001 vom 14. Februar 2001 E. 3); ebenso kann dem schweizerischen Drittschuldner befohlen werden, das Betreibungsamt zum Forderungseinzug (vgl. Art. 100 SchKG ) und den Ersteigerer der Forderung als neuen Gläubiger anzuerkennen und an diesen zu leisten, oder sich nach Art. 131 SchKG gefallen zu lassen, dass eine bestrittene Forderung gegen ihn geltend gemacht wird (vgl. Urteil 15.2006.88 der Camera di esecuzione e fallimenti [Tessin], a.a.O., E. 3.4). Dass die Gültigkeit der Pfändung nicht vom Vorliegen der Anzeige gemäss Art. 99 SchKG abhängt, steht nach der Rechtsprechung fest BGE 140 III 512 S. 518 ( BGE 115 III 109 E. 2a S. 110); daran ändert auch nichts, dass die Forderung als strittige gepfändet wurde ( BGE 109 III 11 E. 2 S. 13).
3.5.3 Art. 99 SchKG Art. 100 SchKG Art. 131 SchKG Art. 99 SchKG BGE 140 III 512 S. 518
3.5.4 Die Beschwerdeführerin gibt (wie die Vorinstanz) zu bedenken, dass es mit der erwähnten Rechtsprechung ( BGE 128 III 473 ) zu einer zusätzlichen Zwangsvollstreckungsmöglichkeit und "unweigerlich zu Vollstreckungskollisionen" komme, insbesondere weil die Zwangsvollstreckung auch am Ort der Zweigniederlassung im Ausland möglich sei. Richtig ist, dass es zu Nachteilen für den Drittschuldner kommen kann (E. 3.5.1), wenn die inländische Pfändung im Ausland nicht anerkannt wird. Er läuft allenfalls Gefahr, doppelt bezahlen zu müssen: im Vollstreckungsstaat dem Vollstreckungsgläubiger, in einem anderen Staat seinem bisherigen Gläubiger (vgl. STAEHELIN, a.a.O., S. 265). Die Nachteile, die sich für den Drittschuldner ergeben, treten jedoch typischerweise für die Beteiligten auf, falls in internationalen Verhältnissen die Zuständigkeitsregeln divergieren und die Anerkennung einer Entscheidung versagt bleibt. Das Gesetz knüpft die Vollstreckungszuständigkeit indessen nicht an die Anerkennung der inländischen Vollstreckungsakte im Ausland an. Das Argument der Vorinstanz, es sei zu berücksichtigen, dass im Land der Zweigniederlassung (nach dortigem Recht) ebenfalls eine Zuständigkeit bestehe, läuft auf eine Beschränkung der schweizerischen Vollstreckungszuständigkeit (am Domizil des Drittschuldners) hinaus. Die Beschränkung der eigenen Zuständigkeit im Falle der ausländischen Zweigniederlassung insbesondere für den Arrestgrund gemäss Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG ("Ausländerarrest") würde eine zusätzliche Voraussetzung einführen, was zu Lasten des Vollstreckungsgläubigers geht und wofür eine genügende gesetzliche Grundlage fehlt. Im Übrigen ist der Blick der Vorinstanz auf den im ausländischen Staat ansässigen Schuldner (Bankkunden), der mit der dortigen Zweigniederlassung eine Bankbeziehung unterhält und sich nicht mit der Extraterritorialität der Forderung aus einer dortigen Zwangsvollstreckung retten könne, zu eng: Es lässt sich dem entgegenhalten, dass derjenige in der Schweiz belangbar sein soll, der - wie der in Italien domizilierte Beschwerdegegner - seine Bankkonten durch eine Bank mit Sitz in der Schweiz, wenn auch von einer Zweigniederlassung im Ausland, führen lässt (vgl. BGE 102 III 94 E. 5c S. 107). Schliesslich ist im vorliegenden Verfahren nicht zu klären, ob es möglich sei, den Drittgläubiger im Inland vom Zwang zur Doppelzahlung zu befreien, wenn er alles in seiner Macht Stehende getan hat, um dem Pfändungsrecht des BGE 140 III 512 S. 519 Vollstreckungsgläubigers auch im Ausland Geltung zu verschaffen (so GEIMER, a.a.O., Rz. 3268).
3.5.4 Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG BGE 140 III 512 S. 519
3.5.5 Es ist wohl zutreffend, dass das Bankenrecht in den verschiedenen Staaten stark reguliert und eine zentralisierte Kontenführung über die Landesgrenze hinweg nicht ohne weiteres zulässig ist. Ein fehlender Zugriff des schweizerischen Hauptsitzes auf das Kundensystem der Zweigniederlassung bedeutet indessen nicht, dass diese über den Arrest bzw. die Pfändung nicht informiert werden könne, wie die Vorinstanz bereits zutreffend festgehalten hat; etwas anderes sei auch nicht behauptet worden. Einer Bank stehen im Falle des Arrestes bzw. der Pfändung regelmässig Angaben bezüglich Konten bei einer bestimmten ausländischen Zweigniederlassung zur Verfügung. Auch im konkreten Fall hat die Beschwerdegegnerin bereits Arrest auf genau bezeichneten Konten "bei der Bank X. AG am Hauptsitz und/oder bei ihrer Zweigniederlassung in Singapur" verlangt und erhalten (Sachverhalt, Bst. A.b). Die Angaben werden vom Arrestgläubiger dem Arrestrichter regelmässig durch Bankkorrespondenzen bekannt gegeben, andernfalls wohl ein (verpönter) Sucharrest vorliegt (vgl. MARCHAND, a.a.O.; LEMBO, a.a.O., S. 806). Weiter hat die Vorinstanz erörtert, ob die Beschwerdeführerin als Drittschuldnerin über die allgemeine Problematik hinaus zur Doppelzahlung gefährdet ist. Der Schlüssel zur Klärung des Doppelzahlungsrisikos liege in der Gestaltung der Rechtsbeziehung der Zweigniederlassung in Singapur mit ihren Kunden. Die Beschwerdeführerin habe hierzu lediglich pauschale Behauptungen aufgestellt und es unterlassen, die AGB der Kundenbeziehung in Singapur einzureichen. Auf diese Tatsachenfeststellung ( Art. 105 Abs. 1 BGG ) geht die Beschwerdeführerin nicht ein. Es ist nachvollziehbar, wenn die Vorinstanz gefolgert hat, die AGB seien so ausgestaltet, dass die Auskunft gegenüber dem Hauptsitz nicht ausgeschlossen sei und kein unmittelbares Doppelzahlungsrisiko bestehe. Angefügt werden kann, dass nach der Lehre zum Recht von Singapur mit Einverständnis des Kontoinhabers an sich geschützte Einzelheiten über das Konto offenbart werden können (vgl. FRIEDMANN, Bank Secrecy in Singapore, Jusletter 5. Oktober 2009 Rz. 6). Auf diese Möglichkeit hat die Vorinstanz hingewiesen und festgehalten, dass die von der Beschwerdeführerin eingereichte "Legal opinion" sich dazu nicht äussere. Dass die Überlegung zum ausländischen Recht unhaltbar sei, wird nicht dargetan. Es besteht kein Anlass, das Vorgehen einer Zweigniederlassung zu erörtern, welche im Zusammenhang mit einem schweizerischen Arrest vor Auszahlung eines Guthabens BGE 140 III 512 S. 520 Rücksprache mit den zuständigen bankinternen Stellen in der Schweiz nimmt (vgl. Urteil des High Court von Singapur vom 29. März 2010, [2010] SGHC 96, in: www.singaporelaw.sg ).
3.5.5 Art. 105 Abs. 1 BGG BGE 140 III 512 S. 520
3.6 Wenn die Vorinstanz zum Ergebnis gelangt ist, es bestehe kein Hindernis zur Pfändung, erscheint dies mit den Regeln über die zwangsvollstreckungsrechtliche Zuständigkeit der Schweiz vereinbar. Soweit die Beschwerdeführerin der Vorinstanz die falsche Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben vorwirft, kritisiert sie vergeblich die teilweise unzutreffende - vom Bundesgericht ohnehin ersetzbare ( Art. 106 Abs. 1 BGG ; BGE 133 III 545 E. 2.2 S. 550) - Begründung des angefochtenen Entscheides.
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Urteilskopf 140 III 520 77. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause A. contre Club B. (recours en matière civile) 4A_6/2014 du 28 août 2014 Regeste Internationale Schiedsgerichtsbarkeit; Endentscheid; einfache Streitgenossenschaft und Zuständigkeit ratione personae ( Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG ). Begriff des Endentscheids, insbesondere im Bereich der internationalen Sportschiedsgerichtsbarkeit (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 2.2). Erheben zwei Personen, die vor erster Instanz eine einfache Streitgenossenschaft bildeten, unabhängig voneinander Berufung und zieht eine von ihnen in der Folge ihre Berufung zurück, überschreitet das Berufungsschiedsgericht seine Zuständigkeit, wenn es mit seinem Schiedsspruch den angefochtenen Entscheid gegenüber beiden Streitgenossen aufhebt (E. 3). Sachverhalt ab Seite 521 BGE 140 III 520 S. 521 A. Le 17 janvier 2008, A., un club de football professionnel, a assigné C. (ci-après: le joueur), un footballeur professionnel, et Club B., un autre club de football professionnel, recherchés solidairement, devant la Chambre de Résolution des Litiges (CRL) de la Fédération Internationale de Football Association (FIFA) en vue d'obtenir le paiement d'une indemnité. Se fondant sur l'art. 17 du Règlement du Statut et du Transfert des Joueurs édicté par la FIFA en 2008 (ci-après: RSTJ), A. reprochait au joueur d'avoir violé le contrat de travail qu'il avait conclu avec lui en décembre 2007 pour se faire engager par Club B. Par décision du 15 juin 2011, la CRL a condamné le joueur à indemniser A. et reconnu Club B. débiteur solidaire de la somme allouée au club demandeur. B. Le 31 août 2012, le joueur a saisi le Tribunal Arbitral du Sport (TAS) d'un appel dirigé contre la décision de la CRL. Club B. en a fait de même le jour en question. Les causes ont été jointes. En date du 22 janvier 2013, le Président suppléant de la Chambre arbitrale d'appel du TAS a rendu une ordonnance de clôture ( termination order ) par laquelle il a rayé l'une des causes du rôle, l'appel interjeté par le joueur étant réputé retiré, conformément à l'art. R64.2 al. 2 du Code de l'arbitrage en matière de sport (ci-après: le Code), faute pour l'appelant d'avoir versé en temps utile la provision de frais requise. A., tirant argument du retrait de l'appel de C., a dénié au TAS toute compétence pour connaître de l'appel de Club B., voire ne la lui a reconnue, à titre subsidiaire, que dans la mesure où l'appel portait sur le montant, et non sur le principe, de l'indemnité due solidairement par le joueur et le club défendeur. BGE 140 III 520 S. 522 Une Formation de trois membres a été constituée pour traiter l'appel de Club B. La FIFA n'a pas participé à la procédure arbitrale. Par sentence du 20 novembre 2013, le TAS, admettant ledit appel, a annulé la décision attaquée et renvoyé la cause à la CRL pour qu'elle statue à nouveau en respectant les règles de la procédure. En substance, la Formation a tout d'abord admis sa compétence pour se prononcer sur le moyen de l'appelant tiré de l'invalidité de la procédure conduite par la CRL, faute de respect de son droit d'être entendu, et ce indépendamment du point de savoir si elle avait le pouvoir d'examiner le bien-fondé matériel de la décision attaquée. Constatant ensuite que la demande déposée par A. n'avait pas été communiquée à Club B., elle en a déduit que le droit d'être entendu du club défendeur avait été méconnu par la CRL. A son avis, l'importance de la garantie violée entraînait la nullité de la procédure de première instance, et ce à l'égard de toutes les parties, sans égard au retrait de l'appel du joueur, de sorte que la décision entreprise devait être annulée purement et simplement, à charge pour la CRL d'en rendre une nouvelle dans le respect intégral des droits des parties. Point n'était besoin, dans ces conditions, d'examiner si Club B. avait qualité pour s'en prendre à certains aspects de la décision attaquée en tant qu'elle concernait le différend opposant A. au joueur. C. Le 6 janvier 2014, A. (ci-après: le recourant) a formé un recours en matière civile dans lequel il demande au Tribunal fédéral d'annuler la sentence querellée et de dire que le TAS "n'est pas compétent pour annuler la Décision de la FIFA du 15 juin 2011 (...) entre la Recourante et le Joueur...". Club B. (ci-après: l'intimé) a conclu au rejet du recours en tant qu'il était recevable. Par arrêt du 28 août 2014, le Tribunal fédéral, admettant partiellement le recours dans la mesure de sa recevabilité, a constaté que le TAS n'était pas compétent pour annuler la décision rendue le 15 juin 2011 par la CRL de la FIFA en tant que cette décision concernait la cause divisant A. d'avec C. (résumé) Erwägungen Extrait des considérants: 2. 2.2 Le recourant soutient péremptoirement que "la sentence attaquée est une sentence finale sujette à recours". Or, la nature de ladite sentence, sur laquelle ni le TAS ni l'intimé ne se prononcent, commande BGE 140 III 520 S. 523 un plus ample examen. La Cour de céans y procédera d'office, s'agissant d'une question qui a trait à la recevabilité du recours ( ATF 138 III 542 consid. 1). 2.2.1 Le recours en matière civile, au sens de l' art. 77 LTF en liaison avec les art. 190-192 LDIP (RS 291), n'est recevable qu'à l'encontre d'une sentence. L'acte attaquable peut être une sentence finale, qui met un terme à l'instance arbitrale pour un motif de fond ou de procédure, une sentence partielle, qui porte sur une partie quantitativement limitée d'une prétention litigieuse ou sur l'une des diverses prétentions en cause ou encore qui met fin à la procédure à l'égard d'une partie des consorts (cf. ATF 116 II 80 consid. 2b p. 83), voire une sentence préjudicielle ou incidente, qui règle une ou plusieurs questions préalables de fond ou de procédure (sur ces notions, cf. ATF 130 III 755 consid. 1.2.1 p. 757). Pour juger de la recevabilité du recours, ce qui est déterminant n'est pas la dénomination du prononcé entrepris, mais le contenu de celui-ci ( ATF 136 III 200 consid. 2.3.3 p. 205, ATF 136 III 597 consid. 4). Cette définition des différents types de sentences attaquables, le Tribunal fédéral l'a posée en ayant à l'esprit les litiges à caractère international issus des relations commerciales que nouent les parties à un rapport contractuel. Elle cadre bien avec la nature de tels litiges, lesquels opposent deux ou plusieurs parties qui chargent la juridiction arbitrale désignée par elles de liquider leur différend en tant qu'instance unique, sous réserve d'un éventuel recours à un tribunal étatique. Dans ce contexte, la sentence finale clôt effectivement "l'instance arbitrale". En revanche, cette même définition ne paraît pas suffisamment adaptée aux particularités inhérentes à l'arbitrage en matière de sport (cf. ATF 133 III 235 consid. 4.3.2.2 p. 243), singulièrement à la mise en oeuvre du TAS par la voie d'un appel visant une décision prise par une fédération sportive. En effet, statuant alors comme juridiction d'appel, la Formation du TAS rendra certes une sentence finale au sens de la définition rappelée plus haut, c'est-à-dire une sentence qui mettra un terme à l'instance arbitrale pendante devant elle. Cependant, la procédure au fond opposant les parties ne sera pas nécessairement close par cette sentence. Elle se poursuivra dans l'hypothèse où la Formation annulerait la décision attaquée et renverrait le dossier à la fédération sportive concernée en l'invitant à reprendre l'instruction de la cause et à rendre une nouvelle décision. Considérée sous cet angle, la procédure initiée devant la fédération sportive, BGE 140 III 520 S. 524 puis poursuivie en appel devant le TAS, s'apparente à une procédure étatique ordinaire, soumise à l'exigence de la double instance (cf. art. 75 al. 2, 80 al. 2 et 86 al. 2 LTF). Or, comme le souligne un passage du Message du 28 février 2001 concernant la révision totale de l'organisation judiciaire fédérale (FF 2001 4129 s. ch. 4.1.4.1), repris par BERNARD CORBOZ (in Commentaire de la LTF, 2 e éd. 2014, n° 9 ad art. 90 LTF ), le critère de la fin de la procédure dépend non seulement de la procédure conduite devant l'autorité qui précède le Tribunal fédéral, mais aussi de la procédure qui s'est déroulée devant l'autorité dont la décision a été déférée à cette instance de recours; il faut donc examiner si la décision attaquée a pour effet de clore la procédure entamée en première instance. En application de ce principe, la décision par laquelle l'autorité de recours annule la décision attaquée et renvoie la cause à l'autorité de première instance pour instruction et nouvelle décision sur le fond est qualifiée de décision incidente par la jurisprudence fédérale, quand bien même elle met un terme à l'instance de recours (cf. ATF 137 V 314 consid. 1 p. 315; ATF 135 V 141 consid. 1.1; ATF 135 III 329 consid. 1.2). Il se justifie d'appliquer par analogie le même principe à la procédure d'appel menée devant le TAS, l'idée étant, ici aussi, de faire en sorte que le Tribunal fédéral ne doive s'occuper qu'une seule fois d'une affaire, sous réserve des exceptions admises par la jurisprudence en la matière ( ATF 130 III 755 consid. 1.2). C'est du reste ce qu'a fait la I re Cour de droit civil dans un arrêt du 14 février 2007, en la cause 4P.298/2006, in Bulletin ASA 2008 p. 313 ss et cité par KAUFMANN- KOHLER/RIGOZZI (Arbitrage International, 2 e éd. 2010, p. 429 note de pied 452). Elle a qualifié de Zwischenentscheid la sentence par laquelle le TAS, admettant, contrairement à la Commission du Statut du Joueur de la FIFA, une violation, par le footballeur professionnel incriminé, du contrat de travail le liant à son club, avait annulé la décision prise par cette instance sportive et invité celle-ci à se prononcer sur les conséquences de la rupture de contrat sans juste cause. 2.2.2 La présente espèce concerne le même cas de figure. Le TAS a annulé la décision qui lui était soumise après avoir mis en évidence un vice majeur affectant la procédure y relative; puis, usant de la faculté que lui accorde l'art. R57 al. 1 du Code, il a renvoyé la cause à la CRL pour qu'elle statue à nouveau. Ce faisant, il a sans doute clos la procédure d'appel pendante devant lui; il n'a cependant pas rendu une sentence finale, dans l'acception particulière de cette notion BGE 140 III 520 S. 525 retenue ici, mais une décision incidente ayant trait à une question de procédure, à savoir le respect du droit d'être entendu de l'intimé. 2.2.3 Selon l' art. 190 al. 3 LDIP, une décision incidente ne peut être attaquée que pour les motifs énoncés à l' art. 190 al. 2 let. a et b LDIP ( ATF 130 III 76 consid. 4). Dans sa grande majorité, la doctrine estime que les griefs tirés de l' art. 190 al. 2 let. c-e LDIP devraient pouvoir être invoqués également à l'encontre des décisions incidentes, au sens de l' art. 190 al. 3 LDIP, dans le cadre d'un recours fondé sur l' art. 190 al. 2 let. a ou let. b LDIP. Après avoir laissé la question ouverte (arrêt 4A_414/2012 du 11 décembre 2012 consid. 3.2 et les auteurs cités), le Tribunal fédéral a tranché dans ce sens, en précisant sa jurisprudence en la matière. Il a toutefois insisté sur le fait que les moyens fondés sur l' art. 190 al. 2 let. c-e LDIP ne pourront être soulevés à l'avenir contre les décisions visées à l' art. 190 al. 3 LDIP que dans la mesure où ils se limiteront strictement aux points concernant directement la composition ou la compétence du tribunal arbitral ( ATF 140 III 477 consid. 3.1 et les références). La réserve ainsi formulée dans ce précédent est applicable in casu. En effet, si le recourant invoque le motif énoncé à l' art. 190 al. 2 let. b LDIP (incompétence du tribunal arbitral), lequel est recevable en vertu de l' art. 190 al. 3 LDIP, il reproche, en outre, au TAS d'avoir statué ultra petita ( art. 190 al. 2 let. c LDIP) et d'avoir rendu une sentence incompatible avec l'ordre public ( art. 190 al. 2 let. e LDIP). Or, ces deux moyens sont soulevés, non pas dans le cadre de l' art. 190 al. 2 let. b LDIP, mais séparément, pour eux-mêmes. Dès lors, ils sont irrecevables. Dans ces conditions, la Cour de céans restreindra son examen au moyen fondé sur l' art. 190 al. 2 let. b LDIP. Le recours sera déclaré irrecevable pour le surplus. 3. Invoquant l' art. 190 al. 2 let. b LDIP, le recourant soutient que le TAS a excédé les limites de sa compétence juridictionnelle en annulant également le chef du dispositif de la décision de la CRL du 15 juin 2011 qui réglait les conséquences financières de la rupture injustifiée du contrat de travail conclu par lui, le recourant, avec le joueur. A son avis, le retrait, par ce dernier, de l'appel interjeté contre ladite décision aurait entraîné l'extinction de la convention d'arbitrage qui liait le joueur et le recourant. Dès lors, le TAS n'aurait plus été compétent pour annuler la décision de la CRL dans la mesure où elle condamnait le joueur à indemniser le recourant. BGE 140 III 520 S. 526 3.1 Saisi du grief d'incompétence, le Tribunal fédéral examine librement les questions de droit, y compris les questions préalables, qui déterminent la compétence ou l'incompétence du tribunal arbitral ( ATF 134 III 565 consid. 3.1 et les arrêts cités). En revanche, il ne revoit les constatations de fait que dans les limites usuelles, même lorsqu'il statue sur ce grief (arrêt 4A_682/2012 du 20 juin 2013 consid. 3.1 et 4.2). 3.2 3.2.1 Aux termes de l'art. R47 al. 1 du Code, un appel contre une décision d'une fédération, association ou autre organisme sportif peut être déposé au TAS si les statuts ou règlements dudit organisme sportif le prévoient ou si les parties ont conclu une convention d'arbitrage particulière et dans la mesure aussi où l'appelant a épuisé les voies de droit préalables à l'appel dont il dispose en vertu des statuts ou règlements dudit organisme sportif. La FIFA institue expressément le TAS comme juridiction de recours contre les décisions prises en dernière instance par ses instances juridictionnelles (art. 66-68 des Statuts de la FIFA). S'agissant des décisions prises par la CRL, l'art. 24 in fine RSTJ prévoit qu'elles peuvent faire l'objet d'un recours devant le TAS. 3.2.2 Il ressort indéniablement de la combinaison de ces dispositions que le TAS était compétent pour statuer sur l'appel interjeté par l'intimé contre la décision de la CRL du 15 juin 2011. Il l'eût été également pour connaître de l'appel formé par le joueur contre la même décision, si cet appel n'avait pas été retiré, ou du moins réputé tel, par la suite. Or, il l'a été, ce qui a entraîné la radiation de la cause y relative par une ordonnance de clôture du 22 janvier 2013. Se pose, dès lors, la question de l'incidence éventuelle de cet état de choses sur la compétence du TAS. Le 17 janvier 2008, le recourant a assigné conjointement le joueur et l'intimé devant la CRL. Par décision du 15 juin 2011, les codéfendeurs ont été condamnés solidairement à lui payer la somme de... Dans cette procédure de première instance, l'intimé et le joueur ont formé une consorité matérielle simple passive (sur cette notion, cf. parmi d'autres: FABIENNE HOHL, Procédure civile, tome I, 2001, n. 521 ss; MARIE-FRANÇOISE SCHAAD, La consorité en procédure civile, 1993, p. 40 s.; GROSS/ZUBER, in Commentaire bernois, Schweizerische Zivilprozessordnung, vol. I, 2012, n os 4 s. ad art. 71 CPC ; NICOLAS JEANDIN, in CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, n os 6 s. ad art. 71 CPC ). Selon la jurisprudence et la doctrine, la consorité BGE 140 III 520 S. 527 simple laisse subsister la pluralité des causes et des parties. Les consortssimples restent indépendants les uns des autres. L'attitude de l'un d'entre eux, notamment son désistement, son défaut ou son recours,est sans influence sur la situation juridique des autres (arrêt 4P.226/2002 du 21 janvier 2003 consid. 2.1; HOHL, op. cit., n. 525; SCHAAD,op. cit., p. 76 s.; GROSS/ZUBER, op. cit., n° 19 ad art. 71 CPC ). Quantau jugement à rendre, il pourra être différent d'un consort à l'autre (JEANDIN, op. cit., n° 11 ad art. 71 CPC ). Cette indépendance entre les consorts simples persistera au niveau de l'instance de recours: un consort pourra attaquer de manière indépendante la décision qui le concerne sans égard à la renonciation d'un autre consort à entreprendre cette même décision; de même n'aura-t-il pas à se soucier du maintien des recours formés par d'autres consorts, s'il entend retirer le sien (SCHAAD, op. cit., p. 281 ss). D'où il suit, entre autres conséquences, que l'autorité de la chose jugée du jugement intéressant des consorts simples doit être examinée séparément pour chaque consort dans ses relations avec l'adversaire des consorts, car il y a autant de choses jugées que de couples demandeur/défendeur (SCHAAD, op. cit., p. 317). Au regard de ces principes, le recourant avait dénié manifestement à tort au TAS toute compétence pour connaître de l'appel interjeté par l'intimé contre la décision de la CRL du 15 juin 2011 en se prévalant du retrait de l'appel formé par le joueur contre la même décision. Aussi bien, un tel retrait restait sans effet sur la procédure d'appel opposant l'intimé au recourant. Autrement dit, il était loisible à l'intimé de faire valoir devant le TAS, entre autres motifs, que la CRL avait erré en imputant au joueur une rupture injustifiée du contrat le liant au recourant en démontrant, par exemple, qu'un tel contrat n'était pas venu à chef entre ces deux parties, ceci afin d'établir l'inexistence de l'obligation du joueur rendue solidaire à l'égard de l'intimé par l'art. 17 al. 2 RSTJ (arrêt 4A_304/2013 du 3 mars 2014 consid. 3). Peu importe qu'il en résultât, le cas échéant, une sentence incompatible avec la décision en force de la CRL quant au sort du joueur recherché par le recourant. Cependant, le TAS a commis la même erreur en annulant le point 2 du dispositif de la décision de la CRL, lequel intéressait exclusivement la cause divisant le recourant d'avec le joueur. Il lui a échappé, ce faisant, que le retrait de l'appel du joueur, suivi de la radiation de la procédure d'appel, avait mis un terme à cette procédure d'appel, si bien que la décision de première instance était, depuis lors, BGE 140 III 520 S. 528 revêtue de l'autorité de la chose jugée à l'égard du joueur et du recourant. En d'autres termes, le TAS s'est arrogé une compétence ratione personae qu'il ne possédait plus, suite au retrait de l'appel, en annulant une décision déjà en force pour l'un des deux consorts défendeurs et désormais intangible indépendamment du sort réservé à l'appel de l'autre consort défendeur et du risque de sentences contradictoires. Il s'est comporté, en réalité, comme s'il était toujours saisi de l'appel interjeté, puis retiré, par le joueur. C'est à juste titre, dès lors, que le recourant lui fait grief de s'être déclaré compétent dans cette mesure. Aussi sa conclusion visant à faire constater par le Tribunal fédéral l'incompétence du TAS relativement à la décision condamnant le joueur à l'indemniser est-elle admissible et conforme à la jurisprudence en la matière ( ATF 136 III 605 consid. 3.3.4 p. 616; ATF 128 III 50 consid. 1b). Pour le surplus, c'est-à-dire dans la cause en appel opposant le recourant à l'intimé, le TAS a admis, à bon droit, sa compétence ratione personae.
Urteilskopf
77. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause A. contre Club B. (recours en matière civile)
4A_6/2014 du 28 août 2014
Regeste Internationale Schiedsgerichtsbarkeit; Endentscheid; einfache Streitgenossenschaft und Zuständigkeit ratione personae ( Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG ). Begriff des Endentscheids, insbesondere im Bereich der internationalen Sportschiedsgerichtsbarkeit (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 2.2). Erheben zwei Personen, die vor erster Instanz eine einfache Streitgenossenschaft bildeten, unabhängig voneinander Berufung und zieht eine von ihnen in der Folge ihre Berufung zurück, überschreitet das Berufungsschiedsgericht seine Zuständigkeit, wenn es mit seinem Schiedsspruch den angefochtenen Entscheid gegenüber beiden Streitgenossen aufhebt (E. 3).
Regeste
Internationale Schiedsgerichtsbarkeit; Endentscheid; einfache Streitgenossenschaft und Zuständigkeit ratione personae ( Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG ). Begriff des Endentscheids, insbesondere im Bereich der internationalen Sportschiedsgerichtsbarkeit (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 2.2). Erheben zwei Personen, die vor erster Instanz eine einfache Streitgenossenschaft bildeten, unabhängig voneinander Berufung und zieht eine von ihnen in der Folge ihre Berufung zurück, überschreitet das Berufungsschiedsgericht seine Zuständigkeit, wenn es mit seinem Schiedsspruch den angefochtenen Entscheid gegenüber beiden Streitgenossen aufhebt (E. 3).
Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG Begriff des Endentscheids, insbesondere im Bereich der internationalen Sportschiedsgerichtsbarkeit (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 2.2).
Erheben zwei Personen, die vor erster Instanz eine einfache Streitgenossenschaft bildeten, unabhängig voneinander Berufung und zieht eine von ihnen in der Folge ihre Berufung zurück, überschreitet das Berufungsschiedsgericht seine Zuständigkeit, wenn es mit seinem Schiedsspruch den angefochtenen Entscheid gegenüber beiden Streitgenossen aufhebt (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 521
Sachverhalt ab Seite 521 BGE 140 III 520 S. 521
BGE 140 III 520 S. 521
A. Le 17 janvier 2008, A., un club de football professionnel, a assigné C. (ci-après: le joueur), un footballeur professionnel, et Club B., un autre club de football professionnel, recherchés solidairement, devant la Chambre de Résolution des Litiges (CRL) de la Fédération Internationale de Football Association (FIFA) en vue d'obtenir le paiement d'une indemnité. Se fondant sur l'art. 17 du Règlement du Statut et du Transfert des Joueurs édicté par la FIFA en 2008 (ci-après: RSTJ), A. reprochait au joueur d'avoir violé le contrat de travail qu'il avait conclu avec lui en décembre 2007 pour se faire engager par Club B.
A. Par décision du 15 juin 2011, la CRL a condamné le joueur à indemniser A. et reconnu Club B. débiteur solidaire de la somme allouée au club demandeur.
B. Le 31 août 2012, le joueur a saisi le Tribunal Arbitral du Sport (TAS) d'un appel dirigé contre la décision de la CRL. Club B. en a fait de même le jour en question. Les causes ont été jointes.
B. En date du 22 janvier 2013, le Président suppléant de la Chambre arbitrale d'appel du TAS a rendu une ordonnance de clôture ( termination order ) par laquelle il a rayé l'une des causes du rôle, l'appel interjeté par le joueur étant réputé retiré, conformément à l'art. R64.2 al. 2 du Code de l'arbitrage en matière de sport (ci-après: le Code), faute pour l'appelant d'avoir versé en temps utile la provision de frais requise.
A., tirant argument du retrait de l'appel de C., a dénié au TAS toute compétence pour connaître de l'appel de Club B., voire ne la lui a reconnue, à titre subsidiaire, que dans la mesure où l'appel portait sur le montant, et non sur le principe, de l'indemnité due solidairement par le joueur et le club défendeur. BGE 140 III 520 S. 522
BGE 140 III 520 S. 522
Une Formation de trois membres a été constituée pour traiter l'appel de Club B. La FIFA n'a pas participé à la procédure arbitrale.
Par sentence du 20 novembre 2013, le TAS, admettant ledit appel, a annulé la décision attaquée et renvoyé la cause à la CRL pour qu'elle statue à nouveau en respectant les règles de la procédure. En substance, la Formation a tout d'abord admis sa compétence pour se prononcer sur le moyen de l'appelant tiré de l'invalidité de la procédure conduite par la CRL, faute de respect de son droit d'être entendu, et ce indépendamment du point de savoir si elle avait le pouvoir d'examiner le bien-fondé matériel de la décision attaquée. Constatant ensuite que la demande déposée par A. n'avait pas été communiquée à Club B., elle en a déduit que le droit d'être entendu du club défendeur avait été méconnu par la CRL. A son avis, l'importance de la garantie violée entraînait la nullité de la procédure de première instance, et ce à l'égard de toutes les parties, sans égard au retrait de l'appel du joueur, de sorte que la décision entreprise devait être annulée purement et simplement, à charge pour la CRL d'en rendre une nouvelle dans le respect intégral des droits des parties. Point n'était besoin, dans ces conditions, d'examiner si Club B. avait qualité pour s'en prendre à certains aspects de la décision attaquée en tant qu'elle concernait le différend opposant A. au joueur.
C. Le 6 janvier 2014, A. (ci-après: le recourant) a formé un recours en matière civile dans lequel il demande au Tribunal fédéral d'annuler la sentence querellée et de dire que le TAS "n'est pas compétent pour annuler la Décision de la FIFA du 15 juin 2011 (...) entre la Recourante et le Joueur...".
C. Club B. (ci-après: l'intimé) a conclu au rejet du recours en tant qu'il était recevable.
Par arrêt du 28 août 2014, le Tribunal fédéral, admettant partiellement le recours dans la mesure de sa recevabilité, a constaté que le TAS n'était pas compétent pour annuler la décision rendue le 15 juin 2011 par la CRL de la FIFA en tant que cette décision concernait la cause divisant A. d'avec C.
(résumé)
Erwägungen
Erwägungen Extrait des considérants:
2.
2. 2.2 Le recourant soutient péremptoirement que "la sentence attaquée est une sentence finale sujette à recours". Or, la nature de ladite sentence, sur laquelle ni le TAS ni l'intimé ne se prononcent, commande BGE 140 III 520 S. 523 un plus ample examen. La Cour de céans y procédera d'office, s'agissant d'une question qui a trait à la recevabilité du recours ( ATF 138 III 542 consid. 1).
2.2 BGE 140 III 520 S. 523
2.2.1 Le recours en matière civile, au sens de l' art. 77 LTF en liaison avec les art. 190-192 LDIP (RS 291), n'est recevable qu'à l'encontre d'une sentence. L'acte attaquable peut être une sentence finale, qui met un terme à l'instance arbitrale pour un motif de fond ou de procédure, une sentence partielle, qui porte sur une partie quantitativement limitée d'une prétention litigieuse ou sur l'une des diverses prétentions en cause ou encore qui met fin à la procédure à l'égard d'une partie des consorts (cf. ATF 116 II 80 consid. 2b p. 83), voire une sentence préjudicielle ou incidente, qui règle une ou plusieurs questions préalables de fond ou de procédure (sur ces notions, cf. ATF 130 III 755 consid. 1.2.1 p. 757). Pour juger de la recevabilité du recours, ce qui est déterminant n'est pas la dénomination du prononcé entrepris, mais le contenu de celui-ci ( ATF 136 III 200 consid. 2.3.3 p. 205, ATF 136 III 597 consid. 4).
2.2.1 art. 77 LTF art. 190-192 LDIP Cette définition des différents types de sentences attaquables, le Tribunal fédéral l'a posée en ayant à l'esprit les litiges à caractère international issus des relations commerciales que nouent les parties à un rapport contractuel. Elle cadre bien avec la nature de tels litiges, lesquels opposent deux ou plusieurs parties qui chargent la juridiction arbitrale désignée par elles de liquider leur différend en tant qu'instance unique, sous réserve d'un éventuel recours à un tribunal étatique. Dans ce contexte, la sentence finale clôt effectivement "l'instance arbitrale".
En revanche, cette même définition ne paraît pas suffisamment adaptée aux particularités inhérentes à l'arbitrage en matière de sport (cf. ATF 133 III 235 consid. 4.3.2.2 p. 243), singulièrement à la mise en oeuvre du TAS par la voie d'un appel visant une décision prise par une fédération sportive. En effet, statuant alors comme juridiction d'appel, la Formation du TAS rendra certes une sentence finale au sens de la définition rappelée plus haut, c'est-à-dire une sentence qui mettra un terme à l'instance arbitrale pendante devant elle. Cependant, la procédure au fond opposant les parties ne sera pas nécessairement close par cette sentence. Elle se poursuivra dans l'hypothèse où la Formation annulerait la décision attaquée et renverrait le dossier à la fédération sportive concernée en l'invitant à reprendre l'instruction de la cause et à rendre une nouvelle décision. Considérée sous cet angle, la procédure initiée devant la fédération sportive, BGE 140 III 520 S. 524 puis poursuivie en appel devant le TAS, s'apparente à une procédure étatique ordinaire, soumise à l'exigence de la double instance (cf. art. 75 al. 2, 80 al. 2 et 86 al. 2 LTF). Or, comme le souligne un passage du Message du 28 février 2001 concernant la révision totale de l'organisation judiciaire fédérale (FF 2001 4129 s. ch. 4.1.4.1), repris par BERNARD CORBOZ (in Commentaire de la LTF, 2 e éd. 2014, n° 9 ad art. 90 LTF ), le critère de la fin de la procédure dépend non seulement de la procédure conduite devant l'autorité qui précède le Tribunal fédéral, mais aussi de la procédure qui s'est déroulée devant l'autorité dont la décision a été déférée à cette instance de recours; il faut donc examiner si la décision attaquée a pour effet de clore la procédure entamée en première instance. En application de ce principe, la décision par laquelle l'autorité de recours annule la décision attaquée et renvoie la cause à l'autorité de première instance pour instruction et nouvelle décision sur le fond est qualifiée de décision incidente par la jurisprudence fédérale, quand bien même elle met un terme à l'instance de recours (cf. ATF 137 V 314 consid. 1 p. 315; ATF 135 V 141 consid. 1.1; ATF 135 III 329 consid. 1.2).
BGE 140 III 520 S. 524
art. 90 LTF Il se justifie d'appliquer par analogie le même principe à la procédure d'appel menée devant le TAS, l'idée étant, ici aussi, de faire en sorte que le Tribunal fédéral ne doive s'occuper qu'une seule fois d'une affaire, sous réserve des exceptions admises par la jurisprudence en la matière ( ATF 130 III 755 consid. 1.2). C'est du reste ce qu'a fait la I re Cour de droit civil dans un arrêt du 14 février 2007, en la cause 4P.298/2006, in Bulletin ASA 2008 p. 313 ss et cité par KAUFMANN- KOHLER/RIGOZZI (Arbitrage International, 2 e éd. 2010, p. 429 note de pied 452). Elle a qualifié de Zwischenentscheid la sentence par laquelle le TAS, admettant, contrairement à la Commission du Statut du Joueur de la FIFA, une violation, par le footballeur professionnel incriminé, du contrat de travail le liant à son club, avait annulé la décision prise par cette instance sportive et invité celle-ci à se prononcer sur les conséquences de la rupture de contrat sans juste cause.
2.2.2 La présente espèce concerne le même cas de figure. Le TAS a annulé la décision qui lui était soumise après avoir mis en évidence un vice majeur affectant la procédure y relative; puis, usant de la faculté que lui accorde l'art. R57 al. 1 du Code, il a renvoyé la cause à la CRL pour qu'elle statue à nouveau. Ce faisant, il a sans doute clos la procédure d'appel pendante devant lui; il n'a cependant pas rendu une sentence finale, dans l'acception particulière de cette notion BGE 140 III 520 S. 525 retenue ici, mais une décision incidente ayant trait à une question de procédure, à savoir le respect du droit d'être entendu de l'intimé.
2.2.2 BGE 140 III 520 S. 525
2.2.3 Selon l' art. 190 al. 3 LDIP, une décision incidente ne peut être attaquée que pour les motifs énoncés à l' art. 190 al. 2 let. a et b LDIP ( ATF 130 III 76 consid. 4). Dans sa grande majorité, la doctrine estime que les griefs tirés de l' art. 190 al. 2 let. c-e LDIP devraient pouvoir être invoqués également à l'encontre des décisions incidentes, au sens de l' art. 190 al. 3 LDIP, dans le cadre d'un recours fondé sur l' art. 190 al. 2 let. a ou let. b LDIP. Après avoir laissé la question ouverte (arrêt 4A_414/2012 du 11 décembre 2012 consid. 3.2 et les auteurs cités), le Tribunal fédéral a tranché dans ce sens, en précisant sa jurisprudence en la matière. Il a toutefois insisté sur le fait que les moyens fondés sur l' art. 190 al. 2 let. c-e LDIP ne pourront être soulevés à l'avenir contre les décisions visées à l' art. 190 al. 3 LDIP que dans la mesure où ils se limiteront strictement aux points concernant directement la composition ou la compétence du tribunal arbitral ( ATF 140 III 477 consid. 3.1 et les références).
2.2.3 art. 190 al. 3 LDIP art. 190 al. 2 let. a et b LDIP art. 190 al. 2 let art. 190 al. 3 LDIP art. 190 al. 2 let. a ou let. b LDIP art. 190 al. 2 let art. 190 al. 3 LDIP La réserve ainsi formulée dans ce précédent est applicable in casu. En effet, si le recourant invoque le motif énoncé à l' art. 190 al. 2 let. b LDIP (incompétence du tribunal arbitral), lequel est recevable en vertu de l' art. 190 al. 3 LDIP, il reproche, en outre, au TAS d'avoir statué ultra petita ( art. 190 al. 2 let. c LDIP) et d'avoir rendu une sentence incompatible avec l'ordre public ( art. 190 al. 2 let. e LDIP). Or, ces deux moyens sont soulevés, non pas dans le cadre de l' art. 190 al. 2 let. b LDIP, mais séparément, pour eux-mêmes. Dès lors, ils sont irrecevables. art. 190 al. 2 let. b LDIP art. 190 al. 3 LDIP art. 190 al. 2 let art. 190 al. 2 let art. 190 al. 2 let. b LDIP Dans ces conditions, la Cour de céans restreindra son examen au moyen fondé sur l' art. 190 al. 2 let. b LDIP. Le recours sera déclaré irrecevable pour le surplus. art. 190 al. 2 let. b LDIP 3. Invoquant l' art. 190 al. 2 let. b LDIP, le recourant soutient que le TAS a excédé les limites de sa compétence juridictionnelle en annulant également le chef du dispositif de la décision de la CRL du 15 juin 2011 qui réglait les conséquences financières de la rupture injustifiée du contrat de travail conclu par lui, le recourant, avec le joueur. A son avis, le retrait, par ce dernier, de l'appel interjeté contre ladite décision aurait entraîné l'extinction de la convention d'arbitrage qui liait le joueur et le recourant. Dès lors, le TAS n'aurait plus été compétent pour annuler la décision de la CRL dans la mesure où elle condamnait le joueur à indemniser le recourant. BGE 140 III 520 S. 526
3. art. 190 al. 2 let. b LDIP BGE 140 III 520 S. 526
3.1 Saisi du grief d'incompétence, le Tribunal fédéral examine librement les questions de droit, y compris les questions préalables, qui déterminent la compétence ou l'incompétence du tribunal arbitral ( ATF 134 III 565 consid. 3.1 et les arrêts cités). En revanche, il ne revoit les constatations de fait que dans les limites usuelles, même lorsqu'il statue sur ce grief (arrêt 4A_682/2012 du 20 juin 2013 consid. 3.1 et 4.2).
3.1 3.2
3.2 3.2.1 Aux termes de l'art. R47 al. 1 du Code, un appel contre une décision d'une fédération, association ou autre organisme sportif peut être déposé au TAS si les statuts ou règlements dudit organisme sportif le prévoient ou si les parties ont conclu une convention d'arbitrage particulière et dans la mesure aussi où l'appelant a épuisé les voies de droit préalables à l'appel dont il dispose en vertu des statuts ou règlements dudit organisme sportif. La FIFA institue expressément le TAS comme juridiction de recours contre les décisions prises en dernière instance par ses instances juridictionnelles (art. 66-68 des Statuts de la FIFA). S'agissant des décisions prises par la CRL, l'art. 24 in fine RSTJ prévoit qu'elles peuvent faire l'objet d'un recours devant le TAS.
3.2.1 3.2.2 Il ressort indéniablement de la combinaison de ces dispositions que le TAS était compétent pour statuer sur l'appel interjeté par l'intimé contre la décision de la CRL du 15 juin 2011. Il l'eût été également pour connaître de l'appel formé par le joueur contre la même décision, si cet appel n'avait pas été retiré, ou du moins réputé tel, par la suite. Or, il l'a été, ce qui a entraîné la radiation de la cause y relative par une ordonnance de clôture du 22 janvier 2013. Se pose, dès lors, la question de l'incidence éventuelle de cet état de choses sur la compétence du TAS.
3.2.2 Le 17 janvier 2008, le recourant a assigné conjointement le joueur et l'intimé devant la CRL. Par décision du 15 juin 2011, les codéfendeurs ont été condamnés solidairement à lui payer la somme de... Dans cette procédure de première instance, l'intimé et le joueur ont formé une consorité matérielle simple passive (sur cette notion, cf. parmi d'autres: FABIENNE HOHL, Procédure civile, tome I, 2001, n. 521 ss; MARIE-FRANÇOISE SCHAAD, La consorité en procédure civile, 1993, p. 40 s.; GROSS/ZUBER, in Commentaire bernois, Schweizerische Zivilprozessordnung, vol. I, 2012, n os 4 s. ad art. 71 CPC ; NICOLAS JEANDIN, in CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, n os 6 s. ad art. 71 CPC ). Selon la jurisprudence et la doctrine, la consorité BGE 140 III 520 S. 527 simple laisse subsister la pluralité des causes et des parties. Les consortssimples restent indépendants les uns des autres. L'attitude de l'un d'entre eux, notamment son désistement, son défaut ou son recours,est sans influence sur la situation juridique des autres (arrêt 4P.226/2002 du 21 janvier 2003 consid. 2.1; HOHL, op. cit., n. 525; SCHAAD,op. cit., p. 76 s.; GROSS/ZUBER, op. cit., n° 19 ad art. 71 CPC ). Quantau jugement à rendre, il pourra être différent d'un consort à l'autre (JEANDIN, op. cit., n° 11 ad art. 71 CPC ). Cette indépendance entre les consorts simples persistera au niveau de l'instance de recours: un consort pourra attaquer de manière indépendante la décision qui le concerne sans égard à la renonciation d'un autre consort à entreprendre cette même décision; de même n'aura-t-il pas à se soucier du maintien des recours formés par d'autres consorts, s'il entend retirer le sien (SCHAAD, op. cit., p. 281 ss). D'où il suit, entre autres conséquences, que l'autorité de la chose jugée du jugement intéressant des consorts simples doit être examinée séparément pour chaque consort dans ses relations avec l'adversaire des consorts, car il y a autant de choses jugées que de couples demandeur/défendeur (SCHAAD, op. cit., p. 317). art. 71 CPC art. 71 CPC BGE 140 III 520 S. 527
art. 71 CPC art. 71 CPC Au regard de ces principes, le recourant avait dénié manifestement à tort au TAS toute compétence pour connaître de l'appel interjeté par l'intimé contre la décision de la CRL du 15 juin 2011 en se prévalant du retrait de l'appel formé par le joueur contre la même décision. Aussi bien, un tel retrait restait sans effet sur la procédure d'appel opposant l'intimé au recourant. Autrement dit, il était loisible à l'intimé de faire valoir devant le TAS, entre autres motifs, que la CRL avait erré en imputant au joueur une rupture injustifiée du contrat le liant au recourant en démontrant, par exemple, qu'un tel contrat n'était pas venu à chef entre ces deux parties, ceci afin d'établir l'inexistence de l'obligation du joueur rendue solidaire à l'égard de l'intimé par l'art. 17 al. 2 RSTJ (arrêt 4A_304/2013 du 3 mars 2014 consid. 3). Peu importe qu'il en résultât, le cas échéant, une sentence incompatible avec la décision en force de la CRL quant au sort du joueur recherché par le recourant.
Cependant, le TAS a commis la même erreur en annulant le point 2 du dispositif de la décision de la CRL, lequel intéressait exclusivement la cause divisant le recourant d'avec le joueur. Il lui a échappé, ce faisant, que le retrait de l'appel du joueur, suivi de la radiation de la procédure d'appel, avait mis un terme à cette procédure d'appel, si bien que la décision de première instance était, depuis lors, BGE 140 III 520 S. 528 revêtue de l'autorité de la chose jugée à l'égard du joueur et du recourant. En d'autres termes, le TAS s'est arrogé une compétence ratione personae qu'il ne possédait plus, suite au retrait de l'appel, en annulant une décision déjà en force pour l'un des deux consorts défendeurs et désormais intangible indépendamment du sort réservé à l'appel de l'autre consort défendeur et du risque de sentences contradictoires. Il s'est comporté, en réalité, comme s'il était toujours saisi de l'appel interjeté, puis retiré, par le joueur. C'est à juste titre, dès lors, que le recourant lui fait grief de s'être déclaré compétent dans cette mesure. Aussi sa conclusion visant à faire constater par le Tribunal fédéral l'incompétence du TAS relativement à la décision condamnant le joueur à l'indemniser est-elle admissible et conforme à la jurisprudence en la matière ( ATF 136 III 605 consid. 3.3.4 p. 616; ATF 128 III 50 consid. 1b).
BGE 140 III 520 S. 528
Pour le surplus, c'est-à-dire dans la cause en appel opposant le recourant à l'intimé, le TAS a admis, à bon droit, sa compétence ratione personae.
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Urteilskopf 140 III 529 78. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_579/2014 vom 18. August 2014 Regeste Art. 445 i.V.m. Art. 314 Abs. 1 ZGB ; vorsorgliche Massnahmen im Kindesschutzverfahren. Das Verfahren auf Erlass vorsorglicher Massnahmen ist durch einen förmlichen Entscheid der Kindesschutzbehörde abzuschliessen. Für den Fall, dass die Kindesschutzbehörde vorweg eine vorsorgliche Massnahme sofort und ohne Anhörung der Verfahrensbeteiligten trifft, schreibt das Gesetz zwingend vor, dass die Kindesschutzbehörde den Verfahrensbeteiligten gleichzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme gibt und anschliessend neu entscheidet (E. 2). Sachverhalt ab Seite 530 BGE 140 III 529 S. 530 A. (Beschwerdeführerin) ist die Mutter des Kindes C., geboren am 9. Mai 2014. Vor dessen Geburt informierten der mutmassliche Kindsvater und die Hebamme die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) insbesondere über die schwierigen Wohnverhältnisse, in denen die schwangere Beschwerdeführerin lebe und künftig mit dem Neugeborenen zu leben beabsichtige. An einem unangemeldeten Hausbesuch konnte die KESB mit der Beschwerdeführerin ein Gespräch führen, erhielt aber keinen Einblick in die Wohnverhältnisse. Mit Entscheid vom 9. Mai 2014 hob die KESB die Obhut der Beschwerdeführerin über ihr Kind per sofort vorläufig auf. Sie platzierte das Kind per sofort vorläufig in der Wöchnerinnen-Station des Kantonsspitals, errichtete eine Beistandschaft für das Kind, bezeichnete die Person des Beistands und umschrieb dessen Aufgaben. Die KESB hielt fest, dass vorliegend wegen der besonderen Dringlichkeit ein vorsorglicher Entscheid ohne Anhörung der Kindsmutter und des Kindsvaters erfolgt, dass die KESB beiden jedoch die Gelegenheit zur Stellungnahme gibt und dass danach, falls notwendig, neu entschieden wird. Die Anhörung der Beschwerdeführerin ist am 12. Mai 2014 mündlich erfolgt. Einen Tag zuvor hatte die Beschwerdeführerin auf Einladung der KESB auch schriftlich Stellung genommen. Die Besichtigung der Wohnverhältnisse durch die KESB fand am 14. Mai 2014 im Beisein der Beschwerdeführerin statt. Die Beschwerdeführerin erhob gegen den Entscheid der KESB eine Beschwerde und beantragte, den angefochtenen Entscheid aufzuheben. Das Kantonsgericht wies die Beschwerde ab. Die Beschwerdeführerin erneuert ihren Antrag vor Bundesgericht, das auf die Beschwerde nicht eintritt. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die Zulässigkeit der Beschwerde an das Bundesgericht hängt davon ab, ob eine superprovisorisch angeordnete vorsorgliche Massnahme oder eine vorsorgliche Massnahme angefochten ist. 2.1 Das Kantonsgericht hat dazu festgehalten, der Entscheid der KESB sei superprovisorisch ergangen, d.h. ohne vorgängige Anhörung der am Verfahren beteiligten Personen. Diesen sei indes nachträglich gestützt auf Art. 445 Abs. 2 ZGB Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden, wovon die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 11. Mai 2014 Gebrauch gemacht habe. Die BGE 140 III 529 S. 531 Beschwerdeführerin sei zudem am 12. Mai 2014 mündlich durch die KESB angehört worden. Die KESB habe in ihrer Vernehmlassung vom 3. Juni 2014 (im Beschwerdeverfahren) einlässlich dargelegt, dass und aus welchen Gründen an den angeordneten Massnahmen festgehalten werde. Die Beschwerdeführerin habe sich dazu anlässlich der Parteiverhandlung äussern können. Den Anforderungen an die nachträgliche Gewährung des rechtlichen Gehörs sei damit vollumfänglich entsprochen worden und die strittigen Anordnungen hätten unter den gegebenen Umständen als (ordentliche) vorsorgliche Massnahmen zu gelten. 2.2 So geht es aus folgenden Gründen nicht: 2.2.1 Mit der Marginalie "Vorsorgliche Massnahmen" bestimmt Art. 445 ZGB, dass die Erwachsenenschutzbehörde auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen alle für die Dauer des Verfahrens notwendigen vorsorglichen Massnahmen trifft (Abs. 1) und dass sie bei besonderer Dringlichkeit vorsorgliche Massnahmen sofort ohne Anhörung der am Verfahren beteiligten Personen treffen kann, diesen gleichzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme gibt und anschliessend neu entscheidet (Abs. 2). Die Bestimmung ist im Kindesschutzverfahren sinngemäss anwendbar ( Art. 314 Abs. 1 ZGB ). Die Regelung des Verfahrens für den Erlass sog. superprovisorischer Massnahmen gemäss Art. 445 Abs. 2 ZGB entspricht Art. 265 ZPO (vgl. Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht], BBl 2006 7001, 7077 zu Art. 445 und 7101 zu Art. 314). Allgemeine Prozessrechtsgrundsätze sind zu beachten. 2.2.2 Das Kindes- und Erwachsenenschutzrecht kennt kein auf superprovisorische Massnahmen beschränktes Verfahren. Die KESB eröffnet auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen ein Verfahren, in dem sie die notwendigen vorsorglichen Massnahmen trifft ( Art. 445 Abs. 1 ZGB ). Im Rahmen dieses Verfahrens betreffend vorsorgliche Massnahmen sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, dass die KESB bei besonderer Dringlichkeit sofort und ohne Anhörung der am Verfahren beteiligten Personen vorsorgliche Massnahmen trifft und anschliessend die Verfahrensbeteiligten anhört und entscheidet ( Art. 445 Abs. 2 ZGB ). Das Verfahren ist zwar zweistufig, aber eine Einheit. Der superprovisorischen Anordnung der vorsorglichen Massnahme wegen besonderer Dringlichkeit (Dringlichkeitsentscheid) folgt zwingend - nach Anhörung der BGE 140 III 529 S. 532 Verfahrensbeteiligten - der Entscheid über die vorsorgliche Massnahme (ordentlicher Massnahmenentscheid), der die zuvor angeordnete superprovisorische Massnahme bestätigt, ändert oder aufhebt und damit ersetzt. Nicht schon mit der nachträglichen Anhörung der Verfahrensbeteiligten ist das Verfahren auf Erlass vorsorglicher Massnahmen abgeschlossen. Nach der mündlichen Anhörung oder nach Eingang der schriftlichen Stellungnahme und nach allfälligen Beweisabnahmen (hier nach Durchführung eines Augenscheins betreffend Wohnverhältnisse der Beschwerdeführerin) trifft die nach Art. 445 Abs. 1 ZGB sachlich zuständige Behörde vielmehr den neuen Entscheid gemäss Art. 445 Abs. 2 ZGB über den Erlass einer ordentlichen vorsorglichen Massnahme, die an die Stelle der superprovisorisch angeordneten vorsorglichen Massnahme tritt (vgl. STECK, in: Erwachsenenschutz, 2013, N. 16, und AUER/MARTI, in: Basler Kommentar, Erwachsenenschutz, 2012, N. 19 a.E., je zu Art. 445 ZGB ; vgl. zu den Etappen im Verfahrensablauf gemäss Art. 265 ZPO : HOHL, Procédure civile, Bd. II, 2. Aufl. 2010, N. 1872 S. 342). 2.2.3 Entgegen der Auffassung des Kantonsgerichts wird die superprovisorisch angeordnete vorsorgliche Massnahme nicht dadurch zur vorsorglichen Massnahme, dass die Verfahrensbeteiligten die superprovisorische Massnahme bei der gerichtlichen Beschwerdeinstanz anfechten und sich damit Gehör verschaffen, dass die KESB in ihrer Beschwerdeantwort erklärt, aus welchen Gründen sie an den superprovisorisch angeordneten vorsorglichen Massnahmen festhalten werde, und dass die Verfahrensbeteiligten zu diesen Gründen nochmals - hier mündlich - Stellung nehmen können. Die Anhörung muss gemäss Art. 445 Abs. 2 ZGB vielmehr durch die KESB erfolgen und findet nicht in einem Beschwerdeverfahren statt, und das Verfahren auf Erlass vorsorglicher Massnahmen ist gemäss Art. 445 Abs. 2 ZGB durch einen förmlichen Entscheid der KESB abzuschliessen und nicht im Beschwerdeverfahren informell beizulegen. Davon abgesehen, verletzt die kantonsgerichtliche Vorgehensweise die Verfahrensrechte der Beteiligten, wie sie durch die Bundesverfassung und die gesetzlichen Vorschriften über den Inhalt, die Eröffnung und die Begründung von Entscheiden geschützt werden (Art. 238 f. ZPO i.V.m. Art. 450f ZGB ; Botschaft, a.a.O., S. 7088). Namentlich ist eine mündliche Replik kein gleichwertiger Ersatz für das Recht, gegen den Entscheid über die vorsorgliche Massnahme innert zehn Tagen nach dessen Mitteilung eine Beschwerde zu erheben ( Art. 445 Abs. 3 ZGB ). BGE 140 III 529 S. 533 2.3 Die KESB hat die Beschwerdeführerin zwar nach der superprovisorischen Anordnung vorsorglicher Massnahmen angehört, aber noch keinen neuen Entscheid über vorsorgliche Massnahmen getroffen, wie ihn Art. 445 Abs. 2 ZGB "anschliessend" vorschreibt. Beschwerdegegenstand war damit vor Kantonsgericht und ist folglich auch vor Bundesgericht einzig die superprovisorische Massnahme der KESB betreffend Obhutsentzug gegenüber der Beschwerdeführerin verbunden mit der Fremdplatzierung und Verbeiständung ihres wenige Monate alten Sohnes.
Urteilskopf
78. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_579/2014 vom 18. August 2014
Regeste Art. 445 i.V.m. Art. 314 Abs. 1 ZGB ; vorsorgliche Massnahmen im Kindesschutzverfahren. Das Verfahren auf Erlass vorsorglicher Massnahmen ist durch einen förmlichen Entscheid der Kindesschutzbehörde abzuschliessen. Für den Fall, dass die Kindesschutzbehörde vorweg eine vorsorgliche Massnahme sofort und ohne Anhörung der Verfahrensbeteiligten trifft, schreibt das Gesetz zwingend vor, dass die Kindesschutzbehörde den Verfahrensbeteiligten gleichzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme gibt und anschliessend neu entscheidet (E. 2).
Regeste
Art. 445 i.V.m. Art. 314 Abs. 1 ZGB ; vorsorgliche Massnahmen im Kindesschutzverfahren. Das Verfahren auf Erlass vorsorglicher Massnahmen ist durch einen förmlichen Entscheid der Kindesschutzbehörde abzuschliessen. Für den Fall, dass die Kindesschutzbehörde vorweg eine vorsorgliche Massnahme sofort und ohne Anhörung der Verfahrensbeteiligten trifft, schreibt das Gesetz zwingend vor, dass die Kindesschutzbehörde den Verfahrensbeteiligten gleichzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme gibt und anschliessend neu entscheidet (E. 2).
Art. 314 Abs. 1 ZGB Das Verfahren auf Erlass vorsorglicher Massnahmen ist durch einen förmlichen Entscheid der Kindesschutzbehörde abzuschliessen. Für den Fall, dass die Kindesschutzbehörde vorweg eine vorsorgliche Massnahme sofort und ohne Anhörung der Verfahrensbeteiligten trifft, schreibt das Gesetz zwingend vor, dass die Kindesschutzbehörde den Verfahrensbeteiligten gleichzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme gibt und anschliessend neu entscheidet (E. 2).
Sachverhalt ab Seite 530
Sachverhalt ab Seite 530 BGE 140 III 529 S. 530
BGE 140 III 529 S. 530
A. (Beschwerdeführerin) ist die Mutter des Kindes C., geboren am 9. Mai 2014. Vor dessen Geburt informierten der mutmassliche Kindsvater und die Hebamme die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) insbesondere über die schwierigen Wohnverhältnisse, in denen die schwangere Beschwerdeführerin lebe und künftig mit dem Neugeborenen zu leben beabsichtige. An einem unangemeldeten Hausbesuch konnte die KESB mit der Beschwerdeführerin ein Gespräch führen, erhielt aber keinen Einblick in die Wohnverhältnisse.
Mit Entscheid vom 9. Mai 2014 hob die KESB die Obhut der Beschwerdeführerin über ihr Kind per sofort vorläufig auf. Sie platzierte das Kind per sofort vorläufig in der Wöchnerinnen-Station des Kantonsspitals, errichtete eine Beistandschaft für das Kind, bezeichnete die Person des Beistands und umschrieb dessen Aufgaben. Die KESB hielt fest, dass vorliegend wegen der besonderen Dringlichkeit ein vorsorglicher Entscheid ohne Anhörung der Kindsmutter und des Kindsvaters erfolgt, dass die KESB beiden jedoch die Gelegenheit zur Stellungnahme gibt und dass danach, falls notwendig, neu entschieden wird. Die Anhörung der Beschwerdeführerin ist am 12. Mai 2014 mündlich erfolgt. Einen Tag zuvor hatte die Beschwerdeführerin auf Einladung der KESB auch schriftlich Stellung genommen. Die Besichtigung der Wohnverhältnisse durch die KESB fand am 14. Mai 2014 im Beisein der Beschwerdeführerin statt.
Die Beschwerdeführerin erhob gegen den Entscheid der KESB eine Beschwerde und beantragte, den angefochtenen Entscheid aufzuheben. Das Kantonsgericht wies die Beschwerde ab. Die Beschwerdeführerin erneuert ihren Antrag vor Bundesgericht, das auf die Beschwerde nicht eintritt.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
2. Die Zulässigkeit der Beschwerde an das Bundesgericht hängt davon ab, ob eine superprovisorisch angeordnete vorsorgliche Massnahme oder eine vorsorgliche Massnahme angefochten ist.
2. 2.1 Das Kantonsgericht hat dazu festgehalten, der Entscheid der KESB sei superprovisorisch ergangen, d.h. ohne vorgängige Anhörung der am Verfahren beteiligten Personen. Diesen sei indes nachträglich gestützt auf Art. 445 Abs. 2 ZGB Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden, wovon die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 11. Mai 2014 Gebrauch gemacht habe. Die BGE 140 III 529 S. 531 Beschwerdeführerin sei zudem am 12. Mai 2014 mündlich durch die KESB angehört worden. Die KESB habe in ihrer Vernehmlassung vom 3. Juni 2014 (im Beschwerdeverfahren) einlässlich dargelegt, dass und aus welchen Gründen an den angeordneten Massnahmen festgehalten werde. Die Beschwerdeführerin habe sich dazu anlässlich der Parteiverhandlung äussern können. Den Anforderungen an die nachträgliche Gewährung des rechtlichen Gehörs sei damit vollumfänglich entsprochen worden und die strittigen Anordnungen hätten unter den gegebenen Umständen als (ordentliche) vorsorgliche Massnahmen zu gelten.
2.1 Art. 445 Abs. 2 ZGB BGE 140 III 529 S. 531
2.2 So geht es aus folgenden Gründen nicht:
2.2 2.2.1 Mit der Marginalie "Vorsorgliche Massnahmen" bestimmt Art. 445 ZGB, dass die Erwachsenenschutzbehörde auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen alle für die Dauer des Verfahrens notwendigen vorsorglichen Massnahmen trifft (Abs. 1) und dass sie bei besonderer Dringlichkeit vorsorgliche Massnahmen sofort ohne Anhörung der am Verfahren beteiligten Personen treffen kann, diesen gleichzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme gibt und anschliessend neu entscheidet (Abs. 2). Die Bestimmung ist im Kindesschutzverfahren sinngemäss anwendbar ( Art. 314 Abs. 1 ZGB ). Die Regelung des Verfahrens für den Erlass sog. superprovisorischer Massnahmen gemäss Art. 445 Abs. 2 ZGB entspricht Art. 265 ZPO (vgl. Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht], BBl 2006 7001, 7077 zu Art. 445 und 7101 zu Art. 314). Allgemeine Prozessrechtsgrundsätze sind zu beachten.
2.2.1 Art. 445 ZGB Art. 314 Abs. 1 ZGB Art. 445 Abs. 2 ZGB Art. 265 ZPO 2.2.2 Das Kindes- und Erwachsenenschutzrecht kennt kein auf superprovisorische Massnahmen beschränktes Verfahren. Die KESB eröffnet auf Antrag einer am Verfahren beteiligten Person oder von Amtes wegen ein Verfahren, in dem sie die notwendigen vorsorglichen Massnahmen trifft ( Art. 445 Abs. 1 ZGB ). Im Rahmen dieses Verfahrens betreffend vorsorgliche Massnahmen sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, dass die KESB bei besonderer Dringlichkeit sofort und ohne Anhörung der am Verfahren beteiligten Personen vorsorgliche Massnahmen trifft und anschliessend die Verfahrensbeteiligten anhört und entscheidet ( Art. 445 Abs. 2 ZGB ). Das Verfahren ist zwar zweistufig, aber eine Einheit. Der superprovisorischen Anordnung der vorsorglichen Massnahme wegen besonderer Dringlichkeit (Dringlichkeitsentscheid) folgt zwingend - nach Anhörung der BGE 140 III 529 S. 532 Verfahrensbeteiligten - der Entscheid über die vorsorgliche Massnahme (ordentlicher Massnahmenentscheid), der die zuvor angeordnete superprovisorische Massnahme bestätigt, ändert oder aufhebt und damit ersetzt. Nicht schon mit der nachträglichen Anhörung der Verfahrensbeteiligten ist das Verfahren auf Erlass vorsorglicher Massnahmen abgeschlossen. Nach der mündlichen Anhörung oder nach Eingang der schriftlichen Stellungnahme und nach allfälligen Beweisabnahmen (hier nach Durchführung eines Augenscheins betreffend Wohnverhältnisse der Beschwerdeführerin) trifft die nach Art. 445 Abs. 1 ZGB sachlich zuständige Behörde vielmehr den neuen Entscheid gemäss Art. 445 Abs. 2 ZGB über den Erlass einer ordentlichen vorsorglichen Massnahme, die an die Stelle der superprovisorisch angeordneten vorsorglichen Massnahme tritt (vgl. STECK, in: Erwachsenenschutz, 2013, N. 16, und AUER/MARTI, in: Basler Kommentar, Erwachsenenschutz, 2012, N. 19 a.E., je zu Art. 445 ZGB ; vgl. zu den Etappen im Verfahrensablauf gemäss Art. 265 ZPO : HOHL, Procédure civile, Bd. II, 2. Aufl. 2010, N. 1872 S. 342).
2.2.2 Art. 445 Abs. 1 ZGB Art. 445 Abs. 2 ZGB BGE 140 III 529 S. 532
Art. 445 Abs. 1 ZGB Art. 445 Abs. 2 ZGB Art. 445 ZGB Art. 265 ZPO 2.2.3 Entgegen der Auffassung des Kantonsgerichts wird die superprovisorisch angeordnete vorsorgliche Massnahme nicht dadurch zur vorsorglichen Massnahme, dass die Verfahrensbeteiligten die superprovisorische Massnahme bei der gerichtlichen Beschwerdeinstanz anfechten und sich damit Gehör verschaffen, dass die KESB in ihrer Beschwerdeantwort erklärt, aus welchen Gründen sie an den superprovisorisch angeordneten vorsorglichen Massnahmen festhalten werde, und dass die Verfahrensbeteiligten zu diesen Gründen nochmals - hier mündlich - Stellung nehmen können. Die Anhörung muss gemäss Art. 445 Abs. 2 ZGB vielmehr durch die KESB erfolgen und findet nicht in einem Beschwerdeverfahren statt, und das Verfahren auf Erlass vorsorglicher Massnahmen ist gemäss Art. 445 Abs. 2 ZGB durch einen förmlichen Entscheid der KESB abzuschliessen und nicht im Beschwerdeverfahren informell beizulegen. Davon abgesehen, verletzt die kantonsgerichtliche Vorgehensweise die Verfahrensrechte der Beteiligten, wie sie durch die Bundesverfassung und die gesetzlichen Vorschriften über den Inhalt, die Eröffnung und die Begründung von Entscheiden geschützt werden (Art. 238 f. ZPO i.V.m. Art. 450f ZGB ; Botschaft, a.a.O., S. 7088). Namentlich ist eine mündliche Replik kein gleichwertiger Ersatz für das Recht, gegen den Entscheid über die vorsorgliche Massnahme innert zehn Tagen nach dessen Mitteilung eine Beschwerde zu erheben ( Art. 445 Abs. 3 ZGB ). BGE 140 III 529 S. 533
2.2.3 Art. 445 Abs. 2 ZGB Art. 445 Abs. 2 ZGB Art. 450f ZGB Art. 445 Abs. 3 ZGB BGE 140 III 529 S. 533
2.3 Die KESB hat die Beschwerdeführerin zwar nach der superprovisorischen Anordnung vorsorglicher Massnahmen angehört, aber noch keinen neuen Entscheid über vorsorgliche Massnahmen getroffen, wie ihn Art. 445 Abs. 2 ZGB "anschliessend" vorschreibt. Beschwerdegegenstand war damit vor Kantonsgericht und ist folglich auch vor Bundesgericht einzig die superprovisorische Massnahme der KESB betreffend Obhutsentzug gegenüber der Beschwerdeführerin verbunden mit der Fremdplatzierung und Verbeiständung ihres wenige Monate alten Sohnes.
2.3 Art. 445 Abs. 2 ZGB
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Urteilskopf 140 III 533 79. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen Nachlassmasse der Swisscargo AG in Nachlassliquidation (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_138/2014 vom 16. Oktober 2014 Regeste Rückerstattungsklage und Verantwortlichkeitsklage; Zulässigkeit konzerninterner Darlehen; Ausschüttbarkeit von Agio. Verhältnis der Rückerstattungsklage ( Art. 678 OR ) zur Verantwortlichkeitsklage ( Art. 754 ff. OR ; E. 3); Zulässigkeit konzerninterner Darlehen im Lichte des Verbots der Einlagenrückgewähr ( Art. 680 Abs. 2 OR ) und Auswirkungen auf das freie Eigenkapital (E. 4); Ausschüttbarkeit von Agio als Teil der (ungesperrten) allgemeinen Reserve ( Art. 671 Abs. 2 Ziff. 1 und Abs. 3 OR ; E. 6). Sachverhalt ab Seite 534 BGE 140 III 533 S. 534 A. A.a Die Swisscargo AG (heute in Nachlassliquidation; Klägerin und Beschwerdegegnerin) war in den Konzern der SAirGroup AG integriert. Sie war bis Ende 2000 eine 100%-ige Tochtergesellschaft der SAirLogistics AG. Gemäss Fusionsvertrag vom 26. Juni 2001 übernahm die SAirLines AG die SAirLogistics AG rückwirkend per 1. Januar 2001 mit Aktiven und Passiven. Die A. AG (Beklagte und Beschwerdeführerin) war für das Jahr 2000 die Revisionsstelle der Swisscargo AG und des SAirGroup-Konzerns. A.b Mit Wirkung per 1. August 1991 wurde zwischen der Bank F. AG als der den Pool verwaltenden Bank und der SAirGroup ein Zero Balancing Cash Pooling eingerichtet. (...) Als Pool-Führerin figurierte die zu diesem Zweck gegründete Finance BV, eine Tochtergesellschaft der SAirGroup mit Sitz in den Niederlanden. Jede Pool- Teilnehmerin schloss mit der Finance BV ein "Reciprocal Framework Agreement" ab, gemäss welchem sich die Finance BV und die Konzerngesellschaften zur gegenseitigen Darlehensgewährung verpflichteten. Die Pool-Teilnehmerinnen unterhielten bei der Bank F. je ein Konto in der betreffenden Geldwährung, auf welches Zahlungen von Dritten eingingen und von welchem aus sie Zahlungen an Dritte tätigten. So wickelte auch die Swisscargo ihren gesamten Zahlungsverkehr über die drei Konten ab. Die Finance BV als Pool-Führerin verfügte bei der Bank F. ebenfalls über drei Konten (...) (Master Accounts), welche ausschliesslich der Durchführung des Cash Pooling dienten. Am Ende eines jeden Buchungstags glich die Bank F. sämtliche Teilnehmerkonten zu Gunsten bzw. zu Lasten des Master Accounts der Finance BV derart aus, dass die Teilnehmerkonten täglich einen Null-Valutasaldo aufwiesen. (...) Die Transaktionen zwischen dem Master Account und dem Teilnehmerkonto begründeten entsprechende Forderungen der übertragenden an die empfangende Gesellschaft. Zwischen der Swisscargo und der Finance BV bestand ein Kontokorrentverhältnis, in dessen Rahmen die gegenseitigen Forderungen verrechnet wurden. A.c Die Swisscargo schrieb im Jahr 2000 einen Gewinn von 43,67 Mio. Fr. Nach Abzug des Verlustvortrags von rund 14,5 Mio. Fr. aus dem Jahre 1999 verblieb ein Bilanzgewinn von rund 29,17 Mio. Fr. BGE 140 III 533 S. 535 Weiter wies sie ein Eigenkapital von insgesamt 35,35 Mio. Fr. auf, welches sich wie folgt zusammensetzte: Aktienkapital ("Share capital") Fr. Mio. 2,50 Agio ("Additional paid-in capital") Fr. Mio. 2,43 Allgemeine Reserve ("General reserve") Fr. Mio. 1,25 Bilanzgewinn Fr. Mio. 29,17 Total Fr. Mio. 35,35 Die Aktivseite der Abschlussbilanz der Swisscargo wies per Ende 2000 eine Position "Loans to fully-cons. companies" (Darlehen an vollkonsolidierte Unternehmen) in der Höhe von 23,65 Mio. Fr. auf. Dieser Betrag umfasste eine Forderung der Swisscargo gegenüber der Finance BV aus dem Zero Balancing Cash Pooling in der Höhe von rund 16,5 Mio. Fr. sowie eine Forderung gegenüber der SAirGroup aus Festgeld-Anlagen in der Höhe von rund 7,2 Mio. Fr. Bei den Festgeld-Anlagen der überschüssigen Liquidität handelte es sich um kurzfristige Darlehen von mehr als 30 aber weniger als 365 Tagen Dauer an die SAirGroup; diese erfolgten nicht über den Cash Pool. Die beiden Darlehen waren mithin solche, welche die Swisscargo innerhalb des SAirGroup-Konzerns einer Schwestergesellschaft (Finance BV als direkte Tochtergesellschaft der SAirGroup; sog. "cross-stream") und der Konzern-Muttergesellschaft bzw. der Grossmuttergesellschaft (die SAirGroup hielt 100 % der Aktien der SAirLogistics und diese wiederum 100 % der Aktien der Swisscargo; sog. "up-stream") ausgerichtet hatte. Gestützt auf den Bilanzgewinn von 29,17 Mio. Fr. beantragte der Verwaltungsrat der Generalversammlung die Ausschüttung einer Dividende in der Höhe von 28,5 Mio. Fr. Im Frühjahr 2001 prüfte die Beklagte den Jahresabschluss der Swisscargo per Ende Dezember 2000 und bestätigte die Gesetzmässigkeit und Statutenkonformität des Antrags des Verwaltungsrates. Sie hielt in ihrem Revisionsbericht vom 12. April 2001 zuhanden der Generalversammlung der Swisscargo abschliessend fest: "In our opinion, the accounting records and financial statements and the proposed appropriation of available earnings comply with Swiss law and the company's articles of incorporation." In der Folge schlug der Verwaltungsratspräsident der Swisscargo der Generalversammlung vom 20. April 2001 (Universalversammlung) BGE 140 III 533 S. 536 vor, eine Dividende von 28,5 Mio. Fr. auszuschütten, was von der Generalversammlung genehmigt wurde. Am 28. Juni 2001 erfolgte zugunsten der einzigen Aktionärin, der SAirLogistics, eine Gutschrift über den Cash Pool von 28,5 Mio. Fr. Aufgrund der anhaltenden Verschlechterung der Kreditwürdigkeit des SAirGroup-Konzerns kündigte die Bank F. am 10. September 2001 gegenüber der SAirGroup den Zero Balancing Cash Pooling-Vertrag per 31. Oktober 2001. Die Benachrichtigung der Pool-Teilnehmerinnen erfolgte am 1. Oktober 2001, nachdem am Vortag noch sämtliche Konten der Pool-Teilnehmerinnen auf Null ausgeglichen worden waren. Mit Schreiben vom 4. Oktober 2001 hielt die Bank F. gegenüber der SAirGroup fest, dass bei Tagesbeginn am 1. Oktober 2001 die Vereinbarung über das Zero Balancing Cash Pooling im gegenseitigen Einvernehmen rückwirkend per 30. September 2001 ausser Kraft gesetzt worden sei. Die Swissair, die SAirLines und die Konzernmutter SAirGroup (sowie weitere Gesellschaften aus dem SAirGroup-Konzern) befinden sich heute in Nachlassliquidation. Der Swisscargo wurde am 5. Dezember 2001 definitive Nachlassstundung gewährt. Über die Finance BV wurde am 27. März 2002 der Konkurs eröffnet. (...) Die Klägerin macht geltend, die Dividende an ihre Alleinaktionärin hätte bei zutreffender Berücksichtigung der Darlehen an die Konzerngesellschaften als Eigenkapital nur 6,77 Mio. Fr. statt den ausgerichteten 28,5 Mio. Fr. betragen dürfen. Die Beklagte habe die Rechtmässigkeit der um 21,73 Mio. Fr. zu hohen Dividende pflichtwidrig bestätigt. Die Klägerin macht geltend, sie hätte im Konkurs der Finance BV eine um Fr. 4'068'330.50 höhere Konkursdividende erhalten, wenn der ihrer Alleinaktionärin rechtswidrig ausbezahlte Betrag von 21,73 Mio. Fr. im Cash Pool verblieben wäre. B. B.a Mit Klage vom 18. Dezember 2008 beantragte die Swisscargo AG in Nachlassliquidation dem Handelsgericht des Kantons Zürich, es sei die A. AG zu verurteilen, ihr Fr. 4'519'500.- zuzüglich Zins zu 5 % seit 20. April 2001 zu bezahlen. (...) Das Handelsgericht des Kantons Zürich wies die Klage mit Urteil vom 9. März 2012 ab. B.b Das Bundesgericht hiess die von der Klägerin gegen das Urteil des Handelsgerichts eingereichte Beschwerde mit Urteil BGE 140 III 533 S. 537 4A_248/2012 vom 7. Januar 2013 teilweise gut und wies die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück. B.c Mit Urteil vom 20. Januar 2014 hiess das Handelsgericht die Klage teilweise gut und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von Fr. 4'293'528.50 nebst Zins zu 5 % seit dem 28. Juni 2001 an die Klägerin. C. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beklagte, es sei das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 20. Januar 2014 aufzuheben und die Klage sei abzuweisen; eventualiter sei das Urteil des Handelsgerichts aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Klägerin beantragt in ihrer Vernehmlassung Abweisung der Beschwerde, soweit Eintreten. Die Vorinstanz hat auf Vernehmlassung verzichtet. (Auszug) Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Die Beschwerdegegnerin machte im vorinstanzlichen Verfahren geltend, die Beschwerdeführerin habe sich mit ihrer vorbehaltlosen Genehmigung der beantragten Dividendenausschüttung aus aktienrechtlicher Verantwortlichkeit haftbar gemacht. Der Beschwerdegegnerin hätten Ende 2000 freie Mittel von 29,17 Mio. Fr. zur Ausschüttung einer Dividende (Eigenkapital abzüglich Aktienkapital, Agio und allgemeine Reserven) zur Verfügung gestanden. Das für die Dividendenausschüttung verwendbare Eigenkapital der Beschwerdegegnerin von 29,17 Mio. Fr. sei zufolge der konzerninternen Darlehen im Umfang von 23,65 Mio. Fr. aber bereits beansprucht gewesen, womit ein Betrag von 5,52 Mio. Fr. verblieben sei, welcher der Aktionärin als Dividende hätte ausgeschüttet werden dürfen. Die Guthaben der Beschwerdegegnerin gegenüber der Finance BV aus dem Cash Pool in der Höhe von rund 16,5 Mio. Fr. und gegenüber der SAirGroup aus Festgeld-Anlagen in der Höhe von rund 7,2 Mio. Fr. würden nämlich als Aktionärsdarlehen bzw. Darlehen an nahestehende Dritte in den Anwendungsbereich von Art. 680 Abs. 2 OR fallen und hätten daher bei der Festsetzung der Dividende vom verwendbaren Eigenkapital abgezogen werden müssen. Die Pflichtverletzung der Beklagten habe dazu geführt, dass eine um rund 21,73 Mio. Fr. zu hohe Dividende beschlossen und ausgeschüttet worden sei. Da die Dividende über den Cash Pool bezahlt worden BGE 140 III 533 S. 538 sei, wären gemäss der Beschwerdegegnerin bei Unterbleiben der Pflichtverletzung die rund 21,73 Mio. Fr. im Cash Pool verblieben und die Beschwerdegegnerin hätte heute eine um rund 21,73 Mio. Fr. höhere Forderung gegenüber der Finance BV. Damit sei die Kausalität gegeben. Der eingetretene Schaden bestehe im Abschlagszahlungsausfall im Konkurs der Finance BV auf der um rund 21,73 Mio. Fr. höheren Forderung der Beschwerdegegnerin und belaufe sich auf Fr. 4'068'330.50. 2.2 Die Vorinstanz folgte der Argumentation der Beschwerdegegnerin und kam zum Schluss, dass die Darlehen an die Finance BV und die SAirGroup in der Höhe von 23,65 Mio. Fr. in den Anwendungsbereich von Art. 680 Abs. 2 OR fielen. Die Darlehen im Umfang von 23,65 Mio. Fr. stellten zwar keine direkte Einlagenrückgewähr dar, würden jedoch eine Sperrung jener freien Mittel bewirken, die für eine Dividendenausschüttung zur Verfügung stehen. Dies begründete die Vorinstanz im Wesentlichen damit, dass die konzerninternen Darlehen Ausschüttungscharakter hätten, weil sie Dritten nicht gewährt worden wären. Die Ende 2000 für die Dividendenausschüttung grundsätzlich verwendbaren Mittel der Beschwerdegegnerin von 29,17 Mio. Fr. (Eigenkapital abzüglich Aktienkapital, Agio und allgemeine Reserven) seien damit zufolge der konzerninternen Darlehen im Umfang von 23,65 Mio. Fr. gesperrt gewesen. Folglich hätten nur 5,52 Mio. Fr. als Dividenden ausgeschüttet werden dürfen. Bei der Prüfung des Antrags auf Dividendenausschüttung habe die Beschwerdeführerin diesen Umstand nicht beachtet und ihre Pflicht dadurch verletzt, dass sie die Erklärung abgegeben habe, die vom Verwaltungsrat beantragte Dividendenausschüttung von 28,5 Mio. Fr. sei rechtskonform. Ohne die in der Folge ausgeschüttete Dividende hätte die Beschwerdegegnerin eine höhere Forderung gegenüber der Finance BV und damit eine höhere Konkursdividende. 3. Die Beschwerdeführerin macht in ihrer Rechtsschrift an das Bundesgericht geltend, die Beschwerdegegnerin habe gegenüber ihrer Aktionärin einen Rückerstattungsanspruch für die angeblich zu viel bezahlte Dividende gehabt. Indem sie diesen nicht richtig durchgesetzt habe, sei sie ihrer Schadenminderungspflicht nicht nachgekommen. Dies habe die Vorinstanz verkannt, indem sie eine allfällig unterlassene Schadenminderung seitens der Beschwerdegegnerin als für die Schadensberechnung nicht massgeblich bezeichnet habe. Damit habe sie aArt. 755 OR, Art. 42 und Art. 44 OR sowie allgemeine, BGE 140 III 533 S. 539 auf Art. 2 Abs. 1 ZGB gestützte Rechtsgrundsätze des privaten Haftungsrechts (schonende Rechtsausübung bzw. kein Ersatz eines selbst verursachten Schadens) verletzt und den Rechtsbegriff des Schadens verkannt. 3.1 Die Vorinstanz kam zum Schluss, dass das Argument der Beklagten, es liege aufgrund einer angeblichen Verletzung der Schadenminderungsobliegenheit gar kein relevanter Schaden vor, nicht stichhaltig sei. Denn die Klägerin sei nicht gehalten gewesen, überhaupt oder zumindest zuerst eine Rückerstattungsklage nach Art. 678 OR gegen die SAirLogistics anzustrengen. 3.2 Das Bundesgericht hat sich noch nie zum Verhältnis der Rückerstattungsklage ( Art. 678 OR ) zur Verantwortlichkeitsklage ( Art. 754 ff. OR ) geäussert. 3.2.1 In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass durch eine gestützt auf Art. 678 OR vollzogene Rückerstattung der Schaden der Gesellschaft ausgeglichen oder jedenfalls stark vermindert werde, was für die Subsidiarität der Verantwortlichkeitsklage spreche (THOMAS FRIEDRICH MÜLLER, Der Schutz der Aktiengesellschaft vor unzulässigen Kapitalentnahmen, 1997, S. 73 f.; vgl. auch THIERRY LUTERBACHER, Die Schadenminderungspflicht, 2005, S. 264, der eine Subsidiarität annimmt, soweit die Anstrengung einer Rückerstattungsklage "zumutbar" sei). Teilweise wird vertreten, dass "im Einzelfall zu klären" sei, ob der Rückerstattungsanspruch schadenmindernd zu berücksichtigen ist (GERICKE/WALLER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. II, 4. Aufl. 2012, N. 5b vor Art. 754-761 OR ). 3.2.2 Demgegenüber scheint eine Mehrheit der Literaturmeinungen dafürzuhalten, dass die Klagen gestützt auf Art. 678 OR und Art. 754 ff. OR konkurrierend seien (PETER FORSTMOSER, Die aktienrechtliche Verantwortlichkeit, 2. Aufl. 1987, S. 200 f.; JEAN-LUC CHENAUX, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. II, 2008, N. 87 zu Art. 678 OR ; NINA SAUERWEIN, La responsabilité de la société mère, 2006, S. 136 f.; HARALD BÄRTSCHI, Verantwortlichkeit im Aktienrecht, 2001, S. 64; BEAT SPÖRRI, Die aktienrechtliche Rückerstattungspflicht, 1996, S. 289; IVO HUNGERBÜHLER, Der Verwaltungsratspräsident, 2003, S. 189). PETER BÖCKLI schliesslich will das Verhältnis der beiden Klagen zwar nicht auf die Begriffe der Subsidiarität bzw. Alternativität reduzieren, hält es aber für "prozesstechnisch unzumutbar", wenn die Gesellschaft bzw. der für sie klagende Aktionär zuerst gestützt auf BGE 140 III 533 S. 540 Art. 678 OR die Empfänger der Leistung einklagen müsste und dann in einem anderen Prozess diejenigen, die für den durch die Rückerstattung nicht abgegoltenen Schaden im Verwaltungsrat verantwortlich sind (PETER BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, 4. Aufl. 2009, § 12 N. 567). In Auseinandersetzung mit LUTERBACHER (a.a.O., S. 250 ff.; oben E. 3.2.1), weist BÖCKLI darauf hin, dass aufgrund einer extensiv verstandenen Schadenminderungsobliegenheit konsequenterweise nicht nur die Rückerstattungsklage nach Art. 678 OR, sondern auch die paulianische Anfechtung nach Art. 285 ff. SchKG oder die Anfechtung der Verrechnung gegen die Gesellschaft nach Art. 214 SchKG angestrengt werden müssten, bevor eine Verantwortlichkeitsklage erhoben werden könnte. BÖCKLI hält die Schadenminderungsobliegenheit aber für eine zu schmale rechtliche Basis, um eine derart einschneidende Zurücksetzung der im Gesetz angelegten Verantwortlichkeitsklage zu tragen (a.a.O., § 18 N. 375c-e). 3.2.3 Dem ist zuzustimmen. Eine derart grundsätzliche strukturelle Frage wie jene nach dem Verhältnis von Rückerstattungs- und Verantwortlichkeitsklage kann nicht über die Schadenminderungsobliegenheit gelöst werden. Die Vorinstanz ist damit zu Recht zur Auffassung gelangt, dass die Klägerin im vorliegenden Fall nicht gehalten war, vor dem Verantwortlichkeitsprozess eine Rückerstattungsklage nach Art. 678 OR gegen die SAirLogistics anzustrengen. Die Rügen der Beschwerdeführerin unter dem Titel "I. Hauptstandpunkt", die alle auf der unzutreffenden Prämisse beruhen, dass die Verantwortlichkeitsklage gegenüber der Rückerstattungsklage subsidiär sei, sind damit unbegründet. Dies gilt auch für die unter dem Titel "II. Eventualstandpunkt" vorgetragene Rüge, wonach das "grobe Verschulden" der Beschwerdegegnerin "im Zusammenhang mit ihrer Schadenminderungsobliegenheit" gestützt auf Art. 43 f. OR wenigstens bei der Schadenersatzbemessung hätte berücksichtigt werden müssen. Denn wie die Vorinstanz zutreffend ausführte, kann der Beschwerdegegnerin eine angeblich mangelhafte Prozessführung gegenüber ihrer Aktionärin nicht vorgeworfen werden, wenn gar keine Pflicht zur Erhebung einer Rückerstattungsklage besteht. 4. Die Beschwerdeführerin rügt sodann, die Vorinstanz habe das Darlehen der Beschwerdegegnerin an die Finance BV im Umfang von 6,5 Mio. Fr. per 31. Dezember 2000 zu Unrecht als nicht marktübliches Darlehen qualifiziert. Entgegen der Auffassung der BGE 140 III 533 S. 541 Vorinstanz habe dieses Drittbedingungen entsprochen und damit das für Dividendenzahlungen verwendbare Kapital der Beschwerdegegnerin nicht gesperrt. 4.1 Eines der wichtigsten Prinzipien des Aktienrechts ist der Kapitalschutz ( BGE 132 III 668 E. 3.2 S. 673). In dessen Dienst steht eine ganze Reihe zwingender Bestimmungen, mit denen sichergestellt werden soll, dass der AG stets ein Reinvermögen - d.h. Aktiven minus Fremdkapital - mindestens im Umfang von Grundkapital und gebundenen Reserven erhalten bleibt ( BGE 117 IV 259 E. 5a m.H.). Dazu gehört unter anderem das in Art. 680 Abs. 2 OR verankerte Verbot der Einlagenrückgewähr (Urteile 4A_496/2010 vom 14. Februar 2011 E. 2.1, in: Pra 2011 S. 828 ff.; 4A_188/2007 vom 13. September 2007 E. 4.3.2). Nach dieser Norm steht dem Aktionär kein Recht zu, den (für die Liberierung seiner Aktien) eingezahlten Betrag zurückzufordern, woraus die Rechtsprechung ein Kapitalrückzahlungsverbot ableitet, welches auch die Gesellschaft bindet ( BGE 61 I 147 ; Urteil 4A_496/2010 vom 14. Februar 2011 E. 2.1, in: Pra 2011 S. 828 ff.). Ausser bei der Herabsetzung des Aktienkapitals nach Art. 732 ff. OR ist die Rückzahlung von Aktienkapital an einen Aktionär unzulässig und ein gleichwohl ausbezahlter Betrag muss zurückerstattet werden ( BGE 109 II 128 E. 2 S. 129; BGE 87 II 181 E. 9). Im Dienste des Kapitalschutzes stehen weiter die Vorschriften über die Dividendenausschüttung (Urteil 4A_248/2012 vom 7. Januar 2013 E. 3.2). Der verhältnismässige Anteil am Bilanzgewinn, der jedem Aktionär nach Art. 660 OR zusteht, darf nur aus dem Bilanzgewinn und aus hiefür gebildeten Reserven ausgerichtet werden ( Art. 675 Abs. 2 OR ). 4.2 Die genannten Kapitalschutzvorschriften setzen auch der Gewährung von Darlehen unter Konzerngesellschaften Grenzen. Bei einem Darlehen einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft (sog. up-stream -Darlehen) stellt sich insbesondere die Frage, ob unter dem Deckmantel eines Darlehens in Wirklichkeit eine Ausschüttung von geschütztem Eigenkapital an die Aktionärin erfolgt und damit gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstossen wird (KURER/KURER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. II, 4. Aufl. 2012, N. 22 zu Art. 680 OR ; CHENAUX, a.a.O., N. 44 ff. zu Art. 680 OR ; DEMIAN STAUBER, in: OR, Honsell [Hrsg.], 2014, N. 8 zuArt. 680 OR; CHRISTOPH SCHMID, in: Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, Personengesellschaften und Aktiengesellschaft, Roberto/Trüeb [Hrsg.], 2. Aufl. 2012, N. 9 zu Art. 680 OR ; vgl. auch bereits BGE 140 III 533 S. 542 CHRISTOPH VON GREYERZ, Die Aktiengesellschaft, in: Handelsrecht, SPR Bd. VIII/2, 1982, S. 63). Dies gilt auch für Darlehen an Schwestergesellschaften (sog. cross-stream -Darlehen), da die Darlehensvaluta diesfalls über die Beteiligungsverhältnisse indirekt an die Muttergesellschaft als Aktionärin der Darlehensgeberin und der Borgerin fliessen (ENRICO FRIZ, Darlehen an Konzerngesellschaften, Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht [GesKR] 2006 S. 327; PATRIC ALESSANDER BRAND, Aspekte der Fremdfinanzierung im Schweizer Aktienrechtskonzern, Jusletter 22. August 2011 Rz. 60 f.). Nach herrschender Lehre stellt ein Darlehen an eine Mutter- oder Schwestergesellschaft dann eine kapitalschutzrechtlich relevante Ausschüttung dar, wenn das Darlehen nicht zu Markt- bzw. Drittbedingungen ausgerichtet worden ist (DRUEY/GLANZMANN, Gesellschafts- und Handelsrecht, 10. Aufl. 2010, § 11 N. 75; CHENAUX, a.a.O., N. 48 f. zu Art. 680 OR ; GLANZMANN/WOLF, Cash Pooling - Was ist noch zulässig?, GesKR 2014 S. 3 ff.; BRAND, a.a.O., Rz. 149 m.w.H.; weiter auch PETER V. KUNZ, Unternehmensfinanzierung sowie Konzernfinanzierung, in: Entwicklungen im Gesellschaftsrecht V, Kunz und andere [Hrsg.], 2010, S. 96). Solange das durch Art. 680 Abs. 2 OR geschützte Kapital durch die Ausschüttung nicht berührt ist, d.h. der nicht zu Marktbedingungen geleistete Darlehensbetrag nicht aus dem geschützten, sondern aus dem freien Eigenkapital herrührt, liegt zwar kein Verstoss gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr vor; im Ergebnis führt eine solche Ausschüttung mit Blick auf eine Dividendenausschüttung aber zu einer faktischen Sperrung des freien Eigenkapitals im Umfang des ausgerichteten Darlehensbetrags (MAURER/HANDLE, Pflichten und Verantwortlichkeit der Revisionsstelle im Zusammenhang mit konzerninternen Darlehen, GesKR 2013 S. 295). Denn bliebe das nicht zu Marktbedingungen ausgerichtete und damit Ausschüttungscharakter aufweisende Darlehen bei der Bestimmung der ausschüttbaren Dividende unberücksichtigt, würde das freie Eigenkapital doppelt verwendet, nämlich im Zusammenhang mit dem erfolgten Darlehen einerseits und der geplanten Dividende andererseits. In der Lehre wird daher mit guten Gründen gefordert, dass bei Ausrichtung eines Darlehens an andere Konzerngesellschaften zu nicht marktgerechten Bedingungen eine gesperrte Reserve im Umfang der Darlehensvaluta in Analogie zu Art. 659a Abs. 2 OR zu bilden sei (MAURER/HANDLE, a.a.O., S. 295; NEUHAUS/WATTER, Handels- und steuerrechtliche Aspekte von Up-, Down- und Sidestream-Garantien, in: Festschrift für Peter Böckli BGE 140 III 533 S. 543 zum 70. Geburtstag, Kramer und andere [Hrsg.], 2006, S. 195; vgl. in diesem Sinne auch bereits VON GREYERZ, a.a.O., S. 63, der eine "Offenlegung in der Bilanz" fordert). 4.3 Die Vorinstanz kam zum Schluss, dass die in der Abschlussbilanz 2000 enthaltenen Darlehen der Beschwerdegegnerin an die SAirGroup und an die Finance BV unabhängigen Dritten nicht zu den gleichen Bedingungen gewährt worden wären. Denn zum einen seien die Darlehen ohne Sicherheiten gewährt worden. Zum anderen liege weder für das eine noch das andere Darlehen ein schriftlicher Darlehensvertrag vor. Zwar bestehe hinsichtlich des Darlehens an die Finance BV ein zwischen dieser und der Beschwerdegegnerin abgeschlossenes "Reciprocal Framework Agreement", worin sich die Parteien zur gegenseitigen Darlehensgewährung verpflichten und die Darlehenszinsen geregelt werden. Es handle sich dabei jedoch um einen Rahmenvertrag, der sich mit den einzelnen Forderungen nicht befasse. Die Parteien hätten denn auch nicht behauptet, dass ein Vertrag vorliege, der die Sicherheiten sowie die Zins- und Rückzahlungskonditionen des an die Finance BV gewährten Darlehens regle; zudem sei ein solcher Vertrag als Beweismittel weder eingereicht noch offeriert worden. Bezüglich des an die SAirGroup gewährten Darlehens liessen sich den Akten sodann keine konkreten Ausführungen zu den entsprechenden Bedingungen entnehmen. Auch diesbezüglich sei ein Vertrag als Beweismittel weder eingereicht noch offeriert worden. Weiter habe die Beschwerdeführerin zwar behauptet, die beiden Darlehensnehmerinnen hätten regelmässig Rückzahlungen vorgenommen; nähere Ausführungen oder Belege zu den Rückzahlungen bestünden jedoch nicht. Hinsichtlich des Darlehens an die Finance BV sei schliesslich gemäss unbestritten gebliebenen klägerischen Ausführungen die Swisscargo im Zeitraum zwischen Ende Dezember 2000 bis Ende Juni 2001 lediglich an einem einzigen Tag, am 20. Februar 2001, Schuldnerin der Finance BV gewesen, und dies nicht weil die Finance BV ihre Ausstände beglichen hätte, sondern vielmehr weil die Swisscargo vermutlich an diesem Tag über den Cash Pool einen Zahlungsauftrag habe ausführen lassen. Unter dem Gesichtspunkt der Zahlungsfähigkeit müsse zudem angesichts der die SAir-Gruppe betreffenden gerichtsnotorischen Ereignisse im Jahr 2001 die Bonität der Finance BV und der SAirGroup per Ende 2000 zumindest in Frage gestanden haben; die Beschwerdeführerin behaupte denn auch nicht, sich hinsichtlich der Aktionärsdarlehen mit der Bonität der Schuldnerinnen BGE 140 III 533 S. 544 befasst zu haben. Da weder schriftliche, die Rückzahlungsbedingungen regelnde Darlehensverträge vorlägen, noch die (regelmässigen) Rückzahlungen dokumentiert seien, eine Rückzahlungsabsicht damit also nicht auf der Hand liege und weiter auch die Rückzahlungsfähigkeit der Schuldnerinnen zweifelhaft gewesen sei, müsse davon ausgegangen werden, dass die Darlehen nicht marktkonform seien. Das freie Eigenkapital der Beschwerdegegnerin sei deshalb im Umfang dieser Darlehen für eine Ausschüttung gesperrt. 4.4 Nach Auffassung der Beschwerdeführerin beruhen diese Erwägungen auf offensichtlich unrichtigen Sachverhaltsfeststellungen. Mit dem "Reciprocal Loan Framework Agreement" habe entgegen den vorinstanzlichen Feststellungen ein als schriftlicher (Kontokorrent-)Darlehensvertrag zu qualifizierendes Dokument vorgelegen, das die Zinskonditionen für die Beziehung zwischen der Swisscargo und der Finance BV enthalten habe. Die vereinbarten Bedingungen seien marktüblich gewesen. Die täglich wechselnden Saldi und die sich damit manifestierende jederzeitige Abrufbarkeit der Forderung der Swisscargo gegen die Finance BV zeigten sodann entgegen der Auffassung der Vorinstanz sowohl die Rückzahlungswilligkeit als auch Rückzahlungsfähigkeit der Letzteren. Da die Finance BV am 20. Februar 2001 Schuldnerin der Swisscargo und somit die per 31. Dezember 2000 bestehende Kontokorrentforderung getilgt gewesen sei, seien nicht nur die Willigkeit und Fähigkeit zur Rückzahlung, sondern die Rückzahlung selber nachgewiesen. 4.5 Auf die Vorbringen braucht nicht im Einzelnen eingegangen zu werden. Denn zunächst ist bereits im Ansatz fragwürdig, ob die Teilnahme an einem Cash Pool, bei der die Teilnehmerin - wie hier die Beschwerdegegnerin - über ihre Liquidität verfügt, als solche überhaupt einem Drittmannstest standhält. Die Frage braucht indessen nicht vertieft zu werden, denn im vorliegenden Fall stellt die Beschwerdeführerin nicht in Abrede, dass das von der Beschwerdegegnerin an die Finance BV ausgerichtete Darlehen jedenfalls nicht besichert war. Dies gilt auch für die vorinstanzliche Feststellung, wonach die Beschwerdeführerin nicht behauptet habe, sich mit der Bonität der Schuldnerinnen befasst zu haben. Damit kann aber allein aufgrund dieser Umstände ein vollkommen ungesichertes Darlehen in der Höhe von 16,5 Mio. Fr. bzw. 7,2 Mio. Fr. nicht als Marktbedingungen entsprechend bezeichnet werden (vgl. FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, Schweizerisches Aktienrecht, 1996, § 40 N. 350; DRUEY/GLANZMANN, a.a.O., § 11 N. 75). Für die Frage, ob BGE 140 III 533 S. 545 genügend ausschüttbare Mittel vorhanden sind, ist sodann der Bilanzstichtag entscheidend (KURER/KURER, a.a.O., N. 24 zu Art. 675 OR ),d.h. vorliegend der31.Dezember2000und nicht der Ausschüttungszeitpunkt. Es spielt daher keine Rolle, ob das an die FinanceBV ausgerichtete Darlehen in der Folge tatsächlich zurückbezahltworden ist, wie dies die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdeschrift behauptet. Damit ist die Vorinstanz zutreffend zum Schluss gelangt, dass die beiden konzerninternen Darlehen im Umfang von 16,5 Mio. Fr. (an die Finance BV) und 7,2 Mio. Fr. (an die SAirGroup) nicht unter Drittbedingungen ausgerichtet worden waren und folglich mit Blick auf Art. 680 Abs. 2 OR das freie Eigenkapital insoweit sperrten, als der Betrag im Umfang der Darlehensvaluta nicht zur Dividendenausschüttung zur Verfügung stand. 5. 5.1 Die Beschwerdeführerin macht sodann geltend, die Dividendenausschüttung im Umfang von 16,5 Mio. Fr. sei auch deshalb nicht rechtswidrig gewesen, weil die Zahlung über den Cash Pool erfolgt sei. Denn damit seien beide Positionen, die das freie Eigenkapital belasteten, also die Forderung gegenüber der Finance BV und die Dividendenschuld gegenüber der SAirLogistics, zeitgleich und uno actu getilgt worden. Die Bezahlung der Dividende über den Cash Pool habe im konkreten FalI das per 31. Dezember 2000 bestehende Darlehen an die Finance BV im Umfang von 16,5 Mio. Fr. aufgehoben. Der gegenteilige Schluss der Vorinstanz, wonach die Beschwerdegegnerin mit dieser Transaktion ohne Gegenleistung auf die Rückzahlung des Darlehens in der Höhe des Dividendenbetrages verzichtet habe, stehe denn auch in krassem Widerspruch zum zutreffend festgestellten Sachverhalt, wonach sich mit jeder Vergütung über den Cash Pool das Guthaben der verfügenden Poolteilnehmerin gegenüber der Finance BV entsprechend reduzierte. 5.2 Die Rüge geht fehl. Wie das Bundesgericht im Urteil 4A_248/2012 vom 7. Januar 2013 E. 3.5 bereits ausführte, führt der Umstand, dass die Beschwerdegegnerin ihrer Alleinaktionärin die Dividende in der Weise ausrichtete, dass sie ihr ein Guthaben im Rahmen des konzerninternen Cash Pools überwies, noch zu keiner Entlastung der Beschwerdeführerin. Diese Art der Gewinnausschüttung erscheint vielmehr als blosse Zahlungsmodalität und schliesst nicht aus, dass sich die Beschwerdeführerin damit liquider Mittel entäusserte, die BGE 140 III 533 S. 546 sie zur Dividendenzahlung nicht verwenden durfte (a.a.O., E. 5 in fine). Sie ändert denn auch nichts daran, dass die im Cash Pool gebundenen Mittel am Bilanzstichtag des 31. Dezembers 2000 für eine Ausschüttung gesperrt waren, was die Beschwerdeführerin pflichtwidrig unbeachtet gelassen hat. Für die Bestimmung des ausschüttbaren Kapitals ist nun aber einzig dieser Zeitpunkt massgeblich (oben E. 3.5; vgl. auch bereits Urteil 4A_248/2012 vom 7. Januar 2013 E. 1.4.2); nachträgliche Entwicklungen sind insoweit unbeachtlich. Abgesehen davon hat - wie die Vorinstanz zutreffend festhält - die Beschwerdeführerin denn auch gar nicht behauptet, sie habe im Hinblick auf die Gewinnausschüttung einen Zwischenabschluss erstellt, welcher die Rückzahlung der Darlehen, aber auch weitere Ereignisse bis zu diesem Datum berücksichtigt hätte. Dass in diesem Kontext schliesslich auch die von der Beschwerdeführerin erneut angedeuteten Konzepte der à-conto- bzw. Naturaldividende unbehelflich sind, wurde bereits im Urteil 4A_248/2012 vom 7. Januar 2013 E. 3.3 f. ausgeführt. 6. Die Beschwerdeführerin macht schliesslich geltend, die Vorinstanz habe für ihre Berechnung des gesperrten bzw. ungesperrten Kapitals im Zusammenhang mit den Aktionärsdarlehen zu Unrecht nur auf den Bilanzgewinn abgestellt. Richtigerweise gehöre auch das Agio zum nicht durch Art. 680 Abs. 2 OR geschützten Kapital, weshalb sich der für die Dividende zur Verfügung stehende Betrag aus der Summe des Bilanzgewinns und Agios abzüglich der Aktionärsdarlehen errechne. 6.1 Nach Auffassung der Vorinstanz ist das für die Gewinnausschüttung verwendbare Eigenkapital dasjenige, welches (eventuell nach Abzug eines Bilanzverlustes) nicht auf das Nennkapital (Aktien- und Partizipationskapital) einerseits und auf die gesperrte Quote der allgemeinen gesetzlichen Reserve, die Reserve für eigene Aktien und die Aufwertungsreserve andererseits entfällt. Nach der von PETER BÖCKLI vertretenen Auffassung sei der Teil der allgemeinen gesetzlichen Reserve, der auf einbezahltes Kapital entfällt (Agio), nicht verwendbar (a.a.O., § 12 N. 520). Ziehe man nun vom Eigenkapital der Beschwerdegegnerin von 35,35 Mio. Fr. das gebundene Kapital, also die Summe von Nennkapital und Agio und Reserven von total 6,18 Mio. Fr. ab, seien 29,17 Mio. Fr. im Hinblick auf Art. 675 Abs. 2 OR ungebundenes Kapital. Das im Sinne des Verbots der Einlagenrückgewähr gemäss Art. 680 Abs. 2 OR geschützte Kapital umfasse das gesamte Nennkapital (Aktien- und Partizipationskapital) sowie BGE 140 III 533 S. 547 das gesamte Agio, solange es nicht in die gesetzlichen Reserven eingebucht sei. Vorliegend betrage die Sperrquote nach Art. 680 Abs. 2 OR demzufolge 4,93 Mio. Fr. (die Summe von Nennkapital und Agio). Bei einem Eigenkapital von 35,35 Mio. Fr. seien damit 30,42 Mio. Fr. im Hinblick auf die Einlagenrückgewähr ungesperrtes Kapital. Somit sei der Bilanzgewinn von 29,17 Mio. Fr. im Hinblick auf die Dividendenausschüttung gemäss Art. 675 Abs. 2 OR ungebundenes Kapital. Die ausgerichteten Aktionärsdarlehen im Umfang von total 23,65 Mio. Fr. würden aber eine Sperrung der freien Mittel bewirken. Dabei seien die Darlehen vom ausgewiesenen Bilanzgewinn abzuziehen und der verbleibende Betrag könne als Dividende ausgeschüttet werden. Mit dem Bilanzgewinn als Ausgangspunkt ergebe sich vorliegend bei Einbezug der Aktionärsdarlehen ein als Dividende ausschüttbarer Betrag von 5,52 Mio. Fr. 6.2 6.2.1 Das Agio ist der Differenzbetrag zwischen dem Nennwert und dem Ausgabebetrag der Aktien. Wenn ein Agio vorgesehen ist, bedeutet dies, dass der zeichnende Aktionär nicht nur das gezeichnete Aktienkapital einzahlen muss, sondern auch einen darüber hinausgehenden Betrag (statt aller LUKAS HANDSCHIN, Rechnungslegung im Gesellschaftsrecht, in: Handelsrecht, SPR Bd. VIII/9, 2013, N. 835). Das Agio ist gemäss Art. 671 Abs. 2 Ziff. 1 OR der allgemeinen Reserve zuzuweisen. Diese Vorschrift wirkt qualifizierend und weist das Agio unmittelbar den allgemeinen Reserven zu. Die Zuweisung des Agios in die allgemeine Reserve erfolgt mithin ohne Zutun der Generalversammlung (HANDSCHIN, a.a.O., N. 836). Das Agio untersteht ab dem Moment seiner Erfassung in den Geschäftsbüchern der Gesellschaft den Ausschüttungsregeln der allgemeinen Reserve (OSER/VOGT, Die Ausschüttung von Agio nach geltendem und künftigem Aktienrecht, GesKR 2012 S. 20). Eine ausdrückliche Einbuchung ist nicht nur unnötig, sondern würde sogar zu einem Widerspruch zur steuerrechtlich geforderten separaten Ausweisung des Agios führen (vgl. URS KÄGI, Kapitalerhaltung als Ausschüttungsschranke, 2012, S. 301 f.). 6.2.2 In der Lehre ist umstritten, ob das Agio an die Aktionäre ausgeschüttet werden darf. Eine Minderheit der Lehre vertritt die Auffassung, dass das Agio nicht dazu bestimmt sei, unter die Aktionäre verteilt zu werden, da es sich dabei nicht um einen Gewinnanteil BGE 140 III 533 S. 548 i.S. von Art. 660 Abs. 1 OR handle (BÖCKLI, a.a.O., § 12 N. 526; VON BÜREN/STOFFEL/WEBER, Grundriss des Aktienrechts, 3. Aufl. 2011, N. 1093). Demgegenüber vertritt die heute herrschende Lehre die Ansicht, dass das Agio wie eine gewöhnliche allgemeine Reserve zu behandeln sei und keinen besonderen Schutz, namentlich des Verbots der Einlagerückgewähr nach Art. 680 Abs. 2 OR, geniesse. Zur Begründung wird angeführt, dass der Wortlaut von Art. 671 OR sowie der Zweck des Kapitalschutzes dafür sprechen, dass Agio nach Massgabe der Regeln über die allgemeine gesetzliche Reserve an die Aktionäre ausgeschüttet werden könne (ausführlich KÄGI, a.a.O., S. 290 ff., sowie OSER/VOGT, a.a.O., passim; sodann HANDSCHIN, a.a.O., N. 837; GLANZMANN/WOLF, a.a.O., S. 7; CHENAUX, a.a.O., N. 14 ff. zu Art. 675 OR ; HENRI TORRIONE, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. II, 2008, N. 25 ff. zu Art. 671 OR ; KURER/KURER, a.a.O., N. 19 zu Art. 675 OR ; NEUHAUS/BALKANYI, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. II, 4. Aufl. 2012, N. 36 zu Art. 671 OR ; SCHMID, a.a.O., N. 12 zu Art. 680 OR ; STAUBER, a.a.O., N. 7 zu Art. 680 OR ; weiter auch die Revisionspraxis, vgl. Schweizer Handbuch der Wirtschaftsprüfung, Band Buchführung und Rechnungslegung, Treuhand-Kammer [Hrsg.], 2014, S. 235 f.). Die Mehrheitsmeinung überzeugt und findet ihre Stütze namentlich im klaren Wortlaut von Art. 671 OR : Abs. 2 Ziff. 1 OR bestimmt, dass das Agio der allgemeinen Reserve zuzuweisen ist. Aus Abs. 3 e contrario folgt sodann, dass die allgemeine Reserve - und damit auch das in diese kraft Abs. 2 Ziff. 1 zugewiesene Agio - frei verwendet werden darf, soweit sie die Hälfte des Aktienkapitals übersteigt. Dies entspricht nicht zuletzt auch den Vorstellungen des Steuergesetzgebers, geht dieser doch seit der Einführung des Kapitaleinlageprinzips durch die Unternehmenssteuerreform II davon aus, dass Agio ausgeschüttet werden darf (GLANZMANN/WOLF, a.a.O., S. 7 f.; HANDSCHIN, a.a.O, N. 837). Das Agio fällt mithin nicht in den Anwendungsbereich von Art. 680 Abs. 2 OR und kann als Teil der (ungesperrten) allgemeinen Reserve im Verfahren der Dividendenausschüttung ausbezahlt werden ( Art. 675 Abs. 2 OR ; OSER/VOGT, a.a.O., S. 21 f.; NEUHAUS/BALKANYI, a.a.O., N. 36 zu Art. 671 OR ). 6.3 Gemäss den Feststellungen der Vorinstanz enthielt die Abschlussbilanz der Beschwerdegegnerin per Ende 2000 ein Aktienkapital von 2,5 Mio. Fr., "Additional paid-in capital" von 2,43 Mio. Fr. und BGE 140 III 533 S. 549 eine "General reserve" von 1,25 Mio. Fr. Materiell stellt Agio kraft der gesetzlichen Zuweisung nach Art. 671 Abs. 2 Ziff. 1 OR einen Teil der allgemeinen Reserven dar (oben E. 5.2.1), womit die in der Abschlussbilanz als "Additional paid-in capital" aufgeführte Position rechnerisch zur allgemeinen Reserve zu zählen ist. Gemäss Art. 671 Abs. 3 OR e contrario darf sodann derjenige Teil der allgemeinen Reserven frei verwendet werden, der die Hälfte des Aktienkapitals übersteigt. Dies entspricht genau der in der Abschlussbilanz als "Additional paid-in capital" aufgeführten Position im Umfang von 2,43 Mio. Fr., da die dort als "General reserve" ausgewiesene Position genau die Hälfte des Aktienkapitals beträgt. Das "Additional paid-in capital" im Umfang von 2,43 Mio. Fr. unterliegt damit dem Verbot der Einlagenrückgewähr gemäss Art. 680 Abs. 2 OR nicht. Die Beschwerdeführerin macht daher zu Recht geltend, dass sich der für die Dividende zur Verfügung stehende Betrag aus der Summe des Bilanzgewinns und Agios abzüglich der Aktionärsdarlehen errechnet. 6.4 Die Beschwerde ist insoweit begründet. Der angefochtene Entscheid ist aufzuheben und an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese im Sinne der vorliegenden Erwägungen die ausschüttbare Dividende und damit verbunden den von der Beschwerdegegnerin durch die Pflichtverletzung der Beschwerdeführerin erlittenen Schaden neu berechne. Auf die weiteren, als Eventualstandpunkte vorgetragenen Rügen der Beschwerdeführerin betreffend die Schadensberechnung braucht nicht weiter eingegangen zu werden.
Urteilskopf
79. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen Nachlassmasse der Swisscargo AG in Nachlassliquidation (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_138/2014 vom 16. Oktober 2014
Regeste Rückerstattungsklage und Verantwortlichkeitsklage; Zulässigkeit konzerninterner Darlehen; Ausschüttbarkeit von Agio. Verhältnis der Rückerstattungsklage ( Art. 678 OR ) zur Verantwortlichkeitsklage ( Art. 754 ff. OR ; E. 3); Zulässigkeit konzerninterner Darlehen im Lichte des Verbots der Einlagenrückgewähr ( Art. 680 Abs. 2 OR ) und Auswirkungen auf das freie Eigenkapital (E. 4); Ausschüttbarkeit von Agio als Teil der (ungesperrten) allgemeinen Reserve ( Art. 671 Abs. 2 Ziff. 1 und Abs. 3 OR ; E. 6).
Regeste
Rückerstattungsklage und Verantwortlichkeitsklage; Zulässigkeit konzerninterner Darlehen; Ausschüttbarkeit von Agio. Verhältnis der Rückerstattungsklage ( Art. 678 OR ) zur Verantwortlichkeitsklage ( Art. 754 ff. OR ; E. 3); Zulässigkeit konzerninterner Darlehen im Lichte des Verbots der Einlagenrückgewähr ( Art. 680 Abs. 2 OR ) und Auswirkungen auf das freie Eigenkapital (E. 4); Ausschüttbarkeit von Agio als Teil der (ungesperrten) allgemeinen Reserve ( Art. 671 Abs. 2 Ziff. 1 und Abs. 3 OR ; E. 6).
Verhältnis der Rückerstattungsklage ( Art. 678 OR ) zur Verantwortlichkeitsklage ( Art. 754 ff. OR ; E. 3); Zulässigkeit konzerninterner Darlehen im Lichte des Verbots der Einlagenrückgewähr ( Art. 680 Abs. 2 OR ) und Auswirkungen auf das freie Eigenkapital (E. 4); Ausschüttbarkeit von Agio als Teil der (ungesperrten) allgemeinen Reserve ( Art. 671 Abs. 2 Ziff. 1 und Abs. 3 OR ; E. 6).
Art. 678 OR Art. 754 ff. OR Art. 680 Abs. 2 OR Art. 671 Abs. 2 Ziff. 1 und Abs. 3 OR Sachverhalt ab Seite 534
Sachverhalt ab Seite 534 BGE 140 III 533 S. 534
BGE 140 III 533 S. 534
A.
A. A.a Die Swisscargo AG (heute in Nachlassliquidation; Klägerin und Beschwerdegegnerin) war in den Konzern der SAirGroup AG integriert. Sie war bis Ende 2000 eine 100%-ige Tochtergesellschaft der SAirLogistics AG. Gemäss Fusionsvertrag vom 26. Juni 2001 übernahm die SAirLines AG die SAirLogistics AG rückwirkend per 1. Januar 2001 mit Aktiven und Passiven. Die A. AG (Beklagte und Beschwerdeführerin) war für das Jahr 2000 die Revisionsstelle der Swisscargo AG und des SAirGroup-Konzerns.
A.a A.b Mit Wirkung per 1. August 1991 wurde zwischen der Bank F. AG als der den Pool verwaltenden Bank und der SAirGroup ein Zero Balancing Cash Pooling eingerichtet. (...) Als Pool-Führerin figurierte die zu diesem Zweck gegründete Finance BV, eine Tochtergesellschaft der SAirGroup mit Sitz in den Niederlanden. Jede Pool- Teilnehmerin schloss mit der Finance BV ein "Reciprocal Framework Agreement" ab, gemäss welchem sich die Finance BV und die Konzerngesellschaften zur gegenseitigen Darlehensgewährung verpflichteten. Die Pool-Teilnehmerinnen unterhielten bei der Bank F. je ein Konto in der betreffenden Geldwährung, auf welches Zahlungen von Dritten eingingen und von welchem aus sie Zahlungen an Dritte tätigten. So wickelte auch die Swisscargo ihren gesamten Zahlungsverkehr über die drei Konten ab. Die Finance BV als Pool-Führerin verfügte bei der Bank F. ebenfalls über drei Konten (...) (Master Accounts), welche ausschliesslich der Durchführung des Cash Pooling dienten. Am Ende eines jeden Buchungstags glich die Bank F. sämtliche Teilnehmerkonten zu Gunsten bzw. zu Lasten des Master Accounts der Finance BV derart aus, dass die Teilnehmerkonten täglich einen Null-Valutasaldo aufwiesen. (...) Die Transaktionen zwischen dem Master Account und dem Teilnehmerkonto begründeten entsprechende Forderungen der übertragenden an die empfangende Gesellschaft. Zwischen der Swisscargo und der Finance BV bestand ein Kontokorrentverhältnis, in dessen Rahmen die gegenseitigen Forderungen verrechnet wurden.
A.b A.c Die Swisscargo schrieb im Jahr 2000 einen Gewinn von 43,67 Mio. Fr. Nach Abzug des Verlustvortrags von rund 14,5 Mio. Fr. aus dem Jahre 1999 verblieb ein Bilanzgewinn von rund 29,17 Mio. Fr. BGE 140 III 533 S. 535 Weiter wies sie ein Eigenkapital von insgesamt 35,35 Mio. Fr. auf, welches sich wie folgt zusammensetzte:
A.c BGE 140 III 533 S. 535
Aktienkapital ("Share capital") Fr. Mio. 2,50 Agio ("Additional paid-in capital") Fr. Mio. 2,43 Allgemeine Reserve ("General reserve") Fr. Mio. 1,25 Bilanzgewinn Fr. Mio. 29,17 Total Fr. Mio. 35,35
Aktienkapital ("Share capital") Aktienkapital ("Share capital")
Fr. Mio. Fr. Mio.
2,50 2,50
Agio ("Additional paid-in capital") Agio ("Additional paid-in capital")
Fr. Mio. Fr. Mio.
2,43 2,43
Allgemeine Reserve ("General reserve") Allgemeine Reserve ("General reserve")
Fr. Mio. Fr. Mio.
1,25 1,25
Bilanzgewinn Bilanzgewinn
Fr. Mio. Fr. Mio.
29,17 29,17
Total Total
Fr. Mio. Fr. Mio.
35,35 35,35
Die Aktivseite der Abschlussbilanz der Swisscargo wies per Ende 2000 eine Position "Loans to fully-cons. companies" (Darlehen an vollkonsolidierte Unternehmen) in der Höhe von 23,65 Mio. Fr. auf. Dieser Betrag umfasste eine Forderung der Swisscargo gegenüber der Finance BV aus dem Zero Balancing Cash Pooling in der Höhe von rund 16,5 Mio. Fr. sowie eine Forderung gegenüber der SAirGroup aus Festgeld-Anlagen in der Höhe von rund 7,2 Mio. Fr. Bei den Festgeld-Anlagen der überschüssigen Liquidität handelte es sich um kurzfristige Darlehen von mehr als 30 aber weniger als 365 Tagen Dauer an die SAirGroup; diese erfolgten nicht über den Cash Pool. Die beiden Darlehen waren mithin solche, welche die Swisscargo innerhalb des SAirGroup-Konzerns einer Schwestergesellschaft (Finance BV als direkte Tochtergesellschaft der SAirGroup; sog. "cross-stream") und der Konzern-Muttergesellschaft bzw. der Grossmuttergesellschaft (die SAirGroup hielt 100 % der Aktien der SAirLogistics und diese wiederum 100 % der Aktien der Swisscargo; sog. "up-stream") ausgerichtet hatte.
Gestützt auf den Bilanzgewinn von 29,17 Mio. Fr. beantragte der Verwaltungsrat der Generalversammlung die Ausschüttung einer Dividende in der Höhe von 28,5 Mio. Fr. Im Frühjahr 2001 prüfte die Beklagte den Jahresabschluss der Swisscargo per Ende Dezember 2000 und bestätigte die Gesetzmässigkeit und Statutenkonformität des Antrags des Verwaltungsrates. Sie hielt in ihrem Revisionsbericht vom 12. April 2001 zuhanden der Generalversammlung der Swisscargo abschliessend fest:
"In our opinion, the accounting records and financial statements and the proposed appropriation of available earnings comply with Swiss law and the company's articles of incorporation."
In der Folge schlug der Verwaltungsratspräsident der Swisscargo der Generalversammlung vom 20. April 2001 (Universalversammlung) BGE 140 III 533 S. 536 vor, eine Dividende von 28,5 Mio. Fr. auszuschütten, was von der Generalversammlung genehmigt wurde. Am 28. Juni 2001 erfolgte zugunsten der einzigen Aktionärin, der SAirLogistics, eine Gutschrift über den Cash Pool von 28,5 Mio. Fr.
BGE 140 III 533 S. 536
Aufgrund der anhaltenden Verschlechterung der Kreditwürdigkeit des SAirGroup-Konzerns kündigte die Bank F. am 10. September 2001 gegenüber der SAirGroup den Zero Balancing Cash Pooling-Vertrag per 31. Oktober 2001. Die Benachrichtigung der Pool-Teilnehmerinnen erfolgte am 1. Oktober 2001, nachdem am Vortag noch sämtliche Konten der Pool-Teilnehmerinnen auf Null ausgeglichen worden waren. Mit Schreiben vom 4. Oktober 2001 hielt die Bank F. gegenüber der SAirGroup fest, dass bei Tagesbeginn am 1. Oktober 2001 die Vereinbarung über das Zero Balancing Cash Pooling im gegenseitigen Einvernehmen rückwirkend per 30. September 2001 ausser Kraft gesetzt worden sei.
Die Swissair, die SAirLines und die Konzernmutter SAirGroup (sowie weitere Gesellschaften aus dem SAirGroup-Konzern) befinden sich heute in Nachlassliquidation. Der Swisscargo wurde am 5. Dezember 2001 definitive Nachlassstundung gewährt. Über die Finance BV wurde am 27. März 2002 der Konkurs eröffnet. (...)
Die Klägerin macht geltend, die Dividende an ihre Alleinaktionärin hätte bei zutreffender Berücksichtigung der Darlehen an die Konzerngesellschaften als Eigenkapital nur 6,77 Mio. Fr. statt den ausgerichteten 28,5 Mio. Fr. betragen dürfen. Die Beklagte habe die Rechtmässigkeit der um 21,73 Mio. Fr. zu hohen Dividende pflichtwidrig bestätigt. Die Klägerin macht geltend, sie hätte im Konkurs der Finance BV eine um Fr. 4'068'330.50 höhere Konkursdividende erhalten, wenn der ihrer Alleinaktionärin rechtswidrig ausbezahlte Betrag von 21,73 Mio. Fr. im Cash Pool verblieben wäre.
B.
B. B.a Mit Klage vom 18. Dezember 2008 beantragte die Swisscargo AG in Nachlassliquidation dem Handelsgericht des Kantons Zürich, es sei die A. AG zu verurteilen, ihr Fr. 4'519'500.- zuzüglich Zins zu 5 % seit 20. April 2001 zu bezahlen. (...)
B.a Das Handelsgericht des Kantons Zürich wies die Klage mit Urteil vom 9. März 2012 ab.
B.b Das Bundesgericht hiess die von der Klägerin gegen das Urteil des Handelsgerichts eingereichte Beschwerde mit Urteil BGE 140 III 533 S. 537 4A_248/2012 vom 7. Januar 2013 teilweise gut und wies die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
B.b BGE 140 III 533 S. 537
B.c Mit Urteil vom 20. Januar 2014 hiess das Handelsgericht die Klage teilweise gut und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von Fr. 4'293'528.50 nebst Zins zu 5 % seit dem 28. Juni 2001 an die Klägerin.
B.c C. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beklagte, es sei das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 20. Januar 2014 aufzuheben und die Klage sei abzuweisen; eventualiter sei das Urteil des Handelsgerichts aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
C. Die Klägerin beantragt in ihrer Vernehmlassung Abweisung der Beschwerde, soweit Eintreten. Die Vorinstanz hat auf Vernehmlassung verzichtet.
(Auszug)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
2.
2. 2.1 Die Beschwerdegegnerin machte im vorinstanzlichen Verfahren geltend, die Beschwerdeführerin habe sich mit ihrer vorbehaltlosen Genehmigung der beantragten Dividendenausschüttung aus aktienrechtlicher Verantwortlichkeit haftbar gemacht. Der Beschwerdegegnerin hätten Ende 2000 freie Mittel von 29,17 Mio. Fr. zur Ausschüttung einer Dividende (Eigenkapital abzüglich Aktienkapital, Agio und allgemeine Reserven) zur Verfügung gestanden. Das für die Dividendenausschüttung verwendbare Eigenkapital der Beschwerdegegnerin von 29,17 Mio. Fr. sei zufolge der konzerninternen Darlehen im Umfang von 23,65 Mio. Fr. aber bereits beansprucht gewesen, womit ein Betrag von 5,52 Mio. Fr. verblieben sei, welcher der Aktionärin als Dividende hätte ausgeschüttet werden dürfen. Die Guthaben der Beschwerdegegnerin gegenüber der Finance BV aus dem Cash Pool in der Höhe von rund 16,5 Mio. Fr. und gegenüber der SAirGroup aus Festgeld-Anlagen in der Höhe von rund 7,2 Mio. Fr. würden nämlich als Aktionärsdarlehen bzw. Darlehen an nahestehende Dritte in den Anwendungsbereich von Art. 680 Abs. 2 OR fallen und hätten daher bei der Festsetzung der Dividende vom verwendbaren Eigenkapital abgezogen werden müssen.
2.1 Art. 680 Abs. 2 OR Die Pflichtverletzung der Beklagten habe dazu geführt, dass eine um rund 21,73 Mio. Fr. zu hohe Dividende beschlossen und ausgeschüttet worden sei. Da die Dividende über den Cash Pool bezahlt worden BGE 140 III 533 S. 538 sei, wären gemäss der Beschwerdegegnerin bei Unterbleiben der Pflichtverletzung die rund 21,73 Mio. Fr. im Cash Pool verblieben und die Beschwerdegegnerin hätte heute eine um rund 21,73 Mio. Fr. höhere Forderung gegenüber der Finance BV. Damit sei die Kausalität gegeben. Der eingetretene Schaden bestehe im Abschlagszahlungsausfall im Konkurs der Finance BV auf der um rund 21,73 Mio. Fr. höheren Forderung der Beschwerdegegnerin und belaufe sich auf Fr. 4'068'330.50.
BGE 140 III 533 S. 538
2.2 Die Vorinstanz folgte der Argumentation der Beschwerdegegnerin und kam zum Schluss, dass die Darlehen an die Finance BV und die SAirGroup in der Höhe von 23,65 Mio. Fr. in den Anwendungsbereich von Art. 680 Abs. 2 OR fielen. Die Darlehen im Umfang von 23,65 Mio. Fr. stellten zwar keine direkte Einlagenrückgewähr dar, würden jedoch eine Sperrung jener freien Mittel bewirken, die für eine Dividendenausschüttung zur Verfügung stehen. Dies begründete die Vorinstanz im Wesentlichen damit, dass die konzerninternen Darlehen Ausschüttungscharakter hätten, weil sie Dritten nicht gewährt worden wären. Die Ende 2000 für die Dividendenausschüttung grundsätzlich verwendbaren Mittel der Beschwerdegegnerin von 29,17 Mio. Fr. (Eigenkapital abzüglich Aktienkapital, Agio und allgemeine Reserven) seien damit zufolge der konzerninternen Darlehen im Umfang von 23,65 Mio. Fr. gesperrt gewesen. Folglich hätten nur 5,52 Mio. Fr. als Dividenden ausgeschüttet werden dürfen. Bei der Prüfung des Antrags auf Dividendenausschüttung habe die Beschwerdeführerin diesen Umstand nicht beachtet und ihre Pflicht dadurch verletzt, dass sie die Erklärung abgegeben habe, die vom Verwaltungsrat beantragte Dividendenausschüttung von 28,5 Mio. Fr. sei rechtskonform. Ohne die in der Folge ausgeschüttete Dividende hätte die Beschwerdegegnerin eine höhere Forderung gegenüber der Finance BV und damit eine höhere Konkursdividende.
2.2 Art. 680 Abs. 2 OR 3. Die Beschwerdeführerin macht in ihrer Rechtsschrift an das Bundesgericht geltend, die Beschwerdegegnerin habe gegenüber ihrer Aktionärin einen Rückerstattungsanspruch für die angeblich zu viel bezahlte Dividende gehabt. Indem sie diesen nicht richtig durchgesetzt habe, sei sie ihrer Schadenminderungspflicht nicht nachgekommen. Dies habe die Vorinstanz verkannt, indem sie eine allfällig unterlassene Schadenminderung seitens der Beschwerdegegnerin als für die Schadensberechnung nicht massgeblich bezeichnet habe. Damit habe sie aArt. 755 OR, Art. 42 und Art. 44 OR sowie allgemeine, BGE 140 III 533 S. 539 auf Art. 2 Abs. 1 ZGB gestützte Rechtsgrundsätze des privaten Haftungsrechts (schonende Rechtsausübung bzw. kein Ersatz eines selbst verursachten Schadens) verletzt und den Rechtsbegriff des Schadens verkannt.
3. Art. 42 und Art. 44 OR BGE 140 III 533 S. 539
Art. 2 Abs. 1 ZGB 3.1 Die Vorinstanz kam zum Schluss, dass das Argument der Beklagten, es liege aufgrund einer angeblichen Verletzung der Schadenminderungsobliegenheit gar kein relevanter Schaden vor, nicht stichhaltig sei. Denn die Klägerin sei nicht gehalten gewesen, überhaupt oder zumindest zuerst eine Rückerstattungsklage nach Art. 678 OR gegen die SAirLogistics anzustrengen.
3.1 Art. 678 OR 3.2 Das Bundesgericht hat sich noch nie zum Verhältnis der Rückerstattungsklage ( Art. 678 OR ) zur Verantwortlichkeitsklage ( Art. 754 ff. OR ) geäussert.
3.2 Art. 678 OR Art. 754 ff. OR 3.2.1 In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass durch eine gestützt auf Art. 678 OR vollzogene Rückerstattung der Schaden der Gesellschaft ausgeglichen oder jedenfalls stark vermindert werde, was für die Subsidiarität der Verantwortlichkeitsklage spreche (THOMAS FRIEDRICH MÜLLER, Der Schutz der Aktiengesellschaft vor unzulässigen Kapitalentnahmen, 1997, S. 73 f.; vgl. auch THIERRY LUTERBACHER, Die Schadenminderungspflicht, 2005, S. 264, der eine Subsidiarität annimmt, soweit die Anstrengung einer Rückerstattungsklage "zumutbar" sei). Teilweise wird vertreten, dass "im Einzelfall zu klären" sei, ob der Rückerstattungsanspruch schadenmindernd zu berücksichtigen ist (GERICKE/WALLER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. II, 4. Aufl. 2012, N. 5b vor Art. 754-761 OR ).
3.2.1 Art. 678 OR Art. 754-761 OR 3.2.2 Demgegenüber scheint eine Mehrheit der Literaturmeinungen dafürzuhalten, dass die Klagen gestützt auf Art. 678 OR und Art. 754 ff. OR konkurrierend seien (PETER FORSTMOSER, Die aktienrechtliche Verantwortlichkeit, 2. Aufl. 1987, S. 200 f.; JEAN-LUC CHENAUX, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. II, 2008, N. 87 zu Art. 678 OR ; NINA SAUERWEIN, La responsabilité de la société mère, 2006, S. 136 f.; HARALD BÄRTSCHI, Verantwortlichkeit im Aktienrecht, 2001, S. 64; BEAT SPÖRRI, Die aktienrechtliche Rückerstattungspflicht, 1996, S. 289; IVO HUNGERBÜHLER, Der Verwaltungsratspräsident, 2003, S. 189).
3.2.2 Art. 678 OR Art. 754 ff. OR Art. 678 OR PETER BÖCKLI schliesslich will das Verhältnis der beiden Klagen zwar nicht auf die Begriffe der Subsidiarität bzw. Alternativität reduzieren, hält es aber für "prozesstechnisch unzumutbar", wenn die Gesellschaft bzw. der für sie klagende Aktionär zuerst gestützt auf BGE 140 III 533 S. 540 Art. 678 OR die Empfänger der Leistung einklagen müsste und dann in einem anderen Prozess diejenigen, die für den durch die Rückerstattung nicht abgegoltenen Schaden im Verwaltungsrat verantwortlich sind (PETER BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, 4. Aufl. 2009, § 12 N. 567). In Auseinandersetzung mit LUTERBACHER (a.a.O., S. 250 ff.; oben E. 3.2.1), weist BÖCKLI darauf hin, dass aufgrund einer extensiv verstandenen Schadenminderungsobliegenheit konsequenterweise nicht nur die Rückerstattungsklage nach Art. 678 OR, sondern auch die paulianische Anfechtung nach Art. 285 ff. SchKG oder die Anfechtung der Verrechnung gegen die Gesellschaft nach Art. 214 SchKG angestrengt werden müssten, bevor eine Verantwortlichkeitsklage erhoben werden könnte. BÖCKLI hält die Schadenminderungsobliegenheit aber für eine zu schmale rechtliche Basis, um eine derart einschneidende Zurücksetzung der im Gesetz angelegten Verantwortlichkeitsklage zu tragen (a.a.O., § 18 N. 375c-e).
BGE 140 III 533 S. 540
Art. 678 OR Art. 678 OR Art. 285 ff. SchKG Art. 214 SchKG 3.2.3 Dem ist zuzustimmen. Eine derart grundsätzliche strukturelle Frage wie jene nach dem Verhältnis von Rückerstattungs- und Verantwortlichkeitsklage kann nicht über die Schadenminderungsobliegenheit gelöst werden.
3.2.3 Die Vorinstanz ist damit zu Recht zur Auffassung gelangt, dass die Klägerin im vorliegenden Fall nicht gehalten war, vor dem Verantwortlichkeitsprozess eine Rückerstattungsklage nach Art. 678 OR gegen die SAirLogistics anzustrengen.
Art. 678 OR Die Rügen der Beschwerdeführerin unter dem Titel "I. Hauptstandpunkt", die alle auf der unzutreffenden Prämisse beruhen, dass die Verantwortlichkeitsklage gegenüber der Rückerstattungsklage subsidiär sei, sind damit unbegründet. Dies gilt auch für die unter dem Titel "II. Eventualstandpunkt" vorgetragene Rüge, wonach das "grobe Verschulden" der Beschwerdegegnerin "im Zusammenhang mit ihrer Schadenminderungsobliegenheit" gestützt auf Art. 43 f. OR wenigstens bei der Schadenersatzbemessung hätte berücksichtigt werden müssen. Denn wie die Vorinstanz zutreffend ausführte, kann der Beschwerdegegnerin eine angeblich mangelhafte Prozessführung gegenüber ihrer Aktionärin nicht vorgeworfen werden, wenn gar keine Pflicht zur Erhebung einer Rückerstattungsklage besteht.
4. Die Beschwerdeführerin rügt sodann, die Vorinstanz habe das Darlehen der Beschwerdegegnerin an die Finance BV im Umfang von 6,5 Mio. Fr. per 31. Dezember 2000 zu Unrecht als nicht marktübliches Darlehen qualifiziert. Entgegen der Auffassung der BGE 140 III 533 S. 541 Vorinstanz habe dieses Drittbedingungen entsprochen und damit das für Dividendenzahlungen verwendbare Kapital der Beschwerdegegnerin nicht gesperrt.
4. BGE 140 III 533 S. 541
4.1 Eines der wichtigsten Prinzipien des Aktienrechts ist der Kapitalschutz ( BGE 132 III 668 E. 3.2 S. 673). In dessen Dienst steht eine ganze Reihe zwingender Bestimmungen, mit denen sichergestellt werden soll, dass der AG stets ein Reinvermögen - d.h. Aktiven minus Fremdkapital - mindestens im Umfang von Grundkapital und gebundenen Reserven erhalten bleibt ( BGE 117 IV 259 E. 5a m.H.). Dazu gehört unter anderem das in Art. 680 Abs. 2 OR verankerte Verbot der Einlagenrückgewähr (Urteile 4A_496/2010 vom 14. Februar 2011 E. 2.1, in: Pra 2011 S. 828 ff.; 4A_188/2007 vom 13. September 2007 E. 4.3.2). Nach dieser Norm steht dem Aktionär kein Recht zu, den (für die Liberierung seiner Aktien) eingezahlten Betrag zurückzufordern, woraus die Rechtsprechung ein Kapitalrückzahlungsverbot ableitet, welches auch die Gesellschaft bindet ( BGE 61 I 147 ; Urteil 4A_496/2010 vom 14. Februar 2011 E. 2.1, in: Pra 2011 S. 828 ff.). Ausser bei der Herabsetzung des Aktienkapitals nach Art. 732 ff. OR ist die Rückzahlung von Aktienkapital an einen Aktionär unzulässig und ein gleichwohl ausbezahlter Betrag muss zurückerstattet werden ( BGE 109 II 128 E. 2 S. 129; BGE 87 II 181 E. 9). Im Dienste des Kapitalschutzes stehen weiter die Vorschriften über die Dividendenausschüttung (Urteil 4A_248/2012 vom 7. Januar 2013 E. 3.2). Der verhältnismässige Anteil am Bilanzgewinn, der jedem Aktionär nach Art. 660 OR zusteht, darf nur aus dem Bilanzgewinn und aus hiefür gebildeten Reserven ausgerichtet werden ( Art. 675 Abs. 2 OR ).
4.1 Art. 680 Abs. 2 OR BGE 61 I 147 Art. 732 ff. OR Art. 660 OR Art. 675 Abs. 2 OR 4.2 Die genannten Kapitalschutzvorschriften setzen auch der Gewährung von Darlehen unter Konzerngesellschaften Grenzen. Bei einem Darlehen einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft (sog. up-stream -Darlehen) stellt sich insbesondere die Frage, ob unter dem Deckmantel eines Darlehens in Wirklichkeit eine Ausschüttung von geschütztem Eigenkapital an die Aktionärin erfolgt und damit gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstossen wird (KURER/KURER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. II, 4. Aufl. 2012, N. 22 zu Art. 680 OR ; CHENAUX, a.a.O., N. 44 ff. zu Art. 680 OR ; DEMIAN STAUBER, in: OR, Honsell [Hrsg.], 2014, N. 8 zuArt. 680 OR; CHRISTOPH SCHMID, in: Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, Personengesellschaften und Aktiengesellschaft, Roberto/Trüeb [Hrsg.], 2. Aufl. 2012, N. 9 zu Art. 680 OR ; vgl. auch bereits BGE 140 III 533 S. 542 CHRISTOPH VON GREYERZ, Die Aktiengesellschaft, in: Handelsrecht, SPR Bd. VIII/2, 1982, S. 63). Dies gilt auch für Darlehen an Schwestergesellschaften (sog. cross-stream -Darlehen), da die Darlehensvaluta diesfalls über die Beteiligungsverhältnisse indirekt an die Muttergesellschaft als Aktionärin der Darlehensgeberin und der Borgerin fliessen (ENRICO FRIZ, Darlehen an Konzerngesellschaften, Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht [GesKR] 2006 S. 327; PATRIC ALESSANDER BRAND, Aspekte der Fremdfinanzierung im Schweizer Aktienrechtskonzern, Jusletter 22. August 2011 Rz. 60 f.).
4.2 Art. 680 OR Art. 680 OR Art. 680 OR BGE 140 III 533 S. 542
Nach herrschender Lehre stellt ein Darlehen an eine Mutter- oder Schwestergesellschaft dann eine kapitalschutzrechtlich relevante Ausschüttung dar, wenn das Darlehen nicht zu Markt- bzw. Drittbedingungen ausgerichtet worden ist (DRUEY/GLANZMANN, Gesellschafts- und Handelsrecht, 10. Aufl. 2010, § 11 N. 75; CHENAUX, a.a.O., N. 48 f. zu Art. 680 OR ; GLANZMANN/WOLF, Cash Pooling - Was ist noch zulässig?, GesKR 2014 S. 3 ff.; BRAND, a.a.O., Rz. 149 m.w.H.; weiter auch PETER V. KUNZ, Unternehmensfinanzierung sowie Konzernfinanzierung, in: Entwicklungen im Gesellschaftsrecht V, Kunz und andere [Hrsg.], 2010, S. 96). Solange das durch Art. 680 Abs. 2 OR geschützte Kapital durch die Ausschüttung nicht berührt ist, d.h. der nicht zu Marktbedingungen geleistete Darlehensbetrag nicht aus dem geschützten, sondern aus dem freien Eigenkapital herrührt, liegt zwar kein Verstoss gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr vor; im Ergebnis führt eine solche Ausschüttung mit Blick auf eine Dividendenausschüttung aber zu einer faktischen Sperrung des freien Eigenkapitals im Umfang des ausgerichteten Darlehensbetrags (MAURER/HANDLE, Pflichten und Verantwortlichkeit der Revisionsstelle im Zusammenhang mit konzerninternen Darlehen, GesKR 2013 S. 295). Denn bliebe das nicht zu Marktbedingungen ausgerichtete und damit Ausschüttungscharakter aufweisende Darlehen bei der Bestimmung der ausschüttbaren Dividende unberücksichtigt, würde das freie Eigenkapital doppelt verwendet, nämlich im Zusammenhang mit dem erfolgten Darlehen einerseits und der geplanten Dividende andererseits. In der Lehre wird daher mit guten Gründen gefordert, dass bei Ausrichtung eines Darlehens an andere Konzerngesellschaften zu nicht marktgerechten Bedingungen eine gesperrte Reserve im Umfang der Darlehensvaluta in Analogie zu Art. 659a Abs. 2 OR zu bilden sei (MAURER/HANDLE, a.a.O., S. 295; NEUHAUS/WATTER, Handels- und steuerrechtliche Aspekte von Up-, Down- und Sidestream-Garantien, in: Festschrift für Peter Böckli BGE 140 III 533 S. 543 zum 70. Geburtstag, Kramer und andere [Hrsg.], 2006, S. 195; vgl. in diesem Sinne auch bereits VON GREYERZ, a.a.O., S. 63, der eine "Offenlegung in der Bilanz" fordert).
Art. 680 OR Art. 680 Abs. 2 OR Art. 659a Abs. 2 OR BGE 140 III 533 S. 543
4.3 Die Vorinstanz kam zum Schluss, dass die in der Abschlussbilanz 2000 enthaltenen Darlehen der Beschwerdegegnerin an die SAirGroup und an die Finance BV unabhängigen Dritten nicht zu den gleichen Bedingungen gewährt worden wären. Denn zum einen seien die Darlehen ohne Sicherheiten gewährt worden. Zum anderen liege weder für das eine noch das andere Darlehen ein schriftlicher Darlehensvertrag vor. Zwar bestehe hinsichtlich des Darlehens an die Finance BV ein zwischen dieser und der Beschwerdegegnerin abgeschlossenes "Reciprocal Framework Agreement", worin sich die Parteien zur gegenseitigen Darlehensgewährung verpflichten und die Darlehenszinsen geregelt werden. Es handle sich dabei jedoch um einen Rahmenvertrag, der sich mit den einzelnen Forderungen nicht befasse. Die Parteien hätten denn auch nicht behauptet, dass ein Vertrag vorliege, der die Sicherheiten sowie die Zins- und Rückzahlungskonditionen des an die Finance BV gewährten Darlehens regle; zudem sei ein solcher Vertrag als Beweismittel weder eingereicht noch offeriert worden. Bezüglich des an die SAirGroup gewährten Darlehens liessen sich den Akten sodann keine konkreten Ausführungen zu den entsprechenden Bedingungen entnehmen. Auch diesbezüglich sei ein Vertrag als Beweismittel weder eingereicht noch offeriert worden. Weiter habe die Beschwerdeführerin zwar behauptet, die beiden Darlehensnehmerinnen hätten regelmässig Rückzahlungen vorgenommen; nähere Ausführungen oder Belege zu den Rückzahlungen bestünden jedoch nicht. Hinsichtlich des Darlehens an die Finance BV sei schliesslich gemäss unbestritten gebliebenen klägerischen Ausführungen die Swisscargo im Zeitraum zwischen Ende Dezember 2000 bis Ende Juni 2001 lediglich an einem einzigen Tag, am 20. Februar 2001, Schuldnerin der Finance BV gewesen, und dies nicht weil die Finance BV ihre Ausstände beglichen hätte, sondern vielmehr weil die Swisscargo vermutlich an diesem Tag über den Cash Pool einen Zahlungsauftrag habe ausführen lassen. Unter dem Gesichtspunkt der Zahlungsfähigkeit müsse zudem angesichts der die SAir-Gruppe betreffenden gerichtsnotorischen Ereignisse im Jahr 2001 die Bonität der Finance BV und der SAirGroup per Ende 2000 zumindest in Frage gestanden haben; die Beschwerdeführerin behaupte denn auch nicht, sich hinsichtlich der Aktionärsdarlehen mit der Bonität der Schuldnerinnen BGE 140 III 533 S. 544 befasst zu haben. Da weder schriftliche, die Rückzahlungsbedingungen regelnde Darlehensverträge vorlägen, noch die (regelmässigen) Rückzahlungen dokumentiert seien, eine Rückzahlungsabsicht damit also nicht auf der Hand liege und weiter auch die Rückzahlungsfähigkeit der Schuldnerinnen zweifelhaft gewesen sei, müsse davon ausgegangen werden, dass die Darlehen nicht marktkonform seien. Das freie Eigenkapital der Beschwerdegegnerin sei deshalb im Umfang dieser Darlehen für eine Ausschüttung gesperrt.
4.3 BGE 140 III 533 S. 544
4.4 Nach Auffassung der Beschwerdeführerin beruhen diese Erwägungen auf offensichtlich unrichtigen Sachverhaltsfeststellungen. Mit dem "Reciprocal Loan Framework Agreement" habe entgegen den vorinstanzlichen Feststellungen ein als schriftlicher (Kontokorrent-)Darlehensvertrag zu qualifizierendes Dokument vorgelegen, das die Zinskonditionen für die Beziehung zwischen der Swisscargo und der Finance BV enthalten habe. Die vereinbarten Bedingungen seien marktüblich gewesen. Die täglich wechselnden Saldi und die sich damit manifestierende jederzeitige Abrufbarkeit der Forderung der Swisscargo gegen die Finance BV zeigten sodann entgegen der Auffassung der Vorinstanz sowohl die Rückzahlungswilligkeit als auch Rückzahlungsfähigkeit der Letzteren. Da die Finance BV am 20. Februar 2001 Schuldnerin der Swisscargo und somit die per 31. Dezember 2000 bestehende Kontokorrentforderung getilgt gewesen sei, seien nicht nur die Willigkeit und Fähigkeit zur Rückzahlung, sondern die Rückzahlung selber nachgewiesen.
4.4 4.5 Auf die Vorbringen braucht nicht im Einzelnen eingegangen zu werden. Denn zunächst ist bereits im Ansatz fragwürdig, ob die Teilnahme an einem Cash Pool, bei der die Teilnehmerin - wie hier die Beschwerdegegnerin - über ihre Liquidität verfügt, als solche überhaupt einem Drittmannstest standhält. Die Frage braucht indessen nicht vertieft zu werden, denn im vorliegenden Fall stellt die Beschwerdeführerin nicht in Abrede, dass das von der Beschwerdegegnerin an die Finance BV ausgerichtete Darlehen jedenfalls nicht besichert war. Dies gilt auch für die vorinstanzliche Feststellung, wonach die Beschwerdeführerin nicht behauptet habe, sich mit der Bonität der Schuldnerinnen befasst zu haben. Damit kann aber allein aufgrund dieser Umstände ein vollkommen ungesichertes Darlehen in der Höhe von 16,5 Mio. Fr. bzw. 7,2 Mio. Fr. nicht als Marktbedingungen entsprechend bezeichnet werden (vgl. FORSTMOSER/MEIER-HAYOZ/NOBEL, Schweizerisches Aktienrecht, 1996, § 40 N. 350; DRUEY/GLANZMANN, a.a.O., § 11 N. 75). Für die Frage, ob BGE 140 III 533 S. 545 genügend ausschüttbare Mittel vorhanden sind, ist sodann der Bilanzstichtag entscheidend (KURER/KURER, a.a.O., N. 24 zu Art. 675 OR ),d.h. vorliegend der31.Dezember2000und nicht der Ausschüttungszeitpunkt. Es spielt daher keine Rolle, ob das an die FinanceBV ausgerichtete Darlehen in der Folge tatsächlich zurückbezahltworden ist, wie dies die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdeschrift behauptet.
4.5 BGE 140 III 533 S. 545
Art. 675 OR Damit ist die Vorinstanz zutreffend zum Schluss gelangt, dass die beiden konzerninternen Darlehen im Umfang von 16,5 Mio. Fr. (an die Finance BV) und 7,2 Mio. Fr. (an die SAirGroup) nicht unter Drittbedingungen ausgerichtet worden waren und folglich mit Blick auf Art. 680 Abs. 2 OR das freie Eigenkapital insoweit sperrten, als der Betrag im Umfang der Darlehensvaluta nicht zur Dividendenausschüttung zur Verfügung stand.
Art. 680 Abs. 2 OR 5.
5. 5.1 Die Beschwerdeführerin macht sodann geltend, die Dividendenausschüttung im Umfang von 16,5 Mio. Fr. sei auch deshalb nicht rechtswidrig gewesen, weil die Zahlung über den Cash Pool erfolgt sei. Denn damit seien beide Positionen, die das freie Eigenkapital belasteten, also die Forderung gegenüber der Finance BV und die Dividendenschuld gegenüber der SAirLogistics, zeitgleich und uno actu getilgt worden. Die Bezahlung der Dividende über den Cash Pool habe im konkreten FalI das per 31. Dezember 2000 bestehende Darlehen an die Finance BV im Umfang von 16,5 Mio. Fr. aufgehoben. Der gegenteilige Schluss der Vorinstanz, wonach die Beschwerdegegnerin mit dieser Transaktion ohne Gegenleistung auf die Rückzahlung des Darlehens in der Höhe des Dividendenbetrages verzichtet habe, stehe denn auch in krassem Widerspruch zum zutreffend festgestellten Sachverhalt, wonach sich mit jeder Vergütung über den Cash Pool das Guthaben der verfügenden Poolteilnehmerin gegenüber der Finance BV entsprechend reduzierte.
5.1 5.2 Die Rüge geht fehl. Wie das Bundesgericht im Urteil 4A_248/2012 vom 7. Januar 2013 E. 3.5 bereits ausführte, führt der Umstand, dass die Beschwerdegegnerin ihrer Alleinaktionärin die Dividende in der Weise ausrichtete, dass sie ihr ein Guthaben im Rahmen des konzerninternen Cash Pools überwies, noch zu keiner Entlastung der Beschwerdeführerin. Diese Art der Gewinnausschüttung erscheint vielmehr als blosse Zahlungsmodalität und schliesst nicht aus, dass sich die Beschwerdeführerin damit liquider Mittel entäusserte, die BGE 140 III 533 S. 546 sie zur Dividendenzahlung nicht verwenden durfte (a.a.O., E. 5 in fine). Sie ändert denn auch nichts daran, dass die im Cash Pool gebundenen Mittel am Bilanzstichtag des 31. Dezembers 2000 für eine Ausschüttung gesperrt waren, was die Beschwerdeführerin pflichtwidrig unbeachtet gelassen hat. Für die Bestimmung des ausschüttbaren Kapitals ist nun aber einzig dieser Zeitpunkt massgeblich (oben E. 3.5; vgl. auch bereits Urteil 4A_248/2012 vom 7. Januar 2013 E. 1.4.2); nachträgliche Entwicklungen sind insoweit unbeachtlich. Abgesehen davon hat - wie die Vorinstanz zutreffend festhält - die Beschwerdeführerin denn auch gar nicht behauptet, sie habe im Hinblick auf die Gewinnausschüttung einen Zwischenabschluss erstellt, welcher die Rückzahlung der Darlehen, aber auch weitere Ereignisse bis zu diesem Datum berücksichtigt hätte. Dass in diesem Kontext schliesslich auch die von der Beschwerdeführerin erneut angedeuteten Konzepte der à-conto- bzw. Naturaldividende unbehelflich sind, wurde bereits im Urteil 4A_248/2012 vom 7. Januar 2013 E. 3.3 f. ausgeführt.
5.2 BGE 140 III 533 S. 546
6. Die Beschwerdeführerin macht schliesslich geltend, die Vorinstanz habe für ihre Berechnung des gesperrten bzw. ungesperrten Kapitals im Zusammenhang mit den Aktionärsdarlehen zu Unrecht nur auf den Bilanzgewinn abgestellt. Richtigerweise gehöre auch das Agio zum nicht durch Art. 680 Abs. 2 OR geschützten Kapital, weshalb sich der für die Dividende zur Verfügung stehende Betrag aus der Summe des Bilanzgewinns und Agios abzüglich der Aktionärsdarlehen errechne.
6. Art. 680 Abs. 2 OR 6.1 Nach Auffassung der Vorinstanz ist das für die Gewinnausschüttung verwendbare Eigenkapital dasjenige, welches (eventuell nach Abzug eines Bilanzverlustes) nicht auf das Nennkapital (Aktien- und Partizipationskapital) einerseits und auf die gesperrte Quote der allgemeinen gesetzlichen Reserve, die Reserve für eigene Aktien und die Aufwertungsreserve andererseits entfällt. Nach der von PETER BÖCKLI vertretenen Auffassung sei der Teil der allgemeinen gesetzlichen Reserve, der auf einbezahltes Kapital entfällt (Agio), nicht verwendbar (a.a.O., § 12 N. 520). Ziehe man nun vom Eigenkapital der Beschwerdegegnerin von 35,35 Mio. Fr. das gebundene Kapital, also die Summe von Nennkapital und Agio und Reserven von total 6,18 Mio. Fr. ab, seien 29,17 Mio. Fr. im Hinblick auf Art. 675 Abs. 2 OR ungebundenes Kapital. Das im Sinne des Verbots der Einlagenrückgewähr gemäss Art. 680 Abs. 2 OR geschützte Kapital umfasse das gesamte Nennkapital (Aktien- und Partizipationskapital) sowie BGE 140 III 533 S. 547 das gesamte Agio, solange es nicht in die gesetzlichen Reserven eingebucht sei. Vorliegend betrage die Sperrquote nach Art. 680 Abs. 2 OR demzufolge 4,93 Mio. Fr. (die Summe von Nennkapital und Agio). Bei einem Eigenkapital von 35,35 Mio. Fr. seien damit 30,42 Mio. Fr. im Hinblick auf die Einlagenrückgewähr ungesperrtes Kapital.
6.1 Art. 675 Abs. 2 OR Art. 680 Abs. 2 OR BGE 140 III 533 S. 547
Art. 680 Abs. 2 OR Somit sei der Bilanzgewinn von 29,17 Mio. Fr. im Hinblick auf die Dividendenausschüttung gemäss Art. 675 Abs. 2 OR ungebundenes Kapital. Die ausgerichteten Aktionärsdarlehen im Umfang von total 23,65 Mio. Fr. würden aber eine Sperrung der freien Mittel bewirken. Dabei seien die Darlehen vom ausgewiesenen Bilanzgewinn abzuziehen und der verbleibende Betrag könne als Dividende ausgeschüttet werden. Mit dem Bilanzgewinn als Ausgangspunkt ergebe sich vorliegend bei Einbezug der Aktionärsdarlehen ein als Dividende ausschüttbarer Betrag von 5,52 Mio. Fr.
Art. 675 Abs. 2 OR 6.2
6.2 6.2.1 Das Agio ist der Differenzbetrag zwischen dem Nennwert und dem Ausgabebetrag der Aktien. Wenn ein Agio vorgesehen ist, bedeutet dies, dass der zeichnende Aktionär nicht nur das gezeichnete Aktienkapital einzahlen muss, sondern auch einen darüber hinausgehenden Betrag (statt aller LUKAS HANDSCHIN, Rechnungslegung im Gesellschaftsrecht, in: Handelsrecht, SPR Bd. VIII/9, 2013, N. 835).
6.2.1 Das Agio ist gemäss Art. 671 Abs. 2 Ziff. 1 OR der allgemeinen Reserve zuzuweisen. Diese Vorschrift wirkt qualifizierend und weist das Agio unmittelbar den allgemeinen Reserven zu. Die Zuweisung des Agios in die allgemeine Reserve erfolgt mithin ohne Zutun der Generalversammlung (HANDSCHIN, a.a.O., N. 836). Das Agio untersteht ab dem Moment seiner Erfassung in den Geschäftsbüchern der Gesellschaft den Ausschüttungsregeln der allgemeinen Reserve (OSER/VOGT, Die Ausschüttung von Agio nach geltendem und künftigem Aktienrecht, GesKR 2012 S. 20). Eine ausdrückliche Einbuchung ist nicht nur unnötig, sondern würde sogar zu einem Widerspruch zur steuerrechtlich geforderten separaten Ausweisung des Agios führen (vgl. URS KÄGI, Kapitalerhaltung als Ausschüttungsschranke, 2012, S. 301 f.).
Art. 671 Abs. 2 Ziff. 1 OR 6.2.2 In der Lehre ist umstritten, ob das Agio an die Aktionäre ausgeschüttet werden darf. Eine Minderheit der Lehre vertritt die Auffassung, dass das Agio nicht dazu bestimmt sei, unter die Aktionäre verteilt zu werden, da es sich dabei nicht um einen Gewinnanteil BGE 140 III 533 S. 548 i.S. von Art. 660 Abs. 1 OR handle (BÖCKLI, a.a.O., § 12 N. 526; VON BÜREN/STOFFEL/WEBER, Grundriss des Aktienrechts, 3. Aufl. 2011, N. 1093).
6.2.2 BGE 140 III 533 S. 548
Art. 660 Abs. 1 OR Demgegenüber vertritt die heute herrschende Lehre die Ansicht, dass das Agio wie eine gewöhnliche allgemeine Reserve zu behandeln sei und keinen besonderen Schutz, namentlich des Verbots der Einlagerückgewähr nach Art. 680 Abs. 2 OR, geniesse. Zur Begründung wird angeführt, dass der Wortlaut von Art. 671 OR sowie der Zweck des Kapitalschutzes dafür sprechen, dass Agio nach Massgabe der Regeln über die allgemeine gesetzliche Reserve an die Aktionäre ausgeschüttet werden könne (ausführlich KÄGI, a.a.O., S. 290 ff., sowie OSER/VOGT, a.a.O., passim; sodann HANDSCHIN, a.a.O., N. 837; GLANZMANN/WOLF, a.a.O., S. 7; CHENAUX, a.a.O., N. 14 ff. zu Art. 675 OR ; HENRI TORRIONE, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. II, 2008, N. 25 ff. zu Art. 671 OR ; KURER/KURER, a.a.O., N. 19 zu Art. 675 OR ; NEUHAUS/BALKANYI, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. II, 4. Aufl. 2012, N. 36 zu Art. 671 OR ; SCHMID, a.a.O., N. 12 zu Art. 680 OR ; STAUBER, a.a.O., N. 7 zu Art. 680 OR ; weiter auch die Revisionspraxis, vgl. Schweizer Handbuch der Wirtschaftsprüfung, Band Buchführung und Rechnungslegung, Treuhand-Kammer [Hrsg.], 2014, S. 235 f.).
Art. 680 Abs. 2 OR Art. 671 OR Art. 675 OR Art. 671 OR Art. 675 OR Art. 671 OR Art. 680 OR Art. 680 OR Die Mehrheitsmeinung überzeugt und findet ihre Stütze namentlich im klaren Wortlaut von Art. 671 OR : Abs. 2 Ziff. 1 OR bestimmt, dass das Agio der allgemeinen Reserve zuzuweisen ist. Aus Abs. 3 e contrario folgt sodann, dass die allgemeine Reserve - und damit auch das in diese kraft Abs. 2 Ziff. 1 zugewiesene Agio - frei verwendet werden darf, soweit sie die Hälfte des Aktienkapitals übersteigt. Dies entspricht nicht zuletzt auch den Vorstellungen des Steuergesetzgebers, geht dieser doch seit der Einführung des Kapitaleinlageprinzips durch die Unternehmenssteuerreform II davon aus, dass Agio ausgeschüttet werden darf (GLANZMANN/WOLF, a.a.O., S. 7 f.; HANDSCHIN, a.a.O, N. 837). Das Agio fällt mithin nicht in den Anwendungsbereich von Art. 680 Abs. 2 OR und kann als Teil der (ungesperrten) allgemeinen Reserve im Verfahren der Dividendenausschüttung ausbezahlt werden ( Art. 675 Abs. 2 OR ; OSER/VOGT, a.a.O., S. 21 f.; NEUHAUS/BALKANYI, a.a.O., N. 36 zu Art. 671 OR ).
Art. 671 OR Art. 680 Abs. 2 OR Art. 675 Abs. 2 OR Art. 671 OR 6.3 Gemäss den Feststellungen der Vorinstanz enthielt die Abschlussbilanz der Beschwerdegegnerin per Ende 2000 ein Aktienkapital von 2,5 Mio. Fr., "Additional paid-in capital" von 2,43 Mio. Fr. und BGE 140 III 533 S. 549 eine "General reserve" von 1,25 Mio. Fr. Materiell stellt Agio kraft der gesetzlichen Zuweisung nach Art. 671 Abs. 2 Ziff. 1 OR einen Teil der allgemeinen Reserven dar (oben E. 5.2.1), womit die in der Abschlussbilanz als "Additional paid-in capital" aufgeführte Position rechnerisch zur allgemeinen Reserve zu zählen ist. Gemäss Art. 671 Abs. 3 OR e contrario darf sodann derjenige Teil der allgemeinen Reserven frei verwendet werden, der die Hälfte des Aktienkapitals übersteigt. Dies entspricht genau der in der Abschlussbilanz als "Additional paid-in capital" aufgeführten Position im Umfang von 2,43 Mio. Fr., da die dort als "General reserve" ausgewiesene Position genau die Hälfte des Aktienkapitals beträgt. Das "Additional paid-in capital" im Umfang von 2,43 Mio. Fr. unterliegt damit dem Verbot der Einlagenrückgewähr gemäss Art. 680 Abs. 2 OR nicht. Die Beschwerdeführerin macht daher zu Recht geltend, dass sich der für die Dividende zur Verfügung stehende Betrag aus der Summe des Bilanzgewinns und Agios abzüglich der Aktionärsdarlehen errechnet.
6.3 BGE 140 III 533 S. 549
Art. 671 Abs. 2 Ziff. 1 OR Art. 671 Abs. 3 OR Art. 680 Abs. 2 OR 6.4 Die Beschwerde ist insoweit begründet. Der angefochtene Entscheid ist aufzuheben und an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese im Sinne der vorliegenden Erwägungen die ausschüttbare Dividende und damit verbunden den von der Beschwerdegegnerin durch die Pflichtverletzung der Beschwerdeführerin erlittenen Schaden neu berechne. Auf die weiteren, als Eventualstandpunkte vorgetragenen Rügen der Beschwerdeführerin betreffend die Schadensberechnung braucht nicht weiter eingegangen zu werden.
6.4
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Urteilskopf 140 III 54 10. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause Banque X. & Cie contre Z. (recours en matière civile) 4A_285/2013 du 7 novembre 2013 Regeste Art. 266l Abs. 2 und Art. 12 ff. OR, Art. 9 VMWG ; Kündigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter; Anforderungen betreffend die eigenhändige Unterschrift. Die vom Vermieter auf einem offiziellen, nicht unterzeichneten Formular ausgesprochene Kündigung ist gültig, wenn das Begleitschreiben selbst eine eigenhändige Originalunterschrift enthält (E. 2). Erwägungen ab Seite 54 BGE 140 III 54 S. 54 Extrait des considérants: 2. 2.1 En l'espèce, il n'est pas contesté que l'avis officiel de résiliation du bail du 30 septembre 2009 (qui contient la signature originale des représentants de la bailleresse) n'a pas atteint l'intimée. Il est établi que celle-ci a reçu, par pli simple du 9 novembre 2009, la photocopie de cet avis officiel et que le pli contenait également un courrier d'accompagnement sur lequel était apposée la signature manuscrite et originale des représentants autorisés de la recourante. Dans son jugement du 24 septembre 2012, le Tribunal des baux et loyers a rappelé que, selon la jurisprudence du Tribunal fédéral, la photocopie de l'original du formulaire de résiliation ne remplit pas BGE 140 III 54 S. 55 la condition de la signature manuscrite (arrêt 4C.308/2004 du 10 novembre 2004 consid. 2.2.2). S'appuyant sur l'avis de trois auteurs de doctrine, la première instance a toutefois admis la validité du congé, la lettre d'accompagnement remplissant elle cette condition. Dans son arrêt du 22 avril 2013, la cour cantonale, renvoyant à une décision de la Cour de céans (arrêt 4A_374/2012 du 6 novembre 2012), considère au contraire que c'est bien la formule officielle qui doit contenir une signature manuscrite et qu'il ne suffit pas qu'elle soit transmise sous forme de photocopie et accompagnée d'un courrier du bailleur dûment signé. La recourante soutient que le raisonnement de la cour précédente viole l' art. 266l CO et l'art. 9 de l'ordonnance du 9 mai 1990 sur le bail à loyer et le bail à ferme d'habitations et de locaux commerciaux (OBLF; RS 221.213.11), le Tribunal fédéral ayant jugé, dans un arrêt 4C.32/1998 du 10 juillet 1998 (partiellement reproduit in mp 2000 p. 185), que la résiliation est valable si le courrier qui accompagne la formule officielle non signée est lui-même signé à la main. 2.2 L'état de fait retenu dans l'arrêt 4C.32/1998 auquel se réfère la recourante est effectivement comparable à celui objet de la présente procédure. La locataire soutenait que le congé notifié par le bailleur était nul parce que seule la lettre d'accompagnement, et non la formule officielle, contenait une signature manuscrite. Le Tribunal fédéral a alors tranché la question, affirmant qu'on tomberait dans l'excès si on suivait la thèse de la recourante et qu'il fallait, avec la cour cantonale, tenir comme suffisante une signature manuscrite apposée sur la lettre d'accompagnement (arrêt 4C.32/1998 déjà cité consid. 2; cf. également la décision de la Chambre d'appel en matière de baux et loyers de Genève du 10 novembre 1997 confirmée par cet arrêt, in Droit du bail 1999 n. 21 p. 29). La doctrine unanime se réfère à cet arrêt, sans émettre la moindre critique (DAVID LACHAT, Le bail à loyer, nouvelle éd. 2008, p. 628 n. 2.2; LACHAT/THANEI, in Das Mietrecht für die Praxis, 8 e éd. 2009, p. 510 n. 25/2.2; MARINO MONTINI, in Droit du bail à loyer, Bohnet/Montini [éd.], 2010, n°18 ad art. 266l CO ; ROGER WEBER, in Basler Kommentar, Obligationenrecht, vol. I, 5 e éd. 2011, n° 2 ad art. 266l CO ; Le droit suisse du bail à loyer, adaptation française de Burkhalter/Martinez-Favre, 2011, n° 5a ad art. 266l-266o CO ; RICHARD PERMANN, Kommentar zum Mietrecht, 2 e éd. 2007, n° 5 ad art. 266l CO ; en ce sens, antérieurement à la décision du Tribunal fédéral: BGE 140 III 54 S. 56 PETER HIGI, Zürcher Kommentar, 4 e éd. 1995, n° 18 ad art. 266l CO ; plaidant de manière générale pour un assouplissement de l'exigence de la signature manuscrite sur la formule officielle: RAOUL FUTTERLIEB, Formulaire de résiliation, Commentaire, MRA 2005 p. 59 s.). 2.3 La position prise par la Cour de céans dans l'arrêt 4C.32/1998, partagée par la doctrine, est conforme à la lettre et à l'esprit de l' art. 266l CO en lien avec les art. 12 ss CO. Le congé d'un bail d'habitation doit être donné par écrit ( art. 266l al. 1 CO ) et, lorsqu'il émane du bailleur, au moyen d'une formule officielle agréée par le canton ( art. 266l al. 2 CO ). Il s'agit dans ce dernier cas de l'exigence d'une forme (écrite) qualifiée (arrêt 4C.308/2004 déjà cité consid. 2.2.2). La forme écrite est régie par les art. 12 ss CO. Elle implique - sous réserve des situations, qui n'entrent pas en ligne de compte en l'espèce, prévues à l' art. 14 al. 2 et 3 CO - que l'original comporte la signature manuscrite de l'auteur ( art. 14 al. 1 CO ; entre autres auteurs: BERNARD CORBOZ, Les congés affectés d'un vice, in 9 e Séminaire sur le droit du bail, 1996, p. 16). L'apposition de la signature autographe, dans les déclarations où une forme est prescrite ( art. 11 al. 2 CO ), répond au besoin de pouvoir attribuer une déclaration à une personne clairement identifiable ( ATF 138 III 401 consid. 2.4.2 p. 406). C'est donc pour satisfaire à l'exigence de la forme écrite requise par l' art. 266l CO, en lien avec les art. 11 al. 2, 13 al. 1 et 14 al. 1 CO, qu'une signature manuscrite doit être apposée par le bailleur sur la formule officielle (en l'absence de lettre d'accompagnement), et non parce qu'une telle signature serait spécialement exigée pour la formule officielle par l' art. 266l al. 2 CO ou l' art. 9 OBLF (arrêts 4C.308/2004 déjà cité consid. 2.2.2; 4C.32/1998 déjà cité consid. 2; cf. également: décision de la Chambre d'appel en matière de baux et loyers de Genève du 10 novembre 1997, in Droit du bail 1999 n. 21 p. 29). Ni l' art. 266l CO, ni l' art. 14 CO ne disposent que la signature manuscrite d'une formule officielle devrait être apposée au pied de l'acte lui-même (cf. en lien avec la forme écrite d'un acte: ATF 34 II 665 consid. 2 p. 672 s.). La manifestation de volonté (exprimée en l'occurrence dans la copie de l'avis de résiliation) peut résulter d'un document et la signature être apposée sur une autre pièce, comme une lettre d'accompagnement, pour autant qu'il existe entre BGE 140 III 54 S. 57 ces documents un lien évident résultant du contenu de chacun d'eux ( ATF 40 II 190 consid. 4 et 5 p. 194 ss; KRAMER/SCHMIDLIN, Berner Kommentar, 1986, n° 20 des remarques générales ad art. 12-15 CO et les références citées; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Zürcher Kommentar, 1973, n° 37 ad art. 13 CO ; en matière de reconnaissance de dette: ATF 132 III 480 consid. 4.1 p. 481; ATF 122 III 125 consid. 2 p. 126). En l'espèce, ce lien existe puisque, la bailleresse, dans son courrier du 9 novembre 2009, fait référence à sa lettre recommandée du 30 septembre (soit l'avis de résiliation du bail), précise qu'elle en maintient les termes et informe qu'elle la remet en annexe. Ce courrier d'accompagnement et la formule officielle forment ainsi un tout, de telle sorte que l'on est en présence d'une déclaration signée qui est valable (cf. ATF 83 II 510 consid. 1 p. 514; KRAMER/SCHMIDLIN, op. cit., n° 20 des remarques générales ad art. 12-15 CO ). 2.4 Dans la décision du 6 novembre 2012 (arrêt 4A_374/2012) citée par la cour cantonale, le Tribunal fédéral devait déterminer si la date de la résiliation - qui doit figurer, selon l' art. 9 al. 1 let. b OBLF, dans la formule officielle - pouvait valablement être indiquée exclusivement dans le courrier d'accompagnement. En l'espèce, l'autorité précédente se fonde sur une affirmation contenue au début du consid. 4 de cette décision. Dans ce bref passage, la Cour de céans a écarté l'argumentation du recourant qui, pour défendre sa thèse, tentait de faire une analogie entre l'exigence de la mention de la date du congé sur la formule officielle et celle de l'apposition de la signature du bailleur. C'est dans cette perspective qu'il a été fait référence à la question de la signature. Cet obiter dictum - qui renvoie d'ailleurs à un précédent arrêt (arrêt 4C.308/2004 du 10 novembre 2004 consid. 2.2.2) traitant exclusivement du contenu de la formule officielle (et non celui de la lettre d'accompagnement) - n'a donc pas la portée que lui attribue la cour précédente. Il faut enfin relever que, contrairement à ce qu'affirme la cour cantonale, il n'importe que le courrier d'accompagnement daté du 9 novembre 2009 ne mentionne explicitement, dans son texte même, ni la volonté de la bailleresse de mettre fin au bail, ni la date à laquelle la résiliation envisagée est donnée. Il a été établi que le courrier en question, dûment signé, informait la locataire d'un état des lieux de sortie le 3 janvier et qu'il était accompagné d'une copie de l'avis de résiliation du bail (qui contenait toutes les indications exigées par l' art. 9 OBLF ), ainsi que des directives de la régie relatives à l'état BGE 140 III 54 S. 58 des lieux de sortie. La volonté de la bailleresse de résilier le bail était donc patente et la date du congé contenue dans l'avis de résiliation. La locataire n'a d'ailleurs jamais allégué avoir eu un doute à ce sujet; au cours de la procédure, elle s'est bornée à soutenir la thèse - écartée plus haut - selon laquelle l'envoi d'un pli contenant une simple photocopie de l'avis officiel accompagnée d'une lettre signée par le bailleur ne suffirait pas. Suivre la position de l'autorité précédente reviendrait au demeurant à exiger du bailleur, qui entend résilier le bail, d'attirer expressément l'attention du locataire sur le congé par d'autres moyens que le simple envoi de la formule officielle, ce qui n'est pas admissible, la loi ne prévoyant pas cette nécessité (cf. art. 266l CO et 9 OBLF). Il résulte des considérations qui précèdent qu'il serait en l'espèce contraire au droit fédéral de retenir la nullité du congé parce que seule la lettre d'accompagnement, et non la formule officielle, contient une signature manuscrite originale. Partant, en retenant que la résiliation du contrat par pli simple du 9 novembre 2009 était nulle, la cour cantonale a violé le droit fédéral.
Urteilskopf
10. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause Banque X. & Cie contre Z. (recours en matière civile)
4A_285/2013 du 7 novembre 2013
Regeste Art. 266l Abs. 2 und Art. 12 ff. OR, Art. 9 VMWG ; Kündigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter; Anforderungen betreffend die eigenhändige Unterschrift. Die vom Vermieter auf einem offiziellen, nicht unterzeichneten Formular ausgesprochene Kündigung ist gültig, wenn das Begleitschreiben selbst eine eigenhändige Originalunterschrift enthält (E. 2).
Regeste
Art. 266l Abs. 2 und Art. 12 ff. OR, Art. 9 VMWG ; Kündigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter; Anforderungen betreffend die eigenhändige Unterschrift. Die vom Vermieter auf einem offiziellen, nicht unterzeichneten Formular ausgesprochene Kündigung ist gültig, wenn das Begleitschreiben selbst eine eigenhändige Originalunterschrift enthält (E. 2).
Art. 266l Abs. 2 und Art. 12 ff. OR Art. 9 VMWG Die vom Vermieter auf einem offiziellen, nicht unterzeichneten Formular ausgesprochene Kündigung ist gültig, wenn das Begleitschreiben selbst eine eigenhändige Originalunterschrift enthält (E. 2).
Erwägungen ab Seite 54
Erwägungen ab Seite 54 BGE 140 III 54 S. 54
BGE 140 III 54 S. 54
Extrait des considérants:
2.
2. 2.1 En l'espèce, il n'est pas contesté que l'avis officiel de résiliation du bail du 30 septembre 2009 (qui contient la signature originale des représentants de la bailleresse) n'a pas atteint l'intimée. Il est établi que celle-ci a reçu, par pli simple du 9 novembre 2009, la photocopie de cet avis officiel et que le pli contenait également un courrier d'accompagnement sur lequel était apposée la signature manuscrite et originale des représentants autorisés de la recourante.
2.1 Dans son jugement du 24 septembre 2012, le Tribunal des baux et loyers a rappelé que, selon la jurisprudence du Tribunal fédéral, la photocopie de l'original du formulaire de résiliation ne remplit pas BGE 140 III 54 S. 55 la condition de la signature manuscrite (arrêt 4C.308/2004 du 10 novembre 2004 consid. 2.2.2). S'appuyant sur l'avis de trois auteurs de doctrine, la première instance a toutefois admis la validité du congé, la lettre d'accompagnement remplissant elle cette condition.
BGE 140 III 54 S. 55
Dans son arrêt du 22 avril 2013, la cour cantonale, renvoyant à une décision de la Cour de céans (arrêt 4A_374/2012 du 6 novembre 2012), considère au contraire que c'est bien la formule officielle qui doit contenir une signature manuscrite et qu'il ne suffit pas qu'elle soit transmise sous forme de photocopie et accompagnée d'un courrier du bailleur dûment signé.
La recourante soutient que le raisonnement de la cour précédente viole l' art. 266l CO et l'art. 9 de l'ordonnance du 9 mai 1990 sur le bail à loyer et le bail à ferme d'habitations et de locaux commerciaux (OBLF; RS 221.213.11), le Tribunal fédéral ayant jugé, dans un arrêt 4C.32/1998 du 10 juillet 1998 (partiellement reproduit in mp 2000 p. 185), que la résiliation est valable si le courrier qui accompagne la formule officielle non signée est lui-même signé à la main. art. 266l CO 2.2 L'état de fait retenu dans l'arrêt 4C.32/1998 auquel se réfère la recourante est effectivement comparable à celui objet de la présente procédure. La locataire soutenait que le congé notifié par le bailleur était nul parce que seule la lettre d'accompagnement, et non la formule officielle, contenait une signature manuscrite. Le Tribunal fédéral a alors tranché la question, affirmant qu'on tomberait dans l'excès si on suivait la thèse de la recourante et qu'il fallait, avec la cour cantonale, tenir comme suffisante une signature manuscrite apposée sur la lettre d'accompagnement (arrêt 4C.32/1998 déjà cité consid. 2; cf. également la décision de la Chambre d'appel en matière de baux et loyers de Genève du 10 novembre 1997 confirmée par cet arrêt, in Droit du bail 1999 n. 21 p. 29).
2.2 La doctrine unanime se réfère à cet arrêt, sans émettre la moindre critique (DAVID LACHAT, Le bail à loyer, nouvelle éd. 2008, p. 628 n. 2.2; LACHAT/THANEI, in Das Mietrecht für die Praxis, 8 e éd. 2009, p. 510 n. 25/2.2; MARINO MONTINI, in Droit du bail à loyer, Bohnet/Montini [éd.], 2010, n°18 ad art. 266l CO ; ROGER WEBER, in Basler Kommentar, Obligationenrecht, vol. I, 5 e éd. 2011, n° 2 ad art. 266l CO ; Le droit suisse du bail à loyer, adaptation française de Burkhalter/Martinez-Favre, 2011, n° 5a ad art. 266l-266o CO ; RICHARD PERMANN, Kommentar zum Mietrecht, 2 e éd. 2007, n° 5 ad art. 266l CO ; en ce sens, antérieurement à la décision du Tribunal fédéral: BGE 140 III 54 S. 56 PETER HIGI, Zürcher Kommentar, 4 e éd. 1995, n° 18 ad art. 266l CO ; plaidant de manière générale pour un assouplissement de l'exigence de la signature manuscrite sur la formule officielle: RAOUL FUTTERLIEB, Formulaire de résiliation, Commentaire, MRA 2005 p. 59 s.). art. 266l CO art. 266l CO art. 266l-266o CO art. 266l CO BGE 140 III 54 S. 56
art. 266l CO 2.3 La position prise par la Cour de céans dans l'arrêt 4C.32/1998, partagée par la doctrine, est conforme à la lettre et à l'esprit de l' art. 266l CO en lien avec les art. 12 ss CO.
2.3 art. 266l CO art. 12 ss CO Le congé d'un bail d'habitation doit être donné par écrit ( art. 266l al. 1 CO ) et, lorsqu'il émane du bailleur, au moyen d'une formule officielle agréée par le canton ( art. 266l al. 2 CO ). Il s'agit dans ce dernier cas de l'exigence d'une forme (écrite) qualifiée (arrêt 4C.308/2004 déjà cité consid. 2.2.2). art. 266l al. 1 CO art. 266l al. 2 CO La forme écrite est régie par les art. 12 ss CO. Elle implique - sous réserve des situations, qui n'entrent pas en ligne de compte en l'espèce, prévues à l' art. 14 al. 2 et 3 CO - que l'original comporte la signature manuscrite de l'auteur ( art. 14 al. 1 CO ; entre autres auteurs: BERNARD CORBOZ, Les congés affectés d'un vice, in 9 e Séminaire sur le droit du bail, 1996, p. 16). L'apposition de la signature autographe, dans les déclarations où une forme est prescrite ( art. 11 al. 2 CO ), répond au besoin de pouvoir attribuer une déclaration à une personne clairement identifiable ( ATF 138 III 401 consid. 2.4.2 p. 406). art. 12 ss CO art. 14 al. 2 et 3 CO art. 14 al. 1 CO art. 11 al. 2 CO C'est donc pour satisfaire à l'exigence de la forme écrite requise par l' art. 266l CO, en lien avec les art. 11 al. 2, 13 al. 1 et 14 al. 1 CO, qu'une signature manuscrite doit être apposée par le bailleur sur la formule officielle (en l'absence de lettre d'accompagnement), et non parce qu'une telle signature serait spécialement exigée pour la formule officielle par l' art. 266l al. 2 CO ou l' art. 9 OBLF (arrêts 4C.308/2004 déjà cité consid. 2.2.2; 4C.32/1998 déjà cité consid. 2; cf. également: décision de la Chambre d'appel en matière de baux et loyers de Genève du 10 novembre 1997, in Droit du bail 1999 n. 21 p. 29). art. 266l CO art. 266l al. 2 CO art. 9 OBLF Ni l' art. 266l CO, ni l' art. 14 CO ne disposent que la signature manuscrite d'une formule officielle devrait être apposée au pied de l'acte lui-même (cf. en lien avec la forme écrite d'un acte: ATF 34 II 665 consid. 2 p. 672 s.). La manifestation de volonté (exprimée en l'occurrence dans la copie de l'avis de résiliation) peut résulter d'un document et la signature être apposée sur une autre pièce, comme une lettre d'accompagnement, pour autant qu'il existe entre BGE 140 III 54 S. 57 ces documents un lien évident résultant du contenu de chacun d'eux ( ATF 40 II 190 consid. 4 et 5 p. 194 ss; KRAMER/SCHMIDLIN, Berner Kommentar, 1986, n° 20 des remarques générales ad art. 12-15 CO et les références citées; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Zürcher Kommentar, 1973, n° 37 ad art. 13 CO ; en matière de reconnaissance de dette: ATF 132 III 480 consid. 4.1 p. 481; ATF 122 III 125 consid. 2 p. 126). art. 266l CO art. 14 CO ATF 34 II 665 BGE 140 III 54 S. 57
ATF 40 II 190 art. 12-15 CO art. 13 CO En l'espèce, ce lien existe puisque, la bailleresse, dans son courrier du 9 novembre 2009, fait référence à sa lettre recommandée du 30 septembre (soit l'avis de résiliation du bail), précise qu'elle en maintient les termes et informe qu'elle la remet en annexe. Ce courrier d'accompagnement et la formule officielle forment ainsi un tout, de telle sorte que l'on est en présence d'une déclaration signée qui est valable (cf. ATF 83 II 510 consid. 1 p. 514; KRAMER/SCHMIDLIN, op. cit., n° 20 des remarques générales ad art. 12-15 CO ). art. 12-15 CO 2.4 Dans la décision du 6 novembre 2012 (arrêt 4A_374/2012) citée par la cour cantonale, le Tribunal fédéral devait déterminer si la date de la résiliation - qui doit figurer, selon l' art. 9 al. 1 let. b OBLF, dans la formule officielle - pouvait valablement être indiquée exclusivement dans le courrier d'accompagnement. En l'espèce, l'autorité précédente se fonde sur une affirmation contenue au début du consid. 4 de cette décision. Dans ce bref passage, la Cour de céans a écarté l'argumentation du recourant qui, pour défendre sa thèse, tentait de faire une analogie entre l'exigence de la mention de la date du congé sur la formule officielle et celle de l'apposition de la signature du bailleur. C'est dans cette perspective qu'il a été fait référence à la question de la signature. Cet obiter dictum - qui renvoie d'ailleurs à un précédent arrêt (arrêt 4C.308/2004 du 10 novembre 2004 consid. 2.2.2) traitant exclusivement du contenu de la formule officielle (et non celui de la lettre d'accompagnement) - n'a donc pas la portée que lui attribue la cour précédente.
2.4 art. 9 al. 1 let. b OBLF Il faut enfin relever que, contrairement à ce qu'affirme la cour cantonale, il n'importe que le courrier d'accompagnement daté du 9 novembre 2009 ne mentionne explicitement, dans son texte même, ni la volonté de la bailleresse de mettre fin au bail, ni la date à laquelle la résiliation envisagée est donnée. Il a été établi que le courrier en question, dûment signé, informait la locataire d'un état des lieux de sortie le 3 janvier et qu'il était accompagné d'une copie de l'avis de résiliation du bail (qui contenait toutes les indications exigées par l' art. 9 OBLF ), ainsi que des directives de la régie relatives à l'état BGE 140 III 54 S. 58 des lieux de sortie. La volonté de la bailleresse de résilier le bail était donc patente et la date du congé contenue dans l'avis de résiliation. La locataire n'a d'ailleurs jamais allégué avoir eu un doute à ce sujet; au cours de la procédure, elle s'est bornée à soutenir la thèse - écartée plus haut - selon laquelle l'envoi d'un pli contenant une simple photocopie de l'avis officiel accompagnée d'une lettre signée par le bailleur ne suffirait pas. Suivre la position de l'autorité précédente reviendrait au demeurant à exiger du bailleur, qui entend résilier le bail, d'attirer expressément l'attention du locataire sur le congé par d'autres moyens que le simple envoi de la formule officielle, ce qui n'est pas admissible, la loi ne prévoyant pas cette nécessité (cf. art. 266l CO et 9 OBLF). art. 9 OBLF BGE 140 III 54 S. 58
art. 266l CO Il résulte des considérations qui précèdent qu'il serait en l'espèce contraire au droit fédéral de retenir la nullité du congé parce que seule la lettre d'accompagnement, et non la formule officielle, contient une signature manuscrite originale.
Partant, en retenant que la résiliation du contrat par pli simple du 9 novembre 2009 était nulle, la cour cantonale a violé le droit fédéral.
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Urteilskopf 140 III 550 80. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Handelsgericht des Kantons Zürich (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_396/2014 vom 20. November 2014 Regeste Sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts ( Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO ; Art. 164 HRegV ). Gerichtliche Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit fallen nicht unter den bundesrechtlichen Begriff der Streitigkeiten aus dem Recht der Handelsgesellschaften und Genossenschaften; das Handelsgericht ist für ein Wiedereintragungsverfahren nach Art. 164 HRegV sachlich nicht zuständig (E. 2). Erwägungen ab Seite 550 BGE 140 III 550 S. 550 Aus den Erwägungen: 2. Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe sich zu Unrecht für sachlich unzuständig erklärt. Im Kanton Zürich sei das Handelsgericht für die Behandlung eines Gesuchs um Wiedereintragung nach Art. 164 der Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 2007 (HRegV; SR 221.441) sachlich zuständig. BGE 140 III 550 S. 551 2.1 Gemäss Art. 164 HRegV kann das Gericht auf Antrag die Wiedereintragung einer gelöschten Rechtseinheit anordnen, sofern u.a. glaubhaft gemacht wird, dass nach Abschluss der Liquidation der gelöschten Rechtseinheit Aktiven vorliegen, die noch nicht verwertet oder verteilt worden sind (lit. a). Zum Antrag ist berechtigt, wer ein schutzwürdiges Interesse an der Wiedereintragung der gelöschten Rechtseinheit hat (Abs. 2); hierzu gehören nach der Rechtsprechung namentlich die Verwaltungsräte, Liquidatoren, Aktionäre und Gläubiger (Urteil 4A_16/2010 vom 6. April 2010 E. 2.1). Bei der Wiedereintragung nach Art. 164 HRegV handelt es sich um eine gerichtliche Anordnung der freiwilligen Gerichtsbarkeit i.S. von Art. 1 lit. b ZPO. Nur der Gesuchsteller ist am Wiedereintragungsverfahren als Partei beteiligt; eine Gegenpartei gibt es nicht, auch das Handelsregisteramt stellt keine solche dar (Urteil 4A_412/2013 vom 19. Dezember 2013 E. 1 unter Hinweis auf DAVID RÜETSCHI, in: Handelsregisterverordnung [HRegV], Siffert/Turin [Hrsg.], 2013, N. 3 und 32 zu Art. 164 HRegV ). 2.2 Die Vorinstanz führt im angefochtenen Entscheid aus, dass das Handelsgericht gemäss § 45 lit. c des zürcherischen Gesetzes über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess (GOG/ZH; LS 211.1) nur für "Streitigkeiten" zuständig sei. Anordnungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit seien keine kontradiktorischen Verfahren und somit vom Verweis nach § 45 lit. c GOG/ZH ausgeschlossen. Das Handelsgericht sei daher für ein Wiedereintragungsverfahren nach Art. 164 HRegV sachlich nicht zuständig. In ihrer Vernehmlassung an das Bundesgericht schiebt die Vorinstanz nach, dass die sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts auch gemäss dem Wortlaut von Art. 6 ZPO auf "Streitigkeiten" beschränkt sei. 2.3 Gemäss Art. 6 Abs. 1 ZPO können die Kantone ein Fachgericht bezeichnen, das als einzige kantonale Instanz für handelsrechtliche Streitigkeiten zuständig ist (Handelsgericht). Der Begriff der handelsrechtlichen Streitigkeiten wird in Art. 6 Abs. 2 ZPO definiert. Nach Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO können die Kantone das Handelsgericht ausserdem für Streitigkeiten aus dem Recht der Handelsgesellschaften und Genossenschaften zuständig erklären. Der Kanton Zürich hat von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht und sowohl für Streitigkeiten gemäss Art. 6 Abs. 2 ZPO als auch für Streitigkeiten gemäss Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO ein Handelsgericht eingesetzt (§ 44 lit. b GOG/ZH; BGE 138 III 471 E. 1.1 S. 476). BGE 140 III 550 S. 552 Mit Art. 6 ZPO hat der Bundesgesetzgeber für den Fall, dass ein Kanton ein Handelsgericht schafft, die sachliche Zuständigkeit für jene Streitigkeiten, welche die Voraussetzungen von Art. 6 Abs. 2 und Abs. 4 ZPO erfüllen, geregelt ( BGE 140 III 155 E. 4.3). Bei den Begriffen der handelsrechtlichen Streitigkeiten bzw. der Streitigkeiten aus dem Recht der Handelsgesellschaften und Genossenschaften handelt es sich um bundesrechtliche Begriffe: Richten die Kantone ein Handelsgericht ein, sind die Fälle gemäss Art. 6 Abs. 2 ZPO zwingend dem Handelsgericht zugewiesen, soweit dem nicht andere bundesrechtliche Vorschriften entgegenstehen ( BGE 140 III 155 E. 4 S. 156 ff.). Dies gilt auch für die Fälle gemäss Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO, sofern der Kanton - wie hier Zürich - diese Streitigkeiten dem Handelsgericht zuweist. Das kantonale Recht kann die handelsgerichtliche Zuständigkeit für die bundesrechtlich definierten Streitigkeiten aus dem Recht der Handelsgesellschaften und Genossenschaften in sachlicher Hinsicht nicht einschränken, wenn es von der Möglichkeit gemäss Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO Gebrauch gemacht hat. Einzig die Einführung von Streitwertgrenzen ist zulässig (Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], BBl 2006 7261 unten). Daraus folgt, dass sich das Zürcher Handelsgericht nur dann für sachlich unzuständig erklären darf, wenn das Wiedereintragungsverfahren als Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit i.S. von Art. 1 lit. b ZPO nicht unter den bundesrechtlichen Begriff der Streitigkeiten aus dem Recht der Handelsgesellschaften und Genossenschaften gemäss Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO fällt. 2.4 Die einschlägigen Kommentare zu Art. 6 ZPO schweigen sich zur Frage, ob Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in die sachliche Zuständigkeit der Handelsgerichte fallen, aus. SENEL hält in seiner Dissertation zwar dafür, dass dem "Oberbegriff" der Streitigkeiten auch die nichtstreitige Gerichtsbarkeit zuzuordnen sei, will aber die Zuständigkeit der Handelsgerichte dennoch auf "streitige Zivilsachen" beschränken (TOYLAN SENEL, Das handelsgerichtliche Verfahren nach der neuen Schweizerischen Zivilprozessordnung, 2011, S. 73). Zum Wiedereintragungsverfahren nach Art. 164 HRegV vertritt dahingegen RÜETSCHI (a.a.O., N. 35 zu Art. 164 HRegV ) die Auffassung, dass dieses von Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO erfasst sei, wobei dieser Autor unter die Streitigkeiten aus dem Recht der Handelsgesellschaften und Genossenschaften ganz allgemein die "gesellschaftsrechtlichen Zivilsachen" zu subsumieren scheint. BGE 140 III 550 S. 553 2.5 Der Wortlaut des Begriffs "Streitigkeiten" scheint demgegenüber freiwillige, also nichtstreitige Verfahren gerade auszuschliessen, setzt doch eine Streitigkeit grammatikalisch eine Meinungsverschiedenheit zwischen mindestens zwei Parteien voraus; eine solche fehlt aber bei einem Verfahren nach Art. 164 HRegV, welches keine Gegenpartei kennt (oben E. 2.1, m.H. auf das Urteil 4A_412/2013 vom 19. Dezember 2013 E. 1). In systematischer Hinsicht nimmt der Begriff der Streitigkeit nach Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO sodann auf jenen der streitigen Zivilsache gemäss Art. 1 lit. a ZPO Bezug. Als solche gilt gemäss der Rechtsprechung ein kontradiktorisches Verfahren zwischen mindestens zwei Parteien, das auf die endgültige, dauernde Regelung zivilrechtlicher Verhältnisse im Sinne einer res iudicata abzielt ( BGE 136 III 178 E. 5.2 S. 183; BGE 124 III 44 E. 1a S. 46; BGE 123 III 346 E. 1a S. 349). Um ein solches Verfahren handelt es sich beim Wiedereintragungsverfahren gemäss Art. 164 HRegV aber gerade nicht. Der Wortlaut und der systematische Zusammenhang von Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO sprechen mithin dagegen, das Wiedereintragungsverfahren in die handelsgerichtliche Zuständigkeit zu verweisen. 2.6 Der Wortlaut ist Ausgangspunkt der Auslegung. Vom daraus abgeleiteten Sinn ist jedoch abzuweichen, wenn triftige Gründe bestehen, dass der Gesetzgeber diesen nicht gewollt haben kann. Solche Gründe können sich insbesondere aus der Entstehungsgeschichte der Norm oder aus ihrem Zweck ergeben. Neben dem Wortlaut und der Gesetzessystematik sind demnach bei der Auslegung auch das historische und das teleologische Element zu berücksichtigen ( BGE 138 III 166 E. 3.2 S. 168; BGE 134 III 273 E. 4 S. 277). 2.7 In den Materialien findet sich keine ausdrückliche Aussage dazu, ob auch nichtstreitige Verfahren in die handelsgerichtliche Zuständigkeit fallen sollen. Laut der Botschaft des Bundesrats orientiert sich die sachliche Zuständigkeit der Handelsgerichte indessen an den damals geltenden kantonalen Regeln (Botschaft, a.a.O., 7261; BGE 140 III 355 E. 2.3.2). Es ist damit zu prüfen, ob das frühere Recht der vier Handelsgerichtskantone die freiwillige Gerichtsbarkeit in die Zuständigkeit der Handelsgerichte verwies. Art. 14 und 15 aZPO/SG knüpften die Zuständigkeit des St. Galler Handelsgerichts ebenso wie Art. 6 ZPO an das Vorliegen einer "Streitigkeit". Die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit fielen nicht unter diesen Begriff (LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, Kommentar BGE 140 III 550 S. 554 zur Zivilprozessordnung des Kantons St. Gallen, 1999, N. 2 zu Art. 14 aZPO/SG). § 404 aZPO/AG setzte für die Zuständigkeit des Aargauer Handelsgerichts eine "Streitsache" voraus. Die freiwillige Gerichtsbarkeit, namentlich auch jene aus dem Bereich der Handelsgesellschaften und der Genossenschaft, fiel nicht in die Zuständigkeit des Handelsgerichts, sondern des ordentlichen erstinstanzlichen Gerichtspräsidenten (ALBERT KILLER, in: Kommentar zur aargauischen Zivilprozessordnung, Bühler et al. [Hrsg.], 2. Aufl., 1998, N. 1e zu § 297 sowie N. 5 zu § 300 aZPO/AG). Auch Art. 5 aZPO/BE verwies nur "Streitigkeiten" bzw. "Klagen" in die Kompetenz des Berner Handelsgerichts. Gemäss Art. 2 aEG ZGB/BE fielen die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf dem Gebiet der Handelsgesellschaften und der Genossenschaft wie im Kanton Aargau in die Zuständigkeit des ordentlichen erstinstanzlichen Gerichtspräsidenten. Schliesslich sahen auch die §§ 61 und 62 des aGVG/ZH die Zuständigkeit des Zürcher Handelsgerichts nur bei Vorliegen einer "Klage" oder eines "Streits" vor. Die freiwillige Gerichtsbarkeit auf dem Gebiet der Handelsgesellschaften und der Genossenschaft fiel gemäss § 219 lit. c aZPO/ZH in die Kompetenz des Einzelrichters, jedoch nicht des Handelsgerichts, sondern des Bezirksgerichts (§ 61 Abs. 2 aGVG/ZH e contrario ; zur sachlichen Zuständigkeit des Einzelrichters am Handelsgericht ausführlich JOHANN JAKOB ZÜRCHER, Der Einzelrichter am Handelsgericht des Kantons Zürich, 1998, S. 3 ff.). Das historische Auslegungselement spricht damit ebenso wie das grammatikalische und systematische gegen die Subsumtion des Wiedereintragungsverfahrens unter den Begriff der Streitigkeit nach Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO. 2.8 Die Handelsgerichtsbarkeit zeichnet sich durch das Zusammenwirken von höheren Berufsrichtern und fachkundigen Laienhandelsrichtern aus den jeweils vom Streit betroffenen Branchen aus (Botschaft, a.a.O., 7261). Handelsgerichte weisen als Fachgerichte mithin namentlich Fachwissen auf. Ein solches ist freilich bei der Beurteilung, ob eine gelöschte Handelsgesellschaft oder eine Genossenschaft gestützt auf Art. 164 HRegV wieder in das Handelsregister eingetragen werden soll, gerade nicht erforderlich: Im Wiedereintragungsverfahren ist lediglich zu beurteilen, ob nach Abschluss der Liquidation der gelöschten BGE 140 III 550 S. 555 Gesellschaft noch unverwertete bzw. unverteilte Aktiven vorliegen (lit. a), die gelöschte Gesellschaft in einem Gerichtsverfahren als Partei teilnimmt (lit. b), die Wiedereintragung für die Bereinigung eines öffentlichen Registers notwendig (lit. c) oder für die Beendigung des Konkursverfahrens der gelöschten Gesellschaft erforderlich ist (lit. d). Zur Beurteilung dieser Fragen ist in aller Regel weder ein Branchenwissen noch ein spezifisch gesellschaftsrechtliches Wissen erforderlich, weshalb auch in teleologischer Hinsicht nicht angezeigt ist, vom Wortsinn des Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO abzuweichen und unter den Begriff der Streitigkeiten auch das Wiedereintragungsverfahren nach Art. 164 HRegV zu subsumieren.
Urteilskopf
80. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Handelsgericht des Kantons Zürich (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_396/2014 vom 20. November 2014
Regeste Sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts ( Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO ; Art. 164 HRegV ). Gerichtliche Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit fallen nicht unter den bundesrechtlichen Begriff der Streitigkeiten aus dem Recht der Handelsgesellschaften und Genossenschaften; das Handelsgericht ist für ein Wiedereintragungsverfahren nach Art. 164 HRegV sachlich nicht zuständig (E. 2).
Regeste
Sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts ( Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO ; Art. 164 HRegV ). Gerichtliche Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit fallen nicht unter den bundesrechtlichen Begriff der Streitigkeiten aus dem Recht der Handelsgesellschaften und Genossenschaften; das Handelsgericht ist für ein Wiedereintragungsverfahren nach Art. 164 HRegV sachlich nicht zuständig (E. 2).
Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO Art. 164 HRegV Gerichtliche Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit fallen nicht unter den bundesrechtlichen Begriff der Streitigkeiten aus dem Recht der Handelsgesellschaften und Genossenschaften; das Handelsgericht ist für ein Wiedereintragungsverfahren nach Art. 164 HRegV sachlich nicht zuständig (E. 2).
Art. 164 HRegV Erwägungen ab Seite 550
Erwägungen ab Seite 550 BGE 140 III 550 S. 550
BGE 140 III 550 S. 550
Aus den Erwägungen:
2. Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe sich zu Unrecht für sachlich unzuständig erklärt. Im Kanton Zürich sei das Handelsgericht für die Behandlung eines Gesuchs um Wiedereintragung nach Art. 164 der Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 2007 (HRegV; SR 221.441) sachlich zuständig. BGE 140 III 550 S. 551
2. BGE 140 III 550 S. 551
2.1 Gemäss Art. 164 HRegV kann das Gericht auf Antrag die Wiedereintragung einer gelöschten Rechtseinheit anordnen, sofern u.a. glaubhaft gemacht wird, dass nach Abschluss der Liquidation der gelöschten Rechtseinheit Aktiven vorliegen, die noch nicht verwertet oder verteilt worden sind (lit. a). Zum Antrag ist berechtigt, wer ein schutzwürdiges Interesse an der Wiedereintragung der gelöschten Rechtseinheit hat (Abs. 2); hierzu gehören nach der Rechtsprechung namentlich die Verwaltungsräte, Liquidatoren, Aktionäre und Gläubiger (Urteil 4A_16/2010 vom 6. April 2010 E. 2.1).
2.1 Art. 164 HRegV Bei der Wiedereintragung nach Art. 164 HRegV handelt es sich um eine gerichtliche Anordnung der freiwilligen Gerichtsbarkeit i.S. von Art. 1 lit. b ZPO. Nur der Gesuchsteller ist am Wiedereintragungsverfahren als Partei beteiligt; eine Gegenpartei gibt es nicht, auch das Handelsregisteramt stellt keine solche dar (Urteil 4A_412/2013 vom 19. Dezember 2013 E. 1 unter Hinweis auf DAVID RÜETSCHI, in: Handelsregisterverordnung [HRegV], Siffert/Turin [Hrsg.], 2013, N. 3 und 32 zu Art. 164 HRegV ).
Art. 164 HRegV Art. 1 lit. b ZPO Art. 164 HRegV 2.2 Die Vorinstanz führt im angefochtenen Entscheid aus, dass das Handelsgericht gemäss § 45 lit. c des zürcherischen Gesetzes über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess (GOG/ZH; LS 211.1) nur für "Streitigkeiten" zuständig sei. Anordnungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit seien keine kontradiktorischen Verfahren und somit vom Verweis nach § 45 lit. c GOG/ZH ausgeschlossen. Das Handelsgericht sei daher für ein Wiedereintragungsverfahren nach Art. 164 HRegV sachlich nicht zuständig. In ihrer Vernehmlassung an das Bundesgericht schiebt die Vorinstanz nach, dass die sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts auch gemäss dem Wortlaut von Art. 6 ZPO auf "Streitigkeiten" beschränkt sei.
2.2 Art. 164 HRegV Art. 6 ZPO 2.3 Gemäss Art. 6 Abs. 1 ZPO können die Kantone ein Fachgericht bezeichnen, das als einzige kantonale Instanz für handelsrechtliche Streitigkeiten zuständig ist (Handelsgericht). Der Begriff der handelsrechtlichen Streitigkeiten wird in Art. 6 Abs. 2 ZPO definiert. Nach Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO können die Kantone das Handelsgericht ausserdem für Streitigkeiten aus dem Recht der Handelsgesellschaften und Genossenschaften zuständig erklären. Der Kanton Zürich hat von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht und sowohl für Streitigkeiten gemäss Art. 6 Abs. 2 ZPO als auch für Streitigkeiten gemäss Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO ein Handelsgericht eingesetzt (§ 44 lit. b GOG/ZH; BGE 138 III 471 E. 1.1 S. 476).
2.3 Art. 6 Abs. 1 ZPO Art. 6 Abs. 2 ZPO Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO Art. 6 Abs. 2 ZPO Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO BGE 140 III 550 S. 552 Mit Art. 6 ZPO hat der Bundesgesetzgeber für den Fall, dass ein Kanton ein Handelsgericht schafft, die sachliche Zuständigkeit für jene Streitigkeiten, welche die Voraussetzungen von Art. 6 Abs. 2 und Abs. 4 ZPO erfüllen, geregelt ( BGE 140 III 155 E. 4.3). Bei den Begriffen der handelsrechtlichen Streitigkeiten bzw. der Streitigkeiten aus dem Recht der Handelsgesellschaften und Genossenschaften handelt es sich um bundesrechtliche Begriffe: Richten die Kantone ein Handelsgericht ein, sind die Fälle gemäss Art. 6 Abs. 2 ZPO zwingend dem Handelsgericht zugewiesen, soweit dem nicht andere bundesrechtliche Vorschriften entgegenstehen ( BGE 140 III 155 E. 4 S. 156 ff.). Dies gilt auch für die Fälle gemäss Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO, sofern der Kanton - wie hier Zürich - diese Streitigkeiten dem Handelsgericht zuweist. Das kantonale Recht kann die handelsgerichtliche Zuständigkeit für die bundesrechtlich definierten Streitigkeiten aus dem Recht der Handelsgesellschaften und Genossenschaften in sachlicher Hinsicht nicht einschränken, wenn es von der Möglichkeit gemäss Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO Gebrauch gemacht hat. Einzig die Einführung von Streitwertgrenzen ist zulässig (Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], BBl 2006 7261 unten).
BGE 140 III 550 S. 552
Art. 6 ZPO Art. 6 Abs. 2 und Abs. 4 ZPO Art. 6 Abs. 2 ZPO Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO Daraus folgt, dass sich das Zürcher Handelsgericht nur dann für sachlich unzuständig erklären darf, wenn das Wiedereintragungsverfahren als Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit i.S. von Art. 1 lit. b ZPO nicht unter den bundesrechtlichen Begriff der Streitigkeiten aus dem Recht der Handelsgesellschaften und Genossenschaften gemäss Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO fällt.
Art. 1 lit. b ZPO Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO 2.4 Die einschlägigen Kommentare zu Art. 6 ZPO schweigen sich zur Frage, ob Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in die sachliche Zuständigkeit der Handelsgerichte fallen, aus. SENEL hält in seiner Dissertation zwar dafür, dass dem "Oberbegriff" der Streitigkeiten auch die nichtstreitige Gerichtsbarkeit zuzuordnen sei, will aber die Zuständigkeit der Handelsgerichte dennoch auf "streitige Zivilsachen" beschränken (TOYLAN SENEL, Das handelsgerichtliche Verfahren nach der neuen Schweizerischen Zivilprozessordnung, 2011, S. 73). Zum Wiedereintragungsverfahren nach Art. 164 HRegV vertritt dahingegen RÜETSCHI (a.a.O., N. 35 zu Art. 164 HRegV ) die Auffassung, dass dieses von Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO erfasst sei, wobei dieser Autor unter die Streitigkeiten aus dem Recht der Handelsgesellschaften und Genossenschaften ganz allgemein die "gesellschaftsrechtlichen Zivilsachen" zu subsumieren scheint. BGE 140 III 550 S. 553
2.4 Art. 6 ZPO Art. 164 HRegV Art. 164 HRegV Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO BGE 140 III 550 S. 553
2.5 Der Wortlaut des Begriffs "Streitigkeiten" scheint demgegenüber freiwillige, also nichtstreitige Verfahren gerade auszuschliessen, setzt doch eine Streitigkeit grammatikalisch eine Meinungsverschiedenheit zwischen mindestens zwei Parteien voraus; eine solche fehlt aber bei einem Verfahren nach Art. 164 HRegV, welches keine Gegenpartei kennt (oben E. 2.1, m.H. auf das Urteil 4A_412/2013 vom 19. Dezember 2013 E. 1).
2.5 Art. 164 HRegV In systematischer Hinsicht nimmt der Begriff der Streitigkeit nach Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO sodann auf jenen der streitigen Zivilsache gemäss Art. 1 lit. a ZPO Bezug. Als solche gilt gemäss der Rechtsprechung ein kontradiktorisches Verfahren zwischen mindestens zwei Parteien, das auf die endgültige, dauernde Regelung zivilrechtlicher Verhältnisse im Sinne einer res iudicata abzielt ( BGE 136 III 178 E. 5.2 S. 183; BGE 124 III 44 E. 1a S. 46; BGE 123 III 346 E. 1a S. 349). Um ein solches Verfahren handelt es sich beim Wiedereintragungsverfahren gemäss Art. 164 HRegV aber gerade nicht.
Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO Art. 1 lit. a ZPO Art. 164 HRegV Der Wortlaut und der systematische Zusammenhang von Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO sprechen mithin dagegen, das Wiedereintragungsverfahren in die handelsgerichtliche Zuständigkeit zu verweisen.
Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO 2.6 Der Wortlaut ist Ausgangspunkt der Auslegung. Vom daraus abgeleiteten Sinn ist jedoch abzuweichen, wenn triftige Gründe bestehen, dass der Gesetzgeber diesen nicht gewollt haben kann. Solche Gründe können sich insbesondere aus der Entstehungsgeschichte der Norm oder aus ihrem Zweck ergeben. Neben dem Wortlaut und der Gesetzessystematik sind demnach bei der Auslegung auch das historische und das teleologische Element zu berücksichtigen ( BGE 138 III 166 E. 3.2 S. 168; BGE 134 III 273 E. 4 S. 277).
2.6 2.7 In den Materialien findet sich keine ausdrückliche Aussage dazu, ob auch nichtstreitige Verfahren in die handelsgerichtliche Zuständigkeit fallen sollen. Laut der Botschaft des Bundesrats orientiert sich die sachliche Zuständigkeit der Handelsgerichte indessen an den damals geltenden kantonalen Regeln (Botschaft, a.a.O., 7261; BGE 140 III 355 E. 2.3.2). Es ist damit zu prüfen, ob das frühere Recht der vier Handelsgerichtskantone die freiwillige Gerichtsbarkeit in die Zuständigkeit der Handelsgerichte verwies.
2.7 Art. 14 und 15 aZPO/SG knüpften die Zuständigkeit des St. Galler Handelsgerichts ebenso wie Art. 6 ZPO an das Vorliegen einer "Streitigkeit". Die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit fielen nicht unter diesen Begriff (LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, Kommentar BGE 140 III 550 S. 554 zur Zivilprozessordnung des Kantons St. Gallen, 1999, N. 2 zu Art. 14 aZPO/SG).
Art. 6 ZPO BGE 140 III 550 S. 554
§ 404 aZPO/AG setzte für die Zuständigkeit des Aargauer Handelsgerichts eine "Streitsache" voraus. Die freiwillige Gerichtsbarkeit, namentlich auch jene aus dem Bereich der Handelsgesellschaften und der Genossenschaft, fiel nicht in die Zuständigkeit des Handelsgerichts, sondern des ordentlichen erstinstanzlichen Gerichtspräsidenten (ALBERT KILLER, in: Kommentar zur aargauischen Zivilprozessordnung, Bühler et al. [Hrsg.], 2. Aufl., 1998, N. 1e zu § 297 sowie N. 5 zu § 300 aZPO/AG).
Auch Art. 5 aZPO/BE verwies nur "Streitigkeiten" bzw. "Klagen" in die Kompetenz des Berner Handelsgerichts. Gemäss Art. 2 aEG ZGB/BE fielen die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf dem Gebiet der Handelsgesellschaften und der Genossenschaft wie im Kanton Aargau in die Zuständigkeit des ordentlichen erstinstanzlichen Gerichtspräsidenten.
Schliesslich sahen auch die §§ 61 und 62 des aGVG/ZH die Zuständigkeit des Zürcher Handelsgerichts nur bei Vorliegen einer "Klage" oder eines "Streits" vor. Die freiwillige Gerichtsbarkeit auf dem Gebiet der Handelsgesellschaften und der Genossenschaft fiel gemäss § 219 lit. c aZPO/ZH in die Kompetenz des Einzelrichters, jedoch nicht des Handelsgerichts, sondern des Bezirksgerichts (§ 61 Abs. 2 aGVG/ZH e contrario ; zur sachlichen Zuständigkeit des Einzelrichters am Handelsgericht ausführlich JOHANN JAKOB ZÜRCHER, Der Einzelrichter am Handelsgericht des Kantons Zürich, 1998, S. 3 ff.).
Das historische Auslegungselement spricht damit ebenso wie das grammatikalische und systematische gegen die Subsumtion des Wiedereintragungsverfahrens unter den Begriff der Streitigkeit nach Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO.
Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO 2.8 Die Handelsgerichtsbarkeit zeichnet sich durch das Zusammenwirken von höheren Berufsrichtern und fachkundigen Laienhandelsrichtern aus den jeweils vom Streit betroffenen Branchen aus (Botschaft, a.a.O., 7261). Handelsgerichte weisen als Fachgerichte mithin namentlich Fachwissen auf.
2.8 Ein solches ist freilich bei der Beurteilung, ob eine gelöschte Handelsgesellschaft oder eine Genossenschaft gestützt auf Art. 164 HRegV wieder in das Handelsregister eingetragen werden soll, gerade nicht erforderlich: Im Wiedereintragungsverfahren ist lediglich zu beurteilen, ob nach Abschluss der Liquidation der gelöschten BGE 140 III 550 S. 555 Gesellschaft noch unverwertete bzw. unverteilte Aktiven vorliegen (lit. a), die gelöschte Gesellschaft in einem Gerichtsverfahren als Partei teilnimmt (lit. b), die Wiedereintragung für die Bereinigung eines öffentlichen Registers notwendig (lit. c) oder für die Beendigung des Konkursverfahrens der gelöschten Gesellschaft erforderlich ist (lit. d).
Art. 164 HRegV BGE 140 III 550 S. 555
Zur Beurteilung dieser Fragen ist in aller Regel weder ein Branchenwissen noch ein spezifisch gesellschaftsrechtliches Wissen erforderlich, weshalb auch in teleologischer Hinsicht nicht angezeigt ist, vom Wortsinn des Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO abzuweichen und unter den Begriff der Streitigkeiten auch das Wiedereintragungsverfahren nach Art. 164 HRegV zu subsumieren.
Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO Art. 164 HRegV
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Urteilskopf 140 III 555 81. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. gegen B.A. (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_289/2014 vom 21. Oktober 2014 Regeste Art. 68 Abs. 2 lit. a ZPO ; Begriff der berufsmässigen Vertretung. Berufsmässig handelt ein Vertreter bereits dann, wenn er bereit ist, in einer unbestimmten Zahl von Fällen tätig zu werden. Es kommt nicht darauf an, ob er ein Entgelt bezieht oder zu Erwerbszwecken als Vertreter auftritt (E. 2). Sachverhalt ab Seite 555 BGE 140 III 555 S. 555 A. Am 27. Mai 2013 reichte B.A. (Ehefrau) am Bezirksgericht Baden (...) Scheidungsklage gegen A.A. (Ehemann) ein. Zur Einigungsverhandlung am 12. November 2013 erschienen B.A. in Begleitung ihres Rechtsanwalts und A.A. in Begleitung von C. Die Einigungsverhandlung wurde abgebrochen, nachdem C. nicht zur Vertretung zugelassen worden war, was das Bezirksgericht mit Verfügung vom selben Tage bestätigte. BGE 140 III 555 S. 556 B. Mit Beschwerde vom 29. November 2013 an das Obergericht des Kantons Aargau verlangte A.A. sinngemäss, die genannte Verfügung betreffend Nichtzulassung von C. als Vertreter aufzuheben und Rechtsverweigerung sowie Behinderung in der freien Postulation festzustellen. Mit Entscheid vom 17. Februar 2014 wies das Obergericht die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat. C. Am 8. April 2014 hat A.A. (Beschwerdeführer) subsidiäre Verfassungsbeschwerde und Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht erhoben. Er verlangt die Aufhebung des obergerichtlichen Entscheids vom 17. Februar 2014 und die Feststellung von Rechtsverweigerung und einer Behinderung in der freien Postulation. Das Bundesgericht hat (...) keine Vernehmlassungen eingeholt. Es weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt. (Auszug) Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Vorliegend ist die Frage zu beantworten, ob sich der Beschwerdeführer von C., der nicht Anwalt ist, vertreten lassen kann (vgl. Art. 68 Abs. 1 ZPO ) oder ob dieser berufsmässig auftritt und deshalb unerlaubterweise im Monopolbereich der Anwälte tätig wird ( Art. 68 Abs. 2 lit. a ZPO ). Vor diesem Hintergrund haben der zusätzliche Antrag des Beschwerdeführers betreffend Rechtsverweigerung und Behinderung freier Postulation und die entsprechenden Rügen keine eigenständige Bedeutung. 2.1 Das Obergericht hat festgestellt, C. sei juristisch nicht ausgebildet, weise keine besondere Beziehungsnähe zum Beschwerdeführer auf und sei bereit, aus ideellen Gründen Vertretungen vor Gericht vorzunehmen. Jedenfalls für einen solchen Fall sei auf die verbreitete Lehrmeinung abzustellen, wonach Berufsmässigkeit anzunehmen sei, wenn jemand Vertretungen vor Gericht in einer unbestimmten Anzahl Verfahren ohne Entgelt zu erbringen bereit sei. Wer bereit sei, Dritte zu vertreten, zu denen er in keiner besonderen Beziehungsnähe stehe, nehme in Anspruch, über ähnliche Fähigkeiten wie ein Anwalt zu verfügen. 2.2 Der Beschwerdeführer kritisiert die Beweiswürdigung des Obergerichts und rügt in diesem Zusammenhang Verletzungen des rechtlichen Gehörs und des Willkürverbots. Der Schluss des Obergerichts sei willkürlich, dass C. bereit sei, eine unbestimmte Anzahl von BGE 140 III 555 S. 557 Vertretungen zu übernehmen. Es gebe dafür keine Beweise und es habe keine Befragung stattgefunden. Auch über seine Beziehungsnähe zu C. sei nicht Beweis geführt worden. Die Einwände sind unbegründet, soweit auf sie eingetreten werden kann. Das Obergericht hat massgeblich auf die Behauptungen des Beschwerdeführers selber abgestellt: In seiner kantonalen Beschwerde habe er ausgeführt, dass die Tätigkeit von C. im Familienrecht dessen Hobby sei, dessen Freizeit betreffe und ihn (den Beschwerdeführer) und C. eine gemeinsame politische Auffassung und eine gleiche Einschätzung über die Zustände in der Gesellschaft verbinde. Wenn das Obergericht aus diesen Ausführungen auf eine fehlende besondere Beziehungsnähe (wie z.B. Freundschaft) zwischen dem Beschwerdeführer und C. geschlossen hat, so ist dies keineswegs unhaltbar, denn die einzige geltend gemachte Gemeinsamkeit ist die politische Auffassung (vgl. zur Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266; BGE 137 III 226 E. 4.2 S. 234; BGE 136 III 552 E. 4.2 S. 560). Wenn das Obergericht daraus implizit geschlossen hat, dass C. zur Vertretung in einer unbestimmten Anzahl von Fällen bereit sei, so erscheint dies ebenfalls nicht als willkürlich, da er ja schon im vorliegend zu beurteilenden Fall ohne besondere Beziehungsnähe zur Vertretung bereit ist. Der Beschwerdeführer behauptet sodann nicht, dass er vor Obergericht die Befragung von C. oder andere Beweismassnahmen verlangt und entsprechende Versäumnisse des Bezirksgerichts gerügt hätte. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist demnach von vornherein ungenügend begründet ( Art. 106 Abs. 2 BGG und dazu BGE 135 III 397 E. 1.4 S. 400 f.; BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254 mit Hinweisen; zum Beweisführungsanspruch als Teilgehalt des rechtlichen Gehörs BGE 134 I 140 E. 5.3 S. 148 mit Hinweisen). Soweit der Beschwerdeführer ausserdem die Sachverhaltsfeststellungen im Entscheid des Bezirksgerichts vom 12. November 2013 als willkürlich bezeichnet und das vorangegangene Verfahren kritisiert (z.B. die fehlende Befragung), ist darauf nicht einzutreten ( Art. 75 BGG ). Entsprechende Rügen wären vor Obergericht vorzubringen gewesen. 2.3 Es bleibt zu prüfen, ob C. angesichts der festgestellten Tatsachen berufsmässig auftritt. Art. 68 Abs. 2 ZPO definiert nicht näher, was unter "berufsmässiger Vertretung" ("représenter les parties à titre professionnel", "rappresentanza professionale in giudizio") zu verstehen ist. BGE 140 III 555 S. 558 Gemäss der bundesrätlichen Botschaft zur ZPO kann sich die Partei durch eine beliebige Vertrauensperson vertreten lassen. Es müsse sich nicht um einen Anwalt oder eine Anwältin handeln, solange die Vertrauensperson das Mandat nicht berufsmässig ausübe. Was eine berufsmässige Vertretung ist, definiert auch die Botschaft nicht näher (Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], BBl 2006 7279, Ziff. 5.5.2 zu Art. 66 des Entwurfs). Auch den übrigen, öffentlich zugänglichen Materialien lässt sich insoweit kein Hinweis entnehmen. In der Lehre werden verschiedene Ansätze zur Bestimmung des Begriffs der Berufsmässigkeit vertreten. Herangezogen werden die Kriterien der Entgeltlichkeit bzw. des vom Vertreter verfolgten wirtschaftlichen Zwecks (Erzielung eines Erwerbseinkommens), die regelmässige bzw. wiederholte Tätigkeit des Vertreters und gelegentlich seine Ausbildung und Qualifikation. Unterschiede bestehen in der Kombination dieser Kriterien und ihrer Gewichtung. Ohne auf die im Detail divergierenden Ansichten einzugehen, so steht doch für eine erste Gruppe von Autoren die Entgeltlichkeit oder der vom Vertreter verfolgte wirtschaftliche Zweck im Vordergrund, die zur Annahme der Berufsmässigkeit seines Handelns führen. Teilweise wird zusätzlich verlangt, dass die Vertretungstätigkeit regelmässig ausgeübt werden muss (vgl. zum Ganzen STAEHELIN/SCHWEIZER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 8 zu Art. 68 ZPO ; MARTIN H. STERCHI, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, N. 6 zu Art. 68 ZPO ; STEPHANIE HRUBESCH-MILLAUER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], 2011, N. 5 zu Art. 68 ZPO ; LUCA TENCHIO, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 6 zu Art. 68 ZPO ; STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2013, § 13 Rz. 16; FRANCESCO TREZZINI, in: Commentario al Codice di diritto processuale civile svizzero [CPC] [...], 2011, S. 244 f. mit Fn. 660; TANJA DOMEJ, in: ZPO, Oberhammer/Domej/Haas [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 10 zu Art. 68 ZPO ). Nach Ansicht einer anderen Gruppe von Autoren ist das Kriterium der Entgeltlichkeit von untergeordneter Bedeutung. Demnach liegt eine berufsmässige Vertretung vor, wenn der Vertreter in einer unbestimmten oder unbegrenzten Zahl von Fällen für andere Prozesse führt oder zu führen bereit ist (ISAAK MEIER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2010, S. 157; MARKUS AFFENTRANGER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], BGE 140 III 555 S. 559 Baker & McKenzie [Hrsg.], 2010, N. 6 zu Art. 68 ZPO ; ähnlich LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2010, Rz. 3.21, wonach berufsmässige Vertretung vorliegt, wenn jemand bereit ist, von unbestimmt vielen Personen Aufträge entgegenzunehmen, wobei Berufsmässigkeit zu vermuten sei, wenn ein Entgelt verlangt werde). Diese Auffassung stützt sich insbesondere auf die frühere Zürcher Praxis (ZR 61/1962 Nr. 1 und SJZ 58/1962 S. 119 Nr. 103; FRANK/STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 1997, N. 6 zu § 29 ZPO /ZH; MAX GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 1979, S. 133 Fn. 39; WALDER-RICHLI/GROB-ANDERMACHER, Zivilprozessrecht, 5. Aufl. 2009, § 10 Rz. 11). Nach einer vermittelnden Ansicht sind die Kriterien Entgeltlichkeit, Wiederholung der Tätigkeit und Ausbildung gleichwertig, wobei es auf den Einzelfall ankomme, ob bereits die Erfüllung eines der Kriterien für die Annahme der Berufsmässigkeit genüge (BOHNET/MARTENET, Droit de la profession d'avocat, 2009, Rz. 948 f.; vgl. auch TREZZINI, a.a.O., S. 244 f.). Die Einschränkung der Zulässigkeit der berufsmässigen Vertretung gemäss Art. 68 Abs. 2 lit. a ZPO auf Anwältinnen und Anwälte, die gemäss dem Bundesgesetz vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (Anwaltsgesetz, BGFA; SR 935.61) zur Parteivertretung vor schweizerischen Gerichten berechtigt sind, dient der Sicherung der Qualität der Vertretung. Durch diese Beschränkung soll sichergestellt werden, dass die im Anwaltsgesetz vorgesehenen Qualitätssicherungsmassregeln in Verfahren, die der ZPO unterstehen, zum Zuge kommen, wenn der Vertreter "berufsmässig" auftritt. Bei diesen Massregeln handelt es sich um Verschiedenes: Zunächst werden Anforderungen an die Anwälte hinsichtlich ihrer Ausbildung ( Art. 7 BGFA ) und weiterer persönlicher Eigenschaften, wie ihrer finanziellen Situation oder dem Fehlen bestimmter strafrechtlicher Verurteilungen ( Art. 8 BGFA ), gestellt. Sodann legt das Anwaltsgesetz die von ihnen einzuhaltenden Berufsregeln ( Art. 12 BGFA ) fest, regelt das Berufsgeheimnis ( Art. 13 BGFA ) und schliesslich die Aufsicht, der die Anwälte unterstehen ( Art. 14 ff. BGFA ). Diese Regeln sind insbesondere im Interesse der vertretenen Parteien aufgestellt worden (vgl. STERCHI, a.a.O., N. 3 zu Art. 68 ZPO ). Damit sie ihre Schutzwirkung entfalten können, ist bei der Zulassung von Vertretern, die diesen Ansprüchen nicht genügen, eine gewisse Zurückhaltung angezeigt, soweit die ZPO hiezu Spielraum bietet (vgl. GASSER/RICKLI, Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], 2. Aufl. BGE 140 III 555 S. 560 2014, N. 2 zu Art. 68 ZPO ; LAURA JACQUEMOUD-ROSSARI, Les parties et les actes des parties; le défaut, la notification et les délais, in: Le projet de code de procédure civile fédérale, 2008, S. 82 f.; FRANÇOIS BOHNET, in: CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, N. 12 zu Art. 68 ZPO ). Vor diesem Hintergrund kann es für die Auslegung des Begriffs der berufsmässigen Vertretung nicht entscheidend darauf ankommen, ob der Vertreter seine Tätigkeit gegen Entgelt oder zu Erwerbszwecken ausübt. Ein Schutzbedürfnis des Publikums besteht bereits dann, wenn der Vertreter bereit ist, in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen tätig zu werden. Darauf kann - wie vorliegend - dann geschlossen werden, wenn er bereit ist, die Vertretung ohne besondere Beziehungsnähe zum Vertretenen zu übernehmen. In solchen Fällen gründet das Vertrauen in den Vertreter nicht auf seiner Person oder seiner Nähe zum Vertretenen, sondern auf anderen Eigenschaften des Vertreters (z.B. seine behauptete Fachkompetenz, Mitgliedschaft in Interessenverbänden etc.) und damit auf ähnlichen Kriterien wie bei der Auswahl eines Berufsmanns bzw. einer Berufsfrau. Da das Element des persönlichen Näheverhältnisses nicht im Vordergrund steht, rechtfertigt es sich, solche Vertreter den Restriktionen für berufsmässige Vertreter zu unterwerfen. Folglich hat das Obergericht kein Bundesrecht verletzt, wenn es C. nicht als Vertreter des Beschwerdeführers zugelassen hat. Mit alldem ist nichts dazu gesagt, ob es zulässig wäre, sich an die Verhandlung durch eine solche Person begleiten zu lassen, ohne dass sie eine Vertretungsfunktion ausübt (vgl. TENCHIO, a.a.O., N. 1b zu Art. 68 ZPO ). Der Beschwerdeführer macht zwar am Rande geltend, es sei ihm einerlei, ob C. als Vertreter oder Begleitperson zugelassen werde. Seine Kritik gegen die Nichtzulassung von C. als Begleitperson richtet sich jedoch gegen den bezirksgerichtlichen Entscheid. Er macht nicht geltend, dass er Entsprechendes auch vor Obergericht vorgebracht hätte, und das Obergericht hat sich zu dieser Frage denn auch nicht geäussert. Darauf ist deshalb vor Bundesgericht nicht einzugehen. Von Rechtsverweigerung oder einer Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die Nichtzulassung von C. als Vertreter kann schliesslich keine Rede sein. Es besteht kein verfassungsmässiges Recht, sich durch beliebige Personen vertreten zu lassen. Dem Beschwerdeführer steht es frei, seine Sache selber zu vertreten oder sich durch eine zulässige Vertrauensperson oder einen Anwalt vertreten zu lassen. Dass er generell kein Vertrauen in Anwälte hat, wie er geltend macht, BGE 140 III 555 S. 561 vermag an der gesetzlichen Ordnung der Prozessvertretung nichts zu ändern. Soweit er die Kosten einer berufsmässigen Vertretung scheut, so ist er auf die unentgeltliche Rechtspflege zu verweisen, die ihm bei gegebenen Voraussetzungen den Beizug eines unentgeltlichen Rechtsbeistands ermöglicht. 2.4 Die Beschwerde ist folglich abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann.
Urteilskopf
81. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. gegen B.A. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_289/2014 vom 21. Oktober 2014
Regeste Art. 68 Abs. 2 lit. a ZPO ; Begriff der berufsmässigen Vertretung. Berufsmässig handelt ein Vertreter bereits dann, wenn er bereit ist, in einer unbestimmten Zahl von Fällen tätig zu werden. Es kommt nicht darauf an, ob er ein Entgelt bezieht oder zu Erwerbszwecken als Vertreter auftritt (E. 2).
Regeste
Art. 68 Abs. 2 lit. a ZPO ; Begriff der berufsmässigen Vertretung. Berufsmässig handelt ein Vertreter bereits dann, wenn er bereit ist, in einer unbestimmten Zahl von Fällen tätig zu werden. Es kommt nicht darauf an, ob er ein Entgelt bezieht oder zu Erwerbszwecken als Vertreter auftritt (E. 2).
Art. 68 Abs. 2 lit. a ZPO Berufsmässig handelt ein Vertreter bereits dann, wenn er bereit ist, in einer unbestimmten Zahl von Fällen tätig zu werden. Es kommt nicht darauf an, ob er ein Entgelt bezieht oder zu Erwerbszwecken als Vertreter auftritt (E. 2).
Sachverhalt ab Seite 555
Sachverhalt ab Seite 555 BGE 140 III 555 S. 555
BGE 140 III 555 S. 555
A. Am 27. Mai 2013 reichte B.A. (Ehefrau) am Bezirksgericht Baden (...) Scheidungsklage gegen A.A. (Ehemann) ein. Zur Einigungsverhandlung am 12. November 2013 erschienen B.A. in Begleitung ihres Rechtsanwalts und A.A. in Begleitung von C. Die Einigungsverhandlung wurde abgebrochen, nachdem C. nicht zur Vertretung zugelassen worden war, was das Bezirksgericht mit Verfügung vom selben Tage bestätigte. BGE 140 III 555 S. 556
A. BGE 140 III 555 S. 556
B. Mit Beschwerde vom 29. November 2013 an das Obergericht des Kantons Aargau verlangte A.A. sinngemäss, die genannte Verfügung betreffend Nichtzulassung von C. als Vertreter aufzuheben und Rechtsverweigerung sowie Behinderung in der freien Postulation festzustellen.
B. Mit Entscheid vom 17. Februar 2014 wies das Obergericht die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat.
C. Am 8. April 2014 hat A.A. (Beschwerdeführer) subsidiäre Verfassungsbeschwerde und Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht erhoben. Er verlangt die Aufhebung des obergerichtlichen Entscheids vom 17. Februar 2014 und die Feststellung von Rechtsverweigerung und einer Behinderung in der freien Postulation.
C. Das Bundesgericht hat (...) keine Vernehmlassungen eingeholt. Es weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
(Auszug)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
2. Vorliegend ist die Frage zu beantworten, ob sich der Beschwerdeführer von C., der nicht Anwalt ist, vertreten lassen kann (vgl. Art. 68 Abs. 1 ZPO ) oder ob dieser berufsmässig auftritt und deshalb unerlaubterweise im Monopolbereich der Anwälte tätig wird ( Art. 68 Abs. 2 lit. a ZPO ). Vor diesem Hintergrund haben der zusätzliche Antrag des Beschwerdeführers betreffend Rechtsverweigerung und Behinderung freier Postulation und die entsprechenden Rügen keine eigenständige Bedeutung.
2. Art. 68 Abs. 1 ZPO Art. 68 Abs. 2 lit. a ZPO 2.1 Das Obergericht hat festgestellt, C. sei juristisch nicht ausgebildet, weise keine besondere Beziehungsnähe zum Beschwerdeführer auf und sei bereit, aus ideellen Gründen Vertretungen vor Gericht vorzunehmen. Jedenfalls für einen solchen Fall sei auf die verbreitete Lehrmeinung abzustellen, wonach Berufsmässigkeit anzunehmen sei, wenn jemand Vertretungen vor Gericht in einer unbestimmten Anzahl Verfahren ohne Entgelt zu erbringen bereit sei. Wer bereit sei, Dritte zu vertreten, zu denen er in keiner besonderen Beziehungsnähe stehe, nehme in Anspruch, über ähnliche Fähigkeiten wie ein Anwalt zu verfügen.
2.1 2.2 Der Beschwerdeführer kritisiert die Beweiswürdigung des Obergerichts und rügt in diesem Zusammenhang Verletzungen des rechtlichen Gehörs und des Willkürverbots. Der Schluss des Obergerichts sei willkürlich, dass C. bereit sei, eine unbestimmte Anzahl von BGE 140 III 555 S. 557 Vertretungen zu übernehmen. Es gebe dafür keine Beweise und es habe keine Befragung stattgefunden. Auch über seine Beziehungsnähe zu C. sei nicht Beweis geführt worden.
2.2 BGE 140 III 555 S. 557
Die Einwände sind unbegründet, soweit auf sie eingetreten werden kann. Das Obergericht hat massgeblich auf die Behauptungen des Beschwerdeführers selber abgestellt: In seiner kantonalen Beschwerde habe er ausgeführt, dass die Tätigkeit von C. im Familienrecht dessen Hobby sei, dessen Freizeit betreffe und ihn (den Beschwerdeführer) und C. eine gemeinsame politische Auffassung und eine gleiche Einschätzung über die Zustände in der Gesellschaft verbinde. Wenn das Obergericht aus diesen Ausführungen auf eine fehlende besondere Beziehungsnähe (wie z.B. Freundschaft) zwischen dem Beschwerdeführer und C. geschlossen hat, so ist dies keineswegs unhaltbar, denn die einzige geltend gemachte Gemeinsamkeit ist die politische Auffassung (vgl. zur Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266; BGE 137 III 226 E. 4.2 S. 234; BGE 136 III 552 E. 4.2 S. 560). Wenn das Obergericht daraus implizit geschlossen hat, dass C. zur Vertretung in einer unbestimmten Anzahl von Fällen bereit sei, so erscheint dies ebenfalls nicht als willkürlich, da er ja schon im vorliegend zu beurteilenden Fall ohne besondere Beziehungsnähe zur Vertretung bereit ist. Der Beschwerdeführer behauptet sodann nicht, dass er vor Obergericht die Befragung von C. oder andere Beweismassnahmen verlangt und entsprechende Versäumnisse des Bezirksgerichts gerügt hätte. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist demnach von vornherein ungenügend begründet ( Art. 106 Abs. 2 BGG und dazu BGE 135 III 397 E. 1.4 S. 400 f.; BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254 mit Hinweisen; zum Beweisführungsanspruch als Teilgehalt des rechtlichen Gehörs BGE 134 I 140 E. 5.3 S. 148 mit Hinweisen).
Art. 106 Abs. 2 BGG Soweit der Beschwerdeführer ausserdem die Sachverhaltsfeststellungen im Entscheid des Bezirksgerichts vom 12. November 2013 als willkürlich bezeichnet und das vorangegangene Verfahren kritisiert (z.B. die fehlende Befragung), ist darauf nicht einzutreten ( Art. 75 BGG ). Entsprechende Rügen wären vor Obergericht vorzubringen gewesen.
Art. 75 BGG 2.3 Es bleibt zu prüfen, ob C. angesichts der festgestellten Tatsachen berufsmässig auftritt. Art. 68 Abs. 2 ZPO definiert nicht näher, was unter "berufsmässiger Vertretung" ("représenter les parties à titre professionnel", "rappresentanza professionale in giudizio") zu verstehen ist. BGE 140 III 555 S. 558
2.3 Art. 68 Abs. 2 ZPO BGE 140 III 555 S. 558
Gemäss der bundesrätlichen Botschaft zur ZPO kann sich die Partei durch eine beliebige Vertrauensperson vertreten lassen. Es müsse sich nicht um einen Anwalt oder eine Anwältin handeln, solange die Vertrauensperson das Mandat nicht berufsmässig ausübe. Was eine berufsmässige Vertretung ist, definiert auch die Botschaft nicht näher (Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], BBl 2006 7279, Ziff. 5.5.2 zu Art. 66 des Entwurfs). Auch den übrigen, öffentlich zugänglichen Materialien lässt sich insoweit kein Hinweis entnehmen.
In der Lehre werden verschiedene Ansätze zur Bestimmung des Begriffs der Berufsmässigkeit vertreten. Herangezogen werden die Kriterien der Entgeltlichkeit bzw. des vom Vertreter verfolgten wirtschaftlichen Zwecks (Erzielung eines Erwerbseinkommens), die regelmässige bzw. wiederholte Tätigkeit des Vertreters und gelegentlich seine Ausbildung und Qualifikation. Unterschiede bestehen in der Kombination dieser Kriterien und ihrer Gewichtung. Ohne auf die im Detail divergierenden Ansichten einzugehen, so steht doch für eine erste Gruppe von Autoren die Entgeltlichkeit oder der vom Vertreter verfolgte wirtschaftliche Zweck im Vordergrund, die zur Annahme der Berufsmässigkeit seines Handelns führen. Teilweise wird zusätzlich verlangt, dass die Vertretungstätigkeit regelmässig ausgeübt werden muss (vgl. zum Ganzen STAEHELIN/SCHWEIZER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 8 zu Art. 68 ZPO ; MARTIN H. STERCHI, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, N. 6 zu Art. 68 ZPO ; STEPHANIE HRUBESCH-MILLAUER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], 2011, N. 5 zu Art. 68 ZPO ; LUCA TENCHIO, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 6 zu Art. 68 ZPO ; STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2013, § 13 Rz. 16; FRANCESCO TREZZINI, in: Commentario al Codice di diritto processuale civile svizzero [CPC] [...], 2011, S. 244 f. mit Fn. 660; TANJA DOMEJ, in: ZPO, Oberhammer/Domej/Haas [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 10 zu Art. 68 ZPO ). Nach Ansicht einer anderen Gruppe von Autoren ist das Kriterium der Entgeltlichkeit von untergeordneter Bedeutung. Demnach liegt eine berufsmässige Vertretung vor, wenn der Vertreter in einer unbestimmten oder unbegrenzten Zahl von Fällen für andere Prozesse führt oder zu führen bereit ist (ISAAK MEIER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2010, S. 157; MARKUS AFFENTRANGER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], BGE 140 III 555 S. 559 Baker & McKenzie [Hrsg.], 2010, N. 6 zu Art. 68 ZPO ; ähnlich LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2010, Rz. 3.21, wonach berufsmässige Vertretung vorliegt, wenn jemand bereit ist, von unbestimmt vielen Personen Aufträge entgegenzunehmen, wobei Berufsmässigkeit zu vermuten sei, wenn ein Entgelt verlangt werde). Diese Auffassung stützt sich insbesondere auf die frühere Zürcher Praxis (ZR 61/1962 Nr. 1 und SJZ 58/1962 S. 119 Nr. 103; FRANK/STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 1997, N. 6 zu § 29 ZPO /ZH; MAX GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 1979, S. 133 Fn. 39; WALDER-RICHLI/GROB-ANDERMACHER, Zivilprozessrecht, 5. Aufl. 2009, § 10 Rz. 11). Nach einer vermittelnden Ansicht sind die Kriterien Entgeltlichkeit, Wiederholung der Tätigkeit und Ausbildung gleichwertig, wobei es auf den Einzelfall ankomme, ob bereits die Erfüllung eines der Kriterien für die Annahme der Berufsmässigkeit genüge (BOHNET/MARTENET, Droit de la profession d'avocat, 2009, Rz. 948 f.; vgl. auch TREZZINI, a.a.O., S. 244 f.).
Art. 68 ZPO Art. 68 ZPO Art. 68 ZPO Art. 68 ZPO Art. 68 ZPO BGE 140 III 555 S. 559
Art. 68 ZPO § 29 ZPO Die Einschränkung der Zulässigkeit der berufsmässigen Vertretung gemäss Art. 68 Abs. 2 lit. a ZPO auf Anwältinnen und Anwälte, die gemäss dem Bundesgesetz vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (Anwaltsgesetz, BGFA; SR 935.61) zur Parteivertretung vor schweizerischen Gerichten berechtigt sind, dient der Sicherung der Qualität der Vertretung. Durch diese Beschränkung soll sichergestellt werden, dass die im Anwaltsgesetz vorgesehenen Qualitätssicherungsmassregeln in Verfahren, die der ZPO unterstehen, zum Zuge kommen, wenn der Vertreter "berufsmässig" auftritt. Bei diesen Massregeln handelt es sich um Verschiedenes: Zunächst werden Anforderungen an die Anwälte hinsichtlich ihrer Ausbildung ( Art. 7 BGFA ) und weiterer persönlicher Eigenschaften, wie ihrer finanziellen Situation oder dem Fehlen bestimmter strafrechtlicher Verurteilungen ( Art. 8 BGFA ), gestellt. Sodann legt das Anwaltsgesetz die von ihnen einzuhaltenden Berufsregeln ( Art. 12 BGFA ) fest, regelt das Berufsgeheimnis ( Art. 13 BGFA ) und schliesslich die Aufsicht, der die Anwälte unterstehen ( Art. 14 ff. BGFA ). Diese Regeln sind insbesondere im Interesse der vertretenen Parteien aufgestellt worden (vgl. STERCHI, a.a.O., N. 3 zu Art. 68 ZPO ). Damit sie ihre Schutzwirkung entfalten können, ist bei der Zulassung von Vertretern, die diesen Ansprüchen nicht genügen, eine gewisse Zurückhaltung angezeigt, soweit die ZPO hiezu Spielraum bietet (vgl. GASSER/RICKLI, Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], 2. Aufl. BGE 140 III 555 S. 560 2014, N. 2 zu Art. 68 ZPO ; LAURA JACQUEMOUD-ROSSARI, Les parties et les actes des parties; le défaut, la notification et les délais, in: Le projet de code de procédure civile fédérale, 2008, S. 82 f.; FRANÇOIS BOHNET, in: CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, N. 12 zu Art. 68 ZPO ). Vor diesem Hintergrund kann es für die Auslegung des Begriffs der berufsmässigen Vertretung nicht entscheidend darauf ankommen, ob der Vertreter seine Tätigkeit gegen Entgelt oder zu Erwerbszwecken ausübt. Ein Schutzbedürfnis des Publikums besteht bereits dann, wenn der Vertreter bereit ist, in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen tätig zu werden. Darauf kann - wie vorliegend - dann geschlossen werden, wenn er bereit ist, die Vertretung ohne besondere Beziehungsnähe zum Vertretenen zu übernehmen. In solchen Fällen gründet das Vertrauen in den Vertreter nicht auf seiner Person oder seiner Nähe zum Vertretenen, sondern auf anderen Eigenschaften des Vertreters (z.B. seine behauptete Fachkompetenz, Mitgliedschaft in Interessenverbänden etc.) und damit auf ähnlichen Kriterien wie bei der Auswahl eines Berufsmanns bzw. einer Berufsfrau. Da das Element des persönlichen Näheverhältnisses nicht im Vordergrund steht, rechtfertigt es sich, solche Vertreter den Restriktionen für berufsmässige Vertreter zu unterwerfen. Folglich hat das Obergericht kein Bundesrecht verletzt, wenn es C. nicht als Vertreter des Beschwerdeführers zugelassen hat.
Art. 68 Abs. 2 lit. a ZPO Art. 7 BGFA Art. 8 BGFA Art. 12 BGFA Art. 13 BGFA Art. 14 ff. BGFA Art. 68 ZPO BGE 140 III 555 S. 560
Art. 68 ZPO Art. 68 ZPO Mit alldem ist nichts dazu gesagt, ob es zulässig wäre, sich an die Verhandlung durch eine solche Person begleiten zu lassen, ohne dass sie eine Vertretungsfunktion ausübt (vgl. TENCHIO, a.a.O., N. 1b zu Art. 68 ZPO ). Der Beschwerdeführer macht zwar am Rande geltend, es sei ihm einerlei, ob C. als Vertreter oder Begleitperson zugelassen werde. Seine Kritik gegen die Nichtzulassung von C. als Begleitperson richtet sich jedoch gegen den bezirksgerichtlichen Entscheid. Er macht nicht geltend, dass er Entsprechendes auch vor Obergericht vorgebracht hätte, und das Obergericht hat sich zu dieser Frage denn auch nicht geäussert. Darauf ist deshalb vor Bundesgericht nicht einzugehen.
Art. 68 ZPO Von Rechtsverweigerung oder einer Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die Nichtzulassung von C. als Vertreter kann schliesslich keine Rede sein. Es besteht kein verfassungsmässiges Recht, sich durch beliebige Personen vertreten zu lassen. Dem Beschwerdeführer steht es frei, seine Sache selber zu vertreten oder sich durch eine zulässige Vertrauensperson oder einen Anwalt vertreten zu lassen. Dass er generell kein Vertrauen in Anwälte hat, wie er geltend macht, BGE 140 III 555 S. 561 vermag an der gesetzlichen Ordnung der Prozessvertretung nichts zu ändern. Soweit er die Kosten einer berufsmässigen Vertretung scheut, so ist er auf die unentgeltliche Rechtspflege zu verweisen, die ihm bei gegebenen Voraussetzungen den Beizug eines unentgeltlichen Rechtsbeistands ermöglicht.
BGE 140 III 555 S. 561
2.4 Die Beschwerde ist folglich abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann.
2.4
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Urteilskopf 140 III 561 82. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A. contre Communauté des propriétaires d'étages de l'immeuble B. (recours en matière civile) 5A_44/2014 du 10 novembre 2014 Regeste Art. 209 Abs. 4 zweiter Satz ZPO; Frist zur Einreichung der Klage nach Erteilung der Klagebewilligung. Mit den "weiteren besonderen gesetzlichen Klagefristen", welche in Art. 209 Abs. 4 zweiter Satz ZPO vorbehalten werden, sind Fristen prozessualer Natur gemeint (E. 2). Sachverhalt ab Seite 561 BGE 140 III 561 S. 561 A. Par acte authentique instrumenté le 19 octobre 1972, A. a constitué la propriété par étages (PPE) "B."sur l'immeuble feuillet n° 8465 sis à X. Il est propriétaire d'une unité d'étage représentant 12/1000 de l'immeuble de base. Le 3 mars 2011, lors de l'assemblée générale ordinaire, les propriétaires d'étages, tous présents ou représentés, ont rendu une décision modifiant l'attribution des places de parc. A. a voté contre cette décision. B. Le 1 er avril 2011, A. a déposé une requête en conciliation auprès du juge de commune de X., concluant à l'annulation de la décision. La tentative de conciliation a échoué; une autorisation de procéder a été délivrée au demandeur le 11 mai 2011. BGE 140 III 561 S. 562 Le 28 juillet 2011, A. a ouvert action contre la Communauté des propriétaires d'étages de l'immeuble "B." (ci-après: la Communauté). Par jugement du 8 novembre 2012, la juge II du district de Sierre a admis la demande et annulé la décision litigieuse. Statuant le 26 novembre 2013 sur appel de la Communauté, le Tribunal cantonal du canton du Valais l'a admis, rejetant ainsi la demande déposée le 28 juillet 2011 par A. C. Saisi d'un recours en matière civile de A., le Tribunal fédéral a statué par arrêt du 10 novembre 2014. (résumé) Erwägungen Extrait des considérants: 2. Dans ses déterminations, l'intimée revient sur le délai dans lequel le recourant a porté son action devant le tribunal, après l'échec de la tentative de conciliation. Même si elle ne le mentionne pas expressément, elle entend ainsi soutenir, en invoquant l' art. 209 al. 4 CPC, que dite demande aurait été déposée tardivement et que le Tribunal cantonal n'aurait en conséquence pas dû entrer en matière. 2.1 La cour cantonale a retenu que, le 1 er avril 2011, à savoir dans le délai péremptoire d'un mois posé par l' art. 75 CC (applicable par renvoi de l' art. 712m al. 2 CC ), le recourant avait déposé une requête en conciliation auprès du juge de commune de X. Suite à l'échec de la conciliation, une autorisation de procéder lui avait été délivrée le 11 mai 2011, autorisation reproduisant le texte de l' art. 209 al. 3 CPC en vertu duquel "le demandeur est en droit de porter l'action devant le tribunal dans un délai de trois mois à compter de la délivrance de l'autorisation de procéder". Le recourant avait déposé sa demande dans ce délai ordinaire de 3 mois, soit le 28 juillet 2011. Le Tribunal cantonal a ensuite noté que la portée de l'art. 209 al. 4 seconde phrase CPC, qui prévoit une exception au respect du délai de 3 mois pour ouvrir action sur le fond en réservant les "autres délais d'action légaux ou judiciaires", faisait l'objet de controverses doctrinales et que son interprétation n'avait jamais donné lieu à un arrêt du Tribunal fédéral, à tout le moins publié. La juridiction cantonale en a conclu que le recourant, même assisté d'un homme de loi, pouvait de bonne foi partir du principe que s'appliquait non pas le délai d'un mois prévu par le droit matériel ( art. 75 CC ) sur renvoi de l'art. 209 al. 4 seconde phrase CPC, mais le délai de 3 mois prévu par l' art. 209 al. 3 CPC, dont la teneur avait été reproduite dans l'autorisation de BGE 140 III 561 S. 563 procéder et correspondait à la règle générale. Protégé par le principe de la confiance, il avait ainsi agi en temps utile. 2.2 Lorsque la tentative de conciliation n'aboutit pas, l'autorité de conciliation consigne l'échec au procès-verbal et délivre l'autorisation de procéder ( art. 209 al. 1 CPC ). Le demandeur est alors en droit de porter l'action devant le tribunal dans un délai de trois mois à compter de la délivrance de cette autorisation ( art. 209 al. 3 CPC ). L' art. 209 al. 4 CPC prévoit toutefois que ce délai est de 30 jours dans les litiges relatifs aux baux à loyer ou à ferme d'habitations ou de locaux commerciaux et aux baux à ferme agricoles (1 re phrase), les autres délais d'action légaux ou judiciaires prévus dans les dispositions spéciales étant réservés (seconde phrase). 2.2.1 Il convient d'abord de noter que la réserve concernant les autres délais "judiciaires" est dépourvue de toute portée, les Chambres fédérales ayant en effet finalement décidé que le préalable de conciliation n'avait pas lieu lorsque le délai pour le dépôt de la demande était fixé par le tribunal ( art. 198 let. h CPC; BOHNET, in CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, n° 14 ad art. 209 CPC [ci-après:Commentaire]; SUTTER-SOMM, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2 e éd. 2012, n. 971 [ci-après: Zivilprozessrecht]; STAEHELIN ET AL., Zivilprozessrecht, 2 e éd. 2013, § 20 n. 34). 2.2.2 Quant aux délais d'actions légaux réservés par l'art. 209 al. 4 seconde phrase CPC, il s'agit de déterminer s'ils visent non seulement les délais d'action de nature procédurale ( prozessuale Prosequierungsfristen ), à savoir les délais dans lesquels les parties doivent accomplir leurs actes de procédure autres que l'acte d'ouverture d'action (HOHL, Procédure civile, Tome II, 2 e éd. 2010, n. 772 [ci-après:Tome II]), mais aussi les délais de péremption fixés par le droit matériel ( Verwirkungsfrist ), tel le délai de l'action en annulation au sens de l' art. 75 CC. 2.2.2.1 Le Tribunal de céans n'a jamais encore été amené à trancher cette question et la doctrine est divisée sur ce point. Certains auteurs affirment, sans toutefois l'expliquer, que la réserve aménagée par l' art. 209 al. 4 CPC porte tant sur les délais d'action procéduraux du droit fédéral que sur les délais d'action de droit matériel (SUTTER-SOMM, Zivilprozessrecht, n. 971 ss; le même, Das Schlichtungsverfahren der ZPO: Ausgewählte Problempunkte, RSPC 2012 p. 69 ss, 79 ss; STAEHELIN ET AL., op. cit., § 20 n. 34; TREZZINI, in Commentario al Codice di diritto processuale civile svizzero [CPC] del BGE 140 III 561 S. 564 19 dicembre 2008, 2011, p. 940; SCHMID, Praktische Fragen zum Schlichtungsverfahren, PCEF 2011/2012 p. 182 ss, 185). Pour d'autres auteurs, l'exception posée par l' art. 209 al. 4 CPC vise en revanche uniquement les délais d'action procéduraux du droit fédéral, à l'exclusion des délais d'action de droit matériel (après une longue analyse: SPAHR, Zur Gültigkeitsdauer der Klagebewilligung, RSJ 109/ 2013 p. 273 ss; BOHNET, L'action en annulation du droit de la société anonyme [...], in Quelques actions en annulation, 2007, n. 97; le même, Actions civiles, Conditions et conclusions, 2014, § 47 n. 7; HONEGGER, in Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung[ZPO], Sutter-Somm et al. [éd.], 2 e éd. 2013, n° 11 ad art. 209 CPC ; plus réservés: ALVAREZ/PETER, in Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, vol. II, 2012, n° 11 ad art. 209 CPC ; implicitement: EGLI, in Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunneret al. [éd.], 2011, n° 20 ad art. 209 CPC ). 2.2.2.2 Les travaux législatifs ne permettent pas de dégager l'interprétation à donner à la réserve de l' art. 209 al. 4 CPC. Pour illustrer celle-ci, le Conseil fédéral citait l'action en libération de dette ( art. 83 al. 2 LP ), l'action en validation de mesures provisionnelles avant la litispendance ( art. 263 CPC ) et l'action en validation du séquestre ( art. 279 LP ; Message du 28 juin 2006 relatif au code de procédure civile suisse [CPC], FF 2006 6841 ss, 6941). A l'exception de l'action en validation du séquestre, les deux autres exemples invoqués n'ont toutefois aucune portée dès lors que tant l'action en validation des mesures provisionnelles que celle en libération de dette ne sontpas soumises à la conciliation préalable et doivent ainsi être portées directement devant le tribunal ( art. 198 let. a et art. 198 let. e ch. 1 CPC; INFANGER, in Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2 e éd. 2013, n° 24 ad art. 209 CPC ; HONEGGER, op. cit., n° 11 ad art. 209 CPC ; ALVAREZ/PETER, op. cit., n° 11 ad art. 209 CPC ; TAPPY/NOVIER, La procédure de conciliation et la médiation dans le Code de procédure civile suisse [ art. 197-218 CPC ], in Il Codice didiritto processuale civile svizzero, 2011, p. 81 ss, 130). Il n'en demeure pas moins que les exemples donnés constituent tous des délais de procédure, l'absence de référence à des délais de droit matériel pouvant ainsi constituer un indice que le législateur entendait précisément les exclure (SPAHR, op. cit., p. 276). L'adoption de l'art. 209 al. 4 seconde phrase CPC n'a par ailleurs fait l'objet d'aucune discussion devant les Chambres fédérales (cf. BO 2007 CE 523; BO 2008 CN 956 ss; BO 2008 CE 728). BGE 140 III 561 S. 565 2.2.2.3 En 2009, saisi d'un recours déposé dans le cadre d'une action en annulation d'une décision d'une association ( art. 75 CC ), le Tribunal fédéral a été appelé à se prononcer sur l'interprétation à donner à l' art. 153 CPC /BE, dont l'al. 3 prévoyait un délai ordinaire de 6 mois pour introduire action en cas d'échec de la tentative de conciliation préalable, tandis que l'al. 4 faisait exception à cette règle en prévoyant que "dans les litiges qui ont pour objet des prétentions liées à un délai de péremption inférieur à 6 mois, le délai pour le dépôt du mémoire demande est réduit à la durée du délai de péremption" ( ATF 135 III 489 consid. 3). Remarquant que l' art. 153 al. 4 CPC /BE était d'une teneur "pratiquement identique" à celle de l' art. 209 al. 4 CPC non encore entré en vigueur ( ATF 135 III 489 consid. 6.2), le Tribunal de céans est parvenu à la conclusion, en se référant essentiellement aux termes clairs utilisés par la loi de procédure cantonale, que lorsque l'action doit s'exercer dans un délai péremptoire inférieur à 6 mois, il faut déposer la requête en conciliation dans ce délai et également agir en justice dans ce délai plus court à compter de la réception de l'autorisation d'introduire l'instance ( ATF 135 III 489 consid. 3.4). Les termes de l' art. 153 al. 4 CPC /BE et de l' art. 209 al. 4 CPC ne sont toutefois pas les mêmes, de sorte que la référence à l' ATF 135 III 489 ne permet pas d'interpréter la réserve posée par le droit de procédure civile fédéral à l'art. 209 al. 4 seconde phrase CPC (cf. ALVAREZ/PETER, op. cit., n° 11 ad art. 209 CPC, qui soulignent la différence des termes utilisés dans les versions cantonale et fédérale et HONEGGER, op. cit., n° 11 ad art. 209 CPC ; d'un avis contraire: CARRON/REETZ, Le nouveau CPC en droit de la construction: quelques forages juridiques, in Journées suisses du droit de la construction, 2011, p. 83 ss, 97 s. qui interprètent l' art. 209 al. 4 CPC en se référant à l'ATF 135 précité). 2.2.2.4 L'exception réservée par l'art. 209 al. 4 seconde phrase CPC doit en réalité être interprétée en lien avec les art. 62 ss CPC. Le dépôt de la requête en conciliation, acte introductif d'instance, crée la litispendance ( art. 62 al. 1 CPC ; ce qui n'était pas le cas sous le régime du Code de procédure civile du canton de Berne, selon lequel la litispendance était créée par le dépôt de la demande [art. 160 al. 1CPC/BE]) et entraîne l'ouverture d'action du droit matériel ( art. 64 al. 2 CPC ; arrêt 4A_592/2013 du 4 mars 2014 consid. 3.2). Les délais de péremption et de prescription sont ainsi sauvegardés par le fait d'entamer un procès (arrêt 4A_592/2013 précité ibid.;HOHL, BGE 140 III 561 S. 566 Tome II, n. 1135 ss; BOHNET, Commentaire, n° 11 ad art. 64 CPC ; INFANGER, op. cit., n os 34 ss ad art. 64 CPC ; SUTTER-SOMM/HEDINGER, in Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm et al. [éd.], 2 e éd. 2013, n° 17 ad art. 64 CPC ; SPAHR, op. cit., p. 277), le respect du délai de péremption étant néanmoins soumis à la condition que le requérant ne laisse pas l'instance se périmer et la poursuive en déposant sa demande dans le délai fixé par l' art. 209 al. 3 et 4 CPC (HOHL, Tome II, n. 1138; TAPPY/NOVIER, op. cit., p. 95). Si tel n'est pas le cas, soit le délai de péremption n'est pas encore échu et rien n'empêchera le demandeur d'introduire une nouvelle instance - pour laquelle il faudra cependant le cas échéant une nouvelle procédure de conciliation -, soit ce délai est passé et le droit litigieux est alors définitivement perdu (TAPPY/NOVIER, ibid.; HOHL, Procédure civile, Tome I, 2 e éd. 2001, n. 191 s.). Le délai prévu par l' art. 209 al. 3 et 4 CPC, dès lors qu'il est fixé au demandeur pour poursuivre l'instance introduite par sa requête en conciliation, constitue manifestement un délai de procédure régi par le CPC (HOHL, Tome II, n. 862; cf. également dans ce sens la position exprimée par le canton de Berne, in Classement des réponses à la procédure de consultation de l'Avant-projet relatif à une loi fédérale sur la procédure civile suisse [PCS], p. 526 s.; l'on ne décèle aucune volonté d'aller dans l'autre sens dans les autres observations); il démontre donc bien qu'une fois l'instance introduite, la litispendance créée et le délai d'action de droit matériel ainsi sauvegardé, c'est le droit procédural qui mène le procès (cf. SPAHR, op. cit., p. 277). Dans ces conditions, il faut donc en déduire que la réserve introduite par l' art. 209 al. 4 CPC ne peut renvoyer qu'à des délais procéduraux, et non à des délais de droit matériel fédéral. 2.3 Dès lors que l' art. 75 CC n'est pas visé par la réserve de l' art. 209 al. 4 CPC, il faut admettre que le recourant a agi dans les délais en saisissant le tribunal dans les trois mois suivant l'échec de la tentative de conciliation ( art. 209 al. 3 CPC ).
Urteilskopf
82. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A. contre Communauté des propriétaires d'étages de l'immeuble B. (recours en matière civile)
5A_44/2014 du 10 novembre 2014
Regeste Art. 209 Abs. 4 zweiter Satz ZPO; Frist zur Einreichung der Klage nach Erteilung der Klagebewilligung. Mit den "weiteren besonderen gesetzlichen Klagefristen", welche in Art. 209 Abs. 4 zweiter Satz ZPO vorbehalten werden, sind Fristen prozessualer Natur gemeint (E. 2).
Regeste
Art. 209 Abs. 4 zweiter Satz ZPO; Frist zur Einreichung der Klage nach Erteilung der Klagebewilligung. Mit den "weiteren besonderen gesetzlichen Klagefristen", welche in Art. 209 Abs. 4 zweiter Satz ZPO vorbehalten werden, sind Fristen prozessualer Natur gemeint (E. 2).
Mit den "weiteren besonderen gesetzlichen Klagefristen", welche in Art. 209 Abs. 4 zweiter Satz ZPO vorbehalten werden, sind Fristen prozessualer Natur gemeint (E. 2).
Sachverhalt ab Seite 561
Sachverhalt ab Seite 561 BGE 140 III 561 S. 561
BGE 140 III 561 S. 561
A. Par acte authentique instrumenté le 19 octobre 1972, A. a constitué la propriété par étages (PPE) "B."sur l'immeuble feuillet n° 8465 sis à X. Il est propriétaire d'une unité d'étage représentant 12/1000 de l'immeuble de base.
A. Le 3 mars 2011, lors de l'assemblée générale ordinaire, les propriétaires d'étages, tous présents ou représentés, ont rendu une décision modifiant l'attribution des places de parc. A. a voté contre cette décision.
B. Le 1 er avril 2011, A. a déposé une requête en conciliation auprès du juge de commune de X., concluant à l'annulation de la décision. La tentative de conciliation a échoué; une autorisation de procéder a été délivrée au demandeur le 11 mai 2011. BGE 140 III 561 S. 562
B. BGE 140 III 561 S. 562
Le 28 juillet 2011, A. a ouvert action contre la Communauté des propriétaires d'étages de l'immeuble "B." (ci-après: la Communauté).
Par jugement du 8 novembre 2012, la juge II du district de Sierre a admis la demande et annulé la décision litigieuse. Statuant le 26 novembre 2013 sur appel de la Communauté, le Tribunal cantonal du canton du Valais l'a admis, rejetant ainsi la demande déposée le 28 juillet 2011 par A.
C. Saisi d'un recours en matière civile de A., le Tribunal fédéral a statué par arrêt du 10 novembre 2014.
C. (résumé)
Erwägungen
Erwägungen Extrait des considérants:
2. Dans ses déterminations, l'intimée revient sur le délai dans lequel le recourant a porté son action devant le tribunal, après l'échec de la tentative de conciliation. Même si elle ne le mentionne pas expressément, elle entend ainsi soutenir, en invoquant l' art. 209 al. 4 CPC, que dite demande aurait été déposée tardivement et que le Tribunal cantonal n'aurait en conséquence pas dû entrer en matière.
2. art. 209 al. 4 CPC 2.1 La cour cantonale a retenu que, le 1 er avril 2011, à savoir dans le délai péremptoire d'un mois posé par l' art. 75 CC (applicable par renvoi de l' art. 712m al. 2 CC ), le recourant avait déposé une requête en conciliation auprès du juge de commune de X. Suite à l'échec de la conciliation, une autorisation de procéder lui avait été délivrée le 11 mai 2011, autorisation reproduisant le texte de l' art. 209 al. 3 CPC en vertu duquel "le demandeur est en droit de porter l'action devant le tribunal dans un délai de trois mois à compter de la délivrance de l'autorisation de procéder". Le recourant avait déposé sa demande dans ce délai ordinaire de 3 mois, soit le 28 juillet 2011. Le Tribunal cantonal a ensuite noté que la portée de l'art. 209 al. 4 seconde phrase CPC, qui prévoit une exception au respect du délai de 3 mois pour ouvrir action sur le fond en réservant les "autres délais d'action légaux ou judiciaires", faisait l'objet de controverses doctrinales et que son interprétation n'avait jamais donné lieu à un arrêt du Tribunal fédéral, à tout le moins publié. La juridiction cantonale en a conclu que le recourant, même assisté d'un homme de loi, pouvait de bonne foi partir du principe que s'appliquait non pas le délai d'un mois prévu par le droit matériel ( art. 75 CC ) sur renvoi de l'art. 209 al. 4 seconde phrase CPC, mais le délai de 3 mois prévu par l' art. 209 al. 3 CPC, dont la teneur avait été reproduite dans l'autorisation de BGE 140 III 561 S. 563 procéder et correspondait à la règle générale. Protégé par le principe de la confiance, il avait ainsi agi en temps utile.
2.1 art. 75 CC art. 712m al. 2 CC art. 209 al. 3 CPC art. 75 CC art. 209 al. 3 CPC BGE 140 III 561 S. 563
2.2 Lorsque la tentative de conciliation n'aboutit pas, l'autorité de conciliation consigne l'échec au procès-verbal et délivre l'autorisation de procéder ( art. 209 al. 1 CPC ). Le demandeur est alors en droit de porter l'action devant le tribunal dans un délai de trois mois à compter de la délivrance de cette autorisation ( art. 209 al. 3 CPC ). L' art. 209 al. 4 CPC prévoit toutefois que ce délai est de 30 jours dans les litiges relatifs aux baux à loyer ou à ferme d'habitations ou de locaux commerciaux et aux baux à ferme agricoles (1 re phrase), les autres délais d'action légaux ou judiciaires prévus dans les dispositions spéciales étant réservés (seconde phrase).
2.2 art. 209 al. 1 CPC art. 209 al. 3 CPC art. 209 al. 4 CPC 2.2.1 Il convient d'abord de noter que la réserve concernant les autres délais "judiciaires" est dépourvue de toute portée, les Chambres fédérales ayant en effet finalement décidé que le préalable de conciliation n'avait pas lieu lorsque le délai pour le dépôt de la demande était fixé par le tribunal ( art. 198 let. h CPC; BOHNET, in CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, n° 14 ad art. 209 CPC [ci-après:Commentaire]; SUTTER-SOMM, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2 e éd. 2012, n. 971 [ci-après: Zivilprozessrecht]; STAEHELIN ET AL., Zivilprozessrecht, 2 e éd. 2013, § 20 n. 34).
2.2.1 art. 198 let art. 209 CPC 2.2.2 Quant aux délais d'actions légaux réservés par l'art. 209 al. 4 seconde phrase CPC, il s'agit de déterminer s'ils visent non seulement les délais d'action de nature procédurale ( prozessuale Prosequierungsfristen ), à savoir les délais dans lesquels les parties doivent accomplir leurs actes de procédure autres que l'acte d'ouverture d'action (HOHL, Procédure civile, Tome II, 2 e éd. 2010, n. 772 [ci-après:Tome II]), mais aussi les délais de péremption fixés par le droit matériel ( Verwirkungsfrist ), tel le délai de l'action en annulation au sens de l' art. 75 CC.
2.2.2 art. 75 CC 2.2.2.1 Le Tribunal de céans n'a jamais encore été amené à trancher cette question et la doctrine est divisée sur ce point. Certains auteurs affirment, sans toutefois l'expliquer, que la réserve aménagée par l' art. 209 al. 4 CPC porte tant sur les délais d'action procéduraux du droit fédéral que sur les délais d'action de droit matériel (SUTTER-SOMM, Zivilprozessrecht, n. 971 ss; le même, Das Schlichtungsverfahren der ZPO: Ausgewählte Problempunkte, RSPC 2012 p. 69 ss, 79 ss; STAEHELIN ET AL., op. cit., § 20 n. 34; TREZZINI, in Commentario al Codice di diritto processuale civile svizzero [CPC] del BGE 140 III 561 S. 564 19 dicembre 2008, 2011, p. 940; SCHMID, Praktische Fragen zum Schlichtungsverfahren, PCEF 2011/2012 p. 182 ss, 185). Pour d'autres auteurs, l'exception posée par l' art. 209 al. 4 CPC vise en revanche uniquement les délais d'action procéduraux du droit fédéral, à l'exclusion des délais d'action de droit matériel (après une longue analyse: SPAHR, Zur Gültigkeitsdauer der Klagebewilligung, RSJ 109/ 2013 p. 273 ss; BOHNET, L'action en annulation du droit de la société anonyme [...], in Quelques actions en annulation, 2007, n. 97; le même, Actions civiles, Conditions et conclusions, 2014, § 47 n. 7; HONEGGER, in Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung[ZPO], Sutter-Somm et al. [éd.], 2 e éd. 2013, n° 11 ad art. 209 CPC ; plus réservés: ALVAREZ/PETER, in Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, vol. II, 2012, n° 11 ad art. 209 CPC ; implicitement: EGLI, in Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunneret al. [éd.], 2011, n° 20 ad art. 209 CPC ).
2.2.2.1 art. 209 al. 4 CPC BGE 140 III 561 S. 564
art. 209 al. 4 CPC art. 209 CPC art. 209 CPC art. 209 CPC 2.2.2.2 Les travaux législatifs ne permettent pas de dégager l'interprétation à donner à la réserve de l' art. 209 al. 4 CPC. Pour illustrer celle-ci, le Conseil fédéral citait l'action en libération de dette ( art. 83 al. 2 LP ), l'action en validation de mesures provisionnelles avant la litispendance ( art. 263 CPC ) et l'action en validation du séquestre ( art. 279 LP ; Message du 28 juin 2006 relatif au code de procédure civile suisse [CPC], FF 2006 6841 ss, 6941). A l'exception de l'action en validation du séquestre, les deux autres exemples invoqués n'ont toutefois aucune portée dès lors que tant l'action en validation des mesures provisionnelles que celle en libération de dette ne sontpas soumises à la conciliation préalable et doivent ainsi être portées directement devant le tribunal ( art. 198 let. a et art. 198 let. e ch. 1 CPC; INFANGER, in Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2 e éd. 2013, n° 24 ad art. 209 CPC ; HONEGGER, op. cit., n° 11 ad art. 209 CPC ; ALVAREZ/PETER, op. cit., n° 11 ad art. 209 CPC ; TAPPY/NOVIER, La procédure de conciliation et la médiation dans le Code de procédure civile suisse [ art. 197-218 CPC ], in Il Codice didiritto processuale civile svizzero, 2011, p. 81 ss, 130). Il n'en demeure pas moins que les exemples donnés constituent tous des délais de procédure, l'absence de référence à des délais de droit matériel pouvant ainsi constituer un indice que le législateur entendait précisément les exclure (SPAHR, op. cit., p. 276).
2.2.2.2 art. 209 al. 4 CPC art. 83 al. 2 LP art. 263 CPC art. 279 LP art. 198 let. a et art. 198 let art. 209 CPC art. 209 CPC art. 209 CPC art. 197-218 CPC L'adoption de l'art. 209 al. 4 seconde phrase CPC n'a par ailleurs fait l'objet d'aucune discussion devant les Chambres fédérales (cf. BO 2007 CE 523; BO 2008 CN 956 ss; BO 2008 CE 728). BGE 140 III 561 S. 565
BGE 140 III 561 S. 565
2.2.2.3 En 2009, saisi d'un recours déposé dans le cadre d'une action en annulation d'une décision d'une association ( art. 75 CC ), le Tribunal fédéral a été appelé à se prononcer sur l'interprétation à donner à l' art. 153 CPC /BE, dont l'al. 3 prévoyait un délai ordinaire de 6 mois pour introduire action en cas d'échec de la tentative de conciliation préalable, tandis que l'al. 4 faisait exception à cette règle en prévoyant que "dans les litiges qui ont pour objet des prétentions liées à un délai de péremption inférieur à 6 mois, le délai pour le dépôt du mémoire demande est réduit à la durée du délai de péremption" ( ATF 135 III 489 consid. 3). Remarquant que l' art. 153 al. 4 CPC /BE était d'une teneur "pratiquement identique" à celle de l' art. 209 al. 4 CPC non encore entré en vigueur ( ATF 135 III 489 consid. 6.2), le Tribunal de céans est parvenu à la conclusion, en se référant essentiellement aux termes clairs utilisés par la loi de procédure cantonale, que lorsque l'action doit s'exercer dans un délai péremptoire inférieur à 6 mois, il faut déposer la requête en conciliation dans ce délai et également agir en justice dans ce délai plus court à compter de la réception de l'autorisation d'introduire l'instance ( ATF 135 III 489 consid. 3.4).
2.2.2.3 art. 75 CC art. 153 CPC art. 153 al. 4 CPC art. 209 al. 4 CPC Les termes de l' art. 153 al. 4 CPC /BE et de l' art. 209 al. 4 CPC ne sont toutefois pas les mêmes, de sorte que la référence à l' ATF 135 III 489 ne permet pas d'interpréter la réserve posée par le droit de procédure civile fédéral à l'art. 209 al. 4 seconde phrase CPC (cf. ALVAREZ/PETER, op. cit., n° 11 ad art. 209 CPC, qui soulignent la différence des termes utilisés dans les versions cantonale et fédérale et HONEGGER, op. cit., n° 11 ad art. 209 CPC ; d'un avis contraire: CARRON/REETZ, Le nouveau CPC en droit de la construction: quelques forages juridiques, in Journées suisses du droit de la construction, 2011, p. 83 ss, 97 s. qui interprètent l' art. 209 al. 4 CPC en se référant à l'ATF 135 précité). art. 153 al. 4 CPC art. 209 al. 4 CPC art. 209 CPC art. 209 CPC art. 209 al. 4 CPC 2.2.2.4 L'exception réservée par l'art. 209 al. 4 seconde phrase CPC doit en réalité être interprétée en lien avec les art. 62 ss CPC. Le dépôt de la requête en conciliation, acte introductif d'instance, crée la litispendance ( art. 62 al. 1 CPC ; ce qui n'était pas le cas sous le régime du Code de procédure civile du canton de Berne, selon lequel la litispendance était créée par le dépôt de la demande [art. 160 al. 1CPC/BE]) et entraîne l'ouverture d'action du droit matériel ( art. 64 al. 2 CPC ; arrêt 4A_592/2013 du 4 mars 2014 consid. 3.2). Les délais de péremption et de prescription sont ainsi sauvegardés par le fait d'entamer un procès (arrêt 4A_592/2013 précité ibid.;HOHL, BGE 140 III 561 S. 566 Tome II, n. 1135 ss; BOHNET, Commentaire, n° 11 ad art. 64 CPC ; INFANGER, op. cit., n os 34 ss ad art. 64 CPC ; SUTTER-SOMM/HEDINGER, in Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm et al. [éd.], 2 e éd. 2013, n° 17 ad art. 64 CPC ; SPAHR, op. cit., p. 277), le respect du délai de péremption étant néanmoins soumis à la condition que le requérant ne laisse pas l'instance se périmer et la poursuive en déposant sa demande dans le délai fixé par l' art. 209 al. 3 et 4 CPC (HOHL, Tome II, n. 1138; TAPPY/NOVIER, op. cit., p. 95). Si tel n'est pas le cas, soit le délai de péremption n'est pas encore échu et rien n'empêchera le demandeur d'introduire une nouvelle instance - pour laquelle il faudra cependant le cas échéant une nouvelle procédure de conciliation -, soit ce délai est passé et le droit litigieux est alors définitivement perdu (TAPPY/NOVIER, ibid.; HOHL, Procédure civile, Tome I, 2 e éd. 2001, n. 191 s.). Le délai prévu par l' art. 209 al. 3 et 4 CPC, dès lors qu'il est fixé au demandeur pour poursuivre l'instance introduite par sa requête en conciliation, constitue manifestement un délai de procédure régi par le CPC (HOHL, Tome II, n. 862; cf. également dans ce sens la position exprimée par le canton de Berne, in Classement des réponses à la procédure de consultation de l'Avant-projet relatif à une loi fédérale sur la procédure civile suisse [PCS], p. 526 s.; l'on ne décèle aucune volonté d'aller dans l'autre sens dans les autres observations); il démontre donc bien qu'une fois l'instance introduite, la litispendance créée et le délai d'action de droit matériel ainsi sauvegardé, c'est le droit procédural qui mène le procès (cf. SPAHR, op. cit., p. 277). Dans ces conditions, il faut donc en déduire que la réserve introduite par l' art. 209 al. 4 CPC ne peut renvoyer qu'à des délais procéduraux, et non à des délais de droit matériel fédéral.
2.2.2.4 art. 62 ss CPC art. 62 al. 1 CPC art. 64 al. 2 CPC BGE 140 III 561 S. 566
art. 64 CPC art. 64 CPC art. 64 CPC art. 209 al. 3 et 4 CPC art. 209 al. 3 et 4 CPC art. 209 al. 4 CPC 2.3 Dès lors que l' art. 75 CC n'est pas visé par la réserve de l' art. 209 al. 4 CPC, il faut admettre que le recourant a agi dans les délais en saisissant le tribunal dans les trois mois suivant l'échec de la tentative de conciliation ( art. 209 al. 3 CPC ).
2.3 art. 75 CC art. 209 al. 4 CPC art. 209 al. 3 CPC
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Urteilskopf 140 III 567 83. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen B. (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_487/2014 vom 27. Oktober 2014 Regeste Art. 75 und 265a SchKG ; Rechtsvorschlag. Grundsätze zur Auslegung des Rechtsvorschlages als Bestreitung der Schuld und als Einrede des fehlenden neuen Vermögens (E. 2). Sachverhalt ab Seite 567 BGE 140 III 567 S. 567 A. A.a In der von der A. AG beim Betreibungsamt Oberland, Dienststelle Oberland West, gestützt auf einen Konkursverlustschein vom 4. Februar 2000 angehobenen Betreibung Nr. x über den Betrag von Fr. 2'175.25 sowie für den Verzugsschaden von Fr. 260.75 erhob B. am 21. August 2013 Rechtsvorschlag mit dem Vermerk "Rechtsvorschlag kein neues Vermögen". A.b Das Betreibungsamt forderte den Betriebenen daraufhin auf, seinen Rechtsvorschlag zu präzisieren und insbesondere mitzuteilen, ob er sich einzig auf die Einrede neuen Vermögens beziehe oder ob auch die in Betreibung gesetzte Forderung bestritten werde. B. reagierte nicht auf dieses Schreiben, worauf das Betreibungsamt den Rechtsvorschlag dem Regionalgericht Oberland vorlegte. Mit Entscheid vom 7. November 2013 bewilligte die Gerichtspräsidentin den Rechtsvorschlag im Umfang von Fr. 2'175.25 nicht und stellte fest, dass neues Vermögen in dieser Höhe vorhanden sei. A.c Am 13. Dezember 2013 stellte die A. AG das Fortsetzungsbegehren, welchem das Betreibungsamt keine Folge gab, da der ordentliche Rechtsvorschlag nicht beseitigt worden sei. BGE 140 III 567 S. 568 B. Am 23. Januar 2014 wandte sich die A. AG an das Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, und verlangte die Anweisung an das Betreibungsamt, dem Fortsetzungsbegehren unverzüglich Folge zu geben. Sie stellte sich auf den Standpunkt, dass kein vorgängiges Rechtsöffnungsverfahren notwendig sei, da der Betriebene die Forderung nicht bestritten habe. Die betreibungsrechtliche Beschwerde wurde am 30. Mai 2014 abgewiesen. Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 13. Juni 2014 ist die A. AG an das Bundesgericht gelangt. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung des obergerichtlichen Entscheides und erneuert ihren Antrag, dass dem Fortsetzungsbegehren unverzüglich Folge zu leisten sei. Eventualiter sei die Sache zur Neuentscheidung an das Obergericht zurückzuweisen. Es sind die kantonalen Akten, aber keine Vernehmlassungen eingeholt worden. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die Fortsetzung der Betreibung setzt voraus, dass der Gläubiger über einen rechtskräftigen Zahlungsbefehl verfügt ( Art. 88 SchKG ). Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt der Umfang bzw. Gegenstand des vom Betriebenen erhobenen Rechtsvorschlages. 2.1 Der Rechtsvorschlag ist an keine Form gebunden und bedarf - abgesehen von einigen Ausnahmen wie etwa in der Wechselbetreibung ( Art. 179 Abs. 1 SchKG ) - keiner Begründung oder Präzisierung ( Art. 75 Abs. 1 SchKG ). Der Betriebene kann sich damit einstweilen gegen den Fortgang der Betreibung wehren ( Art. 78 Abs. 1 SchKG ). Bestreitet er, zu neuem Vermögen gekommen zu sein, so hat er dies im Rechtsvorschlag ausdrücklich zu erklären; andernfalls ist diese Einrede verwirkt ( Art. 75 Abs. 2 SchKG ). Das Betreibungsamt legt den Rechtsvorschlag dem Richter des Betreibungsortes vor, welcher endgültig darüber entscheidet ( Art. 265a Abs. 1 SchKG ). In diesem summarischen Verfahren prüft der Richter einzig, ob neues Vermögen vorliegt oder nicht ( BGE 134 III 524 E. 1 S. 526). Richtet sich der Rechtsvorschlag auch gegen den Bestand der in Betreibung gesetzten Forderung, so ist dieser ebenfalls gerichtlich zu beseitigen, bevor die Betreibung ihre Fortsetzung finden kann. Diesfalls kann der Betreibende die Rechtsöffnung ( Art. 80 ff. SchKG ) verlangen, über die der Richter - bei gegebener (sachlicher) BGE 140 III 567 S. 569 Zuständigkeit - im selben (summarischen) Verfahren befindet ( Art. 251 lit. a und lit. d ZPO ; HUBER, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. II, 2. Aufl. 2010, N. 33 zu Art. 265a SchKG ; NÄF, in: SchKG, 2. Aufl. 2014, N. 9 zu Art. 265a SchKG ). Hingegen prüft das Betreibungsamt bzw. die Aufsichtsbehörde auf dem Beschwerdeweg ( Art. 17 SchKG ), ob ein Rechtsvorschlag in formeller Hinsicht zulässig ist (vgl. BGE 36 I 319 E. 2 S. 321; BGE 124 III 279 E. 3b S. 380; MUSTER, Le retour à meilleure fortune: un état des lieux, BlSchK 2013 S. 13). 2.2 Gemäss den Feststellungen der kantonalen Aufsichtsbehörde hat der Betriebene nach Entgegennahme des Zahlungsbefehls fristgerecht Rechtsvorschlag erhoben. Daraufhin erläuterte ihm das Betreibungsamt das weitere Vorgehen und die möglichen Kostenfolgen. Zudem forderte es ihn auf zu präzisieren, worauf sich die Aussage "Rechtsvorschlag kein neues Vermögen" beziehen sollte. Das Betreibungsamt stellte ihm konkret die Frage, ob nur die Einrede des fehlenden neuen Vermögens erhoben werde oder ob auch der Bestand der Forderung bestritten werde. In der Lehre wird denn auch angeregt, den Betriebenen im Hinblick auf die Vermeidung unnötiger Verfahren zu einer klaren Äusserung anzuhalten (GUT/RAJOWER/SONNENMOSER, Rechtsvorschlag mangels neuen Vermögens, AJP 1998 S. 530/531) oder sogar nachzufragen, ob die Forderung anerkannt werde (NÄF, a.a.O., N. 3 zu Art. 265a SchKG ). Dieses Vorgehen scheint sinnvoll und mit der Regelung von Art. 265a SchKG vereinbar, auch wenn keine derartigen gesetzlichen Pflichten des Betreibungsamtes bestehen; genauso wenig ist der Betriebene gehalten, auf die Anfrage des Betreibungsamtes zu antworten. Daraus folgt, dass dem Betriebenen, der sich - wie im vorliegenden Fall - nicht hat vernehmen lassen, kein Rechtsnachteil droht. Im Ergebnis bleibt der Umfang des Rechtsvorschlages unklar und bedarf der Auslegung. Die Beschwerdeführerin stellt den Ablauf des Verfahrens nicht grundsätzlich in Frage. Soweit sie den Vorwurf einer offensichtlich falschen Sachverhaltsfeststellung erhebt, handelt es sich um Vorbringen zur Rechtsfrage, in welchem Umfang der Betriebene im konkreten Fall Rechtsvorschlag erhoben hat. 2.3 Bleibt unklar, ob mit dem Rechtsvorschlag nur die Einrede des fehlenden neuen Vermögens erhoben wird oder ob sich dieser auch gegen die in Betreibung gesetzte Forderung richtet, so befürwortet die Rechtsprechung und die Lehre teilweise den Grundsatz "in dubio pro debitore" (so in BGE 108 III 6 E. 3 S. 9; JEANDIN, in: BGE 140 III 567 S. 570 Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 4 zu Art. 265a SchKG ; NÄF, a.a.O., N. 3 zu Art. 265a SchKG ). Davon scheint auch die Vorinstanz auszugehen. Dieser Standpunkt ist indes von der Lehre auch kritisch hinterfragt worden. Zu Recht wird dabei betont, dass keine der am Betreibungsverfahren beteiligten Personen zum vornherein schutzwürdiger ist als die andere. Eine Auslegung nach dem Vertrauensprinzip (GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. III, 2001, N. 12 zu Art. 265a SchKG ; A. STAEHELIN, Billigkeit und Strenge im Zivilprozess und in der Zwangsvollstreckung, BJM 1967 S. 111), welche von der gesetzgeberischen Entscheidung ausgeht, dass der fristgerecht erhobene Rechtsvorschlag formfrei erfolgen kann, ist der Rechtsicherheit dienlicher und wird auch im Einzelfall dem sich unbeholfen ausdrückenden Laien durchaus gerecht (vgl. GUT/RAJOWER/SONNENMOSER, a.a.O., S. 530; BESSENICH, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 2. Aufl. 2010, N. 21 zu Art. 74 SchKG mit Hinweisen). Nichts anderes wurde bereits im Grundsatzentscheid aus dem Jahre 1902 festgehalten, wonach es genügt, wenn der Wille, gegen die Betreibung Einsprache zu erheben, "in gehörig erkennbarer" Weise dem Amt zur Kenntnis gebracht wird ( BGE 28 I 397 S. 399). 2.4 Nach den dargelegten Grundsätzen und nicht zuletzt aufgrund der Formfreiheit des Rechtsvorschlages erweist sich die von der kantonalen Aufsichtsbehörde vorgenommene Auslegung, dass der Satz "Rechtsvorschlag kein neues Vermögen" auch gegen die in Betreibung gesetzte Forderung gerichtet sei, als rechtskonform. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kann dieser Vermerk allein wegen des Umstandes, dass der Schuldner die Forderung im Konkurs nicht bestritten hat, nicht dahingehend ausgelegt werden, dass er auf sein Recht, die Forderung vom Richter abzuklären zu lassen, verzichtet habe; die Vorinstanz konnte und durfte annehmen, dass der Schuldner "Rechtsvorschlag [ und ] kein neues Vermögen" gemeint hat. Da sich der Rechtsvorschlag des Schuldners nicht ausdrücklich nur auf das Fehlen neuen Vermögens beschränkt hat (vgl. KREN KOSTKIEWICZ, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, 2. Aufl. 2014, S. 385 Rz. 1465), ist das Fortsetzungsbegehren vom Betreibungsamt zu Recht zurückgewiesen worden.
Urteilskopf
83. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen B. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_487/2014 vom 27. Oktober 2014
Regeste Art. 75 und 265a SchKG ; Rechtsvorschlag. Grundsätze zur Auslegung des Rechtsvorschlages als Bestreitung der Schuld und als Einrede des fehlenden neuen Vermögens (E. 2).
Regeste
Art. 75 und 265a SchKG ; Rechtsvorschlag. Grundsätze zur Auslegung des Rechtsvorschlages als Bestreitung der Schuld und als Einrede des fehlenden neuen Vermögens (E. 2).
Art. 75 und 265a SchKG Grundsätze zur Auslegung des Rechtsvorschlages als Bestreitung der Schuld und als Einrede des fehlenden neuen Vermögens (E. 2).
Sachverhalt ab Seite 567
Sachverhalt ab Seite 567 BGE 140 III 567 S. 567
BGE 140 III 567 S. 567
A.
A. A.a In der von der A. AG beim Betreibungsamt Oberland, Dienststelle Oberland West, gestützt auf einen Konkursverlustschein vom 4. Februar 2000 angehobenen Betreibung Nr. x über den Betrag von Fr. 2'175.25 sowie für den Verzugsschaden von Fr. 260.75 erhob B. am 21. August 2013 Rechtsvorschlag mit dem Vermerk "Rechtsvorschlag kein neues Vermögen".
A.a A.b Das Betreibungsamt forderte den Betriebenen daraufhin auf, seinen Rechtsvorschlag zu präzisieren und insbesondere mitzuteilen, ob er sich einzig auf die Einrede neuen Vermögens beziehe oder ob auch die in Betreibung gesetzte Forderung bestritten werde. B. reagierte nicht auf dieses Schreiben, worauf das Betreibungsamt den Rechtsvorschlag dem Regionalgericht Oberland vorlegte. Mit Entscheid vom 7. November 2013 bewilligte die Gerichtspräsidentin den Rechtsvorschlag im Umfang von Fr. 2'175.25 nicht und stellte fest, dass neues Vermögen in dieser Höhe vorhanden sei.
A.b A.c Am 13. Dezember 2013 stellte die A. AG das Fortsetzungsbegehren, welchem das Betreibungsamt keine Folge gab, da der ordentliche Rechtsvorschlag nicht beseitigt worden sei. BGE 140 III 567 S. 568
A.c BGE 140 III 567 S. 568
B. Am 23. Januar 2014 wandte sich die A. AG an das Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, und verlangte die Anweisung an das Betreibungsamt, dem Fortsetzungsbegehren unverzüglich Folge zu geben. Sie stellte sich auf den Standpunkt, dass kein vorgängiges Rechtsöffnungsverfahren notwendig sei, da der Betriebene die Forderung nicht bestritten habe. Die betreibungsrechtliche Beschwerde wurde am 30. Mai 2014 abgewiesen.
B. Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 13. Juni 2014 ist die A. AG an das Bundesgericht gelangt. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung des obergerichtlichen Entscheides und erneuert ihren Antrag, dass dem Fortsetzungsbegehren unverzüglich Folge zu leisten sei. Eventualiter sei die Sache zur Neuentscheidung an das Obergericht zurückzuweisen.
Es sind die kantonalen Akten, aber keine Vernehmlassungen eingeholt worden.
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
2. Die Fortsetzung der Betreibung setzt voraus, dass der Gläubiger über einen rechtskräftigen Zahlungsbefehl verfügt ( Art. 88 SchKG ). Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt der Umfang bzw. Gegenstand des vom Betriebenen erhobenen Rechtsvorschlages.
2. Art. 88 SchKG 2.1 Der Rechtsvorschlag ist an keine Form gebunden und bedarf - abgesehen von einigen Ausnahmen wie etwa in der Wechselbetreibung ( Art. 179 Abs. 1 SchKG ) - keiner Begründung oder Präzisierung ( Art. 75 Abs. 1 SchKG ). Der Betriebene kann sich damit einstweilen gegen den Fortgang der Betreibung wehren ( Art. 78 Abs. 1 SchKG ). Bestreitet er, zu neuem Vermögen gekommen zu sein, so hat er dies im Rechtsvorschlag ausdrücklich zu erklären; andernfalls ist diese Einrede verwirkt ( Art. 75 Abs. 2 SchKG ). Das Betreibungsamt legt den Rechtsvorschlag dem Richter des Betreibungsortes vor, welcher endgültig darüber entscheidet ( Art. 265a Abs. 1 SchKG ). In diesem summarischen Verfahren prüft der Richter einzig, ob neues Vermögen vorliegt oder nicht ( BGE 134 III 524 E. 1 S. 526). Richtet sich der Rechtsvorschlag auch gegen den Bestand der in Betreibung gesetzten Forderung, so ist dieser ebenfalls gerichtlich zu beseitigen, bevor die Betreibung ihre Fortsetzung finden kann. Diesfalls kann der Betreibende die Rechtsöffnung ( Art. 80 ff. SchKG ) verlangen, über die der Richter - bei gegebener (sachlicher) BGE 140 III 567 S. 569 Zuständigkeit - im selben (summarischen) Verfahren befindet ( Art. 251 lit. a und lit. d ZPO ; HUBER, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. II, 2. Aufl. 2010, N. 33 zu Art. 265a SchKG ; NÄF, in: SchKG, 2. Aufl. 2014, N. 9 zu Art. 265a SchKG ). Hingegen prüft das Betreibungsamt bzw. die Aufsichtsbehörde auf dem Beschwerdeweg ( Art. 17 SchKG ), ob ein Rechtsvorschlag in formeller Hinsicht zulässig ist (vgl. BGE 36 I 319 E. 2 S. 321; BGE 124 III 279 E. 3b S. 380; MUSTER, Le retour à meilleure fortune: un état des lieux, BlSchK 2013 S. 13).
2.1 Art. 179 Abs. 1 SchKG Art. 75 Abs. 1 SchKG Art. 78 Abs. 1 SchKG Art. 75 Abs. 2 SchKG Art. 265a Abs. 1 SchKG Art. 80 ff. SchKG BGE 140 III 567 S. 569
Art. 251 lit. a und lit. d ZPO Art. 265a SchKG Art. 265a SchKG Art. 17 SchKG BGE 36 I 319 2.2 Gemäss den Feststellungen der kantonalen Aufsichtsbehörde hat der Betriebene nach Entgegennahme des Zahlungsbefehls fristgerecht Rechtsvorschlag erhoben. Daraufhin erläuterte ihm das Betreibungsamt das weitere Vorgehen und die möglichen Kostenfolgen. Zudem forderte es ihn auf zu präzisieren, worauf sich die Aussage "Rechtsvorschlag kein neues Vermögen" beziehen sollte. Das Betreibungsamt stellte ihm konkret die Frage, ob nur die Einrede des fehlenden neuen Vermögens erhoben werde oder ob auch der Bestand der Forderung bestritten werde. In der Lehre wird denn auch angeregt, den Betriebenen im Hinblick auf die Vermeidung unnötiger Verfahren zu einer klaren Äusserung anzuhalten (GUT/RAJOWER/SONNENMOSER, Rechtsvorschlag mangels neuen Vermögens, AJP 1998 S. 530/531) oder sogar nachzufragen, ob die Forderung anerkannt werde (NÄF, a.a.O., N. 3 zu Art. 265a SchKG ). Dieses Vorgehen scheint sinnvoll und mit der Regelung von Art. 265a SchKG vereinbar, auch wenn keine derartigen gesetzlichen Pflichten des Betreibungsamtes bestehen; genauso wenig ist der Betriebene gehalten, auf die Anfrage des Betreibungsamtes zu antworten. Daraus folgt, dass dem Betriebenen, der sich - wie im vorliegenden Fall - nicht hat vernehmen lassen, kein Rechtsnachteil droht. Im Ergebnis bleibt der Umfang des Rechtsvorschlages unklar und bedarf der Auslegung. Die Beschwerdeführerin stellt den Ablauf des Verfahrens nicht grundsätzlich in Frage. Soweit sie den Vorwurf einer offensichtlich falschen Sachverhaltsfeststellung erhebt, handelt es sich um Vorbringen zur Rechtsfrage, in welchem Umfang der Betriebene im konkreten Fall Rechtsvorschlag erhoben hat.
2.2 Art. 265a SchKG Art. 265a SchKG 2.3 Bleibt unklar, ob mit dem Rechtsvorschlag nur die Einrede des fehlenden neuen Vermögens erhoben wird oder ob sich dieser auch gegen die in Betreibung gesetzte Forderung richtet, so befürwortet die Rechtsprechung und die Lehre teilweise den Grundsatz "in dubio pro debitore" (so in BGE 108 III 6 E. 3 S. 9; JEANDIN, in: BGE 140 III 567 S. 570 Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 4 zu Art. 265a SchKG ; NÄF, a.a.O., N. 3 zu Art. 265a SchKG ). Davon scheint auch die Vorinstanz auszugehen. Dieser Standpunkt ist indes von der Lehre auch kritisch hinterfragt worden. Zu Recht wird dabei betont, dass keine der am Betreibungsverfahren beteiligten Personen zum vornherein schutzwürdiger ist als die andere. Eine Auslegung nach dem Vertrauensprinzip (GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. III, 2001, N. 12 zu Art. 265a SchKG ; A. STAEHELIN, Billigkeit und Strenge im Zivilprozess und in der Zwangsvollstreckung, BJM 1967 S. 111), welche von der gesetzgeberischen Entscheidung ausgeht, dass der fristgerecht erhobene Rechtsvorschlag formfrei erfolgen kann, ist der Rechtsicherheit dienlicher und wird auch im Einzelfall dem sich unbeholfen ausdrückenden Laien durchaus gerecht (vgl. GUT/RAJOWER/SONNENMOSER, a.a.O., S. 530; BESSENICH, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 2. Aufl. 2010, N. 21 zu Art. 74 SchKG mit Hinweisen). Nichts anderes wurde bereits im Grundsatzentscheid aus dem Jahre 1902 festgehalten, wonach es genügt, wenn der Wille, gegen die Betreibung Einsprache zu erheben, "in gehörig erkennbarer" Weise dem Amt zur Kenntnis gebracht wird ( BGE 28 I 397 S. 399).
2.3 BGE 140 III 567 S. 570
Art. 265a SchKG Art. 265a SchKG Art. 265a SchKG Art. 74 SchKG BGE 28 I 397 2.4 Nach den dargelegten Grundsätzen und nicht zuletzt aufgrund der Formfreiheit des Rechtsvorschlages erweist sich die von der kantonalen Aufsichtsbehörde vorgenommene Auslegung, dass der Satz "Rechtsvorschlag kein neues Vermögen" auch gegen die in Betreibung gesetzte Forderung gerichtet sei, als rechtskonform. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kann dieser Vermerk allein wegen des Umstandes, dass der Schuldner die Forderung im Konkurs nicht bestritten hat, nicht dahingehend ausgelegt werden, dass er auf sein Recht, die Forderung vom Richter abzuklären zu lassen, verzichtet habe; die Vorinstanz konnte und durfte annehmen, dass der Schuldner "Rechtsvorschlag [ und ] kein neues Vermögen" gemeint hat. Da sich der Rechtsvorschlag des Schuldners nicht ausdrücklich nur auf das Fehlen neuen Vermögens beschränkt hat (vgl. KREN KOSTKIEWICZ, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, 2. Aufl. 2014, S. 385 Rz. 1465), ist das Fortsetzungsbegehren vom Betreibungsamt zu Recht zurückgewiesen worden.
2.4
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Urteilskopf
84. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. und B.A. gegen Stockwerkeigentümergemeinschaft E. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_527/2014 vom 21. Oktober 2014
Regeste Art. 51 Abs. 2 BGG ; Anfechtung von Beschlüssen der Stockwerkeigentümerversammlung. Grundsätze, anhand derer das Bundesgericht den Streitwert feststellt. Es ermittelt den objektiven Wert, wie er sich den Akten entnehmen lässt, und ist weder an die Angaben der Parteien noch an eine offensichtlich unrichtige Schätzung des Obergerichts gebunden (E. 1).
Regeste
Art. 51 Abs. 2 BGG ; Anfechtung von Beschlüssen der Stockwerkeigentümerversammlung. Grundsätze, anhand derer das Bundesgericht den Streitwert feststellt. Es ermittelt den objektiven Wert, wie er sich den Akten entnehmen lässt, und ist weder an die Angaben der Parteien noch an eine offensichtlich unrichtige Schätzung des Obergerichts gebunden (E. 1).
Art. 51 Abs. 2 BGG Grundsätze, anhand derer das Bundesgericht den Streitwert feststellt. Es ermittelt den objektiven Wert, wie er sich den Akten entnehmen lässt, und ist weder an die Angaben der Parteien noch an eine offensichtlich unrichtige Schätzung des Obergerichts gebunden (E. 1).
Sachverhalt ab Seite 572
Sachverhalt ab Seite 572 BGE 140 III 571 S. 572
BGE 140 III 571 S. 572
Die Liegenschaft Nr. x ist in Stockwerkeigentum aufgeteilt. Die 5-Zimmerwohnung im Erdgeschoss mit einer Wertquote von 244/1000 steht im Miteigentum von A.A. und B.A. (Beschwerdeführer). Die Ehegatten C. sind Eigentümer der restlichen Stockwerkeinheiten mit einer Wertquote von 756/1000. Die Beschwerdeführer und die Ehegatten C. bilden die Stockwerkeigentümergemeinschaft E. (Beschwerdegegnerin). Der gemeinschaftlichen Benützung durch alle Stockwerkeigentümer dient unter anderem ein Raum im Untergeschoss, der zwischen den Kellern 2 und 3 liegt und mit einer kleinen Trennwand unterteilt ist. Im vorderen Bereich befindet sich die Heizung (Brenner und Steuerung), während der hintere Teil als Waschküche eingerichtet ist.
Im Sommer 2011 liessen die Ehegatten C. verschiedene Umbauarbeiten durchführen. Sie entfernten die Warmwasserboiler in ihren Wohnungen und bauten im Heizungs-/Waschküchenraum einen Zentralboiler ein, ohne dass vorgängig die Zustimmung der Beschwerdeführer oder ein Beschluss der Stockwerkeigentümergemeinschaft eingeholt worden wäre.
An der ordentlichen Versammlung der Stockwerkeigentümer vom 1. September 2011 wurde der Einbau des Zentralboilers erörtert, da der Heizungs-/Waschküchenraum zu den gemeinschaftlichen Teilen gehört. Eine Lösung konnte nicht gefunden werden. Die Beschwerdeführer verlangten, dass der Zentralboiler entfernt werde. Zwecks Bereinigung der Situation lud die Verwaltung zu einer ausserordentlichen Versammlung der Stockwerkeigentümer auf den 8. Mai 2012 ein. Zur Beschlussfassung traktandiert waren folgende Anträge:
1. Bewilligung/Genehmigung des Einbaus eines zentralen Warmwasserboilers im mittleren Keller (Heizungsraum) der Liegenschaft E.
2. Bewilligung/Genehmigung des Anschlusses des zentralen Warmwasserboilers im mittleren Keller (Heizungsraum) an die Oelheizungszentrale der Liegenschaft E. mit separater Erfassung des Energiebezuges.
3. Beschluss: Der Warmwasserboiler und der Anschluss an die Heizzentrale sind im gemeinschaftlichen Eigentum.
Beim Anschluss weiterer Stockwerkeinheiten an die bestehende zentrale Warmwasseraufbereitungsanlage in der Liegenschaft E. hat sich der betreffende Stockwerkeigentümer einzukaufen (Anlageinvestition) und an den Unterhalts- und Erneuerungskosten einen Beitrag gemäss Eigentumsquote zu leisten.
Alle drei Anträge wurden mit den Stimmen der Ehegatten C. gegen die Stimme der Beschwerdeführer angenommen. BGE 140 III 571 S. 573
BGE 140 III 571 S. 573
Mit Schlichtungsgesuch vom 21. Mai 2012 begehrten die Beschwerdeführer, die unter Traktandum 1-3 gefällten Beschlüsse seien für ungültig zu erklären, eventualiter sei deren Nichtigkeit festzustellen. Das Bezirksgericht und auf Berufung der Beschwerdeführer hin das Obergericht wiesen die Klage ab. Das Obergericht verwies in seiner Rechtsmittelbelehrung auf die innert dreissig Tagen zu erhebende Beschwerde an das Bundesgericht, deren Zulässigkeit und Form sich nach Art. 72 ff. (Beschwerde in Zivilsachen) oder Art. 113 ff. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) i.V.m. Art. 42 BGG richten. Es hielt weiter fest, dass es sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit handelt und der Streitwert Fr. 30'000.- beträgt.
Art. 42 BGG Die Beschwerdeführer erneuern ihre Klagebegehren vor Bundesgericht, das auf ihre Beschwerde nicht eintritt.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
1. Das angefochtene Urteil betrifft die Anfechtung von Beschlüssen der Stockwerkeigentümerversammlung und dabei die Frage, ob der Einbau des Boilers im gemeinschaftlichen Heizungs-/Waschküchenraum rechtmässig war oder widrigenfalls der Boiler entfernt werden muss.
1. 1.1 Die Anfechtung von Beschlüssen der Stockwerkeigentümerversammlung ist grundsätzlich eine vermögensrechtliche Angelegenheit, insbesondere in einem Fall wie dem vorliegenden, wo es um bauliche Massnahmen in gemeinschaftlichen Teilen des Stockwerkeigentums geht. Die Beschwerdeführer als Kläger halten den Einbau des Boilers für widerrechtlich und fordern dessen Entfernung aus dem Heizungs-/Waschküchenraum und die Versetzung des Boilers in einen den Ehegatten C. zu Sonderrecht ausgeschiedenen Teil des Wohnhauses. Die streitigen Rechte haben einen Geldwert, der geschätzt werden kann. Auf den Anfechtungsgrund (angebliche Missachtung von Quorumsvorschriften und Vetorecht, behauptete Verletzung des Reglements, Vorwurf des Rechtsmissbrauchs) kann es dabei nicht ankommen ( BGE 108 II 77 E. 1b S. 79 f.). Streitwertbestimmend ist in der Regel das Interesse der beklagten Stockwerkeigentümergemeinschaft als Gesamtes und nicht dasjenige der Beschwerdeführer als klagende Stockwerkeigentümer (Urteil 5A_386/2009 vom 31. Juli 2009 E. 5.1, in: SZZP 2010 S. 4).
1.1 1.2 Der Streitwert bestimmt sich hier nach den Klagebegehren, die bis vor Obergericht unverändert streitig geblieben sind ( Art. 51 Abs. 1 lit. a BGG ). BGE 140 III 571 S. 574 Lautet das Begehren auf Aufhebung von Beschlüssen der Stockwerkeigentümerversammlung und damit nicht auf Bezahlung einer bestimmten Geldsumme, so setzt das Bundesgericht den Streitwert - wie bis anhin von Amtes wegen ( Art. 36 Abs. 2 OG [BS 3 531]) - nach Ermessen fest ( Art. 51 Abs. 2 BGG ). Allerdings ist es nicht die Aufgabe des Bundesgerichts, eigene Abklärungen anzustellen, wenn der Streitwert nicht ohne Weiteres aus den Feststellungen im angefochtenen Entscheid oder aus den Verfahrensakten hervorgeht. Die Beschwerdeführer haben nähere Angaben zu machen, die den Streitwert einfach zu schätzen gestatten. Das Bundesgericht ist dabei weder an die Schätzung der Beschwerdeführer noch an übereinstimmende Angaben der Parteien noch an eine offensichtlich unrichtige Schätzung des Obergerichts gebunden ( BGE 136 III 60 E. 1.1.1 S. 62; Urteil 5A_729/2009 vom 26. März 2010 E. 1.1.1, nicht publ. in: BGE 136 III 174, wohl aber in: SZZP 2010 S. 297 f., betreffend Anfechtung von Beschlüssen der Stockwerkeigentümerversammlung).
1.2 Art. 51 Abs. 1 lit. a BGG BGE 140 III 571 S. 574
Art. 36 Abs. 2 OG Art. 51 Abs. 2 BGG 1.3 Das Obergericht hat festgestellt, die bezirksgerichtliche Schätzung des Streitwertes auf Fr. 30'000.- sei unangefochten geblieben. Das Bezirksgericht ist davon ausgegangen, mangels Einigung der Parteien an der Hauptverhandlung sei der Streitwert zu schätzen und auf Fr. 30'000.- festzusetzen, zumal für die Installation des Zentralboilers im Heizungs-/Waschküchenraum die Beschwerdeführer eine Entschädigung von Fr. 30'000.- bis Fr. 40'000.- gefordert und die Ehegatten C. Fr. 10'000.- angeboten hätten. Im Einzelnen ergibt sich dazu Folgendes:
1.3 1.3.1 In ihrer Klage haben die Beschwerdeführer dargelegt, es gehe um eine vermögensrechtliche Streitigkeit mit einem Streitwert von unter Fr. 30'000.-.
1.3.1 1.3.2 Mit Verfügung vom 12. September 2012 hat das Bezirksgericht die Beschwerdeführer aufgefordert, sich zum Streitwert näher zu äussern, ergebe sich doch aus dem Protokoll zur ausserordentlichen Versammlung vom 8. Mai 2012, dass sich die Beschwerdeführer für den eigenmächtigen Einbau eines Boilers im Heizraum eine Entschädigung nicht unter Fr. 30'000.- bis Fr. 40'000.- vorstellten.
1.3.2 1.3.3 In ihrer Stellungnahme haben die Beschwerdeführer erklärt, der den angefochtenen Beschlüssen zugrunde liegende Streitwert habe nichts mit den in der Versammlung vom 8. Mai 2012 zwischen BGE 140 III 571 S. 575 der Partei C. und ihnen geführten Diskussionen über eine Lösung zu tun. Sie hätten diese mehrmals aufgefordert, den Boiler aus dem Heiz-/Waschraum zu entfernen. Stattdessen hätten die Ehegatten C. durch die Verwaltung eine ausserordentliche Versammlung einberufen und den Einbau genehmigen lassen. Enttäuscht über dieses Verhalten hätten sie auf Anfrage der Ehegatten C. nach der Höhe einer Entschädigungssumme den Betrag zwischen Fr. 30'000.- und Fr. 40'000.-genannt. Es habe sich dabei um eine Vergleichslösung gehandelt, die mit den effektiven Umständen gar nichts zu tun habe. Die Ehegatten C. hätten diesen Betrag denn auch als massiv zu hoch erklärt und für die in Anspruch genommenen 2 m 2 Fr. 10'000.-offeriert. Als sie selber den Betrag von Fr. 30'000.-bis Fr. 40'000.-geäussert hätten, sei es ihnen weniger um den Wert der Streitsache gegangen, sondern vielmehr auch um eine Entschädigung für die erlittene Unbill, weil die Ehegatten C. einmal mehr ohne Rücksicht auf sie, namentlich ohne Einberufung einer Stockwerkeigentümerversammlung sich Rechte angeeignet hätten, die ihnen nicht zustünden. Da dies wiederkehrend der Fall sei, seien sie nicht bereit gewesen, sich bloss mit der effektiven, im Verhältnis stehenden Entschädigung zufriedenzugeben. Mit dem Betrag von Fr. 30'000.- bis Fr. 40'000.- hätten sie keineswegs zum Ausdruck gegeben, dass der Streitwert im Verhältnis zu den hier zur Diskussion stehenden Beschlüssen stehe.
1.3.3 BGE 140 III 571 S. 575
1.4 Art. 244 Abs. 1 lit. d ZPO BGE 140 III 571 S. 576
Art. 112 Abs. 1 lit. d BGG Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG Art. 42 Abs. 2 BGG 1.5 Ist die Beschwerde in Zivilsachen unzulässig, kann die Eingabe als Verfassungsbeschwerde entgegengenommen werden, soweit deren Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind ( Art. 113 ff. BGG ; BGE 133 II 396 E. 3.1 S. 399). Zu Recht hat das Obergericht in seiner Rechtsmittelbelehrung auch auf die Verfassungsbeschwerde hingewiesen. Das angefochtene Urteil ist kantonal letztinstanzlich ( Art. 114 BGG ), lautet zum Nachteil der Beschwerdeführer ( Art. 115 BGG ) und schliesst das kantonale Verfahren ab (Art. 90 i.V.m. Art. 117 BGG ). Gerügt werden kann die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ( Art. 116 BGG ). Das Bundesgericht wendet dabei das Recht nicht von Amtes wegen an, sondern prüft nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen (Art. 106 Abs. 2 i.V.m. Art. 117 BGG ; BGE 134 V 138 E. 2.1 S. 143; BGE 136 I 332 E. 2.1 S. 334; BGE 137 II 305 E. 3.3 S. 310/311).
1.5 Art. 113 ff. BGG Art. 114 BGG Art. 115 BGG Art. 117 BGG Art. 116 BGG Art. 117 BGG
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Urteilskopf 140 III 577 85. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. gegen Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau und B.A. (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_334/2014 vom 23. Oktober 2014 Regeste Art. 19c Abs. 1 und Art. 30 Abs. 1 ZGB ; höchstpersönliche Rechte, Namensänderung. Minderjährige über zwölf Jahre üben ihr Recht auf den Namen und dessen Änderung selbständig aus (E. 3.1). "Achtenswerte Gründe" zur Bewilligung der Namensänderung eines Kindes, das nach der Scheidung der Eltern den Namen des Inhabers der elterlichen Sorge annehmen soll (E. 3.2-3.5). Sachverhalt ab Seite 578 BGE 140 III 577 S. 578 A. A.a B.A. kam am 6. Juni 2001 als Tochter von A.A. und C.A. geborene D. zur Welt. Kurze Zeit später, am 24. September 2001, wurde die Ehe vom Bezirksgericht Z. geschieden und der Mutter die (alleinige) elterliche Sorge übertragen. Die Mutter nahm nach der Scheidung wieder ihren Ledignamen D. an. B. lebt seit Geburt bei ihrer Mutter. A.b Im Jahre 2002 ersuchte C.D. um Änderung des Familiennamens ihrer Tochter von "A." in "D.". Das Gesuch wurde vom Departement für Justiz und Sicherheit (DJS) des Kantons Thurgau am 3./6. März 2003 abgelehnt. Der abweisende Entscheid wurde vom Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau am 28. Mai 2003 bestätigt. A.c Am 9. Februar 2013 beantragte C.D. beim DJS erneut, den Familiennamen der Tochter zu ändern. Am 20. September 2013 hiess das DJS das Gesuch gut und bewilligte die Änderung des Familiennamens von B. von "A." in "D.". B. Gegen den Entscheid erhob A.A. Beschwerde beim Verwaltungsgericht und verlangte die Aufhebung der Namensänderung. Am 5. März 2014 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab. C. A.A. ist mit Eingabe vom 23. April 2014 an das Bundesgericht gelangt. Er beantragt (sinngemäss), der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 5. März 2014 sei aufzuheben und die Namensänderung sei bis zur Volljährigkeit seiner Tochter zu verweigern. (...) Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist. (Auszug) Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt das im Jahre 2013 eingereichte Gesuch um Änderung des Namens eines Kindes, dessen Mutter seit der Scheidung das alleinige Sorgerecht hat und das BGE 140 III 577 S. 579 ihren Namen annehmen soll. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die vom Verwaltungsgericht bewilligte Namensänderung. Er macht geltend, dass B. wohl ein intelligentes junges Mädchen, aber erst mit 18 Jahren genügend reif sei, um über den eigenen Namen zu entscheiden. Er weist auf die gute Beziehung zu seiner Tochter hin und betont die Konflikte mit der Mutter wegen des Besuchsrechts sowie deren Beeinflussung; er leitet daraus ab, dass die Namensänderung vor Erreichen der Volljährigkeit nicht zu bewilligen sei. 3.1 Das Recht auf den Namen bzw. dessen Änderung gehört zu den (relativ) höchstpersönlichen Rechten ( BGE 117 II 6 E. 1b S. 7), weshalb urteilsfähige handlungsunfähige Personen dieses Recht selbständig ausüben ( Art. 19c Abs. 1 ZGB ; u.a. MEIER/DE LUZE, Droit des personnes, 2014, S. 153 Rz. 298). 3.1.1 Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann das Gesuch um Namensänderung nicht von der Volljährigkeit bzw. Handlungsfähigkeit ( Art. 13 ZGB ) abhängig gemacht werden, sondern ist allein die Urteilsfähigkeit entscheidend. Für das urteilsunfähige Kind kann nach der Rechtsprechung das Gesuch um Namensänderung vom gesetzlichen Vertreter gestellt werden ( BGE 117 II 6 E. 1b S. 7 f.), wobei in der Lehre auf die mögliche Interessenkollision hingewiesen wird, wenn das Kind seinen bisherigen Namen gegen den aktuellen Namen des Inhabers bzw. der Inhaberin der elterlichen Sorge austauschen soll (u.a. MEIER/DE LUZE, a.a.O., S. 153 Rz. 299; GEISER, Das neue Namensrecht und die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde, ZKE 2012 S. 375 Rz. 3.45, mit Hinweisen). 3.1.2 Vorliegend hat die Mutter das Gesuch um Änderung des Namens als "gesetzliche Vertreterin" der - damals 11 Jahre und 8 Monate alten - B. gestellt; die Mutter ist in der Folge auch im Rechtsmittelverfahren aufgetreten. Im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Entscheides und der Erhebung der vorliegenden Beschwerde war B. fast 13 Jahre alt. Das Verwaltungsgericht hat die handschriftlichen Eingaben (vom 9. Februar 2014 und 28. Oktober 2013) gewürdigt und - für das Bundesgericht verbindlich ( Art. 105 Abs. 1 BGG ) - festgestellt, dass B. als mittlerweile über 12-jährige Oberstufenschülerin klar auf eigenen Wunsch und ohne Druck der Mutter handle. Ein 12-jähriges Kind gilt im Rahmen der Namensänderung gemäss Art. 30 Abs. 1 ZGB grundsätzlich als urteilsfähig; dies ergibt sich aus der Analogie zu Art. 270b ZGB betreffend Zustimmung des Kindes unverheirateter Eltern zur Namensänderung (u.a. MEIER/STETTLER, Droit BGE 140 III 577 S. 580 de la filiation, 5. Aufl. 2014, S. 434 Fn. 1532, S. 459 Rz. 704, mit weiteren Hinweisen; vgl. Urteil 5A_624/2010 vom 17. März 2011 E. 1.2, in: Pra 2011 Nr. 94 S. 670: Urteilsfähigkeit eines 13½-jährigen bejaht). Demnach hat B. - als urteilsfähige Minderjährige - nach Art. 19c Abs. 1 ZGB betreffend Namensänderung selber zu handeln. Es kann angenommen werden, dass sie ihre Mutter wirksam bevollmächtigt bzw. ihr Vorgehen genehmigt hat (vgl. BGE 112 IV 9 E. 1 S. 10; BGE 112 II 102 E. 2 S. 103). 3.2 Grundsätzlich ist der bürgerliche Name einer Person unveränderlich ( BGE 136 III 161 E. 3.1 S. 162; u.a. STEINAUER/FOUNTOULAKIS, Droit des personnes physiques et de la personnalité, 2014, S. 140 Rz. 409). In bestimmten familienrechtlichen Konstellationen (vgl. Art. 270 Abs. 2, Art. 270a Abs. 2, Art. 8a SchlT ZGB ) gewährt das Gesetz die voraussetzungslose Möglichkeit zur Namensänderung (Ziff. I des Bundesgesetzes vom 30. September 2011 [Name und Bürgerrecht], in Kraft seit dem 1. Januar 2013; AS 2012 2569). Die Regierung des Wohnsitzkantons kann sodann einer Person die Änderung des Namens bewilligen, wenn achtenswerte Gründe (motifs légitimes, motivi degni di rispetto) vorliegen ( Art. 30 Abs. 1 ZGB, in der seit dem 1. Januar 2013 in Kraft stehenden Fassung). Ob im einzelnen Fall "achtenswerte Gründe" für eine Namensänderung vorliegen, ist eine Ermessensfrage, die von der zuständigen Behörde nach Recht und Billigkeit zu beantworten ist ( Art. 4 ZGB ). 3.3 Die Voraussetzungen zur behördlichen Bewilligung der Namensänderung gemäss Art. 30 Abs. 1 ZGB haben eine erhebliche inhaltliche Änderung erfahren. 3.3.1 Gemäss a Art. 30 Abs. 1 ZGB, d.h. in der bis zum 31. Dezember 2012 massgebenden Fassung, konnte die Regierung des Wohnsitzkantons einer Person die Änderung des Namens nur bei Vorliegen von "wichtigen Gründen" bewilligen (vgl. dazu allgemein BGE 136 III 161 E. 3.1.1 S. 163). Nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung ( BGE 121 III 145 ; BGE 124 III 401 ) vermag die blosse Wiederherstellung der Namensidentität zwischen Kind und sorgeberechtigter Mutter eine Namensänderung nicht zu rechtfertigen. Nach dieser Praxis erwächst den Kindern aufgrund der gewandelten gesellschaftlichen Verhältnisse nicht mehr allein deshalb ein ernsthafter Nachteil, weil sie nicht den Namen der sozialen Familie tragen, welcher sie aufgrund besonderer Umstände angehören; dem Wunsch eines Kindes auf Namensänderung sind mögliche spätere Auswirkungen, welche sich BGE 140 III 577 S. 581 aus dem Unsichtbarmachen der Herkunft bzw. der Beziehung zum leiblichen Vater ergeben könnten, gegenüberzustellen ( BGE 124 III 401 E. 3b/aa S. 404). 3.3.2 In der Lehre gehen die Meinungen, wie die "achtenswerten Gründe" zu konkretisieren sind, auseinander. Nach der einen Auffassung ergibt sich aus dem Umstand, dass ein Kind beim sorgeberechtigten Elternteil aufwächst, welcher einen anderen Namen trägt, erst recht kein Nachteil mehr, denn mit der Reform des Namensrechts der Ehegatten führen selbst Kinder verheirateter Eltern einen Namen, der sich von jenem des Vaters oder der Mutter unterscheidet. Die Namensänderung sei daher weiterhin zurückhaltend und unter Berücksichtigung des Kindesinteresses zu bewilligen (STEINAUER/FOUNTOULAKIS, a.a.O., S. 142 Rz. 414 a.E.; GEISER, a.a.O., S. 372 Rz. 3.36). Nach anderer Meinung ist Art. 30 Abs. 1 ZGB auch in diesem Zusammenhang grosszügig zu interpretieren, indem Gründe als "achtenswert" gelten, wenn sie als "nicht belanglos" erscheinen (AEBI-MÜLLER, Das neue Familiennamensrecht - eine erste Übersicht, SJZ 108/2012 S. 456 f.; DE LUZE/DE LUIGI, Le nouveau droit du nom, AJP 2013 S. 524 Rz. 80), d.h. "eine gewisse Schwere" erreichen (AEBI-MÜLLER, in: Personen- und Familienrecht [...], Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 2. Aufl. 2012, N. 4 zu Art. 30-30a ZGB ). 3.3.3 Die Änderung von Art. 30 Abs. 1 ZGB wurde in der parlamentarischen Debatte zur Parlamentarischen Initiative 03.428 (Leutenegger Oberholzer) vorgenommen. Mit den "achtenswerten Gründen" als Voraussetzung sollen die Hürden zur Namensänderung gesenkt werden, allerdings ohne die Möglichkeit zu geben, dass jeder seinen Namen nach eigenem Wunsch ändern kann (Voten Bundesrätin Sommaruga und Ständerat Bürgi, AB 2011 S 479; Votum Nationalrat Sommaruga, AB 2011 N 1757). Bereits in der Stellungnahme des Bundesrates wurde das Anliegen begrüsst, dass die Namensführung von Kindern, die in sog. Patchworkfamilien aufwachsen, insbesondere unter dem Gesichtswinkel des Kindeswohls "offen" ausgelegt werde; ein Kind soll eine Namensänderung des Elternteils, bei dem es aufwächst, mittragen dürfen (Stellungnahme des Bundesrates vom 12. Dezember 2008 zum Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates vom 22. August 2008, BBl 2009 429 Ziff. 2.2 a.E. S. 432). 3.3.4 Aus der Entstehungsgeschichte von Art. 30 Abs. 1 ZGB geht hervor, dass für die "achtenswerten Gründe" (im Unterschied zu den BGE 140 III 577 S. 582 "wichtigen Gründen"; E. 3.3.1) zur Namensänderung des Kindes nicht mehr vorausgesetzt werden kann, dass sein Name zu konkreten und ernsthaften sozialen Nachteilen führt. Es ist nachvollziehbar, bereits das nachgewiesene Bedürfnis einer Übereinstimmung des Namens des Kindes mit demjenigen des Inhabers der elterlichen Sorge grundsätzlich als "achtenswerten Grund" im Sinne von Art. 30 Abs. 1 ZGB zu betrachten; dies ändert nichts daran, dass eine sorgfältige Abklärung der Umstände des Einzelfalles vorzunehmen ist, da die Namensänderung eine weitere Trennung vom anderen Elternteil bewirken und das Kindesinteresse beinträchtigen kann (vgl. in diesem Sinn MEIER/STETTLER, a.a.O., S. 452 Rz. 686). 3.4 Das Verwaltungsgericht hat im Wesentlichen festgestellt, dass B. seit Geburt mit ihrer Mutter und deren Eltern zusammenlebe, seit jeher in der Schule sowie im Alltag den Namen "D.", den Familiennamen ihrer Mutter, führe. Die Eltern seien zum Zeitpunkt der Geburt bereits getrennt und kurz vor der Scheidung gestanden. Die Lehrerin von B. habe bestätigt, dass sie ihre Schulhefte mit diesem Namen anschreibe und sich mit diesem Namen vorstelle. Aufgrund der Umstände (Familiensituation seit frühester Kindheit und faktische Namensführung) sei die anbegehrte Namensänderung von "A." in "D." durch achtenswerte Gründe belegt. 3.4.1 Auf die Würdigung der konkreten Umstände durch die Vorinstanz geht der Beschwerdeführer nicht ein. Er wirft der Mutter und ihren Eltern vor, dass sie meinen, es sei für B. nicht gut, einen ausländischen (tunesischen) Namen zu tragen. Der Einwand geht fehl, denn die Vorinstanz hat die Namensänderung nicht auf die Herkunft des Namens gestützt. Die Sorge des Beschwerdeführers, die Namensänderung könnte B. von ihm entwurzeln bzw. entfremden, hat die Vorinstanz ernst genommen: Nach den Feststellungen bestehen keine Anhaltspunkte für mögliche negative Auswirkungen der Namensänderung auf die derzeitige Beziehung zwischen B. und ihrem Vater; es sei eher zu befürchten, dass die erzwungene Abkehr vom faktisch geführten Namen zur Folge haben könnte, dass sie sich vom Vater "noch mehr" entfernt. Auch damit setzt sich der Beschwerdeführer in keiner Weise auseinander. 3.4.2 Ebenso wenig stellt der Beschwerdeführer in Frage, dass - wie die Vorinstanz zutreffend erwogen hat - die Rückkehr vom faktischen zum rechtlichen Namen die Persönlichkeitsrechte einer 13-jährigen erheblich berührt (vgl. Urteil 5A_624/2010 vom 17. März 2011 BGE 140 III 577 S. 583 E. 3.3.2, in: Pra 2011 Nr. 94 S. 673). Dass das Verwaltungsgericht keine sorgfältige Abklärung der Umstände des Einzelfalles vorgenommen habe, legt der Beschwerdeführer nicht dar. Er beschränkt sich auf Ausführungen zu Streitigkeiten betreffend die Ausübung des Besuchsrechts sowie zu Spannungen mit der Mutter sowie deren Eltern; die Vorbringen sind - soweit namensrechtlich überhaupt relevant - nicht zu erörtern, da sie im angefochtenen Entscheid keine Stütze in tatsächlicher Hinsicht finden; in der Beschwerdeschrift wird nicht dargelegt, inwiefern der Sachverhalt unrichtig festgestellt worden sei ( Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 1 BGG ). 3.5 Nach dem Dargelegten gibt es keinen Anlass, in das Ermessen ( Art. 4 ZGB ) des kantonalen Gerichts einzugreifen, wenn es das Bedürfnis zur Übereinstimmung des Namens von B. mit demjenigen ihrer sorgeberechtigten Mutter als nachgewiesen und "achtenswert" im Sinne von Art. 30 Abs. 1 ZGB beurteilt hat. Die Bewilligung zur Namensänderung ist mit Bundesrecht vereinbar.
Urteilskopf
85. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. gegen Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau und B.A. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_334/2014 vom 23. Oktober 2014
Regeste Art. 19c Abs. 1 und Art. 30 Abs. 1 ZGB ; höchstpersönliche Rechte, Namensänderung. Minderjährige über zwölf Jahre üben ihr Recht auf den Namen und dessen Änderung selbständig aus (E. 3.1). "Achtenswerte Gründe" zur Bewilligung der Namensänderung eines Kindes, das nach der Scheidung der Eltern den Namen des Inhabers der elterlichen Sorge annehmen soll (E. 3.2-3.5).
Regeste
Art. 19c Abs. 1 und Art. 30 Abs. 1 ZGB ; höchstpersönliche Rechte, Namensänderung. Minderjährige über zwölf Jahre üben ihr Recht auf den Namen und dessen Änderung selbständig aus (E. 3.1). "Achtenswerte Gründe" zur Bewilligung der Namensänderung eines Kindes, das nach der Scheidung der Eltern den Namen des Inhabers der elterlichen Sorge annehmen soll (E. 3.2-3.5).
Art. 19c Abs. 1 und Art. 30 Abs. 1 ZGB Minderjährige über zwölf Jahre üben ihr Recht auf den Namen und dessen Änderung selbständig aus (E. 3.1).
"Achtenswerte Gründe" zur Bewilligung der Namensänderung eines Kindes, das nach der Scheidung der Eltern den Namen des Inhabers der elterlichen Sorge annehmen soll (E. 3.2-3.5).
Sachverhalt ab Seite 578
Sachverhalt ab Seite 578 BGE 140 III 577 S. 578
BGE 140 III 577 S. 578
A.
A. A.a B.A. kam am 6. Juni 2001 als Tochter von A.A. und C.A. geborene D. zur Welt. Kurze Zeit später, am 24. September 2001, wurde die Ehe vom Bezirksgericht Z. geschieden und der Mutter die (alleinige) elterliche Sorge übertragen. Die Mutter nahm nach der Scheidung wieder ihren Ledignamen D. an. B. lebt seit Geburt bei ihrer Mutter.
A.a A.b Im Jahre 2002 ersuchte C.D. um Änderung des Familiennamens ihrer Tochter von "A." in "D.". Das Gesuch wurde vom Departement für Justiz und Sicherheit (DJS) des Kantons Thurgau am 3./6. März 2003 abgelehnt. Der abweisende Entscheid wurde vom Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau am 28. Mai 2003 bestätigt.
A.b A.c Am 9. Februar 2013 beantragte C.D. beim DJS erneut, den Familiennamen der Tochter zu ändern. Am 20. September 2013 hiess das DJS das Gesuch gut und bewilligte die Änderung des Familiennamens von B. von "A." in "D.".
A.c B. Gegen den Entscheid erhob A.A. Beschwerde beim Verwaltungsgericht und verlangte die Aufhebung der Namensänderung. Am 5. März 2014 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab.
B. C. A.A. ist mit Eingabe vom 23. April 2014 an das Bundesgericht gelangt. Er beantragt (sinngemäss), der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 5. März 2014 sei aufzuheben und die Namensänderung sei bis zur Volljährigkeit seiner Tochter zu verweigern.
C. (...)
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist.
(Auszug)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
3. Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt das im Jahre 2013 eingereichte Gesuch um Änderung des Namens eines Kindes, dessen Mutter seit der Scheidung das alleinige Sorgerecht hat und das BGE 140 III 577 S. 579 ihren Namen annehmen soll. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die vom Verwaltungsgericht bewilligte Namensänderung. Er macht geltend, dass B. wohl ein intelligentes junges Mädchen, aber erst mit 18 Jahren genügend reif sei, um über den eigenen Namen zu entscheiden. Er weist auf die gute Beziehung zu seiner Tochter hin und betont die Konflikte mit der Mutter wegen des Besuchsrechts sowie deren Beeinflussung; er leitet daraus ab, dass die Namensänderung vor Erreichen der Volljährigkeit nicht zu bewilligen sei.
3. BGE 140 III 577 S. 579
3.1 Das Recht auf den Namen bzw. dessen Änderung gehört zu den (relativ) höchstpersönlichen Rechten ( BGE 117 II 6 E. 1b S. 7), weshalb urteilsfähige handlungsunfähige Personen dieses Recht selbständig ausüben ( Art. 19c Abs. 1 ZGB ; u.a. MEIER/DE LUZE, Droit des personnes, 2014, S. 153 Rz. 298).
3.1 Art. 19c Abs. 1 ZGB 3.1.1 Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann das Gesuch um Namensänderung nicht von der Volljährigkeit bzw. Handlungsfähigkeit ( Art. 13 ZGB ) abhängig gemacht werden, sondern ist allein die Urteilsfähigkeit entscheidend. Für das urteilsunfähige Kind kann nach der Rechtsprechung das Gesuch um Namensänderung vom gesetzlichen Vertreter gestellt werden ( BGE 117 II 6 E. 1b S. 7 f.), wobei in der Lehre auf die mögliche Interessenkollision hingewiesen wird, wenn das Kind seinen bisherigen Namen gegen den aktuellen Namen des Inhabers bzw. der Inhaberin der elterlichen Sorge austauschen soll (u.a. MEIER/DE LUZE, a.a.O., S. 153 Rz. 299; GEISER, Das neue Namensrecht und die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde, ZKE 2012 S. 375 Rz. 3.45, mit Hinweisen).
3.1.1 Art. 13 ZGB 3.1.2 Vorliegend hat die Mutter das Gesuch um Änderung des Namens als "gesetzliche Vertreterin" der - damals 11 Jahre und 8 Monate alten - B. gestellt; die Mutter ist in der Folge auch im Rechtsmittelverfahren aufgetreten. Im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Entscheides und der Erhebung der vorliegenden Beschwerde war B. fast 13 Jahre alt. Das Verwaltungsgericht hat die handschriftlichen Eingaben (vom 9. Februar 2014 und 28. Oktober 2013) gewürdigt und - für das Bundesgericht verbindlich ( Art. 105 Abs. 1 BGG ) - festgestellt, dass B. als mittlerweile über 12-jährige Oberstufenschülerin klar auf eigenen Wunsch und ohne Druck der Mutter handle. Ein 12-jähriges Kind gilt im Rahmen der Namensänderung gemäss Art. 30 Abs. 1 ZGB grundsätzlich als urteilsfähig; dies ergibt sich aus der Analogie zu Art. 270b ZGB betreffend Zustimmung des Kindes unverheirateter Eltern zur Namensänderung (u.a. MEIER/STETTLER, Droit BGE 140 III 577 S. 580 de la filiation, 5. Aufl. 2014, S. 434 Fn. 1532, S. 459 Rz. 704, mit weiteren Hinweisen; vgl. Urteil 5A_624/2010 vom 17. März 2011 E. 1.2, in: Pra 2011 Nr. 94 S. 670: Urteilsfähigkeit eines 13½-jährigen bejaht). Demnach hat B. - als urteilsfähige Minderjährige - nach Art. 19c Abs. 1 ZGB betreffend Namensänderung selber zu handeln. Es kann angenommen werden, dass sie ihre Mutter wirksam bevollmächtigt bzw. ihr Vorgehen genehmigt hat (vgl. BGE 112 IV 9 E. 1 S. 10; BGE 112 II 102 E. 2 S. 103).
3.1.2 Art. 105 Abs. 1 BGG Art. 30 Abs. 1 ZGB Art. 270b ZGB BGE 140 III 577 S. 580
Art. 19c Abs. 1 ZGB 3.2 Grundsätzlich ist der bürgerliche Name einer Person unveränderlich ( BGE 136 III 161 E. 3.1 S. 162; u.a. STEINAUER/FOUNTOULAKIS, Droit des personnes physiques et de la personnalité, 2014, S. 140 Rz. 409). In bestimmten familienrechtlichen Konstellationen (vgl. Art. 270 Abs. 2, Art. 270a Abs. 2, Art. 8a SchlT ZGB ) gewährt das Gesetz die voraussetzungslose Möglichkeit zur Namensänderung (Ziff. I des Bundesgesetzes vom 30. September 2011 [Name und Bürgerrecht], in Kraft seit dem 1. Januar 2013; AS 2012 2569). Die Regierung des Wohnsitzkantons kann sodann einer Person die Änderung des Namens bewilligen, wenn achtenswerte Gründe (motifs légitimes, motivi degni di rispetto) vorliegen ( Art. 30 Abs. 1 ZGB, in der seit dem 1. Januar 2013 in Kraft stehenden Fassung). Ob im einzelnen Fall "achtenswerte Gründe" für eine Namensänderung vorliegen, ist eine Ermessensfrage, die von der zuständigen Behörde nach Recht und Billigkeit zu beantworten ist ( Art. 4 ZGB ).
3.2 Art. 270 Abs. 2, Art. 270a Abs. 2, Art. 8a SchlT ZGB Art. 30 Abs. 1 ZGB Art. 4 ZGB 3.3 Die Voraussetzungen zur behördlichen Bewilligung der Namensänderung gemäss Art. 30 Abs. 1 ZGB haben eine erhebliche inhaltliche Änderung erfahren.
3.3 Art. 30 Abs. 1 ZGB 3.3.1 Gemäss a Art. 30 Abs. 1 ZGB, d.h. in der bis zum 31. Dezember 2012 massgebenden Fassung, konnte die Regierung des Wohnsitzkantons einer Person die Änderung des Namens nur bei Vorliegen von "wichtigen Gründen" bewilligen (vgl. dazu allgemein BGE 136 III 161 E. 3.1.1 S. 163). Nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung ( BGE 121 III 145 ; BGE 124 III 401 ) vermag die blosse Wiederherstellung der Namensidentität zwischen Kind und sorgeberechtigter Mutter eine Namensänderung nicht zu rechtfertigen. Nach dieser Praxis erwächst den Kindern aufgrund der gewandelten gesellschaftlichen Verhältnisse nicht mehr allein deshalb ein ernsthafter Nachteil, weil sie nicht den Namen der sozialen Familie tragen, welcher sie aufgrund besonderer Umstände angehören; dem Wunsch eines Kindes auf Namensänderung sind mögliche spätere Auswirkungen, welche sich BGE 140 III 577 S. 581 aus dem Unsichtbarmachen der Herkunft bzw. der Beziehung zum leiblichen Vater ergeben könnten, gegenüberzustellen ( BGE 124 III 401 E. 3b/aa S. 404).
3.3.1 Art. 30 Abs. 1 ZGB BGE 140 III 577 S. 581
3.3.2 In der Lehre gehen die Meinungen, wie die "achtenswerten Gründe" zu konkretisieren sind, auseinander. Nach der einen Auffassung ergibt sich aus dem Umstand, dass ein Kind beim sorgeberechtigten Elternteil aufwächst, welcher einen anderen Namen trägt, erst recht kein Nachteil mehr, denn mit der Reform des Namensrechts der Ehegatten führen selbst Kinder verheirateter Eltern einen Namen, der sich von jenem des Vaters oder der Mutter unterscheidet. Die Namensänderung sei daher weiterhin zurückhaltend und unter Berücksichtigung des Kindesinteresses zu bewilligen (STEINAUER/FOUNTOULAKIS, a.a.O., S. 142 Rz. 414 a.E.; GEISER, a.a.O., S. 372 Rz. 3.36). Nach anderer Meinung ist Art. 30 Abs. 1 ZGB auch in diesem Zusammenhang grosszügig zu interpretieren, indem Gründe als "achtenswert" gelten, wenn sie als "nicht belanglos" erscheinen (AEBI-MÜLLER, Das neue Familiennamensrecht - eine erste Übersicht, SJZ 108/2012 S. 456 f.; DE LUZE/DE LUIGI, Le nouveau droit du nom, AJP 2013 S. 524 Rz. 80), d.h. "eine gewisse Schwere" erreichen (AEBI-MÜLLER, in: Personen- und Familienrecht [...], Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 2. Aufl. 2012, N. 4 zu Art. 30-30a ZGB ).
3.3.2 Art. 30 Abs. 1 ZGB Art. 30-30a ZGB 3.3.3 Die Änderung von Art. 30 Abs. 1 ZGB wurde in der parlamentarischen Debatte zur Parlamentarischen Initiative 03.428 (Leutenegger Oberholzer) vorgenommen. Mit den "achtenswerten Gründen" als Voraussetzung sollen die Hürden zur Namensänderung gesenkt werden, allerdings ohne die Möglichkeit zu geben, dass jeder seinen Namen nach eigenem Wunsch ändern kann (Voten Bundesrätin Sommaruga und Ständerat Bürgi, AB 2011 S 479; Votum Nationalrat Sommaruga, AB 2011 N 1757). Bereits in der Stellungnahme des Bundesrates wurde das Anliegen begrüsst, dass die Namensführung von Kindern, die in sog. Patchworkfamilien aufwachsen, insbesondere unter dem Gesichtswinkel des Kindeswohls "offen" ausgelegt werde; ein Kind soll eine Namensänderung des Elternteils, bei dem es aufwächst, mittragen dürfen (Stellungnahme des Bundesrates vom 12. Dezember 2008 zum Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates vom 22. August 2008, BBl 2009 429 Ziff. 2.2 a.E. S. 432).
3.3.3 Art. 30 Abs. 1 ZGB 3.3.4 Aus der Entstehungsgeschichte von Art. 30 Abs. 1 ZGB geht hervor, dass für die "achtenswerten Gründe" (im Unterschied zu den BGE 140 III 577 S. 582 "wichtigen Gründen"; E. 3.3.1) zur Namensänderung des Kindes nicht mehr vorausgesetzt werden kann, dass sein Name zu konkreten und ernsthaften sozialen Nachteilen führt. Es ist nachvollziehbar, bereits das nachgewiesene Bedürfnis einer Übereinstimmung des Namens des Kindes mit demjenigen des Inhabers der elterlichen Sorge grundsätzlich als "achtenswerten Grund" im Sinne von Art. 30 Abs. 1 ZGB zu betrachten; dies ändert nichts daran, dass eine sorgfältige Abklärung der Umstände des Einzelfalles vorzunehmen ist, da die Namensänderung eine weitere Trennung vom anderen Elternteil bewirken und das Kindesinteresse beinträchtigen kann (vgl. in diesem Sinn MEIER/STETTLER, a.a.O., S. 452 Rz. 686).
3.3.4 Art. 30 Abs. 1 ZGB BGE 140 III 577 S. 582
Art. 30 Abs. 1 ZGB 3.4 Das Verwaltungsgericht hat im Wesentlichen festgestellt, dass B. seit Geburt mit ihrer Mutter und deren Eltern zusammenlebe, seit jeher in der Schule sowie im Alltag den Namen "D.", den Familiennamen ihrer Mutter, führe. Die Eltern seien zum Zeitpunkt der Geburt bereits getrennt und kurz vor der Scheidung gestanden. Die Lehrerin von B. habe bestätigt, dass sie ihre Schulhefte mit diesem Namen anschreibe und sich mit diesem Namen vorstelle. Aufgrund der Umstände (Familiensituation seit frühester Kindheit und faktische Namensführung) sei die anbegehrte Namensänderung von "A." in "D." durch achtenswerte Gründe belegt.
3.4 3.4.1 Auf die Würdigung der konkreten Umstände durch die Vorinstanz geht der Beschwerdeführer nicht ein. Er wirft der Mutter und ihren Eltern vor, dass sie meinen, es sei für B. nicht gut, einen ausländischen (tunesischen) Namen zu tragen. Der Einwand geht fehl, denn die Vorinstanz hat die Namensänderung nicht auf die Herkunft des Namens gestützt. Die Sorge des Beschwerdeführers, die Namensänderung könnte B. von ihm entwurzeln bzw. entfremden, hat die Vorinstanz ernst genommen: Nach den Feststellungen bestehen keine Anhaltspunkte für mögliche negative Auswirkungen der Namensänderung auf die derzeitige Beziehung zwischen B. und ihrem Vater; es sei eher zu befürchten, dass die erzwungene Abkehr vom faktisch geführten Namen zur Folge haben könnte, dass sie sich vom Vater "noch mehr" entfernt. Auch damit setzt sich der Beschwerdeführer in keiner Weise auseinander.
3.4.1 3.4.2 Ebenso wenig stellt der Beschwerdeführer in Frage, dass - wie die Vorinstanz zutreffend erwogen hat - die Rückkehr vom faktischen zum rechtlichen Namen die Persönlichkeitsrechte einer 13-jährigen erheblich berührt (vgl. Urteil 5A_624/2010 vom 17. März 2011 BGE 140 III 577 S. 583 E. 3.3.2, in: Pra 2011 Nr. 94 S. 673). Dass das Verwaltungsgericht keine sorgfältige Abklärung der Umstände des Einzelfalles vorgenommen habe, legt der Beschwerdeführer nicht dar. Er beschränkt sich auf Ausführungen zu Streitigkeiten betreffend die Ausübung des Besuchsrechts sowie zu Spannungen mit der Mutter sowie deren Eltern; die Vorbringen sind - soweit namensrechtlich überhaupt relevant - nicht zu erörtern, da sie im angefochtenen Entscheid keine Stütze in tatsächlicher Hinsicht finden; in der Beschwerdeschrift wird nicht dargelegt, inwiefern der Sachverhalt unrichtig festgestellt worden sei ( Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 1 BGG ).
3.4.2 BGE 140 III 577 S. 583
Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 1 BGG 3.5 Nach dem Dargelegten gibt es keinen Anlass, in das Ermessen ( Art. 4 ZGB ) des kantonalen Gerichts einzugreifen, wenn es das Bedürfnis zur Übereinstimmung des Namens von B. mit demjenigen ihrer sorgeberechtigten Mutter als nachgewiesen und "achtenswert" im Sinne von Art. 30 Abs. 1 ZGB beurteilt hat. Die Bewilligung zur Namensänderung ist mit Bundesrecht vereinbar.
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Urteilskopf 140 III 583 86. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause A.A. et B.A. contre B. et C. (recours en matière civile) 4A_168/2014 du 30 octobre 2014 Regeste Art. 270 Abs. 2 OR ; Fehlen einer Mitteilung auf dem vom Kanton genehmigten Formular. Zeitpunkt, in dem die Mitteilung auf dem amtlichen, in Art. 269d OR genannten Formular im Fall des Abschlusses eines neuen Mietvertrages erfolgen muss (E. 3.1). Das Fehlen der Mitteilung des Anfangsmietzinses unter Verwendung des amtlichen Formulars hat nur die Nichtigkeit der Vereinbarung über die Höhe des Mietzinses zur Folge (Bestätigung der Rechtsprechung); unter Vorbehalt der Regeln über die Verjährung kann der Mieter demgemäss selbst nach Beendigung des Mietvertrages auf richterliche Festsetzung des Anfangsmietzinses klagen, sofern er nicht rechtsmissbräuchlich handelt (E. 3.2 und 3.3). Sachverhalt ab Seite 584 BGE 140 III 583 S. 584 A. A.a Par contrat du 11 septembre 2006, A.A., représentée par sa fille B.A., a remis à bail à C. et B., moyennant paiement d'un loyer mensuel net de 3'000 fr., l'appartement au 3 e étage de l'immeuble sis rue x, à Genève, dont B.A. est propriétaire; le bail, conclu pour une durée d'un an, soit du 15 septembre 2006 au 15 septembre 2007, était renouvelable pour une durée indéterminée, avec la faculté de le résilier pour les termes des 31 mars, 30 juin, 30 septembre et 31 décembre. Aucun avis de fixation du loyer initial sur formule officielle n'a été remis aux locataires. Par courrier du 31 mars 2010, les locataires ont résilié le bail pour le 15 avril 2010, proposant quatre candidatures de locataires de remplacement. Ils ont libéré les locaux le 24 avril 2010. A.b La restitution de l'appartement et, par la suite, de la garantie de loyer a donné lieu à litige entre les parties à propos de la prise en charge des frais de remise en état. Les locataires ont consulté la permanence de l'ASLOCA en avril 2010 au sujet de leurs droits et obligations en relation avec la restitution de l'appartement. (...) BGE 140 III 583 S. 585 Le 7 février 2011, B.A. a fait notifier un commandement de payer aux locataires pour obtenir la libération de la garantie de loyer; les poursuivis ont formé opposition à cette poursuite. A.c Par courrier du 21 juin 2011, les locataires, représentés par l'ASLOCA, ont invoqué le défaut d'avis de fixation du loyer initial. (...) B. Le 26 avril 2012, C. et B. (demandeurs) ont saisi la Commission de conciliation en matière de baux et loyers du canton de Genève d'une demande en fixation du loyer initial contre A.A. et, au besoin, contre B.A., concluant à ce qu'un calcul de rendement soit ordonné, à la fixation du loyer à 1'000 fr. par mois dès le 15 septembre 2006 et à la restitution du trop-perçu avec intérêts à 5 % dès la date moyenne. Après échec de la tentative de conciliation, les locataires ont déposé leur demande devant le Tribunal des baux et loyers du canton de Genève le 14 janvier 2013. B.A. et A.A. (défenderesses) ont conclu au rejet de la demande, pour défaut de légitimation passive de la première et abus de droit à invoquer le vice de forme dans la fixation du loyer initial, aux motifs que les loyers avaient été payés sans réserve durant toute la durée du bail et que les locataires avaient eu connaissance du vice de forme en avril 2010. Les défenderesses ont requis qu'un jugement séparé soit rendu sur ces points. Par jugement du 14 juin 2013, le Tribunal des baux et loyers a rejeté la demande en tant qu'elle est dirigée contre B.A., débouté A.A. de sa "requête" visant à la constatation d'un abus de droit et réservé la suite de la procédure s'agissant des conclusions dirigées contre A.A. (...) Par arrêt du 10 février 2014, la Chambre des baux et loyers de la Cour de justice du canton de Genève a déclaré irrecevable l'appel de B.A., celle-ci ayant expressément admis son défaut de légitimation passive à l'action et cette question ne faisant pas l'objet de l'appel. Elle a rejeté l'appel de A.A. et confirmé le jugement de première instance, considérant que la bailleresse n'avait pas utilisé la formule officielle pour la fixation du loyer lors de la conclusion du bail et qu'aucun abus de droit ne pouvait être reproché aux locataires qui se sont prévalus du vice. C. A.A. et B.A. ont exercé un recours en matière civile au Tribunal fédéral. (...) BGE 140 III 583 S. 586 Le Tribunal fédéral a déclaré irrecevable le recours interjeté par B.A. et rejeté dans la mesure de sa recevabilité le recours interjeté par A.A. (extrait) Erwägungen Extrait des considérants: 3. En vertu de l' art. 270 al. 2 CO, en cas de pénurie de logements, les cantons peuvent rendre obligatoire, sur tout ou partie de leur territoire, l'usage de la formule officielle, mentionnée à l' art. 269d CO, pour la conclusion de tout nouveau bail. Le canton de Genève a fait usage de cette faculté. 3.1 La formule officielle doit être notifiée au locataire au moment de la conclusion du bail ou, au plus tard, le jour de la remise de la chose louée ( ATF 121 III 56 consid. 2c; sur le contenu de la formule, cf. art. 19 al. 1 et 1 bis de l'ordonnance du 9 mai 1990 sur le bail à loyer et le bail à ferme d'habitations et de locaux commerciaux [OBLF; RS 221.213.11], applicable par analogie lors de la conclusion d'un nouveau contrat de bail en vertu de l' art. 19 al. 3 OBLF ). Elle a pour but d'informer le locataire de sa possibilité de saisir l'autorité de conciliation afin de contester le montant du loyer en lui fournissant toutes les indications utiles ( ATF 137 III 547 consid. 2.3 p. 548). Elle sert à empêcher les hausses abusives de loyer lors d'un changement de locataire, de sorte que l'indication du loyer versé par le précédent locataire doit y figurer ( ATF 120 II 341 consid. 3). Même si le locataire a eu vent du loyer versé par l'ancien locataire au moyen d'une autre voie (p. ex. à la suite d'une information délivrée par ce dernier), l'absence de l'indication du loyer antérieur dans l'avis de fixation du loyer initial constitue un vice dirimant de la communication qui fait l'objet de l' art. 270 al. 2 CO (arrêt 4A_214/2007 du 12 novembre 2007 consid. 3). Si la formule lui a été communiquée, le locataire peut saisir, dans les 30 jours, l'autorité de conciliation, puis le juge pour contester le loyer initial et en demander la diminution, pour autant que le montant convenu soit abusif et que les autres conditions de l' art. 270 al. 1 CO soient remplies. A défaut, il est réputé avoir accepté le loyer et il est déchu du droit de le contester (délai de péremption; ATF 131 III 566 consid. 3.2 p. 570). Selon la jurisprudence, si la formule officielle lui est communiquée plus tard, mais dans les 30 jours après son entrée dans les locaux, le point de départ du délai pour agir est BGE 140 III 583 S. 587 reporté à ce moment-là. En revanche, une communication intervenant au-delà de ce délai équivaut à une absence de notification ( ATF 121 III 56 consid. 2c p. 59). 3.2 3.2.1 Lorsque la formule officielle n'a pas été employée par le bailleur alors qu'elle était obligatoire ou que la hausse de loyer par rapport à celui payé par le précédent locataire n'y a pas été motivée, le Tribunal fédéral a jugé, dans l'arrêt de principe ATF 120 II 341 consid. 5, que ce vice n'entraîne pas la nullité du contrat de bail dans son entier, mais seulement la nullité du loyer fixé. Certes, sauf disposition légale contraire sur la portée et les effets de la forme prescrite, l'acte juridique qui ne respecte pas la forme exigée par la loi n'est pas valable ( art. 11 al. 2 CO ). La finalité de la règle de forme est toutefois importante pour apprécier la situation juridique résultant d'un vice de forme, c'est-à-dire ses effets sur les rapports juridiques entre les parties. Considérant que la mention de l'ancien loyer et la motivation de la hausse contenues dans la formule officielle doivent permettre au locataire de saisir la portée et la justification de la majoration de loyer, de manière à ce qu'il puisse décider, en toute connaissance de cause, de contester le nouveau loyer ou de s'en accommoder, le Tribunal fédéral a donc limité, par une interprétation téléologique réductive de l' art. 270 al. 2 CO, les effets du vice de forme à la nullité de la seule fixation du loyer, en application de l' art. 20 al. 2 CO ( ATF 120 II 341 consid. 3-5; cf. également ATF 124 III 62 consid. 2a; arrêt 4C.428/2004 du 1 er avril 2005 consid. 3.1). Dans l' ATF 137 III 547, alors qu'il avait à se prononcer sur un cas classique d'abus de droit, où le locataire invoquait le défaut d'utilisation de la formule officielle lors de la conclusion du bail pour s'opposer à la résiliation ordinaire du bail, le Tribunal fédéral n'a pas entendu s'écarter de la règle de la nullité partielle, même si les termes utilisés à cette occasion (consid. 2.3) ont pu le laisser penser (cf. la critique de THOMAS KOLLER, Die mietrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2011, RJB 149/2013 p. 59 ss, spéc. p. 62). Il ne l'a pas fait non plus, en se référant à l' ATF 137 III 547 consid. 2.3, dans l'arrêt 4A_198/2014 du 17 juillet 2014 consid. 4.1, ni dans l'arrêt 4A_38/2013 du 12 avril 2013 consid. 2, alors qu'il examinait à nouveau l'invocation d'un abus de droit. 3.2.2 La doctrine dominante conteste certes qu'un vice de forme puisse entraîner sans réserve la nullité, retenant au contraire qu'un tel vice BGE 140 III 583 S. 588 ne doit pas être relevé d'office et qu'il est guéri par l'exécution du contrat (pour un aperçu de la question, cf. PETER GAUCH ET AL., Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, vol. I, 10 e éd. 2014, n. 547 ss). Elle le fait cependant essentiellement en relation avec les contrats soumis à la forme authentique et n'aborde pas la question de la nullité du loyer en raison de l'absence de formule officielle ou d'irrégularité de celle-ci lors de la conclusion du contrat de bail. Il n'y a donc pas lieu de revenir sur l'arrêt de principe publié aux ATF 120 II 341 qui a posé la règle de la nullité partielle. D'ailleurs, en matière de bail, contrairement au principe général "nul n'est censé ignorer la loi", le législateur présume précisément l'ignorance du locataire ( ATF 113 II 187 consid. 1a). En outre, le projet de modification du droit du bail dans le code des obligations, mis en consultation le 28 mai 2014 (FF 2014 3853), qui prévoit d'étendre l'obligation d'utiliser la formule officielle à toute la Suisse, qualifie d'appropriée la pratique actuelle de la nullité partielle du montant du loyer (ch. 2.1.6 du rapport explicatif du 16 mai 2014 intitulé Modification du droit du bail dans le code des obligations [projet], Commentaire). Enfin, il sied de rappeler que l' art. 270 al. 2 CO renvoie à l'utilisation de la formule officielle mentionnée à l' art. 269d CO, disposition dont l'al. 2 prévoit expressément la nullité de la majoration du loyer lorsque celle-ci n'a pas été notifiée au moyen de la formule officielle (let. a) ou que les motifs n'y sont pas indiqués (let. b). 3.2.3 Lorsque le bail a été conclu sans que soit utilisée la formule officielle ou sans que la hausse de loyer n'y soit motivée, le locataire peut donc agir en fixation judiciaire du loyer initial et en restitution de l'éventuel trop-perçu. Il s'agit là d'un cumul d'actions ( art. 90 CPC ): la première tend, après constatation, à titre préjudiciel, de la nullité du loyer convenu, à la fixation judiciaire de celui-ci et la seconde, en tant que conséquence de la première, vise à la restitution des prestations effectuées sans cause conformément aux règles de l'enrichissement illégitime ( art. 62 ss CO ). Puisque le législateur n'a pas prévu de règle limitant l'invocation du vice de forme dans le temps, par exemple à la durée du bail, seules les règles de la prescription peuvent constituer une limite à l'intérêt du locataire à agir en justice. Son action pour cause d'enrichissement illégitime se prescrit par un an à compter du jour où il a eu connaissance de son droit de répétition et, dans tous les cas, par dix ans dès la naissance de ce droit, conformément à l' art. 67 al. 1 CO - l' art. 128 ch. 1 CO BGE 140 III 583 S. 589 ne s'appliquant pas ( ATF 130 III 504 consid. 6.2 p. 511 et les références) -, de sorte que tant que son action n'est pas prescrite ou que le débiteur n'a pas soulevé l'exception de prescription ( art. 142 CO ), le locataire a également un intérêt à son action en fixation judiciaire du loyer. 3.2.4 L'abus manifeste de droit ( art. 2 al. 2 CC ) demeure toujours réservé. Ce principe permet de corriger les effets de la loi dans certains cas où l'exercice d'un droit allégué créerait une injustice manifeste. Le juge apprécie la question au regard des circonstances concrètes, qui sont déterminantes. L'emploi dans le texte légal du qualificatif "manifeste" démontre que l'abus de droit doit être admis restrictivement. Les cas typiques en sont l'absence d'intérêt à l'exercice d'un droit, l'utilisation d'une institution juridique de façon contraire à son but, la disproportion manifeste des intérêts en présence, l'exercice d'un droit sans ménagement ou l'attitude contradictoire ( ATF 137 III 625 consid. 4.3; ATF 135 III 162 consid. 3.3.1). Au titre de l'attitude contradictoire du locataire, la jurisprudence a retenu qu'une exception au droit de répétition des art. 62 ss CO peut être admise, par exemple, lorsque le preneur s'est rendu compte du vice de forme et s'est abstenu de protester dans le dessein d'en tirer, le cas échéant, ultérieurement profit ( ATF 113 II 187 consid. 1a p. 189, cité notamment dans les arrêts 4C.134/2001 du 18 octobre 2001 consid. 3b et 4A_647/2011 du 26 janvier 2012 consid. 4.1; cf. également ATF 138 III 401 consid. 2.3.2) ou encore lorsque le locataire a renoncé expressément et en toute connaissance de cause à la notification de la formule officielle et a exécuté de son plein gré l'accord conclu ( ATF 123 III 70 consid. 3c-d, cité notamment dans l'arrêt 4C.134/2001 déjà cité, consid. 3b). En revanche, le seul fait d'avoir payé, sans discuter, le loyer pendant un long laps de temps ne saurait, à lui seul, conduire à la conclusion que le locataire commet un abus de droit ( ATF 138 III 401 consid. 2.3.3; arrêts 4A_38/2013 du 12 avril 2013 consid. 2.1, non publié in ATF 139 III 249, mais in Pra 2013 n° 113 p. 876; 4A_647/2011 du 26 janvier 2012 consid. 4.2; 4A_490/2011 du 10 janvier 2012 consid. 3.2; 4A_129/2011 du 28 avril 2011 consid. 2.3, résumé in JdT 2012 II p. 113). Au titre de l'utilisation d'une institution juridique de façon contraire à son but, la jurisprudence a retenu, entre autre exemple, que le locataire qui soulève la nullité du loyer conclu pour s'opposer à la résiliation immédiate du contrat et à son expulsion commet un abus BGE 140 III 583 S. 590 de droit ( ATF 137 III 547 consid. 2.3 p. 549; arrêt 4C.315/2000 du 5 février 2001 consid. 4c, in CdB 2001 p. 77, mentionné dans l'arrêt 4A_129/2011 déjà cité, consid. 2.3; cf. également ATF 138 III 401 consid. 2.4). 3.3 3.3.1 En l'espèce, il ressort des constatations de la cour cantonale que la formule officielle n'a jamais été communiquée aux locataires. La bailleresse ne conteste pas valablement cette constatation de fait lorsqu'elle affirme dans son recours qu'"il semblerait qu'[elle] n'ait pas remis d'avis de fixation du loyer à ses locataires". Il s'ensuit que le loyer mensuel net de 3'000 fr. convenu dans le contrat de bail doit être considéré comme nul. Il résulte ensuite de l'appréciation des preuves opérée par la cour cantonale que les locataires n'ont eu connaissance de leur droit de contester le loyer initial que le 21 juin 2011, date à laquelle ils ont, par l'entremise de l'ASLOCA, informé la bailleresse de l'absence de formule officielle. La recourante ne parvient pas à démontrer l'arbitraire de cette appréciation. Tout en objectant que les locataires ont eu connaissance du vice de forme en avril 2010, lorsqu'ils ont consulté pour la première fois la permanence de l'ASLOCA, elle admet elle-même qu'elle est dans l'impossibilité d'apporter la preuve matérielle de cette allégation. En prétendant qu'il est impensable que les locataires n'aient pas été informés de leurs droits à cette occasion, puisqu'ils ont nécessairement dû amener avec eux les documents contractuels nécessaires, elle fait valoir une critique appellatoire, inapte à démontrer le caractère prétendument arbitraire de l'appréciation de la cour cantonale, laquelle a précisément retenu qu'il n'est pas inconcevable que les locataires n'aient alors pas apporté leur dossier complet à l'ASLOCA. Lorsque la recourante objecte ensuite que les locataires auraient eu connaissance du vice de forme en février 2011, au moment où ils ont consulté l'ASLOCA dans le cadre de la procédure de mainlevée (et de restitution de la garantie bancaire), elle se borne à nouveau à une pure affirmation, impropre à démontrer un quelconque arbitraire. Comme la constatation que les locataires n'ont eu connaissance du vice de forme que le 21 juin 2011 résiste à l'arbitraire, il s'ensuit qu'en ouvrant action par requête de conciliation le 26 avril 2012, ils ont bien agi dans le délai d'un an de l' art. 67 al. 1 CO. Force est donc de constater que leur créance en enrichissement illégitime n'est en tout BGE 140 III 583 S. 591 cas pas prescrite et qu'ils ont un intérêt à leur action en fixation du loyer, l'absence d'utilisation de la formule officielle entraînant la nullité du loyer conclu. Contrairement à ce que croit la recourante, le fait d'avoir attendu dix mois pour ouvrir action le 26 avril 2012 n'est pas contraire au droit. Le lésé dispose en effet d'un an dès la connaissance de son droit de répétition pour agir ( art. 67 al. 1 CO ). Comme on l'a vu, les termes de "délai raisonnable" de l' ATF 137 III 547, repris au consid. 2.1 de l'arrêt 4A_38/2013 du 12 avril 2013 déjà cité, n'ont pas de portée dans le cadre de l'examen du respect du délai annuel fixé par l' art. 67 al. 1 CO. 3.3.2 La recourante se plaint également d'abus de droit. Le déroulement des événements sur lesquels elle se fonde à ce titre ne démontre toutefois pas l'utilisation d'une institution juridique contrairement à son but. En effet, dès lors que les locataires ont une créance en restitution du trop-perçu si le loyer a été arrêté dans le bail à un montant excessif et que c'est précisément ce remboursement qu'ils visent par leur action, on ne voit pas en quoi ils utiliseraient l'institution de la nullité dans un autre but que celui pour lequel elle a été instaurée. On ne saurait ainsi suivre la recourante quand elle soutient que les locataires ne chercheraient pas à obtenir l'examen du caractère abusif du loyer, mais tenteraient d'exercer une pression sur elle, voire agiraient par mesure de rétorsion à la suite de la procédure de poursuite et de mainlevée qu'elle a intentée à leur endroit. Il n'y a là aucune comparaison possible avec l'abus manifeste de droit retenu à l'encontre du locataire qui se prévaut de la nullité du loyer pour s'opposer à la résiliation du bail et à son expulsion.
Urteilskopf
86. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause A.A. et B.A. contre B. et C. (recours en matière civile)
4A_168/2014 du 30 octobre 2014
Regeste Art. 270 Abs. 2 OR ; Fehlen einer Mitteilung auf dem vom Kanton genehmigten Formular. Zeitpunkt, in dem die Mitteilung auf dem amtlichen, in Art. 269d OR genannten Formular im Fall des Abschlusses eines neuen Mietvertrages erfolgen muss (E. 3.1). Das Fehlen der Mitteilung des Anfangsmietzinses unter Verwendung des amtlichen Formulars hat nur die Nichtigkeit der Vereinbarung über die Höhe des Mietzinses zur Folge (Bestätigung der Rechtsprechung); unter Vorbehalt der Regeln über die Verjährung kann der Mieter demgemäss selbst nach Beendigung des Mietvertrages auf richterliche Festsetzung des Anfangsmietzinses klagen, sofern er nicht rechtsmissbräuchlich handelt (E. 3.2 und 3.3).
Regeste
Art. 270 Abs. 2 OR ; Fehlen einer Mitteilung auf dem vom Kanton genehmigten Formular. Zeitpunkt, in dem die Mitteilung auf dem amtlichen, in Art. 269d OR genannten Formular im Fall des Abschlusses eines neuen Mietvertrages erfolgen muss (E. 3.1). Das Fehlen der Mitteilung des Anfangsmietzinses unter Verwendung des amtlichen Formulars hat nur die Nichtigkeit der Vereinbarung über die Höhe des Mietzinses zur Folge (Bestätigung der Rechtsprechung); unter Vorbehalt der Regeln über die Verjährung kann der Mieter demgemäss selbst nach Beendigung des Mietvertrages auf richterliche Festsetzung des Anfangsmietzinses klagen, sofern er nicht rechtsmissbräuchlich handelt (E. 3.2 und 3.3).
Art. 270 Abs. 2 OR Zeitpunkt, in dem die Mitteilung auf dem amtlichen, in Art. 269d OR genannten Formular im Fall des Abschlusses eines neuen Mietvertrages erfolgen muss (E. 3.1).
Art. 269d OR Das Fehlen der Mitteilung des Anfangsmietzinses unter Verwendung des amtlichen Formulars hat nur die Nichtigkeit der Vereinbarung über die Höhe des Mietzinses zur Folge (Bestätigung der Rechtsprechung); unter Vorbehalt der Regeln über die Verjährung kann der Mieter demgemäss selbst nach Beendigung des Mietvertrages auf richterliche Festsetzung des Anfangsmietzinses klagen, sofern er nicht rechtsmissbräuchlich handelt (E. 3.2 und 3.3).
Sachverhalt ab Seite 584
Sachverhalt ab Seite 584 BGE 140 III 583 S. 584
BGE 140 III 583 S. 584
A.
A. A.a Par contrat du 11 septembre 2006, A.A., représentée par sa fille B.A., a remis à bail à C. et B., moyennant paiement d'un loyer mensuel net de 3'000 fr., l'appartement au 3 e étage de l'immeuble sis rue x, à Genève, dont B.A. est propriétaire; le bail, conclu pour une durée d'un an, soit du 15 septembre 2006 au 15 septembre 2007, était renouvelable pour une durée indéterminée, avec la faculté de le résilier pour les termes des 31 mars, 30 juin, 30 septembre et 31 décembre.
A.a Aucun avis de fixation du loyer initial sur formule officielle n'a été remis aux locataires.
Par courrier du 31 mars 2010, les locataires ont résilié le bail pour le 15 avril 2010, proposant quatre candidatures de locataires de remplacement. Ils ont libéré les locaux le 24 avril 2010.
A.b La restitution de l'appartement et, par la suite, de la garantie de loyer a donné lieu à litige entre les parties à propos de la prise en charge des frais de remise en état.
A.b Les locataires ont consulté la permanence de l'ASLOCA en avril 2010 au sujet de leurs droits et obligations en relation avec la restitution de l'appartement. (...) BGE 140 III 583 S. 585
BGE 140 III 583 S. 585
Le 7 février 2011, B.A. a fait notifier un commandement de payer aux locataires pour obtenir la libération de la garantie de loyer; les poursuivis ont formé opposition à cette poursuite.
A.c Par courrier du 21 juin 2011, les locataires, représentés par l'ASLOCA, ont invoqué le défaut d'avis de fixation du loyer initial. (...)
A.c B. Le 26 avril 2012, C. et B. (demandeurs) ont saisi la Commission de conciliation en matière de baux et loyers du canton de Genève d'une demande en fixation du loyer initial contre A.A. et, au besoin, contre B.A., concluant à ce qu'un calcul de rendement soit ordonné, à la fixation du loyer à 1'000 fr. par mois dès le 15 septembre 2006 et à la restitution du trop-perçu avec intérêts à 5 % dès la date moyenne.
B. Après échec de la tentative de conciliation, les locataires ont déposé leur demande devant le Tribunal des baux et loyers du canton de Genève le 14 janvier 2013.
B.A. et A.A. (défenderesses) ont conclu au rejet de la demande, pour défaut de légitimation passive de la première et abus de droit à invoquer le vice de forme dans la fixation du loyer initial, aux motifs que les loyers avaient été payés sans réserve durant toute la durée du bail et que les locataires avaient eu connaissance du vice de forme en avril 2010. Les défenderesses ont requis qu'un jugement séparé soit rendu sur ces points.
Par jugement du 14 juin 2013, le Tribunal des baux et loyers a rejeté la demande en tant qu'elle est dirigée contre B.A., débouté A.A. de sa "requête" visant à la constatation d'un abus de droit et réservé la suite de la procédure s'agissant des conclusions dirigées contre A.A.
(...)
Par arrêt du 10 février 2014, la Chambre des baux et loyers de la Cour de justice du canton de Genève a déclaré irrecevable l'appel de B.A., celle-ci ayant expressément admis son défaut de légitimation passive à l'action et cette question ne faisant pas l'objet de l'appel. Elle a rejeté l'appel de A.A. et confirmé le jugement de première instance, considérant que la bailleresse n'avait pas utilisé la formule officielle pour la fixation du loyer lors de la conclusion du bail et qu'aucun abus de droit ne pouvait être reproché aux locataires qui se sont prévalus du vice.
C. A.A. et B.A. ont exercé un recours en matière civile au Tribunal fédéral. (...) BGE 140 III 583 S. 586
C. BGE 140 III 583 S. 586
Le Tribunal fédéral a déclaré irrecevable le recours interjeté par B.A. et rejeté dans la mesure de sa recevabilité le recours interjeté par A.A.
(extrait)
Erwägungen
Erwägungen Extrait des considérants:
3. En vertu de l' art. 270 al. 2 CO, en cas de pénurie de logements, les cantons peuvent rendre obligatoire, sur tout ou partie de leur territoire, l'usage de la formule officielle, mentionnée à l' art. 269d CO, pour la conclusion de tout nouveau bail. Le canton de Genève a fait usage de cette faculté.
3. art. 270 al. 2 CO art. 269d CO 3.1 La formule officielle doit être notifiée au locataire au moment de la conclusion du bail ou, au plus tard, le jour de la remise de la chose louée ( ATF 121 III 56 consid. 2c; sur le contenu de la formule, cf. art. 19 al. 1 et 1 bis de l'ordonnance du 9 mai 1990 sur le bail à loyer et le bail à ferme d'habitations et de locaux commerciaux [OBLF; RS 221.213.11], applicable par analogie lors de la conclusion d'un nouveau contrat de bail en vertu de l' art. 19 al. 3 OBLF ). Elle a pour but d'informer le locataire de sa possibilité de saisir l'autorité de conciliation afin de contester le montant du loyer en lui fournissant toutes les indications utiles ( ATF 137 III 547 consid. 2.3 p. 548). Elle sert à empêcher les hausses abusives de loyer lors d'un changement de locataire, de sorte que l'indication du loyer versé par le précédent locataire doit y figurer ( ATF 120 II 341 consid. 3).
3.1 art. 19 al. 3 OBLF Même si le locataire a eu vent du loyer versé par l'ancien locataire au moyen d'une autre voie (p. ex. à la suite d'une information délivrée par ce dernier), l'absence de l'indication du loyer antérieur dans l'avis de fixation du loyer initial constitue un vice dirimant de la communication qui fait l'objet de l' art. 270 al. 2 CO (arrêt 4A_214/2007 du 12 novembre 2007 consid. 3). art. 270 al. 2 CO Si la formule lui a été communiquée, le locataire peut saisir, dans les 30 jours, l'autorité de conciliation, puis le juge pour contester le loyer initial et en demander la diminution, pour autant que le montant convenu soit abusif et que les autres conditions de l' art. 270 al. 1 CO soient remplies. A défaut, il est réputé avoir accepté le loyer et il est déchu du droit de le contester (délai de péremption; ATF 131 III 566 consid. 3.2 p. 570). Selon la jurisprudence, si la formule officielle lui est communiquée plus tard, mais dans les 30 jours après son entrée dans les locaux, le point de départ du délai pour agir est BGE 140 III 583 S. 587 reporté à ce moment-là. En revanche, une communication intervenant au-delà de ce délai équivaut à une absence de notification ( ATF 121 III 56 consid. 2c p. 59). art. 270 al. 1 CO BGE 140 III 583 S. 587
3.2
3.2 3.2.1 Lorsque la formule officielle n'a pas été employée par le bailleur alors qu'elle était obligatoire ou que la hausse de loyer par rapport à celui payé par le précédent locataire n'y a pas été motivée, le Tribunal fédéral a jugé, dans l'arrêt de principe ATF 120 II 341 consid. 5, que ce vice n'entraîne pas la nullité du contrat de bail dans son entier, mais seulement la nullité du loyer fixé. Certes, sauf disposition légale contraire sur la portée et les effets de la forme prescrite, l'acte juridique qui ne respecte pas la forme exigée par la loi n'est pas valable ( art. 11 al. 2 CO ). La finalité de la règle de forme est toutefois importante pour apprécier la situation juridique résultant d'un vice de forme, c'est-à-dire ses effets sur les rapports juridiques entre les parties. Considérant que la mention de l'ancien loyer et la motivation de la hausse contenues dans la formule officielle doivent permettre au locataire de saisir la portée et la justification de la majoration de loyer, de manière à ce qu'il puisse décider, en toute connaissance de cause, de contester le nouveau loyer ou de s'en accommoder, le Tribunal fédéral a donc limité, par une interprétation téléologique réductive de l' art. 270 al. 2 CO, les effets du vice de forme à la nullité de la seule fixation du loyer, en application de l' art. 20 al. 2 CO ( ATF 120 II 341 consid. 3-5; cf. également ATF 124 III 62 consid. 2a; arrêt 4C.428/2004 du 1 er avril 2005 consid. 3.1).
3.2.1 art. 11 al. 2 CO art. 270 al. 2 CO art. 20 al. 2 CO Dans l' ATF 137 III 547, alors qu'il avait à se prononcer sur un cas classique d'abus de droit, où le locataire invoquait le défaut d'utilisation de la formule officielle lors de la conclusion du bail pour s'opposer à la résiliation ordinaire du bail, le Tribunal fédéral n'a pas entendu s'écarter de la règle de la nullité partielle, même si les termes utilisés à cette occasion (consid. 2.3) ont pu le laisser penser (cf. la critique de THOMAS KOLLER, Die mietrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2011, RJB 149/2013 p. 59 ss, spéc. p. 62). Il ne l'a pas fait non plus, en se référant à l' ATF 137 III 547 consid. 2.3, dans l'arrêt 4A_198/2014 du 17 juillet 2014 consid. 4.1, ni dans l'arrêt 4A_38/2013 du 12 avril 2013 consid. 2, alors qu'il examinait à nouveau l'invocation d'un abus de droit.
3.2.2 La doctrine dominante conteste certes qu'un vice de forme puisse entraîner sans réserve la nullité, retenant au contraire qu'un tel vice BGE 140 III 583 S. 588 ne doit pas être relevé d'office et qu'il est guéri par l'exécution du contrat (pour un aperçu de la question, cf. PETER GAUCH ET AL., Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, vol. I, 10 e éd. 2014, n. 547 ss). Elle le fait cependant essentiellement en relation avec les contrats soumis à la forme authentique et n'aborde pas la question de la nullité du loyer en raison de l'absence de formule officielle ou d'irrégularité de celle-ci lors de la conclusion du contrat de bail. Il n'y a donc pas lieu de revenir sur l'arrêt de principe publié aux ATF 120 II 341 qui a posé la règle de la nullité partielle. D'ailleurs, en matière de bail, contrairement au principe général "nul n'est censé ignorer la loi", le législateur présume précisément l'ignorance du locataire ( ATF 113 II 187 consid. 1a). En outre, le projet de modification du droit du bail dans le code des obligations, mis en consultation le 28 mai 2014 (FF 2014 3853), qui prévoit d'étendre l'obligation d'utiliser la formule officielle à toute la Suisse, qualifie d'appropriée la pratique actuelle de la nullité partielle du montant du loyer (ch. 2.1.6 du rapport explicatif du 16 mai 2014 intitulé Modification du droit du bail dans le code des obligations [projet], Commentaire). Enfin, il sied de rappeler que l' art. 270 al. 2 CO renvoie à l'utilisation de la formule officielle mentionnée à l' art. 269d CO, disposition dont l'al. 2 prévoit expressément la nullité de la majoration du loyer lorsque celle-ci n'a pas été notifiée au moyen de la formule officielle (let. a) ou que les motifs n'y sont pas indiqués (let. b).
3.2.2 BGE 140 III 583 S. 588
art. 270 al. 2 CO art. 269d CO 3.2.3 Lorsque le bail a été conclu sans que soit utilisée la formule officielle ou sans que la hausse de loyer n'y soit motivée, le locataire peut donc agir en fixation judiciaire du loyer initial et en restitution de l'éventuel trop-perçu. Il s'agit là d'un cumul d'actions ( art. 90 CPC ): la première tend, après constatation, à titre préjudiciel, de la nullité du loyer convenu, à la fixation judiciaire de celui-ci et la seconde, en tant que conséquence de la première, vise à la restitution des prestations effectuées sans cause conformément aux règles de l'enrichissement illégitime ( art. 62 ss CO ).
3.2.3 art. 90 CPC art. 62 ss CO Puisque le législateur n'a pas prévu de règle limitant l'invocation du vice de forme dans le temps, par exemple à la durée du bail, seules les règles de la prescription peuvent constituer une limite à l'intérêt du locataire à agir en justice. Son action pour cause d'enrichissement illégitime se prescrit par un an à compter du jour où il a eu connaissance de son droit de répétition et, dans tous les cas, par dix ans dès la naissance de ce droit, conformément à l' art. 67 al. 1 CO - l' art. 128 ch. 1 CO BGE 140 III 583 S. 589 ne s'appliquant pas ( ATF 130 III 504 consid. 6.2 p. 511 et les références) -, de sorte que tant que son action n'est pas prescrite ou que le débiteur n'a pas soulevé l'exception de prescription ( art. 142 CO ), le locataire a également un intérêt à son action en fixation judiciaire du loyer. art. 67 al. 1 CO art. 128 ch. 1 CO BGE 140 III 583 S. 589
art. 142 CO 3.2.4 L'abus manifeste de droit ( art. 2 al. 2 CC ) demeure toujours réservé. Ce principe permet de corriger les effets de la loi dans certains cas où l'exercice d'un droit allégué créerait une injustice manifeste. Le juge apprécie la question au regard des circonstances concrètes, qui sont déterminantes. L'emploi dans le texte légal du qualificatif "manifeste" démontre que l'abus de droit doit être admis restrictivement. Les cas typiques en sont l'absence d'intérêt à l'exercice d'un droit, l'utilisation d'une institution juridique de façon contraire à son but, la disproportion manifeste des intérêts en présence, l'exercice d'un droit sans ménagement ou l'attitude contradictoire ( ATF 137 III 625 consid. 4.3; ATF 135 III 162 consid. 3.3.1).
3.2.4 art. 2 al. 2 CC Au titre de l'attitude contradictoire du locataire, la jurisprudence a retenu qu'une exception au droit de répétition des art. 62 ss CO peut être admise, par exemple, lorsque le preneur s'est rendu compte du vice de forme et s'est abstenu de protester dans le dessein d'en tirer, le cas échéant, ultérieurement profit ( ATF 113 II 187 consid. 1a p. 189, cité notamment dans les arrêts 4C.134/2001 du 18 octobre 2001 consid. 3b et 4A_647/2011 du 26 janvier 2012 consid. 4.1; cf. également ATF 138 III 401 consid. 2.3.2) ou encore lorsque le locataire a renoncé expressément et en toute connaissance de cause à la notification de la formule officielle et a exécuté de son plein gré l'accord conclu ( ATF 123 III 70 consid. 3c-d, cité notamment dans l'arrêt 4C.134/2001 déjà cité, consid. 3b). En revanche, le seul fait d'avoir payé, sans discuter, le loyer pendant un long laps de temps ne saurait, à lui seul, conduire à la conclusion que le locataire commet un abus de droit ( ATF 138 III 401 consid. 2.3.3; arrêts 4A_38/2013 du 12 avril 2013 consid. 2.1, non publié in ATF 139 III 249, mais in Pra 2013 n° 113 p. 876; 4A_647/2011 du 26 janvier 2012 consid. 4.2; 4A_490/2011 du 10 janvier 2012 consid. 3.2; 4A_129/2011 du 28 avril 2011 consid. 2.3, résumé in JdT 2012 II p. 113). art. 62 ss CO Au titre de l'utilisation d'une institution juridique de façon contraire à son but, la jurisprudence a retenu, entre autre exemple, que le locataire qui soulève la nullité du loyer conclu pour s'opposer à la résiliation immédiate du contrat et à son expulsion commet un abus BGE 140 III 583 S. 590 de droit ( ATF 137 III 547 consid. 2.3 p. 549; arrêt 4C.315/2000 du 5 février 2001 consid. 4c, in CdB 2001 p. 77, mentionné dans l'arrêt 4A_129/2011 déjà cité, consid. 2.3; cf. également ATF 138 III 401 consid. 2.4).
BGE 140 III 583 S. 590
3.3
3.3 3.3.1 En l'espèce, il ressort des constatations de la cour cantonale que la formule officielle n'a jamais été communiquée aux locataires. La bailleresse ne conteste pas valablement cette constatation de fait lorsqu'elle affirme dans son recours qu'"il semblerait qu'[elle] n'ait pas remis d'avis de fixation du loyer à ses locataires". Il s'ensuit que le loyer mensuel net de 3'000 fr. convenu dans le contrat de bail doit être considéré comme nul.
3.3.1 Il résulte ensuite de l'appréciation des preuves opérée par la cour cantonale que les locataires n'ont eu connaissance de leur droit de contester le loyer initial que le 21 juin 2011, date à laquelle ils ont, par l'entremise de l'ASLOCA, informé la bailleresse de l'absence de formule officielle. La recourante ne parvient pas à démontrer l'arbitraire de cette appréciation. Tout en objectant que les locataires ont eu connaissance du vice de forme en avril 2010, lorsqu'ils ont consulté pour la première fois la permanence de l'ASLOCA, elle admet elle-même qu'elle est dans l'impossibilité d'apporter la preuve matérielle de cette allégation. En prétendant qu'il est impensable que les locataires n'aient pas été informés de leurs droits à cette occasion, puisqu'ils ont nécessairement dû amener avec eux les documents contractuels nécessaires, elle fait valoir une critique appellatoire, inapte à démontrer le caractère prétendument arbitraire de l'appréciation de la cour cantonale, laquelle a précisément retenu qu'il n'est pas inconcevable que les locataires n'aient alors pas apporté leur dossier complet à l'ASLOCA. Lorsque la recourante objecte ensuite que les locataires auraient eu connaissance du vice de forme en février 2011, au moment où ils ont consulté l'ASLOCA dans le cadre de la procédure de mainlevée (et de restitution de la garantie bancaire), elle se borne à nouveau à une pure affirmation, impropre à démontrer un quelconque arbitraire.
Comme la constatation que les locataires n'ont eu connaissance du vice de forme que le 21 juin 2011 résiste à l'arbitraire, il s'ensuit qu'en ouvrant action par requête de conciliation le 26 avril 2012, ils ont bien agi dans le délai d'un an de l' art. 67 al. 1 CO. Force est donc de constater que leur créance en enrichissement illégitime n'est en tout BGE 140 III 583 S. 591 cas pas prescrite et qu'ils ont un intérêt à leur action en fixation du loyer, l'absence d'utilisation de la formule officielle entraînant la nullité du loyer conclu. Contrairement à ce que croit la recourante, le fait d'avoir attendu dix mois pour ouvrir action le 26 avril 2012 n'est pas contraire au droit. Le lésé dispose en effet d'un an dès la connaissance de son droit de répétition pour agir ( art. 67 al. 1 CO ). Comme on l'a vu, les termes de "délai raisonnable" de l' ATF 137 III 547, repris au consid. 2.1 de l'arrêt 4A_38/2013 du 12 avril 2013 déjà cité, n'ont pas de portée dans le cadre de l'examen du respect du délai annuel fixé par l' art. 67 al. 1 CO. art. 67 al. 1 CO BGE 140 III 583 S. 591
art. 67 al. 1 CO art. 67 al. 1 CO 3.3.2 La recourante se plaint également d'abus de droit. Le déroulement des événements sur lesquels elle se fonde à ce titre ne démontre toutefois pas l'utilisation d'une institution juridique contrairement à son but. En effet, dès lors que les locataires ont une créance en restitution du trop-perçu si le loyer a été arrêté dans le bail à un montant excessif et que c'est précisément ce remboursement qu'ils visent par leur action, on ne voit pas en quoi ils utiliseraient l'institution de la nullité dans un autre but que celui pour lequel elle a été instaurée. On ne saurait ainsi suivre la recourante quand elle soutient que les locataires ne chercheraient pas à obtenir l'examen du caractère abusif du loyer, mais tenteraient d'exercer une pression sur elle, voire agiraient par mesure de rétorsion à la suite de la procédure de poursuite et de mainlevée qu'elle a intentée à leur endroit. Il n'y a là aucune comparaison possible avec l'abus manifeste de droit retenu à l'encontre du locataire qui se prévaut de la nullité du loyer pour s'opposer à la résiliation du bail et à son expulsion.
3.3.2
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Urteilskopf 140 III 591 87. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause Caisse A. contre A.B. et B.B. (recours en matière civile) 4A_271/2014 du 19 novembre 2014 Regeste Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsrückstands des Mieters ( Art. 257d OR ); gegen Treu und Glauben verstossende Kündigung ( Art. 271 OR ). Anfechtbarkeit einer Kündigung, die den Anforderungen von Art. 257d OR entspricht, aber gegen Treu und Glauben verstösst (Zusammenfassung der Rechtsprechung; E. 1). Ein Zahlungsrückstand von Fr. 164.- ist nicht unbedeutend (E. 2). Art. 257d OR setzt nicht voraus, dass die Mietzins- oder Nebenkostenforderung unbestritten ist oder gerichtlich festgestellt wurde, sondern lediglich, dass sie fällig ist (E. 3.2). Missbräuchliche Kündigung im konkreten Fall verneint (E. 3-5). Sachverhalt ab Seite 592 BGE 140 III 591 S. 592 A. A.B. est depuis 1974 locataire d'un appartement de quatre pièces et demie qu'il occupe avec son épouse B.B., dans le canton de Neuchâtel; le loyer mensuel s'élève en dernier lieu à 710 fr., charges non comprises. Le 11 décembre 2009, la bailleresse Caisse A. a adressé au locataire le décompte des frais de chauffage pour la période du 1 er juillet 2008 au 30 juin 2009, présentant un solde à payer de 329 fr. 25. Il s'en est suivi un différend, notamment sur le lieu de consultation des justificatifs; le locataire a saisi la Commission de conciliation. Les parties ont convenu d'une suspension de la procédure jusqu'au 31 mars 2010. Le procès-verbal de la séance précisait qu'à défaut d'entente dans ce délai, la partie qui persisterait dans sa demande devrait saisir l'autorité judiciaire compétente dans les trente jours. Bien qu'aucun accord ne soit intervenu, le juge n'a pas été saisi. Le 5 août 2010, la bailleresse a intenté des poursuites contre le locataire et l'épouse de celui-ci; les commandements de payer, portant sur la somme de 329 fr. 25, ont été frappés d'opposition. Par plis séparés du 3 septembre 2010, la bailleresse a sommé ces mêmes personnes de payer le montant précité dans les trente jours, faute de quoi le bail serait résilié. Celles-ci ont répondu qu'elles verseraient la moitié du montant réclamé à titre de mesure provisoire et ont demandé une nouvelle fois la rectification du décompte. Le 11 octobre 2010, la bailleresse a adressé à chaque conjoint un avis de résiliation de bail pour le 30 novembre 2010, motivé par le fait que seul BGE 140 III 591 S. 593 un montant de 164 fr. 60 avait été versé sur le solde réclamé de 329 fr. 25. B. B.a Le 12 novembre 2010 les époux ont déposé devant la Commission de conciliation une requête en constatation de l'inefficacité du congé, subsidiairement en annulation de celui-ci. La Commission a fait droit à cette conclusion subsidiaire. Elle a reproché à la bailleresse d'avoir saisi la première occasion pour notifier un congé alors que les parties se livraient depuis trois décennies à une véritable bataille de tranchées, chaque question donnant lieu à de nouvelles procédures dans lesquelles le locataire, pointilleux voire procédurier, avait cependant obtenu le plus souvent totalement ou partiellement gain de cause. La bailleresse a porté la cause devant le Tribunal civil du Littoral et du Val-de-Travers qui, par jugement du 25 février 2013, a rejeté la requête en validation du congé. En substance, cette autorité a jugé que le congé contrevenait aux règles de la bonne foi en raison d'une flagrante disproportion des intérêts en présence, soit d'un côté celui du locataire et de son épouse à conserver l'usage de l'appartement qu'ils occupaient depuis quarante ans et dont ils payaient le loyer ponctuellement, de l'autre côté celui de la bailleresse à obtenir le paiement d'une somme dont ne dépendait pas le respect de ses propres engagements. La bailleresse, qui affirmait qu'elle aurait donné le congé de la même manière à tout autre locataire, avait méconnu son devoir de faire une approche différenciée des cas d'impayés pouvant se présenter à elle. B.b La Cour d'appel civile du Tribunal cantonal neuchâtelois a confirmé ce jugement. C. Par arrêt du 19 novembre 2014, le Tribunal fédéral a admis le recours en matière civile formé par la bailleresse. Il a annulé l'arrêt attaqué et constaté la validité du congé. (résumé) Erwägungen Extrait des considérants: 1. A teneur de l' art. 257d al. 1 CO, lorsque le locataire, après réception de la chose, a du retard pour s'acquitter d'un terme ou de frais accessoires échus, le bailleur peut lui fixer par écrit un délai de paiement et lui signifier qu'à défaut de paiement dans ce délai, il résiliera le bail. Le délai doit être d'au moins trente jours pour les baux BGE 140 III 591 S. 594 d'habitations ou de locaux commerciaux. L' art. 257d al. 2 CO dispose qu'à défaut de paiement dans le délai fixé, le bailleur peut résilier le contrat avec effet immédiat; les baux d'habitations ou de locaux commerciaux peuvent être résiliés moyennant un délai de congé minimum de trente jours pour la fin d'un mois. La jurisprudence admet que le congé prononcé conformément à l' art. 257d CO peut, à titre très exceptionnel, contrevenir aux règles de la bonne foi; la notion doit être interprétée très restrictivement, afin de ne pas mettre en question le droit du bailleur à recevoir le loyer à l'échéance. L'annulation entre en considération notamment dans les cas suivants: le bailleur a réclamé au locataire, avec menace de résiliation du bail, une somme largement supérieure à celle en souffrance, alors qu'il n'était pas certain du montant effectivement dû; ou encore, l'arriéré est insignifiant, ou a été réglé très peu de temps après l'expiration du délai comminatoire, alors que le locataire s'était jusque-là toujours acquitté du loyer à temps; ou enfin, le bailleur ne résilie le contrat que longtemps après l'expiration de ce même délai ( ATF 120 II 31 consid. 4; arrêts 4A_549/2013 du 7 novembre 2013 consid. 4, in SJ 2014 I p. 105; 4A_641/2011 du 27 janvier 2012 consid. 7; 4C.430/2004 du 8 février 2005 consid. 3.1, résumé in SJ 2005 I p. 310). Le fardeau de la preuve d'un congé contraire à la bonne foi incombe au demandeur à l'action en annulation ( ATF 120 II 105 consid. 3c). En l'espèce, il est incontesté que les conditions objectives pour une résiliation en vertu de l' art. 257d CO étaient remplies (cf. aussi infra consid. 3.2). Le litige porte uniquement sur la question de l'abus de droit dont la recourante se serait rendue coupable. Il sera examiné sur la base des seuls faits ressortant de l'arrêt attaqué, qui lient le Tribunal fédéral, faute pour les parties d'alléguer et de démontrer que la Cour d'appel a établi les faits de façon arbitraire, ou contraire au droit ( art. 105 al. 1 LTF ; ATF 137 II 353 consid. 5.1; ATF 133 II 249 consid. 1.4.3); il ne sera donc pas tenu compte des nombreux faits invoqués par les intimés qui ne ressortent pas de l'arrêt de la Cour d'appel. 2. Les intimés continuent à soutenir que le montant non payé à temps, à savoir 164 francs 65 centimes, est un montant insignifiant au sens de la jurisprudence précitée. Il a été jugé qu'un montant de 286 fr. ne peut pas être qualifié d'insignifiant, comme le seraient, par exemple, des intérêts dus sur un BGE 140 III 591 S. 595 terme arriéré ( ATF 120 II 31 consid. 4b p. 33). Il y a lieu d'en rester à une notion très restrictive. Car dès le moment où un montant est considéré comme insignifiant, le locataire peut décider de ne pas le payer sans risquer un congé et donc spéculer sur le fait que le bailleur renoncera peut-être à entreprendre des démarches qui lui coûteraient plus en temps et en frais que ne lui rapporterait l'encaissement du montant impayé (cf. TERCIER/FAVRE, Les contrats spéciaux, 4 e éd. 2009, n. 2391). Offrir une telle opportunité n'est pas compatible avec le but de la procédure de l' art. 257d CO, qui doit permettre au bailleur d'obtenir rapidement et sans complications particulières le paiement de la totalité du loyer et des charges, ou alors de mettre immédiatement fin au contrat. Le caractère insignifiant se détermine en tant que tel, et non pas par rapport au loyer mensuel ou par rapport au montant déjà versé à titre de loyer depuis le début du bail. Il se détermine en outre objectivement, et non par rapport à la situation subjective des parties. Les moyens financiers du bailleur importent peu, la procédure de l' art. 257d CO étant ouverte à tous les bailleurs, impécunieux ou aisés. Le fait que la recourante n'avait pas besoin du montant impayé pour assumer les charges liées à l'objet loué est dénué de pertinence, tout comme l'allégation selon laquelle elle encaisserait, en tant qu'institution de prévoyance, des loyers pour un montant avoisinant 300 millions de francs. En l'espèce, c'est à bon droit que la Cour d'appel n'a pas qualifié d'insignifiant le montant de 164 fr. 65. 3. 3.1 Les intimés continuent à soutenir qu'au moment de la mise en demeure, la recourante n'était pas certaine que le montant réclamé lui était bien dû. Ce faisant, ils s'écartent de la constatation faite par la Cour d'appel qui lie le Tribunal fédéral. La critique n'est pas recevable. 3.2 Les intimés persistent aussi à plaider que le bien-fondé de la créance n'était de loin pas établi au moment de la mise en demeure. Pour certains auteurs, le bail ne saurait être résilié en vertu de l' art. 257d CO lorsque le solde annuel du décompte de chauffage est contesté. Plus précisément, le locataire recevant l'avis comminatoire de payer un solde qu'il estime erroné devrait payer l'éventuelle part non contestée, et saisir pour le surplus l'autorité de conciliation; le bailleur ne pourrait alors pas résilier le contrat pendant la durée de BGE 140 III 591 S. 596 la procédure (DAVID LACHAT, Le bail à loyer, 2008, p. 348 et 664, auquel renvoie PIERRE WESSNER, in Droit du bail à loyer, 2010, n° 11 ad art. 257d CO ). L'exigibilité du solde "résulte[rait] de la présentation annuelle du décompte au locataire, respectivement de la reconnaissance du solde par ce dernier" (ISABELLE BIERI, in Droit du bail à loyer, 2010, n° 15 ad art. 257c CO ). Cette opinion ne saurait être suivie. L' art. 257d al. 1 CO n'exige pas que la créance de loyer ou frais accessoires soit incontestée ou judiciairement constatée, mais uniquement qu'elle soit exigible. Le locataire doit disposer du temps nécessaire pour consulter les pièces justificatives originales (cf. art. 8 OBLF ; RS 221.213.11) et contrôler l'exactitude du décompte, respectivement effectuer le paiement requis (cf. arrêt du 30 septembre 1969 consid. 4, in ZR 68/1969 n° 89 p. 247 ss; arrêt 4C.479/1997 du 24 juin 1998 consid. 3a, in mp 1999 p. 83, précisant que la doctrine recommande un délai de 30 jours). En l'occurrence, il est patent que les intimés ont eu suffisamment de temps entre l'envoi du décompte en décembre 2009 et l'avis comminatoire en septembre 2010. Lorsqu'il est mis en demeure, le locataire qui estime la créance infondée doit décider s'il veut s'exécuter ou s'il refuse de le faire, auquel cas il prend le risque que la créance du bailleur se révèle finalement bien fondée et s'expose ainsi à une éventuelle résiliation du bail. Quant au bailleur qui résilie le bail en sachant que le locataire conteste le décompte, il devra tolérer que la procédure en contestation du congé soit éventuellement prolongée en raison du conflit relatif aux frais accessoires; cette situation est inhérente au fait que la créance litigieuse n'a pas été convenue à l'avance, contrairement au loyer ou à l'acompte concernant les frais accessoires. 3.3 Les intimés soutiennent qu'ils n'ont pas compris correctement le procès-verbal de la Commission de conciliation selon lequel, à défaut d'entente, la partie persistant dans sa demande devrait porter l'affaire devant le juge. Une telle erreur de compréhension n'a pas été constatée par la Cour d'appel. Quant au Tribunal civil, il a uniquement émis l'avis que les intimés avaient "de bonnes raisons de supposer" qu'il appartenait à la recourante de faire constater judiciairement le bien-fondé de sa créance avant de pouvoir prétendre résilier le bail, qu'il était "possible" que les intimés aient été amenés à conclure que l'initiative d'une action ne leur appartenait pas. Il ne s'agit pas d'une constatation, mais uniquement d'une hypothèse, émise en dépit BGE 140 III 591 S. 597 du fait que le locataire avait manifesté dans une lettre l'intention de saisir le juge; au demeurant, on ne comprend pas pourquoi les intimés ont finalement versé la moitié du montant s'ils pensaient que l'avis comminatoire n'était pas valable. Quoi qu'il en soit, les intimés ne sauraient se prévaloir d'une opinion juridique erronée, non provoquée par la recourante, pour fonder une mauvaise foi de cette dernière. 4. Les intimés soutiennent que la recourante voulait absolument résilier le contrat de bail à cause des nombreuses procédures qui les ont divisés. Or, la Cour d'appel n'a pas retenu que la recourante voulait saisir l'occasion pour exercer des représailles, et l'autorité de céans est liée par l'arrêt attaqué sur cette question de fait. Cela étant, pour reprendre les termes de la Commission de conciliation, les intimés se sont livrés durant trois décennies à une guerre de tranchées contre la recourante, déclenchant à chaque question de nouvelles procédures; on ne discerne pas en quoi la recourante aurait dû montrer des égards particuliers envers les intimés, ce d'autant moins que dans le cas d'une demeure du locataire, la loi exclut l'annulation du congé au motif qu'il est consécutif à une procédure de conciliation ou judiciaire (cf. art. 271a al. 3 let. b CO ). Il faut du reste se garder de contourner les exigences strictes quant à l'admission d'un montant "insignifiant" en considérant qu'il y a eu rigueur excessive de la part du bailleur. 5. A lire l'arrêt attaqué, il semble que la Cour d'appel ait jugé le congé abusif au motif que la recourante n'avait pas suffisamment tenu compte de la durée du bail de quarante ans, du paiement régulier du loyer et de la faiblesse du montant impayé; ces éléments pris dans leur ensemble commandaient à son avis une réaction plus nuancée, à tout le moins sous forme d'un dernier et bref rappel. L' art. 257d CO permet de résilier immédiatement le contrat de bail à l'échéance du délai comminatoire si le montant exigé n'est pas payé. Il n'exige ni une seconde mise en demeure, ni même un simple rappel, quelles que soient les circonstances du cas particulier. Or, ne pas procéder à une démarche que la loi n'exige pas ne saurait être constitutif d'un abus de droit. Quoi qu'il en soit, la nécessité d'un rappel ne saurait en tout état de cause se concevoir dans un cas où le locataire a sciemment décidé de renoncer à verser tout ou partie du montant faisant l'objet de l'avis comminatoire.
Urteilskopf
87. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause Caisse A. contre A.B. et B.B. (recours en matière civile)
4A_271/2014 du 19 novembre 2014
Regeste Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsrückstands des Mieters ( Art. 257d OR ); gegen Treu und Glauben verstossende Kündigung ( Art. 271 OR ). Anfechtbarkeit einer Kündigung, die den Anforderungen von Art. 257d OR entspricht, aber gegen Treu und Glauben verstösst (Zusammenfassung der Rechtsprechung; E. 1). Ein Zahlungsrückstand von Fr. 164.- ist nicht unbedeutend (E. 2). Art. 257d OR setzt nicht voraus, dass die Mietzins- oder Nebenkostenforderung unbestritten ist oder gerichtlich festgestellt wurde, sondern lediglich, dass sie fällig ist (E. 3.2). Missbräuchliche Kündigung im konkreten Fall verneint (E. 3-5).
Regeste
Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsrückstands des Mieters ( Art. 257d OR ); gegen Treu und Glauben verstossende Kündigung ( Art. 271 OR ). Anfechtbarkeit einer Kündigung, die den Anforderungen von Art. 257d OR entspricht, aber gegen Treu und Glauben verstösst (Zusammenfassung der Rechtsprechung; E. 1). Ein Zahlungsrückstand von Fr. 164.- ist nicht unbedeutend (E. 2). Art. 257d OR setzt nicht voraus, dass die Mietzins- oder Nebenkostenforderung unbestritten ist oder gerichtlich festgestellt wurde, sondern lediglich, dass sie fällig ist (E. 3.2). Missbräuchliche Kündigung im konkreten Fall verneint (E. 3-5).
Art. 257d OR Art. 271 OR Anfechtbarkeit einer Kündigung, die den Anforderungen von Art. 257d OR entspricht, aber gegen Treu und Glauben verstösst (Zusammenfassung der Rechtsprechung; E. 1). Ein Zahlungsrückstand von Fr. 164.- ist nicht unbedeutend (E. 2). Art. 257d OR setzt nicht voraus, dass die Mietzins- oder Nebenkostenforderung unbestritten ist oder gerichtlich festgestellt wurde, sondern lediglich, dass sie fällig ist (E. 3.2). Missbräuchliche Kündigung im konkreten Fall verneint (E. 3-5).
Art. 257d OR Art. 257d OR Sachverhalt ab Seite 592
Sachverhalt ab Seite 592 BGE 140 III 591 S. 592
BGE 140 III 591 S. 592
A. A.B. est depuis 1974 locataire d'un appartement de quatre pièces et demie qu'il occupe avec son épouse B.B., dans le canton de Neuchâtel; le loyer mensuel s'élève en dernier lieu à 710 fr., charges non comprises. Le 11 décembre 2009, la bailleresse Caisse A. a adressé au locataire le décompte des frais de chauffage pour la période du 1 er juillet 2008 au 30 juin 2009, présentant un solde à payer de 329 fr. 25. Il s'en est suivi un différend, notamment sur le lieu de consultation des justificatifs; le locataire a saisi la Commission de conciliation. Les parties ont convenu d'une suspension de la procédure jusqu'au 31 mars 2010. Le procès-verbal de la séance précisait qu'à défaut d'entente dans ce délai, la partie qui persisterait dans sa demande devrait saisir l'autorité judiciaire compétente dans les trente jours. Bien qu'aucun accord ne soit intervenu, le juge n'a pas été saisi.
A. Le 5 août 2010, la bailleresse a intenté des poursuites contre le locataire et l'épouse de celui-ci; les commandements de payer, portant sur la somme de 329 fr. 25, ont été frappés d'opposition. Par plis séparés du 3 septembre 2010, la bailleresse a sommé ces mêmes personnes de payer le montant précité dans les trente jours, faute de quoi le bail serait résilié. Celles-ci ont répondu qu'elles verseraient la moitié du montant réclamé à titre de mesure provisoire et ont demandé une nouvelle fois la rectification du décompte. Le 11 octobre 2010, la bailleresse a adressé à chaque conjoint un avis de résiliation de bail pour le 30 novembre 2010, motivé par le fait que seul BGE 140 III 591 S. 593 un montant de 164 fr. 60 avait été versé sur le solde réclamé de 329 fr. 25.
BGE 140 III 591 S. 593
B.
B. B.a Le 12 novembre 2010 les époux ont déposé devant la Commission de conciliation une requête en constatation de l'inefficacité du congé, subsidiairement en annulation de celui-ci. La Commission a fait droit à cette conclusion subsidiaire. Elle a reproché à la bailleresse d'avoir saisi la première occasion pour notifier un congé alors que les parties se livraient depuis trois décennies à une véritable bataille de tranchées, chaque question donnant lieu à de nouvelles procédures dans lesquelles le locataire, pointilleux voire procédurier, avait cependant obtenu le plus souvent totalement ou partiellement gain de cause.
B.a La bailleresse a porté la cause devant le Tribunal civil du Littoral et du Val-de-Travers qui, par jugement du 25 février 2013, a rejeté la requête en validation du congé. En substance, cette autorité a jugé que le congé contrevenait aux règles de la bonne foi en raison d'une flagrante disproportion des intérêts en présence, soit d'un côté celui du locataire et de son épouse à conserver l'usage de l'appartement qu'ils occupaient depuis quarante ans et dont ils payaient le loyer ponctuellement, de l'autre côté celui de la bailleresse à obtenir le paiement d'une somme dont ne dépendait pas le respect de ses propres engagements. La bailleresse, qui affirmait qu'elle aurait donné le congé de la même manière à tout autre locataire, avait méconnu son devoir de faire une approche différenciée des cas d'impayés pouvant se présenter à elle.
B.b La Cour d'appel civile du Tribunal cantonal neuchâtelois a confirmé ce jugement.
B.b C. Par arrêt du 19 novembre 2014, le Tribunal fédéral a admis le recours en matière civile formé par la bailleresse. Il a annulé l'arrêt attaqué et constaté la validité du congé.
C. (résumé)
Erwägungen
Erwägungen Extrait des considérants:
1. A teneur de l' art. 257d al. 1 CO, lorsque le locataire, après réception de la chose, a du retard pour s'acquitter d'un terme ou de frais accessoires échus, le bailleur peut lui fixer par écrit un délai de paiement et lui signifier qu'à défaut de paiement dans ce délai, il résiliera le bail. Le délai doit être d'au moins trente jours pour les baux BGE 140 III 591 S. 594 d'habitations ou de locaux commerciaux. L' art. 257d al. 2 CO dispose qu'à défaut de paiement dans le délai fixé, le bailleur peut résilier le contrat avec effet immédiat; les baux d'habitations ou de locaux commerciaux peuvent être résiliés moyennant un délai de congé minimum de trente jours pour la fin d'un mois.
1. art. 257d al. 1 CO BGE 140 III 591 S. 594
art. 257d al. 2 CO La jurisprudence admet que le congé prononcé conformément à l' art. 257d CO peut, à titre très exceptionnel, contrevenir aux règles de la bonne foi; la notion doit être interprétée très restrictivement, afin de ne pas mettre en question le droit du bailleur à recevoir le loyer à l'échéance. L'annulation entre en considération notamment dans les cas suivants: le bailleur a réclamé au locataire, avec menace de résiliation du bail, une somme largement supérieure à celle en souffrance, alors qu'il n'était pas certain du montant effectivement dû; ou encore, l'arriéré est insignifiant, ou a été réglé très peu de temps après l'expiration du délai comminatoire, alors que le locataire s'était jusque-là toujours acquitté du loyer à temps; ou enfin, le bailleur ne résilie le contrat que longtemps après l'expiration de ce même délai ( ATF 120 II 31 consid. 4; arrêts 4A_549/2013 du 7 novembre 2013 consid. 4, in SJ 2014 I p. 105; 4A_641/2011 du 27 janvier 2012 consid. 7; 4C.430/2004 du 8 février 2005 consid. 3.1, résumé in SJ 2005 I p. 310). Le fardeau de la preuve d'un congé contraire à la bonne foi incombe au demandeur à l'action en annulation ( ATF 120 II 105 consid. 3c). art. 257d CO En l'espèce, il est incontesté que les conditions objectives pour une résiliation en vertu de l' art. 257d CO étaient remplies (cf. aussi infra consid. 3.2). Le litige porte uniquement sur la question de l'abus de droit dont la recourante se serait rendue coupable. Il sera examiné sur la base des seuls faits ressortant de l'arrêt attaqué, qui lient le Tribunal fédéral, faute pour les parties d'alléguer et de démontrer que la Cour d'appel a établi les faits de façon arbitraire, ou contraire au droit ( art. 105 al. 1 LTF ; ATF 137 II 353 consid. 5.1; ATF 133 II 249 consid. 1.4.3); il ne sera donc pas tenu compte des nombreux faits invoqués par les intimés qui ne ressortent pas de l'arrêt de la Cour d'appel. art. 257d CO art. 105 al. 1 LTF 2. Les intimés continuent à soutenir que le montant non payé à temps, à savoir 164 francs 65 centimes, est un montant insignifiant au sens de la jurisprudence précitée.
2. Il a été jugé qu'un montant de 286 fr. ne peut pas être qualifié d'insignifiant, comme le seraient, par exemple, des intérêts dus sur un BGE 140 III 591 S. 595 terme arriéré ( ATF 120 II 31 consid. 4b p. 33). Il y a lieu d'en rester à une notion très restrictive. Car dès le moment où un montant est considéré comme insignifiant, le locataire peut décider de ne pas le payer sans risquer un congé et donc spéculer sur le fait que le bailleur renoncera peut-être à entreprendre des démarches qui lui coûteraient plus en temps et en frais que ne lui rapporterait l'encaissement du montant impayé (cf. TERCIER/FAVRE, Les contrats spéciaux, 4 e éd. 2009, n. 2391). Offrir une telle opportunité n'est pas compatible avec le but de la procédure de l' art. 257d CO, qui doit permettre au bailleur d'obtenir rapidement et sans complications particulières le paiement de la totalité du loyer et des charges, ou alors de mettre immédiatement fin au contrat.
BGE 140 III 591 S. 595
art. 257d CO Le caractère insignifiant se détermine en tant que tel, et non pas par rapport au loyer mensuel ou par rapport au montant déjà versé à titre de loyer depuis le début du bail. Il se détermine en outre objectivement, et non par rapport à la situation subjective des parties. Les moyens financiers du bailleur importent peu, la procédure de l' art. 257d CO étant ouverte à tous les bailleurs, impécunieux ou aisés. Le fait que la recourante n'avait pas besoin du montant impayé pour assumer les charges liées à l'objet loué est dénué de pertinence, tout comme l'allégation selon laquelle elle encaisserait, en tant qu'institution de prévoyance, des loyers pour un montant avoisinant 300 millions de francs. art. 257d CO En l'espèce, c'est à bon droit que la Cour d'appel n'a pas qualifié d'insignifiant le montant de 164 fr. 65.
3.
3. 3.1 Les intimés continuent à soutenir qu'au moment de la mise en demeure, la recourante n'était pas certaine que le montant réclamé lui était bien dû. Ce faisant, ils s'écartent de la constatation faite par la Cour d'appel qui lie le Tribunal fédéral. La critique n'est pas recevable.
3.1 3.2 Les intimés persistent aussi à plaider que le bien-fondé de la créance n'était de loin pas établi au moment de la mise en demeure.
3.2 Pour certains auteurs, le bail ne saurait être résilié en vertu de l' art. 257d CO lorsque le solde annuel du décompte de chauffage est contesté. Plus précisément, le locataire recevant l'avis comminatoire de payer un solde qu'il estime erroné devrait payer l'éventuelle part non contestée, et saisir pour le surplus l'autorité de conciliation; le bailleur ne pourrait alors pas résilier le contrat pendant la durée de BGE 140 III 591 S. 596 la procédure (DAVID LACHAT, Le bail à loyer, 2008, p. 348 et 664, auquel renvoie PIERRE WESSNER, in Droit du bail à loyer, 2010, n° 11 ad art. 257d CO ). L'exigibilité du solde "résulte[rait] de la présentation annuelle du décompte au locataire, respectivement de la reconnaissance du solde par ce dernier" (ISABELLE BIERI, in Droit du bail à loyer, 2010, n° 15 ad art. 257c CO ). Cette opinion ne saurait être suivie. art. 257d CO BGE 140 III 591 S. 596
art. 257d CO art. 257c CO L' art. 257d al. 1 CO n'exige pas que la créance de loyer ou frais accessoires soit incontestée ou judiciairement constatée, mais uniquement qu'elle soit exigible. Le locataire doit disposer du temps nécessaire pour consulter les pièces justificatives originales (cf. art. 8 OBLF ; RS 221.213.11) et contrôler l'exactitude du décompte, respectivement effectuer le paiement requis (cf. arrêt du 30 septembre 1969 consid. 4, in ZR 68/1969 n° 89 p. 247 ss; arrêt 4C.479/1997 du 24 juin 1998 consid. 3a, in mp 1999 p. 83, précisant que la doctrine recommande un délai de 30 jours). En l'occurrence, il est patent que les intimés ont eu suffisamment de temps entre l'envoi du décompte en décembre 2009 et l'avis comminatoire en septembre 2010. art. 257d al. 1 CO art. 8 OBLF Lorsqu'il est mis en demeure, le locataire qui estime la créance infondée doit décider s'il veut s'exécuter ou s'il refuse de le faire, auquel cas il prend le risque que la créance du bailleur se révèle finalement bien fondée et s'expose ainsi à une éventuelle résiliation du bail. Quant au bailleur qui résilie le bail en sachant que le locataire conteste le décompte, il devra tolérer que la procédure en contestation du congé soit éventuellement prolongée en raison du conflit relatif aux frais accessoires; cette situation est inhérente au fait que la créance litigieuse n'a pas été convenue à l'avance, contrairement au loyer ou à l'acompte concernant les frais accessoires.
3.3 Les intimés soutiennent qu'ils n'ont pas compris correctement le procès-verbal de la Commission de conciliation selon lequel, à défaut d'entente, la partie persistant dans sa demande devrait porter l'affaire devant le juge. Une telle erreur de compréhension n'a pas été constatée par la Cour d'appel. Quant au Tribunal civil, il a uniquement émis l'avis que les intimés avaient "de bonnes raisons de supposer" qu'il appartenait à la recourante de faire constater judiciairement le bien-fondé de sa créance avant de pouvoir prétendre résilier le bail, qu'il était "possible" que les intimés aient été amenés à conclure que l'initiative d'une action ne leur appartenait pas. Il ne s'agit pas d'une constatation, mais uniquement d'une hypothèse, émise en dépit BGE 140 III 591 S. 597 du fait que le locataire avait manifesté dans une lettre l'intention de saisir le juge; au demeurant, on ne comprend pas pourquoi les intimés ont finalement versé la moitié du montant s'ils pensaient que l'avis comminatoire n'était pas valable. Quoi qu'il en soit, les intimés ne sauraient se prévaloir d'une opinion juridique erronée, non provoquée par la recourante, pour fonder une mauvaise foi de cette dernière.
3.3 BGE 140 III 591 S. 597
4. Les intimés soutiennent que la recourante voulait absolument résilier le contrat de bail à cause des nombreuses procédures qui les ont divisés. Or, la Cour d'appel n'a pas retenu que la recourante voulait saisir l'occasion pour exercer des représailles, et l'autorité de céans est liée par l'arrêt attaqué sur cette question de fait. Cela étant, pour reprendre les termes de la Commission de conciliation, les intimés se sont livrés durant trois décennies à une guerre de tranchées contre la recourante, déclenchant à chaque question de nouvelles procédures; on ne discerne pas en quoi la recourante aurait dû montrer des égards particuliers envers les intimés, ce d'autant moins que dans le cas d'une demeure du locataire, la loi exclut l'annulation du congé au motif qu'il est consécutif à une procédure de conciliation ou judiciaire (cf. art. 271a al. 3 let. b CO ). Il faut du reste se garder de contourner les exigences strictes quant à l'admission d'un montant "insignifiant" en considérant qu'il y a eu rigueur excessive de la part du bailleur.
4. art. 271a al. 3 let. b CO 5. A lire l'arrêt attaqué, il semble que la Cour d'appel ait jugé le congé abusif au motif que la recourante n'avait pas suffisamment tenu compte de la durée du bail de quarante ans, du paiement régulier du loyer et de la faiblesse du montant impayé; ces éléments pris dans leur ensemble commandaient à son avis une réaction plus nuancée, à tout le moins sous forme d'un dernier et bref rappel.
5. L' art. 257d CO permet de résilier immédiatement le contrat de bail à l'échéance du délai comminatoire si le montant exigé n'est pas payé. Il n'exige ni une seconde mise en demeure, ni même un simple rappel, quelles que soient les circonstances du cas particulier. Or, ne pas procéder à une démarche que la loi n'exige pas ne saurait être constitutif d'un abus de droit. Quoi qu'il en soit, la nécessité d'un rappel ne saurait en tout état de cause se concevoir dans un cas où le locataire a sciemment décidé de renoncer à verser tout ou partie du montant faisant l'objet de l'avis comminatoire. art. 257d CO
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Urteilskopf 140 III 598 88. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause X. contre A.Y. et consorts (recours en matière civile) 4A_201/2014 du 2 décembre 2014 Regeste Miete von Wohnräumen; Mitmieter; Aktivlegitimation zur Anfechtung der vom Vermieter ausgesprochenen Kündigung. Gemeinsame Mieter bilden eine notwendige Streitgenossenschaft hinsichtlich der Anfechtung einer Kündigung. Es genügt, wenn alle Mitmieter als Parteien am Prozess beteiligt sind; sind sie sich uneinig, so ist ein Mitmieter zur alleinigen Anfechtung legitimiert, sofern er neben dem Vermieter auch die Mitmieter ins Recht fasst, welche die Kündigung nicht anfechten wollen (E. 3). Erwägungen ab Seite 598 BGE 140 III 598 S. 598 Extrait des considérants: 3. 3.1 La question de savoir si les colocataires doivent agir en commun pour requérir l'annulation du congé en application des art. 271 et 271a CO fait l'objet d'une controverse doctrinale, qui n'a pas été tranchée par la jurisprudence fédérale (cf. arrêts 4A_240/2014 du 28 août 2014 consid. 4.3, non publié in ATF 140 III 491 ; 4C.37/2001 du 30 mai 2001 consid. 2b/bb). Lorsque le bail porte sur le logement de la famille, le Tribunal fédéral a toutefois jugé que chaque époux colocataire peut contester seul le congé, en relevant notamment que l' art. 273a al. 1 CO accorde la qualité pour agir dans ce domaine même au conjoint non locataire ( ATF 118 II 168 consid. 2b p. 170; cf. également ATF 136 III 431 consid. 3.1 p. 433). En revanche, les colocataires, indépendamment de leur état civil, doivent agir ensemble BGE 140 III 598 S. 599 pour contester le loyer; à cette occasion, le Tribunal fédéral a laissé ouverte la question de savoir si le colocataire qui n'entend pas contester le loyer doit être assigné comme défendeur ( ATF 136 III 431 consid. 3.3 p. 435). Deux courants de pensée se distinguent dans la doctrine. Certains auteurs mettent l'accent sur le caractère uniforme du bail commun, qui n'existe juridiquement que comme un tout et pour toutes les parties. En conséquence, la contestation du congé est soumise au principe de l'action commune des colocataires, qui ont le statut procédural de consorts nécessaires (MARCO GIAVARINI, Anfechtung einer Mietzinserhöhung durch mehrere Mitmieter - Aktivlegitimation, MietRecht Aktuell 2011, p. 55 ss; Le droit suisse du bail à loyer, Commentaire, adaptation française par Burkhalter/Martinez-Favre, 2011, n° 10 ad art. 273 CO p. 742; PETER HIGI, Zürcher Kommentar, 4 e éd. 1996, n° 33 ad art. 273 CO ; JACQUES MICHELI, Les colocataires dans le bail commun, in 8 e Séminaire sur le droit du bail, 1994, p. 13; HANS SCHMID, Der gemeinsame Mietvertrag, SJZ 87/1991 p. 376 s.). Une autre partie de la doctrine est d'avis en revanche que chaque colocataire peut contester individuellement la résiliation. Elle considère comme déterminant le but de protection sociale visé par les normes sur l'annulabilité des congés abusifs et relève que, dans un cas déterminé, la loi autorise même un tiers - le conjoint du locataire - à exercer seul les droits du locataire en cas de congé (cf. art. 273a al. 1 CO ). Pour respecter les règles sur la consorité nécessaire, ces auteurs préconisent toutefois l'implication dans le procès, aux côtés du bailleur, du colocataire qui ne conteste pas le congé (PATRICIA DIETSCHY-MARTENET, Le bail d'habitation des concubins, 2014, p. 122 s.; ROGER WEBER, in Basler Kommentar, Obligationenrecht, vol. I, 5 e éd. 2011, n° 3 ad art. 273a CO ; le même, Der gemeinsame Mietvertrag, 1993, p. 187 s.; BOHNET/DIETSCHY, in Droit du bail à loyer, Bohnet/Montini [éd.], 2010, n° 36 ad art. 253 CO ; HANS PETER WALTER, in OR, 2008, n° 5 ad art. 271 CO ; THOMAS KOLLER, Die miet- und arbeitsrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2004, RJB 141/2005 p. 321; LAURA JACQUEMOUD-ROSSARI, Jouissance et titularité du bail ou quelques questions choisies en rapport avec le bail commun, CdB 1999 p. 104 s.; cf. également DAVID LACHAT, Le bail à loyer, 2008, p. 72 s. et note 19 p. 73, lequel ne prend pas clairement position mais admet en tout cas que la demande en constatation de la nullité d'un congé peut émaner d'un seul colocataire). BGE 140 III 598 S. 600 3.2 La consorité (matérielle) nécessaire est imposée par le droit matériel, qui détermine les cas dans lesquels plusieurs parties doivent agir ou défendre ensemble ( ATF 138 III 737 consid. 2 p. 738 et consid. 4.1 p. 741). Sous sa forme active, elle est réalisée lorsque plusieurs personnes sont ensemble titulaires du droit en cause, de sorte que chacune ne peut pas l'exercer seule en justice ( ATF 136 III 123 consid. 4.4.1 p. 127, ATF 136 III 431 consid. 3.3 p. 434). Sont ainsi consorts nécessaires les membres d'une communauté du droit civil - telle la société simple - qui sont ensemble titulaires d'un même droit ( ATF 137 III 455 consid. 3.5 p. 459). Il y a aussi consorité nécessaire en cas d'action formatrice, soit lorsque l'action tend à la création, la modification ou la dissolution d'un droit ou d'un rapport de droit déterminé touchant plusieurs personnes (cf. art. 87 CPC ; STAEHELIN/SCHWEIZER, in Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [éd.], 2 e éd. 2013, n° 42 ad art. 70 CPC p. 585; GROSS/ZUBER, in Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, n° 17 ad art. 70 CPC ; NICOLAS JEANDIN, in CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, n° 7 ad art. 70 CPC p. 230 s.; FABIENNE HOHL, Procédure civile, tome I, 2001, n. 488 ss p. 106 s.). Le bail commun est un rapport juridique uniforme, qui n'existe que comme un tout et pour toutes les parties au contrat ( ATF 136 III 431 consid. 3.1 p. 434; ATF 140 III 491 consid. 4.2.1 p. 493). La partie qui résilie le bail exerce un droit formateur résolutoire. En contestant ledit congé, l'autre partie cherche à maintenir le rapport de droit. En tant qu'elle est propre à influer sur un rapport de droit déterminé, la demande en annulation de la résiliation se présente donc comme une action formatrice (FRANÇOIS BOHNET, Actions civiles, Conditions et conclusions, 2014, § 75 n. 6 p. 928). En cas de pluralité de parties, une action formatrice ne peut pas conduire à un jugement qui n'aurait force qu'entre certains intéressés, par exemple le bailleur et l'un des colocataires. C'est dire que les colocataires forment une consorité nécessaire dans l'action en annulation du congé notifié par le bailleur (FRANÇOIS BOHNET, Procédure civile, 2 e éd. 2014, p. 125; LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2010, n. 3.40 p. 89). Cette conclusion s'impose que l'action ait été ouverte avant - comme en l'espèce - ou après l'entrée en vigueur du CPC, dont l'art. 70 contient une définition de la consorité nécessaire recouvrant en tout cas la notion de consorité matérielle nécessaire (cf. JACQUES HALDY, Procédure civile suisse, 2014, p. 98). BGE 140 III 598 S. 601 Les consorts nécessaires doivent agir ensemble ou être mis en cause ensemble (cf. art. 70 al. 1 CPC ). Lorsque l'action n'est pas introduite par toutes les parties tenues de procéder en commun ou qu'elle n'est pas dirigée contre celles-ci, il y a défaut de légitimation active ou passive et la demande sera rejetée ( ATF 138 III 737 consid. 2 p. 738; ATF 137 III 455 consid. 3.5 p. 459). Le principe de l'action commune souffre toutefois des tempéraments. En particulier, la présence de tous les consorts comme demandeurs ou comme défendeurs n'est pas toujours exigée; la consorité nécessaire peut parfois se limiter à la participation au procès de tous les consorts, répartis d'un côté et de l'autre de la barre (JEANDIN, op. cit., n° 10 ad art. 70 CPC p. 231; HOHL, op. cit., n. 501 p. 107), notamment dans les actions formatrices (CRISTINA VON HOLZEN, Die Streitgenossenschaft im schweizerischen Zivilprozess, 2006, p. 118). Le droit de s'opposer à un congé abusif répond à un besoin de protection sociale particulièrement aigu lorsqu'un local d'habitation est en jeu (LUSCHER/KINZER, Colocation [...], CdB 2006 p. 119). Il faut dès lors reconnaître au colocataire le droit d'agir seul en annulation du congé. Mais comme l'action, formatrice, implique que le bail soit en définitive maintenu ou résilié envers toutes les parties, le demandeur doit assigner aux côtés du bailleur le ou les colocataires qui n'entendent pas s'opposer au congé, sous peine de se voir dénier la qualité pour agir. Sur le vu de ce qui précède, la cour cantonale n'a pas violé le droit fédéral en admettant la légitimation active de l'intimée A.Y., laquelle a dirigé à bon droit son action en annulation du congé non seulement contre le bailleur mais également contre les autres colocataires. Le recours sera dès lors rejeté.
Urteilskopf
88. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause X. contre A.Y. et consorts (recours en matière civile)
4A_201/2014 du 2 décembre 2014
Regeste Miete von Wohnräumen; Mitmieter; Aktivlegitimation zur Anfechtung der vom Vermieter ausgesprochenen Kündigung. Gemeinsame Mieter bilden eine notwendige Streitgenossenschaft hinsichtlich der Anfechtung einer Kündigung. Es genügt, wenn alle Mitmieter als Parteien am Prozess beteiligt sind; sind sie sich uneinig, so ist ein Mitmieter zur alleinigen Anfechtung legitimiert, sofern er neben dem Vermieter auch die Mitmieter ins Recht fasst, welche die Kündigung nicht anfechten wollen (E. 3).
Regeste
Miete von Wohnräumen; Mitmieter; Aktivlegitimation zur Anfechtung der vom Vermieter ausgesprochenen Kündigung. Gemeinsame Mieter bilden eine notwendige Streitgenossenschaft hinsichtlich der Anfechtung einer Kündigung. Es genügt, wenn alle Mitmieter als Parteien am Prozess beteiligt sind; sind sie sich uneinig, so ist ein Mitmieter zur alleinigen Anfechtung legitimiert, sofern er neben dem Vermieter auch die Mitmieter ins Recht fasst, welche die Kündigung nicht anfechten wollen (E. 3).
Gemeinsame Mieter bilden eine notwendige Streitgenossenschaft hinsichtlich der Anfechtung einer Kündigung. Es genügt, wenn alle Mitmieter als Parteien am Prozess beteiligt sind; sind sie sich uneinig, so ist ein Mitmieter zur alleinigen Anfechtung legitimiert, sofern er neben dem Vermieter auch die Mitmieter ins Recht fasst, welche die Kündigung nicht anfechten wollen (E. 3).
Erwägungen ab Seite 598
Erwägungen ab Seite 598 BGE 140 III 598 S. 598
BGE 140 III 598 S. 598
Extrait des considérants:
3.
3. 3.1 La question de savoir si les colocataires doivent agir en commun pour requérir l'annulation du congé en application des art. 271 et 271a CO fait l'objet d'une controverse doctrinale, qui n'a pas été tranchée par la jurisprudence fédérale (cf. arrêts 4A_240/2014 du 28 août 2014 consid. 4.3, non publié in ATF 140 III 491 ; 4C.37/2001 du 30 mai 2001 consid. 2b/bb). Lorsque le bail porte sur le logement de la famille, le Tribunal fédéral a toutefois jugé que chaque époux colocataire peut contester seul le congé, en relevant notamment que l' art. 273a al. 1 CO accorde la qualité pour agir dans ce domaine même au conjoint non locataire ( ATF 118 II 168 consid. 2b p. 170; cf. également ATF 136 III 431 consid. 3.1 p. 433). En revanche, les colocataires, indépendamment de leur état civil, doivent agir ensemble BGE 140 III 598 S. 599 pour contester le loyer; à cette occasion, le Tribunal fédéral a laissé ouverte la question de savoir si le colocataire qui n'entend pas contester le loyer doit être assigné comme défendeur ( ATF 136 III 431 consid. 3.3 p. 435).
3.1 art. 271 et 271a CO art. 273a al. 1 CO BGE 140 III 598 S. 599
Deux courants de pensée se distinguent dans la doctrine. Certains auteurs mettent l'accent sur le caractère uniforme du bail commun, qui n'existe juridiquement que comme un tout et pour toutes les parties. En conséquence, la contestation du congé est soumise au principe de l'action commune des colocataires, qui ont le statut procédural de consorts nécessaires (MARCO GIAVARINI, Anfechtung einer Mietzinserhöhung durch mehrere Mitmieter - Aktivlegitimation, MietRecht Aktuell 2011, p. 55 ss; Le droit suisse du bail à loyer, Commentaire, adaptation française par Burkhalter/Martinez-Favre, 2011, n° 10 ad art. 273 CO p. 742; PETER HIGI, Zürcher Kommentar, 4 e éd. 1996, n° 33 ad art. 273 CO ; JACQUES MICHELI, Les colocataires dans le bail commun, in 8 e Séminaire sur le droit du bail, 1994, p. 13; HANS SCHMID, Der gemeinsame Mietvertrag, SJZ 87/1991 p. 376 s.). Une autre partie de la doctrine est d'avis en revanche que chaque colocataire peut contester individuellement la résiliation. Elle considère comme déterminant le but de protection sociale visé par les normes sur l'annulabilité des congés abusifs et relève que, dans un cas déterminé, la loi autorise même un tiers - le conjoint du locataire - à exercer seul les droits du locataire en cas de congé (cf. art. 273a al. 1 CO ). Pour respecter les règles sur la consorité nécessaire, ces auteurs préconisent toutefois l'implication dans le procès, aux côtés du bailleur, du colocataire qui ne conteste pas le congé (PATRICIA DIETSCHY-MARTENET, Le bail d'habitation des concubins, 2014, p. 122 s.; ROGER WEBER, in Basler Kommentar, Obligationenrecht, vol. I, 5 e éd. 2011, n° 3 ad art. 273a CO ; le même, Der gemeinsame Mietvertrag, 1993, p. 187 s.; BOHNET/DIETSCHY, in Droit du bail à loyer, Bohnet/Montini [éd.], 2010, n° 36 ad art. 253 CO ; HANS PETER WALTER, in OR, 2008, n° 5 ad art. 271 CO ; THOMAS KOLLER, Die miet- und arbeitsrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2004, RJB 141/2005 p. 321; LAURA JACQUEMOUD-ROSSARI, Jouissance et titularité du bail ou quelques questions choisies en rapport avec le bail commun, CdB 1999 p. 104 s.; cf. également DAVID LACHAT, Le bail à loyer, 2008, p. 72 s. et note 19 p. 73, lequel ne prend pas clairement position mais admet en tout cas que la demande en constatation de la nullité d'un congé peut émaner d'un seul colocataire). BGE 140 III 598 S. 600
art. 273 CO art. 273 CO art. 273a al. 1 CO art. 273a CO art. 253 CO art. 271 CO BGE 140 III 598 S. 600
3.2 La consorité (matérielle) nécessaire est imposée par le droit matériel, qui détermine les cas dans lesquels plusieurs parties doivent agir ou défendre ensemble ( ATF 138 III 737 consid. 2 p. 738 et consid. 4.1 p. 741). Sous sa forme active, elle est réalisée lorsque plusieurs personnes sont ensemble titulaires du droit en cause, de sorte que chacune ne peut pas l'exercer seule en justice ( ATF 136 III 123 consid. 4.4.1 p. 127, ATF 136 III 431 consid. 3.3 p. 434). Sont ainsi consorts nécessaires les membres d'une communauté du droit civil - telle la société simple - qui sont ensemble titulaires d'un même droit ( ATF 137 III 455 consid. 3.5 p. 459). Il y a aussi consorité nécessaire en cas d'action formatrice, soit lorsque l'action tend à la création, la modification ou la dissolution d'un droit ou d'un rapport de droit déterminé touchant plusieurs personnes (cf. art. 87 CPC ; STAEHELIN/SCHWEIZER, in Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [éd.], 2 e éd. 2013, n° 42 ad art. 70 CPC p. 585; GROSS/ZUBER, in Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, n° 17 ad art. 70 CPC ; NICOLAS JEANDIN, in CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, n° 7 ad art. 70 CPC p. 230 s.; FABIENNE HOHL, Procédure civile, tome I, 2001, n. 488 ss p. 106 s.).
3.2 art. 87 CPC art. 70 CPC art. 70 CPC art. 70 CPC Le bail commun est un rapport juridique uniforme, qui n'existe que comme un tout et pour toutes les parties au contrat ( ATF 136 III 431 consid. 3.1 p. 434; ATF 140 III 491 consid. 4.2.1 p. 493). La partie qui résilie le bail exerce un droit formateur résolutoire. En contestant ledit congé, l'autre partie cherche à maintenir le rapport de droit. En tant qu'elle est propre à influer sur un rapport de droit déterminé, la demande en annulation de la résiliation se présente donc comme une action formatrice (FRANÇOIS BOHNET, Actions civiles, Conditions et conclusions, 2014, § 75 n. 6 p. 928). En cas de pluralité de parties, une action formatrice ne peut pas conduire à un jugement qui n'aurait force qu'entre certains intéressés, par exemple le bailleur et l'un des colocataires. C'est dire que les colocataires forment une consorité nécessaire dans l'action en annulation du congé notifié par le bailleur (FRANÇOIS BOHNET, Procédure civile, 2 e éd. 2014, p. 125; LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2010, n. 3.40 p. 89). Cette conclusion s'impose que l'action ait été ouverte avant - comme en l'espèce - ou après l'entrée en vigueur du CPC, dont l'art. 70 contient une définition de la consorité nécessaire recouvrant en tout cas la notion de consorité matérielle nécessaire (cf. JACQUES HALDY, Procédure civile suisse, 2014, p. 98). BGE 140 III 598 S. 601
BGE 140 III 598 S. 601
Les consorts nécessaires doivent agir ensemble ou être mis en cause ensemble (cf. art. 70 al. 1 CPC ). Lorsque l'action n'est pas introduite par toutes les parties tenues de procéder en commun ou qu'elle n'est pas dirigée contre celles-ci, il y a défaut de légitimation active ou passive et la demande sera rejetée ( ATF 138 III 737 consid. 2 p. 738; ATF 137 III 455 consid. 3.5 p. 459). art. 70 al. 1 CPC Le principe de l'action commune souffre toutefois des tempéraments. En particulier, la présence de tous les consorts comme demandeurs ou comme défendeurs n'est pas toujours exigée; la consorité nécessaire peut parfois se limiter à la participation au procès de tous les consorts, répartis d'un côté et de l'autre de la barre (JEANDIN, op. cit., n° 10 ad art. 70 CPC p. 231; HOHL, op. cit., n. 501 p. 107), notamment dans les actions formatrices (CRISTINA VON HOLZEN, Die Streitgenossenschaft im schweizerischen Zivilprozess, 2006, p. 118). art. 70 CPC Le droit de s'opposer à un congé abusif répond à un besoin de protection sociale particulièrement aigu lorsqu'un local d'habitation est en jeu (LUSCHER/KINZER, Colocation [...], CdB 2006 p. 119). Il faut dès lors reconnaître au colocataire le droit d'agir seul en annulation du congé. Mais comme l'action, formatrice, implique que le bail soit en définitive maintenu ou résilié envers toutes les parties, le demandeur doit assigner aux côtés du bailleur le ou les colocataires qui n'entendent pas s'opposer au congé, sous peine de se voir dénier la qualité pour agir.
Sur le vu de ce qui précède, la cour cantonale n'a pas violé le droit fédéral en admettant la légitimation active de l'intimée A.Y., laquelle a dirigé à bon droit son action en annulation du congé non seulement contre le bailleur mais également contre les autres colocataires. Le recours sera dès lors rejeté.
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Urteilskopf 140 III 59 11. Estratto della sentenza della I Corte di diritto civile nella causa A. SA e consorti contro Consiglio di Stato del Cantone Ticino (ricorso in materia di diritto pubblico) 4C_3/2013 / 4C_4/2013 del 20 novembre 2013 Regeste Art. 360a OR ; Normalarbeitsvertrag mit Mindestlohn; Lohndumping. Ermittlung einer wiederholten missbräuchlichen Unterbietung der orts-, berufs- oder branchenüblichen Löhne (E. 10). Sachverhalt ab Seite 59 BGE 140 III 59 S. 59 A. Il 16 gennaio 2013 il Consiglio di Stato del Cantone Ticino - richiamando segnatamente gli art. 360a segg. CO - ha fissato al 1 ° aprile 2013 l'entrata in vigore dei contratti normali di lavoro con salario minimo vincolante, circoscritti agli operai (impiegati con qualifiche basse) del settore della fabbricazione di apparecchiature elettriche e del settore della fabbricazione di computer e prodotti di elettronica e ottica. I decreti, con il testo normativo, sono stati pubblicati sul Bollettino ufficiale delle leggi e degli atti esecutivi del Cantone Ticino del 18 gennaio 2013. B. Le società anonime A. SA, B. SA, C. SA, D. SA, E. SA, F. SA, l'Associazione Industrie Ticinesi (AITI) e l'associazione Swissmem sono insorte davanti al Tribunale federale, con ricorsi in materia di diritto pubblico, chiedendo l'annullamento dei predetti decreti. Nella risposta il Consiglio di Stato ha contestato la legittimazione a BGE 140 III 59 S. 60 ricorrere delle due associazioni e nel merito ha proposto di respingere i ricorsi. Le parti hanno pure proceduto a un secondo scambio di scritti. Il Tribunale federale ha respinto i ricorsi nella misura in cui erano ammissibili. (riassunto) Erwägungen Dai considerandi: 10. Le ricorrenti lamentano poi una violazione del diritto federale e della sua forza derogatoria, perché il Consiglio di Stato avrebbe imposto dei salari minimi, senza che siano dati i presupposti previsti dagli art. 359 segg. CO. Esse sostengono pure che il dumping salariale posto a giustificazione delle contestate misure si fonda su accertamenti errati, che non considerano tutte le controprestazioni percepite dai lavoratori. Asseriscono inoltre che la Commissione tripartita avrebbe semplicemente fissato in modo astratto un salario di sussistenza minimo di fr. 3'000.- mensili e che il modello ticinese non tiene conto della situazione congiunturale. 10.1 L' art. 360a CO elenca le condizioni che permettono all'autorità competente di stabilire in un contratto normale di lavoro di durata limitata salari minimi differenziati secondo le regioni, e all'occorrenza il luogo, allo scopo di combattere o impedire abusi. L'emanazione di un tale contratto normale di lavoro è sussidiaria rispetto a disposizioni sui salari minimi di un eventuale contratto collettivo di lavoro, a cui può essere conferita obbligatorietà generale. La promulgazione di un contratto normale di lavoro è quindi esclusa, se sussistono dei salari minimi confacenti in un contratto collettivo di lavoro. Dal profilo materiale un contratto normale di lavoro nel senso della norma in discussione presuppone che nell'ambito di un ramo o di una professione vengano ripetutamente e abusivamente offerti salari inferiori a quelli usuali per il luogo, la professione o il ramo (dumping salariale). L'esistenza di questa condizione dev'essere constatata dalla Commissione tripartita, che i Cantoni devono istituire per il loro territorio giusta l' art. 360b cpv. 1 CO. Formalmente l'emanazione di un contratto normale di lavoro con salari minimi esige una richiesta della Commissione tripartita. 10.2 In base alle concordanti allegazioni delle parti i settori, che vengono sottoposti su incarico della Commissione tripartita a un controllo da parte dell'Ufficio dell'ispettorato del lavoro (UIL), sono selezionati in ragione dei seguenti quattro criteri: segnalazioni (1), BGE 140 III 59 S. 61 rami definiti dal SECO a rischio o sotto stretta osservazione (2), presenza di un contratto con salario minimo di riferimento che è stato introdotto/rafforzato a seguito di un intervento della Commissione tripartita (3) e indicatori economici quali la dimensione del ramo economico in termini di addetti e la quota di lavoratori frontalieri nel ramo economico, eventualmente il tasso di disoccupazione del ramo (4). Una volta determinato il settore in cui intervenire, il campione di valutazione delle imprese da controllare viene stabilito, facendo capo al censimento federale aziendale, mediante sorteggio. Per verificare se sussiste un dumping salariale vengono dapprima definiti i salari di riferimento sulla base del calcolatore salariale dell'Istituto di ricerche economiche (IRE) che contiene più di 40'000 buste-paga. Tale metodo, approvato dalla Commissione tripartita, riflette il funzionamento dei calcolatori salariali esistenti a livello nazionale, poggia su una banca dati raccolta mediante la Rilevazione svizzera della struttura dei salari effettuata ogni due anni dalla Confederazione e si fonda sul salario determinante per l'AVS. I salari di riferimento sono poi confrontati con quelli corrisposti dalle imprese sorteggiate. Se il salario mensile percepito dal lavoratore è inferiore a fr. 3'000.-, è considerato un caso di abuso grave ogni salario inferiore al salario di riferimento. Se invece lo stipendio mensile ammonta ad almeno fr. 3'000.- viene applicato un margine di tolleranza del 10 % e solo le retribuzioni che sono più del 10 % inferiori al salario di riferimento costituiscono un caso di abuso grave. Nei settori privi di contratto di riferimento i casi di abuso sono considerati ripetuti, se eccedono la quota del 10 % determinata dalla Commissione tripartita. Il Consiglio di Stato indica che tale quota è stata superata nei settori oggetto dei contestati contratti normali di lavoro, poiché la frequenza di casi di abuso gravi riscontrata nel settore delle apparecchiature elettriche è del 47,3 %, mentre in quello della fabbricazione di computer e prodotti di elettronica e ottica è del 10,3 %. 10.3 Le ricorrenti sostengono che le autorità ticinesi, invece di effettuare il controllo concreto dei salari usuali nel settore, imposto dalla legge, avrebbero stabilito "un salario di sussistenza" di fr. 3'000.-; in pratica una soglia legale astratta, al disotto della quale tutti i salari sarebbero automaticamente presunti essere abusivi nonostante che siano usuali per il luogo e la professione considerati. Il salario minimo fissato in questo modo sarebbe lesivo, oltre che dell' art. 360a CO, del principio della forza derogatoria del diritto federale sancito dall' art. 49 Cost. BGE 140 III 59 S. 62 Con questa censura, diretta contro il metodo adottato per la determinazione del dumping salariale, le ricorrenti fraintendono la funzione del limite salariale di fr. 3'000.-. Per stabilire se vi è abuso grave i salari effettivamente percepiti sono stati raffrontati con quelli che dovrebbero essere erogati secondo il calcolatore dell'IRE. Quest'ultimo termine di raffronto non è un dato astratto. Il calcolatore dell'IRE, che analizza 40'000 buste-paga, stabilisce il salario di riferimento per ogni singolo lavoratore tenendo conto delle caratteristiche individuali, dell'azienda e del posto di lavoro; indica, per riprendere la spiegazione del Consiglio di Stato, "quello che è considerato il salario usuale per un determinato lavoratore, con una determinata esperienza di lavoro, con una determinata formazione professionale in un determinato settore ed in una determinata ditta". Se il salario mensile effettivamente percepito è inferiore a fr. 3'000.- non vi è tolleranza: ogni scarto rispetto al salario di riferimento dell'IRE è considerato abuso grave. Per i salari di fr. 3'000.- e più vi è invece un margine di tolleranza del 10 %: sono da considerare gravemente abusive soltanto le retribuzioni che sono più del 10 % inferiori al salario di riferimento. Pertanto, contrariamente a quanto sostengono le ricorrenti, il metodo applicato non equivale alla fissazione di un salario minimo legale: salari inferiori a fr. 3'000.- al mese non sono considerati abusivi a condizione che siano almeno uguali al salario di riferimento del calcolatore dell'IRE. Nella replica le ricorrenti sembrano riconoscere che la soglia di fr. 3'000.- è di rilievo soltanto per la definizione del margine di tolleranza, ma affermano che la differenziazione creerebbe una disparità di trattamento. A torto. L'azzeramento del margine di tolleranza per i salari al limite dell'esistenza non viola l' art. 360a CO né la parità di trattamento, ma costituisce un'opportuna distinzione, ritenuto che la medesima differenza percentuale di salario ha una maggiore incidenza sui redditi bassi. 10.4 Le ricorrenti lamentano, specialmente nella replica, una campionatura mirata, nella quale sono state scelte imprese di cui era noto che corrispondessero salari bassi, effettuata "in modo da ottenere il risultato ricercato". Esse esprimono però più che altro dubbi, ma non forniscono elementi per le loro ipotesi e non rendono verosimile che la selezione delle imprese non sia stata effettuata tramite sorteggio, che essa non sia statisticamente rilevante o che il rilevamento dei salari effettivamente pagati non sia rappresentativo. Le censure sono infondate, al limite dell'ammissibilità. BGE 140 III 59 S. 63 10.5 Le ricorrenti affermano che per il calcolo dei salari effettivamente percepiti, il modello ticinese non tiene conto delle prestazioni superiori ai minimi legali elargite dai datori di lavoro per vacanze, congedi, contributi alla previdenza professionale e orario di lavoro settimanale. Lo Stato risponde che nelle inchieste sono utilizzati i dati del salario determinante per l'AVS. Giova innanzi tutto rilevare che l'intero reddito proveniente da qualsiasi attività lucrativa soggiace all'AVS e che giusta l' art. 5 LAVS il salario determinante comprende qualsiasi retribuzione del lavoro a dipendenza d'altri per un tempo determinato od indeterminato. Esso comprende inoltre le indennità di rincaro e altre indennità aggiunte al salario, le provvigioni, le gratificazioni, le prestazioni in natura, le indennità per vacanze o per giorni festivi ed altre prestazioni analoghe, nonché le mance, se queste costituiscono un elemento importante della retribuzione del lavoro. Non è pertanto ravvisabile quali componenti del salario sarebbero escluse dal salario determinante per l'AVS, ricordato in particolare che anche le prestazioni del datore di lavoro risultanti dall'assunzione del pagamento di contributi dovuti dal salariato sono sottoposte all'AVS ( DTF 139 V 50 consid. 2 e 4). Lo Stato spiega inoltre che il calcolatore salariale dell'IRE, come tutti quelli usati in Svizzera, non considera i "benefit aziendali"; se lo facessero, aggiunge, i dati non sarebbero utilizzabili. In effetti, affinché il raffronto sia possibile, occorre che il salario effettivo di un lavoratore sia definito con i medesimi parametri dei dati statistici utilizzati per stabilire i salari usuali, con i quali è confrontato (cfr. KARIN KAUFMANN, Missbräuchliche Lohnunterbietung im Rahmen derflankierenden Massnahmen, 2010, pag. 98). La Commissione tripartita, che è l'organo meglio in grado di osservare il mercato del lavoro, è di principio libera di scegliere il metodo per calcolare i salari usuali nel senso dell' art. 360a CO (PORTMANN/VON KAENEL/HALBEISEN, Ausgewählte Fragen zum Erlass eines Normalarbeitsvertrages im Sinne von Art. 360a OR, AJP 2013 pag. 1474; KAUFMANN, op. cit., pag. 97; WOLFGANG PORTMANN, in Basler Kommentar, Obligationenrecht, vol. I, 5 a ed. 2011, n. 2 ad art. 360a CO ; GABRIEL AUBERT, in Commentaire romand, Code des obligations, vol. I, 2 a ed. 2012, n. 5 ad art. 359 CO ). Posto che, come spiega il Consiglio di Stato, il metodo adottato in Ticino per determinare i salari usuali non tiene conto dei vantaggi supplementari menzionati dalle ricorrenti - fatta eccezione della durata della settimana lavorativa, alla quale è sempre BGE 140 III 59 S. 64 rapportato il salario - se nel calcolo dei salari effettivi tali vantaggi fossero considerati ne risulterebbe un raffronto inattendibile. 10.6 Quando le ricorrenti lamentano che nel confronto dei salari non viene tenuto conto della crisi congiunturale, esse dimenticano che i dati salariali vengono rilevati e quindi aggiornati periodicamente, con frequenza biennale. In tal modo vengono registrati anche i movimenti congiunturali. È del resto evidente che il raffronto dei salari effettivamente corrisposti dalle imprese controllate in un determinato periodo va fatto con il salario rilevante per tale intervallo. Nemmeno le ricorrenti pretendono che ciò non avvenga. 10.7 Le ricorrenti censurano anche che i contratti normali di lavoro sono stati adottati senza che fosse stato dimostrato "il rischio di reazione a catena" degli abusi. Tuttavia, contrariamente a quanto esse sostengono, tale rischio non è una condizione a sé posta dal diritto federale, ma è da mettere in relazione con il requisito della frequenza degli abusi, che l' art. 360a cpv. 1 CO esprime con l'avverbio "ripetutamente" ( wiederholt; répétée ) (KARIN KAUFMANN, Erste Praxis zur wiederholten missbräuchlichen Lohnunterbietung, ArbR, Mitteilungen des Instituts für Schweizerisches Arbeitsrecht 2009 pag. 50; PORTMANN, in Basler Kommentar, op. cit., n. 10 ad art. 360a CO ). Sotto questo profilo la censura è infondata. Il Consiglio di Stato, dopo avere ricordato che la Commissione tripartita ticinese ha fissato nel 10 % la soglia di frequenza che delimita il caso singolo dal dumping salariale settoriale, spiega che le percentuali degli abusi gravi costatati sono il 47,3 % nel settore delle apparecchiature elettriche e il 10,3 % in quello della fabbricazione di computer e prodotti di elettronica e ottica. Le ricorrenti riprendono questi dati (riducendo al 31,7 % la percentuale degli abusi nel settore delle apparecchiature elettriche) senza tuttavia contestare né la pertinenza della soglia del 10 %, né il suo superamento nei due settori considerati. Non occorre perciò approfondire questi aspetti.
Urteilskopf
11. Estratto della sentenza della I Corte di diritto civile nella causa A. SA e consorti contro Consiglio di Stato del Cantone Ticino (ricorso in materia di diritto pubblico)
4C_3/2013 / 4C_4/2013 del 20 novembre 2013
Regeste Art. 360a OR ; Normalarbeitsvertrag mit Mindestlohn; Lohndumping. Ermittlung einer wiederholten missbräuchlichen Unterbietung der orts-, berufs- oder branchenüblichen Löhne (E. 10).
Regeste
Art. 360a OR ; Normalarbeitsvertrag mit Mindestlohn; Lohndumping. Ermittlung einer wiederholten missbräuchlichen Unterbietung der orts-, berufs- oder branchenüblichen Löhne (E. 10).
Art. 360a OR Ermittlung einer wiederholten missbräuchlichen Unterbietung der orts-, berufs- oder branchenüblichen Löhne (E. 10).
Sachverhalt ab Seite 59
Sachverhalt ab Seite 59 BGE 140 III 59 S. 59
BGE 140 III 59 S. 59
A. Il 16 gennaio 2013 il Consiglio di Stato del Cantone Ticino - richiamando segnatamente gli art. 360a segg. CO - ha fissato al 1 ° aprile 2013 l'entrata in vigore dei contratti normali di lavoro con salario minimo vincolante, circoscritti agli operai (impiegati con qualifiche basse) del settore della fabbricazione di apparecchiature elettriche e del settore della fabbricazione di computer e prodotti di elettronica e ottica. I decreti, con il testo normativo, sono stati pubblicati sul Bollettino ufficiale delle leggi e degli atti esecutivi del Cantone Ticino del 18 gennaio 2013.
A. B. Le società anonime A. SA, B. SA, C. SA, D. SA, E. SA, F. SA, l'Associazione Industrie Ticinesi (AITI) e l'associazione Swissmem sono insorte davanti al Tribunale federale, con ricorsi in materia di diritto pubblico, chiedendo l'annullamento dei predetti decreti. Nella risposta il Consiglio di Stato ha contestato la legittimazione a BGE 140 III 59 S. 60 ricorrere delle due associazioni e nel merito ha proposto di respingere i ricorsi. Le parti hanno pure proceduto a un secondo scambio di scritti.
B. BGE 140 III 59 S. 60
Il Tribunale federale ha respinto i ricorsi nella misura in cui erano ammissibili.
(riassunto)
Erwägungen
Erwägungen Dai considerandi:
10. Le ricorrenti lamentano poi una violazione del diritto federale e della sua forza derogatoria, perché il Consiglio di Stato avrebbe imposto dei salari minimi, senza che siano dati i presupposti previsti dagli art. 359 segg. CO. Esse sostengono pure che il dumping salariale posto a giustificazione delle contestate misure si fonda su accertamenti errati, che non considerano tutte le controprestazioni percepite dai lavoratori. Asseriscono inoltre che la Commissione tripartita avrebbe semplicemente fissato in modo astratto un salario di sussistenza minimo di fr. 3'000.- mensili e che il modello ticinese non tiene conto della situazione congiunturale.
10. 10.1 L' art. 360a CO elenca le condizioni che permettono all'autorità competente di stabilire in un contratto normale di lavoro di durata limitata salari minimi differenziati secondo le regioni, e all'occorrenza il luogo, allo scopo di combattere o impedire abusi. L'emanazione di un tale contratto normale di lavoro è sussidiaria rispetto a disposizioni sui salari minimi di un eventuale contratto collettivo di lavoro, a cui può essere conferita obbligatorietà generale. La promulgazione di un contratto normale di lavoro è quindi esclusa, se sussistono dei salari minimi confacenti in un contratto collettivo di lavoro. Dal profilo materiale un contratto normale di lavoro nel senso della norma in discussione presuppone che nell'ambito di un ramo o di una professione vengano ripetutamente e abusivamente offerti salari inferiori a quelli usuali per il luogo, la professione o il ramo (dumping salariale). L'esistenza di questa condizione dev'essere constatata dalla Commissione tripartita, che i Cantoni devono istituire per il loro territorio giusta l' art. 360b cpv. 1 CO. Formalmente l'emanazione di un contratto normale di lavoro con salari minimi esige una richiesta della Commissione tripartita.
10.1 art. 360a CO art. 360b cpv. 1 CO 10.2 In base alle concordanti allegazioni delle parti i settori, che vengono sottoposti su incarico della Commissione tripartita a un controllo da parte dell'Ufficio dell'ispettorato del lavoro (UIL), sono selezionati in ragione dei seguenti quattro criteri: segnalazioni (1), BGE 140 III 59 S. 61 rami definiti dal SECO a rischio o sotto stretta osservazione (2), presenza di un contratto con salario minimo di riferimento che è stato introdotto/rafforzato a seguito di un intervento della Commissione tripartita (3) e indicatori economici quali la dimensione del ramo economico in termini di addetti e la quota di lavoratori frontalieri nel ramo economico, eventualmente il tasso di disoccupazione del ramo (4). Una volta determinato il settore in cui intervenire, il campione di valutazione delle imprese da controllare viene stabilito, facendo capo al censimento federale aziendale, mediante sorteggio.
10.2 BGE 140 III 59 S. 61
Per verificare se sussiste un dumping salariale vengono dapprima definiti i salari di riferimento sulla base del calcolatore salariale dell'Istituto di ricerche economiche (IRE) che contiene più di 40'000 buste-paga. Tale metodo, approvato dalla Commissione tripartita, riflette il funzionamento dei calcolatori salariali esistenti a livello nazionale, poggia su una banca dati raccolta mediante la Rilevazione svizzera della struttura dei salari effettuata ogni due anni dalla Confederazione e si fonda sul salario determinante per l'AVS. I salari di riferimento sono poi confrontati con quelli corrisposti dalle imprese sorteggiate. Se il salario mensile percepito dal lavoratore è inferiore a fr. 3'000.-, è considerato un caso di abuso grave ogni salario inferiore al salario di riferimento. Se invece lo stipendio mensile ammonta ad almeno fr. 3'000.- viene applicato un margine di tolleranza del 10 % e solo le retribuzioni che sono più del 10 % inferiori al salario di riferimento costituiscono un caso di abuso grave. Nei settori privi di contratto di riferimento i casi di abuso sono considerati ripetuti, se eccedono la quota del 10 % determinata dalla Commissione tripartita. Il Consiglio di Stato indica che tale quota è stata superata nei settori oggetto dei contestati contratti normali di lavoro, poiché la frequenza di casi di abuso gravi riscontrata nel settore delle apparecchiature elettriche è del 47,3 %, mentre in quello della fabbricazione di computer e prodotti di elettronica e ottica è del 10,3 %.
10.3 Le ricorrenti sostengono che le autorità ticinesi, invece di effettuare il controllo concreto dei salari usuali nel settore, imposto dalla legge, avrebbero stabilito "un salario di sussistenza" di fr. 3'000.-; in pratica una soglia legale astratta, al disotto della quale tutti i salari sarebbero automaticamente presunti essere abusivi nonostante che siano usuali per il luogo e la professione considerati. Il salario minimo fissato in questo modo sarebbe lesivo, oltre che dell' art. 360a CO, del principio della forza derogatoria del diritto federale sancito dall' art. 49 Cost. BGE 140 III 59 S. 62
10.3 art. 360a CO art. 49 Cost. BGE 140 III 59 S. 62
Con questa censura, diretta contro il metodo adottato per la determinazione del dumping salariale, le ricorrenti fraintendono la funzione del limite salariale di fr. 3'000.-. Per stabilire se vi è abuso grave i salari effettivamente percepiti sono stati raffrontati con quelli che dovrebbero essere erogati secondo il calcolatore dell'IRE. Quest'ultimo termine di raffronto non è un dato astratto. Il calcolatore dell'IRE, che analizza 40'000 buste-paga, stabilisce il salario di riferimento per ogni singolo lavoratore tenendo conto delle caratteristiche individuali, dell'azienda e del posto di lavoro; indica, per riprendere la spiegazione del Consiglio di Stato, "quello che è considerato il salario usuale per un determinato lavoratore, con una determinata esperienza di lavoro, con una determinata formazione professionale in un determinato settore ed in una determinata ditta". Se il salario mensile effettivamente percepito è inferiore a fr. 3'000.- non vi è tolleranza: ogni scarto rispetto al salario di riferimento dell'IRE è considerato abuso grave. Per i salari di fr. 3'000.- e più vi è invece un margine di tolleranza del 10 %: sono da considerare gravemente abusive soltanto le retribuzioni che sono più del 10 % inferiori al salario di riferimento. Pertanto, contrariamente a quanto sostengono le ricorrenti, il metodo applicato non equivale alla fissazione di un salario minimo legale: salari inferiori a fr. 3'000.- al mese non sono considerati abusivi a condizione che siano almeno uguali al salario di riferimento del calcolatore dell'IRE.
Nella replica le ricorrenti sembrano riconoscere che la soglia di fr. 3'000.- è di rilievo soltanto per la definizione del margine di tolleranza, ma affermano che la differenziazione creerebbe una disparità di trattamento. A torto. L'azzeramento del margine di tolleranza per i salari al limite dell'esistenza non viola l' art. 360a CO né la parità di trattamento, ma costituisce un'opportuna distinzione, ritenuto che la medesima differenza percentuale di salario ha una maggiore incidenza sui redditi bassi. art. 360a CO 10.4 Le ricorrenti lamentano, specialmente nella replica, una campionatura mirata, nella quale sono state scelte imprese di cui era noto che corrispondessero salari bassi, effettuata "in modo da ottenere il risultato ricercato". Esse esprimono però più che altro dubbi, ma non forniscono elementi per le loro ipotesi e non rendono verosimile che la selezione delle imprese non sia stata effettuata tramite sorteggio, che essa non sia statisticamente rilevante o che il rilevamento dei salari effettivamente pagati non sia rappresentativo. Le censure sono infondate, al limite dell'ammissibilità. BGE 140 III 59 S. 63
10.4 BGE 140 III 59 S. 63
10.5 Le ricorrenti affermano che per il calcolo dei salari effettivamente percepiti, il modello ticinese non tiene conto delle prestazioni superiori ai minimi legali elargite dai datori di lavoro per vacanze, congedi, contributi alla previdenza professionale e orario di lavoro settimanale. Lo Stato risponde che nelle inchieste sono utilizzati i dati del salario determinante per l'AVS.
10.5 Giova innanzi tutto rilevare che l'intero reddito proveniente da qualsiasi attività lucrativa soggiace all'AVS e che giusta l' art. 5 LAVS il salario determinante comprende qualsiasi retribuzione del lavoro a dipendenza d'altri per un tempo determinato od indeterminato. Esso comprende inoltre le indennità di rincaro e altre indennità aggiunte al salario, le provvigioni, le gratificazioni, le prestazioni in natura, le indennità per vacanze o per giorni festivi ed altre prestazioni analoghe, nonché le mance, se queste costituiscono un elemento importante della retribuzione del lavoro. Non è pertanto ravvisabile quali componenti del salario sarebbero escluse dal salario determinante per l'AVS, ricordato in particolare che anche le prestazioni del datore di lavoro risultanti dall'assunzione del pagamento di contributi dovuti dal salariato sono sottoposte all'AVS ( DTF 139 V 50 consid. 2 e 4). art. 5 LAVS Lo Stato spiega inoltre che il calcolatore salariale dell'IRE, come tutti quelli usati in Svizzera, non considera i "benefit aziendali"; se lo facessero, aggiunge, i dati non sarebbero utilizzabili. In effetti, affinché il raffronto sia possibile, occorre che il salario effettivo di un lavoratore sia definito con i medesimi parametri dei dati statistici utilizzati per stabilire i salari usuali, con i quali è confrontato (cfr. KARIN KAUFMANN, Missbräuchliche Lohnunterbietung im Rahmen derflankierenden Massnahmen, 2010, pag. 98). La Commissione tripartita, che è l'organo meglio in grado di osservare il mercato del lavoro, è di principio libera di scegliere il metodo per calcolare i salari usuali nel senso dell' art. 360a CO (PORTMANN/VON KAENEL/HALBEISEN, Ausgewählte Fragen zum Erlass eines Normalarbeitsvertrages im Sinne von Art. 360a OR, AJP 2013 pag. 1474; KAUFMANN, op. cit., pag. 97; WOLFGANG PORTMANN, in Basler Kommentar, Obligationenrecht, vol. I, 5 a ed. 2011, n. 2 ad art. 360a CO ; GABRIEL AUBERT, in Commentaire romand, Code des obligations, vol. I, 2 a ed. 2012, n. 5 ad art. 359 CO ). Posto che, come spiega il Consiglio di Stato, il metodo adottato in Ticino per determinare i salari usuali non tiene conto dei vantaggi supplementari menzionati dalle ricorrenti - fatta eccezione della durata della settimana lavorativa, alla quale è sempre BGE 140 III 59 S. 64 rapportato il salario - se nel calcolo dei salari effettivi tali vantaggi fossero considerati ne risulterebbe un raffronto inattendibile. art. 360a CO Art. 360a OR art. 360a CO art. 359 CO BGE 140 III 59 S. 64
10.6 Quando le ricorrenti lamentano che nel confronto dei salari non viene tenuto conto della crisi congiunturale, esse dimenticano che i dati salariali vengono rilevati e quindi aggiornati periodicamente, con frequenza biennale. In tal modo vengono registrati anche i movimenti congiunturali. È del resto evidente che il raffronto dei salari effettivamente corrisposti dalle imprese controllate in un determinato periodo va fatto con il salario rilevante per tale intervallo. Nemmeno le ricorrenti pretendono che ciò non avvenga.
10.6 10.7 Le ricorrenti censurano anche che i contratti normali di lavoro sono stati adottati senza che fosse stato dimostrato "il rischio di reazione a catena" degli abusi. Tuttavia, contrariamente a quanto esse sostengono, tale rischio non è una condizione a sé posta dal diritto federale, ma è da mettere in relazione con il requisito della frequenza degli abusi, che l' art. 360a cpv. 1 CO esprime con l'avverbio "ripetutamente" ( wiederholt; répétée ) (KARIN KAUFMANN, Erste Praxis zur wiederholten missbräuchlichen Lohnunterbietung, ArbR, Mitteilungen des Instituts für Schweizerisches Arbeitsrecht 2009 pag. 50; PORTMANN, in Basler Kommentar, op. cit., n. 10 ad art. 360a CO ). Sotto questo profilo la censura è infondata.
10.7 art. 360a cpv. 1 CO art. 360a CO Il Consiglio di Stato, dopo avere ricordato che la Commissione tripartita ticinese ha fissato nel 10 % la soglia di frequenza che delimita il caso singolo dal dumping salariale settoriale, spiega che le percentuali degli abusi gravi costatati sono il 47,3 % nel settore delle apparecchiature elettriche e il 10,3 % in quello della fabbricazione di computer e prodotti di elettronica e ottica. Le ricorrenti riprendono questi dati (riducendo al 31,7 % la percentuale degli abusi nel settore delle apparecchiature elettriche) senza tuttavia contestare né la pertinenza della soglia del 10 %, né il suo superamento nei due settori considerati. Non occorre perciò approfondire questi aspetti.
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Urteilskopf 140 III 59 11. Estratto della sentenza della I Corte di diritto civile nella causa A. SA e consorti contro Consiglio di Stato del Cantone Ticino (ricorso in materia di diritto pubblico) 4C_3/2013 / 4C_4/2013 del 20 novembre 2013 Regeste Art. 360a OR ; Normalarbeitsvertrag mit Mindestlohn; Lohndumping. Ermittlung einer wiederholten missbräuchlichen Unterbietung der orts-, berufs- oder branchenüblichen Löhne (E. 10). Sachverhalt ab Seite 59 BGE 140 III 59 S. 59 A. Il 16 gennaio 2013 il Consiglio di Stato del Cantone Ticino - richiamando segnatamente gli art. 360a segg. CO - ha fissato al 1 ° aprile 2013 l'entrata in vigore dei contratti normali di lavoro con salario minimo vincolante, circoscritti agli operai (impiegati con qualifiche basse) del settore della fabbricazione di apparecchiature elettriche e del settore della fabbricazione di computer e prodotti di elettronica e ottica. I decreti, con il testo normativo, sono stati pubblicati sul Bollettino ufficiale delle leggi e degli atti esecutivi del Cantone Ticino del 18 gennaio 2013. B. Le società anonime A. SA, B. SA, C. SA, D. SA, E. SA, F. SA, l'Associazione Industrie Ticinesi (AITI) e l'associazione Swissmem sono insorte davanti al Tribunale federale, con ricorsi in materia di diritto pubblico, chiedendo l'annullamento dei predetti decreti. Nella risposta il Consiglio di Stato ha contestato la legittimazione a BGE 140 III 59 S. 60 ricorrere delle due associazioni e nel merito ha proposto di respingere i ricorsi. Le parti hanno pure proceduto a un secondo scambio di scritti. Il Tribunale federale ha respinto i ricorsi nella misura in cui erano ammissibili. (riassunto) Erwägungen Dai considerandi: 10. Le ricorrenti lamentano poi una violazione del diritto federale e della sua forza derogatoria, perché il Consiglio di Stato avrebbe imposto dei salari minimi, senza che siano dati i presupposti previsti dagli art. 359 segg. CO. Esse sostengono pure che il dumping salariale posto a giustificazione delle contestate misure si fonda su accertamenti errati, che non considerano tutte le controprestazioni percepite dai lavoratori. Asseriscono inoltre che la Commissione tripartita avrebbe semplicemente fissato in modo astratto un salario di sussistenza minimo di fr. 3'000.- mensili e che il modello ticinese non tiene conto della situazione congiunturale. 10.1 L' art. 360a CO elenca le condizioni che permettono all'autorità competente di stabilire in un contratto normale di lavoro di durata limitata salari minimi differenziati secondo le regioni, e all'occorrenza il luogo, allo scopo di combattere o impedire abusi. L'emanazione di un tale contratto normale di lavoro è sussidiaria rispetto a disposizioni sui salari minimi di un eventuale contratto collettivo di lavoro, a cui può essere conferita obbligatorietà generale. La promulgazione di un contratto normale di lavoro è quindi esclusa, se sussistono dei salari minimi confacenti in un contratto collettivo di lavoro. Dal profilo materiale un contratto normale di lavoro nel senso della norma in discussione presuppone che nell'ambito di un ramo o di una professione vengano ripetutamente e abusivamente offerti salari inferiori a quelli usuali per il luogo, la professione o il ramo (dumping salariale). L'esistenza di questa condizione dev'essere constatata dalla Commissione tripartita, che i Cantoni devono istituire per il loro territorio giusta l' art. 360b cpv. 1 CO. Formalmente l'emanazione di un contratto normale di lavoro con salari minimi esige una richiesta della Commissione tripartita. 10.2 In base alle concordanti allegazioni delle parti i settori, che vengono sottoposti su incarico della Commissione tripartita a un controllo da parte dell'Ufficio dell'ispettorato del lavoro (UIL), sono selezionati in ragione dei seguenti quattro criteri: segnalazioni (1), BGE 140 III 59 S. 61 rami definiti dal SECO a rischio o sotto stretta osservazione (2), presenza di un contratto con salario minimo di riferimento che è stato introdotto/rafforzato a seguito di un intervento della Commissione tripartita (3) e indicatori economici quali la dimensione del ramo economico in termini di addetti e la quota di lavoratori frontalieri nel ramo economico, eventualmente il tasso di disoccupazione del ramo (4). Una volta determinato il settore in cui intervenire, il campione di valutazione delle imprese da controllare viene stabilito, facendo capo al censimento federale aziendale, mediante sorteggio. Per verificare se sussiste un dumping salariale vengono dapprima definiti i salari di riferimento sulla base del calcolatore salariale dell'Istituto di ricerche economiche (IRE) che contiene più di 40'000 buste-paga. Tale metodo, approvato dalla Commissione tripartita, riflette il funzionamento dei calcolatori salariali esistenti a livello nazionale, poggia su una banca dati raccolta mediante la Rilevazione svizzera della struttura dei salari effettuata ogni due anni dalla Confederazione e si fonda sul salario determinante per l'AVS. I salari di riferimento sono poi confrontati con quelli corrisposti dalle imprese sorteggiate. Se il salario mensile percepito dal lavoratore è inferiore a fr. 3'000.-, è considerato un caso di abuso grave ogni salario inferiore al salario di riferimento. Se invece lo stipendio mensile ammonta ad almeno fr. 3'000.- viene applicato un margine di tolleranza del 10 % e solo le retribuzioni che sono più del 10 % inferiori al salario di riferimento costituiscono un caso di abuso grave. Nei settori privi di contratto di riferimento i casi di abuso sono considerati ripetuti, se eccedono la quota del 10 % determinata dalla Commissione tripartita. Il Consiglio di Stato indica che tale quota è stata superata nei settori oggetto dei contestati contratti normali di lavoro, poiché la frequenza di casi di abuso gravi riscontrata nel settore delle apparecchiature elettriche è del 47,3 %, mentre in quello della fabbricazione di computer e prodotti di elettronica e ottica è del 10,3 %. 10.3 Le ricorrenti sostengono che le autorità ticinesi, invece di effettuare il controllo concreto dei salari usuali nel settore, imposto dalla legge, avrebbero stabilito "un salario di sussistenza" di fr. 3'000.-; in pratica una soglia legale astratta, al disotto della quale tutti i salari sarebbero automaticamente presunti essere abusivi nonostante che siano usuali per il luogo e la professione considerati. Il salario minimo fissato in questo modo sarebbe lesivo, oltre che dell' art. 360a CO, del principio della forza derogatoria del diritto federale sancito dall' art. 49 Cost. BGE 140 III 59 S. 62 Con questa censura, diretta contro il metodo adottato per la determinazione del dumping salariale, le ricorrenti fraintendono la funzione del limite salariale di fr. 3'000.-. Per stabilire se vi è abuso grave i salari effettivamente percepiti sono stati raffrontati con quelli che dovrebbero essere erogati secondo il calcolatore dell'IRE. Quest'ultimo termine di raffronto non è un dato astratto. Il calcolatore dell'IRE, che analizza 40'000 buste-paga, stabilisce il salario di riferimento per ogni singolo lavoratore tenendo conto delle caratteristiche individuali, dell'azienda e del posto di lavoro; indica, per riprendere la spiegazione del Consiglio di Stato, "quello che è considerato il salario usuale per un determinato lavoratore, con una determinata esperienza di lavoro, con una determinata formazione professionale in un determinato settore ed in una determinata ditta". Se il salario mensile effettivamente percepito è inferiore a fr. 3'000.- non vi è tolleranza: ogni scarto rispetto al salario di riferimento dell'IRE è considerato abuso grave. Per i salari di fr. 3'000.- e più vi è invece un margine di tolleranza del 10 %: sono da considerare gravemente abusive soltanto le retribuzioni che sono più del 10 % inferiori al salario di riferimento. Pertanto, contrariamente a quanto sostengono le ricorrenti, il metodo applicato non equivale alla fissazione di un salario minimo legale: salari inferiori a fr. 3'000.- al mese non sono considerati abusivi a condizione che siano almeno uguali al salario di riferimento del calcolatore dell'IRE. Nella replica le ricorrenti sembrano riconoscere che la soglia di fr. 3'000.- è di rilievo soltanto per la definizione del margine di tolleranza, ma affermano che la differenziazione creerebbe una disparità di trattamento. A torto. L'azzeramento del margine di tolleranza per i salari al limite dell'esistenza non viola l' art. 360a CO né la parità di trattamento, ma costituisce un'opportuna distinzione, ritenuto che la medesima differenza percentuale di salario ha una maggiore incidenza sui redditi bassi. 10.4 Le ricorrenti lamentano, specialmente nella replica, una campionatura mirata, nella quale sono state scelte imprese di cui era noto che corrispondessero salari bassi, effettuata "in modo da ottenere il risultato ricercato". Esse esprimono però più che altro dubbi, ma non forniscono elementi per le loro ipotesi e non rendono verosimile che la selezione delle imprese non sia stata effettuata tramite sorteggio, che essa non sia statisticamente rilevante o che il rilevamento dei salari effettivamente pagati non sia rappresentativo. Le censure sono infondate, al limite dell'ammissibilità. BGE 140 III 59 S. 63 10.5 Le ricorrenti affermano che per il calcolo dei salari effettivamente percepiti, il modello ticinese non tiene conto delle prestazioni superiori ai minimi legali elargite dai datori di lavoro per vacanze, congedi, contributi alla previdenza professionale e orario di lavoro settimanale. Lo Stato risponde che nelle inchieste sono utilizzati i dati del salario determinante per l'AVS. Giova innanzi tutto rilevare che l'intero reddito proveniente da qualsiasi attività lucrativa soggiace all'AVS e che giusta l' art. 5 LAVS il salario determinante comprende qualsiasi retribuzione del lavoro a dipendenza d'altri per un tempo determinato od indeterminato. Esso comprende inoltre le indennità di rincaro e altre indennità aggiunte al salario, le provvigioni, le gratificazioni, le prestazioni in natura, le indennità per vacanze o per giorni festivi ed altre prestazioni analoghe, nonché le mance, se queste costituiscono un elemento importante della retribuzione del lavoro. Non è pertanto ravvisabile quali componenti del salario sarebbero escluse dal salario determinante per l'AVS, ricordato in particolare che anche le prestazioni del datore di lavoro risultanti dall'assunzione del pagamento di contributi dovuti dal salariato sono sottoposte all'AVS ( DTF 139 V 50 consid. 2 e 4). Lo Stato spiega inoltre che il calcolatore salariale dell'IRE, come tutti quelli usati in Svizzera, non considera i "benefit aziendali"; se lo facessero, aggiunge, i dati non sarebbero utilizzabili. In effetti, affinché il raffronto sia possibile, occorre che il salario effettivo di un lavoratore sia definito con i medesimi parametri dei dati statistici utilizzati per stabilire i salari usuali, con i quali è confrontato (cfr. KARIN KAUFMANN, Missbräuchliche Lohnunterbietung im Rahmen derflankierenden Massnahmen, 2010, pag. 98). La Commissione tripartita, che è l'organo meglio in grado di osservare il mercato del lavoro, è di principio libera di scegliere il metodo per calcolare i salari usuali nel senso dell' art. 360a CO (PORTMANN/VON KAENEL/HALBEISEN, Ausgewählte Fragen zum Erlass eines Normalarbeitsvertrages im Sinne von Art. 360a OR, AJP 2013 pag. 1474; KAUFMANN, op. cit., pag. 97; WOLFGANG PORTMANN, in Basler Kommentar, Obligationenrecht, vol. I, 5 a ed. 2011, n. 2 ad art. 360a CO ; GABRIEL AUBERT, in Commentaire romand, Code des obligations, vol. I, 2 a ed. 2012, n. 5 ad art. 359 CO ). Posto che, come spiega il Consiglio di Stato, il metodo adottato in Ticino per determinare i salari usuali non tiene conto dei vantaggi supplementari menzionati dalle ricorrenti - fatta eccezione della durata della settimana lavorativa, alla quale è sempre BGE 140 III 59 S. 64 rapportato il salario - se nel calcolo dei salari effettivi tali vantaggi fossero considerati ne risulterebbe un raffronto inattendibile. 10.6 Quando le ricorrenti lamentano che nel confronto dei salari non viene tenuto conto della crisi congiunturale, esse dimenticano che i dati salariali vengono rilevati e quindi aggiornati periodicamente, con frequenza biennale. In tal modo vengono registrati anche i movimenti congiunturali. È del resto evidente che il raffronto dei salari effettivamente corrisposti dalle imprese controllate in un determinato periodo va fatto con il salario rilevante per tale intervallo. Nemmeno le ricorrenti pretendono che ciò non avvenga. 10.7 Le ricorrenti censurano anche che i contratti normali di lavoro sono stati adottati senza che fosse stato dimostrato "il rischio di reazione a catena" degli abusi. Tuttavia, contrariamente a quanto esse sostengono, tale rischio non è una condizione a sé posta dal diritto federale, ma è da mettere in relazione con il requisito della frequenza degli abusi, che l' art. 360a cpv. 1 CO esprime con l'avverbio "ripetutamente" ( wiederholt; répétée ) (KARIN KAUFMANN, Erste Praxis zur wiederholten missbräuchlichen Lohnunterbietung, ArbR, Mitteilungen des Instituts für Schweizerisches Arbeitsrecht 2009 pag. 50; PORTMANN, in Basler Kommentar, op. cit., n. 10 ad art. 360a CO ). Sotto questo profilo la censura è infondata. Il Consiglio di Stato, dopo avere ricordato che la Commissione tripartita ticinese ha fissato nel 10 % la soglia di frequenza che delimita il caso singolo dal dumping salariale settoriale, spiega che le percentuali degli abusi gravi costatati sono il 47,3 % nel settore delle apparecchiature elettriche e il 10,3 % in quello della fabbricazione di computer e prodotti di elettronica e ottica. Le ricorrenti riprendono questi dati (riducendo al 31,7 % la percentuale degli abusi nel settore delle apparecchiature elettriche) senza tuttavia contestare né la pertinenza della soglia del 10 %, né il suo superamento nei due settori considerati. Non occorre perciò approfondire questi aspetti.
Urteilskopf
11. Estratto della sentenza della I Corte di diritto civile nella causa A. SA e consorti contro Consiglio di Stato del Cantone Ticino (ricorso in materia di diritto pubblico)
4C_3/2013 / 4C_4/2013 del 20 novembre 2013
Regeste Art. 360a OR ; Normalarbeitsvertrag mit Mindestlohn; Lohndumping. Ermittlung einer wiederholten missbräuchlichen Unterbietung der orts-, berufs- oder branchenüblichen Löhne (E. 10).
Regeste
Art. 360a OR ; Normalarbeitsvertrag mit Mindestlohn; Lohndumping. Ermittlung einer wiederholten missbräuchlichen Unterbietung der orts-, berufs- oder branchenüblichen Löhne (E. 10).
Art. 360a OR Ermittlung einer wiederholten missbräuchlichen Unterbietung der orts-, berufs- oder branchenüblichen Löhne (E. 10).
Sachverhalt ab Seite 59
Sachverhalt ab Seite 59 BGE 140 III 59 S. 59
BGE 140 III 59 S. 59
A. Il 16 gennaio 2013 il Consiglio di Stato del Cantone Ticino - richiamando segnatamente gli art. 360a segg. CO - ha fissato al 1 ° aprile 2013 l'entrata in vigore dei contratti normali di lavoro con salario minimo vincolante, circoscritti agli operai (impiegati con qualifiche basse) del settore della fabbricazione di apparecchiature elettriche e del settore della fabbricazione di computer e prodotti di elettronica e ottica. I decreti, con il testo normativo, sono stati pubblicati sul Bollettino ufficiale delle leggi e degli atti esecutivi del Cantone Ticino del 18 gennaio 2013.
A. B. Le società anonime A. SA, B. SA, C. SA, D. SA, E. SA, F. SA, l'Associazione Industrie Ticinesi (AITI) e l'associazione Swissmem sono insorte davanti al Tribunale federale, con ricorsi in materia di diritto pubblico, chiedendo l'annullamento dei predetti decreti. Nella risposta il Consiglio di Stato ha contestato la legittimazione a BGE 140 III 59 S. 60 ricorrere delle due associazioni e nel merito ha proposto di respingere i ricorsi. Le parti hanno pure proceduto a un secondo scambio di scritti.
B. BGE 140 III 59 S. 60
Il Tribunale federale ha respinto i ricorsi nella misura in cui erano ammissibili.
(riassunto)
Erwägungen
Erwägungen Dai considerandi:
10. Le ricorrenti lamentano poi una violazione del diritto federale e della sua forza derogatoria, perché il Consiglio di Stato avrebbe imposto dei salari minimi, senza che siano dati i presupposti previsti dagli art. 359 segg. CO. Esse sostengono pure che il dumping salariale posto a giustificazione delle contestate misure si fonda su accertamenti errati, che non considerano tutte le controprestazioni percepite dai lavoratori. Asseriscono inoltre che la Commissione tripartita avrebbe semplicemente fissato in modo astratto un salario di sussistenza minimo di fr. 3'000.- mensili e che il modello ticinese non tiene conto della situazione congiunturale.
10. 10.1 L' art. 360a CO elenca le condizioni che permettono all'autorità competente di stabilire in un contratto normale di lavoro di durata limitata salari minimi differenziati secondo le regioni, e all'occorrenza il luogo, allo scopo di combattere o impedire abusi. L'emanazione di un tale contratto normale di lavoro è sussidiaria rispetto a disposizioni sui salari minimi di un eventuale contratto collettivo di lavoro, a cui può essere conferita obbligatorietà generale. La promulgazione di un contratto normale di lavoro è quindi esclusa, se sussistono dei salari minimi confacenti in un contratto collettivo di lavoro. Dal profilo materiale un contratto normale di lavoro nel senso della norma in discussione presuppone che nell'ambito di un ramo o di una professione vengano ripetutamente e abusivamente offerti salari inferiori a quelli usuali per il luogo, la professione o il ramo (dumping salariale). L'esistenza di questa condizione dev'essere constatata dalla Commissione tripartita, che i Cantoni devono istituire per il loro territorio giusta l' art. 360b cpv. 1 CO. Formalmente l'emanazione di un contratto normale di lavoro con salari minimi esige una richiesta della Commissione tripartita.
10.1 art. 360a CO art. 360b cpv. 1 CO 10.2 In base alle concordanti allegazioni delle parti i settori, che vengono sottoposti su incarico della Commissione tripartita a un controllo da parte dell'Ufficio dell'ispettorato del lavoro (UIL), sono selezionati in ragione dei seguenti quattro criteri: segnalazioni (1), BGE 140 III 59 S. 61 rami definiti dal SECO a rischio o sotto stretta osservazione (2), presenza di un contratto con salario minimo di riferimento che è stato introdotto/rafforzato a seguito di un intervento della Commissione tripartita (3) e indicatori economici quali la dimensione del ramo economico in termini di addetti e la quota di lavoratori frontalieri nel ramo economico, eventualmente il tasso di disoccupazione del ramo (4). Una volta determinato il settore in cui intervenire, il campione di valutazione delle imprese da controllare viene stabilito, facendo capo al censimento federale aziendale, mediante sorteggio.
10.2 BGE 140 III 59 S. 61
Per verificare se sussiste un dumping salariale vengono dapprima definiti i salari di riferimento sulla base del calcolatore salariale dell'Istituto di ricerche economiche (IRE) che contiene più di 40'000 buste-paga. Tale metodo, approvato dalla Commissione tripartita, riflette il funzionamento dei calcolatori salariali esistenti a livello nazionale, poggia su una banca dati raccolta mediante la Rilevazione svizzera della struttura dei salari effettuata ogni due anni dalla Confederazione e si fonda sul salario determinante per l'AVS. I salari di riferimento sono poi confrontati con quelli corrisposti dalle imprese sorteggiate. Se il salario mensile percepito dal lavoratore è inferiore a fr. 3'000.-, è considerato un caso di abuso grave ogni salario inferiore al salario di riferimento. Se invece lo stipendio mensile ammonta ad almeno fr. 3'000.- viene applicato un margine di tolleranza del 10 % e solo le retribuzioni che sono più del 10 % inferiori al salario di riferimento costituiscono un caso di abuso grave. Nei settori privi di contratto di riferimento i casi di abuso sono considerati ripetuti, se eccedono la quota del 10 % determinata dalla Commissione tripartita. Il Consiglio di Stato indica che tale quota è stata superata nei settori oggetto dei contestati contratti normali di lavoro, poiché la frequenza di casi di abuso gravi riscontrata nel settore delle apparecchiature elettriche è del 47,3 %, mentre in quello della fabbricazione di computer e prodotti di elettronica e ottica è del 10,3 %.
10.3 Le ricorrenti sostengono che le autorità ticinesi, invece di effettuare il controllo concreto dei salari usuali nel settore, imposto dalla legge, avrebbero stabilito "un salario di sussistenza" di fr. 3'000.-; in pratica una soglia legale astratta, al disotto della quale tutti i salari sarebbero automaticamente presunti essere abusivi nonostante che siano usuali per il luogo e la professione considerati. Il salario minimo fissato in questo modo sarebbe lesivo, oltre che dell' art. 360a CO, del principio della forza derogatoria del diritto federale sancito dall' art. 49 Cost. BGE 140 III 59 S. 62
10.3 art. 360a CO art. 49 Cost. BGE 140 III 59 S. 62
Con questa censura, diretta contro il metodo adottato per la determinazione del dumping salariale, le ricorrenti fraintendono la funzione del limite salariale di fr. 3'000.-. Per stabilire se vi è abuso grave i salari effettivamente percepiti sono stati raffrontati con quelli che dovrebbero essere erogati secondo il calcolatore dell'IRE. Quest'ultimo termine di raffronto non è un dato astratto. Il calcolatore dell'IRE, che analizza 40'000 buste-paga, stabilisce il salario di riferimento per ogni singolo lavoratore tenendo conto delle caratteristiche individuali, dell'azienda e del posto di lavoro; indica, per riprendere la spiegazione del Consiglio di Stato, "quello che è considerato il salario usuale per un determinato lavoratore, con una determinata esperienza di lavoro, con una determinata formazione professionale in un determinato settore ed in una determinata ditta". Se il salario mensile effettivamente percepito è inferiore a fr. 3'000.- non vi è tolleranza: ogni scarto rispetto al salario di riferimento dell'IRE è considerato abuso grave. Per i salari di fr. 3'000.- e più vi è invece un margine di tolleranza del 10 %: sono da considerare gravemente abusive soltanto le retribuzioni che sono più del 10 % inferiori al salario di riferimento. Pertanto, contrariamente a quanto sostengono le ricorrenti, il metodo applicato non equivale alla fissazione di un salario minimo legale: salari inferiori a fr. 3'000.- al mese non sono considerati abusivi a condizione che siano almeno uguali al salario di riferimento del calcolatore dell'IRE.
Nella replica le ricorrenti sembrano riconoscere che la soglia di fr. 3'000.- è di rilievo soltanto per la definizione del margine di tolleranza, ma affermano che la differenziazione creerebbe una disparità di trattamento. A torto. L'azzeramento del margine di tolleranza per i salari al limite dell'esistenza non viola l' art. 360a CO né la parità di trattamento, ma costituisce un'opportuna distinzione, ritenuto che la medesima differenza percentuale di salario ha una maggiore incidenza sui redditi bassi. art. 360a CO 10.4 Le ricorrenti lamentano, specialmente nella replica, una campionatura mirata, nella quale sono state scelte imprese di cui era noto che corrispondessero salari bassi, effettuata "in modo da ottenere il risultato ricercato". Esse esprimono però più che altro dubbi, ma non forniscono elementi per le loro ipotesi e non rendono verosimile che la selezione delle imprese non sia stata effettuata tramite sorteggio, che essa non sia statisticamente rilevante o che il rilevamento dei salari effettivamente pagati non sia rappresentativo. Le censure sono infondate, al limite dell'ammissibilità. BGE 140 III 59 S. 63
10.4 BGE 140 III 59 S. 63
10.5 Le ricorrenti affermano che per il calcolo dei salari effettivamente percepiti, il modello ticinese non tiene conto delle prestazioni superiori ai minimi legali elargite dai datori di lavoro per vacanze, congedi, contributi alla previdenza professionale e orario di lavoro settimanale. Lo Stato risponde che nelle inchieste sono utilizzati i dati del salario determinante per l'AVS.
10.5 Giova innanzi tutto rilevare che l'intero reddito proveniente da qualsiasi attività lucrativa soggiace all'AVS e che giusta l' art. 5 LAVS il salario determinante comprende qualsiasi retribuzione del lavoro a dipendenza d'altri per un tempo determinato od indeterminato. Esso comprende inoltre le indennità di rincaro e altre indennità aggiunte al salario, le provvigioni, le gratificazioni, le prestazioni in natura, le indennità per vacanze o per giorni festivi ed altre prestazioni analoghe, nonché le mance, se queste costituiscono un elemento importante della retribuzione del lavoro. Non è pertanto ravvisabile quali componenti del salario sarebbero escluse dal salario determinante per l'AVS, ricordato in particolare che anche le prestazioni del datore di lavoro risultanti dall'assunzione del pagamento di contributi dovuti dal salariato sono sottoposte all'AVS ( DTF 139 V 50 consid. 2 e 4). art. 5 LAVS Lo Stato spiega inoltre che il calcolatore salariale dell'IRE, come tutti quelli usati in Svizzera, non considera i "benefit aziendali"; se lo facessero, aggiunge, i dati non sarebbero utilizzabili. In effetti, affinché il raffronto sia possibile, occorre che il salario effettivo di un lavoratore sia definito con i medesimi parametri dei dati statistici utilizzati per stabilire i salari usuali, con i quali è confrontato (cfr. KARIN KAUFMANN, Missbräuchliche Lohnunterbietung im Rahmen derflankierenden Massnahmen, 2010, pag. 98). La Commissione tripartita, che è l'organo meglio in grado di osservare il mercato del lavoro, è di principio libera di scegliere il metodo per calcolare i salari usuali nel senso dell' art. 360a CO (PORTMANN/VON KAENEL/HALBEISEN, Ausgewählte Fragen zum Erlass eines Normalarbeitsvertrages im Sinne von Art. 360a OR, AJP 2013 pag. 1474; KAUFMANN, op. cit., pag. 97; WOLFGANG PORTMANN, in Basler Kommentar, Obligationenrecht, vol. I, 5 a ed. 2011, n. 2 ad art. 360a CO ; GABRIEL AUBERT, in Commentaire romand, Code des obligations, vol. I, 2 a ed. 2012, n. 5 ad art. 359 CO ). Posto che, come spiega il Consiglio di Stato, il metodo adottato in Ticino per determinare i salari usuali non tiene conto dei vantaggi supplementari menzionati dalle ricorrenti - fatta eccezione della durata della settimana lavorativa, alla quale è sempre BGE 140 III 59 S. 64 rapportato il salario - se nel calcolo dei salari effettivi tali vantaggi fossero considerati ne risulterebbe un raffronto inattendibile. art. 360a CO Art. 360a OR art. 360a CO art. 359 CO BGE 140 III 59 S. 64
10.6 Quando le ricorrenti lamentano che nel confronto dei salari non viene tenuto conto della crisi congiunturale, esse dimenticano che i dati salariali vengono rilevati e quindi aggiornati periodicamente, con frequenza biennale. In tal modo vengono registrati anche i movimenti congiunturali. È del resto evidente che il raffronto dei salari effettivamente corrisposti dalle imprese controllate in un determinato periodo va fatto con il salario rilevante per tale intervallo. Nemmeno le ricorrenti pretendono che ciò non avvenga.
10.6 10.7 Le ricorrenti censurano anche che i contratti normali di lavoro sono stati adottati senza che fosse stato dimostrato "il rischio di reazione a catena" degli abusi. Tuttavia, contrariamente a quanto esse sostengono, tale rischio non è una condizione a sé posta dal diritto federale, ma è da mettere in relazione con il requisito della frequenza degli abusi, che l' art. 360a cpv. 1 CO esprime con l'avverbio "ripetutamente" ( wiederholt; répétée ) (KARIN KAUFMANN, Erste Praxis zur wiederholten missbräuchlichen Lohnunterbietung, ArbR, Mitteilungen des Instituts für Schweizerisches Arbeitsrecht 2009 pag. 50; PORTMANN, in Basler Kommentar, op. cit., n. 10 ad art. 360a CO ). Sotto questo profilo la censura è infondata.
10.7 art. 360a cpv. 1 CO art. 360a CO Il Consiglio di Stato, dopo avere ricordato che la Commissione tripartita ticinese ha fissato nel 10 % la soglia di frequenza che delimita il caso singolo dal dumping salariale settoriale, spiega che le percentuali degli abusi gravi costatati sono il 47,3 % nel settore delle apparecchiature elettriche e il 10,3 % in quello della fabbricazione di computer e prodotti di elettronica e ottica. Le ricorrenti riprendono questi dati (riducendo al 31,7 % la percentuale degli abusi nel settore delle apparecchiature elettriche) senza tuttavia contestare né la pertinenza della soglia del 10 %, né il suo superamento nei due settori considerati. Non occorre perciò approfondire questi aspetti.
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Urteilskopf 140 III 602 89. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. und B. gegen C. AG (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_195/2014 / 4A_197/2014 vom 27. November 2014 Regeste Rückerstattung von an Mitglieder des Verwaltungsrates ausgerichteten Leistungen, soweit diese in einem offensichtlichen Missverhältnis zur Gegenleistung und zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft stehen ( Art. 678 Abs. 2 OR ). Offensichtliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (E. 4 und 8). Bedeutung des offensichtlichen Missverhältnisses zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft (E. 9) und des bösen Glaubens der Empfänger (E. 10). Sachverhalt ab Seite 602 BGE 140 III 602 S. 602 Die C. AG (Klägerin, Beschwerdegegnerin) war Aktionärin der D. SA. Der Verwaltungsrat der Klägerin bestand aus A. (Beklagter 1, Beschwerdeführer 1) als Präsident und B. (Beklagte 2, Beschwerdeführerin 2) als Vizepräsidentin. Am 15. Oktober 2009 sprachen die Beklagten im Rahmen einer Verwaltungsratssitzung über einen allfälligen Verkauf der Aktien der D. SA. Sie fassten einen Beschluss über die Verwendung der aus dem geplanten Verkauf resultierenden Mittel. Dieser sah unter anderem vor, jeweils 1 % des definitiven Verkaufspreises als Prämie für den erfolgreichen Abschluss an die BGE 140 III 602 S. 603 Beklagten zu überweisen, falls der Verkaufspreis über 4 Mio. Fr. betragen sollte. Da das Aktienpaket zu einem Preis von 4,4 Mio. Fr. verkauft wurde, erhielten beide Beklagte zusätzlich zum gewöhnlichen Entgelt für ihre Tätigkeit je Fr. 44'000.- ausbezahlt. Die Klägerin verlangt diese Beträge zurück. Das Obergericht des Kantons Solothurn hat die Beklagten je zur Rückzahlung der Fr. 44'000.- nebst Zins verpflichtet. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Das Obligationenrecht sieht eine Entschädigung von Verwaltungsräten nur in Form von Tantiemen vor, d.h. als formelle Gewinnentnahme ( Art. 677 OR ). Es ist aber unbestritten, dass gestützt auf ein entsprechendes Schuldverhältnis zwischen Aktiengesellschaft und Verwaltungsrat auch feste Entschädigungen zulasten der Erfolgsrechnung ausgerichtet werden dürfen. Rechtsgrundlage ist entweder eine Statutenbestimmung, welche die Bemessung und Ausrichtung einer Entschädigung der Generalversammlung oder dem Verwaltungsrat zuweist, oder in besonderen Fällen ein Arbeitsvertrag oder Auftrag. Darüber hinaus ist es denkbar, dass im Einzelfall für besondere Aufgaben, beispielsweise als Rechtsanwalt, als Werbeberater, als Architekt oder als Versicherungsagent (Beispiele bei ROLAND MÜLLER, Honorierung von Verwaltungsräten aus rechtlicher Sicht, ZBJV 147/2011 S. 113 ff., S. 124) spezielle Verträge bestehen, die separat abgerechnet werden. Gemäss dem seit 1. Januar 2008 geltenden Art. 718b OR müssen Verträge zwischen der Gesellschaft und ihrem Vertreter schriftlich abgeschlossen werden, wenn die Verpflichtung der Gesellschaft Fr. 1'000.- übersteigt. Mitglieder des Verwaltungsrates sind nach Art. 678 Abs. 2 OR zur Rückerstattung "anderer Leistungen" - das heisst nicht formaler Gewinnausschüttungen gemäss Art. 678 Abs. 1 OR - verpflichtet, "soweit diese in einem offensichtlichen Missverhältnis zur Gegenleistung und zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft stehen". Damit zielt Art. 678 Abs. 2 OR auf verdeckte Gewinnausschüttungen an Aktionäre, Mitglieder des Verwaltungsrates und diesen nahestehende Personen (vgl. Botschaft vom 23. Februar 1983 über die Revision des Aktienrechts, BBl 1983 II 897 Ziff. 326 zu Art. 678 Abs. 2 E-OR). (...) BGE 140 III 602 S. 604 8. 8.1 Die Vorinstanz erachtete das für die Anwendbarkeit von Art. 678 Abs. 2 OR erforderliche Missverhältnis zwischen der Leistung der Beschwerdeführer und der Gegenleistung der Gesellschaft für ausgewiesen. 8.1.1 Angesichts der Tatsache, dass seitens der bisherigen Aktionäre der D. SA seit längerem Kaufinteresse bestand und die Aktien schliesslich an vorhandene Aktionäre gingen sowie dass als tatsächlicher Aufwand lediglich 22 zum Teil sehr kurze E-Mails, ein Telefonat und eine Besprechung am 12. Oktober 2009 in Genf ausgewiesen seien, schloss die Vorinstanz, der tatsächliche Aufwand der Beschwerdeführer sei gering gewesen. Die Vorbringen der Beschwerdeführer genügen nicht, um diesen Schluss als offensichtlich unhaltbar oder sonst rechtsfehlerhaft auszuweisen. 8.1.2 Die Gegenleistung im Sinn von Art. 678 Abs. 2 OR kann aber nicht nur in entstandenem Aufwand bestehen, sondern auch in einem für die Gesellschaft erzielten Erfolg, wie die Beschwerdeführer zu Recht geltend machen. Kann mit der Vorinstanz davon ausgegangen werden, dass in den Personen grösserer Aktionäre mehrere Kaufinteressenten bereits vorhanden waren, bestand indessen eine gute Verhandlungssituation. Selbst wenn die Ausführungen der Beschwerdeführer, der Verkaufspreis sei weit über dem damaligen Börsenkurs gelegen, zutreffen sollten, liesse sich unter diesen Umständen noch keine wesentliche Leistung der Beschwerdeführer begründen. 8.1.3 Als weiterer Gesichtspunkt ist zu berücksichtigen, ob die Beschwerdeführer den Aktienverkauf im Rahmen ihrer Aufgaben als Verwaltungsräte oder aber ausserhalb dieses Rahmens getätigt haben. Wie die Beschwerdeführer unter Hinweis auf Art. 1.2 der Statuten selbst geltend machen, ist der Gesellschaftszweck die "Anlage von Kapitalien und die Verwaltung von Vermögenswerten". Die Vorinstanz durfte somit entgegen den Beschwerdeführern ohne Weiteres davon ausgehen, dass der Verkauf und Kauf von Beteiligungen zur üblichen Verwaltungsratstätigkeit gehörte. Gegen ein Missverhältnis im Sinn von Art. 678 Abs. 2 OR könnte in diesem Zusammenhang sprechen, wenn der Verkauf der Aktien der D. SA ein im Vergleich zu früheren Verkäufen bzw. Käufen von Beteiligungen aussergewöhnliches Geschäft gewesen wäre. Die Beschwerdeführer gehen selbst von diesem Gesichtspunkt aus, wenn sie geltend machen, es habe sich um einen "Bonus für besondere Leistungen" gehandelt. BGE 140 III 602 S. 605 Nachdem die Vorinstanz davon gestützt auf den Gesellschaftszweck nicht ausgehen musste, wäre es an den Beschwerdeführern gelegen, im Rahmen des ihnen offenstehenden Gegenbeweises die konkreten Umstände zu behaupten und gegebenenfalls zu substanziieren, die beim Gericht Zweifel an der Richtigkeit der Gegenstand des Hauptbeweises bildenden Sachbehauptung hätten wachhalten und diesen dadurch hätten vereiteln können ( BGE 130 III 321 E. 3.4 S. 326; BGE 115 II 305 ; je mit Hinweisen). Das angefochtene Urteil enthält dazu keine tatsächlichen Feststellungen und die Beschwerdeführer rügen nicht rechtsgenüglich eine unvollständige Feststellung des Sachverhalts. Mangels solcher Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass mit den bezahlten fixen Entschädigungen ihre Tätigkeit im Rahmen des Gesellschaftszwecks abgedeckt war. Ob diese Entschädigungen objektiv angemessen bzw. - wie die Vorinstanz annahm - "grosszügig" war, ist daher nicht entscheiderheblich, ebenso wenig die Höhe der Entschädigung des Nachfolgers, dessen konkrete Aufgaben ohnehin nicht bekannt sind. Auf die diesbezüglichen Rügen ist daher nicht weiter einzugehen. 8.1.4 Unbehelflich ist schliesslich der grundsätzliche Einwand der Beschwerdeführer, die Vorinstanz habe ausser Acht gelassen, dass die Erfolgsaussichten des Verwaltungsrats wegen der bei diesem vorhandenen "Vorkenntnissen und Beziehungen" grösser war als bei einem externen Mäkler und ein solcher aber möglicherweise eine höhere Entschädigung gefordert hätte. Sie verkennen, dass es gerade zu ihren Pflichten als Verwaltungsräte gehörte, ihre in dieser Funktion gewonnenen "Vorkenntnisse und Beziehungen" bei der Verfolgung des Gesellschaftszwecks einzusetzen. 8.1.5 Damit ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz von einem Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ausging. 8.2 Nach Art. 678 Abs. 2 OR muss das Missverhältnis zur Gegenleistung der Gesellschaft (wie auch zu deren wirtschaftlichen Lage) offensichtlich sein. Das Missverhältnis ist offensichtlich, wenn es jedermann, der gerecht und billig denkt und die konkreten Verhältnisse vernünftig beurteilt, in die Augen fällt (BEAT SPÖRRI, Die aktienrechtliche Rückerstattungspflicht, 1996, S. 185 f.; vgl. auch THOMAS FRIEDRICH MÜLLER, Der Schutz der Aktiengesellschaft vor unzulässigen Kapitalentnahmen, 1997, S. 63), weil es einer vernünftigen wirtschaftlichen Begründung entbehrt (SPÖRRI, a.a.O., S. 185; KURER/KURER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. II, 4. Aufl. BGE 140 III 602 S. 606 2012, N. 17 zu Art. 678 OR mit Hinweisen). Durch diese Voraussetzung wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass den Gesellschaften die Ausübung des geschäftsmässigen Ermessens überlassen bleibt (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4A_188/2007 vom 13. September 2007 E. 4.3.4; KURER/KURER, a.a.O., N. 17 zu Art. 678 OR ; ANDREAS BINDER, Die aktienrechtliche Rückerstattung ungerechtfertigter Leistungen, Schweizerische Zeitschrift für Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht sowie Umstrukturierungen [GesKR] Sondernummer 2008, S. 66 ff., S. 69). Nachdem die Vorinstanz aber davon ausgehen durfte, der Verkauf und Kauf von Beteiligungen gehöre zu der üblichen Verwaltungsratstätigkeit, die ausserhalb der geleisteten Zahlung bereits im üblichen Mass entlohnt wurde, kann von einem unzulässigen Eingriff in das Ermessen der Gesellschaft keine Rede sein. Zusammenfassend ist es im Ergebnis nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz von einem offensichtlichen Missverhältnis zwischen den Beträgen von je Fr. 44'000.- und der von den Beschwerdeführern erbrachten Gegenleistung ausging. 9. Art. 678 Abs. 2 OR erwähnt als weitere Voraussetzung das offensichtliche Missverhältnis zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft. 9.1 Die Vorinstanz führte in diesem Zusammenhang aus, die schlechte wirtschaftliche Lage ergebe sich aus dem Geschäftsbericht 2008, aus dem ein Reinverlust für das Geschäftsjahr 2008 von Fr. 3'838'701.28 und mit Verlust aus dem Vorjahr von Fr. 2'212'219.38 ein Verlustvortrag auf neue Rechnung von Fr. 6'050'920.66 hervorgehe. Wenn die Alleinaktionärin die Beschwerdegegnerin nicht immer wieder mit Darlehen versorgt hätte, hätte längst der Konkursrichter benachrichtigt werden müssen. Die Beschwerdeführer wenden ein, diese Zahlen seien von keiner Partei behauptet worden, und machen erneut eine Verletzung von Art. 55 ZPO geltend. Sie bestreiten aber auch hier nicht, dass die von der Vorinstanz zugrunde gelegten Zahlen zutreffen. 9.2 In der Lehre wird darauf hingewiesen, dass das Kriterium der wirtschaftlichen Lage keinen Sinn macht, wenn es als eigenständiges Kriterium verstanden wird (SPÖRRI, a.a.O., S. 200; ROGER DÜRR, Die Rückerstattungsklage nach Art. 678 Abs. 2 OR im System der unrechtmässigen Vermögensverlagerungen, 2005, S. 92; je mit Hinweisen). Es würde bedeuten, dass in einer Gesellschaft mit sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen eine offensichtliche Begünstigung einzelner Verwaltungsräte zulasten des Gesellschaftsvermögens BGE 140 III 602 S. 607 rechtlich unbedenklich wäre (BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, 4. Aufl. 2009, S. 1528 f. § 12 Rz. 556; DÜRR, a.a.O., S. 92; BINDER, a.a.O., S. 67 f.; MÜLLER, a.a.O., S. 64), was den vom Gesetzgeber mit Art. 678 OR verfolgten Zielen widersprechen würde (SPÖRRI, a.a.O., S. 201 ff.). Die Klausel der "wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft" müsse vielmehr im Sinnzusammenhang des Gesetzes so verstanden werden, dass die Frage des offensichtlichen Missverhältnisses unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft zu beurteilen sei (BÖCKLI, a.a.O., S. 1529 § 12 Rz. 557; KURER/KURER, a.a.O., N. 16 zu Art. 678 OR ; MÜLLER, a.a.O., S. 64; SPÖRRI, a.a.O., S. 203 f. mit Hinweisen). Darüber, wie dies zu geschehen hat, gehen die Meinungen auseinander (SPÖRRI, a.a.O., S. 203 f. mit Hinweisen). Ein Teil der Lehre vertritt die Auffassung, die Formel sei so zu verstehen, dass die Offensichtlichkeit umso eher anzunehmen sei, je schlechter die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft ist (BÖCKLI, a.a.O., S. 1529 § 12 Rz. 557), beziehungsweise dass sich eine finanzstärkere Gesellschaft grosszügiger zeigen kann als eine finanzschwache, was bei der Beurteilung, ob ein Missverhältnis zur Gegenleistung gegeben ist, berücksichtigt werden könne (vgl. PASCAL MONTAVON UND ANDERE, Droit et pratique de la société anonyme, Bd. I, 1994, S. 108 f.). Andere verlangen eine spürbare Auswirkung im Sinn einer Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft (KURER/KURER, a.a.O., N. 16 zu Art. 678 OR ). Es wird auch die Meinung vertreten, die wirtschaftliche Situation sei nur zu berücksichtigen, wenn sie als Bewertungskriterium für Leistung und Gegenleistung relevant sei, beispielsweise als Rechtfertigung eines geringen Verkaufspreises bei einem Notverkauf der Gesellschaft oder eines höheren Darlehenszinses gegenüber einer finanzschwachen Gesellschaft (MÜLLER, a.a.O., S. 64; SPÖRRI, a.a.O., S. 205; DÜRR, a.a.O., S. 90 ff. und 102). 9.3 Diese Überlegungen sind grundsätzlich zutreffend. Auch bei guten wirtschaftlichen Verhältnissen steht Art. 678 Abs. 2 OR einer offensichtlichen Begünstigung einzelner Verwaltungsräte zulasten des Gesellschaftsvermögens entgegen. Durch die beiden Kriterien des Missverhältnisses zur Gegenleistung und zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft sowie durch die im Gesetz verlangte Offensichtlichkeit der Missverhältnisse wird vermögenden Gesellschaften kein Freipass für verdeckte Gewinnausschüttungen ausgestellt. Es soll lediglich eine kleinliche Nachrechnerei verhindert und die BGE 140 III 602 S. 608 Entscheidung im Einzelfall erleichtert werden (vgl. Botschaft, BBl 1983 II 897 Ziff. 326 zu Art. 678 E-OR). 9.3.1 Vor diesem Hintergrund erweist sich das Kriterium der Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft (KURER/KURER, a.a.O., N. 16 zu Art. 678 OR ) als zu unscharf, da eine finanzstarke Gesellschaft kleinere verdeckte Gewinnausschüttungen verkraften könnte, ohne dass ihre wirtschaftliche Lage dadurch merklich beeinträchtigt wird. Soweit dagegen die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft (wie bei der Höhe des Darlehenszinses oder des Verkaufspreises bei einem Notverkauf) als objektives Bewertungskriterium für Leistung und Gegenleistung relevant wird (SPÖRRI, a.a.O., S. 205; MÜLLER, a.a.O., S. 64), wäre sie ohnehin zu beachten, da das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nicht abstrakt, sondern anhand der konkreten Umstände zu beurteilen ist (DÜRR, a.a.O., S. 91). Dem Kriterium der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft kommt vielmehr Bedeutung zu für das Ermessen, das den Gesellschaften zugebilligt wird (vgl. E. 8.2 hiervor). Es fällt in die wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit der Gesellschaften, ob sie günstigere oder weniger günstige Varianten bevorzugen oder sich gegenüber ihren Geschäftspartnern grosszügig oder kleinlich zeigen. In dieses Ermessen wollte der Gesetzgeber nicht eingreifen. Sanktioniert wird sowohl bei finanzstarken als auch bei finanzschwachen Gesellschaften nur die Überschreitung des Ermessens. Der Ermessensspielraum ist bei wirtschaftlich guten Verhältnissen aber grösser. Die grosszügige Abgeltung einer Leistung kann bei einer finanzstarken Gesellschaft noch in deren Ermessensspielraum liegen, während darin kein zulässiger Ermessensentscheid, sondern eine unzulässige verdeckte Gewinnausschüttung zu sehen ist, wenn die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft die gewählte grosszügige Abgeltung offensichtlich nicht zulässt (vgl. BÖCKLI, a.a.O., S. 1528 f. § 12 Rz. 556 f.; MONTAVON UND ANDERE, a.a.O., S. 108 f.). 9.3.2 Nachdem die Vorinstanz davon ausgehen konnte, es bestehe ein offensichtliches Missverhältnis zur Gegenleistung, könnte das Kriterium der "wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft" nur von Bedeutung sein, wenn diese Lage so gut wäre, dass sich die Höhe der Abgeltung trotz des Missverhältnisses zur Gegenleistung mit Blick auf die gute Finanzlage der Gesellschaft unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten rechtfertigen lässt und damit kein Anlass besteht, in das Ermessen der Gesellschaft, die sich grosszügig zeigt, BGE 140 III 602 S. 609 einzugreifen. Dies wäre aber von den Beschwerdeführern geltend zu machen gewesen. 10. Die Vorinstanz nahm an, der böse Glaube der Empfänger sei eine weitere Voraussetzung von Art. 678 Abs. 2 OR und er werde im Fall eines offensichtlichen Missverhältnisses vermutet; die Beschwerdeführer hätten sodann nicht bewiesen, dass sie guten Glaubens waren. 10.1 Wenngleich im Gegensatz zu Abs. 1 nicht ausdrücklich erwähnt, setzt die Rückerstattungspflicht voraus, dass der Empfänger nicht gutgläubig ist (a.A. DÜRR, a.a.O., S. 103). Am guten Glauben des Empfängers wird es aber regelmässig fehlen, wenn die übrigen Voraussetzungen gegeben sind (Botschaft, BBl 1983 II 897 Ziff. 326 zu Art. 678 E-OR; ROLF WATTER, Verdeckte Gewinnausschüttungen bei Aktiengesellschaften, in: Verdeckte Gewinnausschüttungen, Neuhaus und andere [Hrsg.], 1997, S. 137 ff., S. 153). In der Lehre wird diesbezüglich einerseits angenommen, bei einem offensichtlichen Missverhältnis sei der böse Glaube zu vermuten; die Begünstigten müssten den Gegenbeweis des guten Glaubens erbringen (BÖCKLI, a.a.O., S. 1528 § 12 Rz. 554; MÜLLER, a.a.O., S. 63). Nach anderer Auffassung ist der gute Glaube zu vermuten ( Art. 3 Abs. 1 ZGB ), wobei bei fiktiven Geschäften regelmässig böser Glaube vorliege (KURER/KURER, a.a.O., N. 27 f. zu Art. 678 OR ; vgl. auch SPÖRRI, a.a.O., S. 222). Die Frage kann offenbleiben. Auch wenn man der Auffassung von KURER/KURER folgen würde, fehlten bei einem offensichtlichen Missverhältnis die Voraussetzungen, dass sich der Begünstigte gemäss Art. 3 Abs. 2 ZGB auf den guten Glauben berufen könnte (FORSTMOSER/MAIER-HAYOZ/NOBEL, Schweizerisches Aktienrecht, 1996, S. 661 § 50 Rz. 122; vgl. CH. SCHMID, in: Personengesellschaften und Aktiengesellschaft, Roberto/Trüeb [Hrsg.], 2. Aufl. 2012, N. 7 zu Art. 678 OR ; SPÖRRI, a.a.O., S. 217). 10.2 Die Beschwerdeführer halten der Vorinstanz entgegen, sie habe die von ihnen offerierten Beweismittel nicht gewürdigt, aus denen sich ihr guter Glaube ergeben hätte. Sie legen aber nicht dar, wo im vorinstanzlichen Verfahren sie welche von der Vorinstanz nicht gewürdigten Umstände und Beweismittel vorgebracht hätten. Konkret berufen sie sich nur darauf, dass die Entschädigung mit nur 1 % weit unter dem Marktwert gelegen habe, sowie auf Art. 3.5.5 der Statuten, der ihnen erlaubt habe, die Entschädigung selber festzulegen. Damit dringen sie nicht durch. Denn würde dem gefolgt, würde das bedeuten, dass ein Verwaltungsrat, der seine eigene Entschädigung BGE 140 III 602 S. 610 gemäss Statuten festlegen kann, definitionsgemäss immer gutgläubig wäre, unabhängig wie übersetzt die getätigten Bezüge waren. Ist nicht von Gutgläubigkeit auszugehen, stellt sich die Frage der (gutgläubigen) Entreicherung von vornherein nicht. Die diesbezüglichen Rügen der Beschwerdeführer, namentlich der Vorwurf einer willkürlichen Feststellung des Sachverhalts, stossen ins Leere.
Urteilskopf
89. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. und B. gegen C. AG (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_195/2014 / 4A_197/2014 vom 27. November 2014
Regeste Rückerstattung von an Mitglieder des Verwaltungsrates ausgerichteten Leistungen, soweit diese in einem offensichtlichen Missverhältnis zur Gegenleistung und zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft stehen ( Art. 678 Abs. 2 OR ). Offensichtliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (E. 4 und 8). Bedeutung des offensichtlichen Missverhältnisses zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft (E. 9) und des bösen Glaubens der Empfänger (E. 10).
Regeste
Rückerstattung von an Mitglieder des Verwaltungsrates ausgerichteten Leistungen, soweit diese in einem offensichtlichen Missverhältnis zur Gegenleistung und zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft stehen ( Art. 678 Abs. 2 OR ). Offensichtliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (E. 4 und 8). Bedeutung des offensichtlichen Missverhältnisses zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft (E. 9) und des bösen Glaubens der Empfänger (E. 10).
Art. 678 Abs. 2 OR Offensichtliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (E. 4 und 8).
Bedeutung des offensichtlichen Missverhältnisses zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft (E. 9) und des bösen Glaubens der Empfänger (E. 10).
Sachverhalt ab Seite 602
Sachverhalt ab Seite 602 BGE 140 III 602 S. 602
BGE 140 III 602 S. 602
Die C. AG (Klägerin, Beschwerdegegnerin) war Aktionärin der D. SA. Der Verwaltungsrat der Klägerin bestand aus A. (Beklagter 1, Beschwerdeführer 1) als Präsident und B. (Beklagte 2, Beschwerdeführerin 2) als Vizepräsidentin. Am 15. Oktober 2009 sprachen die Beklagten im Rahmen einer Verwaltungsratssitzung über einen allfälligen Verkauf der Aktien der D. SA. Sie fassten einen Beschluss über die Verwendung der aus dem geplanten Verkauf resultierenden Mittel. Dieser sah unter anderem vor, jeweils 1 % des definitiven Verkaufspreises als Prämie für den erfolgreichen Abschluss an die BGE 140 III 602 S. 603 Beklagten zu überweisen, falls der Verkaufspreis über 4 Mio. Fr. betragen sollte. Da das Aktienpaket zu einem Preis von 4,4 Mio. Fr. verkauft wurde, erhielten beide Beklagte zusätzlich zum gewöhnlichen Entgelt für ihre Tätigkeit je Fr. 44'000.- ausbezahlt. Die Klägerin verlangt diese Beträge zurück. Das Obergericht des Kantons Solothurn hat die Beklagten je zur Rückzahlung der Fr. 44'000.- nebst Zins verpflichtet.
BGE 140 III 602 S. 603
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
4. Das Obligationenrecht sieht eine Entschädigung von Verwaltungsräten nur in Form von Tantiemen vor, d.h. als formelle Gewinnentnahme ( Art. 677 OR ). Es ist aber unbestritten, dass gestützt auf ein entsprechendes Schuldverhältnis zwischen Aktiengesellschaft und Verwaltungsrat auch feste Entschädigungen zulasten der Erfolgsrechnung ausgerichtet werden dürfen. Rechtsgrundlage ist entweder eine Statutenbestimmung, welche die Bemessung und Ausrichtung einer Entschädigung der Generalversammlung oder dem Verwaltungsrat zuweist, oder in besonderen Fällen ein Arbeitsvertrag oder Auftrag. Darüber hinaus ist es denkbar, dass im Einzelfall für besondere Aufgaben, beispielsweise als Rechtsanwalt, als Werbeberater, als Architekt oder als Versicherungsagent (Beispiele bei ROLAND MÜLLER, Honorierung von Verwaltungsräten aus rechtlicher Sicht, ZBJV 147/2011 S. 113 ff., S. 124) spezielle Verträge bestehen, die separat abgerechnet werden. Gemäss dem seit 1. Januar 2008 geltenden Art. 718b OR müssen Verträge zwischen der Gesellschaft und ihrem Vertreter schriftlich abgeschlossen werden, wenn die Verpflichtung der Gesellschaft Fr. 1'000.- übersteigt.
4. Art. 677 OR Art. 718b OR Mitglieder des Verwaltungsrates sind nach Art. 678 Abs. 2 OR zur Rückerstattung "anderer Leistungen" - das heisst nicht formaler Gewinnausschüttungen gemäss Art. 678 Abs. 1 OR - verpflichtet, "soweit diese in einem offensichtlichen Missverhältnis zur Gegenleistung und zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft stehen". Damit zielt Art. 678 Abs. 2 OR auf verdeckte Gewinnausschüttungen an Aktionäre, Mitglieder des Verwaltungsrates und diesen nahestehende Personen (vgl. Botschaft vom 23. Februar 1983 über die Revision des Aktienrechts, BBl 1983 II 897 Ziff. 326 zu Art. 678 Abs. 2 E-OR).
Art. 678 Abs. 2 OR Art. 678 Abs. 1 OR Art. 678 Abs. 2 OR (...) BGE 140 III 602 S. 604
BGE 140 III 602 S. 604
8.
8. 8.1 Die Vorinstanz erachtete das für die Anwendbarkeit von Art. 678 Abs. 2 OR erforderliche Missverhältnis zwischen der Leistung der Beschwerdeführer und der Gegenleistung der Gesellschaft für ausgewiesen.
8.1 Art. 678 Abs. 2 OR 8.1.1 Angesichts der Tatsache, dass seitens der bisherigen Aktionäre der D. SA seit längerem Kaufinteresse bestand und die Aktien schliesslich an vorhandene Aktionäre gingen sowie dass als tatsächlicher Aufwand lediglich 22 zum Teil sehr kurze E-Mails, ein Telefonat und eine Besprechung am 12. Oktober 2009 in Genf ausgewiesen seien, schloss die Vorinstanz, der tatsächliche Aufwand der Beschwerdeführer sei gering gewesen. Die Vorbringen der Beschwerdeführer genügen nicht, um diesen Schluss als offensichtlich unhaltbar oder sonst rechtsfehlerhaft auszuweisen.
8.1.1 8.1.2 Die Gegenleistung im Sinn von Art. 678 Abs. 2 OR kann aber nicht nur in entstandenem Aufwand bestehen, sondern auch in einem für die Gesellschaft erzielten Erfolg, wie die Beschwerdeführer zu Recht geltend machen. Kann mit der Vorinstanz davon ausgegangen werden, dass in den Personen grösserer Aktionäre mehrere Kaufinteressenten bereits vorhanden waren, bestand indessen eine gute Verhandlungssituation. Selbst wenn die Ausführungen der Beschwerdeführer, der Verkaufspreis sei weit über dem damaligen Börsenkurs gelegen, zutreffen sollten, liesse sich unter diesen Umständen noch keine wesentliche Leistung der Beschwerdeführer begründen.
8.1.2 Art. 678 Abs. 2 OR 8.1.3 Als weiterer Gesichtspunkt ist zu berücksichtigen, ob die Beschwerdeführer den Aktienverkauf im Rahmen ihrer Aufgaben als Verwaltungsräte oder aber ausserhalb dieses Rahmens getätigt haben. Wie die Beschwerdeführer unter Hinweis auf Art. 1.2 der Statuten selbst geltend machen, ist der Gesellschaftszweck die "Anlage von Kapitalien und die Verwaltung von Vermögenswerten". Die Vorinstanz durfte somit entgegen den Beschwerdeführern ohne Weiteres davon ausgehen, dass der Verkauf und Kauf von Beteiligungen zur üblichen Verwaltungsratstätigkeit gehörte. Gegen ein Missverhältnis im Sinn von Art. 678 Abs. 2 OR könnte in diesem Zusammenhang sprechen, wenn der Verkauf der Aktien der D. SA ein im Vergleich zu früheren Verkäufen bzw. Käufen von Beteiligungen aussergewöhnliches Geschäft gewesen wäre. Die Beschwerdeführer gehen selbst von diesem Gesichtspunkt aus, wenn sie geltend machen, es habe sich um einen "Bonus für besondere Leistungen" gehandelt. BGE 140 III 602 S. 605 Nachdem die Vorinstanz davon gestützt auf den Gesellschaftszweck nicht ausgehen musste, wäre es an den Beschwerdeführern gelegen, im Rahmen des ihnen offenstehenden Gegenbeweises die konkreten Umstände zu behaupten und gegebenenfalls zu substanziieren, die beim Gericht Zweifel an der Richtigkeit der Gegenstand des Hauptbeweises bildenden Sachbehauptung hätten wachhalten und diesen dadurch hätten vereiteln können ( BGE 130 III 321 E. 3.4 S. 326; BGE 115 II 305 ; je mit Hinweisen). Das angefochtene Urteil enthält dazu keine tatsächlichen Feststellungen und die Beschwerdeführer rügen nicht rechtsgenüglich eine unvollständige Feststellung des Sachverhalts. Mangels solcher Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass mit den bezahlten fixen Entschädigungen ihre Tätigkeit im Rahmen des Gesellschaftszwecks abgedeckt war. Ob diese Entschädigungen objektiv angemessen bzw. - wie die Vorinstanz annahm - "grosszügig" war, ist daher nicht entscheiderheblich, ebenso wenig die Höhe der Entschädigung des Nachfolgers, dessen konkrete Aufgaben ohnehin nicht bekannt sind. Auf die diesbezüglichen Rügen ist daher nicht weiter einzugehen.
8.1.3 Art. 678 Abs. 2 OR BGE 140 III 602 S. 605
8.1.4 Unbehelflich ist schliesslich der grundsätzliche Einwand der Beschwerdeführer, die Vorinstanz habe ausser Acht gelassen, dass die Erfolgsaussichten des Verwaltungsrats wegen der bei diesem vorhandenen "Vorkenntnissen und Beziehungen" grösser war als bei einem externen Mäkler und ein solcher aber möglicherweise eine höhere Entschädigung gefordert hätte. Sie verkennen, dass es gerade zu ihren Pflichten als Verwaltungsräte gehörte, ihre in dieser Funktion gewonnenen "Vorkenntnisse und Beziehungen" bei der Verfolgung des Gesellschaftszwecks einzusetzen.
8.1.4 8.1.5 Damit ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz von einem Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ausging.
8.1.5 8.2 Nach Art. 678 Abs. 2 OR muss das Missverhältnis zur Gegenleistung der Gesellschaft (wie auch zu deren wirtschaftlichen Lage) offensichtlich sein. Das Missverhältnis ist offensichtlich, wenn es jedermann, der gerecht und billig denkt und die konkreten Verhältnisse vernünftig beurteilt, in die Augen fällt (BEAT SPÖRRI, Die aktienrechtliche Rückerstattungspflicht, 1996, S. 185 f.; vgl. auch THOMAS FRIEDRICH MÜLLER, Der Schutz der Aktiengesellschaft vor unzulässigen Kapitalentnahmen, 1997, S. 63), weil es einer vernünftigen wirtschaftlichen Begründung entbehrt (SPÖRRI, a.a.O., S. 185; KURER/KURER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. II, 4. Aufl. BGE 140 III 602 S. 606 2012, N. 17 zu Art. 678 OR mit Hinweisen). Durch diese Voraussetzung wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass den Gesellschaften die Ausübung des geschäftsmässigen Ermessens überlassen bleibt (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4A_188/2007 vom 13. September 2007 E. 4.3.4; KURER/KURER, a.a.O., N. 17 zu Art. 678 OR ; ANDREAS BINDER, Die aktienrechtliche Rückerstattung ungerechtfertigter Leistungen, Schweizerische Zeitschrift für Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht sowie Umstrukturierungen [GesKR] Sondernummer 2008, S. 66 ff., S. 69). Nachdem die Vorinstanz aber davon ausgehen durfte, der Verkauf und Kauf von Beteiligungen gehöre zu der üblichen Verwaltungsratstätigkeit, die ausserhalb der geleisteten Zahlung bereits im üblichen Mass entlohnt wurde, kann von einem unzulässigen Eingriff in das Ermessen der Gesellschaft keine Rede sein. Zusammenfassend ist es im Ergebnis nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz von einem offensichtlichen Missverhältnis zwischen den Beträgen von je Fr. 44'000.- und der von den Beschwerdeführern erbrachten Gegenleistung ausging.
8.2 Art. 678 Abs. 2 OR BGE 140 III 602 S. 606
Art. 678 OR Art. 678 OR 9. Art. 678 Abs. 2 OR erwähnt als weitere Voraussetzung das offensichtliche Missverhältnis zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft.
9. Art. 678 Abs. 2 OR 9.1 Die Vorinstanz führte in diesem Zusammenhang aus, die schlechte wirtschaftliche Lage ergebe sich aus dem Geschäftsbericht 2008, aus dem ein Reinverlust für das Geschäftsjahr 2008 von Fr. 3'838'701.28 und mit Verlust aus dem Vorjahr von Fr. 2'212'219.38 ein Verlustvortrag auf neue Rechnung von Fr. 6'050'920.66 hervorgehe. Wenn die Alleinaktionärin die Beschwerdegegnerin nicht immer wieder mit Darlehen versorgt hätte, hätte längst der Konkursrichter benachrichtigt werden müssen. Die Beschwerdeführer wenden ein, diese Zahlen seien von keiner Partei behauptet worden, und machen erneut eine Verletzung von Art. 55 ZPO geltend. Sie bestreiten aber auch hier nicht, dass die von der Vorinstanz zugrunde gelegten Zahlen zutreffen.
9.1 Art. 55 ZPO 9.2 In der Lehre wird darauf hingewiesen, dass das Kriterium der wirtschaftlichen Lage keinen Sinn macht, wenn es als eigenständiges Kriterium verstanden wird (SPÖRRI, a.a.O., S. 200; ROGER DÜRR, Die Rückerstattungsklage nach Art. 678 Abs. 2 OR im System der unrechtmässigen Vermögensverlagerungen, 2005, S. 92; je mit Hinweisen). Es würde bedeuten, dass in einer Gesellschaft mit sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen eine offensichtliche Begünstigung einzelner Verwaltungsräte zulasten des Gesellschaftsvermögens BGE 140 III 602 S. 607 rechtlich unbedenklich wäre (BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, 4. Aufl. 2009, S. 1528 f. § 12 Rz. 556; DÜRR, a.a.O., S. 92; BINDER, a.a.O., S. 67 f.; MÜLLER, a.a.O., S. 64), was den vom Gesetzgeber mit Art. 678 OR verfolgten Zielen widersprechen würde (SPÖRRI, a.a.O., S. 201 ff.). Die Klausel der "wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft" müsse vielmehr im Sinnzusammenhang des Gesetzes so verstanden werden, dass die Frage des offensichtlichen Missverhältnisses unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft zu beurteilen sei (BÖCKLI, a.a.O., S. 1529 § 12 Rz. 557; KURER/KURER, a.a.O., N. 16 zu Art. 678 OR ; MÜLLER, a.a.O., S. 64; SPÖRRI, a.a.O., S. 203 f. mit Hinweisen). Darüber, wie dies zu geschehen hat, gehen die Meinungen auseinander (SPÖRRI, a.a.O., S. 203 f. mit Hinweisen).
9.2 Art. 678 Abs. 2 OR BGE 140 III 602 S. 607
Art. 678 OR Art. 678 OR Ein Teil der Lehre vertritt die Auffassung, die Formel sei so zu verstehen, dass die Offensichtlichkeit umso eher anzunehmen sei, je schlechter die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft ist (BÖCKLI, a.a.O., S. 1529 § 12 Rz. 557), beziehungsweise dass sich eine finanzstärkere Gesellschaft grosszügiger zeigen kann als eine finanzschwache, was bei der Beurteilung, ob ein Missverhältnis zur Gegenleistung gegeben ist, berücksichtigt werden könne (vgl. PASCAL MONTAVON UND ANDERE, Droit et pratique de la société anonyme, Bd. I, 1994, S. 108 f.).
Andere verlangen eine spürbare Auswirkung im Sinn einer Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft (KURER/KURER, a.a.O., N. 16 zu Art. 678 OR ).
Art. 678 OR Es wird auch die Meinung vertreten, die wirtschaftliche Situation sei nur zu berücksichtigen, wenn sie als Bewertungskriterium für Leistung und Gegenleistung relevant sei, beispielsweise als Rechtfertigung eines geringen Verkaufspreises bei einem Notverkauf der Gesellschaft oder eines höheren Darlehenszinses gegenüber einer finanzschwachen Gesellschaft (MÜLLER, a.a.O., S. 64; SPÖRRI, a.a.O., S. 205; DÜRR, a.a.O., S. 90 ff. und 102).
9.3 Diese Überlegungen sind grundsätzlich zutreffend. Auch bei guten wirtschaftlichen Verhältnissen steht Art. 678 Abs. 2 OR einer offensichtlichen Begünstigung einzelner Verwaltungsräte zulasten des Gesellschaftsvermögens entgegen. Durch die beiden Kriterien des Missverhältnisses zur Gegenleistung und zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft sowie durch die im Gesetz verlangte Offensichtlichkeit der Missverhältnisse wird vermögenden Gesellschaften kein Freipass für verdeckte Gewinnausschüttungen ausgestellt. Es soll lediglich eine kleinliche Nachrechnerei verhindert und die BGE 140 III 602 S. 608 Entscheidung im Einzelfall erleichtert werden (vgl. Botschaft, BBl 1983 II 897 Ziff. 326 zu Art. 678 E-OR).
9.3 Art. 678 Abs. 2 OR BGE 140 III 602 S. 608
9.3.1 Vor diesem Hintergrund erweist sich das Kriterium der Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft (KURER/KURER, a.a.O., N. 16 zu Art. 678 OR ) als zu unscharf, da eine finanzstarke Gesellschaft kleinere verdeckte Gewinnausschüttungen verkraften könnte, ohne dass ihre wirtschaftliche Lage dadurch merklich beeinträchtigt wird. Soweit dagegen die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft (wie bei der Höhe des Darlehenszinses oder des Verkaufspreises bei einem Notverkauf) als objektives Bewertungskriterium für Leistung und Gegenleistung relevant wird (SPÖRRI, a.a.O., S. 205; MÜLLER, a.a.O., S. 64), wäre sie ohnehin zu beachten, da das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nicht abstrakt, sondern anhand der konkreten Umstände zu beurteilen ist (DÜRR, a.a.O., S. 91). Dem Kriterium der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft kommt vielmehr Bedeutung zu für das Ermessen, das den Gesellschaften zugebilligt wird (vgl. E. 8.2 hiervor). Es fällt in die wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit der Gesellschaften, ob sie günstigere oder weniger günstige Varianten bevorzugen oder sich gegenüber ihren Geschäftspartnern grosszügig oder kleinlich zeigen. In dieses Ermessen wollte der Gesetzgeber nicht eingreifen. Sanktioniert wird sowohl bei finanzstarken als auch bei finanzschwachen Gesellschaften nur die Überschreitung des Ermessens. Der Ermessensspielraum ist bei wirtschaftlich guten Verhältnissen aber grösser. Die grosszügige Abgeltung einer Leistung kann bei einer finanzstarken Gesellschaft noch in deren Ermessensspielraum liegen, während darin kein zulässiger Ermessensentscheid, sondern eine unzulässige verdeckte Gewinnausschüttung zu sehen ist, wenn die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft die gewählte grosszügige Abgeltung offensichtlich nicht zulässt (vgl. BÖCKLI, a.a.O., S. 1528 f. § 12 Rz. 556 f.; MONTAVON UND ANDERE, a.a.O., S. 108 f.).
9.3.1 Art. 678 OR 9.3.2 Nachdem die Vorinstanz davon ausgehen konnte, es bestehe ein offensichtliches Missverhältnis zur Gegenleistung, könnte das Kriterium der "wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft" nur von Bedeutung sein, wenn diese Lage so gut wäre, dass sich die Höhe der Abgeltung trotz des Missverhältnisses zur Gegenleistung mit Blick auf die gute Finanzlage der Gesellschaft unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten rechtfertigen lässt und damit kein Anlass besteht, in das Ermessen der Gesellschaft, die sich grosszügig zeigt, BGE 140 III 602 S. 609 einzugreifen. Dies wäre aber von den Beschwerdeführern geltend zu machen gewesen.
9.3.2 BGE 140 III 602 S. 609
10. Die Vorinstanz nahm an, der böse Glaube der Empfänger sei eine weitere Voraussetzung von Art. 678 Abs. 2 OR und er werde im Fall eines offensichtlichen Missverhältnisses vermutet; die Beschwerdeführer hätten sodann nicht bewiesen, dass sie guten Glaubens waren.
10. Art. 678 Abs. 2 OR 10.1 Wenngleich im Gegensatz zu Abs. 1 nicht ausdrücklich erwähnt, setzt die Rückerstattungspflicht voraus, dass der Empfänger nicht gutgläubig ist (a.A. DÜRR, a.a.O., S. 103). Am guten Glauben des Empfängers wird es aber regelmässig fehlen, wenn die übrigen Voraussetzungen gegeben sind (Botschaft, BBl 1983 II 897 Ziff. 326 zu Art. 678 E-OR; ROLF WATTER, Verdeckte Gewinnausschüttungen bei Aktiengesellschaften, in: Verdeckte Gewinnausschüttungen, Neuhaus und andere [Hrsg.], 1997, S. 137 ff., S. 153). In der Lehre wird diesbezüglich einerseits angenommen, bei einem offensichtlichen Missverhältnis sei der böse Glaube zu vermuten; die Begünstigten müssten den Gegenbeweis des guten Glaubens erbringen (BÖCKLI, a.a.O., S. 1528 § 12 Rz. 554; MÜLLER, a.a.O., S. 63). Nach anderer Auffassung ist der gute Glaube zu vermuten ( Art. 3 Abs. 1 ZGB ), wobei bei fiktiven Geschäften regelmässig böser Glaube vorliege (KURER/KURER, a.a.O., N. 27 f. zu Art. 678 OR ; vgl. auch SPÖRRI, a.a.O., S. 222). Die Frage kann offenbleiben. Auch wenn man der Auffassung von KURER/KURER folgen würde, fehlten bei einem offensichtlichen Missverhältnis die Voraussetzungen, dass sich der Begünstigte gemäss Art. 3 Abs. 2 ZGB auf den guten Glauben berufen könnte (FORSTMOSER/MAIER-HAYOZ/NOBEL, Schweizerisches Aktienrecht, 1996, S. 661 § 50 Rz. 122; vgl. CH. SCHMID, in: Personengesellschaften und Aktiengesellschaft, Roberto/Trüeb [Hrsg.], 2. Aufl. 2012, N. 7 zu Art. 678 OR ; SPÖRRI, a.a.O., S. 217).
10.1 Art. 3 Abs. 1 ZGB Art. 678 OR Art. 3 Abs. 2 ZGB Art. 678 OR 10.2 Die Beschwerdeführer halten der Vorinstanz entgegen, sie habe die von ihnen offerierten Beweismittel nicht gewürdigt, aus denen sich ihr guter Glaube ergeben hätte. Sie legen aber nicht dar, wo im vorinstanzlichen Verfahren sie welche von der Vorinstanz nicht gewürdigten Umstände und Beweismittel vorgebracht hätten. Konkret berufen sie sich nur darauf, dass die Entschädigung mit nur 1 % weit unter dem Marktwert gelegen habe, sowie auf Art. 3.5.5 der Statuten, der ihnen erlaubt habe, die Entschädigung selber festzulegen. Damit dringen sie nicht durch. Denn würde dem gefolgt, würde das bedeuten, dass ein Verwaltungsrat, der seine eigene Entschädigung BGE 140 III 602 S. 610
10.2 BGE 140 III 602 S. 610
gemäss Statuten festlegen kann, definitionsgemäss immer gutgläubig wäre, unabhängig wie übersetzt die getätigten Bezüge waren. Ist nicht von Gutgläubigkeit auszugehen, stellt sich die Frage der (gutgläubigen) Entreicherung von vornherein nicht. Die diesbezüglichen Rügen der Beschwerdeführer, namentlich der Vorwurf einer willkürlichen Feststellung des Sachverhalts, stossen ins Leere.
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Urteilskopf 140 III 602 89. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. und B. gegen C. AG (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_195/2014 / 4A_197/2014 vom 27. November 2014 Regeste Rückerstattung von an Mitglieder des Verwaltungsrates ausgerichteten Leistungen, soweit diese in einem offensichtlichen Missverhältnis zur Gegenleistung und zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft stehen ( Art. 678 Abs. 2 OR ). Offensichtliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (E. 4 und 8). Bedeutung des offensichtlichen Missverhältnisses zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft (E. 9) und des bösen Glaubens der Empfänger (E. 10). Sachverhalt ab Seite 602 BGE 140 III 602 S. 602 Die C. AG (Klägerin, Beschwerdegegnerin) war Aktionärin der D. SA. Der Verwaltungsrat der Klägerin bestand aus A. (Beklagter 1, Beschwerdeführer 1) als Präsident und B. (Beklagte 2, Beschwerdeführerin 2) als Vizepräsidentin. Am 15. Oktober 2009 sprachen die Beklagten im Rahmen einer Verwaltungsratssitzung über einen allfälligen Verkauf der Aktien der D. SA. Sie fassten einen Beschluss über die Verwendung der aus dem geplanten Verkauf resultierenden Mittel. Dieser sah unter anderem vor, jeweils 1 % des definitiven Verkaufspreises als Prämie für den erfolgreichen Abschluss an die BGE 140 III 602 S. 603 Beklagten zu überweisen, falls der Verkaufspreis über 4 Mio. Fr. betragen sollte. Da das Aktienpaket zu einem Preis von 4,4 Mio. Fr. verkauft wurde, erhielten beide Beklagte zusätzlich zum gewöhnlichen Entgelt für ihre Tätigkeit je Fr. 44'000.- ausbezahlt. Die Klägerin verlangt diese Beträge zurück. Das Obergericht des Kantons Solothurn hat die Beklagten je zur Rückzahlung der Fr. 44'000.- nebst Zins verpflichtet. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Das Obligationenrecht sieht eine Entschädigung von Verwaltungsräten nur in Form von Tantiemen vor, d.h. als formelle Gewinnentnahme ( Art. 677 OR ). Es ist aber unbestritten, dass gestützt auf ein entsprechendes Schuldverhältnis zwischen Aktiengesellschaft und Verwaltungsrat auch feste Entschädigungen zulasten der Erfolgsrechnung ausgerichtet werden dürfen. Rechtsgrundlage ist entweder eine Statutenbestimmung, welche die Bemessung und Ausrichtung einer Entschädigung der Generalversammlung oder dem Verwaltungsrat zuweist, oder in besonderen Fällen ein Arbeitsvertrag oder Auftrag. Darüber hinaus ist es denkbar, dass im Einzelfall für besondere Aufgaben, beispielsweise als Rechtsanwalt, als Werbeberater, als Architekt oder als Versicherungsagent (Beispiele bei ROLAND MÜLLER, Honorierung von Verwaltungsräten aus rechtlicher Sicht, ZBJV 147/2011 S. 113 ff., S. 124) spezielle Verträge bestehen, die separat abgerechnet werden. Gemäss dem seit 1. Januar 2008 geltenden Art. 718b OR müssen Verträge zwischen der Gesellschaft und ihrem Vertreter schriftlich abgeschlossen werden, wenn die Verpflichtung der Gesellschaft Fr. 1'000.- übersteigt. Mitglieder des Verwaltungsrates sind nach Art. 678 Abs. 2 OR zur Rückerstattung "anderer Leistungen" - das heisst nicht formaler Gewinnausschüttungen gemäss Art. 678 Abs. 1 OR - verpflichtet, "soweit diese in einem offensichtlichen Missverhältnis zur Gegenleistung und zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft stehen". Damit zielt Art. 678 Abs. 2 OR auf verdeckte Gewinnausschüttungen an Aktionäre, Mitglieder des Verwaltungsrates und diesen nahestehende Personen (vgl. Botschaft vom 23. Februar 1983 über die Revision des Aktienrechts, BBl 1983 II 897 Ziff. 326 zu Art. 678 Abs. 2 E-OR). (...) BGE 140 III 602 S. 604 8. 8.1 Die Vorinstanz erachtete das für die Anwendbarkeit von Art. 678 Abs. 2 OR erforderliche Missverhältnis zwischen der Leistung der Beschwerdeführer und der Gegenleistung der Gesellschaft für ausgewiesen. 8.1.1 Angesichts der Tatsache, dass seitens der bisherigen Aktionäre der D. SA seit längerem Kaufinteresse bestand und die Aktien schliesslich an vorhandene Aktionäre gingen sowie dass als tatsächlicher Aufwand lediglich 22 zum Teil sehr kurze E-Mails, ein Telefonat und eine Besprechung am 12. Oktober 2009 in Genf ausgewiesen seien, schloss die Vorinstanz, der tatsächliche Aufwand der Beschwerdeführer sei gering gewesen. Die Vorbringen der Beschwerdeführer genügen nicht, um diesen Schluss als offensichtlich unhaltbar oder sonst rechtsfehlerhaft auszuweisen. 8.1.2 Die Gegenleistung im Sinn von Art. 678 Abs. 2 OR kann aber nicht nur in entstandenem Aufwand bestehen, sondern auch in einem für die Gesellschaft erzielten Erfolg, wie die Beschwerdeführer zu Recht geltend machen. Kann mit der Vorinstanz davon ausgegangen werden, dass in den Personen grösserer Aktionäre mehrere Kaufinteressenten bereits vorhanden waren, bestand indessen eine gute Verhandlungssituation. Selbst wenn die Ausführungen der Beschwerdeführer, der Verkaufspreis sei weit über dem damaligen Börsenkurs gelegen, zutreffen sollten, liesse sich unter diesen Umständen noch keine wesentliche Leistung der Beschwerdeführer begründen. 8.1.3 Als weiterer Gesichtspunkt ist zu berücksichtigen, ob die Beschwerdeführer den Aktienverkauf im Rahmen ihrer Aufgaben als Verwaltungsräte oder aber ausserhalb dieses Rahmens getätigt haben. Wie die Beschwerdeführer unter Hinweis auf Art. 1.2 der Statuten selbst geltend machen, ist der Gesellschaftszweck die "Anlage von Kapitalien und die Verwaltung von Vermögenswerten". Die Vorinstanz durfte somit entgegen den Beschwerdeführern ohne Weiteres davon ausgehen, dass der Verkauf und Kauf von Beteiligungen zur üblichen Verwaltungsratstätigkeit gehörte. Gegen ein Missverhältnis im Sinn von Art. 678 Abs. 2 OR könnte in diesem Zusammenhang sprechen, wenn der Verkauf der Aktien der D. SA ein im Vergleich zu früheren Verkäufen bzw. Käufen von Beteiligungen aussergewöhnliches Geschäft gewesen wäre. Die Beschwerdeführer gehen selbst von diesem Gesichtspunkt aus, wenn sie geltend machen, es habe sich um einen "Bonus für besondere Leistungen" gehandelt. BGE 140 III 602 S. 605 Nachdem die Vorinstanz davon gestützt auf den Gesellschaftszweck nicht ausgehen musste, wäre es an den Beschwerdeführern gelegen, im Rahmen des ihnen offenstehenden Gegenbeweises die konkreten Umstände zu behaupten und gegebenenfalls zu substanziieren, die beim Gericht Zweifel an der Richtigkeit der Gegenstand des Hauptbeweises bildenden Sachbehauptung hätten wachhalten und diesen dadurch hätten vereiteln können ( BGE 130 III 321 E. 3.4 S. 326; BGE 115 II 305 ; je mit Hinweisen). Das angefochtene Urteil enthält dazu keine tatsächlichen Feststellungen und die Beschwerdeführer rügen nicht rechtsgenüglich eine unvollständige Feststellung des Sachverhalts. Mangels solcher Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass mit den bezahlten fixen Entschädigungen ihre Tätigkeit im Rahmen des Gesellschaftszwecks abgedeckt war. Ob diese Entschädigungen objektiv angemessen bzw. - wie die Vorinstanz annahm - "grosszügig" war, ist daher nicht entscheiderheblich, ebenso wenig die Höhe der Entschädigung des Nachfolgers, dessen konkrete Aufgaben ohnehin nicht bekannt sind. Auf die diesbezüglichen Rügen ist daher nicht weiter einzugehen. 8.1.4 Unbehelflich ist schliesslich der grundsätzliche Einwand der Beschwerdeführer, die Vorinstanz habe ausser Acht gelassen, dass die Erfolgsaussichten des Verwaltungsrats wegen der bei diesem vorhandenen "Vorkenntnissen und Beziehungen" grösser war als bei einem externen Mäkler und ein solcher aber möglicherweise eine höhere Entschädigung gefordert hätte. Sie verkennen, dass es gerade zu ihren Pflichten als Verwaltungsräte gehörte, ihre in dieser Funktion gewonnenen "Vorkenntnisse und Beziehungen" bei der Verfolgung des Gesellschaftszwecks einzusetzen. 8.1.5 Damit ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz von einem Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ausging. 8.2 Nach Art. 678 Abs. 2 OR muss das Missverhältnis zur Gegenleistung der Gesellschaft (wie auch zu deren wirtschaftlichen Lage) offensichtlich sein. Das Missverhältnis ist offensichtlich, wenn es jedermann, der gerecht und billig denkt und die konkreten Verhältnisse vernünftig beurteilt, in die Augen fällt (BEAT SPÖRRI, Die aktienrechtliche Rückerstattungspflicht, 1996, S. 185 f.; vgl. auch THOMAS FRIEDRICH MÜLLER, Der Schutz der Aktiengesellschaft vor unzulässigen Kapitalentnahmen, 1997, S. 63), weil es einer vernünftigen wirtschaftlichen Begründung entbehrt (SPÖRRI, a.a.O., S. 185; KURER/KURER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. II, 4. Aufl. BGE 140 III 602 S. 606 2012, N. 17 zu Art. 678 OR mit Hinweisen). Durch diese Voraussetzung wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass den Gesellschaften die Ausübung des geschäftsmässigen Ermessens überlassen bleibt (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4A_188/2007 vom 13. September 2007 E. 4.3.4; KURER/KURER, a.a.O., N. 17 zu Art. 678 OR ; ANDREAS BINDER, Die aktienrechtliche Rückerstattung ungerechtfertigter Leistungen, Schweizerische Zeitschrift für Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht sowie Umstrukturierungen [GesKR] Sondernummer 2008, S. 66 ff., S. 69). Nachdem die Vorinstanz aber davon ausgehen durfte, der Verkauf und Kauf von Beteiligungen gehöre zu der üblichen Verwaltungsratstätigkeit, die ausserhalb der geleisteten Zahlung bereits im üblichen Mass entlohnt wurde, kann von einem unzulässigen Eingriff in das Ermessen der Gesellschaft keine Rede sein. Zusammenfassend ist es im Ergebnis nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz von einem offensichtlichen Missverhältnis zwischen den Beträgen von je Fr. 44'000.- und der von den Beschwerdeführern erbrachten Gegenleistung ausging. 9. Art. 678 Abs. 2 OR erwähnt als weitere Voraussetzung das offensichtliche Missverhältnis zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft. 9.1 Die Vorinstanz führte in diesem Zusammenhang aus, die schlechte wirtschaftliche Lage ergebe sich aus dem Geschäftsbericht 2008, aus dem ein Reinverlust für das Geschäftsjahr 2008 von Fr. 3'838'701.28 und mit Verlust aus dem Vorjahr von Fr. 2'212'219.38 ein Verlustvortrag auf neue Rechnung von Fr. 6'050'920.66 hervorgehe. Wenn die Alleinaktionärin die Beschwerdegegnerin nicht immer wieder mit Darlehen versorgt hätte, hätte längst der Konkursrichter benachrichtigt werden müssen. Die Beschwerdeführer wenden ein, diese Zahlen seien von keiner Partei behauptet worden, und machen erneut eine Verletzung von Art. 55 ZPO geltend. Sie bestreiten aber auch hier nicht, dass die von der Vorinstanz zugrunde gelegten Zahlen zutreffen. 9.2 In der Lehre wird darauf hingewiesen, dass das Kriterium der wirtschaftlichen Lage keinen Sinn macht, wenn es als eigenständiges Kriterium verstanden wird (SPÖRRI, a.a.O., S. 200; ROGER DÜRR, Die Rückerstattungsklage nach Art. 678 Abs. 2 OR im System der unrechtmässigen Vermögensverlagerungen, 2005, S. 92; je mit Hinweisen). Es würde bedeuten, dass in einer Gesellschaft mit sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen eine offensichtliche Begünstigung einzelner Verwaltungsräte zulasten des Gesellschaftsvermögens BGE 140 III 602 S. 607 rechtlich unbedenklich wäre (BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, 4. Aufl. 2009, S. 1528 f. § 12 Rz. 556; DÜRR, a.a.O., S. 92; BINDER, a.a.O., S. 67 f.; MÜLLER, a.a.O., S. 64), was den vom Gesetzgeber mit Art. 678 OR verfolgten Zielen widersprechen würde (SPÖRRI, a.a.O., S. 201 ff.). Die Klausel der "wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft" müsse vielmehr im Sinnzusammenhang des Gesetzes so verstanden werden, dass die Frage des offensichtlichen Missverhältnisses unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft zu beurteilen sei (BÖCKLI, a.a.O., S. 1529 § 12 Rz. 557; KURER/KURER, a.a.O., N. 16 zu Art. 678 OR ; MÜLLER, a.a.O., S. 64; SPÖRRI, a.a.O., S. 203 f. mit Hinweisen). Darüber, wie dies zu geschehen hat, gehen die Meinungen auseinander (SPÖRRI, a.a.O., S. 203 f. mit Hinweisen). Ein Teil der Lehre vertritt die Auffassung, die Formel sei so zu verstehen, dass die Offensichtlichkeit umso eher anzunehmen sei, je schlechter die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft ist (BÖCKLI, a.a.O., S. 1529 § 12 Rz. 557), beziehungsweise dass sich eine finanzstärkere Gesellschaft grosszügiger zeigen kann als eine finanzschwache, was bei der Beurteilung, ob ein Missverhältnis zur Gegenleistung gegeben ist, berücksichtigt werden könne (vgl. PASCAL MONTAVON UND ANDERE, Droit et pratique de la société anonyme, Bd. I, 1994, S. 108 f.). Andere verlangen eine spürbare Auswirkung im Sinn einer Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft (KURER/KURER, a.a.O., N. 16 zu Art. 678 OR ). Es wird auch die Meinung vertreten, die wirtschaftliche Situation sei nur zu berücksichtigen, wenn sie als Bewertungskriterium für Leistung und Gegenleistung relevant sei, beispielsweise als Rechtfertigung eines geringen Verkaufspreises bei einem Notverkauf der Gesellschaft oder eines höheren Darlehenszinses gegenüber einer finanzschwachen Gesellschaft (MÜLLER, a.a.O., S. 64; SPÖRRI, a.a.O., S. 205; DÜRR, a.a.O., S. 90 ff. und 102). 9.3 Diese Überlegungen sind grundsätzlich zutreffend. Auch bei guten wirtschaftlichen Verhältnissen steht Art. 678 Abs. 2 OR einer offensichtlichen Begünstigung einzelner Verwaltungsräte zulasten des Gesellschaftsvermögens entgegen. Durch die beiden Kriterien des Missverhältnisses zur Gegenleistung und zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft sowie durch die im Gesetz verlangte Offensichtlichkeit der Missverhältnisse wird vermögenden Gesellschaften kein Freipass für verdeckte Gewinnausschüttungen ausgestellt. Es soll lediglich eine kleinliche Nachrechnerei verhindert und die BGE 140 III 602 S. 608 Entscheidung im Einzelfall erleichtert werden (vgl. Botschaft, BBl 1983 II 897 Ziff. 326 zu Art. 678 E-OR). 9.3.1 Vor diesem Hintergrund erweist sich das Kriterium der Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft (KURER/KURER, a.a.O., N. 16 zu Art. 678 OR ) als zu unscharf, da eine finanzstarke Gesellschaft kleinere verdeckte Gewinnausschüttungen verkraften könnte, ohne dass ihre wirtschaftliche Lage dadurch merklich beeinträchtigt wird. Soweit dagegen die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft (wie bei der Höhe des Darlehenszinses oder des Verkaufspreises bei einem Notverkauf) als objektives Bewertungskriterium für Leistung und Gegenleistung relevant wird (SPÖRRI, a.a.O., S. 205; MÜLLER, a.a.O., S. 64), wäre sie ohnehin zu beachten, da das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nicht abstrakt, sondern anhand der konkreten Umstände zu beurteilen ist (DÜRR, a.a.O., S. 91). Dem Kriterium der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft kommt vielmehr Bedeutung zu für das Ermessen, das den Gesellschaften zugebilligt wird (vgl. E. 8.2 hiervor). Es fällt in die wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit der Gesellschaften, ob sie günstigere oder weniger günstige Varianten bevorzugen oder sich gegenüber ihren Geschäftspartnern grosszügig oder kleinlich zeigen. In dieses Ermessen wollte der Gesetzgeber nicht eingreifen. Sanktioniert wird sowohl bei finanzstarken als auch bei finanzschwachen Gesellschaften nur die Überschreitung des Ermessens. Der Ermessensspielraum ist bei wirtschaftlich guten Verhältnissen aber grösser. Die grosszügige Abgeltung einer Leistung kann bei einer finanzstarken Gesellschaft noch in deren Ermessensspielraum liegen, während darin kein zulässiger Ermessensentscheid, sondern eine unzulässige verdeckte Gewinnausschüttung zu sehen ist, wenn die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft die gewählte grosszügige Abgeltung offensichtlich nicht zulässt (vgl. BÖCKLI, a.a.O., S. 1528 f. § 12 Rz. 556 f.; MONTAVON UND ANDERE, a.a.O., S. 108 f.). 9.3.2 Nachdem die Vorinstanz davon ausgehen konnte, es bestehe ein offensichtliches Missverhältnis zur Gegenleistung, könnte das Kriterium der "wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft" nur von Bedeutung sein, wenn diese Lage so gut wäre, dass sich die Höhe der Abgeltung trotz des Missverhältnisses zur Gegenleistung mit Blick auf die gute Finanzlage der Gesellschaft unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten rechtfertigen lässt und damit kein Anlass besteht, in das Ermessen der Gesellschaft, die sich grosszügig zeigt, BGE 140 III 602 S. 609 einzugreifen. Dies wäre aber von den Beschwerdeführern geltend zu machen gewesen. 10. Die Vorinstanz nahm an, der böse Glaube der Empfänger sei eine weitere Voraussetzung von Art. 678 Abs. 2 OR und er werde im Fall eines offensichtlichen Missverhältnisses vermutet; die Beschwerdeführer hätten sodann nicht bewiesen, dass sie guten Glaubens waren. 10.1 Wenngleich im Gegensatz zu Abs. 1 nicht ausdrücklich erwähnt, setzt die Rückerstattungspflicht voraus, dass der Empfänger nicht gutgläubig ist (a.A. DÜRR, a.a.O., S. 103). Am guten Glauben des Empfängers wird es aber regelmässig fehlen, wenn die übrigen Voraussetzungen gegeben sind (Botschaft, BBl 1983 II 897 Ziff. 326 zu Art. 678 E-OR; ROLF WATTER, Verdeckte Gewinnausschüttungen bei Aktiengesellschaften, in: Verdeckte Gewinnausschüttungen, Neuhaus und andere [Hrsg.], 1997, S. 137 ff., S. 153). In der Lehre wird diesbezüglich einerseits angenommen, bei einem offensichtlichen Missverhältnis sei der böse Glaube zu vermuten; die Begünstigten müssten den Gegenbeweis des guten Glaubens erbringen (BÖCKLI, a.a.O., S. 1528 § 12 Rz. 554; MÜLLER, a.a.O., S. 63). Nach anderer Auffassung ist der gute Glaube zu vermuten ( Art. 3 Abs. 1 ZGB ), wobei bei fiktiven Geschäften regelmässig böser Glaube vorliege (KURER/KURER, a.a.O., N. 27 f. zu Art. 678 OR ; vgl. auch SPÖRRI, a.a.O., S. 222). Die Frage kann offenbleiben. Auch wenn man der Auffassung von KURER/KURER folgen würde, fehlten bei einem offensichtlichen Missverhältnis die Voraussetzungen, dass sich der Begünstigte gemäss Art. 3 Abs. 2 ZGB auf den guten Glauben berufen könnte (FORSTMOSER/MAIER-HAYOZ/NOBEL, Schweizerisches Aktienrecht, 1996, S. 661 § 50 Rz. 122; vgl. CH. SCHMID, in: Personengesellschaften und Aktiengesellschaft, Roberto/Trüeb [Hrsg.], 2. Aufl. 2012, N. 7 zu Art. 678 OR ; SPÖRRI, a.a.O., S. 217). 10.2 Die Beschwerdeführer halten der Vorinstanz entgegen, sie habe die von ihnen offerierten Beweismittel nicht gewürdigt, aus denen sich ihr guter Glaube ergeben hätte. Sie legen aber nicht dar, wo im vorinstanzlichen Verfahren sie welche von der Vorinstanz nicht gewürdigten Umstände und Beweismittel vorgebracht hätten. Konkret berufen sie sich nur darauf, dass die Entschädigung mit nur 1 % weit unter dem Marktwert gelegen habe, sowie auf Art. 3.5.5 der Statuten, der ihnen erlaubt habe, die Entschädigung selber festzulegen. Damit dringen sie nicht durch. Denn würde dem gefolgt, würde das bedeuten, dass ein Verwaltungsrat, der seine eigene Entschädigung BGE 140 III 602 S. 610 gemäss Statuten festlegen kann, definitionsgemäss immer gutgläubig wäre, unabhängig wie übersetzt die getätigten Bezüge waren. Ist nicht von Gutgläubigkeit auszugehen, stellt sich die Frage der (gutgläubigen) Entreicherung von vornherein nicht. Die diesbezüglichen Rügen der Beschwerdeführer, namentlich der Vorwurf einer willkürlichen Feststellung des Sachverhalts, stossen ins Leere.
Urteilskopf
89. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. und B. gegen C. AG (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_195/2014 / 4A_197/2014 vom 27. November 2014
Regeste Rückerstattung von an Mitglieder des Verwaltungsrates ausgerichteten Leistungen, soweit diese in einem offensichtlichen Missverhältnis zur Gegenleistung und zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft stehen ( Art. 678 Abs. 2 OR ). Offensichtliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (E. 4 und 8). Bedeutung des offensichtlichen Missverhältnisses zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft (E. 9) und des bösen Glaubens der Empfänger (E. 10).
Regeste
Rückerstattung von an Mitglieder des Verwaltungsrates ausgerichteten Leistungen, soweit diese in einem offensichtlichen Missverhältnis zur Gegenleistung und zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft stehen ( Art. 678 Abs. 2 OR ). Offensichtliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (E. 4 und 8). Bedeutung des offensichtlichen Missverhältnisses zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft (E. 9) und des bösen Glaubens der Empfänger (E. 10).
Art. 678 Abs. 2 OR Offensichtliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (E. 4 und 8).
Bedeutung des offensichtlichen Missverhältnisses zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft (E. 9) und des bösen Glaubens der Empfänger (E. 10).
Sachverhalt ab Seite 602
Sachverhalt ab Seite 602 BGE 140 III 602 S. 602
BGE 140 III 602 S. 602
Die C. AG (Klägerin, Beschwerdegegnerin) war Aktionärin der D. SA. Der Verwaltungsrat der Klägerin bestand aus A. (Beklagter 1, Beschwerdeführer 1) als Präsident und B. (Beklagte 2, Beschwerdeführerin 2) als Vizepräsidentin. Am 15. Oktober 2009 sprachen die Beklagten im Rahmen einer Verwaltungsratssitzung über einen allfälligen Verkauf der Aktien der D. SA. Sie fassten einen Beschluss über die Verwendung der aus dem geplanten Verkauf resultierenden Mittel. Dieser sah unter anderem vor, jeweils 1 % des definitiven Verkaufspreises als Prämie für den erfolgreichen Abschluss an die BGE 140 III 602 S. 603 Beklagten zu überweisen, falls der Verkaufspreis über 4 Mio. Fr. betragen sollte. Da das Aktienpaket zu einem Preis von 4,4 Mio. Fr. verkauft wurde, erhielten beide Beklagte zusätzlich zum gewöhnlichen Entgelt für ihre Tätigkeit je Fr. 44'000.- ausbezahlt. Die Klägerin verlangt diese Beträge zurück. Das Obergericht des Kantons Solothurn hat die Beklagten je zur Rückzahlung der Fr. 44'000.- nebst Zins verpflichtet.
BGE 140 III 602 S. 603
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
4. Das Obligationenrecht sieht eine Entschädigung von Verwaltungsräten nur in Form von Tantiemen vor, d.h. als formelle Gewinnentnahme ( Art. 677 OR ). Es ist aber unbestritten, dass gestützt auf ein entsprechendes Schuldverhältnis zwischen Aktiengesellschaft und Verwaltungsrat auch feste Entschädigungen zulasten der Erfolgsrechnung ausgerichtet werden dürfen. Rechtsgrundlage ist entweder eine Statutenbestimmung, welche die Bemessung und Ausrichtung einer Entschädigung der Generalversammlung oder dem Verwaltungsrat zuweist, oder in besonderen Fällen ein Arbeitsvertrag oder Auftrag. Darüber hinaus ist es denkbar, dass im Einzelfall für besondere Aufgaben, beispielsweise als Rechtsanwalt, als Werbeberater, als Architekt oder als Versicherungsagent (Beispiele bei ROLAND MÜLLER, Honorierung von Verwaltungsräten aus rechtlicher Sicht, ZBJV 147/2011 S. 113 ff., S. 124) spezielle Verträge bestehen, die separat abgerechnet werden. Gemäss dem seit 1. Januar 2008 geltenden Art. 718b OR müssen Verträge zwischen der Gesellschaft und ihrem Vertreter schriftlich abgeschlossen werden, wenn die Verpflichtung der Gesellschaft Fr. 1'000.- übersteigt.
4. Art. 677 OR Art. 718b OR Mitglieder des Verwaltungsrates sind nach Art. 678 Abs. 2 OR zur Rückerstattung "anderer Leistungen" - das heisst nicht formaler Gewinnausschüttungen gemäss Art. 678 Abs. 1 OR - verpflichtet, "soweit diese in einem offensichtlichen Missverhältnis zur Gegenleistung und zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft stehen". Damit zielt Art. 678 Abs. 2 OR auf verdeckte Gewinnausschüttungen an Aktionäre, Mitglieder des Verwaltungsrates und diesen nahestehende Personen (vgl. Botschaft vom 23. Februar 1983 über die Revision des Aktienrechts, BBl 1983 II 897 Ziff. 326 zu Art. 678 Abs. 2 E-OR).
Art. 678 Abs. 2 OR Art. 678 Abs. 1 OR Art. 678 Abs. 2 OR (...) BGE 140 III 602 S. 604
BGE 140 III 602 S. 604
8.
8. 8.1 Die Vorinstanz erachtete das für die Anwendbarkeit von Art. 678 Abs. 2 OR erforderliche Missverhältnis zwischen der Leistung der Beschwerdeführer und der Gegenleistung der Gesellschaft für ausgewiesen.
8.1 Art. 678 Abs. 2 OR 8.1.1 Angesichts der Tatsache, dass seitens der bisherigen Aktionäre der D. SA seit längerem Kaufinteresse bestand und die Aktien schliesslich an vorhandene Aktionäre gingen sowie dass als tatsächlicher Aufwand lediglich 22 zum Teil sehr kurze E-Mails, ein Telefonat und eine Besprechung am 12. Oktober 2009 in Genf ausgewiesen seien, schloss die Vorinstanz, der tatsächliche Aufwand der Beschwerdeführer sei gering gewesen. Die Vorbringen der Beschwerdeführer genügen nicht, um diesen Schluss als offensichtlich unhaltbar oder sonst rechtsfehlerhaft auszuweisen.
8.1.1 8.1.2 Die Gegenleistung im Sinn von Art. 678 Abs. 2 OR kann aber nicht nur in entstandenem Aufwand bestehen, sondern auch in einem für die Gesellschaft erzielten Erfolg, wie die Beschwerdeführer zu Recht geltend machen. Kann mit der Vorinstanz davon ausgegangen werden, dass in den Personen grösserer Aktionäre mehrere Kaufinteressenten bereits vorhanden waren, bestand indessen eine gute Verhandlungssituation. Selbst wenn die Ausführungen der Beschwerdeführer, der Verkaufspreis sei weit über dem damaligen Börsenkurs gelegen, zutreffen sollten, liesse sich unter diesen Umständen noch keine wesentliche Leistung der Beschwerdeführer begründen.
8.1.2 Art. 678 Abs. 2 OR 8.1.3 Als weiterer Gesichtspunkt ist zu berücksichtigen, ob die Beschwerdeführer den Aktienverkauf im Rahmen ihrer Aufgaben als Verwaltungsräte oder aber ausserhalb dieses Rahmens getätigt haben. Wie die Beschwerdeführer unter Hinweis auf Art. 1.2 der Statuten selbst geltend machen, ist der Gesellschaftszweck die "Anlage von Kapitalien und die Verwaltung von Vermögenswerten". Die Vorinstanz durfte somit entgegen den Beschwerdeführern ohne Weiteres davon ausgehen, dass der Verkauf und Kauf von Beteiligungen zur üblichen Verwaltungsratstätigkeit gehörte. Gegen ein Missverhältnis im Sinn von Art. 678 Abs. 2 OR könnte in diesem Zusammenhang sprechen, wenn der Verkauf der Aktien der D. SA ein im Vergleich zu früheren Verkäufen bzw. Käufen von Beteiligungen aussergewöhnliches Geschäft gewesen wäre. Die Beschwerdeführer gehen selbst von diesem Gesichtspunkt aus, wenn sie geltend machen, es habe sich um einen "Bonus für besondere Leistungen" gehandelt. BGE 140 III 602 S. 605 Nachdem die Vorinstanz davon gestützt auf den Gesellschaftszweck nicht ausgehen musste, wäre es an den Beschwerdeführern gelegen, im Rahmen des ihnen offenstehenden Gegenbeweises die konkreten Umstände zu behaupten und gegebenenfalls zu substanziieren, die beim Gericht Zweifel an der Richtigkeit der Gegenstand des Hauptbeweises bildenden Sachbehauptung hätten wachhalten und diesen dadurch hätten vereiteln können ( BGE 130 III 321 E. 3.4 S. 326; BGE 115 II 305 ; je mit Hinweisen). Das angefochtene Urteil enthält dazu keine tatsächlichen Feststellungen und die Beschwerdeführer rügen nicht rechtsgenüglich eine unvollständige Feststellung des Sachverhalts. Mangels solcher Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass mit den bezahlten fixen Entschädigungen ihre Tätigkeit im Rahmen des Gesellschaftszwecks abgedeckt war. Ob diese Entschädigungen objektiv angemessen bzw. - wie die Vorinstanz annahm - "grosszügig" war, ist daher nicht entscheiderheblich, ebenso wenig die Höhe der Entschädigung des Nachfolgers, dessen konkrete Aufgaben ohnehin nicht bekannt sind. Auf die diesbezüglichen Rügen ist daher nicht weiter einzugehen.
8.1.3 Art. 678 Abs. 2 OR BGE 140 III 602 S. 605
8.1.4 Unbehelflich ist schliesslich der grundsätzliche Einwand der Beschwerdeführer, die Vorinstanz habe ausser Acht gelassen, dass die Erfolgsaussichten des Verwaltungsrats wegen der bei diesem vorhandenen "Vorkenntnissen und Beziehungen" grösser war als bei einem externen Mäkler und ein solcher aber möglicherweise eine höhere Entschädigung gefordert hätte. Sie verkennen, dass es gerade zu ihren Pflichten als Verwaltungsräte gehörte, ihre in dieser Funktion gewonnenen "Vorkenntnisse und Beziehungen" bei der Verfolgung des Gesellschaftszwecks einzusetzen.
8.1.4 8.1.5 Damit ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz von einem Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ausging.
8.1.5 8.2 Nach Art. 678 Abs. 2 OR muss das Missverhältnis zur Gegenleistung der Gesellschaft (wie auch zu deren wirtschaftlichen Lage) offensichtlich sein. Das Missverhältnis ist offensichtlich, wenn es jedermann, der gerecht und billig denkt und die konkreten Verhältnisse vernünftig beurteilt, in die Augen fällt (BEAT SPÖRRI, Die aktienrechtliche Rückerstattungspflicht, 1996, S. 185 f.; vgl. auch THOMAS FRIEDRICH MÜLLER, Der Schutz der Aktiengesellschaft vor unzulässigen Kapitalentnahmen, 1997, S. 63), weil es einer vernünftigen wirtschaftlichen Begründung entbehrt (SPÖRRI, a.a.O., S. 185; KURER/KURER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. II, 4. Aufl. BGE 140 III 602 S. 606 2012, N. 17 zu Art. 678 OR mit Hinweisen). Durch diese Voraussetzung wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass den Gesellschaften die Ausübung des geschäftsmässigen Ermessens überlassen bleibt (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4A_188/2007 vom 13. September 2007 E. 4.3.4; KURER/KURER, a.a.O., N. 17 zu Art. 678 OR ; ANDREAS BINDER, Die aktienrechtliche Rückerstattung ungerechtfertigter Leistungen, Schweizerische Zeitschrift für Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht sowie Umstrukturierungen [GesKR] Sondernummer 2008, S. 66 ff., S. 69). Nachdem die Vorinstanz aber davon ausgehen durfte, der Verkauf und Kauf von Beteiligungen gehöre zu der üblichen Verwaltungsratstätigkeit, die ausserhalb der geleisteten Zahlung bereits im üblichen Mass entlohnt wurde, kann von einem unzulässigen Eingriff in das Ermessen der Gesellschaft keine Rede sein. Zusammenfassend ist es im Ergebnis nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz von einem offensichtlichen Missverhältnis zwischen den Beträgen von je Fr. 44'000.- und der von den Beschwerdeführern erbrachten Gegenleistung ausging.
8.2 Art. 678 Abs. 2 OR BGE 140 III 602 S. 606
Art. 678 OR Art. 678 OR 9. Art. 678 Abs. 2 OR erwähnt als weitere Voraussetzung das offensichtliche Missverhältnis zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft.
9. Art. 678 Abs. 2 OR 9.1 Die Vorinstanz führte in diesem Zusammenhang aus, die schlechte wirtschaftliche Lage ergebe sich aus dem Geschäftsbericht 2008, aus dem ein Reinverlust für das Geschäftsjahr 2008 von Fr. 3'838'701.28 und mit Verlust aus dem Vorjahr von Fr. 2'212'219.38 ein Verlustvortrag auf neue Rechnung von Fr. 6'050'920.66 hervorgehe. Wenn die Alleinaktionärin die Beschwerdegegnerin nicht immer wieder mit Darlehen versorgt hätte, hätte längst der Konkursrichter benachrichtigt werden müssen. Die Beschwerdeführer wenden ein, diese Zahlen seien von keiner Partei behauptet worden, und machen erneut eine Verletzung von Art. 55 ZPO geltend. Sie bestreiten aber auch hier nicht, dass die von der Vorinstanz zugrunde gelegten Zahlen zutreffen.
9.1 Art. 55 ZPO 9.2 In der Lehre wird darauf hingewiesen, dass das Kriterium der wirtschaftlichen Lage keinen Sinn macht, wenn es als eigenständiges Kriterium verstanden wird (SPÖRRI, a.a.O., S. 200; ROGER DÜRR, Die Rückerstattungsklage nach Art. 678 Abs. 2 OR im System der unrechtmässigen Vermögensverlagerungen, 2005, S. 92; je mit Hinweisen). Es würde bedeuten, dass in einer Gesellschaft mit sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen eine offensichtliche Begünstigung einzelner Verwaltungsräte zulasten des Gesellschaftsvermögens BGE 140 III 602 S. 607 rechtlich unbedenklich wäre (BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, 4. Aufl. 2009, S. 1528 f. § 12 Rz. 556; DÜRR, a.a.O., S. 92; BINDER, a.a.O., S. 67 f.; MÜLLER, a.a.O., S. 64), was den vom Gesetzgeber mit Art. 678 OR verfolgten Zielen widersprechen würde (SPÖRRI, a.a.O., S. 201 ff.). Die Klausel der "wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft" müsse vielmehr im Sinnzusammenhang des Gesetzes so verstanden werden, dass die Frage des offensichtlichen Missverhältnisses unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft zu beurteilen sei (BÖCKLI, a.a.O., S. 1529 § 12 Rz. 557; KURER/KURER, a.a.O., N. 16 zu Art. 678 OR ; MÜLLER, a.a.O., S. 64; SPÖRRI, a.a.O., S. 203 f. mit Hinweisen). Darüber, wie dies zu geschehen hat, gehen die Meinungen auseinander (SPÖRRI, a.a.O., S. 203 f. mit Hinweisen).
9.2 Art. 678 Abs. 2 OR BGE 140 III 602 S. 607
Art. 678 OR Art. 678 OR Ein Teil der Lehre vertritt die Auffassung, die Formel sei so zu verstehen, dass die Offensichtlichkeit umso eher anzunehmen sei, je schlechter die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft ist (BÖCKLI, a.a.O., S. 1529 § 12 Rz. 557), beziehungsweise dass sich eine finanzstärkere Gesellschaft grosszügiger zeigen kann als eine finanzschwache, was bei der Beurteilung, ob ein Missverhältnis zur Gegenleistung gegeben ist, berücksichtigt werden könne (vgl. PASCAL MONTAVON UND ANDERE, Droit et pratique de la société anonyme, Bd. I, 1994, S. 108 f.).
Andere verlangen eine spürbare Auswirkung im Sinn einer Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft (KURER/KURER, a.a.O., N. 16 zu Art. 678 OR ).
Art. 678 OR Es wird auch die Meinung vertreten, die wirtschaftliche Situation sei nur zu berücksichtigen, wenn sie als Bewertungskriterium für Leistung und Gegenleistung relevant sei, beispielsweise als Rechtfertigung eines geringen Verkaufspreises bei einem Notverkauf der Gesellschaft oder eines höheren Darlehenszinses gegenüber einer finanzschwachen Gesellschaft (MÜLLER, a.a.O., S. 64; SPÖRRI, a.a.O., S. 205; DÜRR, a.a.O., S. 90 ff. und 102).
9.3 Diese Überlegungen sind grundsätzlich zutreffend. Auch bei guten wirtschaftlichen Verhältnissen steht Art. 678 Abs. 2 OR einer offensichtlichen Begünstigung einzelner Verwaltungsräte zulasten des Gesellschaftsvermögens entgegen. Durch die beiden Kriterien des Missverhältnisses zur Gegenleistung und zur wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft sowie durch die im Gesetz verlangte Offensichtlichkeit der Missverhältnisse wird vermögenden Gesellschaften kein Freipass für verdeckte Gewinnausschüttungen ausgestellt. Es soll lediglich eine kleinliche Nachrechnerei verhindert und die BGE 140 III 602 S. 608 Entscheidung im Einzelfall erleichtert werden (vgl. Botschaft, BBl 1983 II 897 Ziff. 326 zu Art. 678 E-OR).
9.3 Art. 678 Abs. 2 OR BGE 140 III 602 S. 608
9.3.1 Vor diesem Hintergrund erweist sich das Kriterium der Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft (KURER/KURER, a.a.O., N. 16 zu Art. 678 OR ) als zu unscharf, da eine finanzstarke Gesellschaft kleinere verdeckte Gewinnausschüttungen verkraften könnte, ohne dass ihre wirtschaftliche Lage dadurch merklich beeinträchtigt wird. Soweit dagegen die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft (wie bei der Höhe des Darlehenszinses oder des Verkaufspreises bei einem Notverkauf) als objektives Bewertungskriterium für Leistung und Gegenleistung relevant wird (SPÖRRI, a.a.O., S. 205; MÜLLER, a.a.O., S. 64), wäre sie ohnehin zu beachten, da das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nicht abstrakt, sondern anhand der konkreten Umstände zu beurteilen ist (DÜRR, a.a.O., S. 91). Dem Kriterium der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft kommt vielmehr Bedeutung zu für das Ermessen, das den Gesellschaften zugebilligt wird (vgl. E. 8.2 hiervor). Es fällt in die wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit der Gesellschaften, ob sie günstigere oder weniger günstige Varianten bevorzugen oder sich gegenüber ihren Geschäftspartnern grosszügig oder kleinlich zeigen. In dieses Ermessen wollte der Gesetzgeber nicht eingreifen. Sanktioniert wird sowohl bei finanzstarken als auch bei finanzschwachen Gesellschaften nur die Überschreitung des Ermessens. Der Ermessensspielraum ist bei wirtschaftlich guten Verhältnissen aber grösser. Die grosszügige Abgeltung einer Leistung kann bei einer finanzstarken Gesellschaft noch in deren Ermessensspielraum liegen, während darin kein zulässiger Ermessensentscheid, sondern eine unzulässige verdeckte Gewinnausschüttung zu sehen ist, wenn die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft die gewählte grosszügige Abgeltung offensichtlich nicht zulässt (vgl. BÖCKLI, a.a.O., S. 1528 f. § 12 Rz. 556 f.; MONTAVON UND ANDERE, a.a.O., S. 108 f.).
9.3.1 Art. 678 OR 9.3.2 Nachdem die Vorinstanz davon ausgehen konnte, es bestehe ein offensichtliches Missverhältnis zur Gegenleistung, könnte das Kriterium der "wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft" nur von Bedeutung sein, wenn diese Lage so gut wäre, dass sich die Höhe der Abgeltung trotz des Missverhältnisses zur Gegenleistung mit Blick auf die gute Finanzlage der Gesellschaft unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten rechtfertigen lässt und damit kein Anlass besteht, in das Ermessen der Gesellschaft, die sich grosszügig zeigt, BGE 140 III 602 S. 609 einzugreifen. Dies wäre aber von den Beschwerdeführern geltend zu machen gewesen.
9.3.2 BGE 140 III 602 S. 609
10. Die Vorinstanz nahm an, der böse Glaube der Empfänger sei eine weitere Voraussetzung von Art. 678 Abs. 2 OR und er werde im Fall eines offensichtlichen Missverhältnisses vermutet; die Beschwerdeführer hätten sodann nicht bewiesen, dass sie guten Glaubens waren.
10. Art. 678 Abs. 2 OR 10.1 Wenngleich im Gegensatz zu Abs. 1 nicht ausdrücklich erwähnt, setzt die Rückerstattungspflicht voraus, dass der Empfänger nicht gutgläubig ist (a.A. DÜRR, a.a.O., S. 103). Am guten Glauben des Empfängers wird es aber regelmässig fehlen, wenn die übrigen Voraussetzungen gegeben sind (Botschaft, BBl 1983 II 897 Ziff. 326 zu Art. 678 E-OR; ROLF WATTER, Verdeckte Gewinnausschüttungen bei Aktiengesellschaften, in: Verdeckte Gewinnausschüttungen, Neuhaus und andere [Hrsg.], 1997, S. 137 ff., S. 153). In der Lehre wird diesbezüglich einerseits angenommen, bei einem offensichtlichen Missverhältnis sei der böse Glaube zu vermuten; die Begünstigten müssten den Gegenbeweis des guten Glaubens erbringen (BÖCKLI, a.a.O., S. 1528 § 12 Rz. 554; MÜLLER, a.a.O., S. 63). Nach anderer Auffassung ist der gute Glaube zu vermuten ( Art. 3 Abs. 1 ZGB ), wobei bei fiktiven Geschäften regelmässig böser Glaube vorliege (KURER/KURER, a.a.O., N. 27 f. zu Art. 678 OR ; vgl. auch SPÖRRI, a.a.O., S. 222). Die Frage kann offenbleiben. Auch wenn man der Auffassung von KURER/KURER folgen würde, fehlten bei einem offensichtlichen Missverhältnis die Voraussetzungen, dass sich der Begünstigte gemäss Art. 3 Abs. 2 ZGB auf den guten Glauben berufen könnte (FORSTMOSER/MAIER-HAYOZ/NOBEL, Schweizerisches Aktienrecht, 1996, S. 661 § 50 Rz. 122; vgl. CH. SCHMID, in: Personengesellschaften und Aktiengesellschaft, Roberto/Trüeb [Hrsg.], 2. Aufl. 2012, N. 7 zu Art. 678 OR ; SPÖRRI, a.a.O., S. 217).
10.1 Art. 3 Abs. 1 ZGB Art. 678 OR Art. 3 Abs. 2 ZGB Art. 678 OR 10.2 Die Beschwerdeführer halten der Vorinstanz entgegen, sie habe die von ihnen offerierten Beweismittel nicht gewürdigt, aus denen sich ihr guter Glaube ergeben hätte. Sie legen aber nicht dar, wo im vorinstanzlichen Verfahren sie welche von der Vorinstanz nicht gewürdigten Umstände und Beweismittel vorgebracht hätten. Konkret berufen sie sich nur darauf, dass die Entschädigung mit nur 1 % weit unter dem Marktwert gelegen habe, sowie auf Art. 3.5.5 der Statuten, der ihnen erlaubt habe, die Entschädigung selber festzulegen. Damit dringen sie nicht durch. Denn würde dem gefolgt, würde das bedeuten, dass ein Verwaltungsrat, der seine eigene Entschädigung BGE 140 III 602 S. 610
10.2 BGE 140 III 602 S. 610
gemäss Statuten festlegen kann, definitionsgemäss immer gutgläubig wäre, unabhängig wie übersetzt die getätigten Bezüge waren. Ist nicht von Gutgläubigkeit auszugehen, stellt sich die Frage der (gutgläubigen) Entreicherung von vornherein nicht. Die diesbezüglichen Rügen der Beschwerdeführer, namentlich der Vorwurf einer willkürlichen Feststellung des Sachverhalts, stossen ins Leere.
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Urteilskopf 140 III 610 90. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen B. und C. (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_319/2014 vom 19. November 2014 Regeste Art. 697a Abs. 1 OR ; Sonderprüfung; vorgängige Ausübung des Auskunfts- oder Einsichtsrechts; Beweismass. Voraussetzung gemäss Art. 697a Abs. 1 OR, dass vorgängig zum Gesuch um Sonderprüfung an der Generalversammlung das Recht auf Auskunft oder das Recht auf Einsicht ausgeübt wurde (E. 2.2). Der Gesuchsteller hat die vorgängige Ausübung des Auskunfts- oder Einsichtsrechts nicht bloss glaubhaft zu machen, sondern nachzuweisen. Er muss das Gericht nach dem Regelbeweismass der vollen Überzeugung davon überzeugen, so dass es keine ernsthaften Zweifel mehr hat (E. 4). Erwägungen ab Seite 611 BGE 140 III 610 S. 611 Aus den Erwägungen: 2. 2.2 Nach Art. 697a Abs. 1 OR kann ein Aktionär die Anordnung einer Sonderprüfung nur beanspruchen, wenn er das Auskunfts- oder das Einsichtsrecht gemäss Art. 697 OR bereits ausgeübt hat. Insoweit ist der Anspruch auf Einsetzung eines Sonderprüfers gegenüber dem Recht auf Auskunft und auf Einsicht subsidiär ( BGE 123 III 261 E. 3a S. 264). In der aktienrechtlichen Informationsordnung bildet die Sonderprüfung das dritte Element neben der vom Verwaltungsrat ausgehenden Informationsvermittlung durch den Geschäftsbericht ( Art. 696 OR ) und der aktiven Informationsbeschaffung seitens des Aktionärs durch die Ausübung seines Auskunftsrechts ( Art. 697 OR ). Um eine Gleichstellung aller Aktionäre bezüglich des Informationsstandes zu erreichen, muss das Auskunftsrecht gemäss Art. 697 OR in der Generalversammlung ausgeübt werden ( BGE 133 III 133 E. 3.3). Unter Umständen, namentlich bei Begehren um Informationen, die nicht ohne Weiteres zur Verfügung stehen, oder bei einem umfangreichen Fragenkatalog kann es angezeigt sein, das Auskunftsbegehren vor der Generalversammlung schriftlich einzureichen (siehe BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, 4. Aufl. 2009, § 16 Rz. 32). Die Auskunftsbegehren und die erteilten Antworten sind zu protokollieren ( Art. 702 Abs. 2 Ziff. 3 OR ). Aus der Subsidiarität der Sonderprüfung folgt, dass das Sonderprüfungsbegehren thematisch vom vorgängigen Auskunfts- oder Einsichtsbegehren gedeckt sein muss. Durch dieses soll der Verwaltungsrat die Gelegenheit erhalten, das Informationsbedürfnis der Aktionäre von sich aus zu befriedigen, bevor das mit Aufwand und Umtrieben verbundene Verfahren auf Sonderprüfung eingeleitet wird. Massgebend für die thematische Begrenzung der Zulässigkeit eines Sonderprüfungsbegehrens ist deshalb das Informationsbedürfnis der antragstellenden Aktionäre, wie es der Verwaltungsrat nach Treu und Glauben aus dem vorgängigen Auskunfts- oder Einsichtsbegehren erkennen musste. Dabei darf sich der Verwaltungsrat zwar nicht hinter einer wortklauberischen Auslegung verschanzen und von vornherein nur ausdrücklich gestellte Fragen beantworten. Auf der anderen Seite ist aber auch den Aktionären zuzumuten, bei der Formulierung ihres Auskunfts- oder Einsichtsbegehrens eine gewisse Sorgfalt aufzuwenden und darin so klar, wie es ihnen aufgrund BGE 140 III 610 S. 612 ihres Kenntnisstandes möglich ist, zum Ausdruck zu bringen, worüber sie weiteren Aufschluss zu erhalten wünschen ( BGE 123 III 261 E. 3a). Personenidentität in dem Sinn, dass nur derjenige Aktionär, der zuvor selbst Auskunft verlangt hat, in der Generalversammlung auch den Antrag auf Sonderprüfung stellen kann, ist nach der Rechtsprechung nicht vorausgesetzt. Auch Aktionäre, die erst aufgrund des von einem anderen Aktionär gestellten Auskunftsbegehrens und der darauf vom Verwaltungsrat an der Generalversammlung erteilten Auskunft Kenntnis von bestimmten Sachverhalten und ihrer Tragweite erhalten, sollen die Möglichkeit haben, der Generalversammlung die Durchführung einer Sonderprüfung zu beantragen. Indessen gilt auch für sie die thematische Begrenzung des Sonderprüfungsbegehrens durch den Gegenstand des Auskunftsbegehrens ( BGE 133 III 133 E. 3.2 S. 136 mit Hinweisen). (...) 4. Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz vor, hinsichtlich der Voraussetzung der vorgängigen Ausübung des Auskunfts- und des Einsichtsrechts in Verletzung von Bundesrecht anstelle des strikten Beweises ein blosses Glaubhaftmachen verlangt und mithin das falsche Beweismass angewandt zu haben. Selbst unter Zugrundelegung eines reduzierten Beweismasses habe die Vorinstanz die Beweise aber willkürlich gewürdigt, indem sie sich allein mit den unbelegten Behauptungen der Beschwerdegegner begnügt und sich auf haltlose Vermutungen gestützt habe. 4.1 Nach dem bundesrechtlichen Regelbeweismass gilt ein Beweis als erbracht, wenn das Gericht nach objektiven Gesichtspunkten von der Richtigkeit einer Sachbehauptung überzeugt ist. Ausnahmen von diesem Regelbeweismass der vollen Überzeugung ergeben sich einerseits aus dem Gesetz; anderseits wurden sie durch Rechtsprechung und Lehre herausgearbeitet. Danach wird insbesondere eine überwiegende Wahrscheinlichkeit als ausreichend betrachtet, wo ein strikter Beweis nicht nur im Einzelfall, sondern der Natur der Sache nach nicht möglich oder nicht zumutbar ist und insofern eine "Beweisnot" besteht ( BGE 132 III 715 E. 3.1; BGE 130 III 321 E. 3.2 S. 324 mit Hinweisen). Nach dem Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit gilt ein Beweis als erbracht, wenn für die Richtigkeit der Sachbehauptung nach objektiven Gesichtspunkten derart gewichtige Gründe sprechen, dass andere denkbare Möglichkeiten vernünftigerweise nicht massgeblich in Betracht fallen. Das BGE 140 III 610 S. 613 Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit ist wiederum von der Glaubhaftmachung abzugrenzen. Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache schon dann, wenn für deren Vorhandensein gewisse Elemente sprechen, selbst wenn das Gericht noch mit der Möglichkeit rechnet, dass sie sich nicht verwirklicht haben könnte ( BGE 132 III 715 E. 3.1 S. 720; BGE 130 III 321 E. 3.3 mit Hinweisen). 4.2 In der Tat führte die Vorinstanz im Rahmen der rechtlichen Erörterungen aus, "die Anforderungen an das Glaubhaftmachen" betreffend die Ausübung des Auskunfts- und Einsichtsrechts dürften "nicht übersteigert werden". Die darauf folgende eingehende Prüfung schloss die Vorinstanz mit dem Satz, "gesamthaft erschein[e] glaubhaft", dass die Beschwerdegegner von der Beschwerdeführerin in der Generalversammlung (erfolglos) Auskünfte zum Geschäftsgang, insbesondere zur Reduktion der Beteiligung an der F. AG, verlangt hätten. Dem Subsidiaritätsprinzip sei damit Genüge getan. Geht man angesichts dieser Formulierung mit der Beschwerdeführerin davon aus, die Vorinstanz habe sich hinsichtlich der Voraussetzung der vorgängigen Ausübung des Auskunfts- oder Einsichtsrechts mit dem Beweismass des Glaubhaftmachens begnügt, erweist sich die Rüge als begründet: 4.3 4.3.1 Zunächst bedeutet der Umstand, dass eine Angelegenheit - wie nach Art. 250 lit. c Ziff. 8 ZPO die Sonderprüfung bei der Aktiengesellschaft - in den Anwendungsbereich des summarischen Verfahrens nach Art. 248 ff. ZPO fällt, nicht, dass das Beweismass herabgesetzt ist. Grundsätzlich gilt auch in dieser Verfahrensart das Regelbeweismass, es sei denn, aus dem Gesetz oder dessen Auslegung ergebe sich etwas Abweichendes (siehe CHEVALIER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 5 zu Art. 254ZPO; GASSER/RICKLI, Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO],2. Aufl. 2014, N. 3 zu Art. 254 ZPO ; GÜNGERICH, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], 2012, N. 24zu Art. 254 ZPO ). 4.3.2 Die Vorinstanz verwies in der fraglichen Erwägung auf eine Kommentarstelle (WEBER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. II, 4. Aufl. 2012, N. 3b zu Art. 697c OR ). Aus dieser geht hervor, dass ihr Autor seine Aussage, "die Anforderungen an das Glaubhaftmachen des Subsidiaritätsprinzips" dürften nicht übersteigert BGE 140 III 610 S. 614 werden, auf die Frage der thematischen Identität des Sonderprüfungsbegehrens zum vorgängig gestellten Auskunftsbegehren bezieht, führt er doch im gleichen Zusammenhang an, eine Ausweitung des Prüfungsgegenstands durch neue Fragen sei unzulässig, doch müssten Konkretisierungsfragen vor dem Richter noch möglich sein. Dass an die Prüfung der thematischen Identität kein allzu strenger Massstab angelegt werden sollte, wird denn auch von anderen Autoren gefordert (so etwa CASUTT, Was brachte die Sonderprüfung als neues Instrument des Aktionärsschutzes, Der Schweizer Treuhänder 2002 S. 508 f.; MAROLDA MARTINEZ, Information der Aktionäre nach schweizerischem Aktien- und Kapitalmarktrecht, 2006, S. 257 f.; vgl. auch BÖCKLI, a.a.O., § 16 Rz. 41). Für die vorliegend zu beantwortende Frage, ob das Auskunftsrecht an der Generalversammlung überhaupt ausgeübt wurde, kann hingegen nichts daraus abgeleitet werden, ebenso wenig wie aus der bereits erwähnten Rechtsprechung (siehe BGE 123 III 261 E. 3a). 4.3.3 Im Gesetz besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass in Bezug auf die Voraussetzung der vorgängigen Ausübung des Auskunfts- oder Einsichtsrechts ein blosses Glaubhaftmachen genügen soll. Vielmehr sieht Art. 697b Abs. 2 OR einzig hinsichtlich der materiellen Voraussetzung einer Gesetzes- oder Statutenverletzung und einer Schädigung der Gesellschaft oder der Aktionäre vor, dass ein Glaubhaftmachen genügt. Die Rechtfertigung für diese Erleichterung liegt namentlich im Zweck des Instituts der Sonderprüfung. Dieses dient nämlich der Verbesserung der Information der Gesuchsteller, weshalb das Gericht von ihnen nicht diejenigen Nachweise verlangen darf, die erst der Sonderprüfer erbringen soll (vgl. BGE 120 II 393 E. 4c S. 398). Die vorgängige Ausübung des Auskunfts- oder Einsichtsrechts stellt demgegenüber selbstredend keinen Umstand dar, über den erst die Sonderprüfung informieren soll. Vielmehr liegt er offensichtlich in der Wissenssphäre des Gesuchstellers selbst. Mit Bezug auf diese Voraussetzung besteht somit insofern kein Grund für eine Herabsetzung des Beweismasses auf eine blosse Glaubhaftmachung. Dem entspricht es im Übrigen, dass in der Rechtsprechung auch hinsichtlich der Aktionärseigenschaft und der Höhe der Kapitalbeteiligung der Nachweis und nicht ein blosses Glaubhaftmachen verlangt wurde (vgl. Urteil 4C.412/2005 vom 23. Februar 2006 E. 3.2). Ebenso wenig sind typische Beweisschwierigkeiten oder gar eine Beweisnot ersichtlich, die eine Herabsetzung des Beweismasses BGE 140 III 610 S. 615 rechtfertigen könnten, weil andernfalls die Anspruchsnorm kaum durchzusetzen wäre. Dem Aktionär, der die vorgängige Ausübung des Auskunftsrechts beweisen muss, steht insoweit namentlich das Protokoll der Generalversammlung zur Verfügung, sind doch die Begehren um Auskunft und die darauf erteilten Antworten zu protokollieren ( Art. 702 Abs. 2 Ziff. 3 OR ). Sollte sich die Beweisführung im Einzelfall als schwierig herausstellen, weil das Protokoll nicht ordnungsgemäss erstellt wurde und der Gesuchsteller keine Richtigstellung erreichen konnte, bedeutet dies nicht, dass die Beweisführung der Natur der Sache nach nicht möglich oder nicht zumutbar wäre. Systematische Beweisnot besteht insofern nicht, und eine Herabsetzung des Beweismasses ist auch von daher nicht angezeigt. 4.3.4 Der Gesuchsteller hat demnach die Voraussetzung, dass vorgängig zum Gesuch um Sonderprüfung an der Generalversammlung das Auskunfts- oder Einsichtsrecht ausgeübt wurde, nicht bloss glaubhaft zu machen, sondern nachzuweisen, d.h. er muss das Gericht nach dem Regelbeweismass davon überzeugen, so dass es keine ernsthaften Zweifel mehr hat (so auch KUNZ, Zur Subsidiarität der Sonderprüfung, SJZ 92/1996 S. 5, der aus diesem Grund empfiehlt, auf einer Protokollierung zu bestehen [Fn. 75]; ausdrücklich den vollständigen Beweis verlangend REICHENBACH/BLÄSI, Gerichtliche Anordnung der Sonderprüfung als systemkonforme Durchsetzung der Selbstverwaltung der Aktiengesellschaft, in: Jahrbuch des Handelsregisters 2003, 2005, S. 110 und 112; vgl. auch GABRIELLI, Das Verhältnis des Rechts auf Auskunftserteilung zum Recht auf Einleitung einer Sonderprüfung, 1997, S. 42, der auf die Protokollierungspflicht betreffend Auskunftsbegehren sowie Auskunftserteilung und -verweigerung hinweist, damit diese Punkte bei einem Sonderprüfungsbegehren "beweiserheblich belegt werden können"). 4.4 Indem sich die Vorinstanz in Bezug auf die Voraussetzung der vorgängigen Ausübung des Auskunfts- oder Einsichtsrechts mit einem blossen Glaubhaftmachen begnügte, legte sie ihrem Entscheid ein falsches Beweismass zugrunde. Die Rüge der Beschwerdeführerin ist in diesem Punkt begründet, ohne dass beurteilt werden müsste, ob die Vorinstanz auch dadurch Bundesrecht verletzte, dass sie die Sachdarstellung der Beschwerdegegner als glaubhaft erachtete.
Urteilskopf
90. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen B. und C. (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_319/2014 vom 19. November 2014
Regeste Art. 697a Abs. 1 OR ; Sonderprüfung; vorgängige Ausübung des Auskunfts- oder Einsichtsrechts; Beweismass. Voraussetzung gemäss Art. 697a Abs. 1 OR, dass vorgängig zum Gesuch um Sonderprüfung an der Generalversammlung das Recht auf Auskunft oder das Recht auf Einsicht ausgeübt wurde (E. 2.2). Der Gesuchsteller hat die vorgängige Ausübung des Auskunfts- oder Einsichtsrechts nicht bloss glaubhaft zu machen, sondern nachzuweisen. Er muss das Gericht nach dem Regelbeweismass der vollen Überzeugung davon überzeugen, so dass es keine ernsthaften Zweifel mehr hat (E. 4).
Regeste
Art. 697a Abs. 1 OR ; Sonderprüfung; vorgängige Ausübung des Auskunfts- oder Einsichtsrechts; Beweismass. Voraussetzung gemäss Art. 697a Abs. 1 OR, dass vorgängig zum Gesuch um Sonderprüfung an der Generalversammlung das Recht auf Auskunft oder das Recht auf Einsicht ausgeübt wurde (E. 2.2). Der Gesuchsteller hat die vorgängige Ausübung des Auskunfts- oder Einsichtsrechts nicht bloss glaubhaft zu machen, sondern nachzuweisen. Er muss das Gericht nach dem Regelbeweismass der vollen Überzeugung davon überzeugen, so dass es keine ernsthaften Zweifel mehr hat (E. 4).
Art. 697a Abs. 1 OR Voraussetzung gemäss Art. 697a Abs. 1 OR, dass vorgängig zum Gesuch um Sonderprüfung an der Generalversammlung das Recht auf Auskunft oder das Recht auf Einsicht ausgeübt wurde (E. 2.2). Der Gesuchsteller hat die vorgängige Ausübung des Auskunfts- oder Einsichtsrechts nicht bloss glaubhaft zu machen, sondern nachzuweisen. Er muss das Gericht nach dem Regelbeweismass der vollen Überzeugung davon überzeugen, so dass es keine ernsthaften Zweifel mehr hat (E. 4).
Art. 697a Abs. 1 OR Erwägungen ab Seite 611
Erwägungen ab Seite 611 BGE 140 III 610 S. 611
BGE 140 III 610 S. 611
Aus den Erwägungen:
2.
2. 2.2 Nach Art. 697a Abs. 1 OR kann ein Aktionär die Anordnung einer Sonderprüfung nur beanspruchen, wenn er das Auskunfts- oder das Einsichtsrecht gemäss Art. 697 OR bereits ausgeübt hat. Insoweit ist der Anspruch auf Einsetzung eines Sonderprüfers gegenüber dem Recht auf Auskunft und auf Einsicht subsidiär ( BGE 123 III 261 E. 3a S. 264). In der aktienrechtlichen Informationsordnung bildet die Sonderprüfung das dritte Element neben der vom Verwaltungsrat ausgehenden Informationsvermittlung durch den Geschäftsbericht ( Art. 696 OR ) und der aktiven Informationsbeschaffung seitens des Aktionärs durch die Ausübung seines Auskunftsrechts ( Art. 697 OR ). Um eine Gleichstellung aller Aktionäre bezüglich des Informationsstandes zu erreichen, muss das Auskunftsrecht gemäss Art. 697 OR in der Generalversammlung ausgeübt werden ( BGE 133 III 133 E. 3.3). Unter Umständen, namentlich bei Begehren um Informationen, die nicht ohne Weiteres zur Verfügung stehen, oder bei einem umfangreichen Fragenkatalog kann es angezeigt sein, das Auskunftsbegehren vor der Generalversammlung schriftlich einzureichen (siehe BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, 4. Aufl. 2009, § 16 Rz. 32). Die Auskunftsbegehren und die erteilten Antworten sind zu protokollieren ( Art. 702 Abs. 2 Ziff. 3 OR ).
2.2 Art. 697a Abs. 1 OR Art. 697 OR Art. 696 OR Art. 697 OR Art. 697 OR Art. 702 Abs. 2 Ziff. 3 OR Aus der Subsidiarität der Sonderprüfung folgt, dass das Sonderprüfungsbegehren thematisch vom vorgängigen Auskunfts- oder Einsichtsbegehren gedeckt sein muss. Durch dieses soll der Verwaltungsrat die Gelegenheit erhalten, das Informationsbedürfnis der Aktionäre von sich aus zu befriedigen, bevor das mit Aufwand und Umtrieben verbundene Verfahren auf Sonderprüfung eingeleitet wird. Massgebend für die thematische Begrenzung der Zulässigkeit eines Sonderprüfungsbegehrens ist deshalb das Informationsbedürfnis der antragstellenden Aktionäre, wie es der Verwaltungsrat nach Treu und Glauben aus dem vorgängigen Auskunfts- oder Einsichtsbegehren erkennen musste. Dabei darf sich der Verwaltungsrat zwar nicht hinter einer wortklauberischen Auslegung verschanzen und von vornherein nur ausdrücklich gestellte Fragen beantworten. Auf der anderen Seite ist aber auch den Aktionären zuzumuten, bei der Formulierung ihres Auskunfts- oder Einsichtsbegehrens eine gewisse Sorgfalt aufzuwenden und darin so klar, wie es ihnen aufgrund BGE 140 III 610 S. 612 ihres Kenntnisstandes möglich ist, zum Ausdruck zu bringen, worüber sie weiteren Aufschluss zu erhalten wünschen ( BGE 123 III 261 E. 3a).
BGE 140 III 610 S. 612
Personenidentität in dem Sinn, dass nur derjenige Aktionär, der zuvor selbst Auskunft verlangt hat, in der Generalversammlung auch den Antrag auf Sonderprüfung stellen kann, ist nach der Rechtsprechung nicht vorausgesetzt. Auch Aktionäre, die erst aufgrund des von einem anderen Aktionär gestellten Auskunftsbegehrens und der darauf vom Verwaltungsrat an der Generalversammlung erteilten Auskunft Kenntnis von bestimmten Sachverhalten und ihrer Tragweite erhalten, sollen die Möglichkeit haben, der Generalversammlung die Durchführung einer Sonderprüfung zu beantragen. Indessen gilt auch für sie die thematische Begrenzung des Sonderprüfungsbegehrens durch den Gegenstand des Auskunftsbegehrens ( BGE 133 III 133 E. 3.2 S. 136 mit Hinweisen).
(...)
4. Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz vor, hinsichtlich der Voraussetzung der vorgängigen Ausübung des Auskunfts- und des Einsichtsrechts in Verletzung von Bundesrecht anstelle des strikten Beweises ein blosses Glaubhaftmachen verlangt und mithin das falsche Beweismass angewandt zu haben. Selbst unter Zugrundelegung eines reduzierten Beweismasses habe die Vorinstanz die Beweise aber willkürlich gewürdigt, indem sie sich allein mit den unbelegten Behauptungen der Beschwerdegegner begnügt und sich auf haltlose Vermutungen gestützt habe.
4. 4.1 Nach dem bundesrechtlichen Regelbeweismass gilt ein Beweis als erbracht, wenn das Gericht nach objektiven Gesichtspunkten von der Richtigkeit einer Sachbehauptung überzeugt ist. Ausnahmen von diesem Regelbeweismass der vollen Überzeugung ergeben sich einerseits aus dem Gesetz; anderseits wurden sie durch Rechtsprechung und Lehre herausgearbeitet. Danach wird insbesondere eine überwiegende Wahrscheinlichkeit als ausreichend betrachtet, wo ein strikter Beweis nicht nur im Einzelfall, sondern der Natur der Sache nach nicht möglich oder nicht zumutbar ist und insofern eine "Beweisnot" besteht ( BGE 132 III 715 E. 3.1; BGE 130 III 321 E. 3.2 S. 324 mit Hinweisen). Nach dem Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit gilt ein Beweis als erbracht, wenn für die Richtigkeit der Sachbehauptung nach objektiven Gesichtspunkten derart gewichtige Gründe sprechen, dass andere denkbare Möglichkeiten vernünftigerweise nicht massgeblich in Betracht fallen. Das BGE 140 III 610 S. 613 Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit ist wiederum von der Glaubhaftmachung abzugrenzen. Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache schon dann, wenn für deren Vorhandensein gewisse Elemente sprechen, selbst wenn das Gericht noch mit der Möglichkeit rechnet, dass sie sich nicht verwirklicht haben könnte ( BGE 132 III 715 E. 3.1 S. 720; BGE 130 III 321 E. 3.3 mit Hinweisen).
4.1 BGE 140 III 610 S. 613
4.2 In der Tat führte die Vorinstanz im Rahmen der rechtlichen Erörterungen aus, "die Anforderungen an das Glaubhaftmachen" betreffend die Ausübung des Auskunfts- und Einsichtsrechts dürften "nicht übersteigert werden". Die darauf folgende eingehende Prüfung schloss die Vorinstanz mit dem Satz, "gesamthaft erschein[e] glaubhaft", dass die Beschwerdegegner von der Beschwerdeführerin in der Generalversammlung (erfolglos) Auskünfte zum Geschäftsgang, insbesondere zur Reduktion der Beteiligung an der F. AG, verlangt hätten. Dem Subsidiaritätsprinzip sei damit Genüge getan.
4.2 Geht man angesichts dieser Formulierung mit der Beschwerdeführerin davon aus, die Vorinstanz habe sich hinsichtlich der Voraussetzung der vorgängigen Ausübung des Auskunfts- oder Einsichtsrechts mit dem Beweismass des Glaubhaftmachens begnügt, erweist sich die Rüge als begründet:
4.3
4.3 4.3.1 Zunächst bedeutet der Umstand, dass eine Angelegenheit - wie nach Art. 250 lit. c Ziff. 8 ZPO die Sonderprüfung bei der Aktiengesellschaft - in den Anwendungsbereich des summarischen Verfahrens nach Art. 248 ff. ZPO fällt, nicht, dass das Beweismass herabgesetzt ist. Grundsätzlich gilt auch in dieser Verfahrensart das Regelbeweismass, es sei denn, aus dem Gesetz oder dessen Auslegung ergebe sich etwas Abweichendes (siehe CHEVALIER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 5 zu Art. 254ZPO; GASSER/RICKLI, Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO],2. Aufl. 2014, N. 3 zu Art. 254 ZPO ; GÜNGERICH, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], 2012, N. 24zu Art. 254 ZPO ).
4.3.1 Art. 250 lit. c Ziff. 8 ZPO Art. 248 ff. ZPO Art. 254 ZPO Art. 254 ZPO 4.3.2 Die Vorinstanz verwies in der fraglichen Erwägung auf eine Kommentarstelle (WEBER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. II, 4. Aufl. 2012, N. 3b zu Art. 697c OR ). Aus dieser geht hervor, dass ihr Autor seine Aussage, "die Anforderungen an das Glaubhaftmachen des Subsidiaritätsprinzips" dürften nicht übersteigert BGE 140 III 610 S. 614 werden, auf die Frage der thematischen Identität des Sonderprüfungsbegehrens zum vorgängig gestellten Auskunftsbegehren bezieht, führt er doch im gleichen Zusammenhang an, eine Ausweitung des Prüfungsgegenstands durch neue Fragen sei unzulässig, doch müssten Konkretisierungsfragen vor dem Richter noch möglich sein. Dass an die Prüfung der thematischen Identität kein allzu strenger Massstab angelegt werden sollte, wird denn auch von anderen Autoren gefordert (so etwa CASUTT, Was brachte die Sonderprüfung als neues Instrument des Aktionärsschutzes, Der Schweizer Treuhänder 2002 S. 508 f.; MAROLDA MARTINEZ, Information der Aktionäre nach schweizerischem Aktien- und Kapitalmarktrecht, 2006, S. 257 f.; vgl. auch BÖCKLI, a.a.O., § 16 Rz. 41).
4.3.2 Art. 697c OR BGE 140 III 610 S. 614
Für die vorliegend zu beantwortende Frage, ob das Auskunftsrecht an der Generalversammlung überhaupt ausgeübt wurde, kann hingegen nichts daraus abgeleitet werden, ebenso wenig wie aus der bereits erwähnten Rechtsprechung (siehe BGE 123 III 261 E. 3a).
4.3.3 Im Gesetz besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass in Bezug auf die Voraussetzung der vorgängigen Ausübung des Auskunfts- oder Einsichtsrechts ein blosses Glaubhaftmachen genügen soll. Vielmehr sieht Art. 697b Abs. 2 OR einzig hinsichtlich der materiellen Voraussetzung einer Gesetzes- oder Statutenverletzung und einer Schädigung der Gesellschaft oder der Aktionäre vor, dass ein Glaubhaftmachen genügt. Die Rechtfertigung für diese Erleichterung liegt namentlich im Zweck des Instituts der Sonderprüfung. Dieses dient nämlich der Verbesserung der Information der Gesuchsteller, weshalb das Gericht von ihnen nicht diejenigen Nachweise verlangen darf, die erst der Sonderprüfer erbringen soll (vgl. BGE 120 II 393 E. 4c S. 398). Die vorgängige Ausübung des Auskunfts- oder Einsichtsrechts stellt demgegenüber selbstredend keinen Umstand dar, über den erst die Sonderprüfung informieren soll. Vielmehr liegt er offensichtlich in der Wissenssphäre des Gesuchstellers selbst. Mit Bezug auf diese Voraussetzung besteht somit insofern kein Grund für eine Herabsetzung des Beweismasses auf eine blosse Glaubhaftmachung. Dem entspricht es im Übrigen, dass in der Rechtsprechung auch hinsichtlich der Aktionärseigenschaft und der Höhe der Kapitalbeteiligung der Nachweis und nicht ein blosses Glaubhaftmachen verlangt wurde (vgl. Urteil 4C.412/2005 vom 23. Februar 2006 E. 3.2).
4.3.3 Art. 697b Abs. 2 OR Ebenso wenig sind typische Beweisschwierigkeiten oder gar eine Beweisnot ersichtlich, die eine Herabsetzung des Beweismasses BGE 140 III 610 S. 615 rechtfertigen könnten, weil andernfalls die Anspruchsnorm kaum durchzusetzen wäre. Dem Aktionär, der die vorgängige Ausübung des Auskunftsrechts beweisen muss, steht insoweit namentlich das Protokoll der Generalversammlung zur Verfügung, sind doch die Begehren um Auskunft und die darauf erteilten Antworten zu protokollieren ( Art. 702 Abs. 2 Ziff. 3 OR ). Sollte sich die Beweisführung im Einzelfall als schwierig herausstellen, weil das Protokoll nicht ordnungsgemäss erstellt wurde und der Gesuchsteller keine Richtigstellung erreichen konnte, bedeutet dies nicht, dass die Beweisführung der Natur der Sache nach nicht möglich oder nicht zumutbar wäre. Systematische Beweisnot besteht insofern nicht, und eine Herabsetzung des Beweismasses ist auch von daher nicht angezeigt.
BGE 140 III 610 S. 615
Art. 702 Abs. 2 Ziff. 3 OR 4.3.4 Der Gesuchsteller hat demnach die Voraussetzung, dass vorgängig zum Gesuch um Sonderprüfung an der Generalversammlung das Auskunfts- oder Einsichtsrecht ausgeübt wurde, nicht bloss glaubhaft zu machen, sondern nachzuweisen, d.h. er muss das Gericht nach dem Regelbeweismass davon überzeugen, so dass es keine ernsthaften Zweifel mehr hat (so auch KUNZ, Zur Subsidiarität der Sonderprüfung, SJZ 92/1996 S. 5, der aus diesem Grund empfiehlt, auf einer Protokollierung zu bestehen [Fn. 75]; ausdrücklich den vollständigen Beweis verlangend REICHENBACH/BLÄSI, Gerichtliche Anordnung der Sonderprüfung als systemkonforme Durchsetzung der Selbstverwaltung der Aktiengesellschaft, in: Jahrbuch des Handelsregisters 2003, 2005, S. 110 und 112; vgl. auch GABRIELLI, Das Verhältnis des Rechts auf Auskunftserteilung zum Recht auf Einleitung einer Sonderprüfung, 1997, S. 42, der auf die Protokollierungspflicht betreffend Auskunftsbegehren sowie Auskunftserteilung und -verweigerung hinweist, damit diese Punkte bei einem Sonderprüfungsbegehren "beweiserheblich belegt werden können").
4.3.4 4.4 Indem sich die Vorinstanz in Bezug auf die Voraussetzung der vorgängigen Ausübung des Auskunfts- oder Einsichtsrechts mit einem blossen Glaubhaftmachen begnügte, legte sie ihrem Entscheid ein falsches Beweismass zugrunde. Die Rüge der Beschwerdeführerin ist in diesem Punkt begründet, ohne dass beurteilt werden müsste, ob die Vorinstanz auch dadurch Bundesrecht verletzte, dass sie die Sachdarstellung der Beschwerdegegner als glaubhaft erachtete.
4.4
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Urteilskopf
91. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ) gegen A. B.V. und Mitb. (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_295/2014 vom 28. November 2014
Regeste Art. 19 URG ; Vervielfältigungen durch Dritte im Rahmen des Eigengebrauchs; Umfang der zulässigen Vervielfältigung von Werkexemplaren. Beurteilung der Zulässigkeit eines Dokumentenlieferdienstes einer Bibliothek (E. 3.1-3.6). Art. 19 Abs. 2 URG schliesst die Weitergabe einer zulässigerweise erstellten Kopie an den Berechtigten durch Versendung per Post oder per E-Mail nicht aus (E. 3.4). Umfang der zulässigen Vervielfältigung durch Dritte (E. 3.5). Begriff der im Handel erhältlichen "Werkexemplare" nach Art. 19 Abs. 3 lit. a URG (E. 3.6).
Regeste
Art. 19 URG ; Vervielfältigungen durch Dritte im Rahmen des Eigengebrauchs; Umfang der zulässigen Vervielfältigung von Werkexemplaren. Beurteilung der Zulässigkeit eines Dokumentenlieferdienstes einer Bibliothek (E. 3.1-3.6). Art. 19 Abs. 2 URG schliesst die Weitergabe einer zulässigerweise erstellten Kopie an den Berechtigten durch Versendung per Post oder per E-Mail nicht aus (E. 3.4). Umfang der zulässigen Vervielfältigung durch Dritte (E. 3.5). Begriff der im Handel erhältlichen "Werkexemplare" nach Art. 19 Abs. 3 lit. a URG (E. 3.6).
Art. 19 URG Beurteilung der Zulässigkeit eines Dokumentenlieferdienstes einer Bibliothek (E. 3.1-3.6).
Art. 19 Abs. 2 URG schliesst die Weitergabe einer zulässigerweise erstellten Kopie an den Berechtigten durch Versendung per Post oder per E-Mail nicht aus (E. 3.4).
Art. 19 Abs. 2 URG Umfang der zulässigen Vervielfältigung durch Dritte (E. 3.5).
Begriff der im Handel erhältlichen "Werkexemplare" nach Art. 19 Abs. 3 lit. a URG (E. 3.6).
Art. 19 Abs. 3 lit. a URG Sachverhalt ab Seite 617
Sachverhalt ab Seite 617 BGE 140 III 616 S. 617
BGE 140 III 616 S. 617
A.
A. A.a Die A. B.V., die B. KG und die C. GmbH (Klägerinnen, Beschwerdegegnerinnen) sind im Bereich der Publikation wissenschaftlicher, technischer und medizinischer Fachschriften tätig.
A.a Die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ, Beklagte, Beschwerdeführerin) ist eine autonome öffentlich-rechtliche Anstalt des Bundes mit eigener Rechtspersönlichkeit.
A.b Die Beklagte betreibt einen Dokumentenlieferdienst. Im Rahmen dieses Dienstes scannt sie auf Anfrage eines (beliebigen) Bestellers hin Auszüge aus in der Bibliothek vorhandenen Zeitschriften oder Sammelbänden ein oder kopiert diese auf analoge Weise und sendet daraufhin die angefertigte Kopie dem Besteller per E-Mail (als PDF-Datei) oder per Post zu. Von gewissen Benützern wird dafür eine Gebühr erhoben.
A.b Die Klägerinnen stellen sich auf den Standpunkt, der Dokumentenlieferdienst verletze ihre Urheberrechte und sei daher unzulässig. Die Beklagte ist der Ansicht, ihre Dienstleistung bewege sich im Rahmen des urheberrechtlich zulässigen Eigengebrauchs.
B. Am 19. Dezember 2011 erhoben die Klägerinnen beim Handelsgericht des Kantons Zürich Klage, im Wesentlichen jeweils mit den Anträgen, es sei der Beklagten unter Androhung der Bestrafung ihrer Organe nach Art. 292 StGB im Widerhandlungsfall zu verbieten, Artikel aus fünf namentlich aufgeführten wissenschaftlichen Zeitschriften zum Zwecke der Dokumentenlieferung zu vervielfältigen oder vervielfältigen zu lassen und elektronisch zu versenden oder versenden zu lassen (Antrags-Ziffer 1). Eventualiter sei der Beklagten zu verbieten, Artikel aus dem Printbestand der in Antrags-Ziffer 1 genannten Zeitschriften in ihrer Bibliothek zu scannen oder scannen zu lassen und anschliessend per E-Mail zu versenden oder versenden zu lassen (Antrags-Ziffer 2). Subeventualiter sei der Beklagten zu verbieten, bestimmte Zeitschriftenartikel zum Zwecke der Dokumentenlieferung zu vervielfältigen oder vervielfältigen zu lassen und elektronisch zu versenden oder versenden zu lassen (Antrags-Ziffer 3).
B. Art. 292 StGB Mit Urteil vom 7. April 2014 wies das Handelsgericht des Kantons Zürich jeweils Ziffern 1 und 2 der Rechtsbegehren der Klägerinnen ab (Dispositiv-Ziffern 1-3). Das Handelsgericht erwog, die Klägerinnen hätten nicht rechtsgenüglich behauptet, die Urheberrechte an den fraglichen wissenschaftlichen Zeitschriften derivativ erworben zu haben. BGE 140 III 616 S. 618
BGE 140 III 616 S. 618
Demgegenüber sah das Handelsgericht die Urheberrechte an den jeweils in Antrags-Ziffer 3 bezeichneten Zeitschriftenartikeln, die unbestrittenermassen die Klägerinnen innehaben, als verletzt an. Entsprechend verbot es der Beklagten in Gutheissung der jeweiligen Antrags-Ziffer 3 unter Androhung der Bestrafung ihrer Organe nach Art. 292 StGB im Widerhandlungsfall, sechs namentlich aufgeführte Artikel aus den fraglichen Zeitschriften zum Zwecke der Dokumentenlieferung zu vervielfältigen oder vervielfältigen zu lassen und elektronisch zu versenden oder versenden zu lassen (Dispositiv-Ziffer 4).
Art. 292 StGB Das Handelsgericht erwog, die Auslegung von Art. 19 Abs. 3 lit. a URG ergebe, dass der durch die Beklagte betriebene Dokumentenlieferdienst unter diese Bestimmung falle, weshalb diese Dienstleistung nicht erlaubt sei. Entsprechend sei die Unterlassungsklage im Sinne von Art. 62 Abs. 1 lit. a URG in Bezug auf die jeweils in Antrags-Ziffer 3 aufgeführten wissenschaftlichen Zeitschriftenartikel zu schützen.
Art. 19 Abs. 3 lit. a URG Art. 62 Abs. 1 lit. a URG Im Weiteren regelte es die Kosten- und Entschädigungsfolgen (Dispositiv-Ziffern 5-7).
C. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beklagte dem Bundesgericht, es seien Dispositiv-Ziffern 4-7 des Urteils des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 7. April 2014 aufzuheben und es sei die Klage abzuweisen.
C. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, es hebt Dispositiv-Ziffern 4-7 des angefochtenen Urteils auf und weist die Klage ab.
( Zusammenfassung )
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
3. Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz vor, die Eigengebrauchsregelung nach Art. 19 URG (SR 231.1) in verschiedener Hinsicht unzutreffend ausgelegt zu haben.
3. Art. 19 URG 3.1 Die Vorinstanz hielt dafür, es seien die zur Diskussion stehenden wissenschaftlichen Aufsätze selber, und nicht die Zeitschrift als Ganzes, als Werkexemplare im Sinne von Art. 19 Abs. 3 lit. a URG einzustufen. Indem die Beschwerdeführerin auf Bestellung einzelne Zeitschriftenaufsätze kopiere, die auch über die Online-Archive der Beschwerdegegnerinnen erhältlich sind, erstelle sie vollständige Vervielfältigungen im Handel erhältlicher Werkexemplare BGE 140 III 616 S. 619 im Sinne von Art. 19 Abs. 3 lit. a URG. Alle Tatbestandsmerkmale dieser Bestimmung seien bei einer zeitgemässen Auslegung als erfüllt zu erachten, weshalb der von der Beschwerdeführerin betriebene Dokumentenlieferdienst darunter falle.
3.1 Art. 19 Abs. 3 lit. a URG BGE 140 III 616 S. 619
Art. 19 Abs. 3 lit. a URG Den Einwand, eine solche Auslegung der Eigengebrauchsregelung gefährde das öffentliche Informationsinteresse, da sie allgemein zur Unzulässigkeit der Vervielfältigung einzelner Aufsätze führe, liess die Vorinstanz nicht gelten. Es müsse der Öffentlichkeit im Rahmen der Eigengebrauchsregelung im Sinne von Art. 19 Abs. 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 lit. a URG nämlich auch beim gleichzeitigen elektronischen Angebot von Einzelartikeln durch die Verlage nach wie vor erlaubt sein, in Bibliotheken Kopien von Werkexemplaren anzufertigen oder anfertigen zu lassen. Dies sei möglich, da der private Kreis gemäss Art. 19 Abs. 1 lit. a URG, der nach Art. 19 Abs. 2 URG die Hilfe einer Bibliothek zur Vervielfältigung in Anspruch nehme, nach zutreffender Auffassung gar nicht unter Art. 19 Abs. 3 lit. a URG falle; die bis anhin übliche Unterscheidung des Privatgebrauchs im engeren vom Privatgebrauch im weiteren Sinne könne nicht aufrechterhalten werden. Das (vollständige) Kopieren eines im Handel erhältlichen Werkexemplars mit Hilfe eines von einer Bibliothek zur Verfügung gestellten Kopiergeräts sei demnach einer natürlichen Person gestattet, welche die Vervielfältigung zu ihrem eigenen persönlichen Gebrauch verwende. Dabei sei auch die durch den Konsumenten auf einem Scanner der Bibliothek vorgenommene digitale Kopie und die hernach eigenhändig vorgenommene elektronische Versendung an seine eigene E-Mail-Adresse auf einem durch die Bibliothek zur Verfügung gestellten Computer als rechtmässig zu erachten. Hingegen gehöre die Versendung von Kopien durch die Bibliothek nicht zu den nach Art. 19 Abs. 2 URG zulässigen Handlungen eines Dritten, zumal die Bestimmung lediglich den Terminus "Herstellen" verwende, der die Anfertigung einer digitalen oder analogen Kopie abdecke, jedoch nicht deren anschliessende Versendung.
Art. 19 Abs. 3 lit. a URG Art. 19 Abs. 1 lit. a URG Art. 19 Abs. 2 URG Art. 19 Abs. 3 lit. a URG Art. 19 Abs. 2 URG Der von der Beschwerdeführerin betriebene Dokumentenlieferdienst falle unter Art. 19 Abs. 3 lit. a URG und sei daher unzulässig. Der Konsument, der unter die Schrankenbestimmung von Art. 19 Abs. 1 lit. a-c URG zu subsumieren sei, könne jedoch nach wie vor - der in den Bibliotheken gängigen Kopierpraxis entsprechend - eine Kopie eines wissenschaftlichen Aufsatzes auf einem durch die Bibliothek zur Verfügung gestellten Kopiergerät herstellen oder herstellen BGE 140 III 616 S. 620 lassen, auch wenn dieser Artikel gleichzeitig durch einen Verlag auf einer Online-Plattform angeboten werde. Auch eine Prüfung nach dem sog. Dreistufentest gemäss Art. 9 Abs. 2 der Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst, revidiert in Paris am 24. Juli 1971 (SR 0.231.15; nachfolgend: RBÜ) ergebe, dass die von der Beschwerdeführerin angebotene Dienstleistung nicht zulässig sei.
Art. 19 Abs. 3 lit. a URG Art. 19 Abs. 1 lit. a-c URG BGE 140 III 616 S. 620
3.2 Nach Art. 10 Abs. 1 URG hat der Urheber das ausschliessliche Recht zu bestimmen, ob, wann und wie das Werk verwendet wird. Dieses Recht umfasst nach Art. 10 Abs. 2 URG insbesondere das Vervielfältigungsrecht (lit. a), das Verbreitungsrecht (lit. b) und das Recht des Zugänglichmachens (lit. c). Gleichzeitig sieht das Gesetz zugunsten allgemeiner Interessen Beschränkungen des Urheberrechts vor, so insbesondere in Art. 19 URG hinsichtlich der zulässigen Verwendung zum Eigengebrauch. Im vorgesehenen Rahmen bedarf die Werkverwendung nicht der Zustimmung des Rechtsinhabers, sie unterliegt aber nach Massgabe von Art. 20 Abs. 2 URG der Vergütungspflicht, wobei die entsprechenden Vergütungsansprüche nur von zugelassenen Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden können ( Art. 20 Abs. 4 URG ).
3.2 Art. 10 Abs. 1 URG Art. 10 Abs. 2 URG Art. 19 URG Art. 20 Abs. 2 URG Art. 20 Abs. 4 URG Nach Art. 19 Abs. 1 URG gilt als zulässiger Eigengebrauch "jede Werkverwendung im persönlichen Bereich und im Kreis von Personen, die unter sich eng verbunden sind, wie Verwandte oder Freunde" (lit. a), "jede Werkverwendung der Lehrperson für den Unterricht in der Klasse" (lit. b) sowie "das Vervielfältigen von Werkexemplaren in Betrieben, öffentlichen Verwaltungen, Instituten, Kommissionen und ähnlichen Einrichtungen für die interne Information oder Dokumentation" (lit. c).
Art. 19 Abs. 1 URG Art. 19 Abs. 2 URG erweitert den Geltungsbereich des Eigengebrauchs, indem der zum Eigengebrauch Berechtigte "unter Vorbehalt von Absatz 3 die dazu erforderlichen Vervielfältigungen auch durch Dritte herstellen lassen [darf]", so insbesondere durch Bibliotheken und andere öffentliche Institutionen, aber auch durch Geschäftsbetriebe. Nach dem vorbehaltenen Absatz 3 ist "[a]usserhalb des privaten Kreises nach Absatz 1 Buchstabe a" unter anderem "die vollständige oder weitgehend vollständige Vervielfältigung im Handel erhältlicher Werkexemplare" unzulässig (lit. a).
Art. 19 Abs. 2 URG 3.3 Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde BGE 140 III 616 S. 621 liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen ( BGE 140 III 206 E. 3.5.4; BGE 140 IV 1 E. 3.1, BGE 140 IV 28 E. 4.3.1; BGE 140 V 8 E. 2.2.1; je mit Hinweisen).
3.3 BGE 140 III 616 S. 621
Ausgangspunkt jeder Auslegung ist der Wortlaut. Vom klaren, d.h. eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut darf nur ausnahmsweise abgewichen werden, unter anderem, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Norm wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Sinn und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit anderen Vorschriften ergeben ( BGE 140 II 129 E. 3.2; BGE 140 IV 108 E. 6.4; BGE 140 V 213 E. 4.1; je mit Hinweisen). Eine historisch orientierte Auslegung ist für sich allein nicht entscheidend; anderseits vermag aber nur sie die Regelungsabsicht des Gesetzgebers (die sich insbesondere aus den Materialien ergibt) aufzuzeigen, welche wiederum zusammen mit den zu ihrer Verfolgung getroffenen Wertentscheidungen verbindliche Richtschnur des Gerichts bleibt, auch wenn es das Gesetz mittels teleologischer Auslegung oder Rechtsfortbildung veränderten, vom Gesetzgeber nicht vorausgesehenen Umständen anpasst oder es ergänzt ( BGE 138 III 359 E. 6.2 S. 361; BGE 137 V 13 E. 5.1 S. 17; vgl. auch BGE 140 III 206 E. 3.5.3).
3.4
3.4 3.4.1 Nach Art. 19 Abs. 2 URG ist es dem zum Eigengebrauch Berechtigten gestattet, die dazu erforderlichen Vervielfältigungen auch durch Dritte herstellen zu lassen ("en charger un tiers" bzw. "anche da un terzo"). Die Befugnis zum Eigengebrauch ist, wie grundsätzlich das ganze Urheberrechtsgesetz, technologieneutral ausgestaltet (BARRELET/EGLOFF, Das neue Urheberrecht, 3. Aufl. 2008, N. 7a zu Art. 10 und N. 7c zu Art. 19 URG ; CHRISTOPH GASSER, in: Urheberrechtsgesetz [URG], Müller/Oertli [Hrsg.], 2. Aufl. 2012, N. 9a zu Art. 19 URG ). Es spielt demnach keine Rolle, ob die entsprechende Vervielfältigung auf analoger oder digitaler Basis erfolgt (vgl. BGE 133 III 473 E. 4.3).
3.4.1 Art. 19 Abs. 2 URG Art. 19 URG Art. 19 URG BGE 140 III 616 S. 622 Die Vorinstanz stellt zu Recht nicht in Frage, dass der zum Eigengebrauch Berechtigte eine Bibliothek - wie sie von der Beschwerdeführerin betrieben wird - mit der Erstellung einer entsprechenden analogen oder digitalen Kopie beauftragen darf. Sie erachtet unter Hinweis auf den Sinn und Zweck der Bestimmung und insbesondere mit Blick auf den Terminus "herstellen" in Art. 19 Abs. 2 URG allerdings ausschliesslich die Anfertigung einer solchen Kopie für zulässig, nicht jedoch deren anschliessende Versendung, die "nicht zur rein technischen Durchführung der Herstellung einer Kopie" gehöre; ausserdem sei der Betrieb eines Dokumentenlieferdienstes und die damit einhergehende Versendung (per Post oder per E-Mail) von Vervielfältigungen gegen eine entsprechende kostendeckende Gebühr nicht Teil der Kernaufgabe von Bibliotheken.
BGE 140 III 616 S. 622
Art. 19 Abs. 2 URG 3.4.2 Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Art. 19 Abs. 2 URG soll verhindern, dass ein Dritter (wie etwa eine Bibliothek), der die Kopie für den zum Eigengebrauch Berechtigten herstellt, Art. 10 Abs. 2 lit. a URG verletzt ( BGE 133 III 473 E. 4.3). Die Anwendbarkeit von Art. 19 Abs. 2 URG setzt nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht voraus, dass sich die Dienstleistung des Dritten auf den technischen Kopiervorgang beschränkt, sofern mit den weiteren Handlungen nicht in fremde Urheberrechte eingegriffen wird ( BGE 133 III 473 E. 5). Der Dritte darf etwa auch aus eigenen Beständen kopieren, vorausgesetzt der tatsächliche Zugang zum Originalexemplar erfolgt rechtmässig; es ist für die Anwendbarkeit demnach nicht erforderlich, dass die berechtigte Person das Werkexemplar selbst zur Verfügung stellt ( BGE 133 III 473 E. 5.2 mit Hinweisen). Allerdings muss der zum Eigengebrauch Berechtigte selbst bestimmen, was kopiert werden soll; ein Kopieren auf Vorrat durch den Dritten ist damit ausgeschlossen ( BGE 133 III 473 E. 5.3; BGE 128 IV 201 E. 3.4). Ausserdem sind die Einschränkungen nach Art. 19 Abs. 3 URG zu beachten.
3.4.2 Art. 19 Abs. 2 URG Art. 10 Abs. 2 lit. a URG Art. 19 Abs. 2 URG Art. 19 Abs. 3 URG Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann die Anwendbarkeit von Art. 19 Abs. 2 URG nicht mit der Begründung verneint werden, der Betrieb eines Dokumentenlieferdienstes gehöre nicht zum Kernbereich einer Bibliothek bzw. der entsprechende Dienst an sich sei nicht mit der ratio legis dieser Bestimmung in Einklang zu bringen. Ebenso wenig vermag die vorinstanzliche Auslegung zu überzeugen, wonach der in der erwähnten Bestimmung verwendete Terminus "herstellen" zwar die Anfertigung einer digitalen oder analogen Kopie abdecke, jedoch nicht deren anschliessende Versendung, BGE 140 III 616 S. 623 ansonsten dem Gesetzeswortlaut nach Ansicht der Vorinstanz auch ein Hinweis auf das Versenden entnommen werden könnte ("[...]auch durch Dritte herstellen und versenden lassen [...]"). Zwar trifftzu, dass nach dem Wortlaut von Art. 19 Abs. 2 URG nur die Herstellung von Vervielfältigungen erwähnt wird. Dies ist jedoch folgerichtig, zumal mit der Bestimmung verhindert werden soll, dass derbeigezogene Dritte, der sich selber nicht auf die Urheberrechtsschranke des Eigengebrauchs berufen kann, mit dem KopiervorgangArt. 10 Abs. 2 lit. a URG verletzt. Eine weitergehende Ausnahmevom Urheberrechtsschutz sieht die Bestimmung für den Drittennicht vor, weshalb seine über den Kopiervorgang hinausgehendenHandlungen danach zu beurteilen sind, ob sie anderweitig in fremde Nutzungsrechte nach Art. 10 URG eingreifen.
Art. 19 Abs. 2 URG BGE 140 III 616 S. 623
Art. 19 Abs. 2 URG Art. 10 URG Entscheidend ist demnach für die Zulässigkeit der fraglichen Dienstleistung aus urheberrechtlicher Sicht, ob die - über den technischen Kopiervorgang hinausgehenden - Handlungen der Bibliothek urheberrechtlich relevant sind, indem sie fremde Urheberrechte verletzen. Werden mit dem Versenden der hergestellten Kopie an den zum Eigengebrauch Berechtigten keine Urheberrechte verletzt, ist diese Weitergabe zulässig und es erübrigt sich eine diesbezügliche Ausnahmebestimmung.
3.4.3 Wie die Beschwerdeführerin zutreffend ausführt, ist grundsätzlich nur die Vervielfältigung, nicht aber das Versenden einer Kopie an den Berechtigten ein urheberrechtlich relevanter Vorgang. Dass es sich bei der Versendung einer einzelnen Kopie an den zum Eigengebrauch Berechtigten auf dessen Bestellung hin um ein Verbreiten nach Art. 10 Abs. 2 lit. b URG oder um ein Zugänglichmachen nach Art. 10 Abs. 2 lit. c URG handeln würde, bringen auch die Beschwerdegegnerinnen zu Recht nicht vor (dazu etwa HERBERT PFORTMÜLLER, in: Urheberrechtsgesetz [URG], Müller/Oertli [Hrsg.], 2. Aufl. 2012, N. 7 ff. zu Art. 10 URG ).
3.4.3 Art. 10 Abs. 2 lit. b URG Art. 10 Abs. 2 lit. c URG Art. 10 URG Stellt das Versenden einer (erlaubterweise erstellten) Kopie an den zum Eigengebrauch berechtigten Auftraggeber keine urheberrechtliche Nutzungshandlung dar, besteht kein Anlass, diesen Vorgang eigens zu erlauben. Ist ein Dritter (wie etwa eine Bibliothek) nach Art. 19 Abs. 2 URG befugt, Kopien in analoger oder digitaler Form herzustellen, darf er diese auch an den zum Eigengebrauch Berechtigten versenden (so zutreffend auch GASSER, a.a.O., N. 25 zu Art. 19 URG ; IVAN CHERPILLOD, in: Urheberrecht, SIWR Bd. II/1, von Büren/ BGE 140 III 616 S. 624 David [Hrsg.], 3. Aufl. 2014, Rz. 817; vgl. auch PIERRE-EMMANUEL RUEDIN, in: Commentaire romand, Propriété intellectuelle, 2013, N. 61 zu Art. 19 URG ). Die Herstellung von Kopien durch den Dritten im Rahmen von Art. 19 Abs. 2 URG wird dem Auftraggeber als Vervielfältigungshandlung zugerechnet, was ein Verbreiten im Sinne des Urheberrechts durch eine entsprechende Weitergabe an diesen, die notgedrungen zu erfolgen hat, folgerichtig ausschliesst. Der fragliche Dokumentenlieferdienst nimmt in dieser Beziehung keine anderen Handlungen vor, als der zum Eigengebrauch Berechtigte selber vornehmen dürfte (vgl. BGE 133 III 473 E. 5.4 S. 485). Die Vorinstanz führt in diesem Zusammenhang zutreffend aus, dass der Berechtigte eine auf dem Scanner der Bibliothek erstellte digitale Kopie auch elektronisch an seine eigene E-Mail-Adresse versenden dürfe.
Art. 19 Abs. 2 URG Art. 19 URG BGE 140 III 616 S. 624
Art. 19 URG Art. 19 Abs. 2 URG 3.4.4 Zwar trifft zu, dass bei Erlass von aArt. 19 URG (AS 1993 1803 f.) im Jahre 1992 von analogen Werkexemplaren ausgegangen wurde und eine Versendung über E-Mail wohl noch nicht zur Diskussion stand. Im Zeitpunkt der Gesetzesanpassung im Jahre 2007, die gerade vor dem Hintergrund eines nunmehr digitalen Umfelds erfolgte (vgl. BGE 133 III 473 E. 4.5), war die elektronische Versendung digitaler Dokumente allerdings bereits weit verbreitet. Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber infolge der Verfügbarkeit neuer Technologien den Eigengebrauch bezüglich digitaler Kopien einschränken wollte, sind jedoch nicht ersichtlich. Die Befugnis zum Eigengebrauch bleibt demnach auch hinsichtlich der Übergabe der Kopie an den Auftraggeber technologieneutral ausgestaltet (vgl. BARRELET/EGLOFF, a.a.O., N. 7c zu Art. 19 URG ); auf teilweise geforderte Sonderschranken für digitale Vervielfältigungen durch Dritte wurde auch im Rahmen der Revision des Urheberrechtsgesetzes vom 5. Oktober 2007, mit der unter anderem die Eigengebrauchsregelung an das digitale Umfeld angepasst werden sollte, bewusst verzichtet (vgl. bereits BGE 133 III 473 E. 4.5).
3.4.4 Art. 19 URG Entgegen dem angefochtenen Entscheid schliesst Art. 19 Abs. 2 URG die Weitergabe einer zulässigerweise erstellten Kopie an den Berechtigten durch Versendung per Post oder per E-Mail nicht aus; vielmehr ist eine solche Weitergabe zulässig.
Art. 19 Abs. 2 URG 3.5
3.5 3.5.1 Art. 19 Abs. 1 lit. a URG Art. 19 Abs. 2 URG BGE 140 III 616 S. 625
Art. 19 Abs. 3 lit. a URG Art. 19 Abs. 1 lit. a URG Art. 19 Abs. 1 lit. b und c URG Diese Auslegung ist mit dem Gesetzeswortlaut, mit Sinn und Zweck sowie der Gesetzessystematik nicht vereinbar. Das Bundesgericht entschied bereits unter der damaligen Gesetzesfassung, dass nach Art. 19 aAbs. 3 lit. a URG die vollständige oder weitgehend vollständige Vervielfältigung im Handel erhältlicher Werkexemplare ausserhalb des privaten Kreises nach Art. 19 Abs. 1 lit. a URG unzulässig ist. Es erwog, die Bestimmung von Art. 19 aAbs. 2 URG betreffend das Herstellenlassen von Werkexemplaren zum Eigengebrauch durch Dritte stehe unter dem Vorbehalt von Art. 19 aAbs. 3 lit. a URG. Entsprechend sei es erlaubt, zum Eigengebrauch nach Art. 19 Abs. 1 lit. a URG Auszüge aus im Handel erhältlichen Werkexemplaren (etwa Büchern, Videofilmen etc.) durch einen Dritten im Sinne von Art. 19 aAbs. 2 URG kopieren zu lassen; hingegen sei es untersagt, im Handel erhältliche Werkexemplare vollständig oder weitgehend vollständig zum Eigengebrauch durch Dritte vervielfältigen zu lassen ( BGE 128 IV 201 E. 3.5). Der Einwand der Vorinstanz, wonach die Erwägungen dieses Entscheids für den zu beurteilenden Fall nicht massgebend seien, da es sich im erwähnten Bundesgerichtsentscheid nicht um eine Bibliothek, sondern um eine Videothek gehandelt habe, verfängt nicht. Bei beiden handelt es sich unzweifelhaft um Dritte im Sinne von Art. 19 Abs. 2 URG ; Bibliotheken werden sowohl in der damaligen als auch in der geltenden Fassung ausdrücklich angeführt und unterliegen hinsichtlich des Umfangs der zulässigen Vervielfältigungen denselben Einschränkungen.
Art. 19 Abs. 1 lit. a URG Art. 19 Abs. 1 lit. a URG Art. 19 Abs. 2 URG 3.5.2 An dieser Rechtslage hat sich mit der Neufassung von Art. 19 URG im Jahre 2007 (in Kraft seit 1. Juli 2008) nichts geändert; sie wird durch den angepassten Wortlaut vielmehr klargestellt: Bereits im soeben erwähnten Entscheid wie auch im nachfolgenden Urteil zur Zulässigkeit der Erstellung von Pressespiegeln wies das BGE 140 III 616 S. 626 Bundesgericht auf die damals vorgeschlagene Anpassung von Art. 19 aAbs. 2 URG hin, nach der die Herstellung von Kopien durch Dritte ausdrücklich unter dem Vorbehalt von Abs. 3 stehen soll ( BGE 133 III 473 E. 5.2; BGE 128 IV 201 E. 3.5 S. 215). Die geltende Fassung von Art. 19 Abs. 2 URG - die im Übrigen vor dem Hintergrund eines nunmehr digitalen Umfelds verabschiedet wurde (vgl. BGE 133 III 473 E. 4.5), weshalb der Einwand nicht verfängt, Online-Dienste von Verlagen hätten im Erlasszeitpunkt noch nicht existiert - erwähnt diesen Vorbehalt nunmehr ausdrücklich.
3.5.2 Art. 19 URG BGE 140 III 616 S. 626
Art. 19 Abs. 2 URG Wie bereits in der Botschaft zur Gesetzesrevision ausgeführt, steht damit auch aufgrund des Wortlauts fest, dass für Kopien, die von Dritten auf Bestellung einer nach Art. 19 Abs. 1 URG zum Eigengebrauch berechtigten Person hin hergestellt werden, in jedem Fall die in Art. 19 Abs. 3 URG enthaltenen Einschränkungen gelten (Botschaft vom 10. März 2006 zum Bundesbeschluss über die Genehmigung von zwei Abkommen der Weltorganisation für geistiges Eigentum und zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes, BBl 2006 3429 Ziff. 2.4 zu Art. 19 VE-URG; vgl. bereits die Botschaft vom 19. Juni 1989 zum Urheberrechtsgesetz, BBl 1989 III 541; vgl. auch GASSER, a.a.O., N. 28 zu Art. 19 URG ). Ausserdem verdeutlicht die Anpassung des Wortlauts von Art. 19 Abs. 3 URG, dass mit dem privaten Kreis, der von der Einschränkung dieser Bestimmung ausgenommen ist, nur der in Abs. 1 lit. a URG umschriebene Kreis gemeint ist. Das vollständige Kopieren eines im Handel erhältlichen Werkexemplars ist demnach weiterhin nur einer natürlichen Person gestattet, die diese Kopie zu ihrem eigenen persönlichen Gebrauch verwendet und darf nur von ihr selbst oder einer Person vorgenommen werden, die zum Verwandten- oder Freundeskreis gehört (BBl 2006 3429 Ziff. 2.4 zu Art. 19 VE-URG; vgl. auch GASSER, a.a.O., N. 30 zu Art. 19 URG ; BARRELET/EGLOFF, a.a.O., N. 22 zu Art. 19 URG ; CHERPILLOD, a.a.O., Rz. 781; RUEDIN, a.a.O., N. 67 zu Art. 19 URG ; RETO M. HILTY, Urheberrecht, 2011, § 17 Rz. 227 S. 199; vgl. auch FRANÇOIS DESSEMONTET, Le droit d'auteur, 1999, Rz. 438).
Art. 19 Abs. 1 URG Art. 19 Abs. 3 URG Art. 19 URG Art. 19 Abs. 3 URG Art. 19 URG Art. 19 URG Art. 19 URG Dieses Ergebnis entspricht auch der Gesetzessystematik, indem Abs. 1 lit. a von Art. 19 URG zunächst den privaten Kreis definiert, in dem die Werkverwendung natürlichen Personen - ohne Einschaltung eines Dritten nach Art. 19 Abs. 2 URG (vgl. GASSER, a.a.O., N. 6 zu Art. 19 URG ) - offensteht, sodann in Abs. 2 der Beizug Dritter zur Vervielfältigung in beschränktem Rahmen (d.h. unter Vorbehalt von Abs. 3) als zulässig erklärt wird, und in Abs. 3 BGE 140 III 616 S. 627 Ausnahmen vom zulässigen Eigengebrauch vorgesehen sind, die wiederum innerhalb des beschränkten Kreises nach Abs. 1 lit. a nicht gelten. Die Beschwerdeführerin weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass auch Art. 20 URG auf der Unterscheidung zwischen Privatgebrauch im engeren Sinne ( Art. 19 Abs. 1 lit. a URG, d.h. ohne Einsatz eines Dritten) und Privatgebrauch im weiteren Sinne (d.h. mit Beizug eines Dritten nach Art. 19 Abs. 2 URG ) beruht, indem der erstgenannte Eigengebrauch nach Abs. 1 - abgesehen von einer hier nicht interessierenden Ausnahme - für vergütungsfrei erklärt wird, während beim Beizug eines Dritten für die Vervielfältigung nach Abs. 2 eine Vergütung geschuldet ist. Die vorinstanzliche Auffassung, wonach die Unterscheidung zwischen Privatgebrauch im engeren und Privatgebrauch im weiteren Sinne aufzugeben sei, ist auch unter diesem Gesichtspunkt nicht haltbar.
Art. 19 URG Art. 19 Abs. 2 URG Art. 19 URG BGE 140 III 616 S. 627
Art. 20 URG Art. 19 Abs. 1 lit. a URG Art. 19 Abs. 2 URG Art. 19 Abs. 2 URG Art. 19 Abs. 1 lit. a URG Art. 19 Abs. 2 URG 3.5.3 Die vorinstanzliche Auslegung würde etwa dazu führen, dass eine natürliche Person im Rahmen des Eigengebrauchs beispielsweise eine Bibliothek oder eine Videothek damit beauftragen könnte, für sie eine vollständige Kopie eines Buchs bzw. einer DVD oder CD anzufertigen. Dies sollte nach dem Willen des Gesetzgebers BGE 140 III 616 S. 628 ausserhalb des privaten Kreises nach Art. 19 Abs. 1 lit. a URG gerade nicht zulässig sein. Der angefochtene Entscheid verkennt ausserdem, dass eine vollständige oder weitgehend vollständige Vervielfältigung im Handel erhältlicher Werkexemplare zum Schulgebrauch ( Art. 19 Abs. 1 lit. b URG ) oder zum betriebsinternen Gebrauch ( Art. 19 Abs. 1 lit. c URG ) in jedem Fall verboten ist, mithin von der zum Eigengebrauch berechtigten Person auch nicht selbst vorgenommen werden darf (CHERPILLOD, a.a.O., Rz. 800 f., 822 f.; BARRELET/EGLOFF, a.a.O., N. 22 zu Art. 19 URG ; GASSER, a.a.O., N. 30 zu Art. 19 URG ; RUEDIN, a.a.O., N. 62 zu Art. 19 URG ; vgl. auch BGE 133 III 473 E. 3.1 S. 478).
3.5.3 BGE 140 III 616 S. 628
Art. 19 Abs. 1 lit. a URG Art. 19 Abs. 1 lit. b URG Art. 19 Abs. 1 lit. c URG Art. 19 URG Art. 19 URG Art. 19 URG Die von der Vorinstanz zu Unrecht als zulässig erachteten Möglichkeiten, vollständige Kopien anzufertigen oder anfertigen zu lassen, wären auch mit Art. 9 Abs. 2 RBÜ unvereinbar, der den Verbandsländern eine Beschränkung des Vervielfältigungsrecht des Urhebers nur so weit gestattet, als die normale Auswertung des Werks nicht beeinträchtigt wird. Könnten Bibliotheken, andere öffentliche Institutionen und Geschäftsbetriebe (wie Videotheken oder Kopieranstalten) im Rahmen des Eigengebrauchs mit der vollständigen Vervielfältigung von Werkexemplaren (etwa in Form von Büchern, Zeitschriften, DVDs, CDs etc.) beauftragt werden, wäre die normale Werkauswertung nicht mehr gewährleistet (vgl. bereits BBl 1989 III 541).
Art. 9 Abs. 2 RBÜ 3.6 Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz zudem eine unzutreffende Auslegung des Begriffs der im Handel erhältlichen "Werkexemplare" nach Art. 19 Abs. 3 lit. a URG vor.
3.6 Art. 19 Abs. 3 lit. a URG 3.6.1 Die Vorinstanz erwog, zur Beurteilung, ob eine (unzulässige) vollständige oder weitgehend vollständige Vervielfältigung im Handel erhältlicher Werkexemplare vorliege, sei nicht nur auf die Zeitschrift abzustellen, aus der etwa ein Artikel kopiert wird, sondern es sei darüber hinaus zu berücksichtigen, ob der kopierte Artikel auch einzeln auf elektronischem Weg bezogen werden könne. Biete ein Verlag über ein Online-Archiv einzelne Zeitschriftenartikel zum Herunterladen an, stelle dieser Einzelartikel das Werkexemplar im Sinne von Art. 19 Abs. 3 lit. a URG dar, und werde die zumindest weitgehend vollständige Vervielfältigung eines einzelnen Artikels widerrechtlich, selbst wenn als Kopiervorlage die Zeitschrift diene. Das vollständige Vervielfältigen eines Artikels sei immer dann unzulässig, wenn dadurch der durch die Verlage betriebene digitale BGE 140 III 616 S. 629 Vertrieb direkt konkurrenziert werde. Die in der Botschaft 1989 verankerte Ansicht, wonach ein einzelner Aufsatz einer Zeitschrift nicht als "Werkexemplar" einzustufen sei (BBl 1989 III 541), erscheine angesichts des technologischen Wandels vom analogen zum digitalen Zeitalter nicht mehr haltbar. Die seit Jahren fortschreitende Entwicklung, wonach Verlage den Nutzern mittels eines von ihnen zusammengestellten Internetarchivs einzelne Artikel, die Teil eines Handelsguts sind, gegen Entgelt zum Download anbieten, könne nicht unbeachtet bleiben. Damit treffe aber auch die in der Botschaft 1989 getroffene Annahme nicht mehr zu, dass einzig bzw. erst die vollständige Kopie eines Handelsguts der Werkverbreitung Konkurrenz machen könne. Das Handelsgut habe sich in den letzten Jahren gewandelt: Der Durchschnittskonsument interessiere sich heute vielfach lediglich für einen spezifischen Artikel, nicht jedoch für das ganze Produkt, da oft der einzelne Artikel (und nicht die Zeitschrift oder das Buch als Ganzes) die den Endnutzer interessierende Thematik abhandle. Der Download eines einzelnen wissenschaftlichen Artikels sei für den Konsumenten überdies finanziell vorteilhafter als der Kauf des gesamten Produkts, d.h. der wissenschaftlichen Zeitschrift oder des (Lehr-)Buchs; die Verlage bedienten dieses Bedürfnis der Konsumenten im Gegenzug, indem sie einzelne Artikel auch online anböten.
3.6.1 Art. 19 Abs. 3 lit. a URG BGE 140 III 616 S. 629
Vor diesem Hintergrund dränge sich eine zeitgemässe Auslegung des Begriffs "Werkexemplar" auf, weshalb für die Beurteilung der Zulässigkeit von Vervielfältigungen die in Frage stehenden wissenschaftlichen Aufsätze selber (und nicht erst die Zeitschrift als Ganze) als Werkexemplare im Sinne von Art. 19 Abs. 3 lit. a URG einzustufen und zu berücksichtigen seien.
Art. 19 Abs. 3 lit. a URG 3.6.2 Gemäss dem in Art. 9 Abs. 2 RBÜ für die Vervielfältigung und in Art. 13 des Abkommens vom 15. April 1994 über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (SR 0.632. 20, Anhang 1C; TRIPS) sowie in Art. 10 des WIPO-Urheberrechtsvertrags vom 20. Dezember 1996 (WCT; SR 0.231.151) allgemein festgeschriebenen sog. Dreistufentest sind Ausnahmen vom Vervielfältigungsrecht wie auch von anderen Verwendungsrechten nur zulässig, wenn dadurch nicht die normale Werkauswertung beeinträchtigt oder die berechtigten Interessen der Urheber unzumutbar verletzt werden (vgl. auch Art. 16 des WIPO-Vertrags vom 20. Dezember 1996 über Darbietungen und Tonträger [WPPT; SR 0.231.171.1]). Der Gesetzgeber war demnach gezwungen, die durch Art. 19 URG gewährte BGE 140 III 616 S. 630 gesetzliche Lizenz dort zu beschränken, wo der dadurch bewirkte wirtschaftliche Schaden allzu gross würde (BARRELET/EGLOFF, a.a.O., N. 21 zu Art. 19 URG ); die unmittelbare Konkurrenzierung des Absatzes von Werkstücken durch Kopieren zum Eigengebrauch sollte eingedämmt werden (GASSER, a.a.O., N. 31 zu Art. 19 URG ; BBl 1989 III 541).
3.6.2 Art. 9 Abs. 2 RBÜ Art. 19 URG BGE 140 III 616 S. 630
Art. 19 URG Art. 19 URG Entsprechend schliesst Art. 19 Abs. 3 lit. a URG - ausserhalb des privaten Kreises nach Art. 19 Abs. 1 lit. a URG - die vollständige oder weitgehend vollständige Vervielfältigung im Handel erhältlicher Werkexemplare im Rahmen des Eigengebrauchs aus und erlaubt nur ein selektives Kopieren. Die Bestimmung dient damit der Verfeinerung der im Eigengebrauchsrecht vorgenommenen Interessenabwägung im Lichte der auf Art. 9 Abs. 2 RBÜ basierenden staatsvertraglichen Grundlagen und entspringt - wie die Eigengebrauchsregelung von Art. 19 URG insgesamt - dem gesetzgeberischen Bestreben, einen Ausgleich zwischen verschiedenen grundrechtlich geschützten Interessen herzustellen, so insbesondere zwischen der Eigentumsgarantie ( Art. 26 Abs. 1 BV ) einerseits und den Kommunikationsgrundrechten (Kultusfreiheit [ Art. 15 BV ], Meinungs- und Informationsfreiheit [ Art. 16 BV ], Medienfreiheit [ Art. 17 BV ], Anspruch auf Grundschulunterricht [ Art. 19 BV ], Wissenschaftsfreiheit [ Art. 20 BV ], Kunstfreiheit [ Art. 21 BV ] und Wirtschaftsfreiheit [ Art. 27 BV ]) andererseits (GASSER, a.a.O., N. 4 Vorbem. zu Art. 19 ff. URG, N. 31 zu Art. 19 URG ).
Art. 19 Abs. 3 lit. a URG Art. 19 Abs. 1 lit. a URG Art. 9 Abs. 2 RBÜ Art. 19 URG Art. 26 Abs. 1 BV Art. 15 BV Art. 16 BV Art. 17 BV Art. 19 BV Art. 20 BV Art. 21 BV Art. 27 BV Art. 19 ff. URG Art. 19 URG 3.6.3 Bereits die Botschaft zum Urheberrechtsgesetz stellte klar, dass der Begriff der "Werkexemplare" in Art. 19 Abs. 3 lit. a URG nicht mit dem Werkbegriff nach Art. 2 URG gleichzustellen ist: Nicht der einzelne Zeitschriftenartikel aus einer wissenschaftlichen Zeitschrift, eine einzelne Kurzgeschichte aus einem Sammelband oder ein Musikstück einer Langspielplatte stellt das Werkexemplar dar, sondern das im Handel angebotene Exemplar in Form der Zeitschrift, des Sammelbands oder der Langspielplatte (BBl 1989 III 541: "Völlig klar ist die Rechtslage, wenn aus dem im Handel erhältlichen Exemplar nur Auszüge kopiert oder überspielt werden: ein Artikel aus einer wissenschaftlichen Zeitschrift, eine Kurzgeschichte aus einem Sammelband, ein Musikstück einer Langspielplatte"). Entsprechend geht auch die Lehre grundsätzlich zutreffend davon aus, nicht das Werk im Sinne von Art. 2 URG, sondern die in sich abgeschlossene Verkaufseinheit gelte als Werkexemplar (GASSER, a.a.O., N. 37 zu Art. 19 URG ), also diejenigen Objekte, die auf dem Markt BGE 140 III 616 S. 631 angeboten werden: Bücher, Zeitungen, Zeitschriften, Filme, CDs, Videos, DVDs etc. (BARRELET/EGLOFF, a.a.O., N. 23 zu Art. 19 URG ; vgl. auch CHERPILLOD, a.a.O., Rz. 800; DESSEMONTET, a.a.O., Rz. 426; RUEDIN, a.a.O., N. 71 zu Art. 19 URG ).
3.6.3 Art. 19 Abs. 3 lit. a URG Art. 2 URG Art. 2 URG Art. 19 URG BGE 140 III 616 S. 631
Art. 19 URG Art. 19 URG In Abweichung vom erwähnten Grundsatz wird in der Lehre allerdings die Meinung vertreten, die von der Vorinstanz geteilt wurde, im Falle der gleichzeitigen Abrufbarkeit einzelner Zeitschriften- oder Zeitungsartikel über ein Internetarchiv entspreche der Begriff des Werkexemplars nach Art. 19 Abs. 3 lit. a URG dem Werkbegriff von Art. 2 URG (GASSER, a.a.O., N. 37a zu Art. 19 URG ; BARRELET/EGLOFF, a.a.O., N. 23a zu Art. 19 URG ; RUEDIN, a.a.O., N. 72 zu Art. 19 URG ; REHBINDER/VIGANÒ, URG, 3. Aufl. 2008, N. 34 zu Art. 19 URG ; DOMINIK P. RUBLI, Das Verbot der Umgehung technischer Massnahmen zum Schutz digitaler Datenangebote, 2009, Rz. 414 S. 283 f.; a.M. CHERPILLOD, a.a.O., Rz. 800 S. 274; YUANSHI BU, Die Schranken des Urheberrechts im Internet, 2004, S. 78).
Art. 19 Abs. 3 lit. a URG Art. 2 URG Art. 19 URG Art. 19 URG Art. 19 URG Art. 19 URG 3.6.4 Sowohl der Wortlaut als auch die Entstehungsgeschichte und der Zweck von Art. 19 Abs. 3 lit. a URG legen nahe, dass unter den Werkexemplaren im Sinne dieser Bestimmung die konkret als Kopiervorlage verwendeten Verkörperungen des Werks zu verstehen sind. Indem von der Vervielfältigung von "Werkexemplaren" und nicht von der Verwendung von "Werken" die Rede ist, wird ( e contrario ) zum Ausdruck gebracht, dass im Rahmen des Eigengebrauchs eine auszugsweise Vervielfältigung der konkret vorliegenden Verkaufseinheit zulässig ist. Dieses Verständnis steht im Einklang mit der Unterscheidung zwischen "Werk" und "Werkexemplar" in Art. 10 URG, wonach der Urheber das ausschliessliche Recht hat, über die Verwendung des Werks zu bestimmen (Abs. 1), wobei er insbesondere berechtigt ist, "Werkexemplare wie Druckerzeugnisse, Ton-, Tonbild- oder Datenträger herzustellen" (Abs. 2 lit. a). Ausgehend vom Wortlaut von Art. 19 Abs. 3 lit. a URG stellt eine auszugsweise Vervielfältigung eines bestimmten Werkexemplars, etwa einer Zeitschrift, nicht gleichzeitig eine Vervielfältigung eines anderen im Handel erhältlichen Werkexemplars (z.B. in Form eines Online-Dokuments) dar, in dem sich der kopierte Artikel ebenfalls wiederfindet, das jedoch nicht für den konkreten Vervielfältigungsvorgang herangezogen wurde (so zutreffend auch RUBLI, a.a.O., Rz. 414 S. 283). Entsprechend hielt das Bundesgericht in einem Zeitpunkt, in dem das Internet nicht mehr wegzudenken und Online-Archive von Verlagen zweifellos bereits weit verbreitet waren, daran fest, dass für die BGE 140 III 616 S. 632 Beurteilung der Zulässigkeit der Vervielfältigung eines Artikels die konkret herangezogene Kopiervorlage in Form der Zeitung oder Zeitschrift als Werkexemplar zu betrachten sei, nicht hingegen der einzelne darin enthaltene Presseartikel, ohne die Frage jedoch zu vertiefen ( BGE 133 III 473 E. 3.1 S. 478 und E. 6.2).
3.6.4 Art. 19 Abs. 3 lit. a URG Art. 10 URG Art. 19 Abs. 3 lit. a URG BGE 140 III 616 S. 632
Nach der Absicht des Gesetzgebers soll Art. 19 URG im Bereich der unkontrollierbaren Massennutzung verhindern, dass sich die Nutzer im Zustand des ständigen Rechtsbruchs befinden ( BGE 133 III 473 E. 3.2 S. 478 mit Hinweisen). Vor diesem Hintergrund wird mit Abs. 3 lit. a URG im beschränkten Rahmen des Eigengebrauchs eine auszugsweise Vervielfältigung von Werkexemplaren gestattet. Wie die Beschwerdeführerin zu Recht vorbringt, wäre es mit dieser Zielrichtung des Gesetzes nicht vereinbar, wenn der zum Eigengebrauch Berechtigte im Einzelfall zunächst abzuklären hätte, ob das im kopierten Auszug enthaltene (Teil-)Werk gegebenenfalls in anderweitiger Form als einzelne Verkaufseinheit im Handel verfügbar ist; vielmehr soll er zur Wahrnehmung der in Abs. 1 gesetzlich geschützten Interessen der Allgemeinheit auf der Grundlage eines ihm konkret vorliegenden Werkexemplars selektiv kopieren dürfen, wobei diese Vervielfältigung vergütungspflichtig ist ( Art. 20 Abs. 2 URG ).
Art. 19 URG Art. 20 Abs. 2 URG 3.6.5 Zwar trifft zu, dass die Beschränkung des Vervielfältigungsrechts darauf ausgelegt ist, im Hinblick auf die völkerrechtlichen Vorgaben ( Art. 9 Abs. 2 RBÜ, Art. 13 TRIPS und Art. 10 WCT ) eine direkte Konkurrenzierung des Verkaufs von Werkexemplaren zu verhindern (vgl. BBl 1989 III 541; BBl 2006 3429 Ziff. 2.4 zu Art. 19 VE-URG), und Art. 19 Abs. 3 lit. a URG damit auch den Schutz kommerzieller Verlagstätigkeit im Auge hat. Eine einseitige Berücksichtigung der Verlagsinteressen würde jedoch zu kurz greifen, strebt die Eigengebrauchsregelung von Art. 19 URG doch gerade einen Ausgleich mit Interessen Dritter an. Wäre bei der Beurteilung der Zulässigkeit der auszugsweisen Vervielfältigung eines Buchs, einer Zeitung oder Zeitschrift zu berücksichtigen, dass der fragliche Abschnitt oder der betreffende Artikel gleichzeitig auf einem Online-Archiv eines Verlags gegen Bezahlung angeboten wird, würde das gesetzliche Vervielfältigungsrecht ins Leere laufen. Die Verlage hätten es diesfalls in der Hand, das auszugsweise Kopieren zu verunmöglichen, indem sie ihre Zeitungen, Zeitschriften und Bücher jeweils artikel- bzw. kapitelweise auch online zum entgeltlichen Abruf bereitstellen. Dies entspricht eindeutig nicht der Absicht des Gesetzgebers (so zutreffend auch DAVID RÜETSCHI, Die Bedeutung BGE 140 III 616 S. 633 des Urheberrechts im Bibliothekswesen, in: Digitale Bibliotheken und Recht, Anne Cherbuin und andere [Hrsg.], 2011, S. 21). Wäre unter diesen Umständen die (grundsätzlich zulässige) Kopie eines einzelnen Artikels einer Zeitschrift gleichzeitig als vollständige - und damit nach Art. 19 Abs. 3 lit. a URG verbotene - Kopie eines Werkexemplars zu betrachten, würde damit das Informationsinteresse der Allgemeinheit missachtet.
3.6.5 Art. 9 Abs. 2 RBÜ Art. 13 TRIPS Art. 10 WCT Art. 19 Abs. 3 lit. a URG Art. 19 URG BGE 140 III 616 S. 633
Art. 19 Abs. 3 lit. a URG Auch die Vorinstanz führt in diesem Zusammenhang zutreffend aus, es könne nicht ernsthaft bestritten werden, dass es der Öffentlichkeit im Rahmen der Eigengebrauchsregelung beim gleichzeitigen elektronischen Angebot von Werkexemplaren durch die Verlage nach wie vor erlaubt sein müsse, in Bibliotheken Kopien von Werkexemplaren anzufertigen, ansonsten die Kommunikationsgrundrechte ausgehöhlt würden und auch der vom Gesetzgeber statuierte Interessenausgleich zwischen den Verwertern und der Allgemeinheit gänzlich ausgehebelt würde. Dies spricht für eine Auslegung, nach der für die Beurteilung, ob eine vollständige oder weitgehend vollständige Vervielfältigung eines im Handel erhältlichen Werkexemplars im Sinne von Art. 19 Abs. 3 lit. a URG vorliegt, auf die konkret verwendete Vorlage abzustellen ist, während ein weiteres Werkexemplar, mit dem der kopierte Auszug (auch) einzeln auf dem Markt angeboten wird, unberücksichtigt zu bleiben hat. Dies umso mehr, als die Verlage selber darüber bestimmen, in welchen Verkaufseinheiten die Werke auf dem Markt angeboten werden.
Art. 19 Abs. 3 lit. a URG Sollte sich der Durchschnittskonsument heute tatsächlich vielfach nur mehr für einen spezifischen Artikel interessieren, wie die Vorinstanz ausführt, da oft der einzelne Artikel (und nicht die Zeitschrift oder das Buch als Ganzes) die ihn interessierende Thematik abhandle, bleibt es den Verlagen unbenommen, diese ausschliesslich als einzelne Verkaufseinheiten anzubieten. Ein derart erworbener Artikel, der selbst ein Werkexemplar im Sinne von Art. 19 Abs. 3 lit. a URG darstellt, dürfte nach der erwähnten Bestimmung nicht als Ganzes kopiert werden. Wird demgegenüber ein Werkexemplar in Form einer Zeitung oder Zeitschrift veröffentlicht, kann es dem zum Eigengebrauch Berechtigten nach Art. 19 Abs. 3 lit. a URG nicht verwehrt werden, in einer Bibliothek einen einzelnen Artikel daraus zu kopieren bzw. kopieren zu lassen.
Art. 19 Abs. 3 lit. a URG Art. 19 Abs. 3 lit. a URG 3.6.6 Unter diesen Umständen ist nicht von einer unverhältnismässigen Einschränkung der Verwertungsmöglichkeiten der Verlage BGE 140 III 616 S. 634 auszugehen; die normale Verwertung des Werks im Sinne von Art. 9 Abs. 2 RBÜ, die nach der Behauptung der Beschwerdegegnerinnen im entgeltlichen Angebot der Einzelartikellieferung liegt, ist nicht beeinträchtigt. Die Beschwerdegegnerinnen machen vor Bundesgericht auch nicht etwa geltend, sie hätten im vorinstanzlichen Verfahren substantiiert behauptet, die Tätigkeit der fraglichen Dokumentationsdienste führe zu einem Rückgang des Absatzes (vgl. BGE 133 III 473 E. 6.2). Abgesehen davon gilt es zu beachten, dass Bibliotheken auszugsweise Kopien nicht auf Vorrat, sondern nur auf konkrete Bestellung hin herstellen dürfen, während bei Online-Archiven die darin enthaltenen Artikel üblicherweise durchsucht und unmittelbar heruntergeladen werden können, weshalb die vorinstanzliche Annahme, es würden "mittels derselben Dienstleistungen die identischen Bedürfnisse der Nutzer befriedigt", in dieser Form nicht zutrifft; der Betrieb eines entsprechenden Archivs wäre einer Bibliothek nicht erlaubt. Mit der vorliegenden Auslegung von Art. 19 Abs. 3 lit. a URG wird demnach die zweite Stufe des sog. Dreistufentests ebenso überwunden wie die erste Stufe (Eingrenzung auf Spezialfälle, dazu BGE 133 III 473 E. 6.1 S. 485 und E. 6.2), die vor Bundesgericht unstrittig ist.
3.6.6 BGE 140 III 616 S. 634
Art. 9 Abs. 2 RBÜ Art. 19 Abs. 3 lit. a URG Die Auslegung hält ausserdem einer Verhältnismässigkeitsprüfung im engeren Sinne im Rahmen der dritten Teststufe stand ( BGE 133 III 473 E. 6.1): Die Interessen Dritter - vorliegend der an wissenschaftlichen Erkenntnissen interessierten Allgemeinheit - überwiegen diejenigen der Rechtsinhaber (vgl. BGE 133 III 473 E. 6.1 und 6.3). Dabei ist neben den gewichtigen Interessen der Öffentlichkeit an der Informationsbesorgung über Bibliotheken zur Wahrung der Kommunikationsgrundrechte - so insbesondere der Wissenschaftsfreiheit ( Art. 20 BV ) - zu berücksichtigen, dass die auszugsweise Vervielfältigung von Zeitschriften durch den Dokumentenlieferdienst einer Bibliothek nicht etwa unentgeltlich erfolgt, sondern nach Art. 20 Abs. 2 URG vergütungspflichtig ist (vgl. BGE 133 III 473 E. 6.1 S. 486 und E. 6.3 S. 487). Die Beschwerdegegnerinnen bezeichnen die geschuldete Vergütung lediglich pauschal als zu gering, ohne dies jedoch hinreichend zu begründen und ohne aufzuzeigen, inwiefern damit die Interessen der Rechtsinhaber diejenigen der Allgemeinheit überwiegen würden und der Eingriff in die berechtigten Interessen der Rechtsinhaber als unzumutbar anzusehen wäre. BGE 140 III 616 S. 635
Art. 20 BV Art. 20 Abs. 2 URG BGE 140 III 616 S. 635
Ausserdem hält auch der angefochtene Entscheid fest, dass die Interessen der Verlage (denen mit einem Verbotsrecht zweifelsohne am Besten gedient ist) und der Autoren nicht notwendigerweise deckungsgleich sind; eine Beeinträchtigung legitimer Interessen der Autoren, die bei der Verhältnismässigkeitsprüfung im engeren Sinne ebenfalls zu berücksichtigen sind ( BGE 133 III 473 E. 6.1 S. 486), vermochte die Vorinstanz nicht auszumachen. Die Beschwerdegegnerinnen behaupten diesbezüglich lediglich in appellatorischer Weise und mit neuen unzulässigen Vorbringen ( Art. 99 Abs. 1 BGG ) einen Gleichlauf der Interessen von Autoren und Verlagen.
Art. 99 Abs. 1 BGG Insgesamt ist ein unzumutbarer Eingriff in die berechtigten Interessen der Rechtsinhaber nicht erkennbar. Die erfolgte Auslegung ist mit den staatsvertraglichen Vorgaben des Dreistufentests vereinbar.
3.6.7 Unter den Begriff des Werkexemplars im Sinne von Art. 19 Abs. 3 lit. a URG fallen demnach die Zeitung oder die Zeitschrift, die als Kopiervorlage herangezogen wird, selbst wenn die darin enthaltenen Artikel darüber hinaus einzeln über ein Online-Archiv angeboten werden.
3.6.7 Art. 19 Abs. 3 lit. a URG Entsprechend kann der Beklagten nicht verboten werden, im Rahmen des Eigengebrauchs gestützt auf Art. 19 Abs. 2 URG auf Anfrage hin einzelne Artikel aus in ihrer Bibliothek vorhandenen Zeitschriften oder Sammelbänden zu vervielfältigen und die angefertigten Kopien dem nach Art. 19 Abs. 1 URG zum Eigengebrauch berechtigten Besteller per Post oder elektronisch zuzustellen.
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Urteilskopf
92. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B. SA (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_476/2014 vom 9. Dezember 2014
Regeste Art. 29 Abs. 1 BV, Art. 143 ZPO, Art. 48 Abs. 3 BGG analog; Verbot des überspitzten Formalismus. Frage nach der Wahrung einer zivilprozessualen Rechtsmittelfrist durch eine Eingabe, die rechtzeitig bei einer sachlich oder funktionell unzuständigen Behörde eingereicht wurde, und nach der Pflicht dieser Behörde, die Eingabe an die zuständige Instanz zu übermitteln (E. 2-4).
Regeste
Art. 29 Abs. 1 BV, Art. 143 ZPO, Art. 48 Abs. 3 BGG analog; Verbot des überspitzten Formalismus. Frage nach der Wahrung einer zivilprozessualen Rechtsmittelfrist durch eine Eingabe, die rechtzeitig bei einer sachlich oder funktionell unzuständigen Behörde eingereicht wurde, und nach der Pflicht dieser Behörde, die Eingabe an die zuständige Instanz zu übermitteln (E. 2-4).
Art. 29 Abs. 1 BV Art. 143 ZPO Art. 48 Abs. 3 BGG Frage nach der Wahrung einer zivilprozessualen Rechtsmittelfrist durch eine Eingabe, die rechtzeitig bei einer sachlich oder funktionell unzuständigen Behörde eingereicht wurde, und nach der Pflicht dieser Behörde, die Eingabe an die zuständige Instanz zu übermitteln (E. 2-4).
Sachverhalt ab Seite 636
Sachverhalt ab Seite 636 BGE 140 III 636 S. 636
BGE 140 III 636 S. 636
A. Am 3. Juli 2013 erhob A. (Klägerin, Beschwerdeführerin) beim Arbeitsgericht Zürich Klage gegen die B. SA (Beklagte, Beschwerdegegnerin) auf Zahlung von sechs Monatslöhnen, d.h. Fr. 120'000.- als Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung sowie auf Ergänzung des Arbeitszeugnisses mit einem bestimmten Text. Mit Urteil vom 11. März 2014 wies das Arbeitsgericht die Klage ab.
A. Dagegen erhob die Klägerin mit Eingabe vom 19. Mai 2014, dem Obergericht überbracht am 20. Mai 2014, Berufung beim Obergericht des Kantons Zürich. Am 23. Mai 2014 stellte die Klägerin ein BGE 140 III 636 S. 637 Gesuch um Feststellung, dass die Berufungsfrist gewahrt worden sei, eventualiter um Wiederherstellung der Berufungsfrist.
BGE 140 III 636 S. 637
Mit Beschluss vom 24. Juni 2014 trat das Obergericht auf die Berufung wegen Verspätung nicht ein. Es stellte fest, die Berufungsfrist von 30 Tagen sei am 19. Mai 2014 abgelaufen. Die Klägerin habe ihre Berufung am 19. Mai 2014 zuhanden des Arbeitsgerichts zur Post gegeben, wo sie offenbar am Folgetag eingetroffen sei. Vom Arbeitsgericht darauf aufmerksam gemacht, habe die Klägerin ihre Berufung am 20. Mai 2014 dem Obergericht überbracht. Die Berufung sei damit innert Frist weder beim Obergericht eingereicht noch zu dessen Handen der Schweizerischen Post übergeben worden. Eine Art. 48 Abs. 3 BGG (wonach die Frist für die Beschwerde an das Bundesgericht durch rechtzeitige Einreichung bei der Vorinstanz gewahrt ist) entsprechende Bestimmung kenne die ZPO nicht. Die Berufungsfrist sei demnach versäumt. Eine Fristwiederherstellung nach Art. 148 ZPO lehnte das Obergericht ab.
Art. 48 Abs. 3 BGG Art. 148 ZPO B. Die Beschwerdeführerin beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde in Zivilsachen, der Beschluss des Obergerichts vom 24. Juni 2014 sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass die Berufungseingabe gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Zürich vom 11. März 2014 rechtzeitig erfolgt ist. Eventualiter sei die Frist zur Einreichung einer Berufung gegen das genannte Urteil wiederherzustellen.
B. (Zusammenfassung)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
2.
2. 2.1 Eine Lücke im Gesetz besteht, wenn sich eine Regelung als unvollständig erweist, weil sie jede Antwort auf die sich stellende Rechtsfrage schuldig bleibt. Hat der Gesetzgeber eine Rechtsfrage nicht übersehen, sondern stillschweigend - im negativen Sinn - mitentschieden (qualifiziertes Schweigen), bleibt kein Raum für richterliche Lückenfüllung. Eine echte Gesetzeslücke, die vom Gericht zu füllen ist, liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts dann vor, wenn der Gesetzgeber etwas zu regeln unterlassen hat, was er hätte regeln sollen, und dem Gesetz diesbezüglich weder nach seinem Wortlaut noch nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt eine Vorschrift entnommen werden kann. Echte Lücken zu füllen, ist dem Gericht aufgegeben ( BGE 140 III 206 E. 3.5.1 S. 213, BGE 140 III 251 E. 4.2; BGE 139 II 404 E. 4.2 S. 416 f.; BGE 138 II 1 E. 4.2 S. 3; BGE 135 III 385 E. 2.1 S. 386). BGE 140 III 636 S. 638
2.1 BGE 140 III 636 S. 638
2.2 Ist ein lückenhaftes Gesetz zu ergänzen, gelten als Massstab die dem Gesetz selbst zugrunde liegenden Zielsetzungen und Werte ( BGE 140 III 206 E. 3.5.1 S. 213; BGE 129 II 401 E. 2.3).
2.2 Die Schweizerische Zivilprozessordnung regelt das Zivilverfahren einheitlich und ist als Bundesgesetz für die rechtsanwendenden Behörden massgebend ( Art. 190 BV ). Ihr liegen die verfassungsrechtlichen Verfahrensmaximen zugrunde (KIENER/KÄLIN, Grundrechte, 2. Aufl. 2013, S. 479; GEROLD STEINMANN, in: Die schweizerische Bundesverfassung, Ehrenzeller und andere [Hrsg.], 3. Aufl. 2014, N. 11 zu Art. 29 BV ). Diese sind namentlich bei der verfassungskonformen Auslegung des Prozessrechts von Bedeutung (STEINMANN, a.a.O., N. 14 zu Art. 29 BV ). Den verfassungsrechtlichen Verfahrensgrundsätzen kommt darüber hinaus eine wegleitende Funktion zu, wo die Zivilprozessordnung lückenhaft ist (PETER KARLEN, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 6 zu Art. 29 BV ).
Art. 190 BV Art. 29 BV Art. 29 BV Art. 29 BV 3.
3. 3.1 Die Berufung ist bei der Rechtsmittelinstanz innert 30 Tagen seit Zustellung des begründeten Entscheids beziehungsweise seit der nachträglichen Zustellung der Entscheidbegründung ( Art. 239 ZPO ) schriftlich und begründet einzureichen ( Art. 311 Abs. 1 ZPO ). Die Berufung ist demnach beim iudex ad quem einzureichen.
3.1 Art. 239 ZPO Art. 311 Abs. 1 ZPO Die Frist wird eingehalten, wenn die Berufung spätestens am letzten Tag der Frist beim Gericht eingereicht oder zu dessen Handen der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung übergeben wurde (vgl. Art. 143 Abs. 1 ZPO ).
Art. 143 Abs. 1 ZPO 3.2 Die Schweizerische ZPO äussert sich nicht zur Frage der Fristwahrung durch Rechtsmitteleingaben, die bei einer sachlich oder funktionell unzuständigen Behörde eingereicht worden sind, und auch nicht zur Frage der Weiterleitung solcher Eingaben an die zuständige Instanz. Art. 63 ZPO betrifft die Wahrung der durch eine Eingabe an eine unzuständige Stelle oder in einem falschen Verfahren begründeten Rechtshängigkeit und ist nicht auf Rechtsmitteleingaben anwendbar (SUTTER-SOMM/HEDINGER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 8 zu Art. 63 ZPO ; GASSER/RICKLI, Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], 2. Aufl. 2014, N. 6 zu Art. 63 ZPO ). BGE 140 III 636 S. 639
3.2 Art. 63 ZPO Art. 63 ZPO Art. 63 ZPO BGE 140 III 636 S. 639
Andere Bundes(verfahrens)gesetze kennen demgegenüber entsprechende Normen (vgl. Art. 48 Abs. 3 BGG ; Art. 32 Abs. 2 SchKG ; Art. 91 Abs. 4 StPO ; Art. 39 Abs. 2 ATSG [SR 830.1]; Art. 21 Abs. 2 VwVG [SR 172.021]). So bestimmt namentlich Art. 48 Abs. 3 BGG, dass die Frist auch als gewahrt gilt, wenn die Eingabe rechtzeitig bei der Vorinstanz oder bei einer unzuständigen eidgenössischen oder kantonalen Behörde eingereicht worden ist. Die Eingabe ist unverzüglich dem Bundesgericht zu übermitteln. Art. 48 Abs. 3 BGG ist nicht anwendbar auf die Frist zur Bezahlung des Kostenvorschusses (Urteil 2C.84/2009 vom 24. Februar 2009 E. 1.1) und ebenso wenig im Schiedsverfahren ( Art. 77 Abs. 2 BGG ; Urteil 4A_35/2014 vom 28. Mai 2014 E. 3.2, nicht publ. in: BGE 140 III 267 ).
Art. 48 Abs. 3 BGG Art. 32 Abs. 2 SchKG Art. 91 Abs. 4 StPO Art. 39 Abs. 2 ATSG Art. 21 Abs. 2 VwVG Art. 48 Abs. 3 BGG Art. 48 Abs. 3 BGG Art. 77 Abs. 2 BGG Ob das Schweigen der ZPO zu diesen Fragen ein qualifiziertes ist oder ob die ZPO diesbezüglich unvollständig, mithin lückenhaft, ist und zu ergänzen wäre, liess das Bundesgericht in einem jüngeren Entscheid offen (Urteil 5A_376/2012 vom 16. Januar 2013 E. 3.2; dies bedauernd VALENTIN RÉTORNAZ, SZZP 2013 S. 205). Hier ist die Frage zu entscheiden:
3.3 Die Materialien schweigen zu diesem Thema und sind wenig aufschlussreich. Art. 143 ZPO wurde in den eidgenössischen Räten entsprechend dem Entwurf des Bundesrates (dort Art. 141), der keine Fristwahrung und Weiterleitungspflicht vorsah, wörtlich ohne Diskussion angenommen (AB 2007 S 513 f.; AB 2008 N 945). Interessant ist immerhin, dass in der Botschaft des Bundesrates zu Art. 141 des Entwurfs ausgeführt wird, die Regelung entspreche (derjenigen in) der Bundesrechtspflege, und dabei für die Fristwahrung und die rechtzeitige Zahlung des Kostenvorschusses auf Art. 48 Absätze 1, 2 und 4 BGG Bezug genommen wird (Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, BBl 2006 7221 ff., 7308 Ziff. 5.9.3). Trotz dieser ausdrücklichen Abstimmung auf die Regelung von Art. 48 BGG wurde dessen Absatz 3, der die Fristwahrung bei Einreichung an eine unzuständige Behörde regelt, nicht übernommen. Dies könnte an ein qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers denken lassen und sich etwa dadurch erklären, dass eine Fristwahrung und entsprechende Weiterleitungspflicht bei rechtzeitiger Einreichung bei irgendeiner "unzuständigen eidgenössischen oder kantonalen Behörde" in dieser umfassenden Reichweite in den jeweiligen kantonalen Zivilverfahren zu weit ginge, da aufgrund der unterschiedlichen Gerichtsorganisation in den Kantonen nicht stets zweifelsfrei klar wäre, welche kantonale Behörde zuständig ist, an BGE 140 III 636 S. 640 welche die Eingabe weiterzuleiten wäre (s. dazu DENIS TAPPY, in: CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, N. 22 zu Art. 143 ZPO ; vgl. auch die Begründung in der Botschaft zur ZPO [BBl 2006 7277 zu Art. 61] für den Verzicht auf die Statuierung einer Weiterleitungspflicht im Rahmen der Regelung nach Art. 63 ZPO ).
3.3 Art. 143 ZPO Art. 48 BGG BGE 140 III 636 S. 640
Art. 143 ZPO Art. 63 ZPO 3.4 In der Doktrin wird eine analoge Anwendung von Art. 48 Abs. 3 BGG im Bereich der ZPO, jedenfalls für die Rechtsmittel der ZPO (Berufung und Beschwerde), durchwegs befürwortet (STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2013, S. 483; SUTTER-SOMM/HEDINGER, a.a.O., N. 8 zu Art. 63 ZPO ; FRANÇOIS BOHNET, Procédure civile, 2. Aufl. 2014, S. 378; wohl auch RÉTORNAZ, SZZP 2013 S. 205), teilweise mit unterschiedlicher Reichweite betreffend die zur Weiterleitung verpflichteten Behörden:
3.4 Art. 48 Abs. 3 BGG Art. 63 ZPO - umfassend und - über Art. 48 Abs. 3 BGG hinausgehend - auch für Gemeindebehörden (JURIJ BENN, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 3 f. zu Art. 143 ZPO ; BARBARA MERZ, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner und andere [Hrsg.], 2011, N. 5 zu Art. 143 ZPO ),
Art. 48 Abs. 3 BGG Art. 143 ZPO Art. 143 ZPO - nur für kantonale Behörden (für Bundesbehörden sei es fraglich: SAMUEL MARBACHER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Baker & Mc Kenzie [Hrsg.], 2010, N. 11 zu Art. 143 ZPO ),
Art. 143 ZPO - nur für innerkantonale funktionell oder sachlich unzuständige Gerichte (URS H. HOFFMANN-NOVOTNY, in: ZPO, Oberhammer und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 4 zu Art. 143 ZPO ; NINA J. FREI, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, N. 16 zu Art. 143 ZPO ),
Art. 143 ZPO Art. 143 ZPO - für funktionell unzuständige Instanzen (REETZ/THEILER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 11 und 42 zu Art. 311 ZPO ),
Art. 311 ZPO - für den iudex a quo, mithin die Vorinstanz (TAPPY, a.a.O., N. 23 zu Art. 143 ZPO ; NICOLAS JEANDIN, in: CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, N. 10 zu Art. 311 ZPO ; MARTIN H. STERCHI, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, N. 4 zu Art. 311 ZPO und N. 4 zu Art. 321 ZPO ). BGE 140 III 636 S. 641
Art. 143 ZPO Art. 311 ZPO Art. 311 ZPO Art. 321 ZPO BGE 140 III 636 S. 641
3.5 Art. 48 Abs. 3 BGG Art. 32 Abs. 4 OG Art. 48 Abs. 3 BGG Es geht um die Vermeidung übertriebener Formstrenge ( BGE 121 I 93 E. 1d S. 95). Insofern lässt sich der Grundsatz dem Verbot des überspitzten Formalismus und damit einem Teilaspekt des verfassungsrechtlichen Verfahrensgrundsatzes des Verbots formeller Rechtsverweigerung ( Art. 29 Abs. 1 BV ; dazu: BGE 135 I 6 E. 2.1; BGE 130 V 177 E. 5.4.1; je mit Hinweisen) zuordnen.
Art. 29 Abs. 1 BV Wird das Rechtsmittel aufgrund einer unrichtigen oder fehlenden Belehrung bei einer unzuständigen Behörde eingereicht, ergeben sich die Folgen der Fristwahrung und Weiterleitungspflicht zudem aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ( BGE 134 I 199 E. 1.3.1; BGE 123 II 231 E. 8b S. 238 ff.; BGE 119 IV 330 E. 1c S. 333 f.; Urteil 4A_578/2010 vom 11. April 2011 E. 3, nicht publ. in: BGE 137 III 217 ). Die Anwendung von Art. 48 Abs. 3 BGG ist aber nicht auf den Fall unrichtiger Rechtsmittelbelehrung beschränkt. Die Norm ist stets anwendbar, wenn die Einreichung bei der unzuständigen Instanz auf Versehen oder Zweifeln der Partei oder auf einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung beruht, nicht aber wenn die unzuständige Instanz bewusst angerufen wurde (Urteil 2C_610/2010 vom 21. Januar 2011 E. 2.5).
Art. 48 Abs. 3 BGG In diesem Sinne wird denn auch in den Kommentaren und der Rechtsprechung zu Art. 48 BGG dessen Absatz 3 als Ausdruck eines allgemeinen Verfahrensgrundsatzes dargestellt (AMSTUTZ/ARNOLD, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 21 zu Art. 48 BGG ; JEAN-MAURICE FRÉSARD, in: Commentaire de la LTF, 2. Aufl. 2014, N. 20 zu Art. 48 BGG ; Urteil 2C_98/2008 vom BGE 140 III 636 S. 642 12. März 2008 E. 2.3). Sodann wandte das Zürcher Handelsgericht in einem neueren Entscheid Art. 48 Abs. 3 BGG als allgemeinen Rechtsgrundsatz an und betrachtete eine irrtümlicherweise beim Handelsregisteramt des Kantons Zürich anstatt beim Handelsgericht eingereichte Eingabe als fristwahrend (ZR 2014 Nr. 46 S. 149 f.).
Art. 48 BGG Art. 48 BGG Art. 48 BGG BGE 140 III 636 S. 642
Art. 48 Abs. 3 BGG 3.6 Art. 48 Abs. 3 BGG Art. 63 ZPO Art. 63 ZPO Art. 63 ZPO Art. 143 ZPO Dabei ist allerdings den Bedenken gegen eine zu weitreichende Fristwahrungsvorschrift mit entsprechender Weiterleitungspflicht der Behörden in Hinblick auf allenfalls unklare Zuständigkeitsfragen aufgrund unterschiedlicher kantonaler Gerichtsorganisationen Rechnung zu tragen (E. 3.3 in fine). Eine solche kann daher nicht irgendwelche kantonale Behörden und auch nicht die Bundesbehörden treffen. Vielmehr erscheint die von einem Teil der Lehre (vgl. die Angaben in E. 3.4 in fine) postulierte Einschränkung auf den iudex a quo als sachgerecht. Da die ZPO eine Pflicht zur Rechtsmittelbelehrung statuiert ( Art. 238 lit. f ZPO ) und überdies eindeutige Vorschriften über die Einreichungsinstanz enthält ( Art. 311 ZPO, Art. 321 ZPO, vgl. auch für die Revision Art. 328 Abs. 1 ZPO ), sollte eine irrtümliche Einreichung bei Vorliegen einer korrekten Rechtsmittelbelehrung kaum vorkommen. Jedenfalls erscheint unter diesem Aspekt ein weitergehender Schutz als bezüglich einer BGE 140 III 636 S. 643 versehentlichen Einreichung bei der Vorinstanz als nicht notwendig. Eine ausgedehntere Anwendung auf Fälle, in denen das Rechtsmittel bei einer mit der Sache nicht befassten inner- oder gar ausserkantonalen Behörde oder einer Bundesbehörde (etwa auch dem Bundesgericht) eingereicht wird, muss daher ausscheiden. In diesen Fällen kann die Frist nur als gewahrt betrachtet werden, wenn die unzuständige Behörde das Rechtsmittel noch innert Frist an die zuständige Rechtsmittelinstanz weiterleitet, wozu sie gesetzlich nicht verpflichtet ist (vgl. STERCHI, a.a.O., N. 4 zu Art. 311 ZPO ), aber unter Umständen aufgrund des Verbots des überspitzten Formalismus gehalten sein kann (vgl. Urteil 5A_576/2012 vom 16. Januar 2013 E. 3.3). Ohnehin würde sich bei solchen Konstellationen wohl zumeist die Frage nach einer bewussten Einreichung der Eingabe bei einer unzuständigen Behörde und damit nach einer grundsätzlichen Unanwendbarkeit der dem Art. 48 Abs. 3 BGG nachgebildeten Regelung stellen (E. 3.5 vorne).
Art. 238 lit. f ZPO Art. 311 ZPO Art. 321 ZPO Art. 328 Abs. 1 ZPO BGE 140 III 636 S. 643
Art. 311 ZPO Art. 48 Abs. 3 BGG 3.7 Zusammenfassend ergibt sich, dass eine rechtzeitige versehentliche Einreichung der Berufung oder der Beschwerde beim iudex a quo dem Rechtsmittelkläger nicht schadet. Vielmehr gilt in diesen Fällen die Rechtsmittelfrist als gewahrt und die Vorinstanz hat das Rechtsmittel unverzüglich an die zuständige Rechtsmittelinstanz weiterzuleiten.
3.7 4. Für den vorliegenden Fall bedeutet dieser Grundsatz, dass die Berufung, welche die Beschwerdeführerin innerhalb der Berufungsfrist am 19. Mai 2014 versehentlich zu Handen des Arbeitsgerichts anstatt des Obergerichts der Post übergab, als rechtzeitig zu betrachten ist.
4. Die Beschwerde ist folglich gutzuheissen und die Angelegenheit an das Obergericht zur weiteren Behandlung zurückzuweisen, ohne dass geprüft werden muss, ob die Vorinstanz zu Unrecht verneinte, dass die irrtümliche Einreichung der Berufung beim iudex a quo bloss ein leichtes Verschulden im Sinne von Art. 148 ZPO darstellt.
Art. 148 ZPO
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Urteilskopf 140 III 644 93. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Gemeinde Niederrohrdorf gegen Obergericht des Kantons Aargau, Schuldbetreibungs- und Konkurskommission als obere betreibungsrechtliche Aufsichtsbehörde (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_385/2014 vom 24. Oktober 2014 Regeste Art. 14 Abs. 1 SchKG, Art. 76 Abs. 1 lit. b, Art. 89 Abs. 1 und 2 lit. c BGG ; administrative Aufsicht über die Betreibungsämter. Beschwerde einer Gemeinde gegen die kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibung und Konkurssachen, welche die Einführung eines EDV-Programms für die Betreibungsämter im Kanton angeordnet hat (E. 2 und 3). Sachverhalt ab Seite 644 BGE 140 III 644 S. 644 A. A.a In den Jahren 2009/2010 traten mit der bei der überwiegenden Anzahl der aargauischen Betreibungsämter installierten Software Probleme auf (keine Updates, Reaktionszeit bei Problemen bis zu 14 Tagen, Totalausfall bei zwei Ämtern). Das Obergericht des Kantons Aargau, Schuldbetreibungs- und Konkurskommission als obere betreibungsrechtliche Aufsichtsbehörde, kam zum Schluss, dass für die aargauischen Betreibungsämter eine neue Software gesucht werden müsse; das bestehende Programm "x" der A. AG habe trotz Stabilisierungsmassnahmen im Urteil von Fachleuten das "End of life" erreicht. BGE 140 III 644 S. 645 A.b An der Sitzung vom 9. Januar 2012 besprachen sich die Vertreter der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde, des Betreibungsinspektorates, der Justizverwaltung, des Betreibungsbeamtenverbandes und der Gemeindeverbände (Gemeindeammännerverband, Verband der Finanzfachleute; der Gemeindeschreiberverband signalisierte Desinteresse). Sämtliche Beteiligten kamen zum Schluss, das Projekt einer neuen Betreibungssoftware in Angriff zu nehmen. Die beteiligten Gemeindevertretungen wünschten keine Mitwirkung in der Projektgruppe, sondern begnügten sich mit der Orientierung über die Projektschritte. A.c Mit Beschluss vom 14. Mai 2012 hiess die obere kantonale Aufsichtsbehörde den einstimmigen Antrag des Steuerungsausschusses gut, künftig eine einheitliche Software für die aargauischen Betreibungsämter vorzusehen. Am 21. Dezember 2012 wurde der Beschaffungsauftrag öffentlich ausgeschrieben. Nach dem Evaluationsverfahren erteilte die obere kantonale Aufsichtsbehörde mit Beschluss vom 15. Mai 2013 den Zuschlag an die B. AG. Der Zuschlag blieb (beim Verwaltungsgericht Aargau) unangefochten und erwuchs in Rechtskraft. A.d Mit Voranzeige vom 27. Februar 2014 wurde die Installation und Einführung der neuen Software beim Betreibungsamt Niederrohrdorf auf den 2. Juli 2014 und die Schulung der Mitarbeiter des Betreibungsamtes auf den 24. und 26. Juni 2014 angesetzt. B. Am 13. März 2014 (Postaufgabe) gelangte die Gemeinde Niederrohrdorf an die obere kantonale Aufsichtsbehörde und teilte mit, dass sie den Software-Wechsel nicht akzeptiere, da dieser mit unverhältnismässigen Mehrkosten verbunden sei; das bisherige Produkt der A. AG erfülle sämtliche Anforderungen. Die Gemeinde stellte im Wesentlichen den Antrag, auf die zwingende Einführung der neuen Software zu verzichten bzw. den Einsatz der bisherigen Software zu erlauben. Mit Beschluss vom 20. März 2014 wies die obere kantonale Aufsichtsbehörde das Gesuch der Gemeinde Niederrohrdorf ab, soweit darauf eingetreten wurde. Weiter wurde das Betreibungsamt Niederrohrdorf angewiesen, die Installation und Einführung der neuen Software "zu dulden"; die Mitarbeiter des Betreibungsamtes wurden angewiesen, an der Schulung teilzunehmen. C. Mit Eingabe vom 6. Mai 2014 (Postaufgabe) hat die Gemeinde Niederrohrdorf Beschwerde in Zivilsachen und BGE 140 III 644 S. 646 Verfassungsbeschwerde eingereicht. Die beschwerdeführende Gemeinde beantragt, den Beschluss des Obergerichts des Kantons Aargau, Schuldbetreibungs- und Konkurskommission als obere betreibungsrechtliche Aufsichtsbehörde, vom 20. März 2014 aufzuheben. In der Sache sei ihr zu gestatten, in ihrem Betreibungsamt nicht die neue Software ("y" der B. AG), sondern weiterhin die bisherige Software (der A. AG) einzusetzen. Eventuell sei die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Für den Fall des Nichteintretens auf die Beschwerde sei die Nichtigkeit des Beschlusses der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde festzustellen. (...) Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein. (Auszug) Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt die Anordnung der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde gegenüber den Betreibungsämtern im Kanton, ein bestimmtes EDV-Programm zu benützen. 2.1 Entscheide in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen unterliegen der Beschwerde in Zivilsachen ( Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG ). Der angefochtene Entscheid hat allerdings nicht ein Zwangsvollstreckungsverfahren zum Gegenstand, in welchem die Aufsichtsbehörde als Rechtsmittelbehörde entschieden ( Art. 17 SchKG ) oder in welches sie von Amtes wegen eingegriffen hat ( Art. 22 SchKG ); die Aufsichtsbehörde hat auch nicht in allgemeiner Form Weisungen zur gesetzmässigen Ausführung von Zwangsvollstreckungshandlungen erteilt ( Art. 13 SchKG ). Ebenso wenig geht es um ein Disziplinar- oder Verantwortlichkeitsverfahren gemäss Art. 14 Abs. 2 bzw. Art. 5 SchKG, welche ebenfalls der Beschwerde in Zivilsachen unterstellt werden, weil die Einhaltung von SchKG-Bestimmungen im Vordergrund steht (vgl. KLETT/ESCHER, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 6, 7 zu Art. 72 BGG, mit Hinweisen zur Rechtsprechung). 2.2 Die im angefochtenen Beschluss enthaltene Anordnung der kantonalen Aufsichtsbehörde gegenüber den Betreibungsämtern, ein bestimmtes EDV-Programm zu benützen, ist administrativer Natur. Die kantonale Aufsichtsbehörde übt gemäss Art. 14 Abs. 1 SchKG (neben der rechtlichen Aufsicht gemäss Art. 13 Abs. 1 SchKG ) die administrative Aufsicht über die Zwangsvollstreckungsorgane aus. In diesem Rahmen hat sie neben den personellen und räumlichen BGE 140 III 644 S. 647 Mitteln u.a. auch die geeigneten Informatikmittel zu prüfen (GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite et la faillite, Bd. I, 1999, N. 6 zu Art. 14 SchKG ; MARTIN, La surveillance en matière de poursuites et faillites [...], SJ 2008 II S. 138, 193 f.). Bei allfälligen Mängeln hat die kantonale Aufsichtsbehörde Massnahmen anzuordnen, denn die Organisation der Betreibungs- und Konkursämter ist Sache der Kantone ( Art. 2 und Art. 3 SchKG ; BGE 119 III 1 E. 3 S. 3; GILLIÉRON, a.a.O., N. 7, 8 zu Art. 14 SchKG ). Es liegt in der alleinigen Kompetenz der Kantone, darüber zu entscheiden, ob sie z.B. einem Betreibungsamt die Zusammenarbeit mit einem bestimmten EDV-Anbieter erlauben wollen oder nicht ( BGE 122 III 34 E. 2 S. 35). Sodann sieht das aargauische Recht in § 17 Abs. 1 EG SchKG/AG (SAR 231.200) vor, dass "für die administrative Aufsicht [...] ausschliesslich die obere Aufsichtsbehörde zuständig ist". 2.3 Ob der Entscheid, welche personellen, räumlichen oder - wie hier - elektronischen Mittel zur Organisation der Betreibungs- und Konkursämter einzusetzen sind, als eine "Schuldbetreibungs- und Konkurssache" im Sinne von Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG betrachtet werden kann oder ob es sich eher um eine Entscheidung in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts handelt (vgl. Art. 82 lit. a BGG ), muss nicht abschliessend erörtert werden. Die Frage ist für den Ausgang der Beschwerde - wie sich aus dem Folgenden ergibt - nicht ausschlaggebend. 3. Die beschwerdeführende Gemeinde sieht sich durch die Einführung der Software für die aargauischen Betreibungsämter bzw. den damit verbundenen Mehrkosten von insgesamt Fr. 43'000.- für die Jahre 2014 bis 2019 in ihren finanziellen Interessen bzw. eigenen Rechten, insbesondere in ihrer Autonomie verletzt. 3.1 Gemäss Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG ist zur Beschwerde in Zivilsachen berechtigt, wer durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat. Nach der Rechtsprechung ist ein Betreibungsamt in begrenztem Umfang zur betreibungsrechtlichen Beschwerde berechtigt, u.a. zur Geltendmachung fiskalischer Interessen des durch ihn vertretenen Kantons ( BGE 119 III 4 E. 1 S. 5; vgl. LORANDI, Betreibungsrechtliche Beschwerde und Nichtigkeit, 2000, N. 55 zu Art. 18 SchKG ). Diese Praxis gilt auch für die Beschwerdelegitimation gemäss Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG ( BGE 134 III 136 E. 1.3 S. 138; vgl. LEVANTE, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über BGE 140 III 644 S. 648 Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 45 zu Art. 19 SchKG ). Aus dieser Praxis kann die Gemeinde als Beschwerdeführerin nichts für sich ableiten: Zum einen führt sie nicht für das Betreibungsamt Beschwerde, zum anderen beruft sie sich nicht auf die finanziellen Interessen des Kantons, sondern der Gemeinde. 3.2 Die Beschwerdeberechtigung gemäss Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG entspricht Art. 89 Abs. 1 BGG, weshalb die Rechtsprechung zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beigezogen werden kann (KLETT, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 4 zu Art. 76 BGG ). Ausser Frage steht, dass die beschwerdeführende Gemeinde vom angefochtenen Entscheid nicht wie eine Privatperson betroffen ist; mit dem behaupteten Mehrbetrag ist sie nur als Gemeinwesen betroffen. Ausnahmsweise kann nach der Rechtsprechung ein Gemeinwesen zur Beschwerde legitimiert sein, wenn es durch einen Entscheid in seinen Hoheitsrechten berührt ist und ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder der Abänderung des angefochtenen Entscheides hat. Ein allgemeines Interesse an einer korrekten Anwendung des Rechts genügt jedoch nicht, ebenso wenig irgendein vermögensrechtliches Interesse, das sich direkt oder indirekt aus der Ausübung öffentlicher Aufgaben ergibt ( BGE 140 I 90 E. 1.2.1, 1.2.2 S. 93 f.). Vorliegend besteht jedoch kein Anlass zur Vermutung, dass der angefochtene Entscheid das System des kantonalen oder interkommunalen Finanzausgleichs selber in Frage stelle (vgl. BGE 140 I 90 E. 1.2.2 S. 93 f.); es ist auch nicht anzunehmen, dass der behauptete Mehrbetrag genügen würde, um die finanzielle Existenz der Gemeinde zu gefährden (vgl. BGE 140 I 90 E. 1.2.6 S. 95). Weder das hier angeblich auf dem Spiel stehende finanzielle Interesse noch die streitige Rechtsfrage vermögen wesentliche Interessen im Zusammenhang mit den Hoheitsrechten der beschwerdeführenden Gemeinde zu berühren. 3.3 Die Berechtigung des Gemeinwesens zur Beschwerde in Zivilsachen gemäss Art. 76 Abs. 2 BGG fällt vorliegend ausser Betracht, da sie ausschliesslich Bundesbehörden erfasst. Selbst aus Art. 89 Abs. 2 lit. c BGG kann die beschwerdeführende Gemeinde nichts für sich ableiten. 3.3.1 Gestützt auf die letzterwähnte Bestimmung des BGG kann eine Gemeinde die Verletzung von verfassungsmässigen Garantien rügen; dabei ist insbesondere die Gemeindeautonomie ( Art. 50 Abs. 1 BV ) BGE 140 III 644 S. 649 gemeint ( BGE 140 I 90 E. 1.1 S. 92). Damit die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offensteht, muss die Gemeindeautonomie jedoch Gegenstand eines zulässigen Beschwerdegrundes sein, was voraussetzt, dass die beschwerdeführende Gemeinde diese in einer ausreichend begründeten Weise anruft ( Art. 106 Abs. 2 BGG ; BGE 140 I 90 E. 1.1 S. 92). 3.3.2 Die obere kantonale Aufsichtsbehörde hat festgehalten, dass sie gemäss [recte] Art. 14 Abs. 1 SchKG i.V.m. § 17 EG SchKG/AG für die administrative Aufsicht über die Betreibungsämter ausschliesslich zuständig sei. Die administrative Aufsicht umfasse (gemäss § 17 Abs. 2 EG SchKG/AG) "insbesondere die Durchführung von Inspektionen der Betreibungsämter sowie den Erlass von Weisungen". Der Einwohnergemeinde stehe hingegen gemäss § 3 EG SchKG/AG die Kompetenz zu, die Betreibungsbeamtin oder den Betreibungsbeamten und deren Stellvertreter anzustellen sowie die Besoldung des Personals des von ihnen betriebenen Betreibungsamtes zu regeln. Der Beschluss der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde, für die Betreibungsämter im Kanton nur eine einheitliche Software zuzulassen, stütze sich auf ihre abschliessende administrative Aufsichtskompetenz. Die Anordnung der beschwerdeführenden Gemeinde gegenüber dem Betreibungsamt, eine bestimmte Software entgegen der Anordnung der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde zu verwenden, sei kompetenz- und gesetzwidrig. 3.3.3 Die beschwerdeführende Gemeinde beruft sich auf die Gemeindeautonomie. Aus der Beschwerdeschrift geht jedoch nicht hervor, inwiefern die Garantie verletzt sein soll. Die beschwerdeführende Gemeinde begnügt sich im Wesentlichen mit der Behauptung, dass die obere Aufsichtsbehörde ihre Aufsichtsbefugnisse überschreite, da jede Gemeinde selber entscheiden dürfe, welche Software sie in ihrem Betreibungsamt einsetzen wolle, solange diese die bundesrechtlichen Anforderungen erfülle. Sie setzt indessen nicht auseinander, was auch nicht aus den kantonalen und bundesrechtlichen Bestimmungen zur administrativen Aufsicht hervorgeht (vgl. Art. 14 Abs. 1 SchKG i.V.m. § 17 EG SchKG/AG; vgl. E. 2.2), inwiefern die Gemeinde über irgendeine Entscheidungsfreiheit bezüglich der bestrittenen Aufgabe (Aufsicht und Weisung betreffend Einsatz von EDV-Mitteln) verfügt, was indessen das Wesen der Gemeindeautonomie ausmacht ( BGE 140 I 90 E. 1.1 S. 92). Inwiefern die Vorinstanz mit Art. 14 Abs. 1 SchKG i.V.m. § 17 EG SchKG/AG zu BGE 140 III 644 S. 650 Unrecht eine abschliessende Regelung angenommen habe, weil diese zwingend und vollständig sei, also eine für den ganzen Kanton einheitliche Ordnung schaffen wolle (vgl. PFISTERER, Neuere Entwicklung der Gemeindeautonomie im Kanton Aargau, ZBJV 1989 S. 10 ff., mit Hinweisen auf die Rechtsprechung), und damit den Autonomieschutz verkannt habe, wird nicht dargelegt. Die Beschwerde genügt hinsichtlich der gerügten Verletzung der Gemeindeautonomie den Begründungsanforderungen nicht. 3.3.4 Die beschwerdeführende Gemeinde rügt ferner die Verletzung anderer verfassungsmässiger Rechte. In der Beschwerdeschrift wird - mit Blick auf die Rechtzeitigkeit der Beschwerdeführung - nicht dargelegt, inwiefern aus einer fehlenden Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Entscheid überhaupt ein Nachteil entstanden sei, welcher den Schutz von Art. 9 BV erfordere. Ebenso wenig legt die beschwerdeführende Gemeinde dar, inwiefern die Auffassung der Vorinstanz, dass die Einwohnergemeinde gemäss Art. 14 Abs. 1 SchKG i.V.m. § 17 EG SchKG/AG für die administrative Aufsicht über die Betreibungsämter nicht zuständig sei, gegen das Willkürverbot ( Art. 9 BV ) verstossen soll. Was in der Beschwerdeschrift unter dem Titel "Gehörsverletzung" im Rahmen des Evaluationsprozesses der Software oder als "Vorbefassung" der Vorinstanz vorgebracht wird, insbesondere weil einzelne Gerichtspersonen am - nicht im SchKG geregelten, sondern nach Beschaffungsrecht geführten - Submissionsverfahren (vgl. Submissionsentscheid bzw. Beschluss vom 15. Mai 2013) mitgewirkt haben, betrifft nicht das Verfahren der administrativen Aufsicht über die Betreibungsämter, sondern den Umstand, dass sie mit dem Ergebnis der administrativen Aufsicht nicht zufrieden ist. Diese Vorbringen sowie der weitere Antrag, die Nichtigkeit (vgl. Art. 22 SchKG ) des angefochtenen Entscheides festzustellen, vermögen den Begründungsanforderungen nicht zu genügen. 3.4 Nach dem Dargelegten kann auf die Beschwerde mangels hinreichender Beschwerdelegitimation (Art. 76 Abs. 1 lit. b bzw. Art. 89 Abs. 1 und 2 BGG ) sowie ungenügender Beschwerdebegründung ( Art. 106 Abs. 2 BGG ) insgesamt nicht eingetreten werden. Es bleibt anzufügen, dass die "subsidiär" erhobene Verfassungsbeschwerde weder betreffend Beschwerderecht ( Art. 115 BGG ) noch Beschwerdegründe ( Art. 116 BGG ) weiterhelfen kann.
Urteilskopf
93. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Gemeinde Niederrohrdorf gegen Obergericht des Kantons Aargau, Schuldbetreibungs- und Konkurskommission als obere betreibungsrechtliche Aufsichtsbehörde (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_385/2014 vom 24. Oktober 2014
Regeste Art. 14 Abs. 1 SchKG, Art. 76 Abs. 1 lit. b, Art. 89 Abs. 1 und 2 lit. c BGG ; administrative Aufsicht über die Betreibungsämter. Beschwerde einer Gemeinde gegen die kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibung und Konkurssachen, welche die Einführung eines EDV-Programms für die Betreibungsämter im Kanton angeordnet hat (E. 2 und 3).
Regeste
Art. 14 Abs. 1 SchKG, Art. 76 Abs. 1 lit. b, Art. 89 Abs. 1 und 2 lit. c BGG ; administrative Aufsicht über die Betreibungsämter. Beschwerde einer Gemeinde gegen die kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibung und Konkurssachen, welche die Einführung eines EDV-Programms für die Betreibungsämter im Kanton angeordnet hat (E. 2 und 3).
Art. 14 Abs. 1 SchKG Art. 89 Abs. 1 und 2 lit. c BGG Beschwerde einer Gemeinde gegen die kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibung und Konkurssachen, welche die Einführung eines EDV-Programms für die Betreibungsämter im Kanton angeordnet hat (E. 2 und 3).
Sachverhalt ab Seite 644
Sachverhalt ab Seite 644 BGE 140 III 644 S. 644
BGE 140 III 644 S. 644
A.
A. A.a In den Jahren 2009/2010 traten mit der bei der überwiegenden Anzahl der aargauischen Betreibungsämter installierten Software Probleme auf (keine Updates, Reaktionszeit bei Problemen bis zu 14 Tagen, Totalausfall bei zwei Ämtern). Das Obergericht des Kantons Aargau, Schuldbetreibungs- und Konkurskommission als obere betreibungsrechtliche Aufsichtsbehörde, kam zum Schluss, dass für die aargauischen Betreibungsämter eine neue Software gesucht werden müsse; das bestehende Programm "x" der A. AG habe trotz Stabilisierungsmassnahmen im Urteil von Fachleuten das "End of life" erreicht. BGE 140 III 644 S. 645
A.a BGE 140 III 644 S. 645
A.b An der Sitzung vom 9. Januar 2012 besprachen sich die Vertreter der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde, des Betreibungsinspektorates, der Justizverwaltung, des Betreibungsbeamtenverbandes und der Gemeindeverbände (Gemeindeammännerverband, Verband der Finanzfachleute; der Gemeindeschreiberverband signalisierte Desinteresse). Sämtliche Beteiligten kamen zum Schluss, das Projekt einer neuen Betreibungssoftware in Angriff zu nehmen. Die beteiligten Gemeindevertretungen wünschten keine Mitwirkung in der Projektgruppe, sondern begnügten sich mit der Orientierung über die Projektschritte.
A.b A.c Mit Beschluss vom 14. Mai 2012 hiess die obere kantonale Aufsichtsbehörde den einstimmigen Antrag des Steuerungsausschusses gut, künftig eine einheitliche Software für die aargauischen Betreibungsämter vorzusehen. Am 21. Dezember 2012 wurde der Beschaffungsauftrag öffentlich ausgeschrieben. Nach dem Evaluationsverfahren erteilte die obere kantonale Aufsichtsbehörde mit Beschluss vom 15. Mai 2013 den Zuschlag an die B. AG. Der Zuschlag blieb (beim Verwaltungsgericht Aargau) unangefochten und erwuchs in Rechtskraft.
A.c A.d Mit Voranzeige vom 27. Februar 2014 wurde die Installation und Einführung der neuen Software beim Betreibungsamt Niederrohrdorf auf den 2. Juli 2014 und die Schulung der Mitarbeiter des Betreibungsamtes auf den 24. und 26. Juni 2014 angesetzt.
A.d B. Am 13. März 2014 (Postaufgabe) gelangte die Gemeinde Niederrohrdorf an die obere kantonale Aufsichtsbehörde und teilte mit, dass sie den Software-Wechsel nicht akzeptiere, da dieser mit unverhältnismässigen Mehrkosten verbunden sei; das bisherige Produkt der A. AG erfülle sämtliche Anforderungen. Die Gemeinde stellte im Wesentlichen den Antrag, auf die zwingende Einführung der neuen Software zu verzichten bzw. den Einsatz der bisherigen Software zu erlauben.
B. Mit Beschluss vom 20. März 2014 wies die obere kantonale Aufsichtsbehörde das Gesuch der Gemeinde Niederrohrdorf ab, soweit darauf eingetreten wurde. Weiter wurde das Betreibungsamt Niederrohrdorf angewiesen, die Installation und Einführung der neuen Software "zu dulden"; die Mitarbeiter des Betreibungsamtes wurden angewiesen, an der Schulung teilzunehmen.
C. Mit Eingabe vom 6. Mai 2014 (Postaufgabe) hat die Gemeinde Niederrohrdorf Beschwerde in Zivilsachen und BGE 140 III 644 S. 646 Verfassungsbeschwerde eingereicht. Die beschwerdeführende Gemeinde beantragt, den Beschluss des Obergerichts des Kantons Aargau, Schuldbetreibungs- und Konkurskommission als obere betreibungsrechtliche Aufsichtsbehörde, vom 20. März 2014 aufzuheben. In der Sache sei ihr zu gestatten, in ihrem Betreibungsamt nicht die neue Software ("y" der B. AG), sondern weiterhin die bisherige Software (der A. AG) einzusetzen. Eventuell sei die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Für den Fall des Nichteintretens auf die Beschwerde sei die Nichtigkeit des Beschlusses der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde festzustellen. (...)
C. BGE 140 III 644 S. 646
Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein.
(Auszug)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
2. Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt die Anordnung der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde gegenüber den Betreibungsämtern im Kanton, ein bestimmtes EDV-Programm zu benützen.
2. 2.1 Entscheide in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen unterliegen der Beschwerde in Zivilsachen ( Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG ). Der angefochtene Entscheid hat allerdings nicht ein Zwangsvollstreckungsverfahren zum Gegenstand, in welchem die Aufsichtsbehörde als Rechtsmittelbehörde entschieden ( Art. 17 SchKG ) oder in welches sie von Amtes wegen eingegriffen hat ( Art. 22 SchKG ); die Aufsichtsbehörde hat auch nicht in allgemeiner Form Weisungen zur gesetzmässigen Ausführung von Zwangsvollstreckungshandlungen erteilt ( Art. 13 SchKG ). Ebenso wenig geht es um ein Disziplinar- oder Verantwortlichkeitsverfahren gemäss Art. 14 Abs. 2 bzw. Art. 5 SchKG, welche ebenfalls der Beschwerde in Zivilsachen unterstellt werden, weil die Einhaltung von SchKG-Bestimmungen im Vordergrund steht (vgl. KLETT/ESCHER, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 6, 7 zu Art. 72 BGG, mit Hinweisen zur Rechtsprechung).
2.1 Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG Art. 17 SchKG Art. 22 SchKG Art. 13 SchKG Art. 5 SchKG Art. 72 BGG 2.2 Die im angefochtenen Beschluss enthaltene Anordnung der kantonalen Aufsichtsbehörde gegenüber den Betreibungsämtern, ein bestimmtes EDV-Programm zu benützen, ist administrativer Natur. Die kantonale Aufsichtsbehörde übt gemäss Art. 14 Abs. 1 SchKG (neben der rechtlichen Aufsicht gemäss Art. 13 Abs. 1 SchKG ) die administrative Aufsicht über die Zwangsvollstreckungsorgane aus. In diesem Rahmen hat sie neben den personellen und räumlichen BGE 140 III 644 S. 647 Mitteln u.a. auch die geeigneten Informatikmittel zu prüfen (GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite et la faillite, Bd. I, 1999, N. 6 zu Art. 14 SchKG ; MARTIN, La surveillance en matière de poursuites et faillites [...], SJ 2008 II S. 138, 193 f.). Bei allfälligen Mängeln hat die kantonale Aufsichtsbehörde Massnahmen anzuordnen, denn die Organisation der Betreibungs- und Konkursämter ist Sache der Kantone ( Art. 2 und Art. 3 SchKG ; BGE 119 III 1 E. 3 S. 3; GILLIÉRON, a.a.O., N. 7, 8 zu Art. 14 SchKG ). Es liegt in der alleinigen Kompetenz der Kantone, darüber zu entscheiden, ob sie z.B. einem Betreibungsamt die Zusammenarbeit mit einem bestimmten EDV-Anbieter erlauben wollen oder nicht ( BGE 122 III 34 E. 2 S. 35). Sodann sieht das aargauische Recht in § 17 Abs. 1 EG SchKG/AG (SAR 231.200) vor, dass "für die administrative Aufsicht [...] ausschliesslich die obere Aufsichtsbehörde zuständig ist".
2.2 Art. 14 Abs. 1 SchKG Art. 13 Abs. 1 SchKG BGE 140 III 644 S. 647
Art. 14 SchKG Art. 2 und Art. 3 SchKG Art. 14 SchKG 2.3 Ob der Entscheid, welche personellen, räumlichen oder - wie hier - elektronischen Mittel zur Organisation der Betreibungs- und Konkursämter einzusetzen sind, als eine "Schuldbetreibungs- und Konkurssache" im Sinne von Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG betrachtet werden kann oder ob es sich eher um eine Entscheidung in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts handelt (vgl. Art. 82 lit. a BGG ), muss nicht abschliessend erörtert werden. Die Frage ist für den Ausgang der Beschwerde - wie sich aus dem Folgenden ergibt - nicht ausschlaggebend.
2.3 Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG Art. 82 lit. a BGG 3. Die beschwerdeführende Gemeinde sieht sich durch die Einführung der Software für die aargauischen Betreibungsämter bzw. den damit verbundenen Mehrkosten von insgesamt Fr. 43'000.- für die Jahre 2014 bis 2019 in ihren finanziellen Interessen bzw. eigenen Rechten, insbesondere in ihrer Autonomie verletzt.
3. 3.1 Gemäss Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG ist zur Beschwerde in Zivilsachen berechtigt, wer durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat. Nach der Rechtsprechung ist ein Betreibungsamt in begrenztem Umfang zur betreibungsrechtlichen Beschwerde berechtigt, u.a. zur Geltendmachung fiskalischer Interessen des durch ihn vertretenen Kantons ( BGE 119 III 4 E. 1 S. 5; vgl. LORANDI, Betreibungsrechtliche Beschwerde und Nichtigkeit, 2000, N. 55 zu Art. 18 SchKG ). Diese Praxis gilt auch für die Beschwerdelegitimation gemäss Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG ( BGE 134 III 136 E. 1.3 S. 138; vgl. LEVANTE, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über BGE 140 III 644 S. 648 Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 45 zu Art. 19 SchKG ). Aus dieser Praxis kann die Gemeinde als Beschwerdeführerin nichts für sich ableiten: Zum einen führt sie nicht für das Betreibungsamt Beschwerde, zum anderen beruft sie sich nicht auf die finanziellen Interessen des Kantons, sondern der Gemeinde.
3.1 Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG Art. 18 SchKG Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG BGE 140 III 644 S. 648
Art. 19 SchKG 3.2 Die Beschwerdeberechtigung gemäss Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG entspricht Art. 89 Abs. 1 BGG, weshalb die Rechtsprechung zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beigezogen werden kann (KLETT, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 4 zu Art. 76 BGG ). Ausser Frage steht, dass die beschwerdeführende Gemeinde vom angefochtenen Entscheid nicht wie eine Privatperson betroffen ist; mit dem behaupteten Mehrbetrag ist sie nur als Gemeinwesen betroffen. Ausnahmsweise kann nach der Rechtsprechung ein Gemeinwesen zur Beschwerde legitimiert sein, wenn es durch einen Entscheid in seinen Hoheitsrechten berührt ist und ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder der Abänderung des angefochtenen Entscheides hat. Ein allgemeines Interesse an einer korrekten Anwendung des Rechts genügt jedoch nicht, ebenso wenig irgendein vermögensrechtliches Interesse, das sich direkt oder indirekt aus der Ausübung öffentlicher Aufgaben ergibt ( BGE 140 I 90 E. 1.2.1, 1.2.2 S. 93 f.). Vorliegend besteht jedoch kein Anlass zur Vermutung, dass der angefochtene Entscheid das System des kantonalen oder interkommunalen Finanzausgleichs selber in Frage stelle (vgl. BGE 140 I 90 E. 1.2.2 S. 93 f.); es ist auch nicht anzunehmen, dass der behauptete Mehrbetrag genügen würde, um die finanzielle Existenz der Gemeinde zu gefährden (vgl. BGE 140 I 90 E. 1.2.6 S. 95). Weder das hier angeblich auf dem Spiel stehende finanzielle Interesse noch die streitige Rechtsfrage vermögen wesentliche Interessen im Zusammenhang mit den Hoheitsrechten der beschwerdeführenden Gemeinde zu berühren.
3.2 Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG Art. 89 Abs. 1 BGG Art. 76 BGG 3.3 Die Berechtigung des Gemeinwesens zur Beschwerde in Zivilsachen gemäss Art. 76 Abs. 2 BGG fällt vorliegend ausser Betracht, da sie ausschliesslich Bundesbehörden erfasst. Selbst aus Art. 89 Abs. 2 lit. c BGG kann die beschwerdeführende Gemeinde nichts für sich ableiten.
3.3 Art. 76 Abs. 2 BGG Art. 89 Abs. 2 lit. c BGG 3.3.1 Gestützt auf die letzterwähnte Bestimmung des BGG kann eine Gemeinde die Verletzung von verfassungsmässigen Garantien rügen; dabei ist insbesondere die Gemeindeautonomie ( Art. 50 Abs. 1 BV ) BGE 140 III 644 S. 649 gemeint ( BGE 140 I 90 E. 1.1 S. 92). Damit die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offensteht, muss die Gemeindeautonomie jedoch Gegenstand eines zulässigen Beschwerdegrundes sein, was voraussetzt, dass die beschwerdeführende Gemeinde diese in einer ausreichend begründeten Weise anruft ( Art. 106 Abs. 2 BGG ; BGE 140 I 90 E. 1.1 S. 92).
3.3.1 Art. 50 Abs. 1 BV BGE 140 III 644 S. 649
Art. 106 Abs. 2 BGG 3.3.2 Die obere kantonale Aufsichtsbehörde hat festgehalten, dass sie gemäss [recte] Art. 14 Abs. 1 SchKG i.V.m. § 17 EG SchKG/AG für die administrative Aufsicht über die Betreibungsämter ausschliesslich zuständig sei. Die administrative Aufsicht umfasse (gemäss § 17 Abs. 2 EG SchKG/AG) "insbesondere die Durchführung von Inspektionen der Betreibungsämter sowie den Erlass von Weisungen". Der Einwohnergemeinde stehe hingegen gemäss § 3 EG SchKG/AG die Kompetenz zu, die Betreibungsbeamtin oder den Betreibungsbeamten und deren Stellvertreter anzustellen sowie die Besoldung des Personals des von ihnen betriebenen Betreibungsamtes zu regeln. Der Beschluss der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde, für die Betreibungsämter im Kanton nur eine einheitliche Software zuzulassen, stütze sich auf ihre abschliessende administrative Aufsichtskompetenz. Die Anordnung der beschwerdeführenden Gemeinde gegenüber dem Betreibungsamt, eine bestimmte Software entgegen der Anordnung der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde zu verwenden, sei kompetenz- und gesetzwidrig.
3.3.2 Art. 14 Abs. 1 SchKG 3.3.3 Die beschwerdeführende Gemeinde beruft sich auf die Gemeindeautonomie. Aus der Beschwerdeschrift geht jedoch nicht hervor, inwiefern die Garantie verletzt sein soll. Die beschwerdeführende Gemeinde begnügt sich im Wesentlichen mit der Behauptung, dass die obere Aufsichtsbehörde ihre Aufsichtsbefugnisse überschreite, da jede Gemeinde selber entscheiden dürfe, welche Software sie in ihrem Betreibungsamt einsetzen wolle, solange diese die bundesrechtlichen Anforderungen erfülle. Sie setzt indessen nicht auseinander, was auch nicht aus den kantonalen und bundesrechtlichen Bestimmungen zur administrativen Aufsicht hervorgeht (vgl. Art. 14 Abs. 1 SchKG i.V.m. § 17 EG SchKG/AG; vgl. E. 2.2), inwiefern die Gemeinde über irgendeine Entscheidungsfreiheit bezüglich der bestrittenen Aufgabe (Aufsicht und Weisung betreffend Einsatz von EDV-Mitteln) verfügt, was indessen das Wesen der Gemeindeautonomie ausmacht ( BGE 140 I 90 E. 1.1 S. 92). Inwiefern die Vorinstanz mit Art. 14 Abs. 1 SchKG i.V.m. § 17 EG SchKG/AG zu BGE 140 III 644 S. 650 Unrecht eine abschliessende Regelung angenommen habe, weil diese zwingend und vollständig sei, also eine für den ganzen Kanton einheitliche Ordnung schaffen wolle (vgl. PFISTERER, Neuere Entwicklung der Gemeindeautonomie im Kanton Aargau, ZBJV 1989 S. 10 ff., mit Hinweisen auf die Rechtsprechung), und damit den Autonomieschutz verkannt habe, wird nicht dargelegt. Die Beschwerde genügt hinsichtlich der gerügten Verletzung der Gemeindeautonomie den Begründungsanforderungen nicht.
3.3.3 Art. 14 Abs. 1 SchKG Art. 14 Abs. 1 SchKG BGE 140 III 644 S. 650
3.3.4 Die beschwerdeführende Gemeinde rügt ferner die Verletzung anderer verfassungsmässiger Rechte. In der Beschwerdeschrift wird - mit Blick auf die Rechtzeitigkeit der Beschwerdeführung - nicht dargelegt, inwiefern aus einer fehlenden Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Entscheid überhaupt ein Nachteil entstanden sei, welcher den Schutz von Art. 9 BV erfordere. Ebenso wenig legt die beschwerdeführende Gemeinde dar, inwiefern die Auffassung der Vorinstanz, dass die Einwohnergemeinde gemäss Art. 14 Abs. 1 SchKG i.V.m. § 17 EG SchKG/AG für die administrative Aufsicht über die Betreibungsämter nicht zuständig sei, gegen das Willkürverbot ( Art. 9 BV ) verstossen soll. Was in der Beschwerdeschrift unter dem Titel "Gehörsverletzung" im Rahmen des Evaluationsprozesses der Software oder als "Vorbefassung" der Vorinstanz vorgebracht wird, insbesondere weil einzelne Gerichtspersonen am - nicht im SchKG geregelten, sondern nach Beschaffungsrecht geführten - Submissionsverfahren (vgl. Submissionsentscheid bzw. Beschluss vom 15. Mai 2013) mitgewirkt haben, betrifft nicht das Verfahren der administrativen Aufsicht über die Betreibungsämter, sondern den Umstand, dass sie mit dem Ergebnis der administrativen Aufsicht nicht zufrieden ist. Diese Vorbringen sowie der weitere Antrag, die Nichtigkeit (vgl. Art. 22 SchKG ) des angefochtenen Entscheides festzustellen, vermögen den Begründungsanforderungen nicht zu genügen.
3.3.4 Art. 9 BV Art. 14 Abs. 1 SchKG Art. 9 BV Art. 22 SchKG 3.4 Nach dem Dargelegten kann auf die Beschwerde mangels hinreichender Beschwerdelegitimation (Art. 76 Abs. 1 lit. b bzw. Art. 89 Abs. 1 und 2 BGG ) sowie ungenügender Beschwerdebegründung ( Art. 106 Abs. 2 BGG ) insgesamt nicht eingetreten werden. Es bleibt anzufügen, dass die "subsidiär" erhobene Verfassungsbeschwerde weder betreffend Beschwerderecht ( Art. 115 BGG ) noch Beschwerdegründe ( Art. 116 BGG ) weiterhelfen kann.
3.4 Art. 89 Abs. 1 und 2 BGG Art. 106 Abs. 2 BGG Art. 115 BGG Art. 116 BGG
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Urteilskopf 140 III 644 93. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Gemeinde Niederrohrdorf gegen Obergericht des Kantons Aargau, Schuldbetreibungs- und Konkurskommission als obere betreibungsrechtliche Aufsichtsbehörde (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_385/2014 vom 24. Oktober 2014 Regeste Art. 14 Abs. 1 SchKG, Art. 76 Abs. 1 lit. b, Art. 89 Abs. 1 und 2 lit. c BGG ; administrative Aufsicht über die Betreibungsämter. Beschwerde einer Gemeinde gegen die kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibung und Konkurssachen, welche die Einführung eines EDV-Programms für die Betreibungsämter im Kanton angeordnet hat (E. 2 und 3). Sachverhalt ab Seite 644 BGE 140 III 644 S. 644 A. A.a In den Jahren 2009/2010 traten mit der bei der überwiegenden Anzahl der aargauischen Betreibungsämter installierten Software Probleme auf (keine Updates, Reaktionszeit bei Problemen bis zu 14 Tagen, Totalausfall bei zwei Ämtern). Das Obergericht des Kantons Aargau, Schuldbetreibungs- und Konkurskommission als obere betreibungsrechtliche Aufsichtsbehörde, kam zum Schluss, dass für die aargauischen Betreibungsämter eine neue Software gesucht werden müsse; das bestehende Programm "x" der A. AG habe trotz Stabilisierungsmassnahmen im Urteil von Fachleuten das "End of life" erreicht. BGE 140 III 644 S. 645 A.b An der Sitzung vom 9. Januar 2012 besprachen sich die Vertreter der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde, des Betreibungsinspektorates, der Justizverwaltung, des Betreibungsbeamtenverbandes und der Gemeindeverbände (Gemeindeammännerverband, Verband der Finanzfachleute; der Gemeindeschreiberverband signalisierte Desinteresse). Sämtliche Beteiligten kamen zum Schluss, das Projekt einer neuen Betreibungssoftware in Angriff zu nehmen. Die beteiligten Gemeindevertretungen wünschten keine Mitwirkung in der Projektgruppe, sondern begnügten sich mit der Orientierung über die Projektschritte. A.c Mit Beschluss vom 14. Mai 2012 hiess die obere kantonale Aufsichtsbehörde den einstimmigen Antrag des Steuerungsausschusses gut, künftig eine einheitliche Software für die aargauischen Betreibungsämter vorzusehen. Am 21. Dezember 2012 wurde der Beschaffungsauftrag öffentlich ausgeschrieben. Nach dem Evaluationsverfahren erteilte die obere kantonale Aufsichtsbehörde mit Beschluss vom 15. Mai 2013 den Zuschlag an die B. AG. Der Zuschlag blieb (beim Verwaltungsgericht Aargau) unangefochten und erwuchs in Rechtskraft. A.d Mit Voranzeige vom 27. Februar 2014 wurde die Installation und Einführung der neuen Software beim Betreibungsamt Niederrohrdorf auf den 2. Juli 2014 und die Schulung der Mitarbeiter des Betreibungsamtes auf den 24. und 26. Juni 2014 angesetzt. B. Am 13. März 2014 (Postaufgabe) gelangte die Gemeinde Niederrohrdorf an die obere kantonale Aufsichtsbehörde und teilte mit, dass sie den Software-Wechsel nicht akzeptiere, da dieser mit unverhältnismässigen Mehrkosten verbunden sei; das bisherige Produkt der A. AG erfülle sämtliche Anforderungen. Die Gemeinde stellte im Wesentlichen den Antrag, auf die zwingende Einführung der neuen Software zu verzichten bzw. den Einsatz der bisherigen Software zu erlauben. Mit Beschluss vom 20. März 2014 wies die obere kantonale Aufsichtsbehörde das Gesuch der Gemeinde Niederrohrdorf ab, soweit darauf eingetreten wurde. Weiter wurde das Betreibungsamt Niederrohrdorf angewiesen, die Installation und Einführung der neuen Software "zu dulden"; die Mitarbeiter des Betreibungsamtes wurden angewiesen, an der Schulung teilzunehmen. C. Mit Eingabe vom 6. Mai 2014 (Postaufgabe) hat die Gemeinde Niederrohrdorf Beschwerde in Zivilsachen und BGE 140 III 644 S. 646 Verfassungsbeschwerde eingereicht. Die beschwerdeführende Gemeinde beantragt, den Beschluss des Obergerichts des Kantons Aargau, Schuldbetreibungs- und Konkurskommission als obere betreibungsrechtliche Aufsichtsbehörde, vom 20. März 2014 aufzuheben. In der Sache sei ihr zu gestatten, in ihrem Betreibungsamt nicht die neue Software ("y" der B. AG), sondern weiterhin die bisherige Software (der A. AG) einzusetzen. Eventuell sei die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Für den Fall des Nichteintretens auf die Beschwerde sei die Nichtigkeit des Beschlusses der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde festzustellen. (...) Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein. (Auszug) Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt die Anordnung der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde gegenüber den Betreibungsämtern im Kanton, ein bestimmtes EDV-Programm zu benützen. 2.1 Entscheide in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen unterliegen der Beschwerde in Zivilsachen ( Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG ). Der angefochtene Entscheid hat allerdings nicht ein Zwangsvollstreckungsverfahren zum Gegenstand, in welchem die Aufsichtsbehörde als Rechtsmittelbehörde entschieden ( Art. 17 SchKG ) oder in welches sie von Amtes wegen eingegriffen hat ( Art. 22 SchKG ); die Aufsichtsbehörde hat auch nicht in allgemeiner Form Weisungen zur gesetzmässigen Ausführung von Zwangsvollstreckungshandlungen erteilt ( Art. 13 SchKG ). Ebenso wenig geht es um ein Disziplinar- oder Verantwortlichkeitsverfahren gemäss Art. 14 Abs. 2 bzw. Art. 5 SchKG, welche ebenfalls der Beschwerde in Zivilsachen unterstellt werden, weil die Einhaltung von SchKG-Bestimmungen im Vordergrund steht (vgl. KLETT/ESCHER, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 6, 7 zu Art. 72 BGG, mit Hinweisen zur Rechtsprechung). 2.2 Die im angefochtenen Beschluss enthaltene Anordnung der kantonalen Aufsichtsbehörde gegenüber den Betreibungsämtern, ein bestimmtes EDV-Programm zu benützen, ist administrativer Natur. Die kantonale Aufsichtsbehörde übt gemäss Art. 14 Abs. 1 SchKG (neben der rechtlichen Aufsicht gemäss Art. 13 Abs. 1 SchKG ) die administrative Aufsicht über die Zwangsvollstreckungsorgane aus. In diesem Rahmen hat sie neben den personellen und räumlichen BGE 140 III 644 S. 647 Mitteln u.a. auch die geeigneten Informatikmittel zu prüfen (GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite et la faillite, Bd. I, 1999, N. 6 zu Art. 14 SchKG ; MARTIN, La surveillance en matière de poursuites et faillites [...], SJ 2008 II S. 138, 193 f.). Bei allfälligen Mängeln hat die kantonale Aufsichtsbehörde Massnahmen anzuordnen, denn die Organisation der Betreibungs- und Konkursämter ist Sache der Kantone ( Art. 2 und Art. 3 SchKG ; BGE 119 III 1 E. 3 S. 3; GILLIÉRON, a.a.O., N. 7, 8 zu Art. 14 SchKG ). Es liegt in der alleinigen Kompetenz der Kantone, darüber zu entscheiden, ob sie z.B. einem Betreibungsamt die Zusammenarbeit mit einem bestimmten EDV-Anbieter erlauben wollen oder nicht ( BGE 122 III 34 E. 2 S. 35). Sodann sieht das aargauische Recht in § 17 Abs. 1 EG SchKG/AG (SAR 231.200) vor, dass "für die administrative Aufsicht [...] ausschliesslich die obere Aufsichtsbehörde zuständig ist". 2.3 Ob der Entscheid, welche personellen, räumlichen oder - wie hier - elektronischen Mittel zur Organisation der Betreibungs- und Konkursämter einzusetzen sind, als eine "Schuldbetreibungs- und Konkurssache" im Sinne von Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG betrachtet werden kann oder ob es sich eher um eine Entscheidung in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts handelt (vgl. Art. 82 lit. a BGG ), muss nicht abschliessend erörtert werden. Die Frage ist für den Ausgang der Beschwerde - wie sich aus dem Folgenden ergibt - nicht ausschlaggebend. 3. Die beschwerdeführende Gemeinde sieht sich durch die Einführung der Software für die aargauischen Betreibungsämter bzw. den damit verbundenen Mehrkosten von insgesamt Fr. 43'000.- für die Jahre 2014 bis 2019 in ihren finanziellen Interessen bzw. eigenen Rechten, insbesondere in ihrer Autonomie verletzt. 3.1 Gemäss Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG ist zur Beschwerde in Zivilsachen berechtigt, wer durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat. Nach der Rechtsprechung ist ein Betreibungsamt in begrenztem Umfang zur betreibungsrechtlichen Beschwerde berechtigt, u.a. zur Geltendmachung fiskalischer Interessen des durch ihn vertretenen Kantons ( BGE 119 III 4 E. 1 S. 5; vgl. LORANDI, Betreibungsrechtliche Beschwerde und Nichtigkeit, 2000, N. 55 zu Art. 18 SchKG ). Diese Praxis gilt auch für die Beschwerdelegitimation gemäss Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG ( BGE 134 III 136 E. 1.3 S. 138; vgl. LEVANTE, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über BGE 140 III 644 S. 648 Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 45 zu Art. 19 SchKG ). Aus dieser Praxis kann die Gemeinde als Beschwerdeführerin nichts für sich ableiten: Zum einen führt sie nicht für das Betreibungsamt Beschwerde, zum anderen beruft sie sich nicht auf die finanziellen Interessen des Kantons, sondern der Gemeinde. 3.2 Die Beschwerdeberechtigung gemäss Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG entspricht Art. 89 Abs. 1 BGG, weshalb die Rechtsprechung zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beigezogen werden kann (KLETT, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 4 zu Art. 76 BGG ). Ausser Frage steht, dass die beschwerdeführende Gemeinde vom angefochtenen Entscheid nicht wie eine Privatperson betroffen ist; mit dem behaupteten Mehrbetrag ist sie nur als Gemeinwesen betroffen. Ausnahmsweise kann nach der Rechtsprechung ein Gemeinwesen zur Beschwerde legitimiert sein, wenn es durch einen Entscheid in seinen Hoheitsrechten berührt ist und ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder der Abänderung des angefochtenen Entscheides hat. Ein allgemeines Interesse an einer korrekten Anwendung des Rechts genügt jedoch nicht, ebenso wenig irgendein vermögensrechtliches Interesse, das sich direkt oder indirekt aus der Ausübung öffentlicher Aufgaben ergibt ( BGE 140 I 90 E. 1.2.1, 1.2.2 S. 93 f.). Vorliegend besteht jedoch kein Anlass zur Vermutung, dass der angefochtene Entscheid das System des kantonalen oder interkommunalen Finanzausgleichs selber in Frage stelle (vgl. BGE 140 I 90 E. 1.2.2 S. 93 f.); es ist auch nicht anzunehmen, dass der behauptete Mehrbetrag genügen würde, um die finanzielle Existenz der Gemeinde zu gefährden (vgl. BGE 140 I 90 E. 1.2.6 S. 95). Weder das hier angeblich auf dem Spiel stehende finanzielle Interesse noch die streitige Rechtsfrage vermögen wesentliche Interessen im Zusammenhang mit den Hoheitsrechten der beschwerdeführenden Gemeinde zu berühren. 3.3 Die Berechtigung des Gemeinwesens zur Beschwerde in Zivilsachen gemäss Art. 76 Abs. 2 BGG fällt vorliegend ausser Betracht, da sie ausschliesslich Bundesbehörden erfasst. Selbst aus Art. 89 Abs. 2 lit. c BGG kann die beschwerdeführende Gemeinde nichts für sich ableiten. 3.3.1 Gestützt auf die letzterwähnte Bestimmung des BGG kann eine Gemeinde die Verletzung von verfassungsmässigen Garantien rügen; dabei ist insbesondere die Gemeindeautonomie ( Art. 50 Abs. 1 BV ) BGE 140 III 644 S. 649 gemeint ( BGE 140 I 90 E. 1.1 S. 92). Damit die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offensteht, muss die Gemeindeautonomie jedoch Gegenstand eines zulässigen Beschwerdegrundes sein, was voraussetzt, dass die beschwerdeführende Gemeinde diese in einer ausreichend begründeten Weise anruft ( Art. 106 Abs. 2 BGG ; BGE 140 I 90 E. 1.1 S. 92). 3.3.2 Die obere kantonale Aufsichtsbehörde hat festgehalten, dass sie gemäss [recte] Art. 14 Abs. 1 SchKG i.V.m. § 17 EG SchKG/AG für die administrative Aufsicht über die Betreibungsämter ausschliesslich zuständig sei. Die administrative Aufsicht umfasse (gemäss § 17 Abs. 2 EG SchKG/AG) "insbesondere die Durchführung von Inspektionen der Betreibungsämter sowie den Erlass von Weisungen". Der Einwohnergemeinde stehe hingegen gemäss § 3 EG SchKG/AG die Kompetenz zu, die Betreibungsbeamtin oder den Betreibungsbeamten und deren Stellvertreter anzustellen sowie die Besoldung des Personals des von ihnen betriebenen Betreibungsamtes zu regeln. Der Beschluss der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde, für die Betreibungsämter im Kanton nur eine einheitliche Software zuzulassen, stütze sich auf ihre abschliessende administrative Aufsichtskompetenz. Die Anordnung der beschwerdeführenden Gemeinde gegenüber dem Betreibungsamt, eine bestimmte Software entgegen der Anordnung der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde zu verwenden, sei kompetenz- und gesetzwidrig. 3.3.3 Die beschwerdeführende Gemeinde beruft sich auf die Gemeindeautonomie. Aus der Beschwerdeschrift geht jedoch nicht hervor, inwiefern die Garantie verletzt sein soll. Die beschwerdeführende Gemeinde begnügt sich im Wesentlichen mit der Behauptung, dass die obere Aufsichtsbehörde ihre Aufsichtsbefugnisse überschreite, da jede Gemeinde selber entscheiden dürfe, welche Software sie in ihrem Betreibungsamt einsetzen wolle, solange diese die bundesrechtlichen Anforderungen erfülle. Sie setzt indessen nicht auseinander, was auch nicht aus den kantonalen und bundesrechtlichen Bestimmungen zur administrativen Aufsicht hervorgeht (vgl. Art. 14 Abs. 1 SchKG i.V.m. § 17 EG SchKG/AG; vgl. E. 2.2), inwiefern die Gemeinde über irgendeine Entscheidungsfreiheit bezüglich der bestrittenen Aufgabe (Aufsicht und Weisung betreffend Einsatz von EDV-Mitteln) verfügt, was indessen das Wesen der Gemeindeautonomie ausmacht ( BGE 140 I 90 E. 1.1 S. 92). Inwiefern die Vorinstanz mit Art. 14 Abs. 1 SchKG i.V.m. § 17 EG SchKG/AG zu BGE 140 III 644 S. 650 Unrecht eine abschliessende Regelung angenommen habe, weil diese zwingend und vollständig sei, also eine für den ganzen Kanton einheitliche Ordnung schaffen wolle (vgl. PFISTERER, Neuere Entwicklung der Gemeindeautonomie im Kanton Aargau, ZBJV 1989 S. 10 ff., mit Hinweisen auf die Rechtsprechung), und damit den Autonomieschutz verkannt habe, wird nicht dargelegt. Die Beschwerde genügt hinsichtlich der gerügten Verletzung der Gemeindeautonomie den Begründungsanforderungen nicht. 3.3.4 Die beschwerdeführende Gemeinde rügt ferner die Verletzung anderer verfassungsmässiger Rechte. In der Beschwerdeschrift wird - mit Blick auf die Rechtzeitigkeit der Beschwerdeführung - nicht dargelegt, inwiefern aus einer fehlenden Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Entscheid überhaupt ein Nachteil entstanden sei, welcher den Schutz von Art. 9 BV erfordere. Ebenso wenig legt die beschwerdeführende Gemeinde dar, inwiefern die Auffassung der Vorinstanz, dass die Einwohnergemeinde gemäss Art. 14 Abs. 1 SchKG i.V.m. § 17 EG SchKG/AG für die administrative Aufsicht über die Betreibungsämter nicht zuständig sei, gegen das Willkürverbot ( Art. 9 BV ) verstossen soll. Was in der Beschwerdeschrift unter dem Titel "Gehörsverletzung" im Rahmen des Evaluationsprozesses der Software oder als "Vorbefassung" der Vorinstanz vorgebracht wird, insbesondere weil einzelne Gerichtspersonen am - nicht im SchKG geregelten, sondern nach Beschaffungsrecht geführten - Submissionsverfahren (vgl. Submissionsentscheid bzw. Beschluss vom 15. Mai 2013) mitgewirkt haben, betrifft nicht das Verfahren der administrativen Aufsicht über die Betreibungsämter, sondern den Umstand, dass sie mit dem Ergebnis der administrativen Aufsicht nicht zufrieden ist. Diese Vorbringen sowie der weitere Antrag, die Nichtigkeit (vgl. Art. 22 SchKG ) des angefochtenen Entscheides festzustellen, vermögen den Begründungsanforderungen nicht zu genügen. 3.4 Nach dem Dargelegten kann auf die Beschwerde mangels hinreichender Beschwerdelegitimation (Art. 76 Abs. 1 lit. b bzw. Art. 89 Abs. 1 und 2 BGG ) sowie ungenügender Beschwerdebegründung ( Art. 106 Abs. 2 BGG ) insgesamt nicht eingetreten werden. Es bleibt anzufügen, dass die "subsidiär" erhobene Verfassungsbeschwerde weder betreffend Beschwerderecht ( Art. 115 BGG ) noch Beschwerdegründe ( Art. 116 BGG ) weiterhelfen kann.
Urteilskopf
93. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Gemeinde Niederrohrdorf gegen Obergericht des Kantons Aargau, Schuldbetreibungs- und Konkurskommission als obere betreibungsrechtliche Aufsichtsbehörde (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_385/2014 vom 24. Oktober 2014
Regeste Art. 14 Abs. 1 SchKG, Art. 76 Abs. 1 lit. b, Art. 89 Abs. 1 und 2 lit. c BGG ; administrative Aufsicht über die Betreibungsämter. Beschwerde einer Gemeinde gegen die kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibung und Konkurssachen, welche die Einführung eines EDV-Programms für die Betreibungsämter im Kanton angeordnet hat (E. 2 und 3).
Regeste
Art. 14 Abs. 1 SchKG, Art. 76 Abs. 1 lit. b, Art. 89 Abs. 1 und 2 lit. c BGG ; administrative Aufsicht über die Betreibungsämter. Beschwerde einer Gemeinde gegen die kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibung und Konkurssachen, welche die Einführung eines EDV-Programms für die Betreibungsämter im Kanton angeordnet hat (E. 2 und 3).
Art. 14 Abs. 1 SchKG Art. 89 Abs. 1 und 2 lit. c BGG Beschwerde einer Gemeinde gegen die kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibung und Konkurssachen, welche die Einführung eines EDV-Programms für die Betreibungsämter im Kanton angeordnet hat (E. 2 und 3).
Sachverhalt ab Seite 644
Sachverhalt ab Seite 644 BGE 140 III 644 S. 644
BGE 140 III 644 S. 644
A.
A. A.a In den Jahren 2009/2010 traten mit der bei der überwiegenden Anzahl der aargauischen Betreibungsämter installierten Software Probleme auf (keine Updates, Reaktionszeit bei Problemen bis zu 14 Tagen, Totalausfall bei zwei Ämtern). Das Obergericht des Kantons Aargau, Schuldbetreibungs- und Konkurskommission als obere betreibungsrechtliche Aufsichtsbehörde, kam zum Schluss, dass für die aargauischen Betreibungsämter eine neue Software gesucht werden müsse; das bestehende Programm "x" der A. AG habe trotz Stabilisierungsmassnahmen im Urteil von Fachleuten das "End of life" erreicht. BGE 140 III 644 S. 645
A.a BGE 140 III 644 S. 645
A.b An der Sitzung vom 9. Januar 2012 besprachen sich die Vertreter der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde, des Betreibungsinspektorates, der Justizverwaltung, des Betreibungsbeamtenverbandes und der Gemeindeverbände (Gemeindeammännerverband, Verband der Finanzfachleute; der Gemeindeschreiberverband signalisierte Desinteresse). Sämtliche Beteiligten kamen zum Schluss, das Projekt einer neuen Betreibungssoftware in Angriff zu nehmen. Die beteiligten Gemeindevertretungen wünschten keine Mitwirkung in der Projektgruppe, sondern begnügten sich mit der Orientierung über die Projektschritte.
A.b A.c Mit Beschluss vom 14. Mai 2012 hiess die obere kantonale Aufsichtsbehörde den einstimmigen Antrag des Steuerungsausschusses gut, künftig eine einheitliche Software für die aargauischen Betreibungsämter vorzusehen. Am 21. Dezember 2012 wurde der Beschaffungsauftrag öffentlich ausgeschrieben. Nach dem Evaluationsverfahren erteilte die obere kantonale Aufsichtsbehörde mit Beschluss vom 15. Mai 2013 den Zuschlag an die B. AG. Der Zuschlag blieb (beim Verwaltungsgericht Aargau) unangefochten und erwuchs in Rechtskraft.
A.c A.d Mit Voranzeige vom 27. Februar 2014 wurde die Installation und Einführung der neuen Software beim Betreibungsamt Niederrohrdorf auf den 2. Juli 2014 und die Schulung der Mitarbeiter des Betreibungsamtes auf den 24. und 26. Juni 2014 angesetzt.
A.d B. Am 13. März 2014 (Postaufgabe) gelangte die Gemeinde Niederrohrdorf an die obere kantonale Aufsichtsbehörde und teilte mit, dass sie den Software-Wechsel nicht akzeptiere, da dieser mit unverhältnismässigen Mehrkosten verbunden sei; das bisherige Produkt der A. AG erfülle sämtliche Anforderungen. Die Gemeinde stellte im Wesentlichen den Antrag, auf die zwingende Einführung der neuen Software zu verzichten bzw. den Einsatz der bisherigen Software zu erlauben.
B. Mit Beschluss vom 20. März 2014 wies die obere kantonale Aufsichtsbehörde das Gesuch der Gemeinde Niederrohrdorf ab, soweit darauf eingetreten wurde. Weiter wurde das Betreibungsamt Niederrohrdorf angewiesen, die Installation und Einführung der neuen Software "zu dulden"; die Mitarbeiter des Betreibungsamtes wurden angewiesen, an der Schulung teilzunehmen.
C. Mit Eingabe vom 6. Mai 2014 (Postaufgabe) hat die Gemeinde Niederrohrdorf Beschwerde in Zivilsachen und BGE 140 III 644 S. 646 Verfassungsbeschwerde eingereicht. Die beschwerdeführende Gemeinde beantragt, den Beschluss des Obergerichts des Kantons Aargau, Schuldbetreibungs- und Konkurskommission als obere betreibungsrechtliche Aufsichtsbehörde, vom 20. März 2014 aufzuheben. In der Sache sei ihr zu gestatten, in ihrem Betreibungsamt nicht die neue Software ("y" der B. AG), sondern weiterhin die bisherige Software (der A. AG) einzusetzen. Eventuell sei die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Für den Fall des Nichteintretens auf die Beschwerde sei die Nichtigkeit des Beschlusses der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde festzustellen. (...)
C. BGE 140 III 644 S. 646
Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein.
(Auszug)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
2. Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt die Anordnung der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde gegenüber den Betreibungsämtern im Kanton, ein bestimmtes EDV-Programm zu benützen.
2. 2.1 Entscheide in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen unterliegen der Beschwerde in Zivilsachen ( Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG ). Der angefochtene Entscheid hat allerdings nicht ein Zwangsvollstreckungsverfahren zum Gegenstand, in welchem die Aufsichtsbehörde als Rechtsmittelbehörde entschieden ( Art. 17 SchKG ) oder in welches sie von Amtes wegen eingegriffen hat ( Art. 22 SchKG ); die Aufsichtsbehörde hat auch nicht in allgemeiner Form Weisungen zur gesetzmässigen Ausführung von Zwangsvollstreckungshandlungen erteilt ( Art. 13 SchKG ). Ebenso wenig geht es um ein Disziplinar- oder Verantwortlichkeitsverfahren gemäss Art. 14 Abs. 2 bzw. Art. 5 SchKG, welche ebenfalls der Beschwerde in Zivilsachen unterstellt werden, weil die Einhaltung von SchKG-Bestimmungen im Vordergrund steht (vgl. KLETT/ESCHER, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 6, 7 zu Art. 72 BGG, mit Hinweisen zur Rechtsprechung).
2.1 Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG Art. 17 SchKG Art. 22 SchKG Art. 13 SchKG Art. 5 SchKG Art. 72 BGG 2.2 Die im angefochtenen Beschluss enthaltene Anordnung der kantonalen Aufsichtsbehörde gegenüber den Betreibungsämtern, ein bestimmtes EDV-Programm zu benützen, ist administrativer Natur. Die kantonale Aufsichtsbehörde übt gemäss Art. 14 Abs. 1 SchKG (neben der rechtlichen Aufsicht gemäss Art. 13 Abs. 1 SchKG ) die administrative Aufsicht über die Zwangsvollstreckungsorgane aus. In diesem Rahmen hat sie neben den personellen und räumlichen BGE 140 III 644 S. 647 Mitteln u.a. auch die geeigneten Informatikmittel zu prüfen (GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite et la faillite, Bd. I, 1999, N. 6 zu Art. 14 SchKG ; MARTIN, La surveillance en matière de poursuites et faillites [...], SJ 2008 II S. 138, 193 f.). Bei allfälligen Mängeln hat die kantonale Aufsichtsbehörde Massnahmen anzuordnen, denn die Organisation der Betreibungs- und Konkursämter ist Sache der Kantone ( Art. 2 und Art. 3 SchKG ; BGE 119 III 1 E. 3 S. 3; GILLIÉRON, a.a.O., N. 7, 8 zu Art. 14 SchKG ). Es liegt in der alleinigen Kompetenz der Kantone, darüber zu entscheiden, ob sie z.B. einem Betreibungsamt die Zusammenarbeit mit einem bestimmten EDV-Anbieter erlauben wollen oder nicht ( BGE 122 III 34 E. 2 S. 35). Sodann sieht das aargauische Recht in § 17 Abs. 1 EG SchKG/AG (SAR 231.200) vor, dass "für die administrative Aufsicht [...] ausschliesslich die obere Aufsichtsbehörde zuständig ist".
2.2 Art. 14 Abs. 1 SchKG Art. 13 Abs. 1 SchKG BGE 140 III 644 S. 647
Art. 14 SchKG Art. 2 und Art. 3 SchKG Art. 14 SchKG 2.3 Ob der Entscheid, welche personellen, räumlichen oder - wie hier - elektronischen Mittel zur Organisation der Betreibungs- und Konkursämter einzusetzen sind, als eine "Schuldbetreibungs- und Konkurssache" im Sinne von Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG betrachtet werden kann oder ob es sich eher um eine Entscheidung in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts handelt (vgl. Art. 82 lit. a BGG ), muss nicht abschliessend erörtert werden. Die Frage ist für den Ausgang der Beschwerde - wie sich aus dem Folgenden ergibt - nicht ausschlaggebend.
2.3 Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG Art. 82 lit. a BGG 3. Die beschwerdeführende Gemeinde sieht sich durch die Einführung der Software für die aargauischen Betreibungsämter bzw. den damit verbundenen Mehrkosten von insgesamt Fr. 43'000.- für die Jahre 2014 bis 2019 in ihren finanziellen Interessen bzw. eigenen Rechten, insbesondere in ihrer Autonomie verletzt.
3. 3.1 Gemäss Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG ist zur Beschwerde in Zivilsachen berechtigt, wer durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat. Nach der Rechtsprechung ist ein Betreibungsamt in begrenztem Umfang zur betreibungsrechtlichen Beschwerde berechtigt, u.a. zur Geltendmachung fiskalischer Interessen des durch ihn vertretenen Kantons ( BGE 119 III 4 E. 1 S. 5; vgl. LORANDI, Betreibungsrechtliche Beschwerde und Nichtigkeit, 2000, N. 55 zu Art. 18 SchKG ). Diese Praxis gilt auch für die Beschwerdelegitimation gemäss Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG ( BGE 134 III 136 E. 1.3 S. 138; vgl. LEVANTE, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über BGE 140 III 644 S. 648 Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 45 zu Art. 19 SchKG ). Aus dieser Praxis kann die Gemeinde als Beschwerdeführerin nichts für sich ableiten: Zum einen führt sie nicht für das Betreibungsamt Beschwerde, zum anderen beruft sie sich nicht auf die finanziellen Interessen des Kantons, sondern der Gemeinde.
3.1 Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG Art. 18 SchKG Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG BGE 140 III 644 S. 648
Art. 19 SchKG 3.2 Die Beschwerdeberechtigung gemäss Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG entspricht Art. 89 Abs. 1 BGG, weshalb die Rechtsprechung zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beigezogen werden kann (KLETT, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 4 zu Art. 76 BGG ). Ausser Frage steht, dass die beschwerdeführende Gemeinde vom angefochtenen Entscheid nicht wie eine Privatperson betroffen ist; mit dem behaupteten Mehrbetrag ist sie nur als Gemeinwesen betroffen. Ausnahmsweise kann nach der Rechtsprechung ein Gemeinwesen zur Beschwerde legitimiert sein, wenn es durch einen Entscheid in seinen Hoheitsrechten berührt ist und ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder der Abänderung des angefochtenen Entscheides hat. Ein allgemeines Interesse an einer korrekten Anwendung des Rechts genügt jedoch nicht, ebenso wenig irgendein vermögensrechtliches Interesse, das sich direkt oder indirekt aus der Ausübung öffentlicher Aufgaben ergibt ( BGE 140 I 90 E. 1.2.1, 1.2.2 S. 93 f.). Vorliegend besteht jedoch kein Anlass zur Vermutung, dass der angefochtene Entscheid das System des kantonalen oder interkommunalen Finanzausgleichs selber in Frage stelle (vgl. BGE 140 I 90 E. 1.2.2 S. 93 f.); es ist auch nicht anzunehmen, dass der behauptete Mehrbetrag genügen würde, um die finanzielle Existenz der Gemeinde zu gefährden (vgl. BGE 140 I 90 E. 1.2.6 S. 95). Weder das hier angeblich auf dem Spiel stehende finanzielle Interesse noch die streitige Rechtsfrage vermögen wesentliche Interessen im Zusammenhang mit den Hoheitsrechten der beschwerdeführenden Gemeinde zu berühren.
3.2 Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG Art. 89 Abs. 1 BGG Art. 76 BGG 3.3 Die Berechtigung des Gemeinwesens zur Beschwerde in Zivilsachen gemäss Art. 76 Abs. 2 BGG fällt vorliegend ausser Betracht, da sie ausschliesslich Bundesbehörden erfasst. Selbst aus Art. 89 Abs. 2 lit. c BGG kann die beschwerdeführende Gemeinde nichts für sich ableiten.
3.3 Art. 76 Abs. 2 BGG Art. 89 Abs. 2 lit. c BGG 3.3.1 Gestützt auf die letzterwähnte Bestimmung des BGG kann eine Gemeinde die Verletzung von verfassungsmässigen Garantien rügen; dabei ist insbesondere die Gemeindeautonomie ( Art. 50 Abs. 1 BV ) BGE 140 III 644 S. 649 gemeint ( BGE 140 I 90 E. 1.1 S. 92). Damit die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offensteht, muss die Gemeindeautonomie jedoch Gegenstand eines zulässigen Beschwerdegrundes sein, was voraussetzt, dass die beschwerdeführende Gemeinde diese in einer ausreichend begründeten Weise anruft ( Art. 106 Abs. 2 BGG ; BGE 140 I 90 E. 1.1 S. 92).
3.3.1 Art. 50 Abs. 1 BV BGE 140 III 644 S. 649
Art. 106 Abs. 2 BGG 3.3.2 Die obere kantonale Aufsichtsbehörde hat festgehalten, dass sie gemäss [recte] Art. 14 Abs. 1 SchKG i.V.m. § 17 EG SchKG/AG für die administrative Aufsicht über die Betreibungsämter ausschliesslich zuständig sei. Die administrative Aufsicht umfasse (gemäss § 17 Abs. 2 EG SchKG/AG) "insbesondere die Durchführung von Inspektionen der Betreibungsämter sowie den Erlass von Weisungen". Der Einwohnergemeinde stehe hingegen gemäss § 3 EG SchKG/AG die Kompetenz zu, die Betreibungsbeamtin oder den Betreibungsbeamten und deren Stellvertreter anzustellen sowie die Besoldung des Personals des von ihnen betriebenen Betreibungsamtes zu regeln. Der Beschluss der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde, für die Betreibungsämter im Kanton nur eine einheitliche Software zuzulassen, stütze sich auf ihre abschliessende administrative Aufsichtskompetenz. Die Anordnung der beschwerdeführenden Gemeinde gegenüber dem Betreibungsamt, eine bestimmte Software entgegen der Anordnung der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde zu verwenden, sei kompetenz- und gesetzwidrig.
3.3.2 Art. 14 Abs. 1 SchKG 3.3.3 Die beschwerdeführende Gemeinde beruft sich auf die Gemeindeautonomie. Aus der Beschwerdeschrift geht jedoch nicht hervor, inwiefern die Garantie verletzt sein soll. Die beschwerdeführende Gemeinde begnügt sich im Wesentlichen mit der Behauptung, dass die obere Aufsichtsbehörde ihre Aufsichtsbefugnisse überschreite, da jede Gemeinde selber entscheiden dürfe, welche Software sie in ihrem Betreibungsamt einsetzen wolle, solange diese die bundesrechtlichen Anforderungen erfülle. Sie setzt indessen nicht auseinander, was auch nicht aus den kantonalen und bundesrechtlichen Bestimmungen zur administrativen Aufsicht hervorgeht (vgl. Art. 14 Abs. 1 SchKG i.V.m. § 17 EG SchKG/AG; vgl. E. 2.2), inwiefern die Gemeinde über irgendeine Entscheidungsfreiheit bezüglich der bestrittenen Aufgabe (Aufsicht und Weisung betreffend Einsatz von EDV-Mitteln) verfügt, was indessen das Wesen der Gemeindeautonomie ausmacht ( BGE 140 I 90 E. 1.1 S. 92). Inwiefern die Vorinstanz mit Art. 14 Abs. 1 SchKG i.V.m. § 17 EG SchKG/AG zu BGE 140 III 644 S. 650 Unrecht eine abschliessende Regelung angenommen habe, weil diese zwingend und vollständig sei, also eine für den ganzen Kanton einheitliche Ordnung schaffen wolle (vgl. PFISTERER, Neuere Entwicklung der Gemeindeautonomie im Kanton Aargau, ZBJV 1989 S. 10 ff., mit Hinweisen auf die Rechtsprechung), und damit den Autonomieschutz verkannt habe, wird nicht dargelegt. Die Beschwerde genügt hinsichtlich der gerügten Verletzung der Gemeindeautonomie den Begründungsanforderungen nicht.
3.3.3 Art. 14 Abs. 1 SchKG Art. 14 Abs. 1 SchKG BGE 140 III 644 S. 650
3.3.4 Die beschwerdeführende Gemeinde rügt ferner die Verletzung anderer verfassungsmässiger Rechte. In der Beschwerdeschrift wird - mit Blick auf die Rechtzeitigkeit der Beschwerdeführung - nicht dargelegt, inwiefern aus einer fehlenden Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Entscheid überhaupt ein Nachteil entstanden sei, welcher den Schutz von Art. 9 BV erfordere. Ebenso wenig legt die beschwerdeführende Gemeinde dar, inwiefern die Auffassung der Vorinstanz, dass die Einwohnergemeinde gemäss Art. 14 Abs. 1 SchKG i.V.m. § 17 EG SchKG/AG für die administrative Aufsicht über die Betreibungsämter nicht zuständig sei, gegen das Willkürverbot ( Art. 9 BV ) verstossen soll. Was in der Beschwerdeschrift unter dem Titel "Gehörsverletzung" im Rahmen des Evaluationsprozesses der Software oder als "Vorbefassung" der Vorinstanz vorgebracht wird, insbesondere weil einzelne Gerichtspersonen am - nicht im SchKG geregelten, sondern nach Beschaffungsrecht geführten - Submissionsverfahren (vgl. Submissionsentscheid bzw. Beschluss vom 15. Mai 2013) mitgewirkt haben, betrifft nicht das Verfahren der administrativen Aufsicht über die Betreibungsämter, sondern den Umstand, dass sie mit dem Ergebnis der administrativen Aufsicht nicht zufrieden ist. Diese Vorbringen sowie der weitere Antrag, die Nichtigkeit (vgl. Art. 22 SchKG ) des angefochtenen Entscheides festzustellen, vermögen den Begründungsanforderungen nicht zu genügen.
3.3.4 Art. 9 BV Art. 14 Abs. 1 SchKG Art. 9 BV Art. 22 SchKG 3.4 Nach dem Dargelegten kann auf die Beschwerde mangels hinreichender Beschwerdelegitimation (Art. 76 Abs. 1 lit. b bzw. Art. 89 Abs. 1 und 2 BGG ) sowie ungenügender Beschwerdebegründung ( Art. 106 Abs. 2 BGG ) insgesamt nicht eingetreten werden. Es bleibt anzufügen, dass die "subsidiär" erhobene Verfassungsbeschwerde weder betreffend Beschwerderecht ( Art. 115 BGG ) noch Beschwerdegründe ( Art. 116 BGG ) weiterhelfen kann.
3.4 Art. 89 Abs. 1 und 2 BGG Art. 106 Abs. 2 BGG Art. 115 BGG Art. 116 BGG
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Urteilskopf 140 III 651 94. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Konkursamt Basel-Stadt (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_388/2014 vom 18. November 2014 Regeste Art. 204 Abs. 1 SchKG ; Ungültigkeit von Rechtshandlungen des Gemeinschuldners; Wirkung für die Konkursverwaltung bzw. die Gläubigergesamtheit und Dritte. Die Konkursverwaltung kann bereits vollzogene Leistungen vom Vertragspartner des Gemeinschuldners zurückverlangen, muss jedoch mangels Besitzes allenfalls den Prozessweg beschreiten. Die Konkursverwaltung ist nicht befugt, den Vertragspartner, der an den in seinen Besitz gelangten Vermögenswerten Eigentum geltend macht, mittels amtlicher Verfügung unter Strafandrohung zur Herausgabe dieser Vermögenswerte aufzufordern (E. 4). Sachverhalt ab Seite 651 BGE 140 III 651 S. 651 A. Am 19. August 2013 eröffnete das Zivilgericht Basel-Stadt über B. den Konkurs. Auf den Gemeinschuldner waren zu diesem Zeitpunkt ein Lieferwagen Mercedes-Benz und ein Transportanhänger eingelöst. Die beiden Fahrzeuge wurden am 29. August 2013 von der Gantbeamtung Basel-Stadt inventiert und geschätzt. B. A. schloss mit B. (Schuldner und Verkäufer) am 22. August 2013 einen Kaufvertrag über die besagten Fahrzeuge ab. Tags darauf BGE 140 III 651 S. 652 wurde der am 19. August 2013 eröffnete Konkurs über den Schuldner publiziert. Am 29. Oktober 2013 erliess das Konkursamt Basel-Stadt als Konkursverwaltung gegenüber A., der mittlerweile in den Besitz der Fahrzeuge gelangt war, die "Verfügung", dass er innert 5 Tagen den Lieferwagen Mercedes-Benz 315 CDI sowie den Sachtransportanhänger DALTEC CARGO 35 der Gantbeamtung Basel-Stadt abzuliefern habe. Dieser Verfügung sei bei Androhung von Strafe im Ungehorsamsfalle gemäss Art. 292 StGB Folge zu leisten. (...) C. Gegen diese "Verfügung" erhob A. am 11. November 2013 der Rechtsmittelbelehrung entsprechend Beschwerde bei der unteren Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt Basel-Stadt, welche die Beschwerde am 7. März 2014 abwies. Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als obere Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt wies die anschliessend erhobene Beschwerde am 10. April 2014 ab. D. A. (Beschwerdeführer) gelangt mit Beschwerde in Zivilsachen vom 7. Mai 2014 (Postaufgabe) an das Bundesgericht. Er beantragt, es seien der Entscheid des Appellationsgerichts vom 10. April 2014 und die Verfügung des Konkursamtes vom 29. Oktober 2013 aufzuheben und die Fahrzeuge ihm demzufolge als rechtmässigem Besitzer zu überlassen. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen zwecks Berücksichtigung ausser Acht gelassener Sachverhaltspunkte. Das Konkursamt und die obere Aufsichtsbehörde schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit es darauf eintritt. (Auszug) Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Das Bundesgericht kann im Rahmen einer bei ihm hängigen und zulässigen Beschwerde nach Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG die allfällige Nichtigkeit einer Verfügung prüfen und feststellen (vgl. Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4357). Verfügungen, mit denen die Vollstreckungsbehörden offensichtlich ihre sachliche Zuständigkeit überschreiten, sind nichtig ( BGE 111 III 56 E. 3 S. 61). 4. Die zivilrechtlichen Betrachtungen des Beschwerdeführers, in denen er - entgegen der Erörterungen der Vorinstanz - auf einem gutgläubigen Erwerb der Fahrzeuge beharrt, sind im vorliegenden BGE 140 III 651 S. 653 Beschwerdeverfahren nicht relevant, lag es doch nicht in der sachlichen Kompetenz der Aufsichtsbehörden, die Frage zu klären, was diesbezüglich materiell rechtens ist (vgl. COMETTA/MÖCKLI, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 2. Aufl. 2010, N. 9 ff. zu Art. 17 SchKG ). Entscheidend ist hingegen, dass auch das Konkursamt selbst über den umstrittenen Eigentumsanspruch keinen Entscheid im Sinne eines autoritativen Befehls zu Lasten des Beschwerdeführers treffen konnte: 4.1 Gemäss Art. 204 Abs. 1 SchKG sind Rechtshandlungen, welche der Gemeinschuldner nach der Konkurseröffnung in Bezug auf Vermögensstücke, die zur Konkursmasse gehören, vornimmt, den Konkursgläubigern gegenüber ungültig. Die Konkursverwaltung kann Verfügungen des Schuldners als für sie nicht verbindlich betrachten (vgl. BGE 132 III 432 E. 2.4 S. 435). Bereits vollzogene Leistungen kann die Konkursverwaltung vom Vertragspartner des Gemeinschuldners zurückverlangen; sie muss jedoch mangels Besitzes allenfalls den Prozessweg beschreiten. Nach der Rechtsprechung und herrschenden Lehre ist die Konkursverwaltung nicht befugt, den Vertragspartner, der an den in seinen Besitz gelangten Vermögenswerten Eigentum geltend macht, mittels amtlicher Verfügung zur Herausgabe derselben aufzufordern oder ihm gegenüber polizeilichen Zwang anzuwenden (vgl. BGE 53 III 104 ; Urteil 7B.53/2006 vom 8. August 2006 E. 3.1; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 5. Aufl. 2012, Rz. 1668; WOHLFART/MEYER, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. II, 2. Aufl. 2010, N. 23 f. zu Art. 204 SchKG ; ISABELLE ROMY, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 15 zu Art. 204 SchKG ; STÖCKLI/POSSA, in: SchKG, 2. Aufl. 2014, N. 13 zu Art. 204 SchKG ; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach Schweizerischem Recht, Bd. II, 3. Aufl. 1993, § 40 Rz. 6 S. 118; SYLVAIN MARCHAND, Précis de droit des poursuites, 2. Aufl. 2013, S. 138). 4.2 Nach unbestritten gebliebener vorinstanzlicher Feststellung befanden sich die Fahrzeuge zwar bis zur Konkurseröffnung vom 19. August 2013 ausschliesslich im Gewahrsam des Gemeinschuldners und danach in demjenigen der Masse. In der Folge ist er jedoch auf den Beschwerdeführer übergegangen, der geltend macht, er sei durch Art. 714 Abs. 2 i.V.m. Art. 933 ZGB in seinem Erwerb geschützt. Die entstandene Meinungsverschiedenheit betrifft eine Frage des materiellen Rechts, die mangels sachlicher Zuständigkeit weder von der Konkursverwaltung noch von der Aufsichtsbehörde, sondern BGE 140 III 651 S. 654 ausschliesslich vom Sachrichter zu entscheiden ist. Das Konkursamt war nicht befugt, dem Beschwerdeführer die Pflicht zur Ablieferung der Fahrzeuge durch eine Verfügung im Sinne von Art. 17 SchKG aufzuerlegen. Die Erklärung des Konkursamts vom 29. Oktober 2013 kann daher nur als Bekanntgabe eines Parteistandpunktes aufrechterhalten werden (vgl. BGE 123 III 335 E. 1 S. 336; 76 III 45 E. 1 S. 50). Soweit diese Erklärung den Charakter einer behördlichen Verfügung hat, ist sie als ausserhalb der Amtsbefugnisse getroffene Massnahme nichtig (s. oben E. 3 und 4.1). Somit ist festzustellen, dass die strittige Erklärung des Konkursamts, der Beschwerdeführer habe die Fahrzeuge abzuliefern, keine Wirkung einer behördlichen Verfügung nach Art. 17 SchKG hat, und gleichzeitig der Entscheid der oberen Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt vom 10. April 2014 aufzuheben.
Urteilskopf
94. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Konkursamt Basel-Stadt (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_388/2014 vom 18. November 2014
Regeste Art. 204 Abs. 1 SchKG ; Ungültigkeit von Rechtshandlungen des Gemeinschuldners; Wirkung für die Konkursverwaltung bzw. die Gläubigergesamtheit und Dritte. Die Konkursverwaltung kann bereits vollzogene Leistungen vom Vertragspartner des Gemeinschuldners zurückverlangen, muss jedoch mangels Besitzes allenfalls den Prozessweg beschreiten. Die Konkursverwaltung ist nicht befugt, den Vertragspartner, der an den in seinen Besitz gelangten Vermögenswerten Eigentum geltend macht, mittels amtlicher Verfügung unter Strafandrohung zur Herausgabe dieser Vermögenswerte aufzufordern (E. 4).
Regeste
Art. 204 Abs. 1 SchKG ; Ungültigkeit von Rechtshandlungen des Gemeinschuldners; Wirkung für die Konkursverwaltung bzw. die Gläubigergesamtheit und Dritte. Die Konkursverwaltung kann bereits vollzogene Leistungen vom Vertragspartner des Gemeinschuldners zurückverlangen, muss jedoch mangels Besitzes allenfalls den Prozessweg beschreiten. Die Konkursverwaltung ist nicht befugt, den Vertragspartner, der an den in seinen Besitz gelangten Vermögenswerten Eigentum geltend macht, mittels amtlicher Verfügung unter Strafandrohung zur Herausgabe dieser Vermögenswerte aufzufordern (E. 4).
Art. 204 Abs. 1 SchKG Die Konkursverwaltung kann bereits vollzogene Leistungen vom Vertragspartner des Gemeinschuldners zurückverlangen, muss jedoch mangels Besitzes allenfalls den Prozessweg beschreiten. Die Konkursverwaltung ist nicht befugt, den Vertragspartner, der an den in seinen Besitz gelangten Vermögenswerten Eigentum geltend macht, mittels amtlicher Verfügung unter Strafandrohung zur Herausgabe dieser Vermögenswerte aufzufordern (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 651
Sachverhalt ab Seite 651 BGE 140 III 651 S. 651
BGE 140 III 651 S. 651
A. Am 19. August 2013 eröffnete das Zivilgericht Basel-Stadt über B. den Konkurs. Auf den Gemeinschuldner waren zu diesem Zeitpunkt ein Lieferwagen Mercedes-Benz und ein Transportanhänger eingelöst. Die beiden Fahrzeuge wurden am 29. August 2013 von der Gantbeamtung Basel-Stadt inventiert und geschätzt.
A. B. A. schloss mit B. (Schuldner und Verkäufer) am 22. August 2013 einen Kaufvertrag über die besagten Fahrzeuge ab. Tags darauf BGE 140 III 651 S. 652 wurde der am 19. August 2013 eröffnete Konkurs über den Schuldner publiziert. Am 29. Oktober 2013 erliess das Konkursamt Basel-Stadt als Konkursverwaltung gegenüber A., der mittlerweile in den Besitz der Fahrzeuge gelangt war, die "Verfügung", dass er innert 5 Tagen den Lieferwagen Mercedes-Benz 315 CDI sowie den Sachtransportanhänger DALTEC CARGO 35 der Gantbeamtung Basel-Stadt abzuliefern habe. Dieser Verfügung sei bei Androhung von Strafe im Ungehorsamsfalle gemäss Art. 292 StGB Folge zu leisten. (...)
B. BGE 140 III 651 S. 652
Art. 292 StGB C. Gegen diese "Verfügung" erhob A. am 11. November 2013 der Rechtsmittelbelehrung entsprechend Beschwerde bei der unteren Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt Basel-Stadt, welche die Beschwerde am 7. März 2014 abwies. Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als obere Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt wies die anschliessend erhobene Beschwerde am 10. April 2014 ab.
C. D. A. (Beschwerdeführer) gelangt mit Beschwerde in Zivilsachen vom 7. Mai 2014 (Postaufgabe) an das Bundesgericht. Er beantragt, es seien der Entscheid des Appellationsgerichts vom 10. April 2014 und die Verfügung des Konkursamtes vom 29. Oktober 2013 aufzuheben und die Fahrzeuge ihm demzufolge als rechtmässigem Besitzer zu überlassen. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen zwecks Berücksichtigung ausser Acht gelassener Sachverhaltspunkte. Das Konkursamt und die obere Aufsichtsbehörde schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
D. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit es darauf eintritt.
(Auszug)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
3. Das Bundesgericht kann im Rahmen einer bei ihm hängigen und zulässigen Beschwerde nach Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG die allfällige Nichtigkeit einer Verfügung prüfen und feststellen (vgl. Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4357). Verfügungen, mit denen die Vollstreckungsbehörden offensichtlich ihre sachliche Zuständigkeit überschreiten, sind nichtig ( BGE 111 III 56 E. 3 S. 61).
3. Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG 4. Die zivilrechtlichen Betrachtungen des Beschwerdeführers, in denen er - entgegen der Erörterungen der Vorinstanz - auf einem gutgläubigen Erwerb der Fahrzeuge beharrt, sind im vorliegenden BGE 140 III 651 S. 653 Beschwerdeverfahren nicht relevant, lag es doch nicht in der sachlichen Kompetenz der Aufsichtsbehörden, die Frage zu klären, was diesbezüglich materiell rechtens ist (vgl. COMETTA/MÖCKLI, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 2. Aufl. 2010, N. 9 ff. zu Art. 17 SchKG ). Entscheidend ist hingegen, dass auch das Konkursamt selbst über den umstrittenen Eigentumsanspruch keinen Entscheid im Sinne eines autoritativen Befehls zu Lasten des Beschwerdeführers treffen konnte:
4. BGE 140 III 651 S. 653
Art. 17 SchKG 4.1 Gemäss Art. 204 Abs. 1 SchKG sind Rechtshandlungen, welche der Gemeinschuldner nach der Konkurseröffnung in Bezug auf Vermögensstücke, die zur Konkursmasse gehören, vornimmt, den Konkursgläubigern gegenüber ungültig. Die Konkursverwaltung kann Verfügungen des Schuldners als für sie nicht verbindlich betrachten (vgl. BGE 132 III 432 E. 2.4 S. 435). Bereits vollzogene Leistungen kann die Konkursverwaltung vom Vertragspartner des Gemeinschuldners zurückverlangen; sie muss jedoch mangels Besitzes allenfalls den Prozessweg beschreiten. Nach der Rechtsprechung und herrschenden Lehre ist die Konkursverwaltung nicht befugt, den Vertragspartner, der an den in seinen Besitz gelangten Vermögenswerten Eigentum geltend macht, mittels amtlicher Verfügung zur Herausgabe derselben aufzufordern oder ihm gegenüber polizeilichen Zwang anzuwenden (vgl. BGE 53 III 104 ; Urteil 7B.53/2006 vom 8. August 2006 E. 3.1; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 5. Aufl. 2012, Rz. 1668; WOHLFART/MEYER, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. II, 2. Aufl. 2010, N. 23 f. zu Art. 204 SchKG ; ISABELLE ROMY, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 15 zu Art. 204 SchKG ; STÖCKLI/POSSA, in: SchKG, 2. Aufl. 2014, N. 13 zu Art. 204 SchKG ; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach Schweizerischem Recht, Bd. II, 3. Aufl. 1993, § 40 Rz. 6 S. 118; SYLVAIN MARCHAND, Précis de droit des poursuites, 2. Aufl. 2013, S. 138).
4.1 Art. 204 Abs. 1 SchKG BGE 53 III 104 Art. 204 SchKG Art. 204 SchKG Art. 204 SchKG 4.2 Nach unbestritten gebliebener vorinstanzlicher Feststellung befanden sich die Fahrzeuge zwar bis zur Konkurseröffnung vom 19. August 2013 ausschliesslich im Gewahrsam des Gemeinschuldners und danach in demjenigen der Masse. In der Folge ist er jedoch auf den Beschwerdeführer übergegangen, der geltend macht, er sei durch Art. 714 Abs. 2 i.V.m. Art. 933 ZGB in seinem Erwerb geschützt. Die entstandene Meinungsverschiedenheit betrifft eine Frage des materiellen Rechts, die mangels sachlicher Zuständigkeit weder von der Konkursverwaltung noch von der Aufsichtsbehörde, sondern BGE 140 III 651 S. 654 ausschliesslich vom Sachrichter zu entscheiden ist. Das Konkursamt war nicht befugt, dem Beschwerdeführer die Pflicht zur Ablieferung der Fahrzeuge durch eine Verfügung im Sinne von Art. 17 SchKG aufzuerlegen. Die Erklärung des Konkursamts vom 29. Oktober 2013 kann daher nur als Bekanntgabe eines Parteistandpunktes aufrechterhalten werden (vgl. BGE 123 III 335 E. 1 S. 336; 76 III 45 E. 1 S. 50). Soweit diese Erklärung den Charakter einer behördlichen Verfügung hat, ist sie als ausserhalb der Amtsbefugnisse getroffene Massnahme nichtig (s. oben E. 3 und 4.1). Somit ist festzustellen, dass die strittige Erklärung des Konkursamts, der Beschwerdeführer habe die Fahrzeuge abzuliefern, keine Wirkung einer behördlichen Verfügung nach Art. 17 SchKG hat, und gleichzeitig der Entscheid der oberen Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt vom 10. April 2014 aufzuheben.
4.2 Art. 933 ZGB BGE 140 III 651 S. 654
Art. 17 SchKG 76 III 45 Art. 17 SchKG
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Urteilskopf 140 III 65 12. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Masse en faillite ancillaire de Sabena SA gegen Nachlassmasse der SAirGroup AG in Nachlassliquidation (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_582/2013 vom 12. Februar 2014 Regeste Art. 91 und 96 ZPO ; Streitwert der Kollokationsklage im Nachlassverfahren; Prozesskosten. Massgeblicher Zeitpunkt zur Festlegung der mutmasslichen Dividende, auf welche sich die Streitwertberechnung stützt (E. 3). Sachverhalt ab Seite 65 BGE 140 III 65 S. 65 A. A.a Am 31. Oktober 2006 erhob die Masse en faillite ancillaire de Sabena SA (nachfolgend: Klägerin) Kollokationsklage gemäss Art. 250 Abs. 1 SchKG gegen die Nachlassmasse der SAirGroup AG in Nachlassliquidation (nachfolgend: Beklagte) beim Bezirksgericht Zürich und verlangte die Zulassung einer (weiteren) Forderung von knapp 2,4 Milliarden Franken. Zur Festsetzung des Streitwertes stellte das Bezirksgericht auf die mutmassliche Konkursdividende von 12,5 % gemäss Gläubigerzirkular Nr. 10 vom 10. Oktober 2006 ab. Der gestützt auf die eingeklagte Forderung ermittelte Streitwert von 251,5 Mio. Fr. ergab (nach Rechtsmittelverfahren) einen gerechtfertigten Vorschuss für Gerichtskosten von Fr. 664'125.- (Urteil 5A_385/2011 vom 25. Oktober 2011). BGE 140 III 65 S. 66 A.b Mit Urteil vom 30. April 2013 hiess das Bezirksgericht (Einzelrichter im beschleunigten Verfahren) die Klage im Forderungsbetrag von Fr. 28'684'927.- in der dritten Klasse gut; im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Für die Kostenfolgen setzte das Bezirksgericht nicht mehr auf die mutmassliche Konkursdividende im Zeitpunkt der Klageeinleitung, sondern auf diejenige von 18 % gemäss dem 10. Rechenschaftsbericht des Liquidators vom 13. März 2013, d.h. im Zeitpunkt der Urteilsfällung ab. Es erhöhte (proportional zur Dividendenerhöhung bzw. um den Faktor 1,44) den Streitwert auf 362,16 Mio. Fr. bzw. die Gerichtsgebühr auf Fr. 956'340.-, welche es im Umfang von Fr. 944'818.- (d.h. unter Berücksichtigung des Obsiegens im Verhältnis von 1/83) der Klägerin auferlegte. B. Gegen das Urteil des Bezirksgerichts gelangte die Klägerin mit Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich. Mit Verfügung vom 25. Juni 2013 nahm das Obergericht einen Streitwert von 362 Mio. Fr. an. Es ermittelte eine ordentliche Gerichtsgebühr von 1,88 Mio. Fr. und setzte den Kostenvorschuss unter Berücksichtigung des Kosten- und Äquivalenzprinzips auf Fr. 800'000.- zur Bezahlung innert 20 Tagen fest. C. Mit Eingabe vom 15. August 2013 hat die Klägerin Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Die Beschwerdeführerin beantragt, die Kostenvorschussverfügung des Obergerichts vom 25. Juni 2013 aufzuheben und den Vorschuss für das Berufungsverfahren auf höchstens Fr. 300'000.- festzusetzen; eventuell sei die Sache zu entsprechender Entscheidung an das Obergericht zurückzuweisen. Sodann sei die Frist zur Leistung des Kostenvorschusses neu anzusetzen. (...) Das Bundesgericht heisst die Beschwerde in Zivilsachen gut. (Auszug) Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt die Festsetzung des Vorschusses für Gerichtskosten für die Berufung gegen ein Urteil im (positiven) Kollokationsprozess nach Art. 250 Abs. 1 SchKG. 3.1 Zu Recht ist unbestritten, dass sich der Streitwert im Kollokationsprozess im kantonalen Verfahren seit Inkrafttreten der ZPO nach Bundesrecht bestimmt ( Art. 1 lit. c, Art. 91 ff. ZPO ). Vorliegend ist der Streitwert nicht zur Zulässigkeit der Berufung ( Art. 308 BGE 140 III 65 S. 67 Abs. 2 ZPO ) umstritten, sondern - wie in BGE 138 III 675 (E. 3 S. 676) - als Kriterium zur Festsetzung der Gerichtskosten bzw. des Vorschusses, welche sich nach kantonalem Recht bestimmen ( Art. 96 und 98 ZPO ). Das Obergericht hat zur Festsetzung der Gebühren im Kollokationsprozess den (bundesrechtlich definierten) Streitwert als Grundlage genommen (vgl. § 2 lit. a, § 4 und 12 der Gebührenverordnung des Obergerichts vom 8. September 2010 [GebV OG/ZH; LS 211.11]; HAUSER/SCHWERI/LIEBER, GOG, Kommentar zum zürcherischen Gesetz über die Gerichts- und Behördenorganisation [...], 2012, N. 14, 16 und 40 zu § 199 GOG/ZH). Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Ermittlung des Streitwertes, nach welchem das Obergericht den Vorschuss festgesetzt hat, und rügt eine Verletzung von verfassungsmässigen Rechten. 3.2 Der Streitwert bei der Kollokationsklage bemisst sich nach der Dividende, die auf den bestrittenen Betrag entfallen würde, also nach dem möglichen Prozessgewinn ( BGE 65 III 28 E. 1 S. 30 f.; BGE 81 II 473 S. 474; BGE 82 III 94 S. 95; BGE 138 III 675 E. 3.1 S. 676). Abzustellen ist auf die Dividendenschätzung der Konkursverwaltung bzw. des Liquidators ( BGE 138 III 675 E. 3.2.2 S. 677). Von diesen Grundsätzen ist das Obergericht zu Recht ausgegangen. Streitpunkt ist, ob es die Wertänderung des Streitgegenstandes berücksichtigen durfte, weil sich die mutmassliche Dividende im Laufe des Verfahrens von 12,5 % (Zeitpunkt der Klageeinleitung) auf 18 % (Zeitpunkt der Fällung des erstinstanzlichen Urteils) erhöht hat. 3.2.1 Die Lehre zur ZPO zeigt kein einheitliches Bild, ob und inwieweit die Wertänderung des Streitgegenstandes (wie durch Änderung im Kurs von Wertschriften, im Verkehrswert einer Liegenschaft) im Laufe des Verfahrens bzw. für die Berufung zu berücksichtigen ist. Ein Teil der Autoren will die tatsächlichen Wertveränderungen berücksichtigen (u.a. REETZ/THEILER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], 2. Aufl. 2013, N. 42 zu Art. 308 ZPO ; SEILER, Die Berufung nach ZPO, 2. Aufl. 2013, S. 274, Rz. 657). Nach anderer Auffassung ist der Streitwert bei tatsächlichen Veränderungen des Wertes des Streitgegenstandes im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit zu fixieren (u.a. TAPPY, in: CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, N. 69 zu Art. 91 ZPO ; TREZZINI, in: Commentario al Codice di diritto processuale civile svizzero [...], 2011, S. 372 f.; STERCHI, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. I, 2012, N. 31 zu Art. 91 ZPO ; HOFFMANN- NOWOTNY, in: ZPO-Rechtsmittel, Berufung und Beschwerde, 2013, BGE 140 III 65 S. 68 N. 57 zu Art. 308 ZPO ; SCHLEIFFER MARAIS, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], 2010, N. 10 zu Art. 91 ZPO ). Diese Auffassung entspricht grundsätzlich der Lehre zum SchKG, wonach die mutmassliche Konkursdividende im Zeitpunkt der Klageeinleitung massgebend ist und spätere Änderungen nicht mehr berücksichtigt werden (GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. III, 2001, N. 124 zu Art. 250 SchKG ). In gleicher Weise (Nichtberücksichtigung) hat die kantonale Praxis entschieden (Urteil der Cour de justice des Kantons Genf vom 5. Februar 1981, in: SJ 1981 S. 478 f. E. 2). 3.2.2 Das Bundesgericht hat in BGE 65 III 28 (E. 3 a.E. S. 32) offengelassen, ob eine neue Prüfung des Streitwertes auf der Grundlage einer veränderten Dividendenschätzung im weiteren Verlauf des Prozesses vorzubehalten sei. Der Vorbehalt wurde "namentlich bei Prüfung der Zulässigkeit der Weiterziehung" angebracht, welche vorliegend indes nicht in Frage steht. In BGE 87 II 190 (S. 192) hat das Bundesgericht erkannt, dass im Fall, in dem der Beklagte in Konkurs fällt, der Kläger nicht mehr um die Bezahlung der eingeklagten Forderung, sondern nur noch um deren Kollokation streitet, was zur Änderung im Rechtsbegehren führt und im Streitwert zu berücksichtigen ist. Hingegen sind im Laufe des Rechtsstreites eintretende Tatsachen, die bei gleichbleibendem Begehren nur den Wert des Streitgegenstandes beeinflussen, beim Streitwert nicht zu berücksichtigen ( BGE 87 II 190 S. 192; BGE 116 II 431 E. 1 S. 433; POUDRET, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Bd. I, 1990, N. 6 zu Art. 36 OG, S. 273 f.). Diese für das bundesgerichtliche Verfahren allgemein feststehende Rechtsprechung ist auch nach Inkrafttreten des BGG massgebend (Urteil 5A_58/2009 vom 28. September 2009 E. 1.2; u.a. RUDIN, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 49 zu Art. 51 BGG mit Hinw.). 3.2.3 Aus der Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung geht hervor, dass sich die Bestimmung des Streitwertes im Berufungsverfahren an der Bundesrechtspflege orientiert (BBl 2006 7221, 7371 Ziff. 5.23.1). Aufgrund dieser bewussten Angleichung ist überzeugend, aus Gründen der Einheitlichkeit die Regelung der Bundesrechtspflege auf die ZPO zu übertragen (TAPPY, a.a.O., N. 69 zu Art. 91 ZPO ; HOFFMANN-NOWOTNY, a.a.O.; HOHL, Procédure civile, Bd. II, 2. Aufl. 2010, Rz. 2324 i.V.m. Rz. 456 und 2700). Dieser Schluss fügt sich in die Rechtsprechung ein, wonach allgemein die Praxis des Bundesgerichts zum Streitwert im BGE 140 III 65 S. 69 Kollokationsprozess für das kantonale Verfahren gemäss ZPO massgebend ist ( BGE 138 III 675 E. 3 S. 676). Da die blosse Änderung in der Schätzung der Konkursdividende während des Kollokationsprozesses keinen Einfluss auf das Rechtsbegehren hat, bleibt es folglich beim Wert des Streitgegenstandes, wie er gestützt auf die Angabe der Konkursverwaltung bzw. des Liquidators im Zeitpunkt der Klageeinleitung geschätzt wurde. Wenn das Obergericht angenommen hat, dass tatsächliche Veränderungen im Wert des Streitgegenstandes den Streitwert beeinflussen, hat es bei der Anwendung des kantonalen Rechts, nach welchem es den Vorschuss für die Gerichtskosten im Berufungsverfahren festgesetzt hat, ein wesentliches Kriterium übergangen. 3.3 Nach dem Dargelegten ist das Obergericht bei der Festsetzung des Vorschusses für das Berufungsverfahren zu Unrecht von einem Streitwert von 362 Mio. Fr. (18 % Dividendenschätzung) und einer ordentlichen Gerichtsgebühr von 1,88 Mio. Fr. (§ 4 Abs. 1, § 12 Abs. 1 GebV OG/ZH) ausgegangen. Bei einem Streitwert von 251,5 Mio. Fr. (12,5 % Dividendenschätzung) ergäbe sich ein Betrag von 1,3 Mio. Fr. als ordentliche Gerichtsgebühr. 3.3.1 Es ist anerkannt, dass die Kantone beim Tarif innerhalb des bundes(verfassungs)rechtlichen Rahmens ausgehend vom Streitwert Bandbreiten festlegen dürfen, um dem Einzelfall gebührend Rechnung zu tragen (vgl. TAPPY, a.a.O., N. 63 zu Art. 91, N. 4, 10 f. zu Art. 96 ZPO ; HOHL, a.a.O., Rz. 616 mit Hinw.). Das Obergericht hat den Kostenvorschuss nicht für die ordentliche Gerichtsgebühr von 1,88 Mio. Fr. verlangt, sondern diese gestützt auf das Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip (vgl. dazu BGE 139 III 334 E. 3.2.3, 3.2.4 S. 337) um mehr als die Hälfte auf Fr. 800'000.- gesenkt. Wenn jedoch - wie dargelegt - von einer erheblich tieferen ordentlichen Gerichtsgebühr von 1,3 Mio. Fr. auszugehen ist, lässt sich anhand der angefochtenen Verfügung nicht rechtfertigen, den Vorschuss auf Fr. 800'000.- zu belassen. 3.3.2 Im Rechtsmittelverfahren wird die Gebühr grundsätzlich nach den für die Vorinstanz geltenden Regel bemessen (§ 12 GebV OG/ZH). Die Beschwerdeführerin hält zutreffend fest, dass im erstinstanzlichen Verfahren der Kostenvorschuss von Fr. 664'125.- als "sehr hoch" bezeichnet, aber mit dem Äquivalenzprinzip als noch vereinbar erachtet worden ist. Dabei wurde berücksichtigt, dass die staatliche Leistung im konkreten Fall in der Führung eines BGE 140 III 65 S. 70 umfangreichen, zeitaufwendigen und anspruchsvollen Verfahrens besteht sowie umfangreiche Rechtsschriften und zahlreiche Beweise und (z.T. fremdsprachige) Belege zu würdigen sind (Urteil 5A_385/2011 vom 25. Oktober 2011 E. 3.5). Davon ist die Erstinstanz auch für die Gerichtsgebühr ausgegangen. Ob der Kostenvorschuss für das Berufungsverfahren bis auf den erwähnten Betrag oder (wie die Beschwerdeführerin meint) weitergehend auf Fr. 300'000.- zu senken ist, beruht auf der Anwendung des kantonalen Rechts und dem Ermessen des Obergerichts. Die Sache ist daher zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Urteilskopf
12. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Masse en faillite ancillaire de Sabena SA gegen Nachlassmasse der SAirGroup AG in Nachlassliquidation (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_582/2013 vom 12. Februar 2014
Regeste Art. 91 und 96 ZPO ; Streitwert der Kollokationsklage im Nachlassverfahren; Prozesskosten. Massgeblicher Zeitpunkt zur Festlegung der mutmasslichen Dividende, auf welche sich die Streitwertberechnung stützt (E. 3).
Regeste
Art. 91 und 96 ZPO ; Streitwert der Kollokationsklage im Nachlassverfahren; Prozesskosten. Massgeblicher Zeitpunkt zur Festlegung der mutmasslichen Dividende, auf welche sich die Streitwertberechnung stützt (E. 3).
Art. 91 und 96 ZPO Massgeblicher Zeitpunkt zur Festlegung der mutmasslichen Dividende, auf welche sich die Streitwertberechnung stützt (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 65
Sachverhalt ab Seite 65 BGE 140 III 65 S. 65
BGE 140 III 65 S. 65
A.
A. A.a Am 31. Oktober 2006 erhob die Masse en faillite ancillaire de Sabena SA (nachfolgend: Klägerin) Kollokationsklage gemäss Art. 250 Abs. 1 SchKG gegen die Nachlassmasse der SAirGroup AG in Nachlassliquidation (nachfolgend: Beklagte) beim Bezirksgericht Zürich und verlangte die Zulassung einer (weiteren) Forderung von knapp 2,4 Milliarden Franken. Zur Festsetzung des Streitwertes stellte das Bezirksgericht auf die mutmassliche Konkursdividende von 12,5 % gemäss Gläubigerzirkular Nr. 10 vom 10. Oktober 2006 ab. Der gestützt auf die eingeklagte Forderung ermittelte Streitwert von 251,5 Mio. Fr. ergab (nach Rechtsmittelverfahren) einen gerechtfertigten Vorschuss für Gerichtskosten von Fr. 664'125.- (Urteil 5A_385/2011 vom 25. Oktober 2011). BGE 140 III 65 S. 66
A.a Art. 250 Abs. 1 SchKG BGE 140 III 65 S. 66
A.b Mit Urteil vom 30. April 2013 hiess das Bezirksgericht (Einzelrichter im beschleunigten Verfahren) die Klage im Forderungsbetrag von Fr. 28'684'927.- in der dritten Klasse gut; im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Für die Kostenfolgen setzte das Bezirksgericht nicht mehr auf die mutmassliche Konkursdividende im Zeitpunkt der Klageeinleitung, sondern auf diejenige von 18 % gemäss dem 10. Rechenschaftsbericht des Liquidators vom 13. März 2013, d.h. im Zeitpunkt der Urteilsfällung ab. Es erhöhte (proportional zur Dividendenerhöhung bzw. um den Faktor 1,44) den Streitwert auf 362,16 Mio. Fr. bzw. die Gerichtsgebühr auf Fr. 956'340.-, welche es im Umfang von Fr. 944'818.- (d.h. unter Berücksichtigung des Obsiegens im Verhältnis von 1/83) der Klägerin auferlegte.
A.b B. Gegen das Urteil des Bezirksgerichts gelangte die Klägerin mit Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich. Mit Verfügung vom 25. Juni 2013 nahm das Obergericht einen Streitwert von 362 Mio. Fr. an. Es ermittelte eine ordentliche Gerichtsgebühr von 1,88 Mio. Fr. und setzte den Kostenvorschuss unter Berücksichtigung des Kosten- und Äquivalenzprinzips auf Fr. 800'000.- zur Bezahlung innert 20 Tagen fest.
B. C. Mit Eingabe vom 15. August 2013 hat die Klägerin Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Die Beschwerdeführerin beantragt, die Kostenvorschussverfügung des Obergerichts vom 25. Juni 2013 aufzuheben und den Vorschuss für das Berufungsverfahren auf höchstens Fr. 300'000.- festzusetzen; eventuell sei die Sache zu entsprechender Entscheidung an das Obergericht zurückzuweisen. Sodann sei die Frist zur Leistung des Kostenvorschusses neu anzusetzen.
C. (...)
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde in Zivilsachen gut.
(Auszug)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
3. Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt die Festsetzung des Vorschusses für Gerichtskosten für die Berufung gegen ein Urteil im (positiven) Kollokationsprozess nach Art. 250 Abs. 1 SchKG.
3. Art. 250 Abs. 1 SchKG 3.1 Zu Recht ist unbestritten, dass sich der Streitwert im Kollokationsprozess im kantonalen Verfahren seit Inkrafttreten der ZPO nach Bundesrecht bestimmt ( Art. 1 lit. c, Art. 91 ff. ZPO ). Vorliegend ist der Streitwert nicht zur Zulässigkeit der Berufung ( Art. 308 BGE 140 III 65 S. 67 Abs. 2 ZPO ) umstritten, sondern - wie in BGE 138 III 675 (E. 3 S. 676) - als Kriterium zur Festsetzung der Gerichtskosten bzw. des Vorschusses, welche sich nach kantonalem Recht bestimmen ( Art. 96 und 98 ZPO ). Das Obergericht hat zur Festsetzung der Gebühren im Kollokationsprozess den (bundesrechtlich definierten) Streitwert als Grundlage genommen (vgl. § 2 lit. a, § 4 und 12 der Gebührenverordnung des Obergerichts vom 8. September 2010 [GebV OG/ZH; LS 211.11]; HAUSER/SCHWERI/LIEBER, GOG, Kommentar zum zürcherischen Gesetz über die Gerichts- und Behördenorganisation [...], 2012, N. 14, 16 und 40 zu § 199 GOG/ZH). Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Ermittlung des Streitwertes, nach welchem das Obergericht den Vorschuss festgesetzt hat, und rügt eine Verletzung von verfassungsmässigen Rechten.
3.1 Art. 1 lit. c, Art. 91 ff. ZPO Art. 308 BGE 140 III 65 S. 67 Abs. 2 ZPO BGE 140 III 65 S. 67
Art. 96 und 98 ZPO 3.2 Der Streitwert bei der Kollokationsklage bemisst sich nach der Dividende, die auf den bestrittenen Betrag entfallen würde, also nach dem möglichen Prozessgewinn ( BGE 65 III 28 E. 1 S. 30 f.; BGE 81 II 473 S. 474; BGE 82 III 94 S. 95; BGE 138 III 675 E. 3.1 S. 676). Abzustellen ist auf die Dividendenschätzung der Konkursverwaltung bzw. des Liquidators ( BGE 138 III 675 E. 3.2.2 S. 677). Von diesen Grundsätzen ist das Obergericht zu Recht ausgegangen. Streitpunkt ist, ob es die Wertänderung des Streitgegenstandes berücksichtigen durfte, weil sich die mutmassliche Dividende im Laufe des Verfahrens von 12,5 % (Zeitpunkt der Klageeinleitung) auf 18 % (Zeitpunkt der Fällung des erstinstanzlichen Urteils) erhöht hat.
3.2 BGE 65 III 28 3.2.1 Die Lehre zur ZPO zeigt kein einheitliches Bild, ob und inwieweit die Wertänderung des Streitgegenstandes (wie durch Änderung im Kurs von Wertschriften, im Verkehrswert einer Liegenschaft) im Laufe des Verfahrens bzw. für die Berufung zu berücksichtigen ist. Ein Teil der Autoren will die tatsächlichen Wertveränderungen berücksichtigen (u.a. REETZ/THEILER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], 2. Aufl. 2013, N. 42 zu Art. 308 ZPO ; SEILER, Die Berufung nach ZPO, 2. Aufl. 2013, S. 274, Rz. 657). Nach anderer Auffassung ist der Streitwert bei tatsächlichen Veränderungen des Wertes des Streitgegenstandes im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit zu fixieren (u.a. TAPPY, in: CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, N. 69 zu Art. 91 ZPO ; TREZZINI, in: Commentario al Codice di diritto processuale civile svizzero [...], 2011, S. 372 f.; STERCHI, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. I, 2012, N. 31 zu Art. 91 ZPO ; HOFFMANN- NOWOTNY, in: ZPO-Rechtsmittel, Berufung und Beschwerde, 2013, BGE 140 III 65 S. 68 N. 57 zu Art. 308 ZPO ; SCHLEIFFER MARAIS, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], 2010, N. 10 zu Art. 91 ZPO ). Diese Auffassung entspricht grundsätzlich der Lehre zum SchKG, wonach die mutmassliche Konkursdividende im Zeitpunkt der Klageeinleitung massgebend ist und spätere Änderungen nicht mehr berücksichtigt werden (GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. III, 2001, N. 124 zu Art. 250 SchKG ). In gleicher Weise (Nichtberücksichtigung) hat die kantonale Praxis entschieden (Urteil der Cour de justice des Kantons Genf vom 5. Februar 1981, in: SJ 1981 S. 478 f. E. 2).
3.2.1 Art. 308 ZPO Art. 91 ZPO Art. 91 ZPO BGE 140 III 65 S. 68
Art. 308 ZPO Art. 91 ZPO Art. 250 SchKG 3.2.2 Das Bundesgericht hat in BGE 65 III 28 (E. 3 a.E. S. 32) offengelassen, ob eine neue Prüfung des Streitwertes auf der Grundlage einer veränderten Dividendenschätzung im weiteren Verlauf des Prozesses vorzubehalten sei. Der Vorbehalt wurde "namentlich bei Prüfung der Zulässigkeit der Weiterziehung" angebracht, welche vorliegend indes nicht in Frage steht. In BGE 87 II 190 (S. 192) hat das Bundesgericht erkannt, dass im Fall, in dem der Beklagte in Konkurs fällt, der Kläger nicht mehr um die Bezahlung der eingeklagten Forderung, sondern nur noch um deren Kollokation streitet, was zur Änderung im Rechtsbegehren führt und im Streitwert zu berücksichtigen ist. Hingegen sind im Laufe des Rechtsstreites eintretende Tatsachen, die bei gleichbleibendem Begehren nur den Wert des Streitgegenstandes beeinflussen, beim Streitwert nicht zu berücksichtigen ( BGE 87 II 190 S. 192; BGE 116 II 431 E. 1 S. 433; POUDRET, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Bd. I, 1990, N. 6 zu Art. 36 OG, S. 273 f.). Diese für das bundesgerichtliche Verfahren allgemein feststehende Rechtsprechung ist auch nach Inkrafttreten des BGG massgebend (Urteil 5A_58/2009 vom 28. September 2009 E. 1.2; u.a. RUDIN, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 49 zu Art. 51 BGG mit Hinw.).
3.2.2 BGE 65 III 28 Art. 36 OG Art. 51 BGG 3.2.3 Aus der Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung geht hervor, dass sich die Bestimmung des Streitwertes im Berufungsverfahren an der Bundesrechtspflege orientiert (BBl 2006 7221, 7371 Ziff. 5.23.1). Aufgrund dieser bewussten Angleichung ist überzeugend, aus Gründen der Einheitlichkeit die Regelung der Bundesrechtspflege auf die ZPO zu übertragen (TAPPY, a.a.O., N. 69 zu Art. 91 ZPO ; HOFFMANN-NOWOTNY, a.a.O.; HOHL, Procédure civile, Bd. II, 2. Aufl. 2010, Rz. 2324 i.V.m. Rz. 456 und 2700). Dieser Schluss fügt sich in die Rechtsprechung ein, wonach allgemein die Praxis des Bundesgerichts zum Streitwert im BGE 140 III 65 S. 69 Kollokationsprozess für das kantonale Verfahren gemäss ZPO massgebend ist ( BGE 138 III 675 E. 3 S. 676). Da die blosse Änderung in der Schätzung der Konkursdividende während des Kollokationsprozesses keinen Einfluss auf das Rechtsbegehren hat, bleibt es folglich beim Wert des Streitgegenstandes, wie er gestützt auf die Angabe der Konkursverwaltung bzw. des Liquidators im Zeitpunkt der Klageeinleitung geschätzt wurde. Wenn das Obergericht angenommen hat, dass tatsächliche Veränderungen im Wert des Streitgegenstandes den Streitwert beeinflussen, hat es bei der Anwendung des kantonalen Rechts, nach welchem es den Vorschuss für die Gerichtskosten im Berufungsverfahren festgesetzt hat, ein wesentliches Kriterium übergangen.
3.2.3 Art. 91 ZPO BGE 140 III 65 S. 69
3.3 Nach dem Dargelegten ist das Obergericht bei der Festsetzung des Vorschusses für das Berufungsverfahren zu Unrecht von einem Streitwert von 362 Mio. Fr. (18 % Dividendenschätzung) und einer ordentlichen Gerichtsgebühr von 1,88 Mio. Fr. (§ 4 Abs. 1, § 12 Abs. 1 GebV OG/ZH) ausgegangen. Bei einem Streitwert von 251,5 Mio. Fr. (12,5 % Dividendenschätzung) ergäbe sich ein Betrag von 1,3 Mio. Fr. als ordentliche Gerichtsgebühr.
3.3 3.3.1 Es ist anerkannt, dass die Kantone beim Tarif innerhalb des bundes(verfassungs)rechtlichen Rahmens ausgehend vom Streitwert Bandbreiten festlegen dürfen, um dem Einzelfall gebührend Rechnung zu tragen (vgl. TAPPY, a.a.O., N. 63 zu Art. 91, N. 4, 10 f. zu Art. 96 ZPO ; HOHL, a.a.O., Rz. 616 mit Hinw.). Das Obergericht hat den Kostenvorschuss nicht für die ordentliche Gerichtsgebühr von 1,88 Mio. Fr. verlangt, sondern diese gestützt auf das Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip (vgl. dazu BGE 139 III 334 E. 3.2.3, 3.2.4 S. 337) um mehr als die Hälfte auf Fr. 800'000.- gesenkt. Wenn jedoch - wie dargelegt - von einer erheblich tieferen ordentlichen Gerichtsgebühr von 1,3 Mio. Fr. auszugehen ist, lässt sich anhand der angefochtenen Verfügung nicht rechtfertigen, den Vorschuss auf Fr. 800'000.- zu belassen.
3.3.1 Art. 96 ZPO 3.3.2 Im Rechtsmittelverfahren wird die Gebühr grundsätzlich nach den für die Vorinstanz geltenden Regel bemessen (§ 12 GebV OG/ZH). Die Beschwerdeführerin hält zutreffend fest, dass im erstinstanzlichen Verfahren der Kostenvorschuss von Fr. 664'125.- als "sehr hoch" bezeichnet, aber mit dem Äquivalenzprinzip als noch vereinbar erachtet worden ist. Dabei wurde berücksichtigt, dass die staatliche Leistung im konkreten Fall in der Führung eines BGE 140 III 65 S. 70 umfangreichen, zeitaufwendigen und anspruchsvollen Verfahrens besteht sowie umfangreiche Rechtsschriften und zahlreiche Beweise und (z.T. fremdsprachige) Belege zu würdigen sind (Urteil 5A_385/2011 vom 25. Oktober 2011 E. 3.5). Davon ist die Erstinstanz auch für die Gerichtsgebühr ausgegangen. Ob der Kostenvorschuss für das Berufungsverfahren bis auf den erwähnten Betrag oder (wie die Beschwerdeführerin meint) weitergehend auf Fr. 300'000.- zu senken ist, beruht auf der Anwendung des kantonalen Rechts und dem Ermessen des Obergerichts. Die Sache ist daher zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
3.3.2 BGE 140 III 65 S. 70
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Urteilskopf 140 III 6 2. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause X. SA contre Z. SA (recours en matière civile) 4A_294/2013 du 11 décembre 2013 Regeste Vertrauliche Anwaltskorrespondenz; rechtswidrig beschafftes Beweismittel ( Art. 12 lit. a BGFA ; Art. 152 Abs. 2 ZPO ). Ein mit einem ausdrücklichen Vertraulichkeitsvorbehalt versehenes Schreiben darf, selbst eingeschwärzt, im Gerichtsverfahren nicht eingereicht werden, ausser die Vertraulichkeit bezieht sich offensichtlich nur auf einen Teil des Textes (E. 3.1). Ausnahme im vorliegenden Fall verneint (E. 3.2). Erwägungen ab Seite 7 BGE 140 III 6 S. 7 Extrait des considérants: 2. 2.1 La cour cantonale n'a pas tranché la question de savoir si la prétention de la recourante se fondait sur la garantie pour les défauts de la chose vendue ou de l'ouvrage et se prescrivait ainsi par un an (cf. art. 210 al. 1 ou art. 371 al. 1 CO dans leur teneur en vigueur jusqu'au 31 décembre 2012; RS 2 229 et 261) ou si elle résultait de la garantie pour les défauts d'une construction immobilière et se prescrivait alors par cinq ans (cf. art. 371 al. 2 CO dans sa teneur en vigueur jusqu'au 31 décembre 2012; RS 2 261). En effet, les juges genevois sont arrivés à la conclusion que, même si le délai le plus long s'applique, la prescription était acquise le 13 juin 2010, soit avant le dépôt de la demande. La Cour de justice n'a retenu aucun acte interruptif de prescription. Elle a écarté du dossier la lettre du 30 avril 2010 adressée au conseil de la recourante par le conseil de l'intimée sous le sceau de la confidentialité et contenant une renonciation à la prescription selon la recourante. Elle a jugé que le pli litigieux ne comporte qu'une offre de renoncer à la prescription, dépendante des autres propositions transactionnelles formulées à cette occasion, et qu'à défaut d'accord complet sur tous les éléments de la transaction, la production du courrier confidentiel, même caviardé, contrevient à l'art. 12 let. a de la loi fédérale du 23 juin 2000 sur la libre circulation des avocats (LLCA; RS 935.61). Selon la cour cantonale, la lettre du 30 avril 2010 constitue ainsi un moyen de preuve obtenu de manière illicite au sens de l' art. 152 al. 2 CPC et la pesée des intérêts en cause ne justifie pas d'admettre exceptionnellement un tel moyen. Dans une motivation apparemment subsidiaire, la Chambre d'appel ajoute que, en tout état de cause, aucun accord sur la renonciation à la BGE 140 III 6 S. 8 prescription n'est vraisemblablement venu à chef, même tacitement, dès lors que le conseil de la recourante elle-même a demandé une nouvelle fois le 30 juin 2010 que l'intimée renonce à la prescription. 2.2 La recourante reproche à la cour cantonale d'avoir violé l' art. 152 al. 2 CPC et l' art. 12 LLCA en qualifiant le courrier du 30 avril 2010 de moyen de preuve illicite. Elle fait valoir que la partie non caviardée de cette lettre ne comporte pas de proposition transactionnelle couverte par la confidentialité et que la renonciation à la prescription contenue dans ce passage n'est pas conditionnelle. Elle ajoute que l'autorisation du Bâtonnier a rendu licite la production du courrier frappé des réserves d'usage. Invoquant l' art. 9 Cst., la recourante soutient qu'il était arbitraire de la part de la Cour de justice de retenir que la clause de renonciation à la prescription était dépendante des autres clauses contenues dans le courrier du 30 avril 2010; elle est d'avis que c'est précisément lorsque les pourparlers transactionnels échouent que la clause de renonciation à la prescription prend tout son sens. Enfin, la recourante se plaint d'une violation de l' art. 2 CC ; l'intimée commettrait un abus de droit en invoquant l'exception de prescription, car sa déclaration du 30 avril 2010 aurait incité la recourante à ne pas entreprendre à temps les démarches pour sauvegarder ses droits. 3. 3.1 Aux termes de l' art. 152 al. 2 CPC, le tribunal ne prend en considération les moyens de preuve obtenus de manière illicite que si l'intérêt à la manifestation de la vérité est prépondérant. Contrairement à la preuve irrégulière, recueillie en violation d'une règle de procédure, la preuve illicite est obtenue en violation d'une norme de droit matériel, laquelle doit protéger le bien juridique lésé contre l'atteinte en cause (JÜRGEN BRÖNNIMANN, in Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, n os 43 ss ad art. 152 CPC ; YVES RÜEDI, Materiell rechtswidrig beschaffte Beweismittel im Zivilprozess, 2009, p. 116 n. 234, p. 121 n. 248, p. 122 n. 252, p. 126 n. 260; LOUIS GAILLARD, Le sort des preuves illicites dans le procès civil, SJ 1998 p. 652). Conformément à l' art. 152 al. 2 CPC, la preuve obtenue illicitement n'est utilisable que d'une manière restrictive. Le juge doit en particulier procéder à une pesée de l'intérêt à la protection du bien lésé par l'obtention illicite et de l'intérêt à la manifestation de la vérité (FRANZ HASENBÖHLER, in Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], 2 e éd. 2013, n° 40 ad art. 152 CPC p. 1058; Message du 28 juin 2006 relatif au code de procédure civile suisse [CPC], FF 20066922 ch. 5.10.1). BGE 140 III 6 S. 9 Les règles professionnelles ("Berufsregeln") énumérées à l' art. 12 LLCA constituent des normes dont la violation peut rendre une preuve illicite au sens de l' art. 152 al. 2 CPC (RÜEDI, op. cit., p. 125 n. 256). Edictées par une autorité afin de réglementer, dans l'intérêt public, l'exercice d'une profession, elles se distinguent des règles déontologiques (ou us et coutumes; "Standesregeln"), qui sont adoptées par les organisations professionnelles ( ATF 136 III 296 consid. 2.1 p. 300). La LLCA définit de manière exhaustive les règles professionnelles auxquelles les avocats sont soumis. Les règles déontologiques conservent toutefois une portée juridique en permettant de préciser ou d'interpréter les règles professionnelles, mais uniquement dans la mesure où elles expriment une opinion largement répandue au plan national (cf. ATF 136 III 296 consid. 2.1 p. 300; ATF 131 I 223 consid. 3.4 p. 228; ATF 130 II 270 consid. 3.1.1 p. 275). Dans le but d'unifier les règles déontologiques sur tout le territoire de la Confédération, la Fédération Suisse des Avocats (FSA) a précisément édicté le Code suisse de déontologie (ci-après: CSD; consultable sur http://www.sav-fsa.ch ), entré en vigueur le 1 er juillet 2005. Selon l'art. 6 CSD, l'avocat ne porte pas à la connaissance du tribunal des propositions transactionnelles, sauf accord exprès de la partie adverse. Après avoir posé que le caractère confidentiel d'une communication adressée à un confrère doit être clairement exprimé, l'art. 26 CSD répète qu'il ne peut être fait état en procédure "de documents ou du contenu de propositions transactionnelles ou de discussions confidentielles." Ces dispositions servent à préciser la portée de l' art. 12 let. a LLCA, qui prescrit à l'avocat d'exercer sa profession avec soin et diligence (cf. MICHEL VALTICOS, in Commentaire romand, Loi sur les avocats, 2010, n° 58 ad art. 12 LLCA ). Selon la jurisprudence, le non-respect d'une clause de confidentialité et l'utilisation en procédure du contenu de pourparlers transactionnels constituent une violation de l'obligation résultant de l' art. 12 let. a LLCA (arrêt 2C_900/2010 du 17 juin 2011 consid. 1.4; cf. arrêt 2A.658/2004 du 3 mai 2005 consid. 3.4). Le Tribunal fédéral a relevé que l'interdiction pour l'avocat de se prévaloir en justice de discussions transactionnelles confidentielles est fondée sur l'intérêt public à favoriser le règlement amiable des litiges, les parties devant pouvoir s'exprimer librement lors de la recherche d'une solution extrajudiciaire (arrêt précité du 3 mai 2005 consid. 3.3). En présence d'un courrier désigné expressément comme confidentiel, dont les propositions transactionnelles avaient été caviardées, le BGE 140 III 6 S. 10 Tribunal fédéral a posé que la règle de la confidentialité doit être interprétée dans un sens absolu et appliquée strictement (arrêt précité du 3 mai 2005 consid. 4.3). A ce propos, il faut admettre qu'un courrier confidentiel ne peut pas être déposé en justice, même caviardé, à moins que, manifestement, seule une partie du texte n'ait un caractère confidentiel (BOHNET/MARTENET, Droit de la profession d'avocat, 2009, p. 511 n. 1191). La pesée des intérêts prévue à l' art. 152 al. 2 CPC est en outre réservée. 3.2 En l'espèce, le moyen de preuve litigieux est la lettre du 30 avril 2010 adressée par le conseil de l'intimée au conseil de la recourante; ce dernier l'a produite caviardée devant le premier juge, avec l'autorisation du Bâtonnier de l'Ordre des avocats genevois. La question est de savoir si cette preuve a été déposée en violation de la règle de la confidentialité déduite de l' art. 12 let. a LLCA et, partant, si elle est illicite au sens de l' art. 152 al. 2 CPC. S'agissant de déterminer s'il y a eu violation d'une norme de droit fédéral, édictée dans l'intérêt public, l'avis du Bâtonnier, dont la recourante fait grand cas, est dénué de pertinence. Frappé des réserves d'usage, le courrier litigieux mentionne expressément son caractère confidentiel; au surplus, il n'est pas contesté que les passages caviardés portent sur des propositions transactionnelles. Conformément au principe exposé plus haut, déduit de la règle de la confidentialité appliquée strictement, un tel courrier ne peut pas être produit en justice, sauf si la partie non caviardée ne présente manifestement pas un caractère confidentiel. Selon l'arrêt attaqué, la déclaration visible de l'intimée figurant dans le courrier du 30 avril 2010 est une "offre de renoncer à la prescription", "une proposition de renonciation". Pour sa part, la recourante prétend qu'il s'agit d'une renonciation unilatérale et inconditionnelle à la prescription, qui ne présente aucun caractère de confidentialité. Les termes mêmes utilisés dans le passage en cause accréditent la qualification retenue par la cour cantonale et ne permettent en tout cas pas de retenir qu'à l'évidence, l'intimée renonçait unilatéralement et inconditionnellement à la prescription. Rompu au vocabulaire juridique et conscient de la portée des mots, le conseil de l'intimée, mandataire professionnel, a écrit en effet que sa cliente était "prête à renoncer (...) à invoquer l'exception de prescription", et non simplement qu'elle renonçait à cette exception. Or, celui qui est prêt à une action n'a pas encore agi et se déclarer prêt à accomplir un acte ne signifie BGE 140 III 6 S. 11 pas nécessairement l'exécuter par la suite sans conditions. En l'occurrence, comme le courrier produit contient des propositions transactionnelles, il n'est nullement exclu de voir dans la déclaration en cause, interprétée objectivement, une offre insérée parmi les autres propositions transactionnelles dont le contenu a été caviardé, et qui engage l'intimée uniquement si un accord global est conclu, en ce sens que les prétentions sur lesquelles les parties transigent seront dues même si elles sont prescrites. Contrairement à ce que la recourante soutient, il n'est dès lors pas manifeste que la déclaration litigieuse ait été émise indépendamment des propositions transactionnelles caviardées et, par conséquent, qu'elle présente un caractère non confidentiel. La conclusion est identique si l'on se place sous l'angle de l'interprétation subjective, faisant appel aux éléments postérieurs à la déclaration. En effet, si le passage en cause était une renonciation pure et simple à invoquer la prescription, on ne comprend pas pourquoi le conseil de la recourante a cherché à obtenir, en date du 30 juin 2010, une déclaration de renonciation unilatérale dénuée d'ambiguïté. Enfin, il est à noter que, dans une cause de nature patrimoniale soumise à la maxime des débats comme celle opposant les parties, l'intérêt à la découverte de la vérité matérielle, résultant prétendument du moyen de preuve illicite, ne saurait prévaloir face à l'intérêt public au respect strict de la règle de la confidentialité. En conclusion, la Cour de justice n'a violé ni l' art. 12 let. a LLCA, ni l' art. 152 al. 2 CPC en refusant de prendre en considération la lettre du 30 avril 2010. Par ailleurs, la solution adoptée dans l'arrêt attaqué étant confirmée, point n'est besoin de déterminer si la prescription est intervenue le 13 juin 2006 plutôt que le 13 juin 2010, comme l'intimée le plaidait.
Urteilskopf
2. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause X. SA contre Z. SA (recours en matière civile)
4A_294/2013 du 11 décembre 2013
Regeste Vertrauliche Anwaltskorrespondenz; rechtswidrig beschafftes Beweismittel ( Art. 12 lit. a BGFA ; Art. 152 Abs. 2 ZPO ). Ein mit einem ausdrücklichen Vertraulichkeitsvorbehalt versehenes Schreiben darf, selbst eingeschwärzt, im Gerichtsverfahren nicht eingereicht werden, ausser die Vertraulichkeit bezieht sich offensichtlich nur auf einen Teil des Textes (E. 3.1). Ausnahme im vorliegenden Fall verneint (E. 3.2).
Regeste
Vertrauliche Anwaltskorrespondenz; rechtswidrig beschafftes Beweismittel ( Art. 12 lit. a BGFA ; Art. 152 Abs. 2 ZPO ). Ein mit einem ausdrücklichen Vertraulichkeitsvorbehalt versehenes Schreiben darf, selbst eingeschwärzt, im Gerichtsverfahren nicht eingereicht werden, ausser die Vertraulichkeit bezieht sich offensichtlich nur auf einen Teil des Textes (E. 3.1). Ausnahme im vorliegenden Fall verneint (E. 3.2).
Art. 12 lit. a BGFA Art. 152 Abs. 2 ZPO Ein mit einem ausdrücklichen Vertraulichkeitsvorbehalt versehenes Schreiben darf, selbst eingeschwärzt, im Gerichtsverfahren nicht eingereicht werden, ausser die Vertraulichkeit bezieht sich offensichtlich nur auf einen Teil des Textes (E. 3.1). Ausnahme im vorliegenden Fall verneint (E. 3.2).
Erwägungen ab Seite 7
Erwägungen ab Seite 7 BGE 140 III 6 S. 7
BGE 140 III 6 S. 7
Extrait des considérants:
2.
2. 2.1 La cour cantonale n'a pas tranché la question de savoir si la prétention de la recourante se fondait sur la garantie pour les défauts de la chose vendue ou de l'ouvrage et se prescrivait ainsi par un an (cf. art. 210 al. 1 ou art. 371 al. 1 CO dans leur teneur en vigueur jusqu'au 31 décembre 2012; RS 2 229 et 261) ou si elle résultait de la garantie pour les défauts d'une construction immobilière et se prescrivait alors par cinq ans (cf. art. 371 al. 2 CO dans sa teneur en vigueur jusqu'au 31 décembre 2012; RS 2 261). En effet, les juges genevois sont arrivés à la conclusion que, même si le délai le plus long s'applique, la prescription était acquise le 13 juin 2010, soit avant le dépôt de la demande. La Cour de justice n'a retenu aucun acte interruptif de prescription. Elle a écarté du dossier la lettre du 30 avril 2010 adressée au conseil de la recourante par le conseil de l'intimée sous le sceau de la confidentialité et contenant une renonciation à la prescription selon la recourante. Elle a jugé que le pli litigieux ne comporte qu'une offre de renoncer à la prescription, dépendante des autres propositions transactionnelles formulées à cette occasion, et qu'à défaut d'accord complet sur tous les éléments de la transaction, la production du courrier confidentiel, même caviardé, contrevient à l'art. 12 let. a de la loi fédérale du 23 juin 2000 sur la libre circulation des avocats (LLCA; RS 935.61). Selon la cour cantonale, la lettre du 30 avril 2010 constitue ainsi un moyen de preuve obtenu de manière illicite au sens de l' art. 152 al. 2 CPC et la pesée des intérêts en cause ne justifie pas d'admettre exceptionnellement un tel moyen. Dans une motivation apparemment subsidiaire, la Chambre d'appel ajoute que, en tout état de cause, aucun accord sur la renonciation à la BGE 140 III 6 S. 8 prescription n'est vraisemblablement venu à chef, même tacitement, dès lors que le conseil de la recourante elle-même a demandé une nouvelle fois le 30 juin 2010 que l'intimée renonce à la prescription.
2.1 art. 210 al. 1 ou art. 371 al. 1 CO art. 371 al. 2 CO art. 152 al. 2 CPC BGE 140 III 6 S. 8
2.2 La recourante reproche à la cour cantonale d'avoir violé l' art. 152 al. 2 CPC et l' art. 12 LLCA en qualifiant le courrier du 30 avril 2010 de moyen de preuve illicite. Elle fait valoir que la partie non caviardée de cette lettre ne comporte pas de proposition transactionnelle couverte par la confidentialité et que la renonciation à la prescription contenue dans ce passage n'est pas conditionnelle. Elle ajoute que l'autorisation du Bâtonnier a rendu licite la production du courrier frappé des réserves d'usage. Invoquant l' art. 9 Cst., la recourante soutient qu'il était arbitraire de la part de la Cour de justice de retenir que la clause de renonciation à la prescription était dépendante des autres clauses contenues dans le courrier du 30 avril 2010; elle est d'avis que c'est précisément lorsque les pourparlers transactionnels échouent que la clause de renonciation à la prescription prend tout son sens. Enfin, la recourante se plaint d'une violation de l' art. 2 CC ; l'intimée commettrait un abus de droit en invoquant l'exception de prescription, car sa déclaration du 30 avril 2010 aurait incité la recourante à ne pas entreprendre à temps les démarches pour sauvegarder ses droits.
2.2 art. 152 al. 2 CPC art. 12 LLCA art. 9 Cst. art. 2 CC 3.
3. 3.1 Aux termes de l' art. 152 al. 2 CPC, le tribunal ne prend en considération les moyens de preuve obtenus de manière illicite que si l'intérêt à la manifestation de la vérité est prépondérant. Contrairement à la preuve irrégulière, recueillie en violation d'une règle de procédure, la preuve illicite est obtenue en violation d'une norme de droit matériel, laquelle doit protéger le bien juridique lésé contre l'atteinte en cause (JÜRGEN BRÖNNIMANN, in Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, n os 43 ss ad art. 152 CPC ; YVES RÜEDI, Materiell rechtswidrig beschaffte Beweismittel im Zivilprozess, 2009, p. 116 n. 234, p. 121 n. 248, p. 122 n. 252, p. 126 n. 260; LOUIS GAILLARD, Le sort des preuves illicites dans le procès civil, SJ 1998 p. 652). Conformément à l' art. 152 al. 2 CPC, la preuve obtenue illicitement n'est utilisable que d'une manière restrictive. Le juge doit en particulier procéder à une pesée de l'intérêt à la protection du bien lésé par l'obtention illicite et de l'intérêt à la manifestation de la vérité (FRANZ HASENBÖHLER, in Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], 2 e éd. 2013, n° 40 ad art. 152 CPC p. 1058; Message du 28 juin 2006 relatif au code de procédure civile suisse [CPC], FF 20066922 ch. 5.10.1). BGE 140 III 6 S. 9
3.1 art. 152 al. 2 CPC art. 152 CPC art. 152 al. 2 CPC art. 152 CPC BGE 140 III 6 S. 9
Les règles professionnelles ("Berufsregeln") énumérées à l' art. 12 LLCA constituent des normes dont la violation peut rendre une preuve illicite au sens de l' art. 152 al. 2 CPC (RÜEDI, op. cit., p. 125 n. 256). Edictées par une autorité afin de réglementer, dans l'intérêt public, l'exercice d'une profession, elles se distinguent des règles déontologiques (ou us et coutumes; "Standesregeln"), qui sont adoptées par les organisations professionnelles ( ATF 136 III 296 consid. 2.1 p. 300). La LLCA définit de manière exhaustive les règles professionnelles auxquelles les avocats sont soumis. Les règles déontologiques conservent toutefois une portée juridique en permettant de préciser ou d'interpréter les règles professionnelles, mais uniquement dans la mesure où elles expriment une opinion largement répandue au plan national (cf. ATF 136 III 296 consid. 2.1 p. 300; ATF 131 I 223 consid. 3.4 p. 228; ATF 130 II 270 consid. 3.1.1 p. 275). Dans le but d'unifier les règles déontologiques sur tout le territoire de la Confédération, la Fédération Suisse des Avocats (FSA) a précisément édicté le Code suisse de déontologie (ci-après: CSD; consultable sur http://www.sav-fsa.ch ), entré en vigueur le 1 er juillet 2005. art. 12 LLCA art. 152 al. 2 CPC Selon l'art. 6 CSD, l'avocat ne porte pas à la connaissance du tribunal des propositions transactionnelles, sauf accord exprès de la partie adverse. Après avoir posé que le caractère confidentiel d'une communication adressée à un confrère doit être clairement exprimé, l'art. 26 CSD répète qu'il ne peut être fait état en procédure "de documents ou du contenu de propositions transactionnelles ou de discussions confidentielles." Ces dispositions servent à préciser la portée de l' art. 12 let. a LLCA, qui prescrit à l'avocat d'exercer sa profession avec soin et diligence (cf. MICHEL VALTICOS, in Commentaire romand, Loi sur les avocats, 2010, n° 58 ad art. 12 LLCA ). Selon la jurisprudence, le non-respect d'une clause de confidentialité et l'utilisation en procédure du contenu de pourparlers transactionnels constituent une violation de l'obligation résultant de l' art. 12 let. a LLCA (arrêt 2C_900/2010 du 17 juin 2011 consid. 1.4; cf. arrêt 2A.658/2004 du 3 mai 2005 consid. 3.4). Le Tribunal fédéral a relevé que l'interdiction pour l'avocat de se prévaloir en justice de discussions transactionnelles confidentielles est fondée sur l'intérêt public à favoriser le règlement amiable des litiges, les parties devant pouvoir s'exprimer librement lors de la recherche d'une solution extrajudiciaire (arrêt précité du 3 mai 2005 consid. 3.3). art. 12 let. a LLCA art. 12 LLCA art. 12 let. a LLCA En présence d'un courrier désigné expressément comme confidentiel, dont les propositions transactionnelles avaient été caviardées, le BGE 140 III 6 S. 10 Tribunal fédéral a posé que la règle de la confidentialité doit être interprétée dans un sens absolu et appliquée strictement (arrêt précité du 3 mai 2005 consid. 4.3). A ce propos, il faut admettre qu'un courrier confidentiel ne peut pas être déposé en justice, même caviardé, à moins que, manifestement, seule une partie du texte n'ait un caractère confidentiel (BOHNET/MARTENET, Droit de la profession d'avocat, 2009, p. 511 n. 1191). La pesée des intérêts prévue à l' art. 152 al. 2 CPC est en outre réservée.
BGE 140 III 6 S. 10
art. 152 al. 2 CPC 3.2 En l'espèce, le moyen de preuve litigieux est la lettre du 30 avril 2010 adressée par le conseil de l'intimée au conseil de la recourante; ce dernier l'a produite caviardée devant le premier juge, avec l'autorisation du Bâtonnier de l'Ordre des avocats genevois.
3.2 La question est de savoir si cette preuve a été déposée en violation de la règle de la confidentialité déduite de l' art. 12 let. a LLCA et, partant, si elle est illicite au sens de l' art. 152 al. 2 CPC. S'agissant de déterminer s'il y a eu violation d'une norme de droit fédéral, édictée dans l'intérêt public, l'avis du Bâtonnier, dont la recourante fait grand cas, est dénué de pertinence. art. 12 let. a LLCA art. 152 al. 2 CPC Frappé des réserves d'usage, le courrier litigieux mentionne expressément son caractère confidentiel; au surplus, il n'est pas contesté que les passages caviardés portent sur des propositions transactionnelles. Conformément au principe exposé plus haut, déduit de la règle de la confidentialité appliquée strictement, un tel courrier ne peut pas être produit en justice, sauf si la partie non caviardée ne présente manifestement pas un caractère confidentiel.
Selon l'arrêt attaqué, la déclaration visible de l'intimée figurant dans le courrier du 30 avril 2010 est une "offre de renoncer à la prescription", "une proposition de renonciation". Pour sa part, la recourante prétend qu'il s'agit d'une renonciation unilatérale et inconditionnelle à la prescription, qui ne présente aucun caractère de confidentialité.
Les termes mêmes utilisés dans le passage en cause accréditent la qualification retenue par la cour cantonale et ne permettent en tout cas pas de retenir qu'à l'évidence, l'intimée renonçait unilatéralement et inconditionnellement à la prescription. Rompu au vocabulaire juridique et conscient de la portée des mots, le conseil de l'intimée, mandataire professionnel, a écrit en effet que sa cliente était "prête à renoncer (...) à invoquer l'exception de prescription", et non simplement qu'elle renonçait à cette exception. Or, celui qui est prêt à une action n'a pas encore agi et se déclarer prêt à accomplir un acte ne signifie BGE 140 III 6 S. 11 pas nécessairement l'exécuter par la suite sans conditions. En l'occurrence, comme le courrier produit contient des propositions transactionnelles, il n'est nullement exclu de voir dans la déclaration en cause, interprétée objectivement, une offre insérée parmi les autres propositions transactionnelles dont le contenu a été caviardé, et qui engage l'intimée uniquement si un accord global est conclu, en ce sens que les prétentions sur lesquelles les parties transigent seront dues même si elles sont prescrites. Contrairement à ce que la recourante soutient, il n'est dès lors pas manifeste que la déclaration litigieuse ait été émise indépendamment des propositions transactionnelles caviardées et, par conséquent, qu'elle présente un caractère non confidentiel.
BGE 140 III 6 S. 11
La conclusion est identique si l'on se place sous l'angle de l'interprétation subjective, faisant appel aux éléments postérieurs à la déclaration. En effet, si le passage en cause était une renonciation pure et simple à invoquer la prescription, on ne comprend pas pourquoi le conseil de la recourante a cherché à obtenir, en date du 30 juin 2010, une déclaration de renonciation unilatérale dénuée d'ambiguïté.
Enfin, il est à noter que, dans une cause de nature patrimoniale soumise à la maxime des débats comme celle opposant les parties, l'intérêt à la découverte de la vérité matérielle, résultant prétendument du moyen de preuve illicite, ne saurait prévaloir face à l'intérêt public au respect strict de la règle de la confidentialité.
En conclusion, la Cour de justice n'a violé ni l' art. 12 let. a LLCA, ni l' art. 152 al. 2 CPC en refusant de prendre en considération la lettre du 30 avril 2010. Par ailleurs, la solution adoptée dans l'arrêt attaqué étant confirmée, point n'est besoin de déterminer si la prescription est intervenue le 13 juin 2006 plutôt que le 13 juin 2010, comme l'intimée le plaidait. art. 12 let. a LLCA art. 152 al. 2 CPC
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Urteilskopf 140 III 70 13. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y. AG (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_387/2013 vom 17. Februar 2014 Regeste Art. 204, 209 sowie 59 ZPO ; persönliches Erscheinen zur Schlichtungsverhandlung; gültige Klagebewilligung als Prozessvoraussetzung. Pflicht zum persönlichen Erscheinen an der Schlichtungsverhandlung, wenn eine juristische Person Partei ist (E. 4.3 und 4.4). Rechtsfolge der Missachtung der Pflicht zum persönlichen Erscheinen (E. 5). Erwägungen ab Seite 70 BGE 140 III 70 S. 70 Aus den Erwägungen: 4. 4.3 Dass die Pflicht zum persönlichen Erscheinen nach Art. 204 Abs. 1 ZPO auch für juristische Personen gilt, wird dem Grundsatz nach weder von der Vorinstanz noch von der Beschwerdegegnerin in Abrede gestellt, wenn auch Erstere annimmt, der Gesetzgeber habe in diesem Zusammenhang "in erster Linie an die natürlichen Personen gedacht". Auch die Kommentatoren gehen soweit BGE 140 III 70 S. 71 ersichtlich einhellig von der Anwendbarkeit der Bestimmung auf sämtliche Parteien aus (siehe ALVAREZ/PETER, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. II, 2012, N. 2 zu Art. 204 ZPO ; BOHNET, in: CPC, Code de procédure civile commenté, Bohnet und andere [Hrsg.], 2011, N. 3 zu Art. 204 ZPO ; EGLI, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner und andere [Hrsg.], 2011, N. 5-7 zu Art. 204 ZPO ; GLOOR/UMBRICHT, in: ZPO, Oberhammer und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 3 zu Art. 204 ZPO ; HOFMANN/LÜSCHER, Le Code de procédure civile, 2009, S. 129; INFANGER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 2 zu Art. 204 ZPO ; SCHMID, Praktische Fragen zum Schlichtungsverfahren, ZZZ 2011/2012 S. 186; STAEHELIN UND ANDERE, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2013, S. 366 Rz. 19; TREZZINI, in: Commentario al Codice di diritto processuale civile svizzero [...], Cocchi und andere [Hrsg.], 2011, S. 929 Fn. 2569; WYSS, in: Schweizerische Zivilprozessordnung, Baker & McKenzie [Hrsg.], 2010, N. 2 zu Art. 204 ZPO ). Diese Auffassung ist denn auch zutreffend: Gegen ein abweichendes Verständnis von Art. 204 ZPO spricht bereits, dass sich die Bestimmung nach ihrem Wortlaut - wie übrigens auch Art. 68 Abs. 4 ZPO mit Bezug auf das Gerichtsverfahren - generell an die "Parteien" richtet und nicht nach deren Natur oder Rechtsform differenziert, während das Gesetz an anderer Stelle durchaus zwischen natürlichen und juristischen Personen unterscheidet (vgl. Art. 10 ZPO ). Demgegenüber erwähnt Art. 204 Abs. 3 lit. a ZPO zwar bloss den ausserkantonalen oder ausländischen "Wohnsitz" als Dispensationsgrund, und lit. b nennt mit Krankheit und Alter ausdrücklich zwei wichtige Gründe, die auf juristische Personen als solche sinnvollerweise keine Anwendung finden können. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, die Pflicht zum persönlichen Erscheinen gelte generell nur für natürliche Personen, zumal Art. 204 Abs. 3 lit. c ZPO wiederum eine besondere Regelung (für im vereinfachten Verfahren zu beurteilende Streitigkeiten) vorsieht, auf die sich "Arbeitgeber", "Versicherer" und "Vermieter" berufen können und die somit jedenfalls auch auf juristische Personen zugeschnitten ist. Für eine Anwendbarkeit der Vorschrift auf juristische Personen spricht sodann ihr Sinn und Zweck: Hintergrund der gesetzlichen Regelung war die Überlegung, dass eine Schlichtungsverhandlung meist dann am aussichtsreichsten ist, wenn die Parteien persönlich erscheinen, da nur so "eine wirkliche Aussprache" stattfinden kann. Auch wenn BGE 140 III 70 S. 72 sich die Parteien begleiten lassen dürfen, sollen sie sich gemäss der Botschaft zur Schweizerischen Zivilprozessordnung an der Verhandlung doch primär "selber äussern". Die Verhandlung ist überdies nicht öffentlich ( Art. 203 Abs. 3 Satz 1 ZPO ), und die gemachten Aussagen dürfen weder protokolliert noch später im Entscheidverfahren verwendet werden ( Art. 205 Abs. 1 ZPO ), denn die Parteien sollen sich frei unterhalten können (vgl. Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, BBl 2006 7331 f. zu Art. 199-204; siehe auch Urteil 4C_1/2013 vom 25. Juni 2013 E. 4.3). Durch die bereits im kantonalen Verfahrensrecht bekannte Pflicht zum persönlichen Erscheinen soll mithin ein persönliches Gespräch zwischen den Parteien vor der allfälligen Klageeinreichung ermöglicht werden (vgl. Bericht zum Vorentwurf der Expertenkommission, Juni 2003, S. 98 zu Art. 198). Art. 204 Abs. 1 ZPO zielt in diesem Sinne - wie das Schlichtungsverfahren überhaupt - darauf ab, diejenigen Personen zu einer Aussprache zusammenzubringen, die sich miteinander im Streit befinden und die über den Streitgegenstand auch selber verfügen können. Weshalb diese ratio legis bloss bei natürlichen Personen das persönliche Erscheinen gebieten, bei juristischen Personen generell die Vertretung durch eine Drittperson gestatten soll, ist nicht erkennbar. Vielmehr muss, damit die Schlichtung ihren Zweck erfüllen kann, von einer juristischen Person als Partei verlangt werden, dass sie an der Schlichtungsverhandlung durch ein Organ oder zumindest durch eine mit einer (kaufmännischen) Handlungsvollmacht ausgestattete und zur Prozessführung befugte Person, die überdies mit dem Streitgegenstand vertraut ist, erscheint. Damit fällt aber die von der Vorinstanz generell zugelassene Vertretung der juristischen Person durch einen Rechtsanwalt als Form des persönlichen Erscheinens ausser Betracht (in diesem Sinne ausdrücklich INFANGER, a.a.O., N. 2 zu Art. 204 ZPO ). Eine derartige Vertretung ist nur unter den Voraussetzungen von Art. 204 Abs. 3 lit. a und b ZPO erlaubt, wo gerade eine Ausnahme von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen besteht. 4.4 Somit ist nachfolgend zu prüfen, ob die Beschwerdegegnerin als Klägerin ihrer eben dargestellten Pflicht zum persönlichen Erscheinen im Sinne von Art. 204 Abs. 1 ZPO nachgekommen ist, wenn an der Schlichtungsverhandlung vom 20. April 2012 L. als Mitarbeiter und Handlungsbevollmächtigter in Begleitung von Rechtsanwalt M. als Rechtsvertreter für sie erschien. BGE 140 III 70 S. 73 Die Vorinstanz erwog, die bei den Akten befindliche, vom 19. April 2012 datierte Spezialvollmacht von L. sei lediglich von der Verwaltungsrätin der Klägerin, N., unterzeichnet gewesen, die selber nur über eine Kollektivunterschrift zu zweien verfüge. Indessen habe der seinerseits gültig bevollmächtigte (an der Schlichtungsverhandlung aber nicht anwesende) Rechtsvertreter der Klägerin, Rechtsanwalt R., die von L. vorgenommenen Vertretungshandlungen in der Berufungsantwort nachträglich genehmigt, womit L. als Handlungsbevollmächtigter an der Schlichtungsverhandlung rechtsgültig für die Klägerin "anwesend" gewesen sei. Sodann erwog die Vorinstanz, Rechtsanwalt R. habe auch die Vertretungshandlungen des ohne Vollmacht erschienenen Rechtsanwalts M. nachträglich genehmigt. Sie kam mit anderen Worten zum Schluss, die Klägerin sei ihrer Pflicht zum persönlichen Erscheinen nach Art. 204 Abs. 1 ZPO durch die Anwesenheit von L. und Rechtsanwalt M. nachgekommen, obschon deren Vertretungshandlungen mangels gültiger vorgängiger Bevollmächtigung der nachträglichen Genehmigung durch die Geschäftsherrin bedurften. Die Auffassung der Vorinstanz ist mit Art. 204 Abs. 1 ZPO nicht zu vereinbaren. Diese Bestimmung verlangt jedenfalls, dass die für eine juristische Person als Partei an der Schlichtungsverhandlung anwesende Vertreterin vorbehaltlos und gültig handeln kann. So muss sie insbesondere zum Vergleichsabschluss ermächtigt sein (siehe ALVAREZ/PETER, a.a.O., N. 2 zu Art. 204 ZPO ; EGLI, a.a.O., N. 6 zu Art. 204 ZPO ; GLOOR/UMBRICHT, a.a.O., N. 3 zu Art. 204 ZPO ; INFANGER, a.a.O., N. 2 zu Art. 204 ZPO ; SCHMID, a.a.O., S. 186; STAEHELIN UND ANDERE, a.a.O., S. 366 Rz. 19; WYSS, a.a.O., N. 2 zu Art. 204 ZPO ; vgl. in diesem Sinne auch die in Art. 204 Abs. 3 lit. c ZPO zugelassene Delegation). Das war vorliegend nicht der Fall: L. vermochte sich an der Schlichtungsverhandlung weder einzeln noch (kollektiv) zusammen mit Rechtsanwalt M. als zeichnungsberechtigt auszuweisen, und eine entsprechende Vertretungsmacht ergibt sich auch nicht aus dem Handelsregister. Wenn die Beschwerdegegnerin in der Beschwerdeantwort behauptet, ihre Verwaltungsräte hätten L. - den sie als ihren Geschäftsführer bezeichnet - vor der Schlichtungsverhandlung ausdrücklich zur Prozessführung bevollmächtigt, ergänzt sie in unzulässiger Weise den Sachverhalt, womit sie nicht gehört werden kann. Die Anwesenheit eines vollmachtlosen Vertreters an der Schlichtungsverhandlung vermag entgegen der Vorinstanz den Anforderungen von BGE 140 III 70 S. 74 Art. 204 Abs. 1 ZPO von vornherein nicht zu genügen, da ansonsten der Zweck der Schlichtungsverhandlung vereitelt würde, eine persönliche und vorbehaltlose Aussprache unter den Parteien zu ermöglichen (vgl. E. 4.3). Ob Rechtsanwalt R. seinerseits überhaupt rechtsgenügend bevollmächtigt war, die Vertretung der Klägerin durch L. und Rechtsanwalt M. nachträglich zu genehmigen (vgl. Art. 38 OR ), ist somit für den vorliegenden Fall nicht von Bedeutung. Die vom Beschwerdeführer in diesem Punkt erhobene Sachverhaltsrüge erweist sich als nicht entscheiderheblich. 5. Mangels persönlichen Erscheinens der Klägerin an der Schlichtungsverhandlung vom 20. April 2012 hätte, da aus den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz kein Ausnahmetatbestand nach Art. 204 Abs. 3 ZPO ersichtlich ist und eine insofern unvollständige Sachverhaltsfeststellung jedenfalls nicht rechtsgenüglich geltend gemacht wird, keine Klagebewilligung ausgestellt werden dürfen (vgl. Art. 206 ZPO ). Die dennoch erteilte Klagebewilligung vom 27. April 2012 erweist sich als ungültig, und es fehlte im Verfahren vor dem Bezirksgericht somit an einer Prozessvoraussetzung. Das Bezirksgericht hätte, nachdem der Beschwerdeführer als Beklagter im Schlichtungsverfahren ausdrücklich auf der persönlichen Teilnahme der Organe der Klägerin bestanden und sich anschliessend im Gerichtsverfahren auf die ungültige Klagebewilligung berufen hatte, auf die Klage vom 30. August 2012 nicht eintreten dürfen (vgl. BGE 139 III 273 E. 2.3). Indem es die Einrede des Beklagten abwies und auf die Klage eintrat, verletzte es Bundesrecht. Die Rüge des Beschwerdeführers ist begründet.
Urteilskopf
13. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y. AG (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_387/2013 vom 17. Februar 2014
Regeste Art. 204, 209 sowie 59 ZPO ; persönliches Erscheinen zur Schlichtungsverhandlung; gültige Klagebewilligung als Prozessvoraussetzung. Pflicht zum persönlichen Erscheinen an der Schlichtungsverhandlung, wenn eine juristische Person Partei ist (E. 4.3 und 4.4). Rechtsfolge der Missachtung der Pflicht zum persönlichen Erscheinen (E. 5).
Regeste
Art. 204, 209 sowie 59 ZPO ; persönliches Erscheinen zur Schlichtungsverhandlung; gültige Klagebewilligung als Prozessvoraussetzung. Pflicht zum persönlichen Erscheinen an der Schlichtungsverhandlung, wenn eine juristische Person Partei ist (E. 4.3 und 4.4). Rechtsfolge der Missachtung der Pflicht zum persönlichen Erscheinen (E. 5).
Art. 204, 209 sowie 59 ZPO Pflicht zum persönlichen Erscheinen an der Schlichtungsverhandlung, wenn eine juristische Person Partei ist (E. 4.3 und 4.4). Rechtsfolge der Missachtung der Pflicht zum persönlichen Erscheinen (E. 5).
Erwägungen ab Seite 70
Erwägungen ab Seite 70 BGE 140 III 70 S. 70
BGE 140 III 70 S. 70
Aus den Erwägungen:
4.
4. 4.3 Dass die Pflicht zum persönlichen Erscheinen nach Art. 204 Abs. 1 ZPO auch für juristische Personen gilt, wird dem Grundsatz nach weder von der Vorinstanz noch von der Beschwerdegegnerin in Abrede gestellt, wenn auch Erstere annimmt, der Gesetzgeber habe in diesem Zusammenhang "in erster Linie an die natürlichen Personen gedacht". Auch die Kommentatoren gehen soweit BGE 140 III 70 S. 71 ersichtlich einhellig von der Anwendbarkeit der Bestimmung auf sämtliche Parteien aus (siehe ALVAREZ/PETER, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. II, 2012, N. 2 zu Art. 204 ZPO ; BOHNET, in: CPC, Code de procédure civile commenté, Bohnet und andere [Hrsg.], 2011, N. 3 zu Art. 204 ZPO ; EGLI, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner und andere [Hrsg.], 2011, N. 5-7 zu Art. 204 ZPO ; GLOOR/UMBRICHT, in: ZPO, Oberhammer und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 3 zu Art. 204 ZPO ; HOFMANN/LÜSCHER, Le Code de procédure civile, 2009, S. 129; INFANGER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 2 zu Art. 204 ZPO ; SCHMID, Praktische Fragen zum Schlichtungsverfahren, ZZZ 2011/2012 S. 186; STAEHELIN UND ANDERE, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2013, S. 366 Rz. 19; TREZZINI, in: Commentario al Codice di diritto processuale civile svizzero [...], Cocchi und andere [Hrsg.], 2011, S. 929 Fn. 2569; WYSS, in: Schweizerische Zivilprozessordnung, Baker & McKenzie [Hrsg.], 2010, N. 2 zu Art. 204 ZPO ).
4.3 Art. 204 Abs. 1 ZPO BGE 140 III 70 S. 71
Art. 204 ZPO Art. 204 ZPO Art. 204 ZPO Art. 204 ZPO Art. 204 ZPO Art. 204 ZPO Diese Auffassung ist denn auch zutreffend: Gegen ein abweichendes Verständnis von Art. 204 ZPO spricht bereits, dass sich die Bestimmung nach ihrem Wortlaut - wie übrigens auch Art. 68 Abs. 4 ZPO mit Bezug auf das Gerichtsverfahren - generell an die "Parteien" richtet und nicht nach deren Natur oder Rechtsform differenziert, während das Gesetz an anderer Stelle durchaus zwischen natürlichen und juristischen Personen unterscheidet (vgl. Art. 10 ZPO ). Demgegenüber erwähnt Art. 204 Abs. 3 lit. a ZPO zwar bloss den ausserkantonalen oder ausländischen "Wohnsitz" als Dispensationsgrund, und lit. b nennt mit Krankheit und Alter ausdrücklich zwei wichtige Gründe, die auf juristische Personen als solche sinnvollerweise keine Anwendung finden können. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, die Pflicht zum persönlichen Erscheinen gelte generell nur für natürliche Personen, zumal Art. 204 Abs. 3 lit. c ZPO wiederum eine besondere Regelung (für im vereinfachten Verfahren zu beurteilende Streitigkeiten) vorsieht, auf die sich "Arbeitgeber", "Versicherer" und "Vermieter" berufen können und die somit jedenfalls auch auf juristische Personen zugeschnitten ist.
Art. 204 ZPO Art. 68 Abs. 4 ZPO Art. 10 ZPO Art. 204 Abs. 3 lit. a ZPO Art. 204 Abs. 3 lit. c ZPO Für eine Anwendbarkeit der Vorschrift auf juristische Personen spricht sodann ihr Sinn und Zweck: Hintergrund der gesetzlichen Regelung war die Überlegung, dass eine Schlichtungsverhandlung meist dann am aussichtsreichsten ist, wenn die Parteien persönlich erscheinen, da nur so "eine wirkliche Aussprache" stattfinden kann. Auch wenn BGE 140 III 70 S. 72 sich die Parteien begleiten lassen dürfen, sollen sie sich gemäss der Botschaft zur Schweizerischen Zivilprozessordnung an der Verhandlung doch primär "selber äussern". Die Verhandlung ist überdies nicht öffentlich ( Art. 203 Abs. 3 Satz 1 ZPO ), und die gemachten Aussagen dürfen weder protokolliert noch später im Entscheidverfahren verwendet werden ( Art. 205 Abs. 1 ZPO ), denn die Parteien sollen sich frei unterhalten können (vgl. Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, BBl 2006 7331 f. zu Art. 199-204; siehe auch Urteil 4C_1/2013 vom 25. Juni 2013 E. 4.3). Durch die bereits im kantonalen Verfahrensrecht bekannte Pflicht zum persönlichen Erscheinen soll mithin ein persönliches Gespräch zwischen den Parteien vor der allfälligen Klageeinreichung ermöglicht werden (vgl. Bericht zum Vorentwurf der Expertenkommission, Juni 2003, S. 98 zu Art. 198). Art. 204 Abs. 1 ZPO zielt in diesem Sinne - wie das Schlichtungsverfahren überhaupt - darauf ab, diejenigen Personen zu einer Aussprache zusammenzubringen, die sich miteinander im Streit befinden und die über den Streitgegenstand auch selber verfügen können. Weshalb diese ratio legis bloss bei natürlichen Personen das persönliche Erscheinen gebieten, bei juristischen Personen generell die Vertretung durch eine Drittperson gestatten soll, ist nicht erkennbar. Vielmehr muss, damit die Schlichtung ihren Zweck erfüllen kann, von einer juristischen Person als Partei verlangt werden, dass sie an der Schlichtungsverhandlung durch ein Organ oder zumindest durch eine mit einer (kaufmännischen) Handlungsvollmacht ausgestattete und zur Prozessführung befugte Person, die überdies mit dem Streitgegenstand vertraut ist, erscheint.
BGE 140 III 70 S. 72
Art. 203 Abs. 3 Satz 1 ZPO Art. 205 Abs. 1 ZPO Art. 204 Abs. 1 ZPO Damit fällt aber die von der Vorinstanz generell zugelassene Vertretung der juristischen Person durch einen Rechtsanwalt als Form des persönlichen Erscheinens ausser Betracht (in diesem Sinne ausdrücklich INFANGER, a.a.O., N. 2 zu Art. 204 ZPO ). Eine derartige Vertretung ist nur unter den Voraussetzungen von Art. 204 Abs. 3 lit. a und b ZPO erlaubt, wo gerade eine Ausnahme von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen besteht.
Art. 204 ZPO Art. 204 Abs. 3 lit. a und b ZPO 4.4 Somit ist nachfolgend zu prüfen, ob die Beschwerdegegnerin als Klägerin ihrer eben dargestellten Pflicht zum persönlichen Erscheinen im Sinne von Art. 204 Abs. 1 ZPO nachgekommen ist, wenn an der Schlichtungsverhandlung vom 20. April 2012 L. als Mitarbeiter und Handlungsbevollmächtigter in Begleitung von Rechtsanwalt M. als Rechtsvertreter für sie erschien. BGE 140 III 70 S. 73
4.4 Art. 204 Abs. 1 ZPO BGE 140 III 70 S. 73
Die Vorinstanz erwog, die bei den Akten befindliche, vom 19. April 2012 datierte Spezialvollmacht von L. sei lediglich von der Verwaltungsrätin der Klägerin, N., unterzeichnet gewesen, die selber nur über eine Kollektivunterschrift zu zweien verfüge. Indessen habe der seinerseits gültig bevollmächtigte (an der Schlichtungsverhandlung aber nicht anwesende) Rechtsvertreter der Klägerin, Rechtsanwalt R., die von L. vorgenommenen Vertretungshandlungen in der Berufungsantwort nachträglich genehmigt, womit L. als Handlungsbevollmächtigter an der Schlichtungsverhandlung rechtsgültig für die Klägerin "anwesend" gewesen sei. Sodann erwog die Vorinstanz, Rechtsanwalt R. habe auch die Vertretungshandlungen des ohne Vollmacht erschienenen Rechtsanwalts M. nachträglich genehmigt. Sie kam mit anderen Worten zum Schluss, die Klägerin sei ihrer Pflicht zum persönlichen Erscheinen nach Art. 204 Abs. 1 ZPO durch die Anwesenheit von L. und Rechtsanwalt M. nachgekommen, obschon deren Vertretungshandlungen mangels gültiger vorgängiger Bevollmächtigung der nachträglichen Genehmigung durch die Geschäftsherrin bedurften.
Art. 204 Abs. 1 ZPO Die Auffassung der Vorinstanz ist mit Art. 204 Abs. 1 ZPO nicht zu vereinbaren. Diese Bestimmung verlangt jedenfalls, dass die für eine juristische Person als Partei an der Schlichtungsverhandlung anwesende Vertreterin vorbehaltlos und gültig handeln kann. So muss sie insbesondere zum Vergleichsabschluss ermächtigt sein (siehe ALVAREZ/PETER, a.a.O., N. 2 zu Art. 204 ZPO ; EGLI, a.a.O., N. 6 zu Art. 204 ZPO ; GLOOR/UMBRICHT, a.a.O., N. 3 zu Art. 204 ZPO ; INFANGER, a.a.O., N. 2 zu Art. 204 ZPO ; SCHMID, a.a.O., S. 186; STAEHELIN UND ANDERE, a.a.O., S. 366 Rz. 19; WYSS, a.a.O., N. 2 zu Art. 204 ZPO ; vgl. in diesem Sinne auch die in Art. 204 Abs. 3 lit. c ZPO zugelassene Delegation). Das war vorliegend nicht der Fall: L. vermochte sich an der Schlichtungsverhandlung weder einzeln noch (kollektiv) zusammen mit Rechtsanwalt M. als zeichnungsberechtigt auszuweisen, und eine entsprechende Vertretungsmacht ergibt sich auch nicht aus dem Handelsregister. Wenn die Beschwerdegegnerin in der Beschwerdeantwort behauptet, ihre Verwaltungsräte hätten L. - den sie als ihren Geschäftsführer bezeichnet - vor der Schlichtungsverhandlung ausdrücklich zur Prozessführung bevollmächtigt, ergänzt sie in unzulässiger Weise den Sachverhalt, womit sie nicht gehört werden kann.
Art. 204 Abs. 1 ZPO Art. 204 ZPO Art. 204 ZPO Art. 204 ZPO Art. 204 ZPO Art. 204 ZPO Art. 204 Abs. 3 lit. c ZPO Die Anwesenheit eines vollmachtlosen Vertreters an der Schlichtungsverhandlung vermag entgegen der Vorinstanz den Anforderungen von BGE 140 III 70 S. 74 Art. 204 Abs. 1 ZPO von vornherein nicht zu genügen, da ansonsten der Zweck der Schlichtungsverhandlung vereitelt würde, eine persönliche und vorbehaltlose Aussprache unter den Parteien zu ermöglichen (vgl. E. 4.3). Ob Rechtsanwalt R. seinerseits überhaupt rechtsgenügend bevollmächtigt war, die Vertretung der Klägerin durch L. und Rechtsanwalt M. nachträglich zu genehmigen (vgl. Art. 38 OR ), ist somit für den vorliegenden Fall nicht von Bedeutung. Die vom Beschwerdeführer in diesem Punkt erhobene Sachverhaltsrüge erweist sich als nicht entscheiderheblich.
BGE 140 III 70 S. 74
Art. 204 Abs. 1 ZPO Art. 38 OR 5. Mangels persönlichen Erscheinens der Klägerin an der Schlichtungsverhandlung vom 20. April 2012 hätte, da aus den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz kein Ausnahmetatbestand nach Art. 204 Abs. 3 ZPO ersichtlich ist und eine insofern unvollständige Sachverhaltsfeststellung jedenfalls nicht rechtsgenüglich geltend gemacht wird, keine Klagebewilligung ausgestellt werden dürfen (vgl. Art. 206 ZPO ). Die dennoch erteilte Klagebewilligung vom 27. April 2012 erweist sich als ungültig, und es fehlte im Verfahren vor dem Bezirksgericht somit an einer Prozessvoraussetzung. Das Bezirksgericht hätte, nachdem der Beschwerdeführer als Beklagter im Schlichtungsverfahren ausdrücklich auf der persönlichen Teilnahme der Organe der Klägerin bestanden und sich anschliessend im Gerichtsverfahren auf die ungültige Klagebewilligung berufen hatte, auf die Klage vom 30. August 2012 nicht eintreten dürfen (vgl. BGE 139 III 273 E. 2.3). Indem es die Einrede des Beklagten abwies und auf die Klage eintrat, verletzte es Bundesrecht. Die Rüge des Beschwerdeführers ist begründet.
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Urteilskopf 140 III 75 14. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause X. AG contre Z. (recours en matière civile) 4A_490/2013 du 28 janvier 2014 Regeste Internationale Schiedsgerichtsbarkeit; Fällung des Entscheids nach Ablauf des Amtes des Einzelschiedsrichters. Prüfung der Fälle, in denen der Schiedsrichtervertrag vor dem Urteilsspruch enden kann (E. 3.2.1). Anwendung auf die Umstände des konkreten Falles (E. 3.2.2 und 3.3). Ein Entscheid, der nach Erlöschen der Amtsbefugnisse des Einzelschiedsrichters ergeht, ist mit Beschwerde wegen Unzuständigkeit im Sinne von Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG anfechtbar (E. 4.1). Sachverhalt ab Seite 75 BGE 140 III 75 S. 75 A. Par contrats de location signés les 14 juin 2002 et 8 mai 2003, X. AG (ci-après: la recourante), société anonyme de droit suisse, a remis à bail à Z. (ci-après: l'intimée), société anonyme de droit français, deux avions à hélices destinés au transport de passagers et de fret. Les deux contrats étaient régis par le droit suisse quant au fond. Une clause compromissoire identique, incluse dans chacun d'eux, BGE 140 III 75 S. 76 fixait le siège de l'arbitrage à Genève et confiait à un arbitre unique, nommé par le "Tribunal de Genève", le soin de trancher, dans les meilleurs délais, tout différend que les parties auraient été incapables de régler dans les dix jours. B. Un litige survenu entre les parties au sujet de l'exécution de leurs obligations respectives a donné lieu à la mise en oeuvre de la procédure arbitrale prévue par les deux contrats de location. En avril 2010, un avocat genevois, désigné conjointement par les parties en qualité d'arbitre unique (ci-après: l'arbitre), a accepté d'arbitrer ce litige. Le Tribunal de première instance du canton de Genève a entériné cette désignation par jugement du 27 mai 2010. La procédure proprement dite a débuté le 7 juin 2010, par le dépôt de la demande d'arbitrage, pour prendre fin le 4 mai 2011, à l'issue de l'audience de plaidoiries, lorsque l'arbitre a gardé la cause à juger. Après leur constitution, en date du 13 janvier 2012, les conseils actuels de la recourante sont intervenus une première fois auprès de l'arbitre, à la mi-juin 2012, pour connaître l'état d'avancement de son travail de délibération. Il leur a été répondu que la sentence serait rendue, en principe, à la fin de ce mois-là. Les mandataires de la recourante ont relancé l'arbitre à une dizaine de reprises. N'ayant rien obtenu de concret, en dépit de diverses promesses précises de l'intéressé, ils se sont faits plus pressants au fil du temps. L'arbitre a finalement rendu sa sentence le 3 septembre 2013. Le conseil de l'intimée en a reçu un exemplaire le même jour, l'étude des mandataires de la recourante le lendemain. En annexe à une lettre du 6 septembre 2013, l'arbitre a adressé un dispositif rectificatif aux avocats des parties. C. Le 4 octobre 2013, la recourante a saisi le Tribunal fédéral d'un recours en matière civile aux fins d'obtenir l'annulation de la sentence et de son complément. Elle a fait valoir, à titre principal, que l'arbitre unique avait été irrégulièrement désigné ( art. 190 al. 2 let. a LDIP [RS 291]). Par arrêt du 28 janvier 2014, le Tribunal fédéral a admis le recours et annulé la sentence du 3 septembre 2013 telle que rectifiée le 6 septembre 2013. (résumé) BGE 140 III 75 S. 77 Erwägungen Extrait des considérants: 3. 3.2 3.2.1 Le contrat d'arbitre - receptum arbitrii ou arbitri (cf. ATF 136 III 597 consid. 5 p. 600; sur la terminologie, voir THOMAS CLAY, L'arbitre, Paris 2001, p. 487-498) - désigne la relation contractuelle qui se noue entre l'arbitre et les parties. Il participe de la nature mixte de l'arbitrage, lequel revêt un caractère contractuel par sa source et juridictionnel par son objet (FOUCHARD/GAILLARD/GOLDMAN, Traité de l'arbitrage commercial international, Paris 1996, n. 1122). L'arbitre, tel le juge étatique, est investi du pouvoir de trancher un différend par une sentence équivalant à un jugement, mais il tient ce pouvoir de la volonté des parties (KAUFMANN-KOHLER/RIGOZZI, Arbitrage international, Droit et pratique à la lumière de la LDIP, 2 e éd. 2010, n. 24). Le contrat d'arbitre est souvent qualifié de mandat sui generis, mais les règles du mandat ( art. 394 ss CO ) sont largement exclues par le statut de l'arbitre, s'agissant notamment des conditions dans lesquelles ce contrat prend fin (PIERRE-YVES TSCHANz, in Commentaire romand, Loi sur le droit international privé, Convention de Lugano, 2011, n° 55 ad art. 179 LDIP ). Le contrat d'arbitre s'éteint normalement en même temps que l'instance, c'est-à-dire, dans la grande majorité des cas, lorsque la sentence finale est rendue (pour autant qu'elle ne soit pas nulle ni annulée) voire, plus rarement, suite à un retrait d'instance, que ce soit par un désistement ou par une transaction. Il peut toutefois se terminer de manière anticipée, pendente lite, en particulier si l'arbitre décède, s'il est récusé, s'il est révoqué par les parties, s'il est destitué par le juge ou s'il démissionne (TSCHANZ, op. cit., n° 60 ad art. 179 LDIP ; POUDRET/BESSON, Comparative Law of International Arbitration, 2 e éd. 2007, n. 430). Selon l' art. 179 al. 1 LDIP, les arbitres sont révoqués conformément à la convention des parties. La révocation ( Abberufung, revocation ) émane de celles-ci. Non soumise, en principe, à l'exigence d'une forme particulière, contrairement à ce qui prévaut en matière d'arbitrage interne (cf. l'art. 370 al. 1 du Code de procédure civile du 19 décembre 2008 [CPC; RS 272]qui requiert un accord écrit), elle peut intervenir en tout temps et sans motifs, mais doit émaner de toutes les parties à l'arbitrage. D'où l'expression de révocation BGE 140 III 75 S. 78 conjointe, souvent utilisée pour qualifier cette manifestation de volonté. La révocation est possible même à l'égard d'un arbitre désigné par un tiers ou par le juge d'appui. L'arbitre visé ne peut pas s'y opposer (BERGER/KELLERHALS, International and Domestic Arbitration in Switzerland, 2 e éd. 2010, n. 843-848; LALIVE/POUDRET/REYMOND, Le droit de l'arbitrage interne et international en Suisse, 1989, n° 9 ad art. 179 LDIP ). Le concept de révocation, auquel l' art. 179 al. 1 LDIP se réfère, inclut aussi celui de destitution ( Absetzung, removal ; BERGER/KELLERHALS, op. cit., n. 851; KAUFMANN-KOHLER/RIGOZZI, op. cit., n. 413b; LALIVE/POUDRET/REYMOND, op. cit., n° 10 ad art. 179 LDIP et les auteurs cités). La destitution désigne la fin de la mission d'un arbitre prononcée par un juge ou par une institution d'arbitrage à la requête d'une partie en cas de justes motifs tenant à la personne de l'arbitre (BERGER/KELLERHALS, op. cit., n. 849-856, spéc. n. 852; POUDRET/BESSON, op. cit., n. 431; LALIVE/POUDRET/REYMOND, ibid.) mais ne constituant pas des motifs de récusation (KAUFMANN-KOHLER/RIGOZZI, ibid.). Elle se justifie, en particulier, comme le rappelle l' art. 370 al. 2 CPC pour l'arbitrage interne, lorsqu'un arbitre n'est pas en mesure de remplir sa mission en temps utile ou ne s'en acquitte pas avec la diligence requise. A défaut d'une convention des parties établissant directement ou indirectement (par référence à un règlement d'arbitrage) des règles en la matière, c'est le juge du siège du tribunal arbitral (juge d'appui) qui sera saisi de la requête ad hoc et qui appliquera par analogie la disposition précitée, conformément à l' art. 179 al. 2 LDIP. Il sied de rappeler ici que les parties sont tombées d'accord pour appliquer la loi de procédure civile du 10 avril 1987 du canton de Genève (LPC/GE) jusqu'à la fin de la procédure arbitrale, nonobstant l'entrée en vigueur du CPC. Dès lors, en vertu de l' art. 461B al. 1 let. a LPC /GE, c'est le Tribunal de première instance du canton de Genève qui était compétent pour destituer l'arbitre unique. Il l'eût d'ailleurs aussi été sous l'empire du nouveau droit de procédure civile (voir l' art. 86 al. 2 let. d de la loi genevoise du 26 septembre 2010 sur l'organisation judiciaire [LOJ; RSG E 2 05] en liaison avec les art. 370 al. 2 et 356al. 2 let. a CPC). La démission d'un arbitre en cours de procédure ne fait l'objet d'aucune disposition spécifique dans le droit suisse de l'arbitrage interne et international (BERGER/KELLERHALS, op. cit., n. 857). Le contrat d'arbitre n'étant pas un mandat pur et simple, il échappe à la règle, ancrée à BGE 140 III 75 S. 79 l' art. 404 al. 1 CO, selon laquelle le mandat peut être répudié en tout temps (LALIVE/POUDRET/REYMOND, op. cit., n° 8 ad art. 179 LDIP ). Aussi est-il communément admis que l'arbitre n'est en droit de démissionner que pour de justes motifs ( ATF 117 Ia 166 consid. 6c p. 169 et les auteurs cités; KAUFMANN-KOHLER/RIGOZZI, op. cit., n. 413c; pour des exemples de justes motifs, cf. BERGER/KELLERHALS, op. cit., n. 861). Si toutes les parties à la procédure acceptent la démission d'un arbitre, cette acceptation a le même effet qu'une révocation. Dans l'hypothèse inverse, à défaut de règles topiques résultant de la convention des parties ou du règlement d'arbitrage choisi par elles, c'est le juge d'appui qui statuera sur la validité de la démission litigieuse (BERGER/KELLERHALS, op. cit., n. 863). Pour le surplus, quant à sa nature juridique, la démission s'apparente à la répudiation du mandat. Comme celle-ci, elle consiste dans l'exercice d'un droit formateur résolutoire qui éteint le rapport de droit que les parties avaient noué avec l'arbitre unique en concluant le contrat d'arbitre (cf. PIERRE ENGEL, Traité des obligations en droit suisse, 2 e éd. 1997, p. 30). A l'instar de la répudiation du mandat, la démission sortit ses effets ex nunc, soit immédiatement, soit à l'expiration du délai si elle est donnée pour un terme déterminé (cf. JOSEF HOFSTETTER, Der Auftrag und die Geschäftsführung ohne Auftrag, SPR vol. VII, 2 e éd. 2000, p. 58). Assortir la répudiation du mandat ou la démission d'une condition est d'ordinaire peu compatible avec le principe de la sécurité du droit. Cependant, une répudiation ou une démission conditionnelle ne saurait être exclue d'emblée, de même qu'une révocation conditionnelle du mandat d'ailleurs, pour peu qu'il n'en résulte pas une situation incertaine dans la personne du destinataire de la manifestation de volonté. Est ainsi généralement tenue pour admissible la révocation ou la répudiation du mandat assortie d'une condition potestative dont la réalisation dépend de la seule volonté du mandataire ou du mandant, telle la révocation d'ores et déjà signifiée au mandataire pour le cas où il n'exécuterait pas ses obligations contractuelles dans un certain délai (HOFSTETTER, ibid.; WALTER FELLMANN, Commentaire bernois, 1992, n° 38 ad art. 404 CO ; ROLF H. WEBER, in Commentaire bâlois, Obligationenrecht, vol. I, 5 e éd. 2011, n° 6 ad art. 404 CO ). Il est une dernière hypothèse dans laquelle le contrat d'arbitre peut prendre fin avant le prononcé de la sentence. Les parties ont, en effet, le droit de limiter, dans la convention d'arbitrage ou dans un accord ultérieur, la durée de la mission du tribunal arbitral. Cette BGE 140 III 75 S. 80 faculté, que leur réserve l' art. 366 al. 1 CPC s'agissant d'un arbitrage interne, doit aussi leur être reconnue en matière d'arbitrage international (POUDRET/BESSON, op. cit., n. 452 dernier §; BERGER/KELLERHALS, op. cit., n. 916; PHILIPP HABEGGER, in Commentaire bâlois, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2 e éd. 2013, n° 1a ad art. 366 CPC ). Sans doute, dans l'un et l'autre domaine, est-il prévu - expressément ( art. 366 al. 2 CPC ) ou indirectement par la mise en oeuvre des art. 179 al. 1 et 185 LDIP - que ce délai puisse être prolongé par convention entre les parties, voire, à la demande de l'une d'elles (ou encore du tribunal arbitral dans un arbitrage interne en tout cas, cf. art. 366 al. 2 let. b CPC ), par une décision du juge d'appui (BERGER/KELLERHALS, ibid.; HABEGGER, ibid.). Toujours est-il que, si une telle prolongation n'est pas requise ou qu'elle ne soit pas accordée, la sentence finale n'interviendra, le cas échéant, qu'au-delà de la date butoir fixée à l'arbitre pour l'exécution de sa mission (sur les risques que comporte la limitation de cette mission dans le temps, cf. PHILIPPE SCHWEIZER, in CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, n os 1-6 ad art. 366 CPC ). 3.2.2 Il y a lieu de rechercher maintenant si les manifestations de volonté émanant des parties et de l'arbitre, telles qu'elles ressortent des faits retenus plus haut, présentent les traits distinctifs de l'un ou l'autre des cas de figure qui viennent d'être envisagés sur le plan théorique. Cela suppose d'en établir le sens en conformité avec les règles générales régissant l'interprétation de telles manifestations, que ces dernières revêtent un caractère unilatéral ou bilatéral (cf. arrêt 4A_219/2013 du 4 septembre 2013 consid. 3.2 et les précédents cités). Ainsi, en vertu du principe de la confiance, l'accent sera mis sur la manière dont le destinataire de la manifestation de volonté considérée pouvait comprendre celle-ci de bonne foi en fonction de l'ensemble des circonstances. L'auteur de cette manifestation de volonté devra s'en laisser imputer le sens objectif quand bien même il ne correspondrait pas à sa volonté intime ( ATF 135 III 410 consid. 3.2). L'hypothèse d'une destitution de l'arbitre peut être écartée d'emblée en l'espèce. Il est, en effet, constant que le Tribunal de première instance n'a pas été saisi d'une requête ad hoc par l'une ou l'autre des parties. Il aurait pu l'être, à vrai dire, et les conseils de la recourante avaient d'ailleurs menacé par deux fois l'arbitre d'en appeler au juge d'appui. Ils ont toutefois opté pour une autre solution par la suite, BGE 140 III 75 S. 81 d'entente avec l'intimée, ce qu'il leur était loisible de faire du moment que la loi établit la primauté de la convention des parties en la matière (cf. art. 179 al. 1 et 2 LDIP ). Bien plus délicat est, en revanche, le point de savoir auquel des autres cas de figure envisagés plus haut les manifestations de volonté litigieuses doivent être rattachées. Pour trancher cette question, il y a lieu d'interpréter, en les replaçant dans leur contexte, les écrits échangés de part et d'autre pendant la période allant du 3 juin au 4 septembre 2013. Il en appert, tout d'abord, que, si l'arbitre, dans son courrier électronique du 3 juin 2013, a offert sa démission, sous réserve de l'accord des parties, pour le cas où la sentence ne serait pas rendue à la date du 30 juin 2013, il ne l'a pas fait de sa propre initiative, mais en réponse à une suggestion formulée dans un courriel du même jour par le directeur de la recourante. Il a du reste qualifié cette suggestion de dure ( tough proposal ) et sa conduite ultérieure - demande d'octroi d'un délai de grâce et notification de la sentence aux conseils des parties en dépit de l'expiration de ce délai - démontre, si besoin est, qu'il n'entendait pas faire valoir un juste motif, tenant à sa personne ou à d'autres facteurs, qui l'aurait empêché de poursuivre sa mission et de la mener jusqu'à son terme. Force est de souligner, ensuite, que les conseils des parties ne sont pas restés sans réaction à réception de l'offre de démission conditionnelle de l'arbitre. De fait, dans la lettre qu'il a rédigée le 8 août 2013 sur papier à en-tête de son étude et qui a finalement été envoyée à l'arbitre le 27 du même mois, l'un des conseils de la recourante, constatant que le délai proposé par l'arbitre lui-même avait expiré sans qu'une sentence n'ait été rendue, a déclaré accepter l'offre de démission sous la même condition, mais avec un nouveau délai fixé au 30 août 2013. Quant au conseil de l'intimée, il a contresigné cette lettre pour accord. A la date du 27 août 2013 toujours, l'arbitre a répondu aux deux mandataires pour leur signifier qu'il se voyait contraint d'accepter leurs conditions, tout en réclamant une ultime prolongation de ce nouveau délai jusqu'au lundi 2 septembre 2013, ce qu'ils ont accepté par un fax du même jour portant leurs deux signatures en précisant que sa démission serait effective à cette dernière date à 17h00 au cas où ils n'auraient pas reçu la sentence d'ici là. Sur quoi, l'arbitre leur a indiqué, dans un courriel du 28 août 2013, qu'il acceptait les termes de ce dernier écrit. La volonté ainsi manifestée, au terme de l'instance arbitrale, par les protagonistes de la cause en litige n'est pas d'une clarté telle qu'elle BGE 140 III 75 S. 82 présenterait les caractéristiques de l'une seulement des trois causes d'extinction prématurée du contrat d'arbitre susmentionnées (en sus de la destitution), à l'exclusion des deux autres. Pour ce qui est de la démission, si l'arbitre a bien écrit "I shall resign" dans son courriel du 3 juin 2013, on vient de souligner qu'il ne l'a pas fait de son plein gré parce qu'il entendait en réalité poursuivre sa mission malgré le retard accumulé par lui dans la mise en oeuvre de celle-ci. Il paraît donc difficile d'admettre, en l'occurrence, l'existence d'une démission stricto sensu, autrement dit l'exercice par l'arbitre d'un droit formateur résolutoire (la répudiation du mandat sui generis) soumis à la condition potestative et suspensive de l'absence de notification de la sentence dans le délai imparti. Si l'hypothèse d'une démission conditionnelle devait être néanmoins retenue ici, encore faudrait-il préciser que cet acte formel a été accompli contre le gré de son auteur, sous la pression des événements. Une révocation conjointe et conditionnelle de l'arbitre par les parties pourrait également être retenue dès lors que les mandataires de celles-ci ont expressément accepté la proposition de démission conditionnelle que l'arbitre leur avait soumise. Cette figure juridique correspondrait sans doute mieux que celle de la démission à la volonté commune exprimée par ces mandataires de sanctionner, de guerre lasse, l'inaction ou, à tout le moins, l'extrême manque de diligence de l'arbitre par une révocation. Vrai est-il toutefois, bien que cela ne soit pas décisif, que ce dernier terme n'apparaît pas dans les écrits précités. Le comportement des parties pourrait enfin être regardé comme un accord passé en cours d'instance par celles-ci en vue de limiter la durée de la mission de l'arbitre. Cependant, pareille construction juridique n'expliquerait guère la participation active de l'intéressé aux discussions qui ont eu lieu quant à la poursuite et à la fin de sa mission. Quoi qu'il en soit, les circonstances de la cause révèlent clairement la volonté concordante des deux parties à la procédure d'arbitrage considérée de voir le contrat d'arbitre prendre fin ipso facto le 2 setembre 2013 à 17h00 au cas où l'une d'elles n'aurait pas reçu la sentence finale avant cette date couperet. Il en ressort tout aussi nettement que l'arbitre unique ne pouvait pas comprendre autrement, selon les règles de la bonne foi, la volonté manifestée de la sorte par ses deux mandantes. Il apparaît, en définitive, que la cause de l'extinction prématurée des pouvoirs de l'arbitre doit être recherchée davantage dans un accord tripartite conclu à cet effet par chacune des parties avec l'autre, d'une part, et par les deux parties conjointement BGE 140 III 75 S. 83 avec l'arbitre, d'autre part, que dans une simple démission de l'arbitre ou dans la révocation de celui-ci par une décision commune des deux mandantes. Il suit de là que les objections soulevées par l'intimée pour exclure que le contrat d'arbitre ait valablement pu prendre fin à la date et à l'heure fixées dans le fax du 27 août 2013 ne peuvent pas être retenues. Ainsi en va-t-il de l'argument fondé sur la jurisprudence voulant que l'arbitre ne puisse mettre fin à sa mission qu'en invoquant de justes motifs. Semblable argument ne tient pas compte de ce que l'extinction du contrat d'arbitre n'a pas été le fait d'une décision unilatérale de l'arbitre de mettre un terme à sa mission parce qu'il aurait estimé avoir des raisons de répudier son mandat, mais la conséquence d'un accord que les deux parties avaient passé avec l'intéressé à cette fin. N'est pas plus fondé le moyen pris de l'effet guérisseur ( sanatio ) qu'aurait produit l'acceptation par l'intimée de la sentence qui lui a été notifiée après la survenance du délai ultime imparti à l'arbitre pour procéder à la notification de cette décision. De fait, il serait contraire, à la fois au principe pacta sunt servanda et à la règle du parallélisme des formes, de permettre à une partie à un accord bilatéral ou multilatéral d'en écarter les conséquences de son chef par un acte unilatéral, telle la réception de la sentence. Pareil acte n'eût donc été concluant, en l'espèce, que si la recourante avait agi de même en acceptant, elle aussi, sans formuler la moindre réserve, la notification tardive de la sentence. Or, il n'en a rien été, comme cela ressort des faits relatés dans le présent arrêt. 3.3 Dès lors, force est de constater, en guise de conclusion intermédiaire, que la sentence litigieuse, datée du 3 septembre 2013, a été rendue après que la mission de l'arbitre unique avait pris fin, le 2 septembre 2013 à 17h00. 4. 4.1 Une sentence rendue postérieurement à l'expiration de la mission de l'arbitre unique ou du tribunal arbitral n'est pas nulle, mais annulable sur recours. L' art. 36 let. g du concordat sur l'arbitrage du 27 mars 1969 (CA; RO 1969 1117) érigeait ce vice de procédure en motif de recours, en prévoyant que la sentence pouvait être attaquée en nullité "lorsque le tribunal arbitral a[vait] statué après l'expirationdu délai qui a[vait] pu lui être imparti pour remplir sa mission". Ledroit actuel de l'arbitrage international et interne en Suisse ne contient pas de disposition spécifique comparable à la règle concordataire BGE 140 III 75 S. 84 abrogée. Dans sa grande majorité, la doctrine considère le vice de procédure en question comme un problème de compétence ratione temporis visé par l' art. 190 al. 2 let. b LDIP (arbitrage international) ou par l' art. 393 let. b CPC (arbitrage interne), car le tribunal arbitral ou l'arbitre unique, en statuant hors délai, s'arrogerait implicitement une compétence qu'il n'a plus (cf. parmi d'autres: BERGER/KELLERHALS, op. cit., n. 917; RÜEDE/HADENFELDT, Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, 2 e éd. 1993, p. 371 1 er §; LALIVE/POUDRET/REYMOND, op. cit., n° 4g ad art. 36 CA ; PIERRE JOLIDON, Commentaire du Concordat suisse sur l'arbitrage, 1984, n° 10b ad art. 36 CA ; SCHWEIZER, op. cit., n° 14 ad art. 370 CPC ; HABEGGER, op. cit., n° 11 ad art. 366 CPC ; STEFAN GRUNDMANN, in Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [éd.],2 e éd. 2013, n° 10 ad art. 366 CPC ; RICHARD GASSMANN, in Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Baker & McKenzie [éd.], 2010,n° 3 ad art. 366 CPC ; FELIX DASSER, in ZPO, Oberhammer [éd.], 2010, n° 6 ad art. 366 CPC ; PLANINIC/KUBAT ERK, in ZPO Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Gehri/Kramer [éd.], 2010, n° 8 ad art. 366 CPC ). Quelques auteurs réservent cependant la possibilité d'admettre que le tribunal arbitral ou l'arbitre unique qui statue après l'expiration du délai assigné à sa mission doit être assimilé à un tribunal arbitral irrégulièrement composé, respectivement à un arbitre unique irrégulièrement désigné au sens des art. 190 al. 2 let. a LDIP et 393 let. a CPC (SCHWEIZER, ibid. [à titre très éventuel];SCHWANDER/STACHER, in Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO],Brunner/Gasser/Schwander [éd.], 2011, n° 3 ad art. 366 CPC ).En théorie, les deux constructions juridiques pourraient s'appliquer au vice de procédure examiné. Aussi bien, l'arbitre unique (ou le tribunal arbitral) qui statue après que sa mission a expiré peut-il être regardé à la fois comme une personne usurpant les pouvoirs d'un arbitre (ou d'un tribunal arbitral) et comme un arbitre (ou un tribunal arbitral) ayant dépassé les limites temporelles de sa compétence juridictionnelle. Si l'on s'en tient toutefois à la délimitation jurisprudentielle du champ d'application de l' art. 190 al. 2 let. a LDIP, la préférence doit être donnée à la seconde construction juridique. En effet, comme le Tribunal fédéral l'a rappelé récemment (arrêt 4A_282/2013 du 13 novembre 2013 consid. 4), par régularité de la constitution du tribunal arbitral ou de la désignation de l'arbitre unique, au sens de cette disposition, il faut entendre la manière dont le ou les arbitres ont été nommés ou remplacés ( art. 179 LDIP ) et les questions relatives à leur indépendance ( art. 180 LDIP ). Or, vue sous l'angle BGE 140 III 75 S. 85 restrictif ainsi défini par la jurisprudence, la position de l'arbitre ou du tribunal arbitral qui statue hors délai n'est pas assimilable à celle d'un arbitre ou d'un tribunal qui n'aurait pas été régulièrement nommé ou remplacé; elle s'apparente davantage à celle d'un arbitre ou d'un tribunal arbitral dont la désignation ne souffre aucune discussion, mais qui a simplement omis de respecter la limite dans le temps qui avait été fixée à sa compétence juridictionnelle. Cela étant, il n'échappe pas à la Cour de céans que le critère distinctif permettant d'écarter une construction juridique au profit de l'autre demeure assez flou. La sécurité du droit commande néanmoins de trancher la question. On le fera en traitant le vice de procédure considéré comme un motif de recours au sens de l' art. 190 al. 2 let. b LDIP ou de l' art. 393 let. b CPC. Dans le cas concret, la recourante, quant à elle, s'est fondée exclusivement sur l' art. 190 al. 2 let. a LDIP pour fustiger le comportement de l'arbitre. A la rigueur du droit et, singulièrement, de la jurisprudence relative à l' art. 77 al. 3 LTF, elle pourrait se voir reprocher de n'avoir pas invoqué le moyen pertinent dans son mémoire de recours (cf. arrêt 4A_538/2012 du 17 janvier 2013 consid. 4.3.1). Toutefois, déclarer son recours irrecevable pour ce seul motif reviendrait à faire preuve d'un formalisme excessif, étant donné l'incertitude qui régnait jusqu'à ce jour sur la question de la disposition - l' art. 190 al. 2 let. a LDIP ou l' art. 190 al. 2 let. b LDIP - entrant en ligne de compte. On y renoncera donc. L'intimée n'a, du reste, soulevé aucune objection en ce qui concerne le choix du grief formulé par la recourante. Dès lors, la sentence finale attaquée doit, en principe, être annulée au motif, prévu à l' art. 190 al. 2 let. b LDIP, que l'arbitre unique s'est déclaré à tort compétent pour la rendre après que ses pouvoirs s'étaient éteints.
Urteilskopf
14. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause X. AG contre Z. (recours en matière civile)
4A_490/2013 du 28 janvier 2014
Regeste Internationale Schiedsgerichtsbarkeit; Fällung des Entscheids nach Ablauf des Amtes des Einzelschiedsrichters. Prüfung der Fälle, in denen der Schiedsrichtervertrag vor dem Urteilsspruch enden kann (E. 3.2.1). Anwendung auf die Umstände des konkreten Falles (E. 3.2.2 und 3.3). Ein Entscheid, der nach Erlöschen der Amtsbefugnisse des Einzelschiedsrichters ergeht, ist mit Beschwerde wegen Unzuständigkeit im Sinne von Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG anfechtbar (E. 4.1).
Regeste
Internationale Schiedsgerichtsbarkeit; Fällung des Entscheids nach Ablauf des Amtes des Einzelschiedsrichters. Prüfung der Fälle, in denen der Schiedsrichtervertrag vor dem Urteilsspruch enden kann (E. 3.2.1). Anwendung auf die Umstände des konkreten Falles (E. 3.2.2 und 3.3). Ein Entscheid, der nach Erlöschen der Amtsbefugnisse des Einzelschiedsrichters ergeht, ist mit Beschwerde wegen Unzuständigkeit im Sinne von Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG anfechtbar (E. 4.1).
Prüfung der Fälle, in denen der Schiedsrichtervertrag vor dem Urteilsspruch enden kann (E. 3.2.1). Anwendung auf die Umstände des konkreten Falles (E. 3.2.2 und 3.3).
Ein Entscheid, der nach Erlöschen der Amtsbefugnisse des Einzelschiedsrichters ergeht, ist mit Beschwerde wegen Unzuständigkeit im Sinne von Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG anfechtbar (E. 4.1).
Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG Sachverhalt ab Seite 75
Sachverhalt ab Seite 75 BGE 140 III 75 S. 75
BGE 140 III 75 S. 75
A. Par contrats de location signés les 14 juin 2002 et 8 mai 2003, X. AG (ci-après: la recourante), société anonyme de droit suisse, a remis à bail à Z. (ci-après: l'intimée), société anonyme de droit français, deux avions à hélices destinés au transport de passagers et de fret. Les deux contrats étaient régis par le droit suisse quant au fond. Une clause compromissoire identique, incluse dans chacun d'eux, BGE 140 III 75 S. 76 fixait le siège de l'arbitrage à Genève et confiait à un arbitre unique, nommé par le "Tribunal de Genève", le soin de trancher, dans les meilleurs délais, tout différend que les parties auraient été incapables de régler dans les dix jours.
A. BGE 140 III 75 S. 76
B. Un litige survenu entre les parties au sujet de l'exécution de leurs obligations respectives a donné lieu à la mise en oeuvre de la procédure arbitrale prévue par les deux contrats de location.
B. En avril 2010, un avocat genevois, désigné conjointement par les parties en qualité d'arbitre unique (ci-après: l'arbitre), a accepté d'arbitrer ce litige. Le Tribunal de première instance du canton de Genève a entériné cette désignation par jugement du 27 mai 2010.
La procédure proprement dite a débuté le 7 juin 2010, par le dépôt de la demande d'arbitrage, pour prendre fin le 4 mai 2011, à l'issue de l'audience de plaidoiries, lorsque l'arbitre a gardé la cause à juger.
Après leur constitution, en date du 13 janvier 2012, les conseils actuels de la recourante sont intervenus une première fois auprès de l'arbitre, à la mi-juin 2012, pour connaître l'état d'avancement de son travail de délibération. Il leur a été répondu que la sentence serait rendue, en principe, à la fin de ce mois-là. Les mandataires de la recourante ont relancé l'arbitre à une dizaine de reprises. N'ayant rien obtenu de concret, en dépit de diverses promesses précises de l'intéressé, ils se sont faits plus pressants au fil du temps.
L'arbitre a finalement rendu sa sentence le 3 septembre 2013. Le conseil de l'intimée en a reçu un exemplaire le même jour, l'étude des mandataires de la recourante le lendemain.
En annexe à une lettre du 6 septembre 2013, l'arbitre a adressé un dispositif rectificatif aux avocats des parties.
C. Le 4 octobre 2013, la recourante a saisi le Tribunal fédéral d'un recours en matière civile aux fins d'obtenir l'annulation de la sentence et de son complément. Elle a fait valoir, à titre principal, que l'arbitre unique avait été irrégulièrement désigné ( art. 190 al. 2 let. a LDIP [RS 291]).
C. art. 190 al. 2 let. a LDIP Par arrêt du 28 janvier 2014, le Tribunal fédéral a admis le recours et annulé la sentence du 3 septembre 2013 telle que rectifiée le 6 septembre 2013.
(résumé) BGE 140 III 75 S. 77
BGE 140 III 75 S. 77
Erwägungen
Erwägungen Extrait des considérants:
3.
3. 3.2
3.2 3.2.1 Le contrat d'arbitre - receptum arbitrii ou arbitri (cf. ATF 136 III 597 consid. 5 p. 600; sur la terminologie, voir THOMAS CLAY, L'arbitre, Paris 2001, p. 487-498) - désigne la relation contractuelle qui se noue entre l'arbitre et les parties. Il participe de la nature mixte de l'arbitrage, lequel revêt un caractère contractuel par sa source et juridictionnel par son objet (FOUCHARD/GAILLARD/GOLDMAN, Traité de l'arbitrage commercial international, Paris 1996, n. 1122). L'arbitre, tel le juge étatique, est investi du pouvoir de trancher un différend par une sentence équivalant à un jugement, mais il tient ce pouvoir de la volonté des parties (KAUFMANN-KOHLER/RIGOZZI, Arbitrage international, Droit et pratique à la lumière de la LDIP, 2 e éd. 2010, n. 24). Le contrat d'arbitre est souvent qualifié de mandat sui generis, mais les règles du mandat ( art. 394 ss CO ) sont largement exclues par le statut de l'arbitre, s'agissant notamment des conditions dans lesquelles ce contrat prend fin (PIERRE-YVES TSCHANz, in Commentaire romand, Loi sur le droit international privé, Convention de Lugano, 2011, n° 55 ad art. 179 LDIP ).
3.2.1 art. 394 ss CO art. 179 LDIP Le contrat d'arbitre s'éteint normalement en même temps que l'instance, c'est-à-dire, dans la grande majorité des cas, lorsque la sentence finale est rendue (pour autant qu'elle ne soit pas nulle ni annulée) voire, plus rarement, suite à un retrait d'instance, que ce soit par un désistement ou par une transaction. Il peut toutefois se terminer de manière anticipée, pendente lite, en particulier si l'arbitre décède, s'il est récusé, s'il est révoqué par les parties, s'il est destitué par le juge ou s'il démissionne (TSCHANZ, op. cit., n° 60 ad art. 179 LDIP ; POUDRET/BESSON, Comparative Law of International Arbitration, 2 e éd. 2007, n. 430). art. 179 LDIP Selon l' art. 179 al. 1 LDIP, les arbitres sont révoqués conformément à la convention des parties. La révocation ( Abberufung, revocation ) émane de celles-ci. Non soumise, en principe, à l'exigence d'une forme particulière, contrairement à ce qui prévaut en matière d'arbitrage interne (cf. l'art. 370 al. 1 du Code de procédure civile du 19 décembre 2008 [CPC; RS 272]qui requiert un accord écrit), elle peut intervenir en tout temps et sans motifs, mais doit émaner de toutes les parties à l'arbitrage. D'où l'expression de révocation BGE 140 III 75 S. 78 conjointe, souvent utilisée pour qualifier cette manifestation de volonté. La révocation est possible même à l'égard d'un arbitre désigné par un tiers ou par le juge d'appui. L'arbitre visé ne peut pas s'y opposer (BERGER/KELLERHALS, International and Domestic Arbitration in Switzerland, 2 e éd. 2010, n. 843-848; LALIVE/POUDRET/REYMOND, Le droit de l'arbitrage interne et international en Suisse, 1989, n° 9 ad art. 179 LDIP ). art. 179 al. 1 LDIP BGE 140 III 75 S. 78
art. 179 LDIP Le concept de révocation, auquel l' art. 179 al. 1 LDIP se réfère, inclut aussi celui de destitution ( Absetzung, removal ; BERGER/KELLERHALS, op. cit., n. 851; KAUFMANN-KOHLER/RIGOZZI, op. cit., n. 413b; LALIVE/POUDRET/REYMOND, op. cit., n° 10 ad art. 179 LDIP et les auteurs cités). La destitution désigne la fin de la mission d'un arbitre prononcée par un juge ou par une institution d'arbitrage à la requête d'une partie en cas de justes motifs tenant à la personne de l'arbitre (BERGER/KELLERHALS, op. cit., n. 849-856, spéc. n. 852; POUDRET/BESSON, op. cit., n. 431; LALIVE/POUDRET/REYMOND, ibid.) mais ne constituant pas des motifs de récusation (KAUFMANN-KOHLER/RIGOZZI, ibid.). Elle se justifie, en particulier, comme le rappelle l' art. 370 al. 2 CPC pour l'arbitrage interne, lorsqu'un arbitre n'est pas en mesure de remplir sa mission en temps utile ou ne s'en acquitte pas avec la diligence requise. A défaut d'une convention des parties établissant directement ou indirectement (par référence à un règlement d'arbitrage) des règles en la matière, c'est le juge du siège du tribunal arbitral (juge d'appui) qui sera saisi de la requête ad hoc et qui appliquera par analogie la disposition précitée, conformément à l' art. 179 al. 2 LDIP. Il sied de rappeler ici que les parties sont tombées d'accord pour appliquer la loi de procédure civile du 10 avril 1987 du canton de Genève (LPC/GE) jusqu'à la fin de la procédure arbitrale, nonobstant l'entrée en vigueur du CPC. Dès lors, en vertu de l' art. 461B al. 1 let. a LPC /GE, c'est le Tribunal de première instance du canton de Genève qui était compétent pour destituer l'arbitre unique. Il l'eût d'ailleurs aussi été sous l'empire du nouveau droit de procédure civile (voir l' art. 86 al. 2 let. d de la loi genevoise du 26 septembre 2010 sur l'organisation judiciaire [LOJ; RSG E 2 05] en liaison avec les art. 370 al. 2 et 356al. 2 let. a CPC). art. 179 al. 1 LDIP art. 179 LDIP art. 370 al. 2 CPC art. 179 al. 2 LDIP art. 461B al. 1 let. a LPC art. 86 al. 2 let La démission d'un arbitre en cours de procédure ne fait l'objet d'aucune disposition spécifique dans le droit suisse de l'arbitrage interne et international (BERGER/KELLERHALS, op. cit., n. 857). Le contrat d'arbitre n'étant pas un mandat pur et simple, il échappe à la règle, ancrée à BGE 140 III 75 S. 79 l' art. 404 al. 1 CO, selon laquelle le mandat peut être répudié en tout temps (LALIVE/POUDRET/REYMOND, op. cit., n° 8 ad art. 179 LDIP ). Aussi est-il communément admis que l'arbitre n'est en droit de démissionner que pour de justes motifs ( ATF 117 Ia 166 consid. 6c p. 169 et les auteurs cités; KAUFMANN-KOHLER/RIGOZZI, op. cit., n. 413c; pour des exemples de justes motifs, cf. BERGER/KELLERHALS, op. cit., n. 861). Si toutes les parties à la procédure acceptent la démission d'un arbitre, cette acceptation a le même effet qu'une révocation. Dans l'hypothèse inverse, à défaut de règles topiques résultant de la convention des parties ou du règlement d'arbitrage choisi par elles, c'est le juge d'appui qui statuera sur la validité de la démission litigieuse (BERGER/KELLERHALS, op. cit., n. 863). Pour le surplus, quant à sa nature juridique, la démission s'apparente à la répudiation du mandat. Comme celle-ci, elle consiste dans l'exercice d'un droit formateur résolutoire qui éteint le rapport de droit que les parties avaient noué avec l'arbitre unique en concluant le contrat d'arbitre (cf. PIERRE ENGEL, Traité des obligations en droit suisse, 2 e éd. 1997, p. 30). A l'instar de la répudiation du mandat, la démission sortit ses effets ex nunc, soit immédiatement, soit à l'expiration du délai si elle est donnée pour un terme déterminé (cf. JOSEF HOFSTETTER, Der Auftrag und die Geschäftsführung ohne Auftrag, SPR vol. VII, 2 e éd. 2000, p. 58). Assortir la répudiation du mandat ou la démission d'une condition est d'ordinaire peu compatible avec le principe de la sécurité du droit. Cependant, une répudiation ou une démission conditionnelle ne saurait être exclue d'emblée, de même qu'une révocation conditionnelle du mandat d'ailleurs, pour peu qu'il n'en résulte pas une situation incertaine dans la personne du destinataire de la manifestation de volonté. Est ainsi généralement tenue pour admissible la révocation ou la répudiation du mandat assortie d'une condition potestative dont la réalisation dépend de la seule volonté du mandataire ou du mandant, telle la révocation d'ores et déjà signifiée au mandataire pour le cas où il n'exécuterait pas ses obligations contractuelles dans un certain délai (HOFSTETTER, ibid.; WALTER FELLMANN, Commentaire bernois, 1992, n° 38 ad art. 404 CO ; ROLF H. WEBER, in Commentaire bâlois, Obligationenrecht, vol. I, 5 e éd. 2011, n° 6 ad art. 404 CO ).
BGE 140 III 75 S. 79
art. 404 al. 1 CO art. 179 LDIP art. 404 CO art. 404 CO Il est une dernière hypothèse dans laquelle le contrat d'arbitre peut prendre fin avant le prononcé de la sentence. Les parties ont, en effet, le droit de limiter, dans la convention d'arbitrage ou dans un accord ultérieur, la durée de la mission du tribunal arbitral. Cette BGE 140 III 75 S. 80 faculté, que leur réserve l' art. 366 al. 1 CPC s'agissant d'un arbitrage interne, doit aussi leur être reconnue en matière d'arbitrage international (POUDRET/BESSON, op. cit., n. 452 dernier §; BERGER/KELLERHALS, op. cit., n. 916; PHILIPP HABEGGER, in Commentaire bâlois, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2 e éd. 2013, n° 1a ad art. 366 CPC ). Sans doute, dans l'un et l'autre domaine, est-il prévu - expressément ( art. 366 al. 2 CPC ) ou indirectement par la mise en oeuvre des art. 179 al. 1 et 185 LDIP - que ce délai puisse être prolongé par convention entre les parties, voire, à la demande de l'une d'elles (ou encore du tribunal arbitral dans un arbitrage interne en tout cas, cf. art. 366 al. 2 let. b CPC ), par une décision du juge d'appui (BERGER/KELLERHALS, ibid.; HABEGGER, ibid.). Toujours est-il que, si une telle prolongation n'est pas requise ou qu'elle ne soit pas accordée, la sentence finale n'interviendra, le cas échéant, qu'au-delà de la date butoir fixée à l'arbitre pour l'exécution de sa mission (sur les risques que comporte la limitation de cette mission dans le temps, cf. PHILIPPE SCHWEIZER, in CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, n os 1-6 ad art. 366 CPC ).
BGE 140 III 75 S. 80
art. 366 al. 1 CPC art. 366 CPC art. 366 al. 2 CPC art. 179 al. 1 et 185 LDIP art. 366 al. 2 let. b CPC art. 366 CPC 3.2.2 Il y a lieu de rechercher maintenant si les manifestations de volonté émanant des parties et de l'arbitre, telles qu'elles ressortent des faits retenus plus haut, présentent les traits distinctifs de l'un ou l'autre des cas de figure qui viennent d'être envisagés sur le plan théorique. Cela suppose d'en établir le sens en conformité avec les règles générales régissant l'interprétation de telles manifestations, que ces dernières revêtent un caractère unilatéral ou bilatéral (cf. arrêt 4A_219/2013 du 4 septembre 2013 consid. 3.2 et les précédents cités). Ainsi, en vertu du principe de la confiance, l'accent sera mis sur la manière dont le destinataire de la manifestation de volonté considérée pouvait comprendre celle-ci de bonne foi en fonction de l'ensemble des circonstances. L'auteur de cette manifestation de volonté devra s'en laisser imputer le sens objectif quand bien même il ne correspondrait pas à sa volonté intime ( ATF 135 III 410 consid. 3.2).
3.2.2 L'hypothèse d'une destitution de l'arbitre peut être écartée d'emblée en l'espèce. Il est, en effet, constant que le Tribunal de première instance n'a pas été saisi d'une requête ad hoc par l'une ou l'autre des parties. Il aurait pu l'être, à vrai dire, et les conseils de la recourante avaient d'ailleurs menacé par deux fois l'arbitre d'en appeler au juge d'appui. Ils ont toutefois opté pour une autre solution par la suite, BGE 140 III 75 S. 81 d'entente avec l'intimée, ce qu'il leur était loisible de faire du moment que la loi établit la primauté de la convention des parties en la matière (cf. art. 179 al. 1 et 2 LDIP ).
BGE 140 III 75 S. 81
art. 179 al. 1 et 2 LDIP Bien plus délicat est, en revanche, le point de savoir auquel des autres cas de figure envisagés plus haut les manifestations de volonté litigieuses doivent être rattachées. Pour trancher cette question, il y a lieu d'interpréter, en les replaçant dans leur contexte, les écrits échangés de part et d'autre pendant la période allant du 3 juin au 4 septembre 2013.
Il en appert, tout d'abord, que, si l'arbitre, dans son courrier électronique du 3 juin 2013, a offert sa démission, sous réserve de l'accord des parties, pour le cas où la sentence ne serait pas rendue à la date du 30 juin 2013, il ne l'a pas fait de sa propre initiative, mais en réponse à une suggestion formulée dans un courriel du même jour par le directeur de la recourante. Il a du reste qualifié cette suggestion de dure ( tough proposal ) et sa conduite ultérieure - demande d'octroi d'un délai de grâce et notification de la sentence aux conseils des parties en dépit de l'expiration de ce délai - démontre, si besoin est, qu'il n'entendait pas faire valoir un juste motif, tenant à sa personne ou à d'autres facteurs, qui l'aurait empêché de poursuivre sa mission et de la mener jusqu'à son terme. Force est de souligner, ensuite, que les conseils des parties ne sont pas restés sans réaction à réception de l'offre de démission conditionnelle de l'arbitre. De fait, dans la lettre qu'il a rédigée le 8 août 2013 sur papier à en-tête de son étude et qui a finalement été envoyée à l'arbitre le 27 du même mois, l'un des conseils de la recourante, constatant que le délai proposé par l'arbitre lui-même avait expiré sans qu'une sentence n'ait été rendue, a déclaré accepter l'offre de démission sous la même condition, mais avec un nouveau délai fixé au 30 août 2013. Quant au conseil de l'intimée, il a contresigné cette lettre pour accord. A la date du 27 août 2013 toujours, l'arbitre a répondu aux deux mandataires pour leur signifier qu'il se voyait contraint d'accepter leurs conditions, tout en réclamant une ultime prolongation de ce nouveau délai jusqu'au lundi 2 septembre 2013, ce qu'ils ont accepté par un fax du même jour portant leurs deux signatures en précisant que sa démission serait effective à cette dernière date à 17h00 au cas où ils n'auraient pas reçu la sentence d'ici là. Sur quoi, l'arbitre leur a indiqué, dans un courriel du 28 août 2013, qu'il acceptait les termes de ce dernier écrit.
La volonté ainsi manifestée, au terme de l'instance arbitrale, par les protagonistes de la cause en litige n'est pas d'une clarté telle qu'elle BGE 140 III 75 S. 82 présenterait les caractéristiques de l'une seulement des trois causes d'extinction prématurée du contrat d'arbitre susmentionnées (en sus de la destitution), à l'exclusion des deux autres. Pour ce qui est de la démission, si l'arbitre a bien écrit "I shall resign" dans son courriel du 3 juin 2013, on vient de souligner qu'il ne l'a pas fait de son plein gré parce qu'il entendait en réalité poursuivre sa mission malgré le retard accumulé par lui dans la mise en oeuvre de celle-ci. Il paraît donc difficile d'admettre, en l'occurrence, l'existence d'une démission stricto sensu, autrement dit l'exercice par l'arbitre d'un droit formateur résolutoire (la répudiation du mandat sui generis) soumis à la condition potestative et suspensive de l'absence de notification de la sentence dans le délai imparti. Si l'hypothèse d'une démission conditionnelle devait être néanmoins retenue ici, encore faudrait-il préciser que cet acte formel a été accompli contre le gré de son auteur, sous la pression des événements. Une révocation conjointe et conditionnelle de l'arbitre par les parties pourrait également être retenue dès lors que les mandataires de celles-ci ont expressément accepté la proposition de démission conditionnelle que l'arbitre leur avait soumise. Cette figure juridique correspondrait sans doute mieux que celle de la démission à la volonté commune exprimée par ces mandataires de sanctionner, de guerre lasse, l'inaction ou, à tout le moins, l'extrême manque de diligence de l'arbitre par une révocation. Vrai est-il toutefois, bien que cela ne soit pas décisif, que ce dernier terme n'apparaît pas dans les écrits précités. Le comportement des parties pourrait enfin être regardé comme un accord passé en cours d'instance par celles-ci en vue de limiter la durée de la mission de l'arbitre. Cependant, pareille construction juridique n'expliquerait guère la participation active de l'intéressé aux discussions qui ont eu lieu quant à la poursuite et à la fin de sa mission.
BGE 140 III 75 S. 82
Quoi qu'il en soit, les circonstances de la cause révèlent clairement la volonté concordante des deux parties à la procédure d'arbitrage considérée de voir le contrat d'arbitre prendre fin ipso facto le 2 setembre 2013 à 17h00 au cas où l'une d'elles n'aurait pas reçu la sentence finale avant cette date couperet. Il en ressort tout aussi nettement que l'arbitre unique ne pouvait pas comprendre autrement, selon les règles de la bonne foi, la volonté manifestée de la sorte par ses deux mandantes. Il apparaît, en définitive, que la cause de l'extinction prématurée des pouvoirs de l'arbitre doit être recherchée davantage dans un accord tripartite conclu à cet effet par chacune des parties avec l'autre, d'une part, et par les deux parties conjointement BGE 140 III 75 S. 83 avec l'arbitre, d'autre part, que dans une simple démission de l'arbitre ou dans la révocation de celui-ci par une décision commune des deux mandantes.
BGE 140 III 75 S. 83
Il suit de là que les objections soulevées par l'intimée pour exclure que le contrat d'arbitre ait valablement pu prendre fin à la date et à l'heure fixées dans le fax du 27 août 2013 ne peuvent pas être retenues. Ainsi en va-t-il de l'argument fondé sur la jurisprudence voulant que l'arbitre ne puisse mettre fin à sa mission qu'en invoquant de justes motifs. Semblable argument ne tient pas compte de ce que l'extinction du contrat d'arbitre n'a pas été le fait d'une décision unilatérale de l'arbitre de mettre un terme à sa mission parce qu'il aurait estimé avoir des raisons de répudier son mandat, mais la conséquence d'un accord que les deux parties avaient passé avec l'intéressé à cette fin. N'est pas plus fondé le moyen pris de l'effet guérisseur ( sanatio ) qu'aurait produit l'acceptation par l'intimée de la sentence qui lui a été notifiée après la survenance du délai ultime imparti à l'arbitre pour procéder à la notification de cette décision. De fait, il serait contraire, à la fois au principe pacta sunt servanda et à la règle du parallélisme des formes, de permettre à une partie à un accord bilatéral ou multilatéral d'en écarter les conséquences de son chef par un acte unilatéral, telle la réception de la sentence. Pareil acte n'eût donc été concluant, en l'espèce, que si la recourante avait agi de même en acceptant, elle aussi, sans formuler la moindre réserve, la notification tardive de la sentence. Or, il n'en a rien été, comme cela ressort des faits relatés dans le présent arrêt.
3.3 Dès lors, force est de constater, en guise de conclusion intermédiaire, que la sentence litigieuse, datée du 3 septembre 2013, a été rendue après que la mission de l'arbitre unique avait pris fin, le 2 septembre 2013 à 17h00.
3.3 4.
4. 4.1 Une sentence rendue postérieurement à l'expiration de la mission de l'arbitre unique ou du tribunal arbitral n'est pas nulle, mais annulable sur recours. L' art. 36 let. g du concordat sur l'arbitrage du 27 mars 1969 (CA; RO 1969 1117) érigeait ce vice de procédure en motif de recours, en prévoyant que la sentence pouvait être attaquée en nullité "lorsque le tribunal arbitral a[vait] statué après l'expirationdu délai qui a[vait] pu lui être imparti pour remplir sa mission". Ledroit actuel de l'arbitrage international et interne en Suisse ne contient pas de disposition spécifique comparable à la règle concordataire BGE 140 III 75 S. 84 abrogée. Dans sa grande majorité, la doctrine considère le vice de procédure en question comme un problème de compétence ratione temporis visé par l' art. 190 al. 2 let. b LDIP (arbitrage international) ou par l' art. 393 let. b CPC (arbitrage interne), car le tribunal arbitral ou l'arbitre unique, en statuant hors délai, s'arrogerait implicitement une compétence qu'il n'a plus (cf. parmi d'autres: BERGER/KELLERHALS, op. cit., n. 917; RÜEDE/HADENFELDT, Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, 2 e éd. 1993, p. 371 1 er §; LALIVE/POUDRET/REYMOND, op. cit., n° 4g ad art. 36 CA ; PIERRE JOLIDON, Commentaire du Concordat suisse sur l'arbitrage, 1984, n° 10b ad art. 36 CA ; SCHWEIZER, op. cit., n° 14 ad art. 370 CPC ; HABEGGER, op. cit., n° 11 ad art. 366 CPC ; STEFAN GRUNDMANN, in Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [éd.],2 e éd. 2013, n° 10 ad art. 366 CPC ; RICHARD GASSMANN, in Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Baker & McKenzie [éd.], 2010,n° 3 ad art. 366 CPC ; FELIX DASSER, in ZPO, Oberhammer [éd.], 2010, n° 6 ad art. 366 CPC ; PLANINIC/KUBAT ERK, in ZPO Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Gehri/Kramer [éd.], 2010, n° 8 ad art. 366 CPC ). Quelques auteurs réservent cependant la possibilité d'admettre que le tribunal arbitral ou l'arbitre unique qui statue après l'expiration du délai assigné à sa mission doit être assimilé à un tribunal arbitral irrégulièrement composé, respectivement à un arbitre unique irrégulièrement désigné au sens des art. 190 al. 2 let. a LDIP et 393 let. a CPC (SCHWEIZER, ibid. [à titre très éventuel];SCHWANDER/STACHER, in Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO],Brunner/Gasser/Schwander [éd.], 2011, n° 3 ad art. 366 CPC ).En théorie, les deux constructions juridiques pourraient s'appliquer au vice de procédure examiné. Aussi bien, l'arbitre unique (ou le tribunal arbitral) qui statue après que sa mission a expiré peut-il être regardé à la fois comme une personne usurpant les pouvoirs d'un arbitre (ou d'un tribunal arbitral) et comme un arbitre (ou un tribunal arbitral) ayant dépassé les limites temporelles de sa compétence juridictionnelle. Si l'on s'en tient toutefois à la délimitation jurisprudentielle du champ d'application de l' art. 190 al. 2 let. a LDIP, la préférence doit être donnée à la seconde construction juridique. En effet, comme le Tribunal fédéral l'a rappelé récemment (arrêt 4A_282/2013 du 13 novembre 2013 consid. 4), par régularité de la constitution du tribunal arbitral ou de la désignation de l'arbitre unique, au sens de cette disposition, il faut entendre la manière dont le ou les arbitres ont été nommés ou remplacés ( art. 179 LDIP ) et les questions relatives à leur indépendance ( art. 180 LDIP ). Or, vue sous l'angle BGE 140 III 75 S. 85 restrictif ainsi défini par la jurisprudence, la position de l'arbitre ou du tribunal arbitral qui statue hors délai n'est pas assimilable à celle d'un arbitre ou d'un tribunal qui n'aurait pas été régulièrement nommé ou remplacé; elle s'apparente davantage à celle d'un arbitre ou d'un tribunal arbitral dont la désignation ne souffre aucune discussion, mais qui a simplement omis de respecter la limite dans le temps qui avait été fixée à sa compétence juridictionnelle. Cela étant, il n'échappe pas à la Cour de céans que le critère distinctif permettant d'écarter une construction juridique au profit de l'autre demeure assez flou. La sécurité du droit commande néanmoins de trancher la question. On le fera en traitant le vice de procédure considéré comme un motif de recours au sens de l' art. 190 al. 2 let. b LDIP ou de l' art. 393 let. b CPC.
4.1 art. 36 let BGE 140 III 75 S. 84
art. 190 al. 2 let. b LDIP art. 393 let. b CPC art. 36 CA art. 36 CA art. 370 CPC art. 366 CPC art. 366 CPC art. 366 CPC art. 366 CPC art. 366 CPC art. 190 al. 2 let. a LDIP art. 366 CPC art. 190 al. 2 let. a LDIP art. 179 LDIP art. 180 LDIP BGE 140 III 75 S. 85
art. 190 al. 2 let. b LDIP art. 393 let. b CPC Dans le cas concret, la recourante, quant à elle, s'est fondée exclusivement sur l' art. 190 al. 2 let. a LDIP pour fustiger le comportement de l'arbitre. A la rigueur du droit et, singulièrement, de la jurisprudence relative à l' art. 77 al. 3 LTF, elle pourrait se voir reprocher de n'avoir pas invoqué le moyen pertinent dans son mémoire de recours (cf. arrêt 4A_538/2012 du 17 janvier 2013 consid. 4.3.1). Toutefois, déclarer son recours irrecevable pour ce seul motif reviendrait à faire preuve d'un formalisme excessif, étant donné l'incertitude qui régnait jusqu'à ce jour sur la question de la disposition - l' art. 190 al. 2 let. a LDIP ou l' art. 190 al. 2 let. b LDIP - entrant en ligne de compte. On y renoncera donc. L'intimée n'a, du reste, soulevé aucune objection en ce qui concerne le choix du grief formulé par la recourante. art. 190 al. 2 let. a LDIP art. 77 al. 3 LTF art. 190 al. 2 let. a LDIP art. 190 al. 2 let. b LDIP Dès lors, la sentence finale attaquée doit, en principe, être annulée au motif, prévu à l' art. 190 al. 2 let. b LDIP, que l'arbitre unique s'est déclaré à tort compétent pour la rendre après que ses pouvoirs s'étaient éteints. art. 190 al. 2 let. b LDIP
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Urteilskopf 140 III 86 15. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A.X. et B.X. contre C. (recours en matière civile) 5A_420/2013 du 23 janvier 2014 Regeste Art. 42 Abs. 2 BGG, Art. 18 Abs. 1 und Art. 32 Abs. 1 OR ; Pflicht zur Begründung der Rechtsverletzungen; Willenserklärung durch einen Vertreter. Anforderungen an die Begründung, welche die Verfahrensparteien zu erfüllen haben (E. 2). Auslegung des Willens des Vertreters, der dem Vertretenen zugerechnet wird (E. 4). Sachverhalt ab Seite 87 BGE 140 III 86 S. 87 A.a L'immeuble sis à D. est constitué en propriété par étages depuis le 18 juillet 1968. La régie F. SA en assume l'administration depuis 1975. A.b C. a hérité de sa mère, décédée le 22 juillet 1998, un appartement sis au rez-de-chaussée de l'immeuble ainsi que les lots n os 8.01 (50 m 2 ), 8.02 (9 m 2 ) et 8.03 (14 m 2 ). Elle a été inscrite au registre foncier en qualité de propriétaire de ces biens le 6 juin 2000. A.c Par contrat du 16 avril 1999, les époux X. ont pris à bail, au 1 er étage de l'immeuble, un appartement de 8,5 pièces appartenant à G.Y., fille de C., et à son époux, H.Y. La régie F. SA a fait office d'intermédiaire dans la conclusion de ce contrat. Une loge de service située dans les combles de cet immeuble figurait parmi les dépendances comprises dans le bail. A.d Le 17 janvier 2002, les époux Y. ont vendu aux époux X. l'appartement que ceux-ci occupaient en vertu du bail précité. Les 25 et 29 janvier 2002, C., représentée par K., administrateur de la régie F. SA, a vendu la chambre de service aux époux X. A.e En 2007, C. a décidé de transformer le lot n° 8.01. Lors d'une visite, elle a constaté que le lot correspondant situé à l'opposé disposait d'un espace supplémentaire au sien. C. a informé la régie F. SA de cette situation; il s'est avéré que la paroi séparant le lot n° 8.03 et le lot n° 8.02 avait été abattue et que ceux-ci avaient ainsi été réunis pour former la chambre de bonne louée aux époux X. Selon toute vraisemblance, cette transformation, qui n'a pas été mentionnée au registre foncier, a été entreprise par la mère de C., alors propriétaire des deux lots précités, à une date indéterminée, mais antérieure à la conclusion du bail par les époux X. A.f Après avoir découvert que le lot n° 8.02 avait été joint au lot n° 8.03, C. s'est employée, en vain, à en obtenir la restitution par les époux X. B. Le 22 avril 2010, invoquant la volonté des parties au contrat de vente et, subsidiairement, son erreur essentielle, C. a déposé devant le Tribunal de première instance du canton de Genève une action en revendication. Par jugement du 15 octobre 2012, le Tribunal de première instance a constaté que C. était propriétaire du lot n° 8.02 (ch. 1), condamné BGE 140 III 86 S. 88 les époux X. à évacuer de leur personne, de leurs biens et de ceux de tous tiers éventuels le lot n° 8.02 (ch. 2) et donné acte à la demanderesse de son engagement à prendre en charge le coût des travaux nécessaires pour séparer les lots n os 8.02 et 8.03, l'y condamnant en tant que besoin (ch. 3). Les époux X. ont appelé de ce jugement, concluant au rejet de l'action. Par mémoire de réponse et d'appel joint, C. a conclu à son rejet et, subsidiairement, à la constatation de la nullité du contrat de vente ou de l'invalidation de celui-ci pour cause d'erreur essentielle et, partant, à la constatation de sa propriété sur les lots n os 8.02 et 8.03 et à la modification du registre foncier, contre remboursement du prix payé, les époux X. étant condamnés à évacuer ces lots. Statuant le 26 avril 2013, la Cour de justice a déclaré recevable l'appel des époux X., irrecevable l'appel joint de C., rejeté l'appel et confirmé le jugement de première instance. C. Agissant par la voie du recours en matière civile le 3 juin 2013, les époux X. ont conclu à l'annulation de l'arrêt de la Cour de justice et, principalement, au rejet des conclusions en revendication de l'intimée, subsidiairement, au renvoi de la cause à l'autorité cantonale. Appelées à se déterminer, la cour cantonale s'est référée aux considérants de son arrêt tandis que l'intimée a conclu à ce que les recourants soient déboutés de leurs conclusions, en invoquant en substance que la cour cantonale avait parfaitement établi les faits sur sa volonté réelle et qu'aucune violation de l' art. 18 CO n'était réalisée. Par arrêt 2014, le Tribunal fédéral a admis le recours interjeté par les époux X., après avoir délibéré en séance publique. (résumé) Erwägungen Extrait des considérants: 2. Le Tribunal fédéral applique le droit d'office ( art. 106 al. 1 LTF ). Toutefois, compte tenu de l'obligation de motiver qui incombe au recourant en vertu de l' art. 42 al. 2 LTF ( Begründungspflicht, obbligo di motivare ), qui correspond à celle de l' art. 55 al. 1 let. c OJ (RS 3 521; Message du 28 février 2001 concernant la révision totale de l'organisation judiciaire fédérale, FF 2001 4000 ss, 4093 ad art. 39; ci-après: Message), il n'examine pas, comme le ferait un juge de première instance, toutes les questions juridiques qui pourraient se poser, mais uniquement celles qui sont soulevées devant lui (ATF 133 BGE 140 III 86 S. 89 III 545 consid. 2.2; ATF 133 IV 150 consid. 1.2 p. 152; ATF 133 V 515 consid. 1.3 p. 519; ATF 134 II 244 consid. 2.1 p. 245 s.; ATF 134 III 102 consid. 1.1 p. 104 s.; ATF 137 III 241 consid. 5, ATF 137 III 580 consid. 1.3 p. 584, ainsi que de nombreux arrêts non publiés parmi lesquels les arrêts 4A_59/2007 du 17 juillet 2007 consid. 1.2; 5A_55/2007 du 14 août 2007 consid. 2.2; 5A_249/2007 du 12 mars 2008 consid. 4.2; 4A_399/2008 du 12 novembre 2008 consid. 2.1; cf., sous l'ancienne OJ, ATF 131 III 26 consid. 12.3 p. 32; ATF 116 II 745 consid. 3 p. 748/749; ATF 106 II 175 consid. 1 et 2a et les arrêts cités). Il n'est en effet saisi que des questions qui sont soulevées devant lui et ne traite donc pas les questions qui ne sont plus discutées par les parties. Le principe de l'application du droit d'office est en effet limité dans la procédure devant le Tribunal fédéral (FABIENNE HOHL, Procédure civile, vol. II, 2010, n. 2894 p. 513; LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2010, n. 4.53 p. 123 et 124). Pour satisfaire à son obligation de motiver, le recourant doit discuter les motifs de la décision entreprise et indiquer précisément en quoi il estime que l'autorité précédente a méconnu le droit; il n'est pas indispensable qu'il indique expressément les dispositions légales - le numéro des articles de loi - ou qu'il désigne expressément les principes non écrits de droit qui auraient été violés; il suffit qu'à la lecture de son exposé, on comprenne clairement quelles règles de droit auraient été, selon lui, transgressées par l'autorité cantonale (arrêt 5A_129/2007 du 28 juin 2008 consid. 1.4; ATF 133 IV 286 consid. 1.4; cf. à propos de l' art. 55 al. 1 let. c OJ, les ATF 121 III 397 consid. 2a p. 400; ATF 116 II 745 consid. 3 p. 748 et les arrêts cités). Les mêmes exigences de motivation pèsent sur l'intimé, qui doit reprendre les motifs qu'il avait invoqués précédemment et qui ont été écartés, pour le cas où les motifs retenus par l'autorité précédente ne devraient pas être suivis par le Tribunal fédéral ( ATF 131 III 334 consid. 4.3 p. 339; pour l'ancienne OJ, cf. ATF 118 III 37 consid. 2a in fine p. 39). Dès lors qu'une question est discutée, le Tribunal fédéral n'est lié ni par les motifs invoqués par les parties, ni par l'argumentation juridique retenue par l'autorité cantonale; il peut donc admettre le recours pour d'autres motifs que ceux invoqués par le recourant, comme il peut le rejeter en opérant une substitution de motifs ( ATF 135 III 397 consid. 1.4; ATF 134 III 102 consid. 1.1 p. 104; ATF 133 III 545 consid. 2.2; pour l'ancienne OJ, cf. ATF 130 III 297 consid. 3.1 p. 298/299; ATF 127 III 248 consid. 2c p. 252/253). BGE 140 III 86 S. 90 De surcroît, s'il invoque qu'une violation d'une disposition de droit matériel est le résultat d'un état de fait incomplet, l'autorité précédente n'ayant pas établi tous les faits pertinents pour l'application de celle-ci, ayant considéré à tort qu'un fait n'était pas pertinent, l'ayant laissé ouvert ou l'ayant omis ( ATF 133 IV 293 consid. 3.4.1; ATF 134 V 53 consid. 4.3; arrêts 5A_249/2007 du 12 mars 2008 consid. 4.3; 5A_338/2010 du 4 octobre 2010 consid. 3.2), le recourant doit démontrer, conformément au principe d'allégation ( art. 106 al. 2 LTF ), qu'il a allégué les faits pertinents passés sous silence conformément aux règles de la procédure civile et qu'un complétement de l'état de fait par l'autorité précédente eût été encore objectivement possible, en désignant précisément les allégués et les offres de preuve qu'il avait présentés, avec référence aux pièces du dossier; si ces exigences ne sont pas respectées, les faits invoqués sont réputés nouveaux ( art. 99 al. 1 LTF ) et, partant, irrecevables (arrêts 5A_249/2007 du 12 mars 2008 consid. 4.3; 4A_214/2008 du 9 juillet 2008 consid. 1.2, non publié in ATF 134 III 570 ; 4A_290/2007 du 10 décembre 2007 consid. 5.1; 5A_338/2010 du 4 octobre 2010 consid. 3.2, in SJ 2011 I p. 185; 5A_600/2010 du 5 janvier 2011 consid. 4.3.3, in SJ 2011 I p. 245; 5A_191/2012 du 12 octobre 2012 consid. 2.2; pour l'ancienne OJ, cf. ATF 115 II 484 consid. 2a et la jurisprudence citée). La faculté de compléter les constatations de fait que l' art. 105 al. 2 LTF confère au Tribunal fédéral ne dispense en effet pas le recourant de son obligation d'allégation ( ATF 133 IV 286 consid. 6.2). Dans sa réponse au présent recours, l'intimée a renoncé à se prévaloir, ne serait-ce qu'à titre éventuel, de l'invalidation du contrat de vente pour cause d'erreur essentielle, argumentation qu'elle avait pourtant développée devant les instances cantonales. Cette question juridique ne peut par conséquent être examinée par le Tribunal de céans. (...) 4. 4.1 Saisi d'un litige sur l'interprétation d'un contrat, le juge doit tout d'abord s'attacher à rechercher la réelle et commune intention des parties, le cas échéant empiriquement, sur la base d'indices, sans s'arrêter aux expressions et dénominations inexactes dont elles ont pu se servir ( art. 18 al. 1 CO ; ATF 135 III 410 consid. 3.2). Pour ce faire, le juge prendra en compte non seulement la teneur des déclarations de volonté, mais aussi les circonstances antérieures, concomitantes et postérieures à la conclusion du contrat (sur ce dernier point, cf. par BGE 140 III 86 S. 91 ex. ATF 129 III 675 consid. 2.3; arrêt 4A_98/2012 du 3 juillet 2012 consid. 3.2). Déterminer ce qu'un cocontractant savait ou voulait au moment de conclure relève des constatations de fait; la recherche de la volonté réelle des parties est qualifiée d'interprétation subjective ( ATF 131 III 606 consid. 4.1). Lorsqu'une partie au contrat manifeste sa volonté par l'intermédiaire d'un représentant ( art. 32 al. 1 CO ; GAUCH/SCHLUEP ET AL., Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, vol. I, 9 e éd. 2008, n. 299), c'est la volonté exprimée par le représentant qui est déterminante pour la conclusion du contrat ( art. 1 CO ; GAUCH/SCHLUEP ET AL., op. cit., n. 1311 et 1445; PIERRE ENGEL, Traité des obligations en droit suisse, 2 e éd. 1997, p. 394 s.). Dès lors, l'interprétation de celui-ci quant à son contenu ( art. 18 al. 1 CO ) se détermine en fonction de ce que voulait le représentant (CHRISTINE CHAPPUIS, in Commentaire romand, Code des obligations, vol. I, 2 e éd. 2012, n° 21 ad art. 32 CO ). Les déclarations du représentant sont imputées au représenté conformément à l' art. 32 al. 1 CO (arrêt 4C.332/2005 du 27 janvier 2006 consid. 3.3; ATF 73 II 6 consid. 5; GAUCH/SCHLUEP ET AL., op. cit., n. 1314 s.), le représentant engageant également le représenté par ce qu'il savait ou devait savoir (CHAPPUIS, op. cit., n° 21 ad art. 32 CO ; WATTER, in Basler Kommentar, Obligationenrecht, vol. I, 5 e éd. 2011, n° 24 ad art. 32 CO ; GAUCH/SCHLUEP ET AL., op. cit., n. 1444 ss; à propos des vices de la volonté à apprécier en la personne du représentant, cf. arrêt 4A_303/2007 du 29 novembre 2007 consid. 3.4.3). 4.2 L'intimée n'était pas présente lors de la conclusion du contrat de vente. Comme l'indique la procuration annexée au dit contrat, l'intéressée a constitué comme mandataire K., administrateur de la régie du même nom, lui donnant tous pouvoirs afin qu'il signe, pour elle et en son nom, l'acte litigieux. Le prénommé est ainsi manifestement intervenu au contrat comme le représentant direct de l'intimée ( art. 32 al. 1 CO ). La Cour de justice a, par conséquent, violé le droit fédéral en se basant sur la volonté réelle de l'intimée, alors que c'est celle de son représentant qui est déterminante pour la conclusion du contrat et qui doit lui être imputée.
Urteilskopf
15. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A.X. et B.X. contre C. (recours en matière civile)
5A_420/2013 du 23 janvier 2014
Regeste Art. 42 Abs. 2 BGG, Art. 18 Abs. 1 und Art. 32 Abs. 1 OR ; Pflicht zur Begründung der Rechtsverletzungen; Willenserklärung durch einen Vertreter. Anforderungen an die Begründung, welche die Verfahrensparteien zu erfüllen haben (E. 2). Auslegung des Willens des Vertreters, der dem Vertretenen zugerechnet wird (E. 4).
Regeste
Art. 42 Abs. 2 BGG, Art. 18 Abs. 1 und Art. 32 Abs. 1 OR ; Pflicht zur Begründung der Rechtsverletzungen; Willenserklärung durch einen Vertreter. Anforderungen an die Begründung, welche die Verfahrensparteien zu erfüllen haben (E. 2). Auslegung des Willens des Vertreters, der dem Vertretenen zugerechnet wird (E. 4).
Art. 42 Abs. 2 BGG Art. 18 Abs. 1 und Art. 32 Abs. 1 OR Anforderungen an die Begründung, welche die Verfahrensparteien zu erfüllen haben (E. 2). Auslegung des Willens des Vertreters, der dem Vertretenen zugerechnet wird (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 87
Sachverhalt ab Seite 87 BGE 140 III 86 S. 87
BGE 140 III 86 S. 87
A.a L'immeuble sis à D. est constitué en propriété par étages depuis le 18 juillet 1968. La régie F. SA en assume l'administration depuis 1975.
A.a A.b C. a hérité de sa mère, décédée le 22 juillet 1998, un appartement sis au rez-de-chaussée de l'immeuble ainsi que les lots n os 8.01 (50 m 2 ), 8.02 (9 m 2 ) et 8.03 (14 m 2 ).
A.b Elle a été inscrite au registre foncier en qualité de propriétaire de ces biens le 6 juin 2000.
A.c Par contrat du 16 avril 1999, les époux X. ont pris à bail, au 1 er étage de l'immeuble, un appartement de 8,5 pièces appartenant à G.Y., fille de C., et à son époux, H.Y. La régie F. SA a fait office d'intermédiaire dans la conclusion de ce contrat.
A.c Une loge de service située dans les combles de cet immeuble figurait parmi les dépendances comprises dans le bail.
A.d Le 17 janvier 2002, les époux Y. ont vendu aux époux X. l'appartement que ceux-ci occupaient en vertu du bail précité.
A.d Les 25 et 29 janvier 2002, C., représentée par K., administrateur de la régie F. SA, a vendu la chambre de service aux époux X.
A.e En 2007, C. a décidé de transformer le lot n° 8.01. Lors d'une visite, elle a constaté que le lot correspondant situé à l'opposé disposait d'un espace supplémentaire au sien. C. a informé la régie F. SA de cette situation; il s'est avéré que la paroi séparant le lot n° 8.03 et le lot n° 8.02 avait été abattue et que ceux-ci avaient ainsi été réunis pour former la chambre de bonne louée aux époux X.
A.e Selon toute vraisemblance, cette transformation, qui n'a pas été mentionnée au registre foncier, a été entreprise par la mère de C., alors propriétaire des deux lots précités, à une date indéterminée, mais antérieure à la conclusion du bail par les époux X.
A.f Après avoir découvert que le lot n° 8.02 avait été joint au lot n° 8.03, C. s'est employée, en vain, à en obtenir la restitution par les époux X.
A.f B. Le 22 avril 2010, invoquant la volonté des parties au contrat de vente et, subsidiairement, son erreur essentielle, C. a déposé devant le Tribunal de première instance du canton de Genève une action en revendication.
B. Par jugement du 15 octobre 2012, le Tribunal de première instance a constaté que C. était propriétaire du lot n° 8.02 (ch. 1), condamné BGE 140 III 86 S. 88 les époux X. à évacuer de leur personne, de leurs biens et de ceux de tous tiers éventuels le lot n° 8.02 (ch. 2) et donné acte à la demanderesse de son engagement à prendre en charge le coût des travaux nécessaires pour séparer les lots n os 8.02 et 8.03, l'y condamnant en tant que besoin (ch. 3).
BGE 140 III 86 S. 88
Les époux X. ont appelé de ce jugement, concluant au rejet de l'action. Par mémoire de réponse et d'appel joint, C. a conclu à son rejet et, subsidiairement, à la constatation de la nullité du contrat de vente ou de l'invalidation de celui-ci pour cause d'erreur essentielle et, partant, à la constatation de sa propriété sur les lots n os 8.02 et 8.03 et à la modification du registre foncier, contre remboursement du prix payé, les époux X. étant condamnés à évacuer ces lots.
Statuant le 26 avril 2013, la Cour de justice a déclaré recevable l'appel des époux X., irrecevable l'appel joint de C., rejeté l'appel et confirmé le jugement de première instance.
C. Agissant par la voie du recours en matière civile le 3 juin 2013, les époux X. ont conclu à l'annulation de l'arrêt de la Cour de justice et, principalement, au rejet des conclusions en revendication de l'intimée, subsidiairement, au renvoi de la cause à l'autorité cantonale.
C. Appelées à se déterminer, la cour cantonale s'est référée aux considérants de son arrêt tandis que l'intimée a conclu à ce que les recourants soient déboutés de leurs conclusions, en invoquant en substance que la cour cantonale avait parfaitement établi les faits sur sa volonté réelle et qu'aucune violation de l' art. 18 CO n'était réalisée. art. 18 CO Par arrêt 2014, le Tribunal fédéral a admis le recours interjeté par les époux X., après avoir délibéré en séance publique.
(résumé)
Erwägungen
Erwägungen Extrait des considérants:
2. Le Tribunal fédéral applique le droit d'office ( art. 106 al. 1 LTF ). Toutefois, compte tenu de l'obligation de motiver qui incombe au recourant en vertu de l' art. 42 al. 2 LTF ( Begründungspflicht, obbligo di motivare ), qui correspond à celle de l' art. 55 al. 1 let. c OJ (RS 3 521; Message du 28 février 2001 concernant la révision totale de l'organisation judiciaire fédérale, FF 2001 4000 ss, 4093 ad art. 39; ci-après: Message), il n'examine pas, comme le ferait un juge de première instance, toutes les questions juridiques qui pourraient se poser, mais uniquement celles qui sont soulevées devant lui (ATF 133 BGE 140 III 86 S. 89 III 545 consid. 2.2; ATF 133 IV 150 consid. 1.2 p. 152; ATF 133 V 515 consid. 1.3 p. 519; ATF 134 II 244 consid. 2.1 p. 245 s.; ATF 134 III 102 consid. 1.1 p. 104 s.; ATF 137 III 241 consid. 5, ATF 137 III 580 consid. 1.3 p. 584, ainsi que de nombreux arrêts non publiés parmi lesquels les arrêts 4A_59/2007 du 17 juillet 2007 consid. 1.2; 5A_55/2007 du 14 août 2007 consid. 2.2; 5A_249/2007 du 12 mars 2008 consid. 4.2; 4A_399/2008 du 12 novembre 2008 consid. 2.1; cf., sous l'ancienne OJ, ATF 131 III 26 consid. 12.3 p. 32; ATF 116 II 745 consid. 3 p. 748/749; ATF 106 II 175 consid. 1 et 2a et les arrêts cités). Il n'est en effet saisi que des questions qui sont soulevées devant lui et ne traite donc pas les questions qui ne sont plus discutées par les parties. Le principe de l'application du droit d'office est en effet limité dans la procédure devant le Tribunal fédéral (FABIENNE HOHL, Procédure civile, vol. II, 2010, n. 2894 p. 513; LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2010, n. 4.53 p. 123 et 124).
2. art. 106 al. 1 LTF art. 42 al. 2 LTF art. 55 al. 1 let BGE 140 III 86 S. 89
Pour satisfaire à son obligation de motiver, le recourant doit discuter les motifs de la décision entreprise et indiquer précisément en quoi il estime que l'autorité précédente a méconnu le droit; il n'est pas indispensable qu'il indique expressément les dispositions légales - le numéro des articles de loi - ou qu'il désigne expressément les principes non écrits de droit qui auraient été violés; il suffit qu'à la lecture de son exposé, on comprenne clairement quelles règles de droit auraient été, selon lui, transgressées par l'autorité cantonale (arrêt 5A_129/2007 du 28 juin 2008 consid. 1.4; ATF 133 IV 286 consid. 1.4; cf. à propos de l' art. 55 al. 1 let. c OJ, les ATF 121 III 397 consid. 2a p. 400; ATF 116 II 745 consid. 3 p. 748 et les arrêts cités). Les mêmes exigences de motivation pèsent sur l'intimé, qui doit reprendre les motifs qu'il avait invoqués précédemment et qui ont été écartés, pour le cas où les motifs retenus par l'autorité précédente ne devraient pas être suivis par le Tribunal fédéral ( ATF 131 III 334 consid. 4.3 p. 339; pour l'ancienne OJ, cf. ATF 118 III 37 consid. 2a in fine p. 39). Dès lors qu'une question est discutée, le Tribunal fédéral n'est lié ni par les motifs invoqués par les parties, ni par l'argumentation juridique retenue par l'autorité cantonale; il peut donc admettre le recours pour d'autres motifs que ceux invoqués par le recourant, comme il peut le rejeter en opérant une substitution de motifs ( ATF 135 III 397 consid. 1.4; ATF 134 III 102 consid. 1.1 p. 104; ATF 133 III 545 consid. 2.2; pour l'ancienne OJ, cf. ATF 130 III 297 consid. 3.1 p. 298/299; ATF 127 III 248 consid. 2c p. 252/253). BGE 140 III 86 S. 90
art. 55 al. 1 let BGE 140 III 86 S. 90
De surcroît, s'il invoque qu'une violation d'une disposition de droit matériel est le résultat d'un état de fait incomplet, l'autorité précédente n'ayant pas établi tous les faits pertinents pour l'application de celle-ci, ayant considéré à tort qu'un fait n'était pas pertinent, l'ayant laissé ouvert ou l'ayant omis ( ATF 133 IV 293 consid. 3.4.1; ATF 134 V 53 consid. 4.3; arrêts 5A_249/2007 du 12 mars 2008 consid. 4.3; 5A_338/2010 du 4 octobre 2010 consid. 3.2), le recourant doit démontrer, conformément au principe d'allégation ( art. 106 al. 2 LTF ), qu'il a allégué les faits pertinents passés sous silence conformément aux règles de la procédure civile et qu'un complétement de l'état de fait par l'autorité précédente eût été encore objectivement possible, en désignant précisément les allégués et les offres de preuve qu'il avait présentés, avec référence aux pièces du dossier; si ces exigences ne sont pas respectées, les faits invoqués sont réputés nouveaux ( art. 99 al. 1 LTF ) et, partant, irrecevables (arrêts 5A_249/2007 du 12 mars 2008 consid. 4.3; 4A_214/2008 du 9 juillet 2008 consid. 1.2, non publié in ATF 134 III 570 ; 4A_290/2007 du 10 décembre 2007 consid. 5.1; 5A_338/2010 du 4 octobre 2010 consid. 3.2, in SJ 2011 I p. 185; 5A_600/2010 du 5 janvier 2011 consid. 4.3.3, in SJ 2011 I p. 245; 5A_191/2012 du 12 octobre 2012 consid. 2.2; pour l'ancienne OJ, cf. ATF 115 II 484 consid. 2a et la jurisprudence citée). La faculté de compléter les constatations de fait que l' art. 105 al. 2 LTF confère au Tribunal fédéral ne dispense en effet pas le recourant de son obligation d'allégation ( ATF 133 IV 286 consid. 6.2). art. 106 al. 2 LTF art. 99 al. 1 LTF art. 105 al. 2 LTF Dans sa réponse au présent recours, l'intimée a renoncé à se prévaloir, ne serait-ce qu'à titre éventuel, de l'invalidation du contrat de vente pour cause d'erreur essentielle, argumentation qu'elle avait pourtant développée devant les instances cantonales. Cette question juridique ne peut par conséquent être examinée par le Tribunal de céans.
(...)
4.
4. 4.1 Saisi d'un litige sur l'interprétation d'un contrat, le juge doit tout d'abord s'attacher à rechercher la réelle et commune intention des parties, le cas échéant empiriquement, sur la base d'indices, sans s'arrêter aux expressions et dénominations inexactes dont elles ont pu se servir ( art. 18 al. 1 CO ; ATF 135 III 410 consid. 3.2). Pour ce faire, le juge prendra en compte non seulement la teneur des déclarations de volonté, mais aussi les circonstances antérieures, concomitantes et postérieures à la conclusion du contrat (sur ce dernier point, cf. par BGE 140 III 86 S. 91 ex. ATF 129 III 675 consid. 2.3; arrêt 4A_98/2012 du 3 juillet 2012 consid. 3.2). Déterminer ce qu'un cocontractant savait ou voulait au moment de conclure relève des constatations de fait; la recherche de la volonté réelle des parties est qualifiée d'interprétation subjective ( ATF 131 III 606 consid. 4.1).
4.1 art. 18 al. 1 CO BGE 140 III 86 S. 91
Lorsqu'une partie au contrat manifeste sa volonté par l'intermédiaire d'un représentant ( art. 32 al. 1 CO ; GAUCH/SCHLUEP ET AL., Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, vol. I, 9 e éd. 2008, n. 299), c'est la volonté exprimée par le représentant qui est déterminante pour la conclusion du contrat ( art. 1 CO ; GAUCH/SCHLUEP ET AL., op. cit., n. 1311 et 1445; PIERRE ENGEL, Traité des obligations en droit suisse, 2 e éd. 1997, p. 394 s.). Dès lors, l'interprétation de celui-ci quant à son contenu ( art. 18 al. 1 CO ) se détermine en fonction de ce que voulait le représentant (CHRISTINE CHAPPUIS, in Commentaire romand, Code des obligations, vol. I, 2 e éd. 2012, n° 21 ad art. 32 CO ). Les déclarations du représentant sont imputées au représenté conformément à l' art. 32 al. 1 CO (arrêt 4C.332/2005 du 27 janvier 2006 consid. 3.3; ATF 73 II 6 consid. 5; GAUCH/SCHLUEP ET AL., op. cit., n. 1314 s.), le représentant engageant également le représenté par ce qu'il savait ou devait savoir (CHAPPUIS, op. cit., n° 21 ad art. 32 CO ; WATTER, in Basler Kommentar, Obligationenrecht, vol. I, 5 e éd. 2011, n° 24 ad art. 32 CO ; GAUCH/SCHLUEP ET AL., op. cit., n. 1444 ss; à propos des vices de la volonté à apprécier en la personne du représentant, cf. arrêt 4A_303/2007 du 29 novembre 2007 consid. 3.4.3). art. 32 al. 1 CO art. 1 CO art. 18 al. 1 CO art. 32 CO art. 32 al. 1 CO ATF 73 II 6 art. 32 CO art. 32 CO 4.2 L'intimée n'était pas présente lors de la conclusion du contrat de vente. Comme l'indique la procuration annexée au dit contrat, l'intéressée a constitué comme mandataire K., administrateur de la régie du même nom, lui donnant tous pouvoirs afin qu'il signe, pour elle et en son nom, l'acte litigieux. Le prénommé est ainsi manifestement intervenu au contrat comme le représentant direct de l'intimée ( art. 32 al. 1 CO ). La Cour de justice a, par conséquent, violé le droit fédéral en se basant sur la volonté réelle de l'intimée, alors que c'est celle de son représentant qui est déterminante pour la conclusion du contrat et qui doit lui être imputée.
4.2 art. 32 al. 1 CO
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Urteilskopf
16. Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. und A. gegen Kinder- und Jugenddienst KJD des Kantons Basel-Stadt (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_815/2013 vom 9. Januar 2014
Regeste Zulässigkeit der Beschwerde in Zivilsachen nach Aufhebung der Kindesschutzmassnahme ( Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG ). Begehren um Feststellung der Widerrechtlichkeit der Massnahme bzw. von Verfahrensfehlern. Voraussetzungen, unter denen das Bundesgericht auf eine Beschwerde eintritt, wenn das aktuelle praktische Interesse bei Einreichung der Beschwerde bereits weggefallen ist. Zur Bedeutung der Verantwortlichkeitsklage nach Art. 454 ZGB (E. 1-3).
Regeste
Zulässigkeit der Beschwerde in Zivilsachen nach Aufhebung der Kindesschutzmassnahme ( Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG ). Begehren um Feststellung der Widerrechtlichkeit der Massnahme bzw. von Verfahrensfehlern. Voraussetzungen, unter denen das Bundesgericht auf eine Beschwerde eintritt, wenn das aktuelle praktische Interesse bei Einreichung der Beschwerde bereits weggefallen ist. Zur Bedeutung der Verantwortlichkeitsklage nach Art. 454 ZGB (E. 1-3).
Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG Voraussetzungen, unter denen das Bundesgericht auf eine Beschwerde eintritt, wenn das aktuelle praktische Interesse bei Einreichung der Beschwerde bereits weggefallen ist. Zur Bedeutung der Verantwortlichkeitsklage nach Art. 454 ZGB (E. 1-3).
Art. 454 ZGB Sachverhalt ab Seite 92
Sachverhalt ab Seite 92 BGE 140 III 92 S. 92
BGE 140 III 92 S. 92
A. X. und Y., beide wohnhaft an der C.strasse, D., sind die Eltern der Kinder B. (geb. 1993) und A. (geb. 2001). Nach einer handgreiflichen Auseinandersetzung zwischen X. und Y. suchte die nicht mehr bei ihren Eltern wohnhafte Tochter B. am 19. Dezember 2011 die Abteilung für Kindes- und Jugendschutz (AKJS), D., auf und berichtete, dass sie sich angesichts des virulenten Familienkonflikts Sorgen um den bei den Eltern lebenden zehnjährigen Bruder A. mache. In Absprache mit der AKJS nahm sie ihren Bruder zu sich nach Hause. Der zuständige Beamte stellte weitere vormundschaftliche Abklärungen in Aussicht. Der Vater holte den Sohn einige Tage später ab. Die vormundschaftlichen Abklärungen erstreckten sich bis zum 30. Januar 2013. BGE 140 III 92 S. 93
A. BGE 140 III 92 S. 93
B.
B. B.a Am 1. Mai 2012 gelangten X. und Y. mit einem als "aufsichtsrechtliche Anzeige" bezeichneten Schreiben an die AKJS und ersuchten darum, weitere Abklärungen in Bezug auf eine allfällige Gefährdung des Kindeswohls zu unterlassen und den entsprechenden Beschluss in Form einer anfechtbaren Verfügung zu kommunizieren. Im Weiteren sei festzustellen, dass der Entzug der elterlichen Sorge und Obhut widerrechtlich erfolgt sei. Am 20. Juni 2012 wurde den Anträgen nicht entsprochen. Mit Entscheid vom 20. Dezember 2012 wies das Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt (WSU) als vormundschaftliche Aufsichtsbehörde die von X., Y. und A. gegen die Verfügung der AKJS (später: Kinder- und Jugenddienst, KJD) erhobene Beschwerde ab.
B.a B.b Dagegen gelangten X., Y. und A. mit Eingaben vom 27. Dezember 2012 und 21. Januar 2013 an das Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Stadt mit den Begehren, den Entscheid des WSU aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei der Unterbringung von A. bei seiner Schwester, am 19. Dezember 2011, sowie bei den Abklärungen danach um Kindesschutzmassnahmen handelte, die in rechtswidriger Weise erfolgt seien. Des Weiteren beantragten sie die Feststellung verschiedener Verfahrensfehler im Zusammenhang mit dem Erlass dieser Massnahmen. Mit Urteil vom 19. September 2013 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab.
B.b C. (Zusammenfassung)
Erwägungen
Erwägungen Erwägungen:
1.
1. 1.1 Nach Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG ist zur Beschwerde in Zivilsachen nur berechtigt, wer ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheides hat. Die Beschwerdebefugnis setzt ein aktuelles und praktisches Interesse an der Gutheissung der Beschwerde voraus, das auch im Zeitpunkt des BGE 140 III 92 S. 94 bundesgerichtlichen Urteils noch vorhanden sein muss (vgl. BGE 131 I 153 E. 1.2 S. 157). Ausnahmsweise verzichtet das Bundesgericht auf das Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses, wenn die gerügte Rechtsverletzung sich jederzeit wiederholen könnte und eine rechtzeitige gerichtliche Überprüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre (sog. virtuelles Interesse; BGE 136 III 497 E. 1.1 S. 499 mit Hinweisen).
1.1 Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG BGE 140 III 92 S. 94
1.2 Im vorliegenden Fall befindet sich der Beschwerdeführer nicht mehr bei seiner Schwester. Aus den kantonalen Akten ergibt sich überdies, dass die Abklärungen des Kinder- und Jugenddienstes KJD per Ende Januar 2013 abgeschlossen worden sind, sodass ein aktuelles praktisches Interesse der Beschwerdeführer an der Beschwerde spätestens seit Ende Januar 2013 nicht mehr gegeben ist. Abgesehen davon legen die Beschwerdeführer auch nicht dar, inwiefern in ihrem Fall ein virtuelles Interesse im beschriebenen Sinn zu bejahen wäre. Sie machen hingegen geltend, die strittigen Kindesschutzmassnahmen hätten massiv in ihre Persönlichkeitssphäre eingegriffen, sodass es im Lichte von Art. 13 EMRK (Recht auf eine wirksame Beschwerde) möglich sein müsse, richterlichen Rechtsschutz zu erhalten. Die Feststellung der Widerrechtlichkeit stelle ausserdem eine besondere Form der Genugtuung dar, welche durch eine andere "Klageform" nicht hätte geltend gemacht werden können. Zudem garantiere Art. 6 EMRK den Zugang zu Verfahren.
1.2 Art. 13 EMRK Art. 6 EMRK 2.
2. 2.1 Art. 429a ZGB in der Fassung gemäss Bundesgesetz vom 6. Oktober 1978 (AS 1980 31; BBl 1977 III 1; nachfolgend aArt. 429a ZGB) regelte die (kausale) Haftpflicht für die widerrechtliche fürsorgerische Freiheitsentziehung. Danach hatte derjenige, der durch eine widerrechtliche Freiheitsentziehung verletzt worden war, Anspruch auf Schadenersatz und, wo die Schwere der Verletzung es rechtfertigt, auf Genugtuung. In diesem Verantwortlichkeitsprozess war die Feststellung der Widerrechtlichkeit als "eine andere Art der Genugtuung" möglich und zulässig ( BGE 118 II 254 Nr. 52). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte stellte die Klage nach aArt. 429a ZGB eine wirksame Beschwerde im Sinn von Art. 13 EMRK zur Überprüfung der Einhaltung von Art. 5 Ziff. 4 EMRK dar. Überdies genügte sie den Anforderungen von Art. 5 Ziff. 5 EMRK betreffend Anspruch auf Schadenersatz (Nichtzulassungsentscheid A.B. gegen Schweiz vom 6. April 2000, Zusammenfassung in: VPB 64/2000 Nr. 134 S. 1323). BGE 140 III 92 S. 95 Das Bundesgericht trat daher auf Begehren um Feststellung der Widerrechtlichkeit der fürsorgerischen Freiheitsentziehung, insbesondere auf Feststellung der Verletzung der Garantien der EMRK nicht ein, sobald die betroffene Person aus der fürsorgerischen Freiheitsentziehung entlassen worden war (siehe zur alten Praxis BGE 136 III 497 E. 1.1 S. 499 und E. 2.4 S. 501).
2.1 Art. 429a ZGB Art. 13 EMRK Art. 5 Ziff. 4 EMRK Art. 5 Ziff. 5 EMRK BGE 140 III 92 S. 95
2.2 Mit der Einführung des neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrechts am 1. Januar 2013 ist aArt 429a ZGB durch den geltenden Art. 454 ZGB ersetzt worden, welcher der im Rahmen behördlicher Massnahmen des Erwachsenenschutzes durch widerrechtliches Handeln oder Unterlassen verletzten Person einen Anspruch auf Schadenersatz und, sofern es die Schwere der Verletzung rechtfertigt, auf Genugtuung einräumt ( Art. 454 Abs. 1 ZGB ). Mit Blick auf den praktisch gleichlautenden Wortlaut der nunmehr geltenden Bestimmung übernahm das Bundesgericht die unter aArt. 429a ZGB entwickelte Rechtsprechung. Es tritt somit auch unter dem neuen Recht auf Begehren um Feststellung der Widerrechtlichkeit bzw. der Verletzung der durch die EMRK garantierten Rechte nicht ein und verweist die Betroffenen auf die Klage nach Art. 454 ZGB, sobald sie aus der Einrichtung entlassen worden sind (Urteil 5A_290/2013 vom 3. Juni 2013 E. 1.2).
2.2 Art. 454 ZGB Art. 454 Abs. 1 ZGB Art. 454 ZGB 2.3 Im Gegensatz zu aArt. 429a ZGB ist der geltende Art. 454 ZGB nicht nur auf den Bereich der fürsorgerischen Unterbringung beschränkt: Er regelt die direkte kausale Staatshaftung in einem umfassenden Sinn, indem er nunmehr Anordnung, Durchführung oder Unterlassung irgendeiner Erwachsenenschutzmassnahme durch einen Mandatsträger oder die zuständige Behörde erfasst. Da die Erwachsenenschutzbehörde in Personalunion auch Kindesschutzbehörde ist ( Art. 440 Abs. 3 ZGB ), sind die Bestimmungen über die Verantwortlichkeit auch auf Massnahmen im Kindesschutz anwendbar (Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht], BBl 2006 7092 Ziff. 2.3.5; MEIER/LUKIC, Introduction au nouveau droit de la protection de l'adulte, 2011, S. 70 Rz. 155; HEINZ HAUSHEER, in: Basler Kommentar, Erwachsenenschutz, 2012, N. 4 zu Art. 454 ZGB ; THOMAS GEISER, Erwachsenenschutz, 2013, N. 4 und 9 zu Art. 454 ZGB ; PATRICK FASSBIND, Erwachsenenschutz, 2012, S. 159; HERMANN SCHMID, Erwachsenenschutz, 2010, S. 258 N. 2 zu Art. 454 ZGB ). Im Lichte dieses erweiterten Geltungsbereichs rechtfertigt es sich, die Anwendung der bisher unter dem BGE 140 III 92 S. 96 Gesichtswinkel der fürsorgerischen Unterbringung entwickelten Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall zu übertragen: Da die angeblichen Kindesschutzmassnahmen längst dahingefallen sind und das Verfahren vor dem Kinder- und Jugenddienst KJD per Ende Januar 2013 eingestellt worden ist, sind die Beschwerdeführer mit Bezug auf ihre Begehren um Feststellung der Widerrechtlichkeit der Anordnung der "Kindesschutzmassnahmen" bzw. der Widerrechtlichkeit des Verfahrens auf die Klage nach Art. 454 ZGB zu verweisen.
2.3 Art. 454 ZGB Art. 440 Abs. 3 ZGB Art. 454 ZGB Art. 454 ZGB Art. 454 ZGB BGE 140 III 92 S. 96
Art. 454 ZGB 3. Da das aktuelle praktische Interesse bereits bei Einreichung der vorliegenden Beschwerde nicht mehr gegeben war, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten ( BGE 136 III 497 E. 2.1 S. 500). Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die Beschwerdeführer kostenpflichtig ( Art. 66 Abs. 1 BGG ), wobei sie für den Gesamtbetrag der Kosten solidarisch haften ( Art. 66 Abs. 5 BGG ).
3. Art. 66 Abs. 1 BGG Art. 66 Abs. 5 BGG
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Urteilskopf
16. Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. und A. gegen Kinder- und Jugenddienst KJD des Kantons Basel-Stadt (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_815/2013 vom 9. Januar 2014
Regeste Zulässigkeit der Beschwerde in Zivilsachen nach Aufhebung der Kindesschutzmassnahme ( Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG ). Begehren um Feststellung der Widerrechtlichkeit der Massnahme bzw. von Verfahrensfehlern. Voraussetzungen, unter denen das Bundesgericht auf eine Beschwerde eintritt, wenn das aktuelle praktische Interesse bei Einreichung der Beschwerde bereits weggefallen ist. Zur Bedeutung der Verantwortlichkeitsklage nach Art. 454 ZGB (E. 1-3).
Regeste
Zulässigkeit der Beschwerde in Zivilsachen nach Aufhebung der Kindesschutzmassnahme ( Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG ). Begehren um Feststellung der Widerrechtlichkeit der Massnahme bzw. von Verfahrensfehlern. Voraussetzungen, unter denen das Bundesgericht auf eine Beschwerde eintritt, wenn das aktuelle praktische Interesse bei Einreichung der Beschwerde bereits weggefallen ist. Zur Bedeutung der Verantwortlichkeitsklage nach Art. 454 ZGB (E. 1-3).
Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG Voraussetzungen, unter denen das Bundesgericht auf eine Beschwerde eintritt, wenn das aktuelle praktische Interesse bei Einreichung der Beschwerde bereits weggefallen ist. Zur Bedeutung der Verantwortlichkeitsklage nach Art. 454 ZGB (E. 1-3).
Art. 454 ZGB Sachverhalt ab Seite 92
Sachverhalt ab Seite 92 BGE 140 III 92 S. 92
BGE 140 III 92 S. 92
A. X. und Y., beide wohnhaft an der C.strasse, D., sind die Eltern der Kinder B. (geb. 1993) und A. (geb. 2001). Nach einer handgreiflichen Auseinandersetzung zwischen X. und Y. suchte die nicht mehr bei ihren Eltern wohnhafte Tochter B. am 19. Dezember 2011 die Abteilung für Kindes- und Jugendschutz (AKJS), D., auf und berichtete, dass sie sich angesichts des virulenten Familienkonflikts Sorgen um den bei den Eltern lebenden zehnjährigen Bruder A. mache. In Absprache mit der AKJS nahm sie ihren Bruder zu sich nach Hause. Der zuständige Beamte stellte weitere vormundschaftliche Abklärungen in Aussicht. Der Vater holte den Sohn einige Tage später ab. Die vormundschaftlichen Abklärungen erstreckten sich bis zum 30. Januar 2013. BGE 140 III 92 S. 93
A. BGE 140 III 92 S. 93
B.
B. B.a Am 1. Mai 2012 gelangten X. und Y. mit einem als "aufsichtsrechtliche Anzeige" bezeichneten Schreiben an die AKJS und ersuchten darum, weitere Abklärungen in Bezug auf eine allfällige Gefährdung des Kindeswohls zu unterlassen und den entsprechenden Beschluss in Form einer anfechtbaren Verfügung zu kommunizieren. Im Weiteren sei festzustellen, dass der Entzug der elterlichen Sorge und Obhut widerrechtlich erfolgt sei. Am 20. Juni 2012 wurde den Anträgen nicht entsprochen. Mit Entscheid vom 20. Dezember 2012 wies das Departement für Wirtschaft, Soziales und Umwelt (WSU) als vormundschaftliche Aufsichtsbehörde die von X., Y. und A. gegen die Verfügung der AKJS (später: Kinder- und Jugenddienst, KJD) erhobene Beschwerde ab.
B.a B.b Dagegen gelangten X., Y. und A. mit Eingaben vom 27. Dezember 2012 und 21. Januar 2013 an das Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Stadt mit den Begehren, den Entscheid des WSU aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei der Unterbringung von A. bei seiner Schwester, am 19. Dezember 2011, sowie bei den Abklärungen danach um Kindesschutzmassnahmen handelte, die in rechtswidriger Weise erfolgt seien. Des Weiteren beantragten sie die Feststellung verschiedener Verfahrensfehler im Zusammenhang mit dem Erlass dieser Massnahmen. Mit Urteil vom 19. September 2013 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab.
B.b C. (Zusammenfassung)
Erwägungen
Erwägungen Erwägungen:
1.
1. 1.1 Nach Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG ist zur Beschwerde in Zivilsachen nur berechtigt, wer ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheides hat. Die Beschwerdebefugnis setzt ein aktuelles und praktisches Interesse an der Gutheissung der Beschwerde voraus, das auch im Zeitpunkt des BGE 140 III 92 S. 94 bundesgerichtlichen Urteils noch vorhanden sein muss (vgl. BGE 131 I 153 E. 1.2 S. 157). Ausnahmsweise verzichtet das Bundesgericht auf das Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses, wenn die gerügte Rechtsverletzung sich jederzeit wiederholen könnte und eine rechtzeitige gerichtliche Überprüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre (sog. virtuelles Interesse; BGE 136 III 497 E. 1.1 S. 499 mit Hinweisen).
1.1 Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG BGE 140 III 92 S. 94
1.2 Im vorliegenden Fall befindet sich der Beschwerdeführer nicht mehr bei seiner Schwester. Aus den kantonalen Akten ergibt sich überdies, dass die Abklärungen des Kinder- und Jugenddienstes KJD per Ende Januar 2013 abgeschlossen worden sind, sodass ein aktuelles praktisches Interesse der Beschwerdeführer an der Beschwerde spätestens seit Ende Januar 2013 nicht mehr gegeben ist. Abgesehen davon legen die Beschwerdeführer auch nicht dar, inwiefern in ihrem Fall ein virtuelles Interesse im beschriebenen Sinn zu bejahen wäre. Sie machen hingegen geltend, die strittigen Kindesschutzmassnahmen hätten massiv in ihre Persönlichkeitssphäre eingegriffen, sodass es im Lichte von Art. 13 EMRK (Recht auf eine wirksame Beschwerde) möglich sein müsse, richterlichen Rechtsschutz zu erhalten. Die Feststellung der Widerrechtlichkeit stelle ausserdem eine besondere Form der Genugtuung dar, welche durch eine andere "Klageform" nicht hätte geltend gemacht werden können. Zudem garantiere Art. 6 EMRK den Zugang zu Verfahren.
1.2 Art. 13 EMRK Art. 6 EMRK 2.
2. 2.1 Art. 429a ZGB in der Fassung gemäss Bundesgesetz vom 6. Oktober 1978 (AS 1980 31; BBl 1977 III 1; nachfolgend aArt. 429a ZGB) regelte die (kausale) Haftpflicht für die widerrechtliche fürsorgerische Freiheitsentziehung. Danach hatte derjenige, der durch eine widerrechtliche Freiheitsentziehung verletzt worden war, Anspruch auf Schadenersatz und, wo die Schwere der Verletzung es rechtfertigt, auf Genugtuung. In diesem Verantwortlichkeitsprozess war die Feststellung der Widerrechtlichkeit als "eine andere Art der Genugtuung" möglich und zulässig ( BGE 118 II 254 Nr. 52). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte stellte die Klage nach aArt. 429a ZGB eine wirksame Beschwerde im Sinn von Art. 13 EMRK zur Überprüfung der Einhaltung von Art. 5 Ziff. 4 EMRK dar. Überdies genügte sie den Anforderungen von Art. 5 Ziff. 5 EMRK betreffend Anspruch auf Schadenersatz (Nichtzulassungsentscheid A.B. gegen Schweiz vom 6. April 2000, Zusammenfassung in: VPB 64/2000 Nr. 134 S. 1323). BGE 140 III 92 S. 95 Das Bundesgericht trat daher auf Begehren um Feststellung der Widerrechtlichkeit der fürsorgerischen Freiheitsentziehung, insbesondere auf Feststellung der Verletzung der Garantien der EMRK nicht ein, sobald die betroffene Person aus der fürsorgerischen Freiheitsentziehung entlassen worden war (siehe zur alten Praxis BGE 136 III 497 E. 1.1 S. 499 und E. 2.4 S. 501).
2.1 Art. 429a ZGB Art. 13 EMRK Art. 5 Ziff. 4 EMRK Art. 5 Ziff. 5 EMRK BGE 140 III 92 S. 95
2.2 Mit der Einführung des neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrechts am 1. Januar 2013 ist aArt 429a ZGB durch den geltenden Art. 454 ZGB ersetzt worden, welcher der im Rahmen behördlicher Massnahmen des Erwachsenenschutzes durch widerrechtliches Handeln oder Unterlassen verletzten Person einen Anspruch auf Schadenersatz und, sofern es die Schwere der Verletzung rechtfertigt, auf Genugtuung einräumt ( Art. 454 Abs. 1 ZGB ). Mit Blick auf den praktisch gleichlautenden Wortlaut der nunmehr geltenden Bestimmung übernahm das Bundesgericht die unter aArt. 429a ZGB entwickelte Rechtsprechung. Es tritt somit auch unter dem neuen Recht auf Begehren um Feststellung der Widerrechtlichkeit bzw. der Verletzung der durch die EMRK garantierten Rechte nicht ein und verweist die Betroffenen auf die Klage nach Art. 454 ZGB, sobald sie aus der Einrichtung entlassen worden sind (Urteil 5A_290/2013 vom 3. Juni 2013 E. 1.2).
2.2 Art. 454 ZGB Art. 454 Abs. 1 ZGB Art. 454 ZGB 2.3 Im Gegensatz zu aArt. 429a ZGB ist der geltende Art. 454 ZGB nicht nur auf den Bereich der fürsorgerischen Unterbringung beschränkt: Er regelt die direkte kausale Staatshaftung in einem umfassenden Sinn, indem er nunmehr Anordnung, Durchführung oder Unterlassung irgendeiner Erwachsenenschutzmassnahme durch einen Mandatsträger oder die zuständige Behörde erfasst. Da die Erwachsenenschutzbehörde in Personalunion auch Kindesschutzbehörde ist ( Art. 440 Abs. 3 ZGB ), sind die Bestimmungen über die Verantwortlichkeit auch auf Massnahmen im Kindesschutz anwendbar (Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht], BBl 2006 7092 Ziff. 2.3.5; MEIER/LUKIC, Introduction au nouveau droit de la protection de l'adulte, 2011, S. 70 Rz. 155; HEINZ HAUSHEER, in: Basler Kommentar, Erwachsenenschutz, 2012, N. 4 zu Art. 454 ZGB ; THOMAS GEISER, Erwachsenenschutz, 2013, N. 4 und 9 zu Art. 454 ZGB ; PATRICK FASSBIND, Erwachsenenschutz, 2012, S. 159; HERMANN SCHMID, Erwachsenenschutz, 2010, S. 258 N. 2 zu Art. 454 ZGB ). Im Lichte dieses erweiterten Geltungsbereichs rechtfertigt es sich, die Anwendung der bisher unter dem BGE 140 III 92 S. 96 Gesichtswinkel der fürsorgerischen Unterbringung entwickelten Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall zu übertragen: Da die angeblichen Kindesschutzmassnahmen längst dahingefallen sind und das Verfahren vor dem Kinder- und Jugenddienst KJD per Ende Januar 2013 eingestellt worden ist, sind die Beschwerdeführer mit Bezug auf ihre Begehren um Feststellung der Widerrechtlichkeit der Anordnung der "Kindesschutzmassnahmen" bzw. der Widerrechtlichkeit des Verfahrens auf die Klage nach Art. 454 ZGB zu verweisen.
2.3 Art. 454 ZGB Art. 440 Abs. 3 ZGB Art. 454 ZGB Art. 454 ZGB Art. 454 ZGB BGE 140 III 92 S. 96
Art. 454 ZGB 3. Da das aktuelle praktische Interesse bereits bei Einreichung der vorliegenden Beschwerde nicht mehr gegeben war, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten ( BGE 136 III 497 E. 2.1 S. 500). Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die Beschwerdeführer kostenpflichtig ( Art. 66 Abs. 1 BGG ), wobei sie für den Gesamtbetrag der Kosten solidarisch haften ( Art. 66 Abs. 5 BGG ).
3. Art. 66 Abs. 1 BGG Art. 66 Abs. 5 BGG
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Urteilskopf 140 III 97 17. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause dame A. contre Tribunal de protection de l'adulte et de l'enfant du canton de Genève (recours en matière civile) 5A_843/2013 du 13 janvier 2014 Regeste Art. 398 und 446 Abs. 2 ZGB ; Sachverständigengutachten als Voraussetzung für die Errichtung einer umfassenden Beistandschaft. Eine infolge psychischer Störung oder geistiger Behinderung errichtete Schutzmassnahme (vorliegend eine umfassende Beistandschaft) muss auf einem Sachverständigengutachten beruhen, soweit nicht eines der Mitglieder der Erwachsenenschutzbehörde über die nötigen Kenntnisse verfügt (E. 4). Sachverhalt ab Seite 97 BGE 140 III 97 S. 97 A. Par lettre du 22 novembre 2012, l'Hospice général a signalé au Tribunal tutélaire du canton de Genève (actuellement: Tribunal de protection de l'adulte et de l'enfant [TPAE]) que A. ne pouvait plus gérer ses affaires administratives et financières en raison de son état BGE 140 III 97 S. 98 de santé; il s'est référé au surplus à un certificat médical du Dr C., médecin traitant de l'intéressée depuis 1999. Le 15 janvier 2013, le TPAE a entendu l'assistante sociale auprès de l'Hospice général, la personne concernée et son médecin traitant; le 18 janvier 2013, il a nommé un curateur d'office à l'intéressée, laquelle a recouru sans succès contre cette mesure. Le 25 juin 2013, le TPAE a entendu de nouveau la personne concernée ainsi que le Dr B. en qualité de témoin; celui-ci a déclaré avoir suivi l'intéressée de septembre 2009 à décembre 2009, diagnostiquant un trouble délirant persistant dont elle était anosognosique; le suivi médical a ensuite été interrompu après que le médecin eut préconisé un traitement médicamenteux (neuroleptique). Également entendu, le curateur a déclaré que l'intéressée n'avait pas de patrimoine et s'en est rapporté à justice quant aux mesures à prendre. B. Par décision du 15 juillet 2013, le TPAE a notamment institué une mesure de curatelle de portée générale en faveur de A. et lui a désigné deux collaboratrices du Service de protection de l'adulte en qualité de co-curatrices. Il a considéré que l'intéressée souffrait d'un grave trouble psychiatrique, enraciné depuis de nombreuses années, qui était de nature à l'empêcher totalement de gérer ses affaires et de disposer d'une compréhension appropriée des situations auxquelles elle se trouvait confrontée; son état de santé, dont elle était anosognosique, expliquait son refus systématique de se soigner et induisait des comportements de nature à porter atteinte à ses propres intérêts ayant pour conséquence une absence totale de source de revenus. Par acte du 8 août 2013, A. a appelé de cette décision. Statuant le 7 octobre 2013, la Chambre de surveillance de la Cour de justice du canton de Genève a rejeté le recours et confirmé la décision attaquée. C. Le Tribunal fédéral a admis le recours en matière civile formé par A., annulé la décision attaquée et renvoyé l'affaire au TPAE pour nouvelle décision. (résumé) Erwägungen Extrait des considérants: 4. La recourante critique d'abord les constatations de fait de la décision attaquée quant à sa capacité de discernement et à son besoin d'assistance, faisant valoir en substance que les conditions d'une mise sous curatelle ne sont pas remplies. En outre, elle se plaint implicitement de la violation de l'art. 446 al. 2, 3 e phrase, CC, dès lors qu'elle BGE 140 III 97 S. 99 reproche aux autorités cantonales d'avoir ordonné la mesure sans avoir procédé à la moindre expertise. Il convient d'examiner ce grief en premier. 4.1 L'autorité cantonale a exposé que, pour déterminer l'existence de troubles psychiques ou d'une déficience mentale, l'autorité de protection, qui établit les faits d'office ( art. 446 al. 1 CC ), peut ordonner, si elle l'estime nécessaire, un rapport d'expertise (art. 446 al. 2 in fine CC). Elle a toutefois considéré qu'une telle mesure probatoire ne s'imposait pas dans le cas présent, au vu des éléments du dossier et de l'audition des médecins, qui font ressortir "que la recourante souffre d'un trouble délirant persistant, enraciné depuis de nombreuses années, dont elle est anosognosique". 4.2 Sous l'empire du droit antérieur, en vigueur jusqu'au 31 décembre 2012, l'interdiction pour cause de maladie mentale ou de faiblesse d'esprit ne pouvait être prononcée que sur un rapport d'expertise (ancien art. 374 al. 2 CC ). L'actuel art. 446 CC prévoit que l'autorité de protection de l'adulte établit les faits d'office (al. 1 er ) et procède à la recherche et à l'administration des preuves nécessaires (al. 2, 1 re phrase); elle peut charger une tierce personne ou un service d'effectuer une enquête (al. 2, 2 e phrase) et, si nécessaire, ordonner un rapport d'expertise (al. 2, 3 e phrase). S'agissant de l'exigence d'une expertise, le Message du Conseil fédéral du 28 juin 2006 concernant la révision du code civil suisse (Protection de l'adulte, droit des personnes et droit de la filiation, FF 2006 6635 ss) expose que, si "l'autorité n'a pas les connaissances nécessaires pour traiter un cas, elle doit faire appel à un expert", ce qui "peut s'avérer indispensable en particulier [...] pour la limitation de l'exercice des droits civils en raison d'un trouble psychique ou d'une déficience mentale"; se référant à l'ancien droit, il précise encore que, en dérogation à l'ancien art. 374 al. 2 CC, il n'y a pas lieu de faire obligatoirement appel à un expert externe "si l'un des membres de l'autorité qui participe à la décision dispose des connaissances nécessaires" (FF 2006 6711 ad art. 446). Se ralliant à cette approche, la doctrine préconise aussi le recours à une expertise lorsqu'aucun membre de l'autorité appelée à statuer ne dispose des connaissances nécessaires et que la mesure emporte des restrictions de l'exercice des droits civils en raisond'un trouble psychique ou d'une déficience mentale (AUER/MARTI, in Basler Kommentar, Erwachsenenschutz, 2012, n° 19 ad art. 446 CC ; BOHNET, BGE 140 III 97 S. 100 Autorités et procédure en matière de protection de l'adulte, in Le nouveau droit de la protection de l'adulte, 2012, n. 130; FASSBIND, Erwachsenenschutz, 2012, p. 115 s.; MEIER/LUKIC, Introduction au nouveau droit de la protection de l'adulte, 2011, n. 109 et 403; STECK, in Protection de l'adulte, 2013, n° 13 ad art. 446 CC ; le même, in Das neue Erwachsenenschutzrecht, 2011, n° 6 ad art. 446 CC ). 4.3 Dans le cas particulier, la recourante fait l'objet d'une curatelle de portée générale ( art. 398 CC ) - c'est-à-dire la mesure la plus lourde du nouveau droit de la protection de l'adulte (cf. FF 2006 6681 ad art. 398) - en raison de son trouble psychique ( art. 390 al. 1 ch. 1 CC ). Cette décision a été rendue, sans expertise, sur la base des "éléments du dossier" et de "l'audition des médecins", en l'occurrence des médecins traitants de l'intéressée. Par ailleurs, il ne ressort pas de la décision attaquée - et la cour cantonale ne l'affirme pas non plus - que l'un des membres de l'autorité appelée à statuer posséderait les connaissances médicales nécessaires pour conclure au trouble psychique justifiant la mesure de curatelle en question. Dans ces circonstances, l'autorité de protection de l'adulte ne pouvait statuer sans recourir à une expertise externe et indépendante; la décision de la Chambre de surveillance, qui retient le contraire, viole dès lors le droit fédéral. L'admission du grief pris du défaut d'expertise scelle le sort du présent recours. La décision entreprise doit être annulée et la cause renvoyée au TPAE, qui devra ordonner une expertise, à moins qu'un de ses membres n'ait les connaissances nécessaires; il n'est pas opportun de renvoyer l'affaire à la Chambre de surveillance, qui n'aurait d'autre choix que de transmettre à son tour le dossier à l'autorité de première instance (art. 107 al. 2, 2 e phrase, LTF), d'autant que la recourante doit bénéficier de deux degrés de juridiction avec une pleine cognition.
Urteilskopf
17. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause dame A. contre Tribunal de protection de l'adulte et de l'enfant du canton de Genève (recours en matière civile)
5A_843/2013 du 13 janvier 2014
Regeste Art. 398 und 446 Abs. 2 ZGB ; Sachverständigengutachten als Voraussetzung für die Errichtung einer umfassenden Beistandschaft. Eine infolge psychischer Störung oder geistiger Behinderung errichtete Schutzmassnahme (vorliegend eine umfassende Beistandschaft) muss auf einem Sachverständigengutachten beruhen, soweit nicht eines der Mitglieder der Erwachsenenschutzbehörde über die nötigen Kenntnisse verfügt (E. 4).
Regeste
Art. 398 und 446 Abs. 2 ZGB ; Sachverständigengutachten als Voraussetzung für die Errichtung einer umfassenden Beistandschaft. Eine infolge psychischer Störung oder geistiger Behinderung errichtete Schutzmassnahme (vorliegend eine umfassende Beistandschaft) muss auf einem Sachverständigengutachten beruhen, soweit nicht eines der Mitglieder der Erwachsenenschutzbehörde über die nötigen Kenntnisse verfügt (E. 4).
Art. 398 und 446 Abs. 2 ZGB Eine infolge psychischer Störung oder geistiger Behinderung errichtete Schutzmassnahme (vorliegend eine umfassende Beistandschaft) muss auf einem Sachverständigengutachten beruhen, soweit nicht eines der Mitglieder der Erwachsenenschutzbehörde über die nötigen Kenntnisse verfügt (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 97
Sachverhalt ab Seite 97 BGE 140 III 97 S. 97
BGE 140 III 97 S. 97
A. Par lettre du 22 novembre 2012, l'Hospice général a signalé au Tribunal tutélaire du canton de Genève (actuellement: Tribunal de protection de l'adulte et de l'enfant [TPAE]) que A. ne pouvait plus gérer ses affaires administratives et financières en raison de son état BGE 140 III 97 S. 98 de santé; il s'est référé au surplus à un certificat médical du Dr C., médecin traitant de l'intéressée depuis 1999. Le 15 janvier 2013, le TPAE a entendu l'assistante sociale auprès de l'Hospice général, la personne concernée et son médecin traitant; le 18 janvier 2013, il a nommé un curateur d'office à l'intéressée, laquelle a recouru sans succès contre cette mesure.
BGE 140 III 97 S. 98
Le 25 juin 2013, le TPAE a entendu de nouveau la personne concernée ainsi que le Dr B. en qualité de témoin; celui-ci a déclaré avoir suivi l'intéressée de septembre 2009 à décembre 2009, diagnostiquant un trouble délirant persistant dont elle était anosognosique; le suivi médical a ensuite été interrompu après que le médecin eut préconisé un traitement médicamenteux (neuroleptique). Également entendu, le curateur a déclaré que l'intéressée n'avait pas de patrimoine et s'en est rapporté à justice quant aux mesures à prendre.
B. Par décision du 15 juillet 2013, le TPAE a notamment institué une mesure de curatelle de portée générale en faveur de A. et lui a désigné deux collaboratrices du Service de protection de l'adulte en qualité de co-curatrices. Il a considéré que l'intéressée souffrait d'un grave trouble psychiatrique, enraciné depuis de nombreuses années, qui était de nature à l'empêcher totalement de gérer ses affaires et de disposer d'une compréhension appropriée des situations auxquelles elle se trouvait confrontée; son état de santé, dont elle était anosognosique, expliquait son refus systématique de se soigner et induisait des comportements de nature à porter atteinte à ses propres intérêts ayant pour conséquence une absence totale de source de revenus.
Par acte du 8 août 2013, A. a appelé de cette décision. Statuant le 7 octobre 2013, la Chambre de surveillance de la Cour de justice du canton de Genève a rejeté le recours et confirmé la décision attaquée.
C. Le Tribunal fédéral a admis le recours en matière civile formé par A., annulé la décision attaquée et renvoyé l'affaire au TPAE pour nouvelle décision.
(résumé)
Erwägungen
Erwägungen Extrait des considérants:
4. La recourante critique d'abord les constatations de fait de la décision attaquée quant à sa capacité de discernement et à son besoin d'assistance, faisant valoir en substance que les conditions d'une mise sous curatelle ne sont pas remplies. En outre, elle se plaint implicitement de la violation de l'art. 446 al. 2, 3 e phrase, CC, dès lors qu'elle BGE 140 III 97 S. 99 reproche aux autorités cantonales d'avoir ordonné la mesure sans avoir procédé à la moindre expertise. Il convient d'examiner ce grief en premier.
4. BGE 140 III 97 S. 99
4.1 L'autorité cantonale a exposé que, pour déterminer l'existence de troubles psychiques ou d'une déficience mentale, l'autorité de protection, qui établit les faits d'office ( art. 446 al. 1 CC ), peut ordonner, si elle l'estime nécessaire, un rapport d'expertise (art. 446 al. 2 in fine CC). Elle a toutefois considéré qu'une telle mesure probatoire ne s'imposait pas dans le cas présent, au vu des éléments du dossier et de l'audition des médecins, qui font ressortir "que la recourante souffre d'un trouble délirant persistant, enraciné depuis de nombreuses années, dont elle est anosognosique".
4.1 art. 446 al. 1 CC 4.2 Sous l'empire du droit antérieur, en vigueur jusqu'au 31 décembre 2012, l'interdiction pour cause de maladie mentale ou de faiblesse d'esprit ne pouvait être prononcée que sur un rapport d'expertise (ancien art. 374 al. 2 CC ). L'actuel art. 446 CC prévoit que l'autorité de protection de l'adulte établit les faits d'office (al. 1 er ) et procède à la recherche et à l'administration des preuves nécessaires (al. 2, 1 re phrase); elle peut charger une tierce personne ou un service d'effectuer une enquête (al. 2, 2 e phrase) et, si nécessaire, ordonner un rapport d'expertise (al. 2, 3 e phrase).
4.2 art. 374 al. 2 CC art. 446 CC S'agissant de l'exigence d'une expertise, le Message du Conseil fédéral du 28 juin 2006 concernant la révision du code civil suisse (Protection de l'adulte, droit des personnes et droit de la filiation, FF 2006 6635 ss) expose que, si "l'autorité n'a pas les connaissances nécessaires pour traiter un cas, elle doit faire appel à un expert", ce qui "peut s'avérer indispensable en particulier [...] pour la limitation de l'exercice des droits civils en raison d'un trouble psychique ou d'une déficience mentale"; se référant à l'ancien droit, il précise encore que, en dérogation à l'ancien art. 374 al. 2 CC, il n'y a pas lieu de faire obligatoirement appel à un expert externe "si l'un des membres de l'autorité qui participe à la décision dispose des connaissances nécessaires" (FF 2006 6711 ad art. 446). art. 374 al. 2 CC Se ralliant à cette approche, la doctrine préconise aussi le recours à une expertise lorsqu'aucun membre de l'autorité appelée à statuer ne dispose des connaissances nécessaires et que la mesure emporte des restrictions de l'exercice des droits civils en raisond'un trouble psychique ou d'une déficience mentale (AUER/MARTI, in Basler Kommentar, Erwachsenenschutz, 2012, n° 19 ad art. 446 CC ; BOHNET, BGE 140 III 97 S. 100 Autorités et procédure en matière de protection de l'adulte, in Le nouveau droit de la protection de l'adulte, 2012, n. 130; FASSBIND, Erwachsenenschutz, 2012, p. 115 s.; MEIER/LUKIC, Introduction au nouveau droit de la protection de l'adulte, 2011, n. 109 et 403; STECK, in Protection de l'adulte, 2013, n° 13 ad art. 446 CC ; le même, in Das neue Erwachsenenschutzrecht, 2011, n° 6 ad art. 446 CC ). art. 446 CC BGE 140 III 97 S. 100
art. 446 CC art. 446 CC 4.3 Dans le cas particulier, la recourante fait l'objet d'une curatelle de portée générale ( art. 398 CC ) - c'est-à-dire la mesure la plus lourde du nouveau droit de la protection de l'adulte (cf. FF 2006 6681 ad art. 398) - en raison de son trouble psychique ( art. 390 al. 1 ch. 1 CC ). Cette décision a été rendue, sans expertise, sur la base des "éléments du dossier" et de "l'audition des médecins", en l'occurrence des médecins traitants de l'intéressée. Par ailleurs, il ne ressort pas de la décision attaquée - et la cour cantonale ne l'affirme pas non plus - que l'un des membres de l'autorité appelée à statuer posséderait les connaissances médicales nécessaires pour conclure au trouble psychique justifiant la mesure de curatelle en question. Dans ces circonstances, l'autorité de protection de l'adulte ne pouvait statuer sans recourir à une expertise externe et indépendante; la décision de la Chambre de surveillance, qui retient le contraire, viole dès lors le droit fédéral.
4.3 art. 398 CC art. 390 al. 1 ch. 1 CC L'admission du grief pris du défaut d'expertise scelle le sort du présent recours. La décision entreprise doit être annulée et la cause renvoyée au TPAE, qui devra ordonner une expertise, à moins qu'un de ses membres n'ait les connaissances nécessaires; il n'est pas opportun de renvoyer l'affaire à la Chambre de surveillance, qui n'aurait d'autre choix que de transmettre à son tour le dossier à l'autorité de première instance (art. 107 al. 2, 2 e phrase, LTF), d'autant que la recourante doit bénéficier de deux degrés de juridiction avec une pleine cognition.
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Urteilskopf 141 III 101 15. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen B. (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_482/2014 vom 20. Januar 2015 Regeste Art. 271a Abs. 1 lit. d OR ; zeitlicher Kündigungsschutz während eines mietrechtlichen Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens. Der zeitliche Kündigungsschutz nach Art. 271a Abs. 1 lit. d OR greift mit der Klageanhebung bis zur rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens, unabhängig davon, wann der Vermieter über das Verfahren orientiert wurde oder davon nach Treu und Glauben hätte wissen können (E. 2). Erwägungen ab Seite 101 BGE 141 III 101 S. 101 Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Die Beschwerdeführerin machte im kantonalen Verfahren geltend, die Kündigung sei missbräuchlich, weil sie während eines mit dem Mietverhältnis zusammenhängenden Schlichtungsverfahrens ausgesprochen worden sei, also in die Sperrfrist nach Art. 271a Abs. 1 lit. d OR falle. Sowohl das Mietgericht wie auch die Vorinstanz verwarfen diesen Einwand. Zwar stellte die Vorinstanz dabei fest, das von der Beschwerdeführerin am 25. Mai 2012 gestellte Schlichtungsbegehren auf Mängelbeseitigung und Mietzinsherabsetzung hänge klarerweise mit dem Mietverhältnis zusammen; das Schlichtungsverfahren sei mit Postaufgabe vom 25. Mai 2012 anhängig gemacht worden; die Kündigung des Mietverhältnisses vom 25. Mai 2012 sei nicht früher als am 26. Mai 2012 in den Machtbereich der Beschwerdeführerin BGE 141 III 101 S. 102 gelangt und gelte daher nach der Empfangstheorie erst dann im Sinne von Art. 271a Abs. 1 OR als "ausgesprochen"; am 26. Mai 2012 sei das von der Beschwerdeführerin angehobene Schlichtungsverfahren bereits rechtshängig gewesen. Indessen verlangte die Vorinstanz als weitere Voraussetzung für die Anfechtbarkeit der Kündigung, dass der Vermieter im Zeitpunkt der Kündigungsaussprache Kenntnis von der Hängigkeit des Verfahrens hat oder haben könnte. Beides verneinte sie, weshalb die Kündigung nicht als treuwidrig im Sinne von Art. 271a Abs. 1 lit. d OR zu betrachten sei. 2.2 Art. 271a Abs. 1 lit. d und e OR regeln den zeitlichen Kündigungsschutz während bzw. nach Abschluss eines mietrechtlichen Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens. Nach Art. 271a Abs. 1 lit. d OR ist eine durch den Vermieter ausgesprochene Kündigung anfechtbar, wenn sie während eines mit dem Mietverhältnis zusammenhängenden Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens ausgesprochen wird, ausser wenn der Mieter das Verfahren missbräuchlich eingeleitet hat. Dieser Anfechtungsgrund gilt für alle Schlichtungs- und Gerichtsverfahren, selbst Schiedsgerichtsverfahren, sofern sie mit der Mietsache zusammenhängen. Ausgenommen sind bloss die in Art. 271a Abs. 3 OR ausdrücklich genannten Streitigkeiten. Die Vermieterkündigung, die in diesem Zeitraum erfolgt, ist unabhängig davon anfechtbar, ob sie tatsächlich missbräuchlich ist ( BGE 131 III 33 E. 3.1 ff.). 2.3 Die Frage, ob die Anfechtbarkeit der Kündigung nach Art. 271a Abs. 1 lit. d OR die Kenntnis des Vermieters vom hängigen Verfahren voraussetzt, hat das Bundesgericht bisher nicht entschieden. In einem neueren Entscheid hielt es jedoch fest, die Kündigungssperrfrist nach Art. 271a Abs. 1 lit. d OR beginne grundsätzlich mit der Klageanhebung und ende mit der rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens (Urteil 4A_588/2013 vom 15. April 2014 E. 2.3). Nicht explizit geäussert hat es sich zur Frage, ob die Anfechtbarkeit der Kündigung zusätzlich von der Kenntnis des Vermieters vom hängigen Verfahren abhängig zu machen ist. 2.4 Die Lehrmeinungen dazu sind geteilt: PETER HIGI befürwortet die Frage und begründet dies damit, dass die Norm die widerlegbare Vermutung aufstelle, dass eine Kündigung während eines hängigen Verfahrens aus dem unlauteren Motiv der "Rache" erfolge. Diese Vermutung könne aber nur dann BGE 141 III 101 S. 103 einigermassen plausibel erscheinen, wenn der Vermieter im Zeitpunkt der Kündigungsaussprache Kenntnis von der Hängigkeit des Verfahrens habe oder als vernünftiger und korrekter Mensch haben könnte (Zürcher Kommentar, 4. Aufl. 1996, N. 233, 246 f. und 249 zu Art. 271a OR ; gleicher Meinung: RAYMOND BISANG UND ANDERE, Das schweizerische Mietrecht, Kommentar, 3. Aufl. 2008, N. 37 zu Art. 271a OR ; RICHARD BARBEY, Commentaire du droit du bail, 1991, N. 128 zu Art. 271-271a OR ). Andere Autoren lehnen diese Meinung ab und setzen demnach die Kenntnis des Vermieters vom hängigen Verfahren nicht voraus, dies primär aus Praktikabilitäts- und Rechtssicherheitsgründen und weil diese Lösung im Widerspruch zum Wortlaut des Gesetzes stehe (LACHAT, Le bail à loyer, 2008, S. 747 Fn. 756; ebenso LACHAT/THANEI, in: Das Mietrecht für die Praxis, Lachat und andere [Hrsg.], 8. Aufl. 2009, S. 618 Fn. 154; ohne Begründung: CONOD/BOHNET, Droit du bail, 2014, S. 209 Rz. 961; gl. Meinung wohl auch ROGER WEBER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, 5. Aufl. 2011, N. 24 zu Art. 271/271a OR; vgl. auch RICHARD PERMANN, Kommentar zum Mietrecht, 2. Aufl. 2007, N. 39 f. zu Art. 271a OR ). 2.5 Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen. Es können auch die Gesetzesmaterialien beigezogen werden, wenn sie auf die streitige Frage eine klare Antwort geben und dem Richter damit weiterhelfen ( BGE 140 III 206 E. 3.5.4, BGE 140 III 289 E. 2.1, 315 E. 5.2.1; BGE 131 III 33 E. 2 mit Hinweisen). 2.6 Der Wortlaut von Art. 271a Abs. 1 lit. d OR umschreibt die Zeitspanne des zeitlichen Kündigungsschutzes unscharf mit "während eines (...) Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens". Die frühere Diskussion in der Lehre darüber, ob für den Beginn der Kündigungssperrfrist die Klageanhebung durch Einreichung des Schlichtungsgesuchs bei der Schlichtungsbehörde bzw. bei der Schweizerischen BGE 141 III 101 S. 104 Post zuhanden derselben oder der Eintritt der Rechtshängigkeit massgeblich ist, wurde mit dem Inkrafttreten der ZPO obsolet, ist doch seither schweizweit klar, dass die Rechtshängigkeit mit der Einreichung des Schlichtungsgesuchs eintritt ( Art. 62 Abs. 1 ZPO ; vgl. dazu WEBER, a.a.O., N. 24 zu Art. 271/271a OR). Das Bundesgericht präzisierte in dem bereits zitierten Entscheid 4A_588/2013 vom 15. April 2014 E. 2.3, dass die Kündigungssperrfrist nach Art. 271a Abs. 1 lit. d OR grundsätzlich mit der Klageanhebung beginnt und mit der rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens endet. Der Wortlaut der Bestimmung bietet keine Handhabe, den Beginn der Sperrfrist auf den Zeitpunkt hinauszuschieben, in dem der Vermieter über das hängige Verfahren orientiert wird oder nach Treu und Glauben davon Kenntnis haben könnte. Im Gegenteil: Der Wortlaut spricht mit dem Ausdruck "während" ("pendant", "durante") die ganze Dauer der Rechtshängigkeit an, ohne für deren Beginn die Kenntnis des Vermieters von der Einleitung des Verfahrens vorauszusetzen. 2.7 Sinn und Zweck von Art. 271a Abs. 1 lit. d OR liegen darin zu verhindern, dass die Vermieterschaft ein ihr missliebiges Gerichtsverfahren durch Kündigung des Mietverhältnisses beendigen kann ( BGE 131 III 33 E. 3.2 mit Hinweisen). Der zeitliche Kündigungsschutz nach Art. 271a Abs. 1 lit. d und e OR gewährleistet dem Mieter, dass er seine mietrechtlichen Ansprüche bei der Schlichtungsbehörde oder dem Gericht geltend machen kann, ohne befürchten zu müssen, dass der Vermieter ihm deshalb kündigt (Urteil 4C.432/2006 vom 8. Mai 2007 E. 4.4, übersetzt in: Mietrecht aktuell [MRA] 3/2007 S. 84). Dieser Schutzgedanke spricht gegen eine einschränkende Auslegung der zeitlichen Kündigungssperre. Wohl unterliegt die Kündigung durch den Vermieter während der Sperrfrist der gesetzlichen Vermutung, dass sie zweckfremd zur Vergeltung eingesetzt wurde (Botschaft vom 27. März 1985 zur Revision des Miet- und Pachtrechts, BBl 1985 I 1389 ff., 1460 zu Art. 271a Abs. 1 lit. c). Die Vorinstanz hebt mit den entsprechenden Lehrmeinungen denn auch zutreffend hervor, dass diese gesetzliche Vermutung dann keine reale Grundlage haben kann, wenn der Vermieter vom angehobenen Verfahren gar keine Kenntnis hat oder haben könnte. Diesfalls kann ihm nicht unterstellt werden, er habe wegen eines missliebigen Gerichtsverfahrens gekündigt. Nun muss ein solches Vergeltungsmotiv aber auch bei entsprechender Kenntnis nicht stets vorhanden sein. Trotzdem wird es vom Gesetzgeber mit den zeitlichen Kündigungsschutzbestimmungen fingiert. Gerade BGE 141 III 101 S. 105 bei den Sperrfristen manifestiert das Gesetz, dass es weit eher von positiven Loyalitätskriterien und vom Sozialschutzgedanken denn vom negativ geprägten Missbrauchsbegriff getragen ist, reicht doch der Kündigungsschutz über jenen vor offensichtlichem Rechtsmissbrauch, ja selbst über die umfassende Wahrung von Treu und Glauben, hinaus ( BGE 131 III 33 E. 3.2). Vor dem Hintergrund dieser zweckmässigen Ausrichtung hat das Bundesgericht denn auch erkannt, dass die Vermieterkündigung, die während eines Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens im Sinne von Art. 271a Abs. 1 lit. d OR erfolgt, unabhängig davon anfechtbar ist, ob sie tatsächlich missbräuchlich ist ( BGE 131 III 33 ). Entsprechend kann für die zeitliche Fixierung der Sperrfrist auch nicht ausschlaggebend sein, ob das vermutete Rachemotiv beim Vermieter tatsächlich vorliegt bzw. aufgrund entsprechender Kenntnis überhaupt vorliegen kann. 2.8 Diese Auslegung wird durch eine systematische Betrachtung der Bestimmung von Art. 271a OR bestärkt. Diese regelt nämlich auch den gebotenen Ausgleich mit den Interessen des Vermieters. So schliesst Art. 271a Abs. 1 lit. d zweiter Halbsatz OR die Berufung auf diese Norm aus, wenn der Mieter das Verfahren missbräuchlich eingeleitet hat. Auch mit den Ausnahmen nach Art. 271a Abs. 3 OR trägt das Gesetz den Vermieterinteressen Rechnung. Der Gesetzgeber listet in Art. 271a Abs. 1 und 2 OR jene Fälle auf, in denen die Missbräuchlichkeit der Kündigung zu vermuten ist. In Absatz 3 zählt es dann jene Fälle abschliessend auf, bei deren Vorliegen die gesetzlichen Vermutungen des zeitlichen Kündigungsschutzes widerlegt sind bzw. Ausnahmen vom zeitlichen Kündigungsschutz bestehen. Es sind dies dringender Eigenbedarf des Vermieters (lit. a), Zahlungsrückstand des Mieters (lit. b), schwere Verletzung der Pflicht des Mieters zu Sorgfalt und Rücksichtnahme (lit. c), Veräusserung der Sache (lit. d), wichtige Gründe im Sinne von Art. 266g OR, welche die Vertragserfüllung für die Vermieterschaft unzumutbar machen (lit. e) oder Konkurs des Mieters (lit. f). Trotz der grundsätzlich abschliessenden Aufzählung der Ausnahmen in Absatz 3 anerkennt das Bundesgericht die Zulässigkeit einer Kündigung während eines hängigen Verfahrens oder innerhalb der dreijährigen Sperrfrist, wenn der Vermieter mit der erneuten Kündigung nicht die Absicht bekundet, sich am Mieter zu rächen, sondern lediglich die in einem früheren Verfahren aus formellen Gründen (insb. Formmangel) als nichtig oder unwirksam erkannte Kündigung "wiederholt". In einem solchen Fall bringt der Vermieter bloss den früher BGE 141 III 101 S. 106 schon bestehenden Kündigungswillen zum Ausdruck (Urteile 4C.252/2002 vom 8. November 2002 E. 3.1; 4C.432/2006 vom 8. Mai 2007 E. 4.4, übersetzt in: MRA 3/2007 S. 84, bestätigt im Urteil 4A_588/2013 vom 15. April 2014 E. 2.3). Davon abgesehen besteht kein Grund, den zeitlichen Kündigungsschutz über die gesetzlich bestimmten Ausnahmefälle hinaus weiter in dem Sinn einzuschränken, dass er erst zum Tragen kommt, wenn der Vermieter Kenntnis von einem angehobenen Verfahren hat oder nach Treu und Glauben haben könnte, zumal das Bundesgericht bereits entschieden hat, dass die Vermieterkündigung während eines hängigen Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens grundsätzlich unabhängig davon anfechtbar ist, ob sie tatsächlich missbräuchlich ist ( BGE 131 III 33 ). 2.9 Gegen eine zusätzliche Voraussetzung für die Anfechtbarkeit der Kündigung, dass der Vermieter Kenntnis vom Verfahren hat oder haben könnte, wird vom entsprechenden Teil der Lehre (vgl. E. 2.4 in fine) schliesslich mit Recht ins Feld geführt, dass eine solche Lösung wenig praktikabel wäre und der Rechtssicherheit entgegenstünde. Demgegenüber wird mit der "Klageanhebung" an einen leicht bestimmbaren Zeitpunkt angeknüpft, was der Rechtssicherheit dient. 2.10 Zusammenfassend folgt, dass der zeitliche Kündigungsschutz nach Art. 271a Abs. 1 lit. d OR mit der Klageanhebung bis zur rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens greift, unabhängig davon, wann der Vermieter über das Verfahren orientiert wurde oder davon nach Treu und Glauben hätte wissen können. Indem die Vorinstanz gegenteilig entschied, verletzte sie Art. 271a Abs. 1 lit. d OR.
Urteilskopf
15. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen B. (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_482/2014 vom 20. Januar 2015
Regeste Art. 271a Abs. 1 lit. d OR ; zeitlicher Kündigungsschutz während eines mietrechtlichen Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens. Der zeitliche Kündigungsschutz nach Art. 271a Abs. 1 lit. d OR greift mit der Klageanhebung bis zur rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens, unabhängig davon, wann der Vermieter über das Verfahren orientiert wurde oder davon nach Treu und Glauben hätte wissen können (E. 2).
Regeste
Art. 271a Abs. 1 lit. d OR ; zeitlicher Kündigungsschutz während eines mietrechtlichen Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens. Der zeitliche Kündigungsschutz nach Art. 271a Abs. 1 lit. d OR greift mit der Klageanhebung bis zur rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens, unabhängig davon, wann der Vermieter über das Verfahren orientiert wurde oder davon nach Treu und Glauben hätte wissen können (E. 2).
Art. 271a Abs. 1 lit. d OR Der zeitliche Kündigungsschutz nach Art. 271a Abs. 1 lit. d OR greift mit der Klageanhebung bis zur rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens, unabhängig davon, wann der Vermieter über das Verfahren orientiert wurde oder davon nach Treu und Glauben hätte wissen können (E. 2).
Art. 271a Abs. 1 lit. d OR Erwägungen ab Seite 101
Erwägungen ab Seite 101 BGE 141 III 101 S. 101
BGE 141 III 101 S. 101
Aus den Erwägungen:
2.
2. 2.1 Die Beschwerdeführerin machte im kantonalen Verfahren geltend, die Kündigung sei missbräuchlich, weil sie während eines mit dem Mietverhältnis zusammenhängenden Schlichtungsverfahrens ausgesprochen worden sei, also in die Sperrfrist nach Art. 271a Abs. 1 lit. d OR falle. Sowohl das Mietgericht wie auch die Vorinstanz verwarfen diesen Einwand.
2.1 Art. 271a Abs. 1 lit. d OR Zwar stellte die Vorinstanz dabei fest, das von der Beschwerdeführerin am 25. Mai 2012 gestellte Schlichtungsbegehren auf Mängelbeseitigung und Mietzinsherabsetzung hänge klarerweise mit dem Mietverhältnis zusammen; das Schlichtungsverfahren sei mit Postaufgabe vom 25. Mai 2012 anhängig gemacht worden; die Kündigung des Mietverhältnisses vom 25. Mai 2012 sei nicht früher als am 26. Mai 2012 in den Machtbereich der Beschwerdeführerin BGE 141 III 101 S. 102 gelangt und gelte daher nach der Empfangstheorie erst dann im Sinne von Art. 271a Abs. 1 OR als "ausgesprochen"; am 26. Mai 2012 sei das von der Beschwerdeführerin angehobene Schlichtungsverfahren bereits rechtshängig gewesen.
BGE 141 III 101 S. 102
Art. 271a Abs. 1 OR Indessen verlangte die Vorinstanz als weitere Voraussetzung für die Anfechtbarkeit der Kündigung, dass der Vermieter im Zeitpunkt der Kündigungsaussprache Kenntnis von der Hängigkeit des Verfahrens hat oder haben könnte. Beides verneinte sie, weshalb die Kündigung nicht als treuwidrig im Sinne von Art. 271a Abs. 1 lit. d OR zu betrachten sei.
Art. 271a Abs. 1 lit. d OR 2.2 Art. 271a Abs. 1 lit. d und e OR regeln den zeitlichen Kündigungsschutz während bzw. nach Abschluss eines mietrechtlichen Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens. Nach Art. 271a Abs. 1 lit. d OR ist eine durch den Vermieter ausgesprochene Kündigung anfechtbar, wenn sie während eines mit dem Mietverhältnis zusammenhängenden Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens ausgesprochen wird, ausser wenn der Mieter das Verfahren missbräuchlich eingeleitet hat. Dieser Anfechtungsgrund gilt für alle Schlichtungs- und Gerichtsverfahren, selbst Schiedsgerichtsverfahren, sofern sie mit der Mietsache zusammenhängen. Ausgenommen sind bloss die in Art. 271a Abs. 3 OR ausdrücklich genannten Streitigkeiten. Die Vermieterkündigung, die in diesem Zeitraum erfolgt, ist unabhängig davon anfechtbar, ob sie tatsächlich missbräuchlich ist ( BGE 131 III 33 E. 3.1 ff.).
2.2 Art. 271a Abs. 1 lit. d und e OR Art. 271a Abs. 1 lit. d OR Art. 271a Abs. 3 OR 2.3 Die Frage, ob die Anfechtbarkeit der Kündigung nach Art. 271a Abs. 1 lit. d OR die Kenntnis des Vermieters vom hängigen Verfahren voraussetzt, hat das Bundesgericht bisher nicht entschieden. In einem neueren Entscheid hielt es jedoch fest, die Kündigungssperrfrist nach Art. 271a Abs. 1 lit. d OR beginne grundsätzlich mit der Klageanhebung und ende mit der rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens (Urteil 4A_588/2013 vom 15. April 2014 E. 2.3). Nicht explizit geäussert hat es sich zur Frage, ob die Anfechtbarkeit der Kündigung zusätzlich von der Kenntnis des Vermieters vom hängigen Verfahren abhängig zu machen ist.
2.3 Art. 271a Abs. 1 lit. d OR Art. 271a Abs. 1 lit. d OR 2.4 Die Lehrmeinungen dazu sind geteilt:
2.4 PETER HIGI befürwortet die Frage und begründet dies damit, dass die Norm die widerlegbare Vermutung aufstelle, dass eine Kündigung während eines hängigen Verfahrens aus dem unlauteren Motiv der "Rache" erfolge. Diese Vermutung könne aber nur dann BGE 141 III 101 S. 103 einigermassen plausibel erscheinen, wenn der Vermieter im Zeitpunkt der Kündigungsaussprache Kenntnis von der Hängigkeit des Verfahrens habe oder als vernünftiger und korrekter Mensch haben könnte (Zürcher Kommentar, 4. Aufl. 1996, N. 233, 246 f. und 249 zu Art. 271a OR ; gleicher Meinung: RAYMOND BISANG UND ANDERE, Das schweizerische Mietrecht, Kommentar, 3. Aufl. 2008, N. 37 zu Art. 271a OR ; RICHARD BARBEY, Commentaire du droit du bail, 1991, N. 128 zu Art. 271-271a OR ).
BGE 141 III 101 S. 103
Art. 271a OR Art. 271a OR Art. 271-271a OR Andere Autoren lehnen diese Meinung ab und setzen demnach die Kenntnis des Vermieters vom hängigen Verfahren nicht voraus, dies primär aus Praktikabilitäts- und Rechtssicherheitsgründen und weil diese Lösung im Widerspruch zum Wortlaut des Gesetzes stehe (LACHAT, Le bail à loyer, 2008, S. 747 Fn. 756; ebenso LACHAT/THANEI, in: Das Mietrecht für die Praxis, Lachat und andere [Hrsg.], 8. Aufl. 2009, S. 618 Fn. 154; ohne Begründung: CONOD/BOHNET, Droit du bail, 2014, S. 209 Rz. 961; gl. Meinung wohl auch ROGER WEBER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, 5. Aufl. 2011, N. 24 zu Art. 271/271a OR; vgl. auch RICHARD PERMANN, Kommentar zum Mietrecht, 2. Aufl. 2007, N. 39 f. zu Art. 271a OR ).
Art. 271a OR 2.5 Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen. Es können auch die Gesetzesmaterialien beigezogen werden, wenn sie auf die streitige Frage eine klare Antwort geben und dem Richter damit weiterhelfen ( BGE 140 III 206 E. 3.5.4, BGE 140 III 289 E. 2.1, 315 E. 5.2.1; BGE 131 III 33 E. 2 mit Hinweisen).
2.5 2.6 Der Wortlaut von Art. 271a Abs. 1 lit. d OR umschreibt die Zeitspanne des zeitlichen Kündigungsschutzes unscharf mit "während eines (...) Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens". Die frühere Diskussion in der Lehre darüber, ob für den Beginn der Kündigungssperrfrist die Klageanhebung durch Einreichung des Schlichtungsgesuchs bei der Schlichtungsbehörde bzw. bei der Schweizerischen BGE 141 III 101 S. 104 Post zuhanden derselben oder der Eintritt der Rechtshängigkeit massgeblich ist, wurde mit dem Inkrafttreten der ZPO obsolet, ist doch seither schweizweit klar, dass die Rechtshängigkeit mit der Einreichung des Schlichtungsgesuchs eintritt ( Art. 62 Abs. 1 ZPO ; vgl. dazu WEBER, a.a.O., N. 24 zu Art. 271/271a OR). Das Bundesgericht präzisierte in dem bereits zitierten Entscheid 4A_588/2013 vom 15. April 2014 E. 2.3, dass die Kündigungssperrfrist nach Art. 271a Abs. 1 lit. d OR grundsätzlich mit der Klageanhebung beginnt und mit der rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens endet. Der Wortlaut der Bestimmung bietet keine Handhabe, den Beginn der Sperrfrist auf den Zeitpunkt hinauszuschieben, in dem der Vermieter über das hängige Verfahren orientiert wird oder nach Treu und Glauben davon Kenntnis haben könnte. Im Gegenteil: Der Wortlaut spricht mit dem Ausdruck "während" ("pendant", "durante") die ganze Dauer der Rechtshängigkeit an, ohne für deren Beginn die Kenntnis des Vermieters von der Einleitung des Verfahrens vorauszusetzen.
2.6 Art. 271a Abs. 1 lit. d OR BGE 141 III 101 S. 104
Art. 62 Abs. 1 ZPO Art. 271a Abs. 1 lit. d OR 2.7 Sinn und Zweck von Art. 271a Abs. 1 lit. d OR liegen darin zu verhindern, dass die Vermieterschaft ein ihr missliebiges Gerichtsverfahren durch Kündigung des Mietverhältnisses beendigen kann ( BGE 131 III 33 E. 3.2 mit Hinweisen). Der zeitliche Kündigungsschutz nach Art. 271a Abs. 1 lit. d und e OR gewährleistet dem Mieter, dass er seine mietrechtlichen Ansprüche bei der Schlichtungsbehörde oder dem Gericht geltend machen kann, ohne befürchten zu müssen, dass der Vermieter ihm deshalb kündigt (Urteil 4C.432/2006 vom 8. Mai 2007 E. 4.4, übersetzt in: Mietrecht aktuell [MRA] 3/2007 S. 84). Dieser Schutzgedanke spricht gegen eine einschränkende Auslegung der zeitlichen Kündigungssperre.
2.7 Art. 271a Abs. 1 lit. d OR Art. 271a Abs. 1 lit. d und e OR Wohl unterliegt die Kündigung durch den Vermieter während der Sperrfrist der gesetzlichen Vermutung, dass sie zweckfremd zur Vergeltung eingesetzt wurde (Botschaft vom 27. März 1985 zur Revision des Miet- und Pachtrechts, BBl 1985 I 1389 ff., 1460 zu Art. 271a Abs. 1 lit. c). Die Vorinstanz hebt mit den entsprechenden Lehrmeinungen denn auch zutreffend hervor, dass diese gesetzliche Vermutung dann keine reale Grundlage haben kann, wenn der Vermieter vom angehobenen Verfahren gar keine Kenntnis hat oder haben könnte. Diesfalls kann ihm nicht unterstellt werden, er habe wegen eines missliebigen Gerichtsverfahrens gekündigt. Nun muss ein solches Vergeltungsmotiv aber auch bei entsprechender Kenntnis nicht stets vorhanden sein. Trotzdem wird es vom Gesetzgeber mit den zeitlichen Kündigungsschutzbestimmungen fingiert. Gerade BGE 141 III 101 S. 105 bei den Sperrfristen manifestiert das Gesetz, dass es weit eher von positiven Loyalitätskriterien und vom Sozialschutzgedanken denn vom negativ geprägten Missbrauchsbegriff getragen ist, reicht doch der Kündigungsschutz über jenen vor offensichtlichem Rechtsmissbrauch, ja selbst über die umfassende Wahrung von Treu und Glauben, hinaus ( BGE 131 III 33 E. 3.2). Vor dem Hintergrund dieser zweckmässigen Ausrichtung hat das Bundesgericht denn auch erkannt, dass die Vermieterkündigung, die während eines Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens im Sinne von Art. 271a Abs. 1 lit. d OR erfolgt, unabhängig davon anfechtbar ist, ob sie tatsächlich missbräuchlich ist ( BGE 131 III 33 ). Entsprechend kann für die zeitliche Fixierung der Sperrfrist auch nicht ausschlaggebend sein, ob das vermutete Rachemotiv beim Vermieter tatsächlich vorliegt bzw. aufgrund entsprechender Kenntnis überhaupt vorliegen kann.
BGE 141 III 101 S. 105
Art. 271a Abs. 1 lit. d OR 2.8 Diese Auslegung wird durch eine systematische Betrachtung der Bestimmung von Art. 271a OR bestärkt. Diese regelt nämlich auch den gebotenen Ausgleich mit den Interessen des Vermieters. So schliesst Art. 271a Abs. 1 lit. d zweiter Halbsatz OR die Berufung auf diese Norm aus, wenn der Mieter das Verfahren missbräuchlich eingeleitet hat. Auch mit den Ausnahmen nach Art. 271a Abs. 3 OR trägt das Gesetz den Vermieterinteressen Rechnung. Der Gesetzgeber listet in Art. 271a Abs. 1 und 2 OR jene Fälle auf, in denen die Missbräuchlichkeit der Kündigung zu vermuten ist. In Absatz 3 zählt es dann jene Fälle abschliessend auf, bei deren Vorliegen die gesetzlichen Vermutungen des zeitlichen Kündigungsschutzes widerlegt sind bzw. Ausnahmen vom zeitlichen Kündigungsschutz bestehen. Es sind dies dringender Eigenbedarf des Vermieters (lit. a), Zahlungsrückstand des Mieters (lit. b), schwere Verletzung der Pflicht des Mieters zu Sorgfalt und Rücksichtnahme (lit. c), Veräusserung der Sache (lit. d), wichtige Gründe im Sinne von Art. 266g OR, welche die Vertragserfüllung für die Vermieterschaft unzumutbar machen (lit. e) oder Konkurs des Mieters (lit. f). Trotz der grundsätzlich abschliessenden Aufzählung der Ausnahmen in Absatz 3 anerkennt das Bundesgericht die Zulässigkeit einer Kündigung während eines hängigen Verfahrens oder innerhalb der dreijährigen Sperrfrist, wenn der Vermieter mit der erneuten Kündigung nicht die Absicht bekundet, sich am Mieter zu rächen, sondern lediglich die in einem früheren Verfahren aus formellen Gründen (insb. Formmangel) als nichtig oder unwirksam erkannte Kündigung "wiederholt". In einem solchen Fall bringt der Vermieter bloss den früher BGE 141 III 101 S. 106 schon bestehenden Kündigungswillen zum Ausdruck (Urteile 4C.252/2002 vom 8. November 2002 E. 3.1; 4C.432/2006 vom 8. Mai 2007 E. 4.4, übersetzt in: MRA 3/2007 S. 84, bestätigt im Urteil 4A_588/2013 vom 15. April 2014 E. 2.3). Davon abgesehen besteht kein Grund, den zeitlichen Kündigungsschutz über die gesetzlich bestimmten Ausnahmefälle hinaus weiter in dem Sinn einzuschränken, dass er erst zum Tragen kommt, wenn der Vermieter Kenntnis von einem angehobenen Verfahren hat oder nach Treu und Glauben haben könnte, zumal das Bundesgericht bereits entschieden hat, dass die Vermieterkündigung während eines hängigen Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens grundsätzlich unabhängig davon anfechtbar ist, ob sie tatsächlich missbräuchlich ist ( BGE 131 III 33 ).
2.8 Art. 271a OR Art. 271a Abs. 3 OR Art. 271a Abs. 1 und 2 OR Art. 266g OR BGE 141 III 101 S. 106
2.9 Gegen eine zusätzliche Voraussetzung für die Anfechtbarkeit der Kündigung, dass der Vermieter Kenntnis vom Verfahren hat oder haben könnte, wird vom entsprechenden Teil der Lehre (vgl. E. 2.4 in fine) schliesslich mit Recht ins Feld geführt, dass eine solche Lösung wenig praktikabel wäre und der Rechtssicherheit entgegenstünde. Demgegenüber wird mit der "Klageanhebung" an einen leicht bestimmbaren Zeitpunkt angeknüpft, was der Rechtssicherheit dient.
2.9 2.10 Zusammenfassend folgt, dass der zeitliche Kündigungsschutz nach Art. 271a Abs. 1 lit. d OR mit der Klageanhebung bis zur rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens greift, unabhängig davon, wann der Vermieter über das Verfahren orientiert wurde oder davon nach Treu und Glauben hätte wissen können. Indem die Vorinstanz gegenteilig entschied, verletzte sie Art. 271a Abs. 1 lit. d OR.
2.10 Art. 271a Abs. 1 lit. d OR Art. 271a Abs. 1 lit. d OR
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Urteilskopf 141 III 106 16. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. S.R.L (Rechtsnachfolgerin der A2. SRL) gegen B. AG (Rechtsnachfolgerin der B2. AG) und vice versa (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_232/2014 / 4A_610/2014 vom 30. März 2015 Regeste Rechte der Bestellerin, wenn ein in einem Werkvertrag vereinbarter Zwischentermin nicht eingehalten wird ( Art. 366 Abs. 1 OR ). Darf die Bestellerin, wenn gemäss Werkvertrag mehrere Leistungen geschuldet sind, auch auf diejenigen Leistungen verzichten, mit denen die Unternehmerin sich nicht im Rückstand befindet (E. 16)? Erwägungen ab Seite 107 BGE 141 III 106 S. 107 Aus den Erwägungen: 16. Umstritten ist weiter, ob die Klägerin (B. AG, Rechtsnachfolgerin der Bestellerin) berechtigt war, auf sämtliche werkvertraglichen Leistungen zu verzichten oder nur auf den Fassadenteil Holz/Metall. 16.1 Die Vorinstanz nahm an, die Voraussetzungen für einen Gesamtverzicht seien erfüllt. Einerseits handle es sich bei der Holz/Metall-Fassade und der Pfosten/Riegel-Fassade nicht um teilbare Vertragsteile. Dafür spreche die ursprüngliche Absicht der Bestellerin; diese habe von Anfang an für beide Fassadenteile nur einen einzigen Unternehmer beauftragen wollen, weswegen schon die Ausschreibung einheitlich erfolgt sei. Beide Fassadenteile seien dann auch im Werkvertrag unter dem Titel "Fassadenbau" unter BKP 215.2 zusammengefasst worden. Sodann sei auch der Endtermin für beide Fassadenteile - trotz unterschiedlicher Zwischentermine - einheitlich festgelegt und ein Pauschalpreis vereinbart worden. In einer Eventualbegründung war die Vorinstanz sodann der Auffassung, selbst bei Bejahung der Teilbarkeit wäre der Klägerin eine Weiterführung des Vertragsverhältnisses für die Pfosten/Riegel-Fassade auch nicht zumutbar gewesen. Für die Unzumutbarkeit sprächen die eingetretenen Verzögerungen, die auf der Baustelle fehlenden Ressourcen (Arbeitskräfte, nicht vorhandenes Material) sowie die nicht vorhandenen Ausführungspläne und andererseits die festgestellten massiven Mängel in der Holz/Metall-Fassade, welche auch für die Pfosten/Riegel-Fassade in jenem Zeitpunkt "nichts Gutes ahnen" liessen. Dass auch die Pfosten/Riegel-Fassade mangelhaft war, habe die Klägerin zwar in jenem Zeitpunkt noch nicht gewusst, sei jedoch nachträglich im Rahmen der Arbeiten der E. AG ebenfalls festgestellt worden. Schliesslich hätte ein blosser Teilverzicht bei der Klägerin zu zusätzlichem Koordinationsaufwand mit Kostenfolgen geführt. Diese Interessen überwögen im Vergleich zu den finanziellen BGE 141 III 106 S. 108 Interessen der Beklagten (A. S.R.L., Rechtsnachfolgerin der Unternehmerin). 16.2 Das Bundesgericht hat sich bis anhin unter dem Titel von Art. 366 Abs. 1 OR nicht dazu geäussert, ob die Bestellerin allenfalls nur Anspruch auf einen Verzicht der (nicht rechtzeitig ausgeführten) Teilleistung hat, wenn die Unternehmerin mit einem anderen Teil der Leistung nicht in Verzug ist, oder ob sie auch in diesem Fall auf die gesamte Leistung verzichten darf. Zu prüfen ist also, ob die Klägerin insgesamt auf die künftigen Leistungen verzichten konnte, obwohl in Bezug auf die Pfosten/Riegel-Fassade kein Verzug festgestellt wurde. Diese besondere Fallgestaltung ist am ehesten vergleichbar mit der Situation bei Sukzessivlieferungsverträgen bzw. beim Verzug mit Zahlungsraten. Dazu hat das Bundesgericht entschieden, dass der Gläubiger nur für die bereits verfallenen Raten nach Art. 107 OR vorgehen kann. Von diesem Grundsatz dürfe ausnahmsweise abgewichen werden, wenn auch die künftige Vertragserfüllung als gefährdet erscheine oder wenn der Gläubiger aufgrund einer besonderen Vertragsbestimmung auch mit Bezug auf nicht verfallene Raten zur Ausübung der Rechte nach Art. 107/109 OR ermächtigt ist ( BGE 119 II 135 E. 3 S. 139 f.). In der Lehre wird dazu zutreffend festgestellt, dass dies nur dann gelten könne, wenn es sich um eine Sukzessivlieferung oder sonstige Teillieferungen handle (WOLFGANG WIEGAND, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. l, 5. Aufl. 2011, N. 21 zu Art. 107 OR ; GAUCH/SCHLUEP UND ANDERE, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 10. Aufl. 2014, S. 141 f. Rz. 2814; vgl. auch EUGEN BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1988, S. 382 f.; ROLF H. WEBER, Berner Kommentar, 2000, N. 219 zu Art. 107 OR ). Eine Leistung ist teilbar, wenn sie ohne Wertverminderung zerlegbar ist. Teilbarkeit im technischen Sinn ist also vorausgesetzt, jedoch nicht hinreichend. Massgeblich sind letztlich Vertragszweck und Interessenlage (BUCHER, a.a.O., S. 382 Fn. 216; vgl. auch BGE 75 II 137 E. 4 S. 140 ff.; Urteil 4C.291/1993 vom 18. März 1994 E. 3a mit Hinweisen). In der Lehre wird die Auffassung vertreten, es könnten analog die Kriterien von Art. 209 OR - Wandelung bei einer Mehrheit von Sachen (die Wandelung ist grundsätzlich nur hinsichtlich der fehlerhaften Stücke zulässig, eine Gesamtwandelung ist ausnahmsweise statthaft, wenn der Gesamtwert der Sachmehrheit höher ist als die Summe der aufaddierten Teilwerte oder wenn der Käufer an den fehlerfreien Stücken der teilweise mangelbehafteten Lieferung BGE 141 III 106 S. 109 kein Interesse mehr hat, namentlich weil das Aussortieren der fehlerhaften Ware mit einem unzumutbaren Aufwand verbunden wäre; vgl. Urteil des Bundesgerichts 4C.152/2003 vom 29. August 2003 E. 2.2 mit Hinweisen) - angewendet werden (BUCHER, a.a.O., S. 382 Fn. 218 mit Hinweisen; im gleichen Sinn die deutsche Rechtsprechung und Lehre: Urteil des BGH vom 7. März 1990 E. lll.1b/bb, in: Neue Juristische Wochenschrift [NJW] 1990 S. 3011 ff., 3012 f.; WOLFGANG ERNST, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 2, Schuldrecht, Allgemeiner Teil: §§ 241-432, 6. Aufl. 2012, N. 201 zu § 323 BGB). 16.2.1 Technische Teilbarkeit ist vorliegend zu bejahen. Das ergibt sich bereits daraus, dass verschiedene Zwischentermine bestimmt wurden. Das zeigt, dass beide Fassadenteile unabhängig voneinander produziert und montiert werden konnten. Bestätigt wird dies auch durch die von der Klägerin selbst gewählte Vorgehensweise bei der Begutachtung hinsichtlich der Mängel, die sie auf die Holz/Metall-Fassade beschränkte. Beide Fassadenteile hätten auch durch zwei verschiedene Unternehmer geliefert werden können. Auch die Gegenleistung war teilbar, unabhängig davon, dass ein Pauschalpreis vereinbart wurde, zumal die Vorinstanz selbst den Gutachter F. zitiert, wonach der Anteil für die Pfosten/Riegel-Fassade Fr. 1'674'932.86 betragen habe. Im Hinblick auf die Interessenlage und den Vertragszweck kann beispielsweise dann eine Einheit angenommen werden, wenn die Zusammenfassung erfolgte trotz anderweitiger günstigerer Angebote. Dies legt nahe, die Bestellerin verfolge mit der Zusammenfassung einen besonderen Zweck. So schloss der (deutsche) Bundesgerichtshof auf ein einheitliches Geschäft - wobei er die Rechtsnatur (Kauf-, Werk- bzw. Werklieferungsvertrag) offenliess - im Fall einer Lieferung von Soft- und Hardware, weil die Bestellerin/Käuferin trotz anderweitiger günstigerer Angebote allein deshalb bei der gleichen Vertragspartei alle Leistungen bezog, weil sie das Geschäft in eine Hand gelegt wissen wollte und auf diese Motivation im Zuge der Vertragsverhandlungen auch ausdrücklich hinwies (Urteil des BGH vom 23. Januar 1996 E. II.2a, in: Neue Juristische Wochenschrift [NJW] 1996 S. 1745 ff., 1747). Andererseits führt die beabsichtigte gemeinschaftliche Verwendung verschiedener Vertragsteile (noch) nicht zur Annahme eines einheitlichen Vertrages (zit. Urteil des BGH vom 7. März 1990, E. lll.1b/bb S. 3012). Nichts Entscheidendes ergibt sich daher entgegen der Vorinstanz daraus, dass beide Fassadenteile in einem BGE 141 III 106 S. 110 Gesamtvertrag zusammengefasst wurden, unter einem BKP (215.2 "Fassadenbau") und mit einem gleichen Endtermin. Vorliegend hat die Vorinstanz ausgeführt, die Klägerin habe zur Begründung für die massiv höheren Kosten der Ersatzvornahme im Vergleich zum Werkpreis u.a. darauf hingewiesen, die Beklagte sei bei der Offertstellung der preisgünstigste Anbieter gewesen. Das genügt nicht, um einen nicht teilbaren, einheitlichen Vertrag anzunehmen. Fachgebiet der Beklagten waren Pfosten/Riegel-Fassaden (vgl. unten E.16.2.2). Es ist nicht anzunehmen, die Klägerin hätte die Holz/Metall-Fassade selbst dann bei der - hierfür nicht qualifizierten (vgl. unten E. 16.2.2) - Beklagten bestellt, wenn diese nicht billiger gewesen wäre. Ebenso wenig kann ohne Anhaltspunkte zum konkret verfolgten Zweck genügen, dass es bei einem Werkvertrag zur Erstellung einer Baute generell für die Bestellerin einfacher ist, möglichst viele Werkleistungen zusammenzufassen. Der Wille, einen nicht teilbaren Vertrag abzuschliessen, kann daher entgegen der Vorinstanz nicht allein aus der einheitlichen Ausschreibung abgeleitet werden. Es ist daher von einer teilbaren Leistung auszugehen. 16.2.2 Ob eine unzumutbare Gefährdung vorliegt, ist nach den Umständen zu beurteilen, namentlich im Hinblick auf die Gründe der erfolgten Pflichtverletzung (WEBER, a.a.O., N. 219 zu Art.107 OR ; OTTO/SCHWARZE, in: J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch [...], 2009, N. B157 zu § 323 BGB). Die Vorinstanz stellte unter Bezug auf die Zeugen P. und L. sowie das Gutachten J. fest, die Beklagte sei Stahlbauer; ihr Fachgebiet seien Pfosten/Riegel; sie habe keine Erfahrungen betreffend Holz/Metall-Fassaden gehabt und habe diese zugestandenermassen durch ein Drittunternehmen produzieren lassen. Die Beklagte kam mit jenem Fassadenteil in Verzug, wo sie keine Erfahrung besass und wo sie auf ihren Drittlieferanten angewiesen war. Der Zeuge L., auf den sich die Vorinstanz bezog, gab denn auch an, im Zeitpunkt der Lieferung der Holz/Metall-Elemente habe der Rückstand (bereits) ca. ein bis zwei Wochen betragen. Es ist daher entgegen der Vorinstanz nicht zulässig, aufgrund des Verzugs und der Mängel bei der Holz/Metall-Fassade telquel auf eine Gefährdung auch in Bezug auf die Pfosten/ Riegel-Fassade zu schliessen, die das Fachgebiet der Beklagten betraf und wo sie die Fassadenelemente selber herstellte. Namentlich hatte die Klägerin im Zeitpunkt des Leistungsverzichts keinen Grund zur Annahme, auch die Pfosten/Riegel-Fassade würde erhebliche, innert der Restvertragszeit nicht mehr behebbare Mängel aufweisen. BGE 141 III 106 S. 111 Und davon ging sie auch tatsächlich nicht aus, ansonsten sie auch diesbezüglich eine vorsorgliche Beweisaufnahme verlangt hätte. Die Begründung der Vorinstanz ist im Übrigen widersprüchlich. Hätte aufgrund der Verzögerungen bzw. des Verzugs mit der Holz/Metall- Fassade auch mit einem (künftigen) Verzug bei der Pfosten/Riegel-Fassade gerechnet werden müssen, hätte die Vorinstanz konsequenterweise auch diesbezüglich die Voraussetzungen von Art. 366 Abs. 1 OR bejahen müssen, nämlich im Sinn der dritten Tatbestandsvariante dieser Bestimmung - dass die rechtzeitige Beendigung nicht mehr voraussehbar war. 16.2.3 Im Werkvertragsrecht besteht insofern eine besondere Interessenlage, als der Unternehmer das Werk typischerweise nach den individuellen Wünschen des Bestellers fertigt und es daher nur eine beschränkte Verkehrstauglichkeit aufweist. Ein Gesamtverzicht ist daher für den Unternehmer regelmässig mit erheblichen Nachteilen verbunden. Mit Blick auf Art. 368 Abs. 1 OR, der die Wandelung beim Werkvertrag gegenüber dem Kauf ( Art. 205 Abs. 1 OR ) erschwert, wird in der Lehre (vgl. ALFRED KOLLER, Berner Kommentar, 1998, N. 369 zu Art. 366 OR, auf den sich die Vorinstanz selbst bezieht) daher geschlossen, ein Gesamtverzicht dürfe dem Unternehmer im Rahmen einer Interessenabwägung nicht ohne Weiteres aufgebürdet werden. 16.2.4 Im zu beurteilenden Fall überwiegen die mit einem Gesamtverzicht verbundenen Nachteile gegenüber dem von der Vorinstanz ebenfalls erwähnten zusätzlichen Koordinationsaufwand der Klägerin, zumal dieser nicht weiter substanziiert wurde. Die Klägerin war demzufolge nicht berechtigt, auch hinsichtlich der Pfosten/Riegel-Fassade auf die künftige Leistung gemäss Art. 366 Abs. 1 zu verzichten. Sind die Voraussetzungen von Art. 366 Abs. 1 OR nicht gegeben, gilt die Erklärung des Bestellers als Rücktrittserklärung gemäss Art. 377 OR, sofern der Besteller den Vertrag auf jeden Fall beenden wollte ( BGE 98 II 113 E. 2 S. 115; KOLLER, a.a.O., N. 239 und 323 zu Art. 366 OR mit weiteren Hinweisen; PETER GAUCH, Der Werkvertrag, 5. Aufl. 2011, S. 266 Rz. 667). Die Sache ist demnach an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie hinsichtlich der Pfosten/Riegel-Fassade die Ansprüche gestützt auf Art. 377 OR prüft.
Urteilskopf
16. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. S.R.L (Rechtsnachfolgerin der A2. SRL) gegen B. AG (Rechtsnachfolgerin der B2. AG) und vice versa (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_232/2014 / 4A_610/2014 vom 30. März 2015
Regeste Rechte der Bestellerin, wenn ein in einem Werkvertrag vereinbarter Zwischentermin nicht eingehalten wird ( Art. 366 Abs. 1 OR ). Darf die Bestellerin, wenn gemäss Werkvertrag mehrere Leistungen geschuldet sind, auch auf diejenigen Leistungen verzichten, mit denen die Unternehmerin sich nicht im Rückstand befindet (E. 16)?
Regeste
Rechte der Bestellerin, wenn ein in einem Werkvertrag vereinbarter Zwischentermin nicht eingehalten wird ( Art. 366 Abs. 1 OR ). Darf die Bestellerin, wenn gemäss Werkvertrag mehrere Leistungen geschuldet sind, auch auf diejenigen Leistungen verzichten, mit denen die Unternehmerin sich nicht im Rückstand befindet (E. 16)?
Art. 366 Abs. 1 OR Darf die Bestellerin, wenn gemäss Werkvertrag mehrere Leistungen geschuldet sind, auch auf diejenigen Leistungen verzichten, mit denen die Unternehmerin sich nicht im Rückstand befindet (E. 16)?
Erwägungen ab Seite 107
Erwägungen ab Seite 107 BGE 141 III 106 S. 107
BGE 141 III 106 S. 107
Aus den Erwägungen:
16. Umstritten ist weiter, ob die Klägerin (B. AG, Rechtsnachfolgerin der Bestellerin) berechtigt war, auf sämtliche werkvertraglichen Leistungen zu verzichten oder nur auf den Fassadenteil Holz/Metall.
16. 16.1 Die Vorinstanz nahm an, die Voraussetzungen für einen Gesamtverzicht seien erfüllt. Einerseits handle es sich bei der Holz/Metall-Fassade und der Pfosten/Riegel-Fassade nicht um teilbare Vertragsteile. Dafür spreche die ursprüngliche Absicht der Bestellerin; diese habe von Anfang an für beide Fassadenteile nur einen einzigen Unternehmer beauftragen wollen, weswegen schon die Ausschreibung einheitlich erfolgt sei. Beide Fassadenteile seien dann auch im Werkvertrag unter dem Titel "Fassadenbau" unter BKP 215.2 zusammengefasst worden. Sodann sei auch der Endtermin für beide Fassadenteile - trotz unterschiedlicher Zwischentermine - einheitlich festgelegt und ein Pauschalpreis vereinbart worden.
16.1 In einer Eventualbegründung war die Vorinstanz sodann der Auffassung, selbst bei Bejahung der Teilbarkeit wäre der Klägerin eine Weiterführung des Vertragsverhältnisses für die Pfosten/Riegel-Fassade auch nicht zumutbar gewesen. Für die Unzumutbarkeit sprächen die eingetretenen Verzögerungen, die auf der Baustelle fehlenden Ressourcen (Arbeitskräfte, nicht vorhandenes Material) sowie die nicht vorhandenen Ausführungspläne und andererseits die festgestellten massiven Mängel in der Holz/Metall-Fassade, welche auch für die Pfosten/Riegel-Fassade in jenem Zeitpunkt "nichts Gutes ahnen" liessen. Dass auch die Pfosten/Riegel-Fassade mangelhaft war, habe die Klägerin zwar in jenem Zeitpunkt noch nicht gewusst, sei jedoch nachträglich im Rahmen der Arbeiten der E. AG ebenfalls festgestellt worden. Schliesslich hätte ein blosser Teilverzicht bei der Klägerin zu zusätzlichem Koordinationsaufwand mit Kostenfolgen geführt. Diese Interessen überwögen im Vergleich zu den finanziellen BGE 141 III 106 S. 108 Interessen der Beklagten (A. S.R.L., Rechtsnachfolgerin der Unternehmerin).
BGE 141 III 106 S. 108
16.2 Das Bundesgericht hat sich bis anhin unter dem Titel von Art. 366 Abs. 1 OR nicht dazu geäussert, ob die Bestellerin allenfalls nur Anspruch auf einen Verzicht der (nicht rechtzeitig ausgeführten) Teilleistung hat, wenn die Unternehmerin mit einem anderen Teil der Leistung nicht in Verzug ist, oder ob sie auch in diesem Fall auf die gesamte Leistung verzichten darf. Zu prüfen ist also, ob die Klägerin insgesamt auf die künftigen Leistungen verzichten konnte, obwohl in Bezug auf die Pfosten/Riegel-Fassade kein Verzug festgestellt wurde. Diese besondere Fallgestaltung ist am ehesten vergleichbar mit der Situation bei Sukzessivlieferungsverträgen bzw. beim Verzug mit Zahlungsraten. Dazu hat das Bundesgericht entschieden, dass der Gläubiger nur für die bereits verfallenen Raten nach Art. 107 OR vorgehen kann. Von diesem Grundsatz dürfe ausnahmsweise abgewichen werden, wenn auch die künftige Vertragserfüllung als gefährdet erscheine oder wenn der Gläubiger aufgrund einer besonderen Vertragsbestimmung auch mit Bezug auf nicht verfallene Raten zur Ausübung der Rechte nach Art. 107/109 OR ermächtigt ist ( BGE 119 II 135 E. 3 S. 139 f.). In der Lehre wird dazu zutreffend festgestellt, dass dies nur dann gelten könne, wenn es sich um eine Sukzessivlieferung oder sonstige Teillieferungen handle (WOLFGANG WIEGAND, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. l, 5. Aufl. 2011, N. 21 zu Art. 107 OR ; GAUCH/SCHLUEP UND ANDERE, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 10. Aufl. 2014, S. 141 f. Rz. 2814; vgl. auch EUGEN BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1988, S. 382 f.; ROLF H. WEBER, Berner Kommentar, 2000, N. 219 zu Art. 107 OR ). Eine Leistung ist teilbar, wenn sie ohne Wertverminderung zerlegbar ist. Teilbarkeit im technischen Sinn ist also vorausgesetzt, jedoch nicht hinreichend. Massgeblich sind letztlich Vertragszweck und Interessenlage (BUCHER, a.a.O., S. 382 Fn. 216; vgl. auch BGE 75 II 137 E. 4 S. 140 ff.; Urteil 4C.291/1993 vom 18. März 1994 E. 3a mit Hinweisen). In der Lehre wird die Auffassung vertreten, es könnten analog die Kriterien von Art. 209 OR - Wandelung bei einer Mehrheit von Sachen (die Wandelung ist grundsätzlich nur hinsichtlich der fehlerhaften Stücke zulässig, eine Gesamtwandelung ist ausnahmsweise statthaft, wenn der Gesamtwert der Sachmehrheit höher ist als die Summe der aufaddierten Teilwerte oder wenn der Käufer an den fehlerfreien Stücken der teilweise mangelbehafteten Lieferung BGE 141 III 106 S. 109 kein Interesse mehr hat, namentlich weil das Aussortieren der fehlerhaften Ware mit einem unzumutbaren Aufwand verbunden wäre; vgl. Urteil des Bundesgerichts 4C.152/2003 vom 29. August 2003 E. 2.2 mit Hinweisen) - angewendet werden (BUCHER, a.a.O., S. 382 Fn. 218 mit Hinweisen; im gleichen Sinn die deutsche Rechtsprechung und Lehre: Urteil des BGH vom 7. März 1990 E. lll.1b/bb, in: Neue Juristische Wochenschrift [NJW] 1990 S. 3011 ff., 3012 f.; WOLFGANG ERNST, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 2, Schuldrecht, Allgemeiner Teil: §§ 241-432, 6. Aufl. 2012, N. 201 zu § 323 BGB).
16.2 Art. 366 Abs. 1 OR Art. 107 OR Art. 107 OR Art. 107 OR BGE 75 II 137 Art. 209 OR BGE 141 III 106 S. 109
16.2.1 Technische Teilbarkeit ist vorliegend zu bejahen. Das ergibt sich bereits daraus, dass verschiedene Zwischentermine bestimmt wurden. Das zeigt, dass beide Fassadenteile unabhängig voneinander produziert und montiert werden konnten. Bestätigt wird dies auch durch die von der Klägerin selbst gewählte Vorgehensweise bei der Begutachtung hinsichtlich der Mängel, die sie auf die Holz/Metall-Fassade beschränkte. Beide Fassadenteile hätten auch durch zwei verschiedene Unternehmer geliefert werden können. Auch die Gegenleistung war teilbar, unabhängig davon, dass ein Pauschalpreis vereinbart wurde, zumal die Vorinstanz selbst den Gutachter F. zitiert, wonach der Anteil für die Pfosten/Riegel-Fassade Fr. 1'674'932.86 betragen habe.
16.2.1 Im Hinblick auf die Interessenlage und den Vertragszweck kann beispielsweise dann eine Einheit angenommen werden, wenn die Zusammenfassung erfolgte trotz anderweitiger günstigerer Angebote. Dies legt nahe, die Bestellerin verfolge mit der Zusammenfassung einen besonderen Zweck. So schloss der (deutsche) Bundesgerichtshof auf ein einheitliches Geschäft - wobei er die Rechtsnatur (Kauf-, Werk- bzw. Werklieferungsvertrag) offenliess - im Fall einer Lieferung von Soft- und Hardware, weil die Bestellerin/Käuferin trotz anderweitiger günstigerer Angebote allein deshalb bei der gleichen Vertragspartei alle Leistungen bezog, weil sie das Geschäft in eine Hand gelegt wissen wollte und auf diese Motivation im Zuge der Vertragsverhandlungen auch ausdrücklich hinwies (Urteil des BGH vom 23. Januar 1996 E. II.2a, in: Neue Juristische Wochenschrift [NJW] 1996 S. 1745 ff., 1747). Andererseits führt die beabsichtigte gemeinschaftliche Verwendung verschiedener Vertragsteile (noch) nicht zur Annahme eines einheitlichen Vertrages (zit. Urteil des BGH vom 7. März 1990, E. lll.1b/bb S. 3012). Nichts Entscheidendes ergibt sich daher entgegen der Vorinstanz daraus, dass beide Fassadenteile in einem BGE 141 III 106 S. 110 Gesamtvertrag zusammengefasst wurden, unter einem BKP (215.2 "Fassadenbau") und mit einem gleichen Endtermin. Vorliegend hat die Vorinstanz ausgeführt, die Klägerin habe zur Begründung für die massiv höheren Kosten der Ersatzvornahme im Vergleich zum Werkpreis u.a. darauf hingewiesen, die Beklagte sei bei der Offertstellung der preisgünstigste Anbieter gewesen. Das genügt nicht, um einen nicht teilbaren, einheitlichen Vertrag anzunehmen. Fachgebiet der Beklagten waren Pfosten/Riegel-Fassaden (vgl. unten E.16.2.2). Es ist nicht anzunehmen, die Klägerin hätte die Holz/Metall-Fassade selbst dann bei der - hierfür nicht qualifizierten (vgl. unten E. 16.2.2) - Beklagten bestellt, wenn diese nicht billiger gewesen wäre. Ebenso wenig kann ohne Anhaltspunkte zum konkret verfolgten Zweck genügen, dass es bei einem Werkvertrag zur Erstellung einer Baute generell für die Bestellerin einfacher ist, möglichst viele Werkleistungen zusammenzufassen. Der Wille, einen nicht teilbaren Vertrag abzuschliessen, kann daher entgegen der Vorinstanz nicht allein aus der einheitlichen Ausschreibung abgeleitet werden. Es ist daher von einer teilbaren Leistung auszugehen.
BGE 141 III 106 S. 110
16.2.2 Ob eine unzumutbare Gefährdung vorliegt, ist nach den Umständen zu beurteilen, namentlich im Hinblick auf die Gründe der erfolgten Pflichtverletzung (WEBER, a.a.O., N. 219 zu Art.107 OR ; OTTO/SCHWARZE, in: J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch [...], 2009, N. B157 zu § 323 BGB). Die Vorinstanz stellte unter Bezug auf die Zeugen P. und L. sowie das Gutachten J. fest, die Beklagte sei Stahlbauer; ihr Fachgebiet seien Pfosten/Riegel; sie habe keine Erfahrungen betreffend Holz/Metall-Fassaden gehabt und habe diese zugestandenermassen durch ein Drittunternehmen produzieren lassen. Die Beklagte kam mit jenem Fassadenteil in Verzug, wo sie keine Erfahrung besass und wo sie auf ihren Drittlieferanten angewiesen war. Der Zeuge L., auf den sich die Vorinstanz bezog, gab denn auch an, im Zeitpunkt der Lieferung der Holz/Metall-Elemente habe der Rückstand (bereits) ca. ein bis zwei Wochen betragen. Es ist daher entgegen der Vorinstanz nicht zulässig, aufgrund des Verzugs und der Mängel bei der Holz/Metall-Fassade telquel auf eine Gefährdung auch in Bezug auf die Pfosten/ Riegel-Fassade zu schliessen, die das Fachgebiet der Beklagten betraf und wo sie die Fassadenelemente selber herstellte. Namentlich hatte die Klägerin im Zeitpunkt des Leistungsverzichts keinen Grund zur Annahme, auch die Pfosten/Riegel-Fassade würde erhebliche, innert der Restvertragszeit nicht mehr behebbare Mängel aufweisen. BGE 141 III 106 S. 111 Und davon ging sie auch tatsächlich nicht aus, ansonsten sie auch diesbezüglich eine vorsorgliche Beweisaufnahme verlangt hätte.
16.2.2 Art.107 OR BGE 141 III 106 S. 111
Die Begründung der Vorinstanz ist im Übrigen widersprüchlich. Hätte aufgrund der Verzögerungen bzw. des Verzugs mit der Holz/Metall- Fassade auch mit einem (künftigen) Verzug bei der Pfosten/Riegel-Fassade gerechnet werden müssen, hätte die Vorinstanz konsequenterweise auch diesbezüglich die Voraussetzungen von Art. 366 Abs. 1 OR bejahen müssen, nämlich im Sinn der dritten Tatbestandsvariante dieser Bestimmung - dass die rechtzeitige Beendigung nicht mehr voraussehbar war.
Art. 366 Abs. 1 OR 16.2.3 Im Werkvertragsrecht besteht insofern eine besondere Interessenlage, als der Unternehmer das Werk typischerweise nach den individuellen Wünschen des Bestellers fertigt und es daher nur eine beschränkte Verkehrstauglichkeit aufweist. Ein Gesamtverzicht ist daher für den Unternehmer regelmässig mit erheblichen Nachteilen verbunden. Mit Blick auf Art. 368 Abs. 1 OR, der die Wandelung beim Werkvertrag gegenüber dem Kauf ( Art. 205 Abs. 1 OR ) erschwert, wird in der Lehre (vgl. ALFRED KOLLER, Berner Kommentar, 1998, N. 369 zu Art. 366 OR, auf den sich die Vorinstanz selbst bezieht) daher geschlossen, ein Gesamtverzicht dürfe dem Unternehmer im Rahmen einer Interessenabwägung nicht ohne Weiteres aufgebürdet werden.
16.2.3 Art. 368 Abs. 1 OR Art. 205 Abs. 1 OR Art. 366 OR 16.2.4 Im zu beurteilenden Fall überwiegen die mit einem Gesamtverzicht verbundenen Nachteile gegenüber dem von der Vorinstanz ebenfalls erwähnten zusätzlichen Koordinationsaufwand der Klägerin, zumal dieser nicht weiter substanziiert wurde. Die Klägerin war demzufolge nicht berechtigt, auch hinsichtlich der Pfosten/Riegel-Fassade auf die künftige Leistung gemäss Art. 366 Abs. 1 zu verzichten. Sind die Voraussetzungen von Art. 366 Abs. 1 OR nicht gegeben, gilt die Erklärung des Bestellers als Rücktrittserklärung gemäss Art. 377 OR, sofern der Besteller den Vertrag auf jeden Fall beenden wollte ( BGE 98 II 113 E. 2 S. 115; KOLLER, a.a.O., N. 239 und 323 zu Art. 366 OR mit weiteren Hinweisen; PETER GAUCH, Der Werkvertrag, 5. Aufl. 2011, S. 266 Rz. 667). Die Sache ist demnach an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie hinsichtlich der Pfosten/Riegel-Fassade die Ansprüche gestützt auf Art. 377 OR prüft.
16.2.4 Art. 366 Abs. 1 OR Art. 377 OR Art. 366 OR Art. 377 OR
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Urteilskopf 141 III 106 16. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. S.R.L (Rechtsnachfolgerin der A2. SRL) gegen B. AG (Rechtsnachfolgerin der B2. AG) und vice versa (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_232/2014 / 4A_610/2014 vom 30. März 2015 Regeste Rechte der Bestellerin, wenn ein in einem Werkvertrag vereinbarter Zwischentermin nicht eingehalten wird ( Art. 366 Abs. 1 OR ). Darf die Bestellerin, wenn gemäss Werkvertrag mehrere Leistungen geschuldet sind, auch auf diejenigen Leistungen verzichten, mit denen die Unternehmerin sich nicht im Rückstand befindet (E. 16)? Erwägungen ab Seite 107 BGE 141 III 106 S. 107 Aus den Erwägungen: 16. Umstritten ist weiter, ob die Klägerin (B. AG, Rechtsnachfolgerin der Bestellerin) berechtigt war, auf sämtliche werkvertraglichen Leistungen zu verzichten oder nur auf den Fassadenteil Holz/Metall. 16.1 Die Vorinstanz nahm an, die Voraussetzungen für einen Gesamtverzicht seien erfüllt. Einerseits handle es sich bei der Holz/Metall-Fassade und der Pfosten/Riegel-Fassade nicht um teilbare Vertragsteile. Dafür spreche die ursprüngliche Absicht der Bestellerin; diese habe von Anfang an für beide Fassadenteile nur einen einzigen Unternehmer beauftragen wollen, weswegen schon die Ausschreibung einheitlich erfolgt sei. Beide Fassadenteile seien dann auch im Werkvertrag unter dem Titel "Fassadenbau" unter BKP 215.2 zusammengefasst worden. Sodann sei auch der Endtermin für beide Fassadenteile - trotz unterschiedlicher Zwischentermine - einheitlich festgelegt und ein Pauschalpreis vereinbart worden. In einer Eventualbegründung war die Vorinstanz sodann der Auffassung, selbst bei Bejahung der Teilbarkeit wäre der Klägerin eine Weiterführung des Vertragsverhältnisses für die Pfosten/Riegel-Fassade auch nicht zumutbar gewesen. Für die Unzumutbarkeit sprächen die eingetretenen Verzögerungen, die auf der Baustelle fehlenden Ressourcen (Arbeitskräfte, nicht vorhandenes Material) sowie die nicht vorhandenen Ausführungspläne und andererseits die festgestellten massiven Mängel in der Holz/Metall-Fassade, welche auch für die Pfosten/Riegel-Fassade in jenem Zeitpunkt "nichts Gutes ahnen" liessen. Dass auch die Pfosten/Riegel-Fassade mangelhaft war, habe die Klägerin zwar in jenem Zeitpunkt noch nicht gewusst, sei jedoch nachträglich im Rahmen der Arbeiten der E. AG ebenfalls festgestellt worden. Schliesslich hätte ein blosser Teilverzicht bei der Klägerin zu zusätzlichem Koordinationsaufwand mit Kostenfolgen geführt. Diese Interessen überwögen im Vergleich zu den finanziellen BGE 141 III 106 S. 108 Interessen der Beklagten (A. S.R.L., Rechtsnachfolgerin der Unternehmerin). 16.2 Das Bundesgericht hat sich bis anhin unter dem Titel von Art. 366 Abs. 1 OR nicht dazu geäussert, ob die Bestellerin allenfalls nur Anspruch auf einen Verzicht der (nicht rechtzeitig ausgeführten) Teilleistung hat, wenn die Unternehmerin mit einem anderen Teil der Leistung nicht in Verzug ist, oder ob sie auch in diesem Fall auf die gesamte Leistung verzichten darf. Zu prüfen ist also, ob die Klägerin insgesamt auf die künftigen Leistungen verzichten konnte, obwohl in Bezug auf die Pfosten/Riegel-Fassade kein Verzug festgestellt wurde. Diese besondere Fallgestaltung ist am ehesten vergleichbar mit der Situation bei Sukzessivlieferungsverträgen bzw. beim Verzug mit Zahlungsraten. Dazu hat das Bundesgericht entschieden, dass der Gläubiger nur für die bereits verfallenen Raten nach Art. 107 OR vorgehen kann. Von diesem Grundsatz dürfe ausnahmsweise abgewichen werden, wenn auch die künftige Vertragserfüllung als gefährdet erscheine oder wenn der Gläubiger aufgrund einer besonderen Vertragsbestimmung auch mit Bezug auf nicht verfallene Raten zur Ausübung der Rechte nach Art. 107/109 OR ermächtigt ist ( BGE 119 II 135 E. 3 S. 139 f.). In der Lehre wird dazu zutreffend festgestellt, dass dies nur dann gelten könne, wenn es sich um eine Sukzessivlieferung oder sonstige Teillieferungen handle (WOLFGANG WIEGAND, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. l, 5. Aufl. 2011, N. 21 zu Art. 107 OR ; GAUCH/SCHLUEP UND ANDERE, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 10. Aufl. 2014, S. 141 f. Rz. 2814; vgl. auch EUGEN BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1988, S. 382 f.; ROLF H. WEBER, Berner Kommentar, 2000, N. 219 zu Art. 107 OR ). Eine Leistung ist teilbar, wenn sie ohne Wertverminderung zerlegbar ist. Teilbarkeit im technischen Sinn ist also vorausgesetzt, jedoch nicht hinreichend. Massgeblich sind letztlich Vertragszweck und Interessenlage (BUCHER, a.a.O., S. 382 Fn. 216; vgl. auch BGE 75 II 137 E. 4 S. 140 ff.; Urteil 4C.291/1993 vom 18. März 1994 E. 3a mit Hinweisen). In der Lehre wird die Auffassung vertreten, es könnten analog die Kriterien von Art. 209 OR - Wandelung bei einer Mehrheit von Sachen (die Wandelung ist grundsätzlich nur hinsichtlich der fehlerhaften Stücke zulässig, eine Gesamtwandelung ist ausnahmsweise statthaft, wenn der Gesamtwert der Sachmehrheit höher ist als die Summe der aufaddierten Teilwerte oder wenn der Käufer an den fehlerfreien Stücken der teilweise mangelbehafteten Lieferung BGE 141 III 106 S. 109 kein Interesse mehr hat, namentlich weil das Aussortieren der fehlerhaften Ware mit einem unzumutbaren Aufwand verbunden wäre; vgl. Urteil des Bundesgerichts 4C.152/2003 vom 29. August 2003 E. 2.2 mit Hinweisen) - angewendet werden (BUCHER, a.a.O., S. 382 Fn. 218 mit Hinweisen; im gleichen Sinn die deutsche Rechtsprechung und Lehre: Urteil des BGH vom 7. März 1990 E. lll.1b/bb, in: Neue Juristische Wochenschrift [NJW] 1990 S. 3011 ff., 3012 f.; WOLFGANG ERNST, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 2, Schuldrecht, Allgemeiner Teil: §§ 241-432, 6. Aufl. 2012, N. 201 zu § 323 BGB). 16.2.1 Technische Teilbarkeit ist vorliegend zu bejahen. Das ergibt sich bereits daraus, dass verschiedene Zwischentermine bestimmt wurden. Das zeigt, dass beide Fassadenteile unabhängig voneinander produziert und montiert werden konnten. Bestätigt wird dies auch durch die von der Klägerin selbst gewählte Vorgehensweise bei der Begutachtung hinsichtlich der Mängel, die sie auf die Holz/Metall-Fassade beschränkte. Beide Fassadenteile hätten auch durch zwei verschiedene Unternehmer geliefert werden können. Auch die Gegenleistung war teilbar, unabhängig davon, dass ein Pauschalpreis vereinbart wurde, zumal die Vorinstanz selbst den Gutachter F. zitiert, wonach der Anteil für die Pfosten/Riegel-Fassade Fr. 1'674'932.86 betragen habe. Im Hinblick auf die Interessenlage und den Vertragszweck kann beispielsweise dann eine Einheit angenommen werden, wenn die Zusammenfassung erfolgte trotz anderweitiger günstigerer Angebote. Dies legt nahe, die Bestellerin verfolge mit der Zusammenfassung einen besonderen Zweck. So schloss der (deutsche) Bundesgerichtshof auf ein einheitliches Geschäft - wobei er die Rechtsnatur (Kauf-, Werk- bzw. Werklieferungsvertrag) offenliess - im Fall einer Lieferung von Soft- und Hardware, weil die Bestellerin/Käuferin trotz anderweitiger günstigerer Angebote allein deshalb bei der gleichen Vertragspartei alle Leistungen bezog, weil sie das Geschäft in eine Hand gelegt wissen wollte und auf diese Motivation im Zuge der Vertragsverhandlungen auch ausdrücklich hinwies (Urteil des BGH vom 23. Januar 1996 E. II.2a, in: Neue Juristische Wochenschrift [NJW] 1996 S. 1745 ff., 1747). Andererseits führt die beabsichtigte gemeinschaftliche Verwendung verschiedener Vertragsteile (noch) nicht zur Annahme eines einheitlichen Vertrages (zit. Urteil des BGH vom 7. März 1990, E. lll.1b/bb S. 3012). Nichts Entscheidendes ergibt sich daher entgegen der Vorinstanz daraus, dass beide Fassadenteile in einem BGE 141 III 106 S. 110 Gesamtvertrag zusammengefasst wurden, unter einem BKP (215.2 "Fassadenbau") und mit einem gleichen Endtermin. Vorliegend hat die Vorinstanz ausgeführt, die Klägerin habe zur Begründung für die massiv höheren Kosten der Ersatzvornahme im Vergleich zum Werkpreis u.a. darauf hingewiesen, die Beklagte sei bei der Offertstellung der preisgünstigste Anbieter gewesen. Das genügt nicht, um einen nicht teilbaren, einheitlichen Vertrag anzunehmen. Fachgebiet der Beklagten waren Pfosten/Riegel-Fassaden (vgl. unten E.16.2.2). Es ist nicht anzunehmen, die Klägerin hätte die Holz/Metall-Fassade selbst dann bei der - hierfür nicht qualifizierten (vgl. unten E. 16.2.2) - Beklagten bestellt, wenn diese nicht billiger gewesen wäre. Ebenso wenig kann ohne Anhaltspunkte zum konkret verfolgten Zweck genügen, dass es bei einem Werkvertrag zur Erstellung einer Baute generell für die Bestellerin einfacher ist, möglichst viele Werkleistungen zusammenzufassen. Der Wille, einen nicht teilbaren Vertrag abzuschliessen, kann daher entgegen der Vorinstanz nicht allein aus der einheitlichen Ausschreibung abgeleitet werden. Es ist daher von einer teilbaren Leistung auszugehen. 16.2.2 Ob eine unzumutbare Gefährdung vorliegt, ist nach den Umständen zu beurteilen, namentlich im Hinblick auf die Gründe der erfolgten Pflichtverletzung (WEBER, a.a.O., N. 219 zu Art.107 OR ; OTTO/SCHWARZE, in: J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch [...], 2009, N. B157 zu § 323 BGB). Die Vorinstanz stellte unter Bezug auf die Zeugen P. und L. sowie das Gutachten J. fest, die Beklagte sei Stahlbauer; ihr Fachgebiet seien Pfosten/Riegel; sie habe keine Erfahrungen betreffend Holz/Metall-Fassaden gehabt und habe diese zugestandenermassen durch ein Drittunternehmen produzieren lassen. Die Beklagte kam mit jenem Fassadenteil in Verzug, wo sie keine Erfahrung besass und wo sie auf ihren Drittlieferanten angewiesen war. Der Zeuge L., auf den sich die Vorinstanz bezog, gab denn auch an, im Zeitpunkt der Lieferung der Holz/Metall-Elemente habe der Rückstand (bereits) ca. ein bis zwei Wochen betragen. Es ist daher entgegen der Vorinstanz nicht zulässig, aufgrund des Verzugs und der Mängel bei der Holz/Metall-Fassade telquel auf eine Gefährdung auch in Bezug auf die Pfosten/ Riegel-Fassade zu schliessen, die das Fachgebiet der Beklagten betraf und wo sie die Fassadenelemente selber herstellte. Namentlich hatte die Klägerin im Zeitpunkt des Leistungsverzichts keinen Grund zur Annahme, auch die Pfosten/Riegel-Fassade würde erhebliche, innert der Restvertragszeit nicht mehr behebbare Mängel aufweisen. BGE 141 III 106 S. 111 Und davon ging sie auch tatsächlich nicht aus, ansonsten sie auch diesbezüglich eine vorsorgliche Beweisaufnahme verlangt hätte. Die Begründung der Vorinstanz ist im Übrigen widersprüchlich. Hätte aufgrund der Verzögerungen bzw. des Verzugs mit der Holz/Metall- Fassade auch mit einem (künftigen) Verzug bei der Pfosten/Riegel-Fassade gerechnet werden müssen, hätte die Vorinstanz konsequenterweise auch diesbezüglich die Voraussetzungen von Art. 366 Abs. 1 OR bejahen müssen, nämlich im Sinn der dritten Tatbestandsvariante dieser Bestimmung - dass die rechtzeitige Beendigung nicht mehr voraussehbar war. 16.2.3 Im Werkvertragsrecht besteht insofern eine besondere Interessenlage, als der Unternehmer das Werk typischerweise nach den individuellen Wünschen des Bestellers fertigt und es daher nur eine beschränkte Verkehrstauglichkeit aufweist. Ein Gesamtverzicht ist daher für den Unternehmer regelmässig mit erheblichen Nachteilen verbunden. Mit Blick auf Art. 368 Abs. 1 OR, der die Wandelung beim Werkvertrag gegenüber dem Kauf ( Art. 205 Abs. 1 OR ) erschwert, wird in der Lehre (vgl. ALFRED KOLLER, Berner Kommentar, 1998, N. 369 zu Art. 366 OR, auf den sich die Vorinstanz selbst bezieht) daher geschlossen, ein Gesamtverzicht dürfe dem Unternehmer im Rahmen einer Interessenabwägung nicht ohne Weiteres aufgebürdet werden. 16.2.4 Im zu beurteilenden Fall überwiegen die mit einem Gesamtverzicht verbundenen Nachteile gegenüber dem von der Vorinstanz ebenfalls erwähnten zusätzlichen Koordinationsaufwand der Klägerin, zumal dieser nicht weiter substanziiert wurde. Die Klägerin war demzufolge nicht berechtigt, auch hinsichtlich der Pfosten/Riegel-Fassade auf die künftige Leistung gemäss Art. 366 Abs. 1 zu verzichten. Sind die Voraussetzungen von Art. 366 Abs. 1 OR nicht gegeben, gilt die Erklärung des Bestellers als Rücktrittserklärung gemäss Art. 377 OR, sofern der Besteller den Vertrag auf jeden Fall beenden wollte ( BGE 98 II 113 E. 2 S. 115; KOLLER, a.a.O., N. 239 und 323 zu Art. 366 OR mit weiteren Hinweisen; PETER GAUCH, Der Werkvertrag, 5. Aufl. 2011, S. 266 Rz. 667). Die Sache ist demnach an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie hinsichtlich der Pfosten/Riegel-Fassade die Ansprüche gestützt auf Art. 377 OR prüft.
Urteilskopf
16. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. S.R.L (Rechtsnachfolgerin der A2. SRL) gegen B. AG (Rechtsnachfolgerin der B2. AG) und vice versa (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_232/2014 / 4A_610/2014 vom 30. März 2015
Regeste Rechte der Bestellerin, wenn ein in einem Werkvertrag vereinbarter Zwischentermin nicht eingehalten wird ( Art. 366 Abs. 1 OR ). Darf die Bestellerin, wenn gemäss Werkvertrag mehrere Leistungen geschuldet sind, auch auf diejenigen Leistungen verzichten, mit denen die Unternehmerin sich nicht im Rückstand befindet (E. 16)?
Regeste
Rechte der Bestellerin, wenn ein in einem Werkvertrag vereinbarter Zwischentermin nicht eingehalten wird ( Art. 366 Abs. 1 OR ). Darf die Bestellerin, wenn gemäss Werkvertrag mehrere Leistungen geschuldet sind, auch auf diejenigen Leistungen verzichten, mit denen die Unternehmerin sich nicht im Rückstand befindet (E. 16)?
Art. 366 Abs. 1 OR Darf die Bestellerin, wenn gemäss Werkvertrag mehrere Leistungen geschuldet sind, auch auf diejenigen Leistungen verzichten, mit denen die Unternehmerin sich nicht im Rückstand befindet (E. 16)?
Erwägungen ab Seite 107
Erwägungen ab Seite 107 BGE 141 III 106 S. 107
BGE 141 III 106 S. 107
Aus den Erwägungen:
16. Umstritten ist weiter, ob die Klägerin (B. AG, Rechtsnachfolgerin der Bestellerin) berechtigt war, auf sämtliche werkvertraglichen Leistungen zu verzichten oder nur auf den Fassadenteil Holz/Metall.
16. 16.1 Die Vorinstanz nahm an, die Voraussetzungen für einen Gesamtverzicht seien erfüllt. Einerseits handle es sich bei der Holz/Metall-Fassade und der Pfosten/Riegel-Fassade nicht um teilbare Vertragsteile. Dafür spreche die ursprüngliche Absicht der Bestellerin; diese habe von Anfang an für beide Fassadenteile nur einen einzigen Unternehmer beauftragen wollen, weswegen schon die Ausschreibung einheitlich erfolgt sei. Beide Fassadenteile seien dann auch im Werkvertrag unter dem Titel "Fassadenbau" unter BKP 215.2 zusammengefasst worden. Sodann sei auch der Endtermin für beide Fassadenteile - trotz unterschiedlicher Zwischentermine - einheitlich festgelegt und ein Pauschalpreis vereinbart worden.
16.1 In einer Eventualbegründung war die Vorinstanz sodann der Auffassung, selbst bei Bejahung der Teilbarkeit wäre der Klägerin eine Weiterführung des Vertragsverhältnisses für die Pfosten/Riegel-Fassade auch nicht zumutbar gewesen. Für die Unzumutbarkeit sprächen die eingetretenen Verzögerungen, die auf der Baustelle fehlenden Ressourcen (Arbeitskräfte, nicht vorhandenes Material) sowie die nicht vorhandenen Ausführungspläne und andererseits die festgestellten massiven Mängel in der Holz/Metall-Fassade, welche auch für die Pfosten/Riegel-Fassade in jenem Zeitpunkt "nichts Gutes ahnen" liessen. Dass auch die Pfosten/Riegel-Fassade mangelhaft war, habe die Klägerin zwar in jenem Zeitpunkt noch nicht gewusst, sei jedoch nachträglich im Rahmen der Arbeiten der E. AG ebenfalls festgestellt worden. Schliesslich hätte ein blosser Teilverzicht bei der Klägerin zu zusätzlichem Koordinationsaufwand mit Kostenfolgen geführt. Diese Interessen überwögen im Vergleich zu den finanziellen BGE 141 III 106 S. 108 Interessen der Beklagten (A. S.R.L., Rechtsnachfolgerin der Unternehmerin).
BGE 141 III 106 S. 108
16.2 Das Bundesgericht hat sich bis anhin unter dem Titel von Art. 366 Abs. 1 OR nicht dazu geäussert, ob die Bestellerin allenfalls nur Anspruch auf einen Verzicht der (nicht rechtzeitig ausgeführten) Teilleistung hat, wenn die Unternehmerin mit einem anderen Teil der Leistung nicht in Verzug ist, oder ob sie auch in diesem Fall auf die gesamte Leistung verzichten darf. Zu prüfen ist also, ob die Klägerin insgesamt auf die künftigen Leistungen verzichten konnte, obwohl in Bezug auf die Pfosten/Riegel-Fassade kein Verzug festgestellt wurde. Diese besondere Fallgestaltung ist am ehesten vergleichbar mit der Situation bei Sukzessivlieferungsverträgen bzw. beim Verzug mit Zahlungsraten. Dazu hat das Bundesgericht entschieden, dass der Gläubiger nur für die bereits verfallenen Raten nach Art. 107 OR vorgehen kann. Von diesem Grundsatz dürfe ausnahmsweise abgewichen werden, wenn auch die künftige Vertragserfüllung als gefährdet erscheine oder wenn der Gläubiger aufgrund einer besonderen Vertragsbestimmung auch mit Bezug auf nicht verfallene Raten zur Ausübung der Rechte nach Art. 107/109 OR ermächtigt ist ( BGE 119 II 135 E. 3 S. 139 f.). In der Lehre wird dazu zutreffend festgestellt, dass dies nur dann gelten könne, wenn es sich um eine Sukzessivlieferung oder sonstige Teillieferungen handle (WOLFGANG WIEGAND, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. l, 5. Aufl. 2011, N. 21 zu Art. 107 OR ; GAUCH/SCHLUEP UND ANDERE, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 10. Aufl. 2014, S. 141 f. Rz. 2814; vgl. auch EUGEN BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1988, S. 382 f.; ROLF H. WEBER, Berner Kommentar, 2000, N. 219 zu Art. 107 OR ). Eine Leistung ist teilbar, wenn sie ohne Wertverminderung zerlegbar ist. Teilbarkeit im technischen Sinn ist also vorausgesetzt, jedoch nicht hinreichend. Massgeblich sind letztlich Vertragszweck und Interessenlage (BUCHER, a.a.O., S. 382 Fn. 216; vgl. auch BGE 75 II 137 E. 4 S. 140 ff.; Urteil 4C.291/1993 vom 18. März 1994 E. 3a mit Hinweisen). In der Lehre wird die Auffassung vertreten, es könnten analog die Kriterien von Art. 209 OR - Wandelung bei einer Mehrheit von Sachen (die Wandelung ist grundsätzlich nur hinsichtlich der fehlerhaften Stücke zulässig, eine Gesamtwandelung ist ausnahmsweise statthaft, wenn der Gesamtwert der Sachmehrheit höher ist als die Summe der aufaddierten Teilwerte oder wenn der Käufer an den fehlerfreien Stücken der teilweise mangelbehafteten Lieferung BGE 141 III 106 S. 109 kein Interesse mehr hat, namentlich weil das Aussortieren der fehlerhaften Ware mit einem unzumutbaren Aufwand verbunden wäre; vgl. Urteil des Bundesgerichts 4C.152/2003 vom 29. August 2003 E. 2.2 mit Hinweisen) - angewendet werden (BUCHER, a.a.O., S. 382 Fn. 218 mit Hinweisen; im gleichen Sinn die deutsche Rechtsprechung und Lehre: Urteil des BGH vom 7. März 1990 E. lll.1b/bb, in: Neue Juristische Wochenschrift [NJW] 1990 S. 3011 ff., 3012 f.; WOLFGANG ERNST, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 2, Schuldrecht, Allgemeiner Teil: §§ 241-432, 6. Aufl. 2012, N. 201 zu § 323 BGB).
16.2 Art. 366 Abs. 1 OR Art. 107 OR Art. 107 OR Art. 107 OR BGE 75 II 137 Art. 209 OR BGE 141 III 106 S. 109
16.2.1 Technische Teilbarkeit ist vorliegend zu bejahen. Das ergibt sich bereits daraus, dass verschiedene Zwischentermine bestimmt wurden. Das zeigt, dass beide Fassadenteile unabhängig voneinander produziert und montiert werden konnten. Bestätigt wird dies auch durch die von der Klägerin selbst gewählte Vorgehensweise bei der Begutachtung hinsichtlich der Mängel, die sie auf die Holz/Metall-Fassade beschränkte. Beide Fassadenteile hätten auch durch zwei verschiedene Unternehmer geliefert werden können. Auch die Gegenleistung war teilbar, unabhängig davon, dass ein Pauschalpreis vereinbart wurde, zumal die Vorinstanz selbst den Gutachter F. zitiert, wonach der Anteil für die Pfosten/Riegel-Fassade Fr. 1'674'932.86 betragen habe.
16.2.1 Im Hinblick auf die Interessenlage und den Vertragszweck kann beispielsweise dann eine Einheit angenommen werden, wenn die Zusammenfassung erfolgte trotz anderweitiger günstigerer Angebote. Dies legt nahe, die Bestellerin verfolge mit der Zusammenfassung einen besonderen Zweck. So schloss der (deutsche) Bundesgerichtshof auf ein einheitliches Geschäft - wobei er die Rechtsnatur (Kauf-, Werk- bzw. Werklieferungsvertrag) offenliess - im Fall einer Lieferung von Soft- und Hardware, weil die Bestellerin/Käuferin trotz anderweitiger günstigerer Angebote allein deshalb bei der gleichen Vertragspartei alle Leistungen bezog, weil sie das Geschäft in eine Hand gelegt wissen wollte und auf diese Motivation im Zuge der Vertragsverhandlungen auch ausdrücklich hinwies (Urteil des BGH vom 23. Januar 1996 E. II.2a, in: Neue Juristische Wochenschrift [NJW] 1996 S. 1745 ff., 1747). Andererseits führt die beabsichtigte gemeinschaftliche Verwendung verschiedener Vertragsteile (noch) nicht zur Annahme eines einheitlichen Vertrages (zit. Urteil des BGH vom 7. März 1990, E. lll.1b/bb S. 3012). Nichts Entscheidendes ergibt sich daher entgegen der Vorinstanz daraus, dass beide Fassadenteile in einem BGE 141 III 106 S. 110 Gesamtvertrag zusammengefasst wurden, unter einem BKP (215.2 "Fassadenbau") und mit einem gleichen Endtermin. Vorliegend hat die Vorinstanz ausgeführt, die Klägerin habe zur Begründung für die massiv höheren Kosten der Ersatzvornahme im Vergleich zum Werkpreis u.a. darauf hingewiesen, die Beklagte sei bei der Offertstellung der preisgünstigste Anbieter gewesen. Das genügt nicht, um einen nicht teilbaren, einheitlichen Vertrag anzunehmen. Fachgebiet der Beklagten waren Pfosten/Riegel-Fassaden (vgl. unten E.16.2.2). Es ist nicht anzunehmen, die Klägerin hätte die Holz/Metall-Fassade selbst dann bei der - hierfür nicht qualifizierten (vgl. unten E. 16.2.2) - Beklagten bestellt, wenn diese nicht billiger gewesen wäre. Ebenso wenig kann ohne Anhaltspunkte zum konkret verfolgten Zweck genügen, dass es bei einem Werkvertrag zur Erstellung einer Baute generell für die Bestellerin einfacher ist, möglichst viele Werkleistungen zusammenzufassen. Der Wille, einen nicht teilbaren Vertrag abzuschliessen, kann daher entgegen der Vorinstanz nicht allein aus der einheitlichen Ausschreibung abgeleitet werden. Es ist daher von einer teilbaren Leistung auszugehen.
BGE 141 III 106 S. 110
16.2.2 Ob eine unzumutbare Gefährdung vorliegt, ist nach den Umständen zu beurteilen, namentlich im Hinblick auf die Gründe der erfolgten Pflichtverletzung (WEBER, a.a.O., N. 219 zu Art.107 OR ; OTTO/SCHWARZE, in: J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch [...], 2009, N. B157 zu § 323 BGB). Die Vorinstanz stellte unter Bezug auf die Zeugen P. und L. sowie das Gutachten J. fest, die Beklagte sei Stahlbauer; ihr Fachgebiet seien Pfosten/Riegel; sie habe keine Erfahrungen betreffend Holz/Metall-Fassaden gehabt und habe diese zugestandenermassen durch ein Drittunternehmen produzieren lassen. Die Beklagte kam mit jenem Fassadenteil in Verzug, wo sie keine Erfahrung besass und wo sie auf ihren Drittlieferanten angewiesen war. Der Zeuge L., auf den sich die Vorinstanz bezog, gab denn auch an, im Zeitpunkt der Lieferung der Holz/Metall-Elemente habe der Rückstand (bereits) ca. ein bis zwei Wochen betragen. Es ist daher entgegen der Vorinstanz nicht zulässig, aufgrund des Verzugs und der Mängel bei der Holz/Metall-Fassade telquel auf eine Gefährdung auch in Bezug auf die Pfosten/ Riegel-Fassade zu schliessen, die das Fachgebiet der Beklagten betraf und wo sie die Fassadenelemente selber herstellte. Namentlich hatte die Klägerin im Zeitpunkt des Leistungsverzichts keinen Grund zur Annahme, auch die Pfosten/Riegel-Fassade würde erhebliche, innert der Restvertragszeit nicht mehr behebbare Mängel aufweisen. BGE 141 III 106 S. 111 Und davon ging sie auch tatsächlich nicht aus, ansonsten sie auch diesbezüglich eine vorsorgliche Beweisaufnahme verlangt hätte.
16.2.2 Art.107 OR BGE 141 III 106 S. 111
Die Begründung der Vorinstanz ist im Übrigen widersprüchlich. Hätte aufgrund der Verzögerungen bzw. des Verzugs mit der Holz/Metall- Fassade auch mit einem (künftigen) Verzug bei der Pfosten/Riegel-Fassade gerechnet werden müssen, hätte die Vorinstanz konsequenterweise auch diesbezüglich die Voraussetzungen von Art. 366 Abs. 1 OR bejahen müssen, nämlich im Sinn der dritten Tatbestandsvariante dieser Bestimmung - dass die rechtzeitige Beendigung nicht mehr voraussehbar war.
Art. 366 Abs. 1 OR 16.2.3 Im Werkvertragsrecht besteht insofern eine besondere Interessenlage, als der Unternehmer das Werk typischerweise nach den individuellen Wünschen des Bestellers fertigt und es daher nur eine beschränkte Verkehrstauglichkeit aufweist. Ein Gesamtverzicht ist daher für den Unternehmer regelmässig mit erheblichen Nachteilen verbunden. Mit Blick auf Art. 368 Abs. 1 OR, der die Wandelung beim Werkvertrag gegenüber dem Kauf ( Art. 205 Abs. 1 OR ) erschwert, wird in der Lehre (vgl. ALFRED KOLLER, Berner Kommentar, 1998, N. 369 zu Art. 366 OR, auf den sich die Vorinstanz selbst bezieht) daher geschlossen, ein Gesamtverzicht dürfe dem Unternehmer im Rahmen einer Interessenabwägung nicht ohne Weiteres aufgebürdet werden.
16.2.3 Art. 368 Abs. 1 OR Art. 205 Abs. 1 OR Art. 366 OR 16.2.4 Im zu beurteilenden Fall überwiegen die mit einem Gesamtverzicht verbundenen Nachteile gegenüber dem von der Vorinstanz ebenfalls erwähnten zusätzlichen Koordinationsaufwand der Klägerin, zumal dieser nicht weiter substanziiert wurde. Die Klägerin war demzufolge nicht berechtigt, auch hinsichtlich der Pfosten/Riegel-Fassade auf die künftige Leistung gemäss Art. 366 Abs. 1 zu verzichten. Sind die Voraussetzungen von Art. 366 Abs. 1 OR nicht gegeben, gilt die Erklärung des Bestellers als Rücktrittserklärung gemäss Art. 377 OR, sofern der Besteller den Vertrag auf jeden Fall beenden wollte ( BGE 98 II 113 E. 2 S. 115; KOLLER, a.a.O., N. 239 und 323 zu Art. 366 OR mit weiteren Hinweisen; PETER GAUCH, Der Werkvertrag, 5. Aufl. 2011, S. 266 Rz. 667). Die Sache ist demnach an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie hinsichtlich der Pfosten/Riegel-Fassade die Ansprüche gestützt auf Art. 377 OR prüft.
16.2.4 Art. 366 Abs. 1 OR Art. 377 OR Art. 366 OR Art. 377 OR
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Urteilskopf 141 III 112 17. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause A. et B. contre C. (recours en matière civile) 4A_428/2014 du 12 janvier 2015 Regeste Art. 41, 112 Abs. 2, Art. 324a und 757 Abs. 2 OR, Art. 87 und 98 VVG ; Versicherungsleistungen, Verantwortlichkeit des Verwaltungsrats, unerlaubte Handlung, direkter Schaden. Schliesst der Arbeitgeber eine kollektive Krankentaggeldversicherung ab, ist der Arbeitnehmer gegenüber dem Versicherer für die Versicherungsleistung anspruchsberechtigt. Zahlte die Gesellschaft als Arbeitgeberin die Versicherungsprämien nicht, kann der Arbeitnehmer Ersatz für den erlittenen Schaden nicht nur von der Gesellschaft ( Art. 97 Abs. 1 OR ), sondern auch von den Verwaltungsräten persönlich fordern ( Art. 41 OR ) (E. 4 und 5). Erwägungen ab Seite 112 BGE 141 III 112 S. 112 Extrait des considérants: 4. Pour bien comprendre la position du créancier social (employé et intimé C.) en l'espèce, il est nécessaire de présenter le contexte dans lequel le contrat d'assurance collective d'indemnité journalière intervient (cf. infra consid. 4.1 et 4.2), de rappeler la nature d'une telle convention (cf. infra consid. 4.3 et 4.4), et de déterminer la portée de la transaction du 25 mai 2000 conclue entre le créancier social et la société (cf. infra consid. 4.5). BGE 141 III 112 S. 113 4.1 L'art. 324a al. 1 à 3 CO règle le droit du travailleur ou de la travailleuse de percevoir son salaire, pendant un temps limité, lorsqu'il est empêché de fournir sa prestation pour une cause inhérente à sa personne, telle que la maladie, l'accident ou la grossesse (al. 1 et 3). Pendant la première année de service, ce temps limité ne peut pas être inférieur à trois semaines; par la suite, il s'agit d'une période plus longue, à fixer équitablement d'après la durée des rapports de travail et les circonstances particulières (al. 2). Un accord écrit, un contrat-type de travail ou une convention collective peut déroger à ces dispositions à condition d'accorder au travailleur des prestations au moins équivalentes ( art. 324a al. 4 CO ). L' art. 324a al. 4 CO permet ainsi de substituer, notamment par un accord écrit, une couverture d'assurance à l'obligation légale de payer le salaire, à condition toutefois que les travailleurs bénéficient de prestations au moins équivalentes. Dans le domaine de l'assurance couvrant le risque de perte de gain en cas de maladie ou d'accident, les parties peuvent librement choisir, soit de conclure une assurance sociale d'indemnités journalières régie par les art. 67 à 77 de la loi fédérale du 8 mars 1994 sur l'assurance-maladie (LAMal; RS 832.10), soit de conclure une assurance d'indemnités journalières soumise à la loi fédérale du 2 avril 1908 sur le contrat d'assurance (LCA; RS 221.229.1) (arrêt 4A_529/2012 du 31 janvier 2013 consid. 2.1 et les références citées). 4.2 En l'occurrence, il n'est pas contesté que le contrat, conclu avec un assureur privé (E.), est régi par la loi sur le contrat d'assurance (LCA). Il s'agit donc d'une assurance, complémentaire à l'assurance sociale, relevant du droit privé ( art. 12 al. 2 et 3 LAMal ; ATF 133 III 439 consid. 2.1 p. 441 s.). Il résulte également du dossier que la société D. SA (employeur) prévoyait, en cas d'incapacité de travail pour cause de maladie, à la place du salaire pendant un temps limité, une couverture d'assurance collective d'indemnités journalières, au taux de 80 % du salaire, avec un délai d'attente de sept jours, et pendant 723 jours au plus. La validité de cette convention dérogatoire, en particulier du point de vue de l'équivalence des prestations, n'est pas contestée et il n'y a pas lieu de s'y attarder. 4.3 En matière d'assurance collective contre les accidents ou la maladie, l' art. 87 LCA - de nature impérative (cf. art. 98 LCA ) - confère un droit propre à l'assuré, qu'il peut faire valoir contre l'assureur BGE 141 III 112 S. 114 (entre autres auteurs: VINCENT BRÜHLHART, L'assurance collective contre la perte de gain en cas de maladie, in Le droit social dans la pratique de l'entreprise, 2006, p. 103). La volonté du législateur était de protéger l'assuré contre des comportements du preneur d'assurance susceptibles de mettre en danger la prestation d'assurance (arrêt 5C.3/2003 du 31 mars 2003 consid. 3.3 et les auteurs cités). Ce droit propre a pour conséquence que seul le bénéficiaire (assuré) est titulaire de la prestation d'assurance ( ATF 87 II 376 consid. 2a p. 384; BRÜHLHART, op. cit., p. 103). A cet égard, le Tribunal fédéral a eu l'occasion de préciser que la nature même du contrat d'assurance collective d'indemnité journalière présuppose que celle-ci soit acquittée entre les mains de l'assuré en faveur duquel il a été conclu, ledit paiement intervenant en lieu et place de l'obligation de l'employeur de verser le salaire (cf. ATF 122 V 81 consid. 2a p. 83, étant précisé que la solution retenue dans cet arrêt a été, à l'époque, prise en matière d'assurance collective soumise à la LAMA (RS 8 283); PETER STEIN, in Basler Kommentar, Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag, 2001, n° 23 ad art. 87 LCA ; STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Arbeitsvertrag, 7 e éd. 2012, n° 13 ad art. 324a CO et les références citées). Ce contrat (ou, plus correctement, son mode d'exécution) peut être comparé à une stipulation pour autrui parfaite: le tiers dispose d'un droit de créance propre contre le promettant et peut agir en exécution dès que la créance est exigible, le débiteur ne pouvant par ailleurs se libérer qu'en faisant sa prestation au tiers ( art. 112 al. 2 CO ; arrêt 5C.3/2003 déjà cité consid. 3.3). L'assuré ne devient toutefois pas partie au contrat et, partant, l'employeur (preneur d'assurance) est toujours le débiteur des primes d'assurance (arrêts 4A_53/2007 du 26 septembre 2007 consid. 4.4.1, in RtiD 2008 I p. 1057; 5C.41/2001 du 3 juillet 2001 consid. 2c). 4.4 Le fait que le preneur d'assurance (employeur) et l'assureur puissent convenir du versement des indemnités journalières à l'employeur ne change rien aux considérations qui précèdent. Ce type de clauses contractuelles n'a trait qu'aux modalités d'encaissement des cotisations et de versement des indemnités journalières. Dans l'un et l'autre cas, le preneur d'assurance (employeur de l'assuré) accomplit une tâche administrative définie par le contrat d'assurance, en ce sens qu'il lui appartient, d'une part de verser les cotisations d'assurance à la caisse - ce qui ne signifie pas que c'est lui qui les paie BGE 141 III 112 S. 115 effectivement ou entièrement - et d'autre part d'encaisser les indemnités journalières, lesquelles sont cependant dues à l'assuré, et non pas à lui (cf. ATF 122 V 81 consid. 1b p. 83; FREY/LANG, in Basler Kommentar, Versicherungsvertragsgesetz, Nachführungsband, 2012, n° 18 ad art. 87 LCA ; HANS-RUDOLF MÜLLER, Grundlagen der Krankentaggeldversicherung nach VVG, in Krankentaggeldversicherung: Arbeits- und versicherungsrechtliche Aspekte, 2007, p. 27; GEBHARD EUGSTER, Vergleich der Krankentaggeldversicherung [KTGV] nach KVG und nach VVG, in Krankentaggeldversicherung: Arbeits- und versicherungsrechtliche Aspekte, 2007, p. 78 note de pied 97). 4.5 Lorsque l'employeur ne satisfait pas aux obligations à lui imposées par la convention dérogatoire écrite, par exemple s'il ne conclut pas le contrat d'assurance prévu ou n'acquitte pas les primes dues à l'assureur, ou, en cas de maladie d'un travailleur, ne fait pas à temps l'annonce exigée par les conditions d'assurance, il doit réparation du dommage subi par ce travailleur, et le dommage correspond aux prestations d'assurance perdues. Sa propre prestation a alors pour objet des dommages-intérêts pour cause de mauvaise exécution de la convention, et elle est due sur la base de l' art. 97 al. 1 CO ( ATF 127 III 318 consid. 5 p. 326; ATF 124 III 126 consid. 4 p. 133; arrêt 4A_446/2008 du 3 décembre 2008 consid. 4). En l'espèce, c'est dans cette perspective que le créancier social s'est adressé dans un premier temps à la société (en invoquant l' art. 97 CO ), puis qu'il l'a actionnée en justice (devant les autorités prud'homales). Le fait pour le créancier social d'avoir procédé ainsi ne l'empêchait pas, en soi (en vertu des règles relatives à la solidarité imparfaite), de diriger ensuite son action, sous l'angle de l' art. 41 CO, contre les organes sociaux pour obtenir le solde de sa créance (soit l'équivalent du montant des indemnités journalières qui auraient dû lui être versées en l'absence d'acte illicite), cette dernière action étant à ce stade présupposée ouverte (pour l'examen de la question cf. infra consid. 5). Contrairement à ce que semblent suggérer les administrateurs (A. et B.), le fait qu'un accord ait été conclu entre la société et l'employé n'y change rien. Dans cette perspective, les recourants ne tentent en effet à aucun moment de soutenir que la transaction conclue en l'espèce par le créancier avec la société (coresponsable) libérerait tous les autres (soit en l'espèce les deux administrateurs) selon l' art. 147 al. 2 CO (cette disposition étant applicable par analogie en cas de BGE 141 III 112 S. 116 solidarité imparfaite: cf. arrêt 4C.27/2003 du 26 mai 2003 consid. 3.4, in SJ 2003 I p. 597). Il incombait aux administrateurs (débiteurs) d'alléguer et d'établir une volonté des parties allant dans ce sens (cf. arrêt 4C.27/2003 déjà cité consid. 3.5.2) et il n'y a donc pas lieu d'entrer en matière sur cette question (cf. consid. 1.2 et 1.3 non publiés). 5. 5.1 Les recourants reprochent à la cour cantonale d'avoir violé le droit fédéral en admettant l'action formée par l'employé (créancier social). Dans ce contexte, ils soutiennent que la cause du dommage n'est pas le non-paiement des primes, mais qu'elle doit plutôt être recherchée dans l'incapacité de la société d'honorer l'accord du 25 mai 2000. Selon eux, l'impossibilité pour la société d'honorer son engagement découle de la mauvaise gestion des administrateurs. Ils en infèrent l'absence de lien de causalité avec le non-paiement des primes et, pour le créancier social, l'existence d'un dommage par ricochet (seule la société étant directement lésée) qui ne peut être indemnisé par le biais d'une action individuelle. 5.2 Il s'agit donc de déterminer l'action qui pouvait être introduite en l'espèce par le créancier social. L'action dont dispose celui-ci envers les organes d'une société dépend du type de dommage subi. A cet égard, trois situations sont envisageables ( ATF 132 III 564 consid. 3.1): 5.2.1 Premièrement, le créancier peut être lésé à titre personnel par le comportement des organes, à l'exclusion de tout dommage causé à la société. Il subit alors un dommage direct ( ATF 132 III 564 consid. 3.1.1). Autrement dit, les organes responsables ont adopté un comportement dont le créancier social (et non la société) est la victime (cf. PETER BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, 4 e éd. 2009, § 18 n. 318). Dans un tel cas, le créancier lésé peut agir à titre individuel pour réclamer des dommages-intérêts au responsable ( ATF 132 III 564 consid. 3.2.1 p. 569). Son action est soumise aux règles ordinaires de la responsabilité civile, en particulier aux art. 41 ss CO ( ATF 132 III 564 consid. 3.2.1 p. 569; ATF 106 II 232 consid. 2 p. 233 ss; ROLAND RUEDIN, Droit des sociétés, 2 e éd. 2007, p. 340 n. 1901 et le renvoi; BÖCKLI, op. cit., § 18 n. 311 ss et 341 et l'auteur cité; PETER R. ISLER, Fragen der Aktiv- und Passivlegitimation in Verantwortlichkeitsprozessen, in Verantwortlichkeit im Unternehmensrecht IV, 2008, p. 94). BGE 141 III 112 S. 117 5.2.2 Deuxièmement, les manquements des organes sont susceptibles de causer en premier lieu un dommage à la seule société (dommage direct), le créancier n'étant lésé que par ricochet (en cas d'insolvabilité de la société). Tant que la société demeure solvable, c'est-à-dire qu'elle est en mesure d'honorer ses engagements, le dommage reste en effet dans sa seule sphère, sans toucher les créanciers sociaux, qui pourront obtenir le plein de leurs prétentions. C'est seulement lorsque les manquements des organes entraînent l'insolvabilité de la société, puis sa faillite, que le créancier subit une perte qui constitue un dommage par ricochet ( ATF 132 III 564 consid. 3.2.2 et les arrêts cités), ce qui lui ouvre l'action de l' art. 757 al. 2 et 3 CO (sur le rapport avec l' art. 260 LP, cf. BERNARD CORBOZ, in Commentaire romand, Code des obligations, vol. II, 2008, n os 36 ss ad art. 757 CO ). 5.2.3 En troisième lieu, il existe encore des situations, plus rares, dans lesquelles on discerne à la fois un dommage direct pour le créancier et un dommage direct pour la société. En d'autres termes, le comportement de l'organe porte directement atteinte au patrimoine de la société et à celui du créancier social ( ATF 132 III 564 consid. 3.1.3 p. 569 et l'arrêt cité). Dans cette situation, pour parer au risque d'une compétition entre les actions en responsabilité exercées respectivement par la société ou l'administration de la faillite et par les créanciers directement touchés, la jurisprudence a limité le droit d'agir de ces derniers, afin de donner une priorité à l'action sociale; ainsi, lorsque la société est aussi lésée, un créancier social peut agir à titre individuel contre un organe en réparation du dommage direct qu'il a subi seulement s'il peut fonder son action sur un acte illicite ( art. 41 CO ), une culpa in contrahendo ou une norme du droit des sociétés conçue exclusivement pour protéger les créanciers ( ATF 132 III 564 consid. 3.2.3 p. 570 s. et les arrêts cités). 5.3 Il convient maintenant, à la lumière des principes juridiques susrappelés, de revenir sur l'argumentation des recourants, soit de déterminer laquelle des trois hypothèses est réalisée en l'espèce. 5.3.1 Dans la mesure où les recourants affirment que la cause du dommage subi par le créancier social résulte de la mauvaise gestion de la société, ils font un amalgame entre la cause du dommage et les créances en réparation qui en découlent (pour le créancier social). BGE 141 III 112 S. 118 5.3.2 En l'occurrence, les agissements illicites des organes sociaux (non-paiement des primes) sont à l'origine du refus de l'assureur d'indemniser l'employé. Il n'importe à cet égard que l'on ne sache pas, sur la base des constatations cantonales, si les indemnités devaient être encaissées dans un premier temps par l'employeur (à charge pour lui de les remettre à l'employé), ou si elles devaient être versées directement à l'employé. Il n'en demeure pas moins qu'elles étaient dues à l'assuré. Ainsi, le fait que les administrateurs ont déduit des cotisations sur le salaire de l'employé - en particulier celles de l'assurance d'indemnités journalières en cas de maladie - pour les utiliser à d'autres fins permet d'affirmer que ces organes ont adopté un comportement dont l'employé est la victime, ce qui confirme que l'employé a subi un dommage direct. La société, engagée contractuellement vis-à-vis de son employé, s'est également appauvrie en raison du comportement illicite de ses propres administrateurs, puisque son passif s'est accru d'une obligation de réparer le préjudice de l'employé (damnum emergens sous la forme d'une augmentation des passifs; cf. HEINZ REY, Ausservertragliches Haftpflichtrecht, 4 e éd. 2008, p. 81 n. 346). La société pouvait donc également actionner les administrateurs en invoquant la violation de l' art. 41 CO ou du devoir de diligence ancré à l' art. 717 CO. 5.3.3 Si l'existence d'une concurrence de prétentions de la société et du créancier social (cf. troisième cas de figure exposé supra consid. 5.2.3) peut ainsi être observée, cette concurrence ne semble plus d'actualité puisque la faillite de la société a été prononcée en juillet 2000, puis clôturée (la radiation au registre du commerce ayant été opérée en mai 2003). Il ne résulte pas de l'arrêt cantonal que l'administration de la faillite aurait actionné les administrateurs pour le préjudice subi, ni qu'une cession des droits de la masse aurait eu lieu. Quoi qu'il en soit, il n'est ici pas douteux que le créancier social pouvait fonder son action sur un acte illicite (cf. consid. 6 non publié) et qu'il était ainsi légitimé à agir à titre individuel contre les organes en réparation du dommage direct subi (cf. supra consid. 5.2.3).
Urteilskopf
17. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause A. et B. contre C. (recours en matière civile)
4A_428/2014 du 12 janvier 2015
Regeste Art. 41, 112 Abs. 2, Art. 324a und 757 Abs. 2 OR, Art. 87 und 98 VVG ; Versicherungsleistungen, Verantwortlichkeit des Verwaltungsrats, unerlaubte Handlung, direkter Schaden. Schliesst der Arbeitgeber eine kollektive Krankentaggeldversicherung ab, ist der Arbeitnehmer gegenüber dem Versicherer für die Versicherungsleistung anspruchsberechtigt. Zahlte die Gesellschaft als Arbeitgeberin die Versicherungsprämien nicht, kann der Arbeitnehmer Ersatz für den erlittenen Schaden nicht nur von der Gesellschaft ( Art. 97 Abs. 1 OR ), sondern auch von den Verwaltungsräten persönlich fordern ( Art. 41 OR ) (E. 4 und 5).
Regeste
Art. 41, 112 Abs. 2, Art. 324a und 757 Abs. 2 OR, Art. 87 und 98 VVG ; Versicherungsleistungen, Verantwortlichkeit des Verwaltungsrats, unerlaubte Handlung, direkter Schaden. Schliesst der Arbeitgeber eine kollektive Krankentaggeldversicherung ab, ist der Arbeitnehmer gegenüber dem Versicherer für die Versicherungsleistung anspruchsberechtigt. Zahlte die Gesellschaft als Arbeitgeberin die Versicherungsprämien nicht, kann der Arbeitnehmer Ersatz für den erlittenen Schaden nicht nur von der Gesellschaft ( Art. 97 Abs. 1 OR ), sondern auch von den Verwaltungsräten persönlich fordern ( Art. 41 OR ) (E. 4 und 5).
Art. 324a und 757 Abs. 2 OR Art. 87 und 98 VVG Schliesst der Arbeitgeber eine kollektive Krankentaggeldversicherung ab, ist der Arbeitnehmer gegenüber dem Versicherer für die Versicherungsleistung anspruchsberechtigt. Zahlte die Gesellschaft als Arbeitgeberin die Versicherungsprämien nicht, kann der Arbeitnehmer Ersatz für den erlittenen Schaden nicht nur von der Gesellschaft ( Art. 97 Abs. 1 OR ), sondern auch von den Verwaltungsräten persönlich fordern ( Art. 41 OR ) (E. 4 und 5).
Art. 97 Abs. 1 OR Art. 41 OR Erwägungen ab Seite 112
Erwägungen ab Seite 112 BGE 141 III 112 S. 112
BGE 141 III 112 S. 112
Extrait des considérants:
4. Pour bien comprendre la position du créancier social (employé et intimé C.) en l'espèce, il est nécessaire de présenter le contexte dans lequel le contrat d'assurance collective d'indemnité journalière intervient (cf. infra consid. 4.1 et 4.2), de rappeler la nature d'une telle convention (cf. infra consid. 4.3 et 4.4), et de déterminer la portée de la transaction du 25 mai 2000 conclue entre le créancier social et la société (cf. infra consid. 4.5). BGE 141 III 112 S. 113
4. BGE 141 III 112 S. 113
4.1 L'art. 324a al. 1 à 3 CO règle le droit du travailleur ou de la travailleuse de percevoir son salaire, pendant un temps limité, lorsqu'il est empêché de fournir sa prestation pour une cause inhérente à sa personne, telle que la maladie, l'accident ou la grossesse (al. 1 et 3). Pendant la première année de service, ce temps limité ne peut pas être inférieur à trois semaines; par la suite, il s'agit d'une période plus longue, à fixer équitablement d'après la durée des rapports de travail et les circonstances particulières (al. 2). Un accord écrit, un contrat-type de travail ou une convention collective peut déroger à ces dispositions à condition d'accorder au travailleur des prestations au moins équivalentes ( art. 324a al. 4 CO ).
4.1 art. 324a al. 4 CO L' art. 324a al. 4 CO permet ainsi de substituer, notamment par un accord écrit, une couverture d'assurance à l'obligation légale de payer le salaire, à condition toutefois que les travailleurs bénéficient de prestations au moins équivalentes. art. 324a al. 4 CO Dans le domaine de l'assurance couvrant le risque de perte de gain en cas de maladie ou d'accident, les parties peuvent librement choisir, soit de conclure une assurance sociale d'indemnités journalières régie par les art. 67 à 77 de la loi fédérale du 8 mars 1994 sur l'assurance-maladie (LAMal; RS 832.10), soit de conclure une assurance d'indemnités journalières soumise à la loi fédérale du 2 avril 1908 sur le contrat d'assurance (LCA; RS 221.229.1) (arrêt 4A_529/2012 du 31 janvier 2013 consid. 2.1 et les références citées).
4.2 En l'occurrence, il n'est pas contesté que le contrat, conclu avec un assureur privé (E.), est régi par la loi sur le contrat d'assurance (LCA). Il s'agit donc d'une assurance, complémentaire à l'assurance sociale, relevant du droit privé ( art. 12 al. 2 et 3 LAMal ; ATF 133 III 439 consid. 2.1 p. 441 s.).
4.2 art. 12 al. 2 et 3 LAMal Il résulte également du dossier que la société D. SA (employeur) prévoyait, en cas d'incapacité de travail pour cause de maladie, à la place du salaire pendant un temps limité, une couverture d'assurance collective d'indemnités journalières, au taux de 80 % du salaire, avec un délai d'attente de sept jours, et pendant 723 jours au plus. La validité de cette convention dérogatoire, en particulier du point de vue de l'équivalence des prestations, n'est pas contestée et il n'y a pas lieu de s'y attarder.
4.3 En matière d'assurance collective contre les accidents ou la maladie, l' art. 87 LCA - de nature impérative (cf. art. 98 LCA ) - confère un droit propre à l'assuré, qu'il peut faire valoir contre l'assureur BGE 141 III 112 S. 114 (entre autres auteurs: VINCENT BRÜHLHART, L'assurance collective contre la perte de gain en cas de maladie, in Le droit social dans la pratique de l'entreprise, 2006, p. 103). La volonté du législateur était de protéger l'assuré contre des comportements du preneur d'assurance susceptibles de mettre en danger la prestation d'assurance (arrêt 5C.3/2003 du 31 mars 2003 consid. 3.3 et les auteurs cités).
4.3 art. 87 LCA art. 98 LCA BGE 141 III 112 S. 114
Ce droit propre a pour conséquence que seul le bénéficiaire (assuré) est titulaire de la prestation d'assurance ( ATF 87 II 376 consid. 2a p. 384; BRÜHLHART, op. cit., p. 103). A cet égard, le Tribunal fédéral a eu l'occasion de préciser que la nature même du contrat d'assurance collective d'indemnité journalière présuppose que celle-ci soit acquittée entre les mains de l'assuré en faveur duquel il a été conclu, ledit paiement intervenant en lieu et place de l'obligation de l'employeur de verser le salaire (cf. ATF 122 V 81 consid. 2a p. 83, étant précisé que la solution retenue dans cet arrêt a été, à l'époque, prise en matière d'assurance collective soumise à la LAMA (RS 8 283); PETER STEIN, in Basler Kommentar, Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag, 2001, n° 23 ad art. 87 LCA ; STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Arbeitsvertrag, 7 e éd. 2012, n° 13 ad art. 324a CO et les références citées). art. 87 LCA art. 324a CO Ce contrat (ou, plus correctement, son mode d'exécution) peut être comparé à une stipulation pour autrui parfaite: le tiers dispose d'un droit de créance propre contre le promettant et peut agir en exécution dès que la créance est exigible, le débiteur ne pouvant par ailleurs se libérer qu'en faisant sa prestation au tiers ( art. 112 al. 2 CO ; arrêt 5C.3/2003 déjà cité consid. 3.3). L'assuré ne devient toutefois pas partie au contrat et, partant, l'employeur (preneur d'assurance) est toujours le débiteur des primes d'assurance (arrêts 4A_53/2007 du 26 septembre 2007 consid. 4.4.1, in RtiD 2008 I p. 1057; 5C.41/2001 du 3 juillet 2001 consid. 2c). art. 112 al. 2 CO 4.4 Le fait que le preneur d'assurance (employeur) et l'assureur puissent convenir du versement des indemnités journalières à l'employeur ne change rien aux considérations qui précèdent. Ce type de clauses contractuelles n'a trait qu'aux modalités d'encaissement des cotisations et de versement des indemnités journalières. Dans l'un et l'autre cas, le preneur d'assurance (employeur de l'assuré) accomplit une tâche administrative définie par le contrat d'assurance, en ce sens qu'il lui appartient, d'une part de verser les cotisations d'assurance à la caisse - ce qui ne signifie pas que c'est lui qui les paie BGE 141 III 112 S. 115 effectivement ou entièrement - et d'autre part d'encaisser les indemnités journalières, lesquelles sont cependant dues à l'assuré, et non pas à lui (cf. ATF 122 V 81 consid. 1b p. 83; FREY/LANG, in Basler Kommentar, Versicherungsvertragsgesetz, Nachführungsband, 2012, n° 18 ad art. 87 LCA ; HANS-RUDOLF MÜLLER, Grundlagen der Krankentaggeldversicherung nach VVG, in Krankentaggeldversicherung: Arbeits- und versicherungsrechtliche Aspekte, 2007, p. 27; GEBHARD EUGSTER, Vergleich der Krankentaggeldversicherung [KTGV] nach KVG und nach VVG, in Krankentaggeldversicherung: Arbeits- und versicherungsrechtliche Aspekte, 2007, p. 78 note de pied 97).
4.4 BGE 141 III 112 S. 115
art. 87 LCA 4.5 Lorsque l'employeur ne satisfait pas aux obligations à lui imposées par la convention dérogatoire écrite, par exemple s'il ne conclut pas le contrat d'assurance prévu ou n'acquitte pas les primes dues à l'assureur, ou, en cas de maladie d'un travailleur, ne fait pas à temps l'annonce exigée par les conditions d'assurance, il doit réparation du dommage subi par ce travailleur, et le dommage correspond aux prestations d'assurance perdues. Sa propre prestation a alors pour objet des dommages-intérêts pour cause de mauvaise exécution de la convention, et elle est due sur la base de l' art. 97 al. 1 CO ( ATF 127 III 318 consid. 5 p. 326; ATF 124 III 126 consid. 4 p. 133; arrêt 4A_446/2008 du 3 décembre 2008 consid. 4).
4.5 art. 97 al. 1 CO En l'espèce, c'est dans cette perspective que le créancier social s'est adressé dans un premier temps à la société (en invoquant l' art. 97 CO ), puis qu'il l'a actionnée en justice (devant les autorités prud'homales). art. 97 CO Le fait pour le créancier social d'avoir procédé ainsi ne l'empêchait pas, en soi (en vertu des règles relatives à la solidarité imparfaite), de diriger ensuite son action, sous l'angle de l' art. 41 CO, contre les organes sociaux pour obtenir le solde de sa créance (soit l'équivalent du montant des indemnités journalières qui auraient dû lui être versées en l'absence d'acte illicite), cette dernière action étant à ce stade présupposée ouverte (pour l'examen de la question cf. infra consid. 5). art. 41 CO Contrairement à ce que semblent suggérer les administrateurs (A. et B.), le fait qu'un accord ait été conclu entre la société et l'employé n'y change rien. Dans cette perspective, les recourants ne tentent en effet à aucun moment de soutenir que la transaction conclue en l'espèce par le créancier avec la société (coresponsable) libérerait tous les autres (soit en l'espèce les deux administrateurs) selon l' art. 147 al. 2 CO (cette disposition étant applicable par analogie en cas de BGE 141 III 112 S. 116 solidarité imparfaite: cf. arrêt 4C.27/2003 du 26 mai 2003 consid. 3.4, in SJ 2003 I p. 597). Il incombait aux administrateurs (débiteurs) d'alléguer et d'établir une volonté des parties allant dans ce sens (cf. arrêt 4C.27/2003 déjà cité consid. 3.5.2) et il n'y a donc pas lieu d'entrer en matière sur cette question (cf. consid. 1.2 et 1.3 non publiés). art. 147 al. 2 CO BGE 141 III 112 S. 116
5.
5. 5.1 Les recourants reprochent à la cour cantonale d'avoir violé le droit fédéral en admettant l'action formée par l'employé (créancier social). Dans ce contexte, ils soutiennent que la cause du dommage n'est pas le non-paiement des primes, mais qu'elle doit plutôt être recherchée dans l'incapacité de la société d'honorer l'accord du 25 mai 2000. Selon eux, l'impossibilité pour la société d'honorer son engagement découle de la mauvaise gestion des administrateurs. Ils en infèrent l'absence de lien de causalité avec le non-paiement des primes et, pour le créancier social, l'existence d'un dommage par ricochet (seule la société étant directement lésée) qui ne peut être indemnisé par le biais d'une action individuelle.
5.1 5.2 Il s'agit donc de déterminer l'action qui pouvait être introduite en l'espèce par le créancier social. L'action dont dispose celui-ci envers les organes d'une société dépend du type de dommage subi. A cet égard, trois situations sont envisageables ( ATF 132 III 564 consid. 3.1):
5.2 5.2.1 Premièrement, le créancier peut être lésé à titre personnel par le comportement des organes, à l'exclusion de tout dommage causé à la société. Il subit alors un dommage direct ( ATF 132 III 564 consid. 3.1.1). Autrement dit, les organes responsables ont adopté un comportement dont le créancier social (et non la société) est la victime (cf. PETER BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, 4 e éd. 2009, § 18 n. 318).
5.2.1 Dans un tel cas, le créancier lésé peut agir à titre individuel pour réclamer des dommages-intérêts au responsable ( ATF 132 III 564 consid. 3.2.1 p. 569). Son action est soumise aux règles ordinaires de la responsabilité civile, en particulier aux art. 41 ss CO ( ATF 132 III 564 consid. 3.2.1 p. 569; ATF 106 II 232 consid. 2 p. 233 ss; ROLAND RUEDIN, Droit des sociétés, 2 e éd. 2007, p. 340 n. 1901 et le renvoi; BÖCKLI, op. cit., § 18 n. 311 ss et 341 et l'auteur cité; PETER R. ISLER, Fragen der Aktiv- und Passivlegitimation in Verantwortlichkeitsprozessen, in Verantwortlichkeit im Unternehmensrecht IV, 2008, p. 94). BGE 141 III 112 S. 117
art. 41 ss CO BGE 141 III 112 S. 117
5.2.2 Deuxièmement, les manquements des organes sont susceptibles de causer en premier lieu un dommage à la seule société (dommage direct), le créancier n'étant lésé que par ricochet (en cas d'insolvabilité de la société).
5.2.2 Tant que la société demeure solvable, c'est-à-dire qu'elle est en mesure d'honorer ses engagements, le dommage reste en effet dans sa seule sphère, sans toucher les créanciers sociaux, qui pourront obtenir le plein de leurs prétentions. C'est seulement lorsque les manquements des organes entraînent l'insolvabilité de la société, puis sa faillite, que le créancier subit une perte qui constitue un dommage par ricochet ( ATF 132 III 564 consid. 3.2.2 et les arrêts cités), ce qui lui ouvre l'action de l' art. 757 al. 2 et 3 CO (sur le rapport avec l' art. 260 LP, cf. BERNARD CORBOZ, in Commentaire romand, Code des obligations, vol. II, 2008, n os 36 ss ad art. 757 CO ). art. 757 al. 2 et 3 CO art. 260 LP art. 757 CO 5.2.3 En troisième lieu, il existe encore des situations, plus rares, dans lesquelles on discerne à la fois un dommage direct pour le créancier et un dommage direct pour la société. En d'autres termes, le comportement de l'organe porte directement atteinte au patrimoine de la société et à celui du créancier social ( ATF 132 III 564 consid. 3.1.3 p. 569 et l'arrêt cité).
5.2.3 Dans cette situation, pour parer au risque d'une compétition entre les actions en responsabilité exercées respectivement par la société ou l'administration de la faillite et par les créanciers directement touchés, la jurisprudence a limité le droit d'agir de ces derniers, afin de donner une priorité à l'action sociale; ainsi, lorsque la société est aussi lésée, un créancier social peut agir à titre individuel contre un organe en réparation du dommage direct qu'il a subi seulement s'il peut fonder son action sur un acte illicite ( art. 41 CO ), une culpa in contrahendo ou une norme du droit des sociétés conçue exclusivement pour protéger les créanciers ( ATF 132 III 564 consid. 3.2.3 p. 570 s. et les arrêts cités). art. 41 CO 5.3 Il convient maintenant, à la lumière des principes juridiques susrappelés, de revenir sur l'argumentation des recourants, soit de déterminer laquelle des trois hypothèses est réalisée en l'espèce.
5.3 5.3.1 Dans la mesure où les recourants affirment que la cause du dommage subi par le créancier social résulte de la mauvaise gestion de la société, ils font un amalgame entre la cause du dommage et les créances en réparation qui en découlent (pour le créancier social). BGE 141 III 112 S. 118
5.3.1 BGE 141 III 112 S. 118
5.3.2 En l'occurrence, les agissements illicites des organes sociaux (non-paiement des primes) sont à l'origine du refus de l'assureur d'indemniser l'employé. Il n'importe à cet égard que l'on ne sache pas, sur la base des constatations cantonales, si les indemnités devaient être encaissées dans un premier temps par l'employeur (à charge pour lui de les remettre à l'employé), ou si elles devaient être versées directement à l'employé. Il n'en demeure pas moins qu'elles étaient dues à l'assuré. Ainsi, le fait que les administrateurs ont déduit des cotisations sur le salaire de l'employé - en particulier celles de l'assurance d'indemnités journalières en cas de maladie - pour les utiliser à d'autres fins permet d'affirmer que ces organes ont adopté un comportement dont l'employé est la victime, ce qui confirme que l'employé a subi un dommage direct.
5.3.2 La société, engagée contractuellement vis-à-vis de son employé, s'est également appauvrie en raison du comportement illicite de ses propres administrateurs, puisque son passif s'est accru d'une obligation de réparer le préjudice de l'employé (damnum emergens sous la forme d'une augmentation des passifs; cf. HEINZ REY, Ausservertragliches Haftpflichtrecht, 4 e éd. 2008, p. 81 n. 346). La société pouvait donc également actionner les administrateurs en invoquant la violation de l' art. 41 CO ou du devoir de diligence ancré à l' art. 717 CO. art. 41 CO art. 717 CO 5.3.3 Si l'existence d'une concurrence de prétentions de la société et du créancier social (cf. troisième cas de figure exposé supra consid. 5.2.3) peut ainsi être observée, cette concurrence ne semble plus d'actualité puisque la faillite de la société a été prononcée en juillet 2000, puis clôturée (la radiation au registre du commerce ayant été opérée en mai 2003). Il ne résulte pas de l'arrêt cantonal que l'administration de la faillite aurait actionné les administrateurs pour le préjudice subi, ni qu'une cession des droits de la masse aurait eu lieu.
5.3.3 Quoi qu'il en soit, il n'est ici pas douteux que le créancier social pouvait fonder son action sur un acte illicite (cf. consid. 6 non publié) et qu'il était ainsi légitimé à agir à titre individuel contre les organes en réparation du dommage direct subi (cf. supra consid. 5.2.3).
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Urteilskopf 141 III 119 18. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause A. SA contre B. et C. (recours en matière civile) 4A_406/2014 / 4A_408/2014 du 12 janvier 2015 Regeste Art. 8 Abs. 5, Art. 9 Abs. 1 und 4 DSG, Art. 1 Abs. 3 VDSG, Art. 47 BankG ; Verpflichtung einer Bank, ihren (ehemaligen) Angestellten über die sie betreffenden persönlichen Daten, die an die amerikanischen Behörden übermittelt wurden, schriftlich Auskunft zu erteilen. Die Bank (Inhaberin der Datensammlung) kann sich vorliegend nicht auf eine Grundlage in einem Gesetz im formellen Sinne (vgl. Art. 9 Abs. 1 lit. a DSG ) berufen, um gegenüber den Angestellten die Herausgabe von Kopien der strittigen Daten zu verweigern (E. 5). Ein überwiegendes Interesse Dritter im Sinne von Art. 9 Abs. 1 lit. b DSG fehlt (E. 6). Eine Interessenabwägung im Sinne von Art. 9 Abs. 4 DSG ergibt, dass im vorliegenden Fall das Interesse der Angestellten, eine Kopie der strittigen Daten zu erhalten, dasjenige der Bank überwiegt, das Auskunftsrecht der Angestellten einzuschränken (E. 7). Frage offengelassen, ob ausser den in Art. 1 Abs. 3 VDSG vorgesehenen Fällen andere Ausnahmen vom Grundsatz der schriftlichen Auskunftserteilung in Betracht kommen, nachdem die Bank keinen konkreten Umstand geltend macht, der einer Herausgabe einer Kopie der streitbetroffenen Daten entgegenstünde (E. 8). Sachverhalt ab Seite 120 BGE 141 III 119 S. 120 A. A.a A. SA (ci-après: A. ou la banque), établissement bancaire sis à Genève, a employé C. (ci-après: l'employé) en qualité de responsable du service "Asset Management Private Banking" de 1996 jusqu'à son licenciement en octobre 2008 (pour le 30 avril 2009). L'employé occupait également le poste de directeur de l'unité de gestion basée à New York et s'était rendu aux Etats-Unis dans ce cadre. B. (ci-après: l'employée) a également travaillé pour la banque, du 1 er mars 2006 au 30 juin 2007. Elle a notamment été chargée de développer la clientèle américaine. BGE 141 III 119 S. 121 A.b En 2010, les autorités américaines ont ouvert des enquêtes contre onze banques suisses, dont A., qu'elles soupçonnaient d'avoir aidé des clients américains à se soustraire à leurs obligations fiscales ainsi que d'avoir contrevenu à la réglementation applicable lors des contacts intervenus avec ces clients. Elles ont requis l'entraide administrative de la Suisse en vue d'obtenir des renseignements sur les activités des banques visées aux Etats-Unis. A. et les autres banques ont transmis les documents requis aux autorités américaines après avoir, sur requête de la FINMA, caviardé les informations permettant l'identification des clients et remplacé les données de ses employés, de ses ex-employés et de tiers par des codes. Le 18 janvier 2012, le Conseil fédéral a décidé que, provisoirement, seules devaient être transmises, dans le cadre de l'entraide, des données codées concernant les employés. Au début du mois de février 2012, les autorités américaines ont procédé à l'inculpation de la banque E. SA. Mi-mars 2012, plusieurs banques ont demandé au Conseil fédéral d'autoriser la communication des informations exigées, comprenant le nom des employés (non codé) et des tiers. Le 4 avril 2012, le Conseil fédéral a autorisé les banques concernées à transmettre directement aux autorités américaines des données non anonymisées, à l'exception de celles concernant les clients. Cette décision valait autorisation, au sens de l' art. 271 CP, à procéder sur le territoire suisse pour le compte d'un Etat étranger à des actes relevant des pouvoirs publics. L'appréciation de la responsabilité civile des banques demeurait cependant du ressort de ces dernières. Le 11 avril 2012, la FINMA a recommandé aux banques concernées de coopérer avec les autorités américaines dans le cadre prévu par le Conseil fédéral, en précisant que la procédure d'entraide administrative était, de ce fait, suspendue. Parallèlement à quatre autres banques, A., sans avertir les employés concernés, a transmis aux autorités américaines, au mois d'avril 2012, des documents comportant notamment les noms, prénoms, adresses mails et numéros de téléphone d'employés et d'ex-employés, seules les données permettant d'identifier les clients étant restées anonymisées. A.c C. a appris ce qui précède par la presse; il a contacté le service des ressources humaines de A., lequel l'a informé que son identité avait effectivement été communiquée aux autorités américaines. BGE 141 III 119 S. 122 Le 14 juin 2012, l'employé a consulté dans les locaux de A. les documents litigieux le concernant. Le 3 juillet 2012, A. a autorisé l'employé à consulter une seconde fois les documents, ce qu'il a fait le 10 juillet 2012. Il n'a toutefois pas pu en faire des copies. A.d Le 11 juillet 2012, B., ayant eu connaissance de ce qui précède par la presse, a demandé à A. si elle était également concernée; la banque lui a confirmé que tel était le cas. Le 24 juillet 2012, l'employée s'est rendue dans les locaux de la banque pour prendre connaissance des documents litigieux la concernant. Le 6 septembre 2012, B. a requis de A. une copie, sous forme informatique, des documents litigieux, ainsi que de la lettre d'accompagnement remise aux autorités américaines et de divers autres éléments. Le 13 septembre 2012, A. s'y est opposée. A.e Le 17 août 2012, le Préposé fédéral à la protection des données et à la transparence (PFPDT) a ouvert une procédure d'éclaircissement au sens de l'art. 29 de la loi fédérale du 19 juin 1992 sur la protection des données (LPD; RS 235.1), afin de vérifier si les principes de la loi avaient été respectés lors de la transmission des données par les banques suisses aux autorités américaines. Le 6 septembre 2012, le PFPDT a adressé des recommandations à plusieurs banques, parmi lesquelles A., selon lesquelles la banque devait accorder aux personnes concernées (collaborateurs actuels et anciens, ainsi que tiers externes) le droit d'accès aux données selon l' art. 8 LPD. Le PFPDT a adhéré à l'argumentation de la banque qui faisait valoir que des copies de documents ne pouvaient pas être remises au vu de leur sensibilité liée au secret bancaire et à celui de la clientèle, ainsi que de ses propres règles de sécurité. La banque ne s'est pas opposée aux recommandations du PFPDT, qui ont été publiées le 13 novembre 2012. Le 3 juillet 2013, le Conseil fédéral a fixé les principes de coopération des banques suisses avec les autorités américaines en vue de régler leur différend fiscal, et il a donné la possibilité aux banques de demander une autorisation individuelle au sens de l' art. 271 CP. Il a notamment précisé qu'une telle autorisation excluait uniquement une punissabilité en vertu de cette disposition, mais qu'elle ne BGE 141 III 119 S. 123 dispensait pas du respect des autres règles du droit suisse, notamment de la prise en compte du secret d'affaires et du secret bancaire existants, des dispositions sur la protection des données et des obligations de l'employeur. B. B.a Par acte du 14 décembre 2012, agissant au bénéfice d'une autorisation de procéder du 15 novembre 2012, C. a saisi le Tribunal de première instance de Genève d'une requête contre A. Par acte du 14 décembre 2012, agissant au bénéfice d'une autorisation de procéder du 5 décembre 2012, B. a saisi ce même Tribunal d'une requête contre A. Dans leurs conclusions (réduites lors des plaidoiries du 10 juillet 2013), les employés requièrent la production d'une copie des documents transmis aux autorités américaines, sous forme informatique et caviardée s'agissant des noms des clients ou des tiers, ainsi que la communication de la date de la transmission et de la manière dont les données avaient été communiquées, avec suite de frais. B.b Par deux jugements séparés du 24 octobre 2013, le Tribunal de première instance de Genève a ordonné à A. de remettre aux demandeurs, sur un support papier ou sur un support électronique, une copie des documents qui avaient été transmis aux autorités américaines et qui contenaient des données les concernant, soit des informations qui les identifiaient ou qui permettaient de les identifier (nom, prénom, adresse e-mail, numéro de téléphone, fonction, description de l'activité, etc.). Le Tribunal a en outre dit que les données des clients, des autres employés et ex-employés de A. ainsi que des tiers figurant dans ces documents pourraient être caviardées. Il a en sus ordonné à A. d'indiquer aux demandeurs à quelles dates et à quelles autorités américaines les documents avaient été transmis. Par deux arrêts séparés datés du 23 mai 2014, la Cour de justice a confirmé les jugements entrepris par la défenderesse et débouté les parties de toutes autres conclusions. C. Contre ces deux arrêts cantonaux, la banque (ci-après: la recourante ou la banque) exerce deux recours en matière civile séparés mais comportant les mêmes critiques et conclusions (sauf en ce qui concerne l'objet de la requête d'accès aux données et la décision entreprise). Sous suite de frais et dépens, elle conclut à l'annulation des arrêts visés et à ce que les employés soient déboutés de toutes autres conclusions, subsidiairement, à l'annulation des arrêts entrepris et au renvoi de la cause à l'autorité cantonale. BGE 141 III 119 S. 124 Les employés (ci-après: les intimés ou les employés) concluent, sous suite de frais et dépens, à ce que la banque soit déboutée de toutes ses conclusions. La requête d'effet suspensif sollicitée dans chaque cause par la recourante a été admise, faute d'opposition, par ordonnances présidentielles du 1 er septembre 2014. Le Tribunal fédéral a rejeté les recours. (résumé) Erwägungen Extrait des considérants: 4. Sur le principe, la recourante reconnaît que les employés peuvent prendre connaissance du contenu des documents litigieux. Elle refuse toutefois de leur remettre ceux-ci sous forme écrite (copie des données). La recourante reproche à la cour cantonale d'avoir violé l' art. 8 al. 5 LPD. Les circonstances d'espèce seraient telles qu'elles justifieraient une (nouvelle) exception au principe de la communication écrite. Elle invoque également une transgression de l' art. 9 al. 1 let. a et b LPD, ainsi que de l' art. 9 al. 4 LPD, son refus de fournir des copies écrites, dicté par la prise en compte d'intérêts de tiers et des siens propres, étant légitime. Il convient, dans un premier temps, de définir si c'est de manière légitime que la banque a opposé son refus aux employés, soit de déterminer si elle pouvait se fonder sur une loi au sens formel pour restreindre l'accès aux données litigieuses (cf. art. 9 al. 1 let. a LPD ), et d'établir si, comme le prétend la banque (maître du fichier), ses propres intérêts - ou ceux de tiers - (cf. art. 9 al. 1 let. b et al. 4 LPD ) l'emportent sur ceux des employés (cf. infra consid. 5, 6 et 7). Dans un deuxième temps, il conviendra d'examiner si la banque peut justifier son refus sur la base des circonstances exceptionnelles dont elle tente de démontrer l'existence par le biais de divers arguments soulevés sous l'angle de l' art. 8 al. 5 LPD (cf. infra consid. 8). 5. La recourante reproche à la cour cantonale d'avoir violé l' art. 9 al. 1 let. a LPD. Selon elle, une base légale au sens formel interdisant à la banque de communiquer les renseignements demandés (subsidiairement prévoyant une restriction à cette communication) est contenue à l'art. 47 de la loi sur les banques du 8 novembre 1934 (LB; RS 952), ainsi qu'à l' art. 162 CP. BGE 141 III 119 S. 125 5.1 L' art. 47 LB ne règle pas le secret bancaire en tant que tel, mais il prévoit la sanction (pénale) en cas de violation de ce secret (sur l'ensemble de la question: ATF 137 II 431 consid. 2.1.1 p. 437). La doctrine majoritaire est d'avis que l' art. 47 LB fait en principe partie des bases légales formelles au sens de l' art. 9 al. 1 let. a LPD (DAVID ROSENTHAL, in Handkommentar zum Datenschutzgesetz, 2008, n° 7 ad art. 9 LPD ; PHILIPPE MEIER, Protection des données, 2011, n. 1139 p. 405 et les auteurs cités). 5.2 La communication aux ex-employés des informations sur les clients de la banque équivaut aujourd'hui à une remise à des tiers (et ce, même si, après la fin des relations contractuelles, ils sont encore soumis au secret bancaire), ce qui constitue en soi, dans la perspective de la banque, un comportement punissable au sens de l' art. 47 LB (ce qui est d'ailleurs également le cas pour la simple consultation, sur place, des données). Il faut toutefois d'emblée relever dans ce contexte que le Conseil fédéral, dans sa décision du 4 avril 2012, a expressément interdit aux banques de livrer à l'étranger des informations sur les clients ("Kundendaten"). A cet égard, la cour cantonale constate que, lors de leur transmission aux autorités américaines, les documents ne contenaient pas d'informations permettant d'identifier les clients. La banque a elle-même expressément admis avoir caviardé toutes les données permettant d'identifier ses clients dans les documents transmis aux autorités américaines afin de respecter la décision du Conseil fédéral. Dès lors, si les documents livrés par les banques à un Etat étranger ne contiennent pas de telles informations, on ne voit pas en quoi ces mêmes documents, communiqués aux employés, mettraient le secret bancaire en danger (cf. GABRIEL AUBERT, La communication aux autorités américaines, par des banques, de données personnelles sur leurs employés: aspects de droit du travail, RSDA 2013 p. 42). 5.3 La recourante considère que l'infraction ( art. 47 LB ) pourrait quand même être réalisée de par le fait que les employés ont pu prendre connaissance des documents intégraux et qu'ils seraient donc en mesure, en cas de remise écrite des données, d'identifier (en reconstituant de mémoire les éléments caviardés) les clients en cause. Le raisonnement ne convainc pas. En réalité, ce n'est pas la remise écrite aux employés des documents litigieux qui leur permettrait d'identifier les clients en cause, puisqu'ils les connaissent déjà. Dès lors, la banque ne saurait violer l' art. 47 LB pour la seule raison qu'elle serait amenée à remettre par écrit, dans le contexte ainsi décrit, des données caviardées. BGE 141 III 119 S. 126 En l'espèce, la recourante ne peut se prévaloir de l' art. 47 LB (en lien avec l' art. 9 al. 1 let. a LPD ) pour refuser de remettre aux employés une copie des documents litigieux. 5.4 La recourante soutient que "l'argumentation valable pour l' art. 47 LB est transposable à l' art. 162 CP ". Selon elle, si les employés sont en possession de copies, ils pourraient alors identifier les noms des clients et d'autres informations couvertes par le secret commercial, au vu de leur activité passée au sein de l'établissement bancaire. L'argument est sans consistance. L'infraction ( art. 162 CP ) peut uniquement être réalisée par la personne tenue au secret, soit celle qui a un devoir (légal ou contractuel) de garder le secret (cf. BERNARD CORBOZ, Les infractions en droit suisse, vol. I, 3 e éd. 2010, n os 3 et 9 s. ad art. 162 CP ; STRATENWERTH/JENNY, Besonderer Teil I: Straftaten gegen Individualinteressen, 6 e éd. 2003, n° 6 ad § 22). Le maître du secret n'est pas visé par l'infraction et, partant, la banque ne saurait en l'espèce s'en prévaloir à titre de base formelle au sens de l' art. 9 al. 1 let. a LPD. 6. La recourante invoque une transgression de l' art. 9 al. 1 let. b LPD. 6.1 Il résulte des constatations cantonales que la banque n'a pas fait valoir, devant l'autorité précédente, l'intérêt des tiers, pour fonder son opposition à la remise d'une copie des documents litigieux. La cour cantonale présente toutefois une argumentation subsidiaire dans laquelle elle affirme qu'un tel moyen aurait dû être d'emblée rejeté. 6.2 En vertu de l' art. 9 al. 1 let. b LPD, le maître du fichier peut refuser ou restreindre la communication des renseignements demandés, voire en différer l'octroi, dans la mesure où les intérêts prépondérants d'un tiers l'exigent. Ce motif peut (et doit) être invoqué par le maître du fichier lorsque les données sur lesquelles porte l'accès sont intimement liées aux données personnelles de tiers (MEIER, op. cit., n. 1144 s. p. 406 s.; BRACHER/TAVOR, Das Auskunftsrecht nach DSG, RSJ 109/2013 p. 49). En principe, si l'anonymisation des documents concernés suffit à protéger les tiers, le droit d'accès du titulaire des données (requérant sous l'angle de l' art. 8 LPD ) ne devrait pas, sous peine d'une violation du principe de la proportionnalité (cf. art. 4 al. 2 LPD ), faire l'objet d'une plus grande restriction (BELSER/EPINEY/WALDMANN, Datenschutzrecht, 2011, n. 53 ad § 11; FRIEDRICH/KAISER, BGE 141 III 119 S. 127 Datenschutzrechtliches Auskunftsrecht und Arbeitspapiere einer Revisionstelle, L'expert-comptable suisse 2013, p. 527 et les auteurs cités). 6.3 Selon les constatations cantonales, lors de leur transmission aux autorités américaines, les documents ne contenaient pas d'informations permettant d'identifier les clients. Il en ressort également que la banque a été autorisée par le premier juge à anonymiser les éléments permettant d'identifier ses (ex-)collaborateurs et les tiers. Il ne résulte pas des constatations cantonales que le caviardage ne permettrait pas de protéger suffisamment les tiers. Ainsi, même à considérer l'argumentation subsidiaire de l'autorité précédente, on ne saurait reprocher à celle-ci d'avoir nié un intérêt prépondérant de tiers. 7. La recourante reproche à la cour cantonale d'avoir appliqué de manière incorrecte l' art. 9 al. 4 LPD. 7.1 Elle commence par soutenir qu'on peut renoncer à procéder à une pesée d'intérêts sous cet angle en insistant sur le fait que les employés, à qui elle reconnaît le droit de consulter les informations les concernant sur place (données à l'écran), ne disposent en réalité d'aucun intérêt à obtenir une communication écrite. 7.1.1 Il faut rappeler ici qu'en soi le droit d'accès selon l' art. 8 LPD - donc la remise écrite d'information (cf. infra consid. 8.1) - peut être exercé sans la preuve d'un intérêt. Ce n'est que si le maître du fichier veut refuser ou restreindre l'accès qu'une pesée des intérêts aura lieu (à ce sujet cf. infra consid. 7.2). La prise en compte de l'intérêt du titulaire du droit d'accès joue également un rôle lorsqu'un abus de droit entre en considération ( ATF 138 III 425 consid. 5.4 p. 4.3.2; ATF 123 II 543 consid. 2e p. 538; cf. ARTER/DAHORTSANG, PJA 2012 p. 1161). L'existence d'un abus de droit (cf. art. 2 al. 2 CC ) doit être reconnue lorsque l'exercice du droit par le titulaire ne répond à aucun intérêt digne de protection, qu'il est purement chicanier ou, lorsque, dans les circonstances dans lesquelles il est exercé, le droit est mis au service d'intérêts qui ne correspondent pas à ceux que la règle est destinée à protéger (cf. PAUL-HENRI STEINAUER, Le Titre préliminaire du Code civil, TDPS vol. II/1, 2009, n. 570 p. 213 et n. 573 s. p. 214 s.; HAUSHEER/JAUN, Die Einleitungsartikel des ZGB, 2003, n os 125 s. ad art. 2 CC ). Cela est ainsi le cas, dans la perspective de l' art. 8 LPD, lorsque le droit d'accès est exercé dans un but étranger à la protection des données, par exemple lorsque le droit d'accès n'est utilisé que pour nuire BGE 141 III 119 S. 128 au débiteur de ce droit (cf. arrêt 4A_36/2010 du 20 avril 2010 consid. 3.1). Il faudrait probablement aussi considérer comme contraire à son but et donc abusive l'utilisation du droit d'accès dans le but exclusif d'espionner une (future) partie adverse et de se procurer des preuves normalement inaccessibles ( ATF 138 III 425 consid. 5.5 p. 432; KLEINER/SCHWOB/WINZELER, in Kommentar zum Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen, 22 e éd. 2014, n o 406 ad art. 47 LB et les auteurs cités). Ce serait ainsi le cas d'une requête qui ne constitue qu'un prétexte à une recherche indéterminée de moyens de preuve ( fishing expedition ) (en lien avec l' art. 8 LPD : NICOLAS PASSADELIS, Datenschutzrechtliches Auskunftsrecht erlaubt keine Beweisausforschung, Push-service Entscheide, CJN, 4 mars 2013 n. 12; FRIEDRICH/ KAISER, op. cit., p. 527). La requête de l'employé visant à obtenir les données le concernant en vue d'une éventuelle action en dommages-intérêts contre le maître du fichier n'est par contre, en soi, pas abusive ( ATF 138 III 425 consid. 5.6 p. 432; BRACHER/TAVOR, op. cit., p. 50 note de pied 60). 7.1.2 En l'espèce, les employés expliquent qu'ils tiennent à obtenir une copie de leurs données pour deux raisons: premièrement, afin de pouvoir juger d'une possible illicéité de traitement effectué par la recourante et formuler d'éventuelles futures prétentions civiles contre la banque. Deuxièmement, afin d'être en mesure d'anticiper de probables ennuis qui leur seront causés par le Department of Justice (DoJ) et de préparer leur défense sur la base des informations et données transmises et d'ores et déjà en mains de l'autorité pénale étrangère. Il n'a par contre pas été constaté que les intimés souhaiteraient prospecter des preuves de manière répréhensible ou qu'ils exigeraient la remise de documents auxquels ils ne pourraient pas prétendre dans la procédure civile. 7.1.3 A la lumière des principes évoqués ci-dessus (cf. supra consid. 7.1.1), on ne saurait ainsi dire que la requête des employés, qui n'est pas chicanière, ni contraire au but qu'elle est censée poursuivre, est abusive. On peut au demeurant observer qu'il serait en l'espèce paradoxal de considérer leur requête comme un prétexte à une recherche indéterminée de moyens de preuve ( fishing expedition ), les employés ayant en effet déjà pris connaissance du contenu des documents visés, aussi bien à travers leur ancienne activité que par le biais des consultations entreprises - les 14 juin et 10 juillet 2012 pour BGE 141 III 119 S. 129 l'employé et le 24 juillet 2012 pour l'employée - dans les locaux de la banque. 7.1.4 Quant à la forme de l'accès aux données, les employés ont un intérêt évident à obtenir une copie des informations en cause. Premièrement, l'obtention d'une copie leur permettra de consulter leurs données où ils veulent et quand ils veulent, et d'avoir, en tout temps, la possibilité de comparer les documents litigieux avec d'autres informations éventuellement en leur possession (cf. ALEXANDER DUBACH, Das Recht auf Akteneinsicht, 1990, p. 351). Force est également de constater, deuxièmement, qu'à défaut de pouvoir présenter une copie des informations en cause dans l'hypothèse d'une procédure contre la banque, les employés se heurteraient rapidement à la difficulté de fournir la preuve de leurs allégués (sur le constat: AUBERT, op. cit., p. 42; CEREGATO/MÜLLER, Das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht: (k)ein Mittel zur Beweisausforschung, Jusletter 20 août 2012 ch. IV; cf. GILLES MONNIER, Le droit d'accès aux données personnelles traitées par un média, 1999, p. 188). Troisièmement, les employés ont un intérêt à bénéficier de tous les instruments leur permettant d'évaluer les risques d'être inquiétés par les autorités américaines, le cas échéant de se défendre; les copies des informations étant en possession de l'autorité pénale étrangère, l'intérêt des employés à disposer également d'une copie des mêmes documents (même s'ils en ont déjà connaissance) est indéniable. La requête visant la remise écrite des documents litigieux permet de procurer aux employés l'avantage qu'ils en attendent et, partant, elle ne peut être qualifiée d'abusive. 7.2 Quant à la pesée d'intérêts évoquée par la recourante dans le même contexte, elle doit maintenant être examinée sous l'angle de l' art. 9 al. 4 LPD. En vertu de cette disposition légale, un maître de fichier privé peut refuser ou restreindre la communication des renseignements demandés ou en différer l'octroi, dans la mesure où ses intérêts prépondérants l'exigent et à condition qu'il ne communique pas les données personnelles à un tiers. Il faut donc procéder à une pesée des intérêts, le débiteur du droit d'accès devant invoquer les siens en premier. Il faut ensuite examiner leur bien-fondé et les opposer aux intérêts du demandeur d'accès. L'accès ne peut être refusé, restreint ou différé que lorsque les premiers l'emportent sur les deuxièmes ( ATF 138 III 425 consid. 6.1 p. 433; BRACHER/TAVOR, op. cit., p. 49). BGE 141 III 119 S. 130 La preuve de l'existence d'un intérêt prépondérant à restreindre le droit d'accès incombe au maître du fichier (GRAMIGNA/MAURER-LAMBROU, in Basler Kommentar, Datenschutzgesetz, Öffentlichkeitsgesetz, 3 e éd. 2014, n° 8 ad art. 9 LPD ; ROSENTHAL, op. cit., n° 4 ad art. 9 LPD ; CEREGATO/MÜLLER, op. cit., ch. II/2.2.1). 7.3 La recourante invoque son intérêt fondé, d'une part, sur la nature sensible des documents et, d'autre part, sur les règles de sécurité auxquelles elle soumet son personnel. Elle insiste sur le fait que la remise de documents écrits entraînerait la perte de maîtrise par la banque et la mise en circulation potentielle - notamment par le biais de fax, photocopies et scans - de centaines de documents d'importance stratégique pour elle. Dans ce contexte, la recourante rappelle également sa réglementation interne qui interdit aux employés d'emporter chez eux des documents confidentiels. 7.4 7.4.1 S'agissant de l'intérêt sur la base duquel la banque tente de restreindre le droit d'accès dont les employés sont titulaires, il a été rappelé ci-dessus que les documents ne contenaient pas d'informations permettant d'identifier les clients (cf. supra consid. 5.2), de sorte qu'on ne voit pas en quoi la banque pourrait avoir un intérêt à restreindre le droit d'accès aux documents litigieux pour un motif lié au secret bancaire. Certes, on ne peut écarter le risque qu'un employé communique les copies à un tiers intéressé en révélant de mémoire le nom d'un client pourtant caviardé sur les documents litigieux. A cet égard, la banque n'allègue toutefois ni ne donne le moindre indice qui permettrait de comprendre que les deux employés (intimés) auraient l'intention de divulguer ces documents en dehors d'une procédure judiciaire. Quant à l'existence d'un risque potentiel, celui-ci est relativisé par l'engagement contractuel des (ex-)employés; il n'est en effet pas contesté que ceux-ci sont, de par leur contrat de travail, encore assujettis au secret bancaire et aux peines sanctionnant sa violation ( art. 47 al. 4 LB ). 7.4.2 Au sujet des documents d'importance stratégique évoqués par la banque, on peut là aussi souligner que les employés en ont déjà pris connaissance, aussi bien au cours de leur ancienne activité professionnelle que par le biais de leur consultation sur place, et que les éventuelles informations confidentielles de la banque qui y sont contenues leur sont déjà connues. Ainsi, le risque potentiel d'une divulgation (évoqué par la banque) n'est, en soi, pas lié à la remise d'une BGE 141 III 119 S. 131 copie des documents litigieux. Ce risque découle déjà d'une prise de connaissance préalable du contenu des documents litigieux par les employés. Certes, on peut admettre que le risque s'accroît dans une certaine mesure si les employés disposent de documents qui permettent de prouver les informations déjà en leur possession. A cet égard, la banque se limite toutefois à évoquer la nature sensible des documents "sur le plan organisationnel, commercial ou opérationnel", sans fournir un seul élément concret (exemples de documents effectivement transmis aux autorités américaines) permettant de comprendre en quoi ces documents sont d'une importance stratégique pour elle et de démontrer son intérêt à restreindre en l'espèce le droit d'accès des employés (sur le lien avec le cas concret, cf. encore infra consid. 8.2). Au demeurant, le risque potentiel évoqué par la banque est, ici aussi, en grande partie relativisé par l'engagement contractuel des (ex-)employés; ceux-ci sont, de par leur contrat de travail, soumis aux secrets de fabrication et d'affaires ( art. 321a al. 4 CO ) et ils restent soumis à ces secrets même après la fin des rapports de travail, à tout le moins "tant que l'exige la sauvegarde des intérêts légitimes de l'employeur" (art. 321a al. 4 in fine CO). 7.5 Quant à l'intérêt des employés à avoir en leur possession une copie des documents transmis aux autorités américaines, il a déjà été reconnu plus haut (cf. supra consid. 7.1.4). Il en résulte qu'à défaut d'obtenir une copie, les employés risquent de se heurter à des difficultés importantes (et concrètes) sous plusieurs aspects (cf. supra consid. 7.1.4). Cela étant, l'existence d'un "simple" risque potentiel (par ailleurs limité), tel qu'évoqué par la banque, ne saurait en l'occurrence démontrer que son intérêt à restreindre le droit d'accès des employés l'emporte sur l'intérêt de ceux-ci à obtenir une remise écrite des données litigieuses. 7.6 C'est en vain que la banque insiste sur le contenu de sa réglementation interne pour infléchir la pesée d'intérêts dans un sens qui lui est favorable. 7.6.1 On peut comprendre, sur la base de cette réglementation interne, l'importance (générale) pour la banque de garantir la confidentialité des documents sensibles. A nouveau, celle-ci ne désigne toutefois aucun élément concret qui permettrait de saisir quels types de BGE 141 III 119 S. 132 documents entrant dans cette définition ont été livrés aux autorités américaines, afin de déterminer leur impact sur la pesée des intérêts entreprise plus haut. 7.6.2 L'argumentation de la banque relative à la réglementation interne semble également suggérer que les employés auraient renoncé contractuellement à faire valoir leur droit d'accès ( art. 8 LPD ), à tout le moins à la possibilité de recevoir une copie des documents litigieux. Une renonciation par avance au droit d'accès est explicitement contraire à l' art. 8 al. 6 LPD et elle doit être considérée comme nulle (cf. art. 20 al. 1 CO ; GRAMIGNA/MAURER-LAMBROU, op. cit., n° 60 ad art. 8 LPD ; MEIER, op. cit., n. 973 p. 364; BELSER/EPINEY/WALDMANN, op. cit., n. 42 ad § 11). La même conclusion s'impose lorsque la clause contractuelle liant les parties ne vise pas la renonciation (pure et simple), mais une restriction du droit d'accès (GRAMIGNA/ MAURER-LAMBROU, op. cit., n° 60 ad art. 8 LPD ; cf. ROSENTHAL, op. cit., n° 27 ad art. 8 LPD ). Une renonciation (non anticipée) ne peut être envisagée que si la personne concernée connaît déjà l'essentiel de l'information à laquelle elle pourrait avoir accès (pour les détails: GRAMIGNA/MAURER-LAMBROU, op. cit., n° 61 ad art. 8 LPD ; MEIER, op. cit., n. 974 p. 364). 7.6.3 A la lumière des considérations qui précèdent, on ne peut admettre qu'en concluant le contrat de travail, les employés ont par avance consenti à ne pas faire valoir, vis-à-vis de leur employeur, leur droit d'accès au sens de l' art. 8 LPD. Pour la même raison, les employés ne sauraient avoir acquiescé à une restriction de leur droit d'accès, soit avoir accepté qu'aucun document écrit contenant leurs données personnelles ne leur soit remis (dans ce sens: AUBERT, op. cit., p. 43). Il a en outre été établi que, lorsque les employés ont accepté (par la conclusion du contrat de travail) de se soumettre à la réglementation interne, ils ignoraient que la banque communiquerait aux autorités américaines leurs données personnelles en lien avec les activités transfrontalières qu'ils ont exercées pour le compte de celle-ci. La banque ne les a jamais informés de cette communication. Ils ne connaissaient donc pas l'essentiel de l'information objet de leur droit d'accès, de sorte qu'on ne saurait reconnaître que, depuis la conclusion du contrat de travail, ils auraient pu renoncer à se prévaloir de leur droit à une communication écrite. BGE 141 III 119 S. 133 7.7 Enfin, c'est en vain que la recourante tente de se prévaloir de la décision du 25 avril 2013 de la Cour des plaintes du Tribunal pénal fédéral (BB.2112.133 consid. 2.2.1) qui mentionne, selon ses propres explications, qu'aucun élément probant ne permet de prouver que l'ex-employé (alors objet de la procédure fédérale) serait contraint de rester en Suisse de peur de se faire interroger, arrêter et/ou extrader aux Etats-Unis et que rien au dossier n'amène à conclure que les employés de A. font l'objet d'une poursuite aux Etats-Unis. En l'espèce, l'intérêt des employés à obtenir une copie des données litigieuses ne se limite pas à pouvoir évaluer la situation sur le seul territoire des Etats-Unis, le cas échéant, à se défendre dans ce contexte (cf. supra consid. 7.1.4). Quoi qu'il en soit, les constatations - faites sous l'angle bien précis des éventuelles conséquences d'une violation de l' art. 271 CP - du Tribunal pénal fédéral, qui n'est pas l'"autorité précédente" dans la présente procédure (cf. art. 105 al. 1 LTF ), ne lient pas le Tribunal fédéral. En l'espèce, il résulte des constatations de la Cour de justice que la procédure américaine ouverte contre la banque n'est pas terminée et que l'issue est encore incertaine pour les deux employés. Il n'importe à cet égard qu'il n'existe encore aucune procédure à leur encontre. Le droit d'accès aux données personnelles a précisément pour but de leur permettre d'évaluer eux-mêmes une telle éventualité et, si nécessaire, de se défendre. A cet égard, la remise d'une copie des données litigieuses est nécessaire, ne serait-ce que pour permettre aux employés de prendre connaissance en tout temps du contenu des documents qui sont déjà en possession des autorités américaines (cf. supra consid. 7.1.4). 7.8 Puisque la condition d'un intérêt prépondérant de la banque n'a pas été démontrée par celle-ci, il importe peu de savoir si la deuxième condition posée par l' art. 9 al. 4 LPD, à savoir que le maître du fichier ne communique pas les données personnelles à un tiers, est également remplie (cf. ATF 138 III 425 consid. 6.6 p. 436). Il n'est donc pas nécessaire d'entrer en matière sur le grief, soulevé par la recourante dans ce contexte, d'un établissement manifestement inexact, par l'autorité précédente, des faits qui, selon la banque, révèlent l'obligation qui était la sienne de communiquer ses données aux autorités américaines. 8. La recourante reproche également à la cour cantonale d'avoir violé l' art. 8 al. 5 LPD. Elle estime qu'en l'espèce les circonstances sont BGE 141 III 119 S. 134 telles qu'elles justifient une exception au principe de la communication écrite (en dehors de l'exception prévue par le Conseil fédéral). Elle fournit divers arguments visant à convaincre de l'existence de telles circonstances (cf. infra consid. 8.2-8.6). 8.1 En vertu de l' art. 8 al. 5 LPD, "les renseignements sont, en règle générale, fournis gratuitement et par écrit, sous forme d'imprimé ou de photocopie. Le Conseil fédéral règle les exceptions". Se fondant sur cette délégation législative (reprise à l' art. 36 al. 1 LPD ), le Conseil fédéral a prévu, à l'art. 1 al. 3 de l'ordonnance du 14 juin 1993 relative à la loi fédérale sur la protection des données (OLPD; RS 235.11), que, "d'entente avec le maître du fichier ou sur proposition de celui-ci, la personne concernée peut également consulter ses données sur place. Si elle y a consenti et qu'elle a été identifiée, les renseignements peuvent également lui être fournis oralement". Il ressort clairement des dispositions précitées que, pour le législateur, la communication écrite des données constitue la règle (sur le constat cf. aussi: URS BELSER, Das Recht auf Auskunft, die Transparenz der Datenbearbeitung und das Auskunftsverfahren, in Das neue Datenschutzgesetz des Bundes, 1993, p. 60). La seule exception explicite figure à l'art. 1 al. 3 de l'ordonnance; selon cette disposition une consultation sur place - voire une communication orale - des pièces du dossier ne peut remplacer une communication écrite que dans le cas où la personne intéressée est d'accord avec ce mode de faire ( ATF 125 II 321 consid. 3b p. 323; ATF 123 II 534 consid. 3c p. 540 s.; MEIER, op. cit., n. 1076 s. p. 391 et les références; ROSENTHAL, op. cit., n° 23 ad art. 8 LPD ). Dans ce contexte, le Tribunal fédéral a déjà eu l'occasion d'expliquer que l'inconvénient résultant de la communication systématique des dossiers aux personnes qui le demandent (soit en particulier le surcroît de travail) est propre à tous les détenteurs de fichiers. Il a d'ailleurs été pris en compte par le législateur, qui n'a pas voulu en faire une cause de refus de la communication écrite, mais qui a préféré prévoir des exceptions à la gratuité de celle-ci ( art. 8 al. 5 LPD, art. 2 OLPD ; cf. ATF 125 II 321 consid. 3b p. 324). La jurisprudence a jusqu'ici laissé indécise la question de savoir si, en plus du cas de figure envisagé par le Conseil fédéral (cf. art. 1 al. 3 OLPD ), d'autres exceptions au principe de la communication écrite peuvent être envisagées, en dehors des cas prévus par BGE 141 III 119 S. 135 l'ordonnance (cf. ATF 125 II 321 consid. 3b p. 323 s.; cf. BELSER/EPINEY/ WALDMANN, op. cit., n. 35 ad § 11). Cette question peut également rester ouverte en l'espèce, la recourante ne faisant valoir aucune circonstance concrète s'opposant à l'envoi d'une copie du dossier (cf. infra consid. 8.2-8.6). 8.2 L'argumentation générale fournie, dans un premier temps, par la recourante tombe à faux. En effet, il ne s'agit pas d'étendre la réflexion, de manière globale, à l'ensemble des employés de tous les établissements bancaires qui, potentiellement, pourraient exiger de leur employeur respectif la remise écrite d'informations les concernant; il s'agit ici de déterminer si, dans le cas concret, un refus par la banque d'une remise écrite des documents aux deux employés se justifie ou non. D'autre part, l'argument tiré des inconvénients qui résulteraient du caviardage de l'ensemble des informations visées ne peut être suivi puisque l'arrêt cantonal constate que les données, qui sont actuellement contenues sur un support électronique, ont déjà été réunies, triées et même caviardées (données visant les clients de la banque) avant leur transmission aux autorités américaines; on voit donc mal comment ces informations pourraient mettre le secret bancaire en danger et leur remise écrite aux employés représenter une difficulté disproportionnée d'ordre pratique. La difficulté qui peut être générée par le surcroît de travail n'est, à la lumière des principes rappelés ci-dessus, quoi qu'il en soit pas déterminante. 8.3 La recourante insiste ensuite sur le fait qu'il convient d'accorder une crédibilité accrue aux recommandations du PFPDT, lesquelles ont cautionné, en ce qui concerne l'accès aux données déjà transmises aux autorités américaines, la forme de la consultation des documents sur place, ceci compte tenu de leur sensibilité, des règles de sécurité de la banque, ainsi que du secret bancaire et des règles internes interdisant aux employés d'emporter des documents chez eux. Or, le PFPDT, qui s'adresse au maître du fichier (cf. art. 3 let. i LPD ), agit dans un cadre qui excède celui d'une pure contestation entre deux parties (ATF138 II 346 consid. 10.1 p. 363; ATF 136 II 508 consid. 6.3.2 p. 523). Les recommandations qu'il émet, qui n'ont pas été déclarées contraignantes par le Tribunal administratif fédéral, n'ont pas force de chose jugée (MEIER, op. cit., n. 1925 p. 618 s.). Elles sont toutefois prises en compte dans le cadre de la pesée des intérêts (sous l'angle de l' art. 13 LPD : cf. ATF 138 II 346 consid. 10.1 p. 363). BGE 141 III 119 S. 136 La Cour de céans a tenu compte des intérêts de la banque (maître du fichier) mis en évidence par le PFPDT (notamment la sensibilité des documents bancaires, les règles de sécurité de la banque), mais elle a considéré, dans la pesée globale des intérêts entreprise sous l'angle de l' art. 9 LPD, que la banque n'a en l'espèce pas apporté la preuve d'un intérêt prépondérant à restreindre le droit d'accès dont les employés sont titulaires (cf. supra consid. 7). 8.4 A l'appui de sa thèse, la recourante tente également de tirer argument d'une application par analogie du droit allemand. Elle relève que le paragraphe 34 al. 6 BDSG prévoit explicitement de déroger à la forme écrite lorsque les circonstances du cas d'espèce font qu'une autre forme apparaît comme plus appropriée. Cet argument ne lui est toutefois d'aucune aide. Au contraire, les commentateurs allemands expliquent qu'il s'agit de prendre en compte les circonstances du cas d'espèce dans la seule perspective de la personne concernée par les données. S'il apparaît que celle-ci (et non le maître du ficher) aura un accès plus rapide aux données sous une autre forme, elle peut renoncer, si elle l'estime opportun, à la remise de l'information sous forme écrite (ALEXANDER DIX, in Bundesdatenschutzgesetz, Simitis [éd.], 7 e éd. 2011, n os 52 s. ad § 34 BDSG; GOLA/KLUG/KÖRFFER/SCHOMERUS, BDSG, Bundesdatenschutzgesetz, Kommentar, 11 e éd. 2012, n os 13 s. ad § 34 BDSG). 8.5 S'agissant de la clause générale de police évoquée par la recourante, elle consiste en un droit qui appartient à l'Etat ( ATF 137 II 431 consid. 3.3 p. 444 s.; ATF 103 Ia 310 consid. 3a p. 311 s.). La banque, en tant que personne morale de droit privé, ne saurait donc en tirer un quelconque argument pour défendre sa thèse. Il est par ailleurs établi que l'autorisation du Conseil fédéral du 4 avril 2012, tout comme celle octroyée à d'autres banques à partir du 3 juillet 2013, n'a pas exempté les établissements concernés d'une éventuelle responsabilité civile ni, de manière plus générale, de leurs obligations à l'égard de leurs (ex-)employés. Cette autorisation visait uniquement à exempter les banques de tout reproche sous l'angle de l' art. 271 CP (actes exécutés sans droit pour un Etat étranger) et elle était donc moins étendue que celle accordée dans l'affaire D. (cf. ATF 137 II 431 consid. 4 p. 445 ss). 8.6 La recourante estime enfin qu'une remise écrite des données se heurte au contenu de l' art. 339a al. 1 CO qui prévoit qu'au moment où le contrat prend fin, les parties se rendent tout ce qu'elles se sont BGE 141 III 119 S. 137 remis pour la durée du contrat, de même que tout ce que l'une d'elles pourrait avoir reçu de tiers pour le compte de l'autre. Selon elle, cette disposition de droit impératif serait vidée de sa substance s'il suffisait à un ancien employé d'entreprendre une action sur la base de la LPD pour récupérer toutes les données le concernant en possession de son employeur, ce d'autant plus sous l'angle de la réglementation idoine faisant partie intégrante des contrats de travail liant la banque à ses employés. L'argument est sans consistance. L' art. 339a al. 1 CO vise certes également les copies de documents en possession de l'employé (cf. arrêt 4A_611/2011 du 3 janvier 2012 consid. 4.3, JdT 2012 II p. 208), mais il poursuit un objectif totalement différent et distinct de celui auquel tend l' art. 8 LPD. Il vise une prétention de l'employeur à l'issue des relations contractuelles (ayant notamment pour objet la restitution des documents en mains de l'employé), alors que l' art. 8 LPD accorde à la personne concernée (en l'occurrence deux ex-employés) un droit d'accès aux données personnelles, institution centrale du droit de la protection des données (sur la fonction particulière du droit d'accès: OLIVER SCHNYDER, Das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht, 2002, p. 89 s.). Le moyen tiré de la violation de l' art. 8 al. 5 LPD est infondé.
Urteilskopf
18. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause A. SA contre B. et C. (recours en matière civile)
4A_406/2014 / 4A_408/2014 du 12 janvier 2015
Regeste Art. 8 Abs. 5, Art. 9 Abs. 1 und 4 DSG, Art. 1 Abs. 3 VDSG, Art. 47 BankG ; Verpflichtung einer Bank, ihren (ehemaligen) Angestellten über die sie betreffenden persönlichen Daten, die an die amerikanischen Behörden übermittelt wurden, schriftlich Auskunft zu erteilen. Die Bank (Inhaberin der Datensammlung) kann sich vorliegend nicht auf eine Grundlage in einem Gesetz im formellen Sinne (vgl. Art. 9 Abs. 1 lit. a DSG ) berufen, um gegenüber den Angestellten die Herausgabe von Kopien der strittigen Daten zu verweigern (E. 5). Ein überwiegendes Interesse Dritter im Sinne von Art. 9 Abs. 1 lit. b DSG fehlt (E. 6). Eine Interessenabwägung im Sinne von Art. 9 Abs. 4 DSG ergibt, dass im vorliegenden Fall das Interesse der Angestellten, eine Kopie der strittigen Daten zu erhalten, dasjenige der Bank überwiegt, das Auskunftsrecht der Angestellten einzuschränken (E. 7). Frage offengelassen, ob ausser den in Art. 1 Abs. 3 VDSG vorgesehenen Fällen andere Ausnahmen vom Grundsatz der schriftlichen Auskunftserteilung in Betracht kommen, nachdem die Bank keinen konkreten Umstand geltend macht, der einer Herausgabe einer Kopie der streitbetroffenen Daten entgegenstünde (E. 8).
Regeste
Art. 8 Abs. 5, Art. 9 Abs. 1 und 4 DSG, Art. 1 Abs. 3 VDSG, Art. 47 BankG ; Verpflichtung einer Bank, ihren (ehemaligen) Angestellten über die sie betreffenden persönlichen Daten, die an die amerikanischen Behörden übermittelt wurden, schriftlich Auskunft zu erteilen. Die Bank (Inhaberin der Datensammlung) kann sich vorliegend nicht auf eine Grundlage in einem Gesetz im formellen Sinne (vgl. Art. 9 Abs. 1 lit. a DSG ) berufen, um gegenüber den Angestellten die Herausgabe von Kopien der strittigen Daten zu verweigern (E. 5). Ein überwiegendes Interesse Dritter im Sinne von Art. 9 Abs. 1 lit. b DSG fehlt (E. 6). Eine Interessenabwägung im Sinne von Art. 9 Abs. 4 DSG ergibt, dass im vorliegenden Fall das Interesse der Angestellten, eine Kopie der strittigen Daten zu erhalten, dasjenige der Bank überwiegt, das Auskunftsrecht der Angestellten einzuschränken (E. 7). Frage offengelassen, ob ausser den in Art. 1 Abs. 3 VDSG vorgesehenen Fällen andere Ausnahmen vom Grundsatz der schriftlichen Auskunftserteilung in Betracht kommen, nachdem die Bank keinen konkreten Umstand geltend macht, der einer Herausgabe einer Kopie der streitbetroffenen Daten entgegenstünde (E. 8).
Art. 9 Abs. 1 und 4 DSG Art. 1 Abs. 3 VDSG Art. 47 BankG Die Bank (Inhaberin der Datensammlung) kann sich vorliegend nicht auf eine Grundlage in einem Gesetz im formellen Sinne (vgl. Art. 9 Abs. 1 lit. a DSG ) berufen, um gegenüber den Angestellten die Herausgabe von Kopien der strittigen Daten zu verweigern (E. 5).
Art. 9 Abs. 1 lit. a DSG Ein überwiegendes Interesse Dritter im Sinne von Art. 9 Abs. 1 lit. b DSG fehlt (E. 6).
Art. 9 Abs. 1 lit. b DSG Eine Interessenabwägung im Sinne von Art. 9 Abs. 4 DSG ergibt, dass im vorliegenden Fall das Interesse der Angestellten, eine Kopie der strittigen Daten zu erhalten, dasjenige der Bank überwiegt, das Auskunftsrecht der Angestellten einzuschränken (E. 7).
Art. 9 Abs. 4 DSG Frage offengelassen, ob ausser den in Art. 1 Abs. 3 VDSG vorgesehenen Fällen andere Ausnahmen vom Grundsatz der schriftlichen Auskunftserteilung in Betracht kommen, nachdem die Bank keinen konkreten Umstand geltend macht, der einer Herausgabe einer Kopie der streitbetroffenen Daten entgegenstünde (E. 8).
Art. 1 Abs. 3 VDSG Sachverhalt ab Seite 120
Sachverhalt ab Seite 120 BGE 141 III 119 S. 120
BGE 141 III 119 S. 120
A.
A. A.a A. SA (ci-après: A. ou la banque), établissement bancaire sis à Genève, a employé C. (ci-après: l'employé) en qualité de responsable du service "Asset Management Private Banking" de 1996 jusqu'à son licenciement en octobre 2008 (pour le 30 avril 2009). L'employé occupait également le poste de directeur de l'unité de gestion basée à New York et s'était rendu aux Etats-Unis dans ce cadre.
A.a B. (ci-après: l'employée) a également travaillé pour la banque, du 1 er mars 2006 au 30 juin 2007. Elle a notamment été chargée de développer la clientèle américaine. BGE 141 III 119 S. 121
BGE 141 III 119 S. 121
A.b En 2010, les autorités américaines ont ouvert des enquêtes contre onze banques suisses, dont A., qu'elles soupçonnaient d'avoir aidé des clients américains à se soustraire à leurs obligations fiscales ainsi que d'avoir contrevenu à la réglementation applicable lors des contacts intervenus avec ces clients. Elles ont requis l'entraide administrative de la Suisse en vue d'obtenir des renseignements sur les activités des banques visées aux Etats-Unis.
A.b A. et les autres banques ont transmis les documents requis aux autorités américaines après avoir, sur requête de la FINMA, caviardé les informations permettant l'identification des clients et remplacé les données de ses employés, de ses ex-employés et de tiers par des codes.
Le 18 janvier 2012, le Conseil fédéral a décidé que, provisoirement, seules devaient être transmises, dans le cadre de l'entraide, des données codées concernant les employés.
Au début du mois de février 2012, les autorités américaines ont procédé à l'inculpation de la banque E. SA.
Mi-mars 2012, plusieurs banques ont demandé au Conseil fédéral d'autoriser la communication des informations exigées, comprenant le nom des employés (non codé) et des tiers.
Le 4 avril 2012, le Conseil fédéral a autorisé les banques concernées à transmettre directement aux autorités américaines des données non anonymisées, à l'exception de celles concernant les clients. Cette décision valait autorisation, au sens de l' art. 271 CP, à procéder sur le territoire suisse pour le compte d'un Etat étranger à des actes relevant des pouvoirs publics. L'appréciation de la responsabilité civile des banques demeurait cependant du ressort de ces dernières. art. 271 CP Le 11 avril 2012, la FINMA a recommandé aux banques concernées de coopérer avec les autorités américaines dans le cadre prévu par le Conseil fédéral, en précisant que la procédure d'entraide administrative était, de ce fait, suspendue.
Parallèlement à quatre autres banques, A., sans avertir les employés concernés, a transmis aux autorités américaines, au mois d'avril 2012, des documents comportant notamment les noms, prénoms, adresses mails et numéros de téléphone d'employés et d'ex-employés, seules les données permettant d'identifier les clients étant restées anonymisées.
A.c C. a appris ce qui précède par la presse; il a contacté le service des ressources humaines de A., lequel l'a informé que son identité avait effectivement été communiquée aux autorités américaines. BGE 141 III 119 S. 122
A.c BGE 141 III 119 S. 122
Le 14 juin 2012, l'employé a consulté dans les locaux de A. les documents litigieux le concernant.
Le 3 juillet 2012, A. a autorisé l'employé à consulter une seconde fois les documents, ce qu'il a fait le 10 juillet 2012. Il n'a toutefois pas pu en faire des copies.
A.d Le 11 juillet 2012, B., ayant eu connaissance de ce qui précède par la presse, a demandé à A. si elle était également concernée; la banque lui a confirmé que tel était le cas.
A.d Le 24 juillet 2012, l'employée s'est rendue dans les locaux de la banque pour prendre connaissance des documents litigieux la concernant.
Le 6 septembre 2012, B. a requis de A. une copie, sous forme informatique, des documents litigieux, ainsi que de la lettre d'accompagnement remise aux autorités américaines et de divers autres éléments.
Le 13 septembre 2012, A. s'y est opposée.
A.e Le 17 août 2012, le Préposé fédéral à la protection des données et à la transparence (PFPDT) a ouvert une procédure d'éclaircissement au sens de l'art. 29 de la loi fédérale du 19 juin 1992 sur la protection des données (LPD; RS 235.1), afin de vérifier si les principes de la loi avaient été respectés lors de la transmission des données par les banques suisses aux autorités américaines.
A.e Le 6 septembre 2012, le PFPDT a adressé des recommandations à plusieurs banques, parmi lesquelles A., selon lesquelles la banque devait accorder aux personnes concernées (collaborateurs actuels et anciens, ainsi que tiers externes) le droit d'accès aux données selon l' art. 8 LPD. Le PFPDT a adhéré à l'argumentation de la banque qui faisait valoir que des copies de documents ne pouvaient pas être remises au vu de leur sensibilité liée au secret bancaire et à celui de la clientèle, ainsi que de ses propres règles de sécurité. art. 8 LPD La banque ne s'est pas opposée aux recommandations du PFPDT, qui ont été publiées le 13 novembre 2012.
Le 3 juillet 2013, le Conseil fédéral a fixé les principes de coopération des banques suisses avec les autorités américaines en vue de régler leur différend fiscal, et il a donné la possibilité aux banques de demander une autorisation individuelle au sens de l' art. 271 CP. Il a notamment précisé qu'une telle autorisation excluait uniquement une punissabilité en vertu de cette disposition, mais qu'elle ne BGE 141 III 119 S. 123 dispensait pas du respect des autres règles du droit suisse, notamment de la prise en compte du secret d'affaires et du secret bancaire existants, des dispositions sur la protection des données et des obligations de l'employeur. art. 271 CP BGE 141 III 119 S. 123
B.
B. B.a Par acte du 14 décembre 2012, agissant au bénéfice d'une autorisation de procéder du 15 novembre 2012, C. a saisi le Tribunal de première instance de Genève d'une requête contre A.
B.a Par acte du 14 décembre 2012, agissant au bénéfice d'une autorisation de procéder du 5 décembre 2012, B. a saisi ce même Tribunal d'une requête contre A.
Dans leurs conclusions (réduites lors des plaidoiries du 10 juillet 2013), les employés requièrent la production d'une copie des documents transmis aux autorités américaines, sous forme informatique et caviardée s'agissant des noms des clients ou des tiers, ainsi que la communication de la date de la transmission et de la manière dont les données avaient été communiquées, avec suite de frais.
B.b Par deux jugements séparés du 24 octobre 2013, le Tribunal de première instance de Genève a ordonné à A. de remettre aux demandeurs, sur un support papier ou sur un support électronique, une copie des documents qui avaient été transmis aux autorités américaines et qui contenaient des données les concernant, soit des informations qui les identifiaient ou qui permettaient de les identifier (nom, prénom, adresse e-mail, numéro de téléphone, fonction, description de l'activité, etc.). Le Tribunal a en outre dit que les données des clients, des autres employés et ex-employés de A. ainsi que des tiers figurant dans ces documents pourraient être caviardées. Il a en sus ordonné à A. d'indiquer aux demandeurs à quelles dates et à quelles autorités américaines les documents avaient été transmis.
B.b Par deux arrêts séparés datés du 23 mai 2014, la Cour de justice a confirmé les jugements entrepris par la défenderesse et débouté les parties de toutes autres conclusions.
C. Contre ces deux arrêts cantonaux, la banque (ci-après: la recourante ou la banque) exerce deux recours en matière civile séparés mais comportant les mêmes critiques et conclusions (sauf en ce qui concerne l'objet de la requête d'accès aux données et la décision entreprise). Sous suite de frais et dépens, elle conclut à l'annulation des arrêts visés et à ce que les employés soient déboutés de toutes autres conclusions, subsidiairement, à l'annulation des arrêts entrepris et au renvoi de la cause à l'autorité cantonale. BGE 141 III 119 S. 124
C. BGE 141 III 119 S. 124
Les employés (ci-après: les intimés ou les employés) concluent, sous suite de frais et dépens, à ce que la banque soit déboutée de toutes ses conclusions.
La requête d'effet suspensif sollicitée dans chaque cause par la recourante a été admise, faute d'opposition, par ordonnances présidentielles du 1 er septembre 2014.
Le Tribunal fédéral a rejeté les recours.
(résumé)
Erwägungen
Erwägungen Extrait des considérants:
4. Sur le principe, la recourante reconnaît que les employés peuvent prendre connaissance du contenu des documents litigieux. Elle refuse toutefois de leur remettre ceux-ci sous forme écrite (copie des données).
4. La recourante reproche à la cour cantonale d'avoir violé l' art. 8 al. 5 LPD. Les circonstances d'espèce seraient telles qu'elles justifieraient une (nouvelle) exception au principe de la communication écrite. Elle invoque également une transgression de l' art. 9 al. 1 let. a et b LPD, ainsi que de l' art. 9 al. 4 LPD, son refus de fournir des copies écrites, dicté par la prise en compte d'intérêts de tiers et des siens propres, étant légitime. art. 8 al. 5 LPD art. 9 al. 1 let. a et b LPD art. 9 al. 4 LPD Il convient, dans un premier temps, de définir si c'est de manière légitime que la banque a opposé son refus aux employés, soit de déterminer si elle pouvait se fonder sur une loi au sens formel pour restreindre l'accès aux données litigieuses (cf. art. 9 al. 1 let. a LPD ), et d'établir si, comme le prétend la banque (maître du fichier), ses propres intérêts - ou ceux de tiers - (cf. art. 9 al. 1 let. b et al. 4 LPD ) l'emportent sur ceux des employés (cf. infra consid. 5, 6 et 7). art. 9 al. 1 let. a LPD art. 9 al. 1 let. b et al. 4 LPD Dans un deuxième temps, il conviendra d'examiner si la banque peut justifier son refus sur la base des circonstances exceptionnelles dont elle tente de démontrer l'existence par le biais de divers arguments soulevés sous l'angle de l' art. 8 al. 5 LPD (cf. infra consid. 8). art. 8 al. 5 LPD 5. La recourante reproche à la cour cantonale d'avoir violé l' art. 9 al. 1 let. a LPD. Selon elle, une base légale au sens formel interdisant à la banque de communiquer les renseignements demandés (subsidiairement prévoyant une restriction à cette communication) est contenue à l'art. 47 de la loi sur les banques du 8 novembre 1934 (LB; RS 952), ainsi qu'à l' art. 162 CP. BGE 141 III 119 S. 125
5. art. 9 al. 1 let. a LPD art. 162 CP BGE 141 III 119 S. 125
5.1 L' art. 47 LB ne règle pas le secret bancaire en tant que tel, mais il prévoit la sanction (pénale) en cas de violation de ce secret (sur l'ensemble de la question: ATF 137 II 431 consid. 2.1.1 p. 437).
5.1 art. 47 LB La doctrine majoritaire est d'avis que l' art. 47 LB fait en principe partie des bases légales formelles au sens de l' art. 9 al. 1 let. a LPD (DAVID ROSENTHAL, in Handkommentar zum Datenschutzgesetz, 2008, n° 7 ad art. 9 LPD ; PHILIPPE MEIER, Protection des données, 2011, n. 1139 p. 405 et les auteurs cités). art. 47 LB art. 9 al. 1 let. a LPD art. 9 LPD 5.2 La communication aux ex-employés des informations sur les clients de la banque équivaut aujourd'hui à une remise à des tiers (et ce, même si, après la fin des relations contractuelles, ils sont encore soumis au secret bancaire), ce qui constitue en soi, dans la perspective de la banque, un comportement punissable au sens de l' art. 47 LB (ce qui est d'ailleurs également le cas pour la simple consultation, sur place, des données).
5.2 art. 47 LB Il faut toutefois d'emblée relever dans ce contexte que le Conseil fédéral, dans sa décision du 4 avril 2012, a expressément interdit aux banques de livrer à l'étranger des informations sur les clients ("Kundendaten"). A cet égard, la cour cantonale constate que, lors de leur transmission aux autorités américaines, les documents ne contenaient pas d'informations permettant d'identifier les clients. La banque a elle-même expressément admis avoir caviardé toutes les données permettant d'identifier ses clients dans les documents transmis aux autorités américaines afin de respecter la décision du Conseil fédéral. Dès lors, si les documents livrés par les banques à un Etat étranger ne contiennent pas de telles informations, on ne voit pas en quoi ces mêmes documents, communiqués aux employés, mettraient le secret bancaire en danger (cf. GABRIEL AUBERT, La communication aux autorités américaines, par des banques, de données personnelles sur leurs employés: aspects de droit du travail, RSDA 2013 p. 42).
5.3 La recourante considère que l'infraction ( art. 47 LB ) pourrait quand même être réalisée de par le fait que les employés ont pu prendre connaissance des documents intégraux et qu'ils seraient donc en mesure, en cas de remise écrite des données, d'identifier (en reconstituant de mémoire les éléments caviardés) les clients en cause.
5.3 art. 47 LB Le raisonnement ne convainc pas. En réalité, ce n'est pas la remise écrite aux employés des documents litigieux qui leur permettrait d'identifier les clients en cause, puisqu'ils les connaissent déjà.
Dès lors, la banque ne saurait violer l' art. 47 LB pour la seule raison qu'elle serait amenée à remettre par écrit, dans le contexte ainsi décrit, des données caviardées. BGE 141 III 119 S. 126
art. 47 LB BGE 141 III 119 S. 126
En l'espèce, la recourante ne peut se prévaloir de l' art. 47 LB (en lien avec l' art. 9 al. 1 let. a LPD ) pour refuser de remettre aux employés une copie des documents litigieux. art. 47 LB art. 9 al. 1 let. a LPD 5.4 La recourante soutient que "l'argumentation valable pour l' art. 47 LB est transposable à l' art. 162 CP ". Selon elle, si les employés sont en possession de copies, ils pourraient alors identifier les noms des clients et d'autres informations couvertes par le secret commercial, au vu de leur activité passée au sein de l'établissement bancaire.
5.4 art. 47 LB art. 162 CP L'argument est sans consistance. L'infraction ( art. 162 CP ) peut uniquement être réalisée par la personne tenue au secret, soit celle qui a un devoir (légal ou contractuel) de garder le secret (cf. BERNARD CORBOZ, Les infractions en droit suisse, vol. I, 3 e éd. 2010, n os 3 et 9 s. ad art. 162 CP ; STRATENWERTH/JENNY, Besonderer Teil I: Straftaten gegen Individualinteressen, 6 e éd. 2003, n° 6 ad § 22). Le maître du secret n'est pas visé par l'infraction et, partant, la banque ne saurait en l'espèce s'en prévaloir à titre de base formelle au sens de l' art. 9 al. 1 let. a LPD. art. 162 CP art. 162 CP art. 9 al. 1 let. a LPD 6. La recourante invoque une transgression de l' art. 9 al. 1 let. b LPD.
6. art. 9 al. 1 let. b LPD 6.1 Il résulte des constatations cantonales que la banque n'a pas fait valoir, devant l'autorité précédente, l'intérêt des tiers, pour fonder son opposition à la remise d'une copie des documents litigieux.
6.1 La cour cantonale présente toutefois une argumentation subsidiaire dans laquelle elle affirme qu'un tel moyen aurait dû être d'emblée rejeté.
6.2 En vertu de l' art. 9 al. 1 let. b LPD, le maître du fichier peut refuser ou restreindre la communication des renseignements demandés, voire en différer l'octroi, dans la mesure où les intérêts prépondérants d'un tiers l'exigent.
6.2 art. 9 al. 1 let. b LPD Ce motif peut (et doit) être invoqué par le maître du fichier lorsque les données sur lesquelles porte l'accès sont intimement liées aux données personnelles de tiers (MEIER, op. cit., n. 1144 s. p. 406 s.; BRACHER/TAVOR, Das Auskunftsrecht nach DSG, RSJ 109/2013 p. 49).
En principe, si l'anonymisation des documents concernés suffit à protéger les tiers, le droit d'accès du titulaire des données (requérant sous l'angle de l' art. 8 LPD ) ne devrait pas, sous peine d'une violation du principe de la proportionnalité (cf. art. 4 al. 2 LPD ), faire l'objet d'une plus grande restriction (BELSER/EPINEY/WALDMANN, Datenschutzrecht, 2011, n. 53 ad § 11; FRIEDRICH/KAISER, BGE 141 III 119 S. 127 Datenschutzrechtliches Auskunftsrecht und Arbeitspapiere einer Revisionstelle, L'expert-comptable suisse 2013, p. 527 et les auteurs cités). art. 8 LPD art. 4 al. 2 LPD BGE 141 III 119 S. 127
6.3 Selon les constatations cantonales, lors de leur transmission aux autorités américaines, les documents ne contenaient pas d'informations permettant d'identifier les clients. Il en ressort également que la banque a été autorisée par le premier juge à anonymiser les éléments permettant d'identifier ses (ex-)collaborateurs et les tiers. Il ne résulte pas des constatations cantonales que le caviardage ne permettrait pas de protéger suffisamment les tiers.
6.3 Ainsi, même à considérer l'argumentation subsidiaire de l'autorité précédente, on ne saurait reprocher à celle-ci d'avoir nié un intérêt prépondérant de tiers.
7. La recourante reproche à la cour cantonale d'avoir appliqué de manière incorrecte l' art. 9 al. 4 LPD.
7. art. 9 al. 4 LPD 7.1 Elle commence par soutenir qu'on peut renoncer à procéder à une pesée d'intérêts sous cet angle en insistant sur le fait que les employés, à qui elle reconnaît le droit de consulter les informations les concernant sur place (données à l'écran), ne disposent en réalité d'aucun intérêt à obtenir une communication écrite.
7.1 7.1.1 Il faut rappeler ici qu'en soi le droit d'accès selon l' art. 8 LPD - donc la remise écrite d'information (cf. infra consid. 8.1) - peut être exercé sans la preuve d'un intérêt. Ce n'est que si le maître du fichier veut refuser ou restreindre l'accès qu'une pesée des intérêts aura lieu (à ce sujet cf. infra consid. 7.2). La prise en compte de l'intérêt du titulaire du droit d'accès joue également un rôle lorsqu'un abus de droit entre en considération ( ATF 138 III 425 consid. 5.4 p. 4.3.2; ATF 123 II 543 consid. 2e p. 538; cf. ARTER/DAHORTSANG, PJA 2012 p. 1161).
7.1.1 art. 8 LPD L'existence d'un abus de droit (cf. art. 2 al. 2 CC ) doit être reconnue lorsque l'exercice du droit par le titulaire ne répond à aucun intérêt digne de protection, qu'il est purement chicanier ou, lorsque, dans les circonstances dans lesquelles il est exercé, le droit est mis au service d'intérêts qui ne correspondent pas à ceux que la règle est destinée à protéger (cf. PAUL-HENRI STEINAUER, Le Titre préliminaire du Code civil, TDPS vol. II/1, 2009, n. 570 p. 213 et n. 573 s. p. 214 s.; HAUSHEER/JAUN, Die Einleitungsartikel des ZGB, 2003, n os 125 s. ad art. 2 CC ). art. 2 al. 2 CC art. 2 CC Cela est ainsi le cas, dans la perspective de l' art. 8 LPD, lorsque le droit d'accès est exercé dans un but étranger à la protection des données, par exemple lorsque le droit d'accès n'est utilisé que pour nuire BGE 141 III 119 S. 128 au débiteur de ce droit (cf. arrêt 4A_36/2010 du 20 avril 2010 consid. 3.1). Il faudrait probablement aussi considérer comme contraire à son but et donc abusive l'utilisation du droit d'accès dans le but exclusif d'espionner une (future) partie adverse et de se procurer des preuves normalement inaccessibles ( ATF 138 III 425 consid. 5.5 p. 432; KLEINER/SCHWOB/WINZELER, in Kommentar zum Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen, 22 e éd. 2014, n o 406 ad art. 47 LB et les auteurs cités). Ce serait ainsi le cas d'une requête qui ne constitue qu'un prétexte à une recherche indéterminée de moyens de preuve ( fishing expedition ) (en lien avec l' art. 8 LPD : NICOLAS PASSADELIS, Datenschutzrechtliches Auskunftsrecht erlaubt keine Beweisausforschung, Push-service Entscheide, CJN, 4 mars 2013 n. 12; FRIEDRICH/ KAISER, op. cit., p. 527). art. 8 LPD BGE 141 III 119 S. 128
art. 47 LB art. 8 LPD La requête de l'employé visant à obtenir les données le concernant en vue d'une éventuelle action en dommages-intérêts contre le maître du fichier n'est par contre, en soi, pas abusive ( ATF 138 III 425 consid. 5.6 p. 432; BRACHER/TAVOR, op. cit., p. 50 note de pied 60).
7.1.2 En l'espèce, les employés expliquent qu'ils tiennent à obtenir une copie de leurs données pour deux raisons: premièrement, afin de pouvoir juger d'une possible illicéité de traitement effectué par la recourante et formuler d'éventuelles futures prétentions civiles contre la banque. Deuxièmement, afin d'être en mesure d'anticiper de probables ennuis qui leur seront causés par le Department of Justice (DoJ) et de préparer leur défense sur la base des informations et données transmises et d'ores et déjà en mains de l'autorité pénale étrangère.
7.1.2 Il n'a par contre pas été constaté que les intimés souhaiteraient prospecter des preuves de manière répréhensible ou qu'ils exigeraient la remise de documents auxquels ils ne pourraient pas prétendre dans la procédure civile.
7.1.3 A la lumière des principes évoqués ci-dessus (cf. supra consid. 7.1.1), on ne saurait ainsi dire que la requête des employés, qui n'est pas chicanière, ni contraire au but qu'elle est censée poursuivre, est abusive. On peut au demeurant observer qu'il serait en l'espèce paradoxal de considérer leur requête comme un prétexte à une recherche indéterminée de moyens de preuve ( fishing expedition ), les employés ayant en effet déjà pris connaissance du contenu des documents visés, aussi bien à travers leur ancienne activité que par le biais des consultations entreprises - les 14 juin et 10 juillet 2012 pour BGE 141 III 119 S. 129 l'employé et le 24 juillet 2012 pour l'employée - dans les locaux de la banque.
7.1.3 BGE 141 III 119 S. 129
7.1.4 Quant à la forme de l'accès aux données, les employés ont un intérêt évident à obtenir une copie des informations en cause. Premièrement, l'obtention d'une copie leur permettra de consulter leurs données où ils veulent et quand ils veulent, et d'avoir, en tout temps, la possibilité de comparer les documents litigieux avec d'autres informations éventuellement en leur possession (cf. ALEXANDER DUBACH, Das Recht auf Akteneinsicht, 1990, p. 351). Force est également de constater, deuxièmement, qu'à défaut de pouvoir présenter une copie des informations en cause dans l'hypothèse d'une procédure contre la banque, les employés se heurteraient rapidement à la difficulté de fournir la preuve de leurs allégués (sur le constat: AUBERT, op. cit., p. 42; CEREGATO/MÜLLER, Das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht: (k)ein Mittel zur Beweisausforschung, Jusletter 20 août 2012 ch. IV; cf. GILLES MONNIER, Le droit d'accès aux données personnelles traitées par un média, 1999, p. 188). Troisièmement, les employés ont un intérêt à bénéficier de tous les instruments leur permettant d'évaluer les risques d'être inquiétés par les autorités américaines, le cas échéant de se défendre; les copies des informations étant en possession de l'autorité pénale étrangère, l'intérêt des employés à disposer également d'une copie des mêmes documents (même s'ils en ont déjà connaissance) est indéniable.
7.1.4 La requête visant la remise écrite des documents litigieux permet de procurer aux employés l'avantage qu'ils en attendent et, partant, elle ne peut être qualifiée d'abusive.
7.2 Quant à la pesée d'intérêts évoquée par la recourante dans le même contexte, elle doit maintenant être examinée sous l'angle de l' art. 9 al. 4 LPD.
7.2 art. 9 al. 4 LPD En vertu de cette disposition légale, un maître de fichier privé peut refuser ou restreindre la communication des renseignements demandés ou en différer l'octroi, dans la mesure où ses intérêts prépondérants l'exigent et à condition qu'il ne communique pas les données personnelles à un tiers.
Il faut donc procéder à une pesée des intérêts, le débiteur du droit d'accès devant invoquer les siens en premier. Il faut ensuite examiner leur bien-fondé et les opposer aux intérêts du demandeur d'accès. L'accès ne peut être refusé, restreint ou différé que lorsque les premiers l'emportent sur les deuxièmes ( ATF 138 III 425 consid. 6.1 p. 433; BRACHER/TAVOR, op. cit., p. 49). BGE 141 III 119 S. 130
BGE 141 III 119 S. 130
La preuve de l'existence d'un intérêt prépondérant à restreindre le droit d'accès incombe au maître du fichier (GRAMIGNA/MAURER-LAMBROU, in Basler Kommentar, Datenschutzgesetz, Öffentlichkeitsgesetz, 3 e éd. 2014, n° 8 ad art. 9 LPD ; ROSENTHAL, op. cit., n° 4 ad art. 9 LPD ; CEREGATO/MÜLLER, op. cit., ch. II/2.2.1). art. 9 LPD art. 9 LPD 7.3 La recourante invoque son intérêt fondé, d'une part, sur la nature sensible des documents et, d'autre part, sur les règles de sécurité auxquelles elle soumet son personnel. Elle insiste sur le fait que la remise de documents écrits entraînerait la perte de maîtrise par la banque et la mise en circulation potentielle - notamment par le biais de fax, photocopies et scans - de centaines de documents d'importance stratégique pour elle. Dans ce contexte, la recourante rappelle également sa réglementation interne qui interdit aux employés d'emporter chez eux des documents confidentiels.
7.3 7.4
7.4 7.4.1 S'agissant de l'intérêt sur la base duquel la banque tente de restreindre le droit d'accès dont les employés sont titulaires, il a été rappelé ci-dessus que les documents ne contenaient pas d'informations permettant d'identifier les clients (cf. supra consid. 5.2), de sorte qu'on ne voit pas en quoi la banque pourrait avoir un intérêt à restreindre le droit d'accès aux documents litigieux pour un motif lié au secret bancaire.
7.4.1 Certes, on ne peut écarter le risque qu'un employé communique les copies à un tiers intéressé en révélant de mémoire le nom d'un client pourtant caviardé sur les documents litigieux. A cet égard, la banque n'allègue toutefois ni ne donne le moindre indice qui permettrait de comprendre que les deux employés (intimés) auraient l'intention de divulguer ces documents en dehors d'une procédure judiciaire. Quant à l'existence d'un risque potentiel, celui-ci est relativisé par l'engagement contractuel des (ex-)employés; il n'est en effet pas contesté que ceux-ci sont, de par leur contrat de travail, encore assujettis au secret bancaire et aux peines sanctionnant sa violation ( art. 47 al. 4 LB ). art. 47 al. 4 LB 7.4.2 Au sujet des documents d'importance stratégique évoqués par la banque, on peut là aussi souligner que les employés en ont déjà pris connaissance, aussi bien au cours de leur ancienne activité professionnelle que par le biais de leur consultation sur place, et que les éventuelles informations confidentielles de la banque qui y sont contenues leur sont déjà connues. Ainsi, le risque potentiel d'une divulgation (évoqué par la banque) n'est, en soi, pas lié à la remise d'une BGE 141 III 119 S. 131 copie des documents litigieux. Ce risque découle déjà d'une prise de connaissance préalable du contenu des documents litigieux par les employés.
7.4.2 BGE 141 III 119 S. 131
Certes, on peut admettre que le risque s'accroît dans une certaine mesure si les employés disposent de documents qui permettent de prouver les informations déjà en leur possession. A cet égard, la banque se limite toutefois à évoquer la nature sensible des documents "sur le plan organisationnel, commercial ou opérationnel", sans fournir un seul élément concret (exemples de documents effectivement transmis aux autorités américaines) permettant de comprendre en quoi ces documents sont d'une importance stratégique pour elle et de démontrer son intérêt à restreindre en l'espèce le droit d'accès des employés (sur le lien avec le cas concret, cf. encore infra consid. 8.2).
Au demeurant, le risque potentiel évoqué par la banque est, ici aussi, en grande partie relativisé par l'engagement contractuel des (ex-)employés; ceux-ci sont, de par leur contrat de travail, soumis aux secrets de fabrication et d'affaires ( art. 321a al. 4 CO ) et ils restent soumis à ces secrets même après la fin des rapports de travail, à tout le moins "tant que l'exige la sauvegarde des intérêts légitimes de l'employeur" (art. 321a al. 4 in fine CO). art. 321a al. 4 CO 7.5 Quant à l'intérêt des employés à avoir en leur possession une copie des documents transmis aux autorités américaines, il a déjà été reconnu plus haut (cf. supra consid. 7.1.4). Il en résulte qu'à défaut d'obtenir une copie, les employés risquent de se heurter à des difficultés importantes (et concrètes) sous plusieurs aspects (cf. supra consid. 7.1.4).
7.5 Cela étant, l'existence d'un "simple" risque potentiel (par ailleurs limité), tel qu'évoqué par la banque, ne saurait en l'occurrence démontrer que son intérêt à restreindre le droit d'accès des employés l'emporte sur l'intérêt de ceux-ci à obtenir une remise écrite des données litigieuses.
7.6 C'est en vain que la banque insiste sur le contenu de sa réglementation interne pour infléchir la pesée d'intérêts dans un sens qui lui est favorable.
7.6 7.6.1 On peut comprendre, sur la base de cette réglementation interne, l'importance (générale) pour la banque de garantir la confidentialité des documents sensibles. A nouveau, celle-ci ne désigne toutefois aucun élément concret qui permettrait de saisir quels types de BGE 141 III 119 S. 132 documents entrant dans cette définition ont été livrés aux autorités américaines, afin de déterminer leur impact sur la pesée des intérêts entreprise plus haut.
7.6.1 BGE 141 III 119 S. 132
7.6.2 L'argumentation de la banque relative à la réglementation interne semble également suggérer que les employés auraient renoncé contractuellement à faire valoir leur droit d'accès ( art. 8 LPD ), à tout le moins à la possibilité de recevoir une copie des documents litigieux.
7.6.2 art. 8 LPD Une renonciation par avance au droit d'accès est explicitement contraire à l' art. 8 al. 6 LPD et elle doit être considérée comme nulle (cf. art. 20 al. 1 CO ; GRAMIGNA/MAURER-LAMBROU, op. cit., n° 60 ad art. 8 LPD ; MEIER, op. cit., n. 973 p. 364; BELSER/EPINEY/WALDMANN, op. cit., n. 42 ad § 11). La même conclusion s'impose lorsque la clause contractuelle liant les parties ne vise pas la renonciation (pure et simple), mais une restriction du droit d'accès (GRAMIGNA/ MAURER-LAMBROU, op. cit., n° 60 ad art. 8 LPD ; cf. ROSENTHAL, op. cit., n° 27 ad art. 8 LPD ). art. 8 al. 6 LPD art. 20 al. 1 CO art. 8 LPD art. 8 LPD art. 8 LPD Une renonciation (non anticipée) ne peut être envisagée que si la personne concernée connaît déjà l'essentiel de l'information à laquelle elle pourrait avoir accès (pour les détails: GRAMIGNA/MAURER-LAMBROU, op. cit., n° 61 ad art. 8 LPD ; MEIER, op. cit., n. 974 p. 364). art. 8 LPD 7.6.3 A la lumière des considérations qui précèdent, on ne peut admettre qu'en concluant le contrat de travail, les employés ont par avance consenti à ne pas faire valoir, vis-à-vis de leur employeur, leur droit d'accès au sens de l' art. 8 LPD. Pour la même raison, les employés ne sauraient avoir acquiescé à une restriction de leur droit d'accès, soit avoir accepté qu'aucun document écrit contenant leurs données personnelles ne leur soit remis (dans ce sens: AUBERT, op. cit., p. 43).
7.6.3 art. 8 LPD Il a en outre été établi que, lorsque les employés ont accepté (par la conclusion du contrat de travail) de se soumettre à la réglementation interne, ils ignoraient que la banque communiquerait aux autorités américaines leurs données personnelles en lien avec les activités transfrontalières qu'ils ont exercées pour le compte de celle-ci. La banque ne les a jamais informés de cette communication. Ils ne connaissaient donc pas l'essentiel de l'information objet de leur droit d'accès, de sorte qu'on ne saurait reconnaître que, depuis la conclusion du contrat de travail, ils auraient pu renoncer à se prévaloir de leur droit à une communication écrite. BGE 141 III 119 S. 133
BGE 141 III 119 S. 133
7.7 Enfin, c'est en vain que la recourante tente de se prévaloir de la décision du 25 avril 2013 de la Cour des plaintes du Tribunal pénal fédéral (BB.2112.133 consid. 2.2.1) qui mentionne, selon ses propres explications, qu'aucun élément probant ne permet de prouver que l'ex-employé (alors objet de la procédure fédérale) serait contraint de rester en Suisse de peur de se faire interroger, arrêter et/ou extrader aux Etats-Unis et que rien au dossier n'amène à conclure que les employés de A. font l'objet d'une poursuite aux Etats-Unis.
7.7 En l'espèce, l'intérêt des employés à obtenir une copie des données litigieuses ne se limite pas à pouvoir évaluer la situation sur le seul territoire des Etats-Unis, le cas échéant, à se défendre dans ce contexte (cf. supra consid. 7.1.4).
Quoi qu'il en soit, les constatations - faites sous l'angle bien précis des éventuelles conséquences d'une violation de l' art. 271 CP - du Tribunal pénal fédéral, qui n'est pas l'"autorité précédente" dans la présente procédure (cf. art. 105 al. 1 LTF ), ne lient pas le Tribunal fédéral. En l'espèce, il résulte des constatations de la Cour de justice que la procédure américaine ouverte contre la banque n'est pas terminée et que l'issue est encore incertaine pour les deux employés. Il n'importe à cet égard qu'il n'existe encore aucune procédure à leur encontre. Le droit d'accès aux données personnelles a précisément pour but de leur permettre d'évaluer eux-mêmes une telle éventualité et, si nécessaire, de se défendre. A cet égard, la remise d'une copie des données litigieuses est nécessaire, ne serait-ce que pour permettre aux employés de prendre connaissance en tout temps du contenu des documents qui sont déjà en possession des autorités américaines (cf. supra consid. 7.1.4). art. 271 CP art. 105 al. 1 LTF 7.8 Puisque la condition d'un intérêt prépondérant de la banque n'a pas été démontrée par celle-ci, il importe peu de savoir si la deuxième condition posée par l' art. 9 al. 4 LPD, à savoir que le maître du fichier ne communique pas les données personnelles à un tiers, est également remplie (cf. ATF 138 III 425 consid. 6.6 p. 436).
7.8 art. 9 al. 4 LPD Il n'est donc pas nécessaire d'entrer en matière sur le grief, soulevé par la recourante dans ce contexte, d'un établissement manifestement inexact, par l'autorité précédente, des faits qui, selon la banque, révèlent l'obligation qui était la sienne de communiquer ses données aux autorités américaines.
8. La recourante reproche également à la cour cantonale d'avoir violé l' art. 8 al. 5 LPD. Elle estime qu'en l'espèce les circonstances sont BGE 141 III 119 S. 134 telles qu'elles justifient une exception au principe de la communication écrite (en dehors de l'exception prévue par le Conseil fédéral). Elle fournit divers arguments visant à convaincre de l'existence de telles circonstances (cf. infra consid. 8.2-8.6).
8. art. 8 al. 5 LPD BGE 141 III 119 S. 134
8.1 En vertu de l' art. 8 al. 5 LPD, "les renseignements sont, en règle générale, fournis gratuitement et par écrit, sous forme d'imprimé ou de photocopie. Le Conseil fédéral règle les exceptions".
8.1 art. 8 al. 5 LPD Se fondant sur cette délégation législative (reprise à l' art. 36 al. 1 LPD ), le Conseil fédéral a prévu, à l'art. 1 al. 3 de l'ordonnance du 14 juin 1993 relative à la loi fédérale sur la protection des données (OLPD; RS 235.11), que, "d'entente avec le maître du fichier ou sur proposition de celui-ci, la personne concernée peut également consulter ses données sur place. Si elle y a consenti et qu'elle a été identifiée, les renseignements peuvent également lui être fournis oralement". art. 36 al. 1 LPD Il ressort clairement des dispositions précitées que, pour le législateur, la communication écrite des données constitue la règle (sur le constat cf. aussi: URS BELSER, Das Recht auf Auskunft, die Transparenz der Datenbearbeitung und das Auskunftsverfahren, in Das neue Datenschutzgesetz des Bundes, 1993, p. 60). La seule exception explicite figure à l'art. 1 al. 3 de l'ordonnance; selon cette disposition une consultation sur place - voire une communication orale - des pièces du dossier ne peut remplacer une communication écrite que dans le cas où la personne intéressée est d'accord avec ce mode de faire ( ATF 125 II 321 consid. 3b p. 323; ATF 123 II 534 consid. 3c p. 540 s.; MEIER, op. cit., n. 1076 s. p. 391 et les références; ROSENTHAL, op. cit., n° 23 ad art. 8 LPD ). art. 8 LPD Dans ce contexte, le Tribunal fédéral a déjà eu l'occasion d'expliquer que l'inconvénient résultant de la communication systématique des dossiers aux personnes qui le demandent (soit en particulier le surcroît de travail) est propre à tous les détenteurs de fichiers. Il a d'ailleurs été pris en compte par le législateur, qui n'a pas voulu en faire une cause de refus de la communication écrite, mais qui a préféré prévoir des exceptions à la gratuité de celle-ci ( art. 8 al. 5 LPD, art. 2 OLPD ; cf. ATF 125 II 321 consid. 3b p. 324). art. 8 al. 5 LPD art. 2 OLPD La jurisprudence a jusqu'ici laissé indécise la question de savoir si, en plus du cas de figure envisagé par le Conseil fédéral (cf. art. 1 al. 3 OLPD ), d'autres exceptions au principe de la communication écrite peuvent être envisagées, en dehors des cas prévus par BGE 141 III 119 S. 135 l'ordonnance (cf. ATF 125 II 321 consid. 3b p. 323 s.; cf. BELSER/EPINEY/ WALDMANN, op. cit., n. 35 ad § 11). Cette question peut également rester ouverte en l'espèce, la recourante ne faisant valoir aucune circonstance concrète s'opposant à l'envoi d'une copie du dossier (cf. infra consid. 8.2-8.6). art. 1 al. 3 OLPD BGE 141 III 119 S. 135
8.2 L'argumentation générale fournie, dans un premier temps, par la recourante tombe à faux. En effet, il ne s'agit pas d'étendre la réflexion, de manière globale, à l'ensemble des employés de tous les établissements bancaires qui, potentiellement, pourraient exiger de leur employeur respectif la remise écrite d'informations les concernant; il s'agit ici de déterminer si, dans le cas concret, un refus par la banque d'une remise écrite des documents aux deux employés se justifie ou non.
8.2 D'autre part, l'argument tiré des inconvénients qui résulteraient du caviardage de l'ensemble des informations visées ne peut être suivi puisque l'arrêt cantonal constate que les données, qui sont actuellement contenues sur un support électronique, ont déjà été réunies, triées et même caviardées (données visant les clients de la banque) avant leur transmission aux autorités américaines; on voit donc mal comment ces informations pourraient mettre le secret bancaire en danger et leur remise écrite aux employés représenter une difficulté disproportionnée d'ordre pratique.
La difficulté qui peut être générée par le surcroît de travail n'est, à la lumière des principes rappelés ci-dessus, quoi qu'il en soit pas déterminante.
8.3 La recourante insiste ensuite sur le fait qu'il convient d'accorder une crédibilité accrue aux recommandations du PFPDT, lesquelles ont cautionné, en ce qui concerne l'accès aux données déjà transmises aux autorités américaines, la forme de la consultation des documents sur place, ceci compte tenu de leur sensibilité, des règles de sécurité de la banque, ainsi que du secret bancaire et des règles internes interdisant aux employés d'emporter des documents chez eux.
8.3 Or, le PFPDT, qui s'adresse au maître du fichier (cf. art. 3 let. i LPD ), agit dans un cadre qui excède celui d'une pure contestation entre deux parties (ATF138 II 346 consid. 10.1 p. 363; ATF 136 II 508 consid. 6.3.2 p. 523). Les recommandations qu'il émet, qui n'ont pas été déclarées contraignantes par le Tribunal administratif fédéral, n'ont pas force de chose jugée (MEIER, op. cit., n. 1925 p. 618 s.). Elles sont toutefois prises en compte dans le cadre de la pesée des intérêts (sous l'angle de l' art. 13 LPD : cf. ATF 138 II 346 consid. 10.1 p. 363). art. 3 let. i LPD art. 13 LPD BGE 141 III 119 S. 136 La Cour de céans a tenu compte des intérêts de la banque (maître du fichier) mis en évidence par le PFPDT (notamment la sensibilité des documents bancaires, les règles de sécurité de la banque), mais elle a considéré, dans la pesée globale des intérêts entreprise sous l'angle de l' art. 9 LPD, que la banque n'a en l'espèce pas apporté la preuve d'un intérêt prépondérant à restreindre le droit d'accès dont les employés sont titulaires (cf. supra consid. 7).
BGE 141 III 119 S. 136
art. 9 LPD 8.4 A l'appui de sa thèse, la recourante tente également de tirer argument d'une application par analogie du droit allemand. Elle relève que le paragraphe 34 al. 6 BDSG prévoit explicitement de déroger à la forme écrite lorsque les circonstances du cas d'espèce font qu'une autre forme apparaît comme plus appropriée.
8.4 Cet argument ne lui est toutefois d'aucune aide. Au contraire, les commentateurs allemands expliquent qu'il s'agit de prendre en compte les circonstances du cas d'espèce dans la seule perspective de la personne concernée par les données. S'il apparaît que celle-ci (et non le maître du ficher) aura un accès plus rapide aux données sous une autre forme, elle peut renoncer, si elle l'estime opportun, à la remise de l'information sous forme écrite (ALEXANDER DIX, in Bundesdatenschutzgesetz, Simitis [éd.], 7 e éd. 2011, n os 52 s. ad § 34 BDSG; GOLA/KLUG/KÖRFFER/SCHOMERUS, BDSG, Bundesdatenschutzgesetz, Kommentar, 11 e éd. 2012, n os 13 s. ad § 34 BDSG).
8.5 S'agissant de la clause générale de police évoquée par la recourante, elle consiste en un droit qui appartient à l'Etat ( ATF 137 II 431 consid. 3.3 p. 444 s.; ATF 103 Ia 310 consid. 3a p. 311 s.). La banque, en tant que personne morale de droit privé, ne saurait donc en tirer un quelconque argument pour défendre sa thèse.
8.5 Il est par ailleurs établi que l'autorisation du Conseil fédéral du 4 avril 2012, tout comme celle octroyée à d'autres banques à partir du 3 juillet 2013, n'a pas exempté les établissements concernés d'une éventuelle responsabilité civile ni, de manière plus générale, de leurs obligations à l'égard de leurs (ex-)employés. Cette autorisation visait uniquement à exempter les banques de tout reproche sous l'angle de l' art. 271 CP (actes exécutés sans droit pour un Etat étranger) et elle était donc moins étendue que celle accordée dans l'affaire D. (cf. ATF 137 II 431 consid. 4 p. 445 ss). art. 271 CP 8.6 La recourante estime enfin qu'une remise écrite des données se heurte au contenu de l' art. 339a al. 1 CO qui prévoit qu'au moment où le contrat prend fin, les parties se rendent tout ce qu'elles se sont BGE 141 III 119 S. 137 remis pour la durée du contrat, de même que tout ce que l'une d'elles pourrait avoir reçu de tiers pour le compte de l'autre. Selon elle, cette disposition de droit impératif serait vidée de sa substance s'il suffisait à un ancien employé d'entreprendre une action sur la base de la LPD pour récupérer toutes les données le concernant en possession de son employeur, ce d'autant plus sous l'angle de la réglementation idoine faisant partie intégrante des contrats de travail liant la banque à ses employés.
8.6 art. 339a al. 1 CO BGE 141 III 119 S. 137
L'argument est sans consistance.
L' art. 339a al. 1 CO vise certes également les copies de documents en possession de l'employé (cf. arrêt 4A_611/2011 du 3 janvier 2012 consid. 4.3, JdT 2012 II p. 208), mais il poursuit un objectif totalement différent et distinct de celui auquel tend l' art. 8 LPD. Il vise une prétention de l'employeur à l'issue des relations contractuelles (ayant notamment pour objet la restitution des documents en mains de l'employé), alors que l' art. 8 LPD accorde à la personne concernée (en l'occurrence deux ex-employés) un droit d'accès aux données personnelles, institution centrale du droit de la protection des données (sur la fonction particulière du droit d'accès: OLIVER SCHNYDER, Das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht, 2002, p. 89 s.). art. 339a al. 1 CO art. 8 LPD art. 8 LPD Le moyen tiré de la violation de l' art. 8 al. 5 LPD est infondé. art. 8 al. 5 LPD
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Urteilskopf 141 III 119 18. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause A. SA contre B. et C. (recours en matière civile) 4A_406/2014 / 4A_408/2014 du 12 janvier 2015 Regeste Art. 8 Abs. 5, Art. 9 Abs. 1 und 4 DSG, Art. 1 Abs. 3 VDSG, Art. 47 BankG ; Verpflichtung einer Bank, ihren (ehemaligen) Angestellten über die sie betreffenden persönlichen Daten, die an die amerikanischen Behörden übermittelt wurden, schriftlich Auskunft zu erteilen. Die Bank (Inhaberin der Datensammlung) kann sich vorliegend nicht auf eine Grundlage in einem Gesetz im formellen Sinne (vgl. Art. 9 Abs. 1 lit. a DSG ) berufen, um gegenüber den Angestellten die Herausgabe von Kopien der strittigen Daten zu verweigern (E. 5). Ein überwiegendes Interesse Dritter im Sinne von Art. 9 Abs. 1 lit. b DSG fehlt (E. 6). Eine Interessenabwägung im Sinne von Art. 9 Abs. 4 DSG ergibt, dass im vorliegenden Fall das Interesse der Angestellten, eine Kopie der strittigen Daten zu erhalten, dasjenige der Bank überwiegt, das Auskunftsrecht der Angestellten einzuschränken (E. 7). Frage offengelassen, ob ausser den in Art. 1 Abs. 3 VDSG vorgesehenen Fällen andere Ausnahmen vom Grundsatz der schriftlichen Auskunftserteilung in Betracht kommen, nachdem die Bank keinen konkreten Umstand geltend macht, der einer Herausgabe einer Kopie der streitbetroffenen Daten entgegenstünde (E. 8). Sachverhalt ab Seite 120 BGE 141 III 119 S. 120 A. A.a A. SA (ci-après: A. ou la banque), établissement bancaire sis à Genève, a employé C. (ci-après: l'employé) en qualité de responsable du service "Asset Management Private Banking" de 1996 jusqu'à son licenciement en octobre 2008 (pour le 30 avril 2009). L'employé occupait également le poste de directeur de l'unité de gestion basée à New York et s'était rendu aux Etats-Unis dans ce cadre. B. (ci-après: l'employée) a également travaillé pour la banque, du 1 er mars 2006 au 30 juin 2007. Elle a notamment été chargée de développer la clientèle américaine. BGE 141 III 119 S. 121 A.b En 2010, les autorités américaines ont ouvert des enquêtes contre onze banques suisses, dont A., qu'elles soupçonnaient d'avoir aidé des clients américains à se soustraire à leurs obligations fiscales ainsi que d'avoir contrevenu à la réglementation applicable lors des contacts intervenus avec ces clients. Elles ont requis l'entraide administrative de la Suisse en vue d'obtenir des renseignements sur les activités des banques visées aux Etats-Unis. A. et les autres banques ont transmis les documents requis aux autorités américaines après avoir, sur requête de la FINMA, caviardé les informations permettant l'identification des clients et remplacé les données de ses employés, de ses ex-employés et de tiers par des codes. Le 18 janvier 2012, le Conseil fédéral a décidé que, provisoirement, seules devaient être transmises, dans le cadre de l'entraide, des données codées concernant les employés. Au début du mois de février 2012, les autorités américaines ont procédé à l'inculpation de la banque E. SA. Mi-mars 2012, plusieurs banques ont demandé au Conseil fédéral d'autoriser la communication des informations exigées, comprenant le nom des employés (non codé) et des tiers. Le 4 avril 2012, le Conseil fédéral a autorisé les banques concernées à transmettre directement aux autorités américaines des données non anonymisées, à l'exception de celles concernant les clients. Cette décision valait autorisation, au sens de l' art. 271 CP, à procéder sur le territoire suisse pour le compte d'un Etat étranger à des actes relevant des pouvoirs publics. L'appréciation de la responsabilité civile des banques demeurait cependant du ressort de ces dernières. Le 11 avril 2012, la FINMA a recommandé aux banques concernées de coopérer avec les autorités américaines dans le cadre prévu par le Conseil fédéral, en précisant que la procédure d'entraide administrative était, de ce fait, suspendue. Parallèlement à quatre autres banques, A., sans avertir les employés concernés, a transmis aux autorités américaines, au mois d'avril 2012, des documents comportant notamment les noms, prénoms, adresses mails et numéros de téléphone d'employés et d'ex-employés, seules les données permettant d'identifier les clients étant restées anonymisées. A.c C. a appris ce qui précède par la presse; il a contacté le service des ressources humaines de A., lequel l'a informé que son identité avait effectivement été communiquée aux autorités américaines. BGE 141 III 119 S. 122 Le 14 juin 2012, l'employé a consulté dans les locaux de A. les documents litigieux le concernant. Le 3 juillet 2012, A. a autorisé l'employé à consulter une seconde fois les documents, ce qu'il a fait le 10 juillet 2012. Il n'a toutefois pas pu en faire des copies. A.d Le 11 juillet 2012, B., ayant eu connaissance de ce qui précède par la presse, a demandé à A. si elle était également concernée; la banque lui a confirmé que tel était le cas. Le 24 juillet 2012, l'employée s'est rendue dans les locaux de la banque pour prendre connaissance des documents litigieux la concernant. Le 6 septembre 2012, B. a requis de A. une copie, sous forme informatique, des documents litigieux, ainsi que de la lettre d'accompagnement remise aux autorités américaines et de divers autres éléments. Le 13 septembre 2012, A. s'y est opposée. A.e Le 17 août 2012, le Préposé fédéral à la protection des données et à la transparence (PFPDT) a ouvert une procédure d'éclaircissement au sens de l'art. 29 de la loi fédérale du 19 juin 1992 sur la protection des données (LPD; RS 235.1), afin de vérifier si les principes de la loi avaient été respectés lors de la transmission des données par les banques suisses aux autorités américaines. Le 6 septembre 2012, le PFPDT a adressé des recommandations à plusieurs banques, parmi lesquelles A., selon lesquelles la banque devait accorder aux personnes concernées (collaborateurs actuels et anciens, ainsi que tiers externes) le droit d'accès aux données selon l' art. 8 LPD. Le PFPDT a adhéré à l'argumentation de la banque qui faisait valoir que des copies de documents ne pouvaient pas être remises au vu de leur sensibilité liée au secret bancaire et à celui de la clientèle, ainsi que de ses propres règles de sécurité. La banque ne s'est pas opposée aux recommandations du PFPDT, qui ont été publiées le 13 novembre 2012. Le 3 juillet 2013, le Conseil fédéral a fixé les principes de coopération des banques suisses avec les autorités américaines en vue de régler leur différend fiscal, et il a donné la possibilité aux banques de demander une autorisation individuelle au sens de l' art. 271 CP. Il a notamment précisé qu'une telle autorisation excluait uniquement une punissabilité en vertu de cette disposition, mais qu'elle ne BGE 141 III 119 S. 123 dispensait pas du respect des autres règles du droit suisse, notamment de la prise en compte du secret d'affaires et du secret bancaire existants, des dispositions sur la protection des données et des obligations de l'employeur. B. B.a Par acte du 14 décembre 2012, agissant au bénéfice d'une autorisation de procéder du 15 novembre 2012, C. a saisi le Tribunal de première instance de Genève d'une requête contre A. Par acte du 14 décembre 2012, agissant au bénéfice d'une autorisation de procéder du 5 décembre 2012, B. a saisi ce même Tribunal d'une requête contre A. Dans leurs conclusions (réduites lors des plaidoiries du 10 juillet 2013), les employés requièrent la production d'une copie des documents transmis aux autorités américaines, sous forme informatique et caviardée s'agissant des noms des clients ou des tiers, ainsi que la communication de la date de la transmission et de la manière dont les données avaient été communiquées, avec suite de frais. B.b Par deux jugements séparés du 24 octobre 2013, le Tribunal de première instance de Genève a ordonné à A. de remettre aux demandeurs, sur un support papier ou sur un support électronique, une copie des documents qui avaient été transmis aux autorités américaines et qui contenaient des données les concernant, soit des informations qui les identifiaient ou qui permettaient de les identifier (nom, prénom, adresse e-mail, numéro de téléphone, fonction, description de l'activité, etc.). Le Tribunal a en outre dit que les données des clients, des autres employés et ex-employés de A. ainsi que des tiers figurant dans ces documents pourraient être caviardées. Il a en sus ordonné à A. d'indiquer aux demandeurs à quelles dates et à quelles autorités américaines les documents avaient été transmis. Par deux arrêts séparés datés du 23 mai 2014, la Cour de justice a confirmé les jugements entrepris par la défenderesse et débouté les parties de toutes autres conclusions. C. Contre ces deux arrêts cantonaux, la banque (ci-après: la recourante ou la banque) exerce deux recours en matière civile séparés mais comportant les mêmes critiques et conclusions (sauf en ce qui concerne l'objet de la requête d'accès aux données et la décision entreprise). Sous suite de frais et dépens, elle conclut à l'annulation des arrêts visés et à ce que les employés soient déboutés de toutes autres conclusions, subsidiairement, à l'annulation des arrêts entrepris et au renvoi de la cause à l'autorité cantonale. BGE 141 III 119 S. 124 Les employés (ci-après: les intimés ou les employés) concluent, sous suite de frais et dépens, à ce que la banque soit déboutée de toutes ses conclusions. La requête d'effet suspensif sollicitée dans chaque cause par la recourante a été admise, faute d'opposition, par ordonnances présidentielles du 1 er septembre 2014. Le Tribunal fédéral a rejeté les recours. (résumé) Erwägungen Extrait des considérants: 4. Sur le principe, la recourante reconnaît que les employés peuvent prendre connaissance du contenu des documents litigieux. Elle refuse toutefois de leur remettre ceux-ci sous forme écrite (copie des données). La recourante reproche à la cour cantonale d'avoir violé l' art. 8 al. 5 LPD. Les circonstances d'espèce seraient telles qu'elles justifieraient une (nouvelle) exception au principe de la communication écrite. Elle invoque également une transgression de l' art. 9 al. 1 let. a et b LPD, ainsi que de l' art. 9 al. 4 LPD, son refus de fournir des copies écrites, dicté par la prise en compte d'intérêts de tiers et des siens propres, étant légitime. Il convient, dans un premier temps, de définir si c'est de manière légitime que la banque a opposé son refus aux employés, soit de déterminer si elle pouvait se fonder sur une loi au sens formel pour restreindre l'accès aux données litigieuses (cf. art. 9 al. 1 let. a LPD ), et d'établir si, comme le prétend la banque (maître du fichier), ses propres intérêts - ou ceux de tiers - (cf. art. 9 al. 1 let. b et al. 4 LPD ) l'emportent sur ceux des employés (cf. infra consid. 5, 6 et 7). Dans un deuxième temps, il conviendra d'examiner si la banque peut justifier son refus sur la base des circonstances exceptionnelles dont elle tente de démontrer l'existence par le biais de divers arguments soulevés sous l'angle de l' art. 8 al. 5 LPD (cf. infra consid. 8). 5. La recourante reproche à la cour cantonale d'avoir violé l' art. 9 al. 1 let. a LPD. Selon elle, une base légale au sens formel interdisant à la banque de communiquer les renseignements demandés (subsidiairement prévoyant une restriction à cette communication) est contenue à l'art. 47 de la loi sur les banques du 8 novembre 1934 (LB; RS 952), ainsi qu'à l' art. 162 CP. BGE 141 III 119 S. 125 5.1 L' art. 47 LB ne règle pas le secret bancaire en tant que tel, mais il prévoit la sanction (pénale) en cas de violation de ce secret (sur l'ensemble de la question: ATF 137 II 431 consid. 2.1.1 p. 437). La doctrine majoritaire est d'avis que l' art. 47 LB fait en principe partie des bases légales formelles au sens de l' art. 9 al. 1 let. a LPD (DAVID ROSENTHAL, in Handkommentar zum Datenschutzgesetz, 2008, n° 7 ad art. 9 LPD ; PHILIPPE MEIER, Protection des données, 2011, n. 1139 p. 405 et les auteurs cités). 5.2 La communication aux ex-employés des informations sur les clients de la banque équivaut aujourd'hui à une remise à des tiers (et ce, même si, après la fin des relations contractuelles, ils sont encore soumis au secret bancaire), ce qui constitue en soi, dans la perspective de la banque, un comportement punissable au sens de l' art. 47 LB (ce qui est d'ailleurs également le cas pour la simple consultation, sur place, des données). Il faut toutefois d'emblée relever dans ce contexte que le Conseil fédéral, dans sa décision du 4 avril 2012, a expressément interdit aux banques de livrer à l'étranger des informations sur les clients ("Kundendaten"). A cet égard, la cour cantonale constate que, lors de leur transmission aux autorités américaines, les documents ne contenaient pas d'informations permettant d'identifier les clients. La banque a elle-même expressément admis avoir caviardé toutes les données permettant d'identifier ses clients dans les documents transmis aux autorités américaines afin de respecter la décision du Conseil fédéral. Dès lors, si les documents livrés par les banques à un Etat étranger ne contiennent pas de telles informations, on ne voit pas en quoi ces mêmes documents, communiqués aux employés, mettraient le secret bancaire en danger (cf. GABRIEL AUBERT, La communication aux autorités américaines, par des banques, de données personnelles sur leurs employés: aspects de droit du travail, RSDA 2013 p. 42). 5.3 La recourante considère que l'infraction ( art. 47 LB ) pourrait quand même être réalisée de par le fait que les employés ont pu prendre connaissance des documents intégraux et qu'ils seraient donc en mesure, en cas de remise écrite des données, d'identifier (en reconstituant de mémoire les éléments caviardés) les clients en cause. Le raisonnement ne convainc pas. En réalité, ce n'est pas la remise écrite aux employés des documents litigieux qui leur permettrait d'identifier les clients en cause, puisqu'ils les connaissent déjà. Dès lors, la banque ne saurait violer l' art. 47 LB pour la seule raison qu'elle serait amenée à remettre par écrit, dans le contexte ainsi décrit, des données caviardées. BGE 141 III 119 S. 126 En l'espèce, la recourante ne peut se prévaloir de l' art. 47 LB (en lien avec l' art. 9 al. 1 let. a LPD ) pour refuser de remettre aux employés une copie des documents litigieux. 5.4 La recourante soutient que "l'argumentation valable pour l' art. 47 LB est transposable à l' art. 162 CP ". Selon elle, si les employés sont en possession de copies, ils pourraient alors identifier les noms des clients et d'autres informations couvertes par le secret commercial, au vu de leur activité passée au sein de l'établissement bancaire. L'argument est sans consistance. L'infraction ( art. 162 CP ) peut uniquement être réalisée par la personne tenue au secret, soit celle qui a un devoir (légal ou contractuel) de garder le secret (cf. BERNARD CORBOZ, Les infractions en droit suisse, vol. I, 3 e éd. 2010, n os 3 et 9 s. ad art. 162 CP ; STRATENWERTH/JENNY, Besonderer Teil I: Straftaten gegen Individualinteressen, 6 e éd. 2003, n° 6 ad § 22). Le maître du secret n'est pas visé par l'infraction et, partant, la banque ne saurait en l'espèce s'en prévaloir à titre de base formelle au sens de l' art. 9 al. 1 let. a LPD. 6. La recourante invoque une transgression de l' art. 9 al. 1 let. b LPD. 6.1 Il résulte des constatations cantonales que la banque n'a pas fait valoir, devant l'autorité précédente, l'intérêt des tiers, pour fonder son opposition à la remise d'une copie des documents litigieux. La cour cantonale présente toutefois une argumentation subsidiaire dans laquelle elle affirme qu'un tel moyen aurait dû être d'emblée rejeté. 6.2 En vertu de l' art. 9 al. 1 let. b LPD, le maître du fichier peut refuser ou restreindre la communication des renseignements demandés, voire en différer l'octroi, dans la mesure où les intérêts prépondérants d'un tiers l'exigent. Ce motif peut (et doit) être invoqué par le maître du fichier lorsque les données sur lesquelles porte l'accès sont intimement liées aux données personnelles de tiers (MEIER, op. cit., n. 1144 s. p. 406 s.; BRACHER/TAVOR, Das Auskunftsrecht nach DSG, RSJ 109/2013 p. 49). En principe, si l'anonymisation des documents concernés suffit à protéger les tiers, le droit d'accès du titulaire des données (requérant sous l'angle de l' art. 8 LPD ) ne devrait pas, sous peine d'une violation du principe de la proportionnalité (cf. art. 4 al. 2 LPD ), faire l'objet d'une plus grande restriction (BELSER/EPINEY/WALDMANN, Datenschutzrecht, 2011, n. 53 ad § 11; FRIEDRICH/KAISER, BGE 141 III 119 S. 127 Datenschutzrechtliches Auskunftsrecht und Arbeitspapiere einer Revisionstelle, L'expert-comptable suisse 2013, p. 527 et les auteurs cités). 6.3 Selon les constatations cantonales, lors de leur transmission aux autorités américaines, les documents ne contenaient pas d'informations permettant d'identifier les clients. Il en ressort également que la banque a été autorisée par le premier juge à anonymiser les éléments permettant d'identifier ses (ex-)collaborateurs et les tiers. Il ne résulte pas des constatations cantonales que le caviardage ne permettrait pas de protéger suffisamment les tiers. Ainsi, même à considérer l'argumentation subsidiaire de l'autorité précédente, on ne saurait reprocher à celle-ci d'avoir nié un intérêt prépondérant de tiers. 7. La recourante reproche à la cour cantonale d'avoir appliqué de manière incorrecte l' art. 9 al. 4 LPD. 7.1 Elle commence par soutenir qu'on peut renoncer à procéder à une pesée d'intérêts sous cet angle en insistant sur le fait que les employés, à qui elle reconnaît le droit de consulter les informations les concernant sur place (données à l'écran), ne disposent en réalité d'aucun intérêt à obtenir une communication écrite. 7.1.1 Il faut rappeler ici qu'en soi le droit d'accès selon l' art. 8 LPD - donc la remise écrite d'information (cf. infra consid. 8.1) - peut être exercé sans la preuve d'un intérêt. Ce n'est que si le maître du fichier veut refuser ou restreindre l'accès qu'une pesée des intérêts aura lieu (à ce sujet cf. infra consid. 7.2). La prise en compte de l'intérêt du titulaire du droit d'accès joue également un rôle lorsqu'un abus de droit entre en considération ( ATF 138 III 425 consid. 5.4 p. 4.3.2; ATF 123 II 543 consid. 2e p. 538; cf. ARTER/DAHORTSANG, PJA 2012 p. 1161). L'existence d'un abus de droit (cf. art. 2 al. 2 CC ) doit être reconnue lorsque l'exercice du droit par le titulaire ne répond à aucun intérêt digne de protection, qu'il est purement chicanier ou, lorsque, dans les circonstances dans lesquelles il est exercé, le droit est mis au service d'intérêts qui ne correspondent pas à ceux que la règle est destinée à protéger (cf. PAUL-HENRI STEINAUER, Le Titre préliminaire du Code civil, TDPS vol. II/1, 2009, n. 570 p. 213 et n. 573 s. p. 214 s.; HAUSHEER/JAUN, Die Einleitungsartikel des ZGB, 2003, n os 125 s. ad art. 2 CC ). Cela est ainsi le cas, dans la perspective de l' art. 8 LPD, lorsque le droit d'accès est exercé dans un but étranger à la protection des données, par exemple lorsque le droit d'accès n'est utilisé que pour nuire BGE 141 III 119 S. 128 au débiteur de ce droit (cf. arrêt 4A_36/2010 du 20 avril 2010 consid. 3.1). Il faudrait probablement aussi considérer comme contraire à son but et donc abusive l'utilisation du droit d'accès dans le but exclusif d'espionner une (future) partie adverse et de se procurer des preuves normalement inaccessibles ( ATF 138 III 425 consid. 5.5 p. 432; KLEINER/SCHWOB/WINZELER, in Kommentar zum Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen, 22 e éd. 2014, n o 406 ad art. 47 LB et les auteurs cités). Ce serait ainsi le cas d'une requête qui ne constitue qu'un prétexte à une recherche indéterminée de moyens de preuve ( fishing expedition ) (en lien avec l' art. 8 LPD : NICOLAS PASSADELIS, Datenschutzrechtliches Auskunftsrecht erlaubt keine Beweisausforschung, Push-service Entscheide, CJN, 4 mars 2013 n. 12; FRIEDRICH/ KAISER, op. cit., p. 527). La requête de l'employé visant à obtenir les données le concernant en vue d'une éventuelle action en dommages-intérêts contre le maître du fichier n'est par contre, en soi, pas abusive ( ATF 138 III 425 consid. 5.6 p. 432; BRACHER/TAVOR, op. cit., p. 50 note de pied 60). 7.1.2 En l'espèce, les employés expliquent qu'ils tiennent à obtenir une copie de leurs données pour deux raisons: premièrement, afin de pouvoir juger d'une possible illicéité de traitement effectué par la recourante et formuler d'éventuelles futures prétentions civiles contre la banque. Deuxièmement, afin d'être en mesure d'anticiper de probables ennuis qui leur seront causés par le Department of Justice (DoJ) et de préparer leur défense sur la base des informations et données transmises et d'ores et déjà en mains de l'autorité pénale étrangère. Il n'a par contre pas été constaté que les intimés souhaiteraient prospecter des preuves de manière répréhensible ou qu'ils exigeraient la remise de documents auxquels ils ne pourraient pas prétendre dans la procédure civile. 7.1.3 A la lumière des principes évoqués ci-dessus (cf. supra consid. 7.1.1), on ne saurait ainsi dire que la requête des employés, qui n'est pas chicanière, ni contraire au but qu'elle est censée poursuivre, est abusive. On peut au demeurant observer qu'il serait en l'espèce paradoxal de considérer leur requête comme un prétexte à une recherche indéterminée de moyens de preuve ( fishing expedition ), les employés ayant en effet déjà pris connaissance du contenu des documents visés, aussi bien à travers leur ancienne activité que par le biais des consultations entreprises - les 14 juin et 10 juillet 2012 pour BGE 141 III 119 S. 129 l'employé et le 24 juillet 2012 pour l'employée - dans les locaux de la banque. 7.1.4 Quant à la forme de l'accès aux données, les employés ont un intérêt évident à obtenir une copie des informations en cause. Premièrement, l'obtention d'une copie leur permettra de consulter leurs données où ils veulent et quand ils veulent, et d'avoir, en tout temps, la possibilité de comparer les documents litigieux avec d'autres informations éventuellement en leur possession (cf. ALEXANDER DUBACH, Das Recht auf Akteneinsicht, 1990, p. 351). Force est également de constater, deuxièmement, qu'à défaut de pouvoir présenter une copie des informations en cause dans l'hypothèse d'une procédure contre la banque, les employés se heurteraient rapidement à la difficulté de fournir la preuve de leurs allégués (sur le constat: AUBERT, op. cit., p. 42; CEREGATO/MÜLLER, Das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht: (k)ein Mittel zur Beweisausforschung, Jusletter 20 août 2012 ch. IV; cf. GILLES MONNIER, Le droit d'accès aux données personnelles traitées par un média, 1999, p. 188). Troisièmement, les employés ont un intérêt à bénéficier de tous les instruments leur permettant d'évaluer les risques d'être inquiétés par les autorités américaines, le cas échéant de se défendre; les copies des informations étant en possession de l'autorité pénale étrangère, l'intérêt des employés à disposer également d'une copie des mêmes documents (même s'ils en ont déjà connaissance) est indéniable. La requête visant la remise écrite des documents litigieux permet de procurer aux employés l'avantage qu'ils en attendent et, partant, elle ne peut être qualifiée d'abusive. 7.2 Quant à la pesée d'intérêts évoquée par la recourante dans le même contexte, elle doit maintenant être examinée sous l'angle de l' art. 9 al. 4 LPD. En vertu de cette disposition légale, un maître de fichier privé peut refuser ou restreindre la communication des renseignements demandés ou en différer l'octroi, dans la mesure où ses intérêts prépondérants l'exigent et à condition qu'il ne communique pas les données personnelles à un tiers. Il faut donc procéder à une pesée des intérêts, le débiteur du droit d'accès devant invoquer les siens en premier. Il faut ensuite examiner leur bien-fondé et les opposer aux intérêts du demandeur d'accès. L'accès ne peut être refusé, restreint ou différé que lorsque les premiers l'emportent sur les deuxièmes ( ATF 138 III 425 consid. 6.1 p. 433; BRACHER/TAVOR, op. cit., p. 49). BGE 141 III 119 S. 130 La preuve de l'existence d'un intérêt prépondérant à restreindre le droit d'accès incombe au maître du fichier (GRAMIGNA/MAURER-LAMBROU, in Basler Kommentar, Datenschutzgesetz, Öffentlichkeitsgesetz, 3 e éd. 2014, n° 8 ad art. 9 LPD ; ROSENTHAL, op. cit., n° 4 ad art. 9 LPD ; CEREGATO/MÜLLER, op. cit., ch. II/2.2.1). 7.3 La recourante invoque son intérêt fondé, d'une part, sur la nature sensible des documents et, d'autre part, sur les règles de sécurité auxquelles elle soumet son personnel. Elle insiste sur le fait que la remise de documents écrits entraînerait la perte de maîtrise par la banque et la mise en circulation potentielle - notamment par le biais de fax, photocopies et scans - de centaines de documents d'importance stratégique pour elle. Dans ce contexte, la recourante rappelle également sa réglementation interne qui interdit aux employés d'emporter chez eux des documents confidentiels. 7.4 7.4.1 S'agissant de l'intérêt sur la base duquel la banque tente de restreindre le droit d'accès dont les employés sont titulaires, il a été rappelé ci-dessus que les documents ne contenaient pas d'informations permettant d'identifier les clients (cf. supra consid. 5.2), de sorte qu'on ne voit pas en quoi la banque pourrait avoir un intérêt à restreindre le droit d'accès aux documents litigieux pour un motif lié au secret bancaire. Certes, on ne peut écarter le risque qu'un employé communique les copies à un tiers intéressé en révélant de mémoire le nom d'un client pourtant caviardé sur les documents litigieux. A cet égard, la banque n'allègue toutefois ni ne donne le moindre indice qui permettrait de comprendre que les deux employés (intimés) auraient l'intention de divulguer ces documents en dehors d'une procédure judiciaire. Quant à l'existence d'un risque potentiel, celui-ci est relativisé par l'engagement contractuel des (ex-)employés; il n'est en effet pas contesté que ceux-ci sont, de par leur contrat de travail, encore assujettis au secret bancaire et aux peines sanctionnant sa violation ( art. 47 al. 4 LB ). 7.4.2 Au sujet des documents d'importance stratégique évoqués par la banque, on peut là aussi souligner que les employés en ont déjà pris connaissance, aussi bien au cours de leur ancienne activité professionnelle que par le biais de leur consultation sur place, et que les éventuelles informations confidentielles de la banque qui y sont contenues leur sont déjà connues. Ainsi, le risque potentiel d'une divulgation (évoqué par la banque) n'est, en soi, pas lié à la remise d'une BGE 141 III 119 S. 131 copie des documents litigieux. Ce risque découle déjà d'une prise de connaissance préalable du contenu des documents litigieux par les employés. Certes, on peut admettre que le risque s'accroît dans une certaine mesure si les employés disposent de documents qui permettent de prouver les informations déjà en leur possession. A cet égard, la banque se limite toutefois à évoquer la nature sensible des documents "sur le plan organisationnel, commercial ou opérationnel", sans fournir un seul élément concret (exemples de documents effectivement transmis aux autorités américaines) permettant de comprendre en quoi ces documents sont d'une importance stratégique pour elle et de démontrer son intérêt à restreindre en l'espèce le droit d'accès des employés (sur le lien avec le cas concret, cf. encore infra consid. 8.2). Au demeurant, le risque potentiel évoqué par la banque est, ici aussi, en grande partie relativisé par l'engagement contractuel des (ex-)employés; ceux-ci sont, de par leur contrat de travail, soumis aux secrets de fabrication et d'affaires ( art. 321a al. 4 CO ) et ils restent soumis à ces secrets même après la fin des rapports de travail, à tout le moins "tant que l'exige la sauvegarde des intérêts légitimes de l'employeur" (art. 321a al. 4 in fine CO). 7.5 Quant à l'intérêt des employés à avoir en leur possession une copie des documents transmis aux autorités américaines, il a déjà été reconnu plus haut (cf. supra consid. 7.1.4). Il en résulte qu'à défaut d'obtenir une copie, les employés risquent de se heurter à des difficultés importantes (et concrètes) sous plusieurs aspects (cf. supra consid. 7.1.4). Cela étant, l'existence d'un "simple" risque potentiel (par ailleurs limité), tel qu'évoqué par la banque, ne saurait en l'occurrence démontrer que son intérêt à restreindre le droit d'accès des employés l'emporte sur l'intérêt de ceux-ci à obtenir une remise écrite des données litigieuses. 7.6 C'est en vain que la banque insiste sur le contenu de sa réglementation interne pour infléchir la pesée d'intérêts dans un sens qui lui est favorable. 7.6.1 On peut comprendre, sur la base de cette réglementation interne, l'importance (générale) pour la banque de garantir la confidentialité des documents sensibles. A nouveau, celle-ci ne désigne toutefois aucun élément concret qui permettrait de saisir quels types de BGE 141 III 119 S. 132 documents entrant dans cette définition ont été livrés aux autorités américaines, afin de déterminer leur impact sur la pesée des intérêts entreprise plus haut. 7.6.2 L'argumentation de la banque relative à la réglementation interne semble également suggérer que les employés auraient renoncé contractuellement à faire valoir leur droit d'accès ( art. 8 LPD ), à tout le moins à la possibilité de recevoir une copie des documents litigieux. Une renonciation par avance au droit d'accès est explicitement contraire à l' art. 8 al. 6 LPD et elle doit être considérée comme nulle (cf. art. 20 al. 1 CO ; GRAMIGNA/MAURER-LAMBROU, op. cit., n° 60 ad art. 8 LPD ; MEIER, op. cit., n. 973 p. 364; BELSER/EPINEY/WALDMANN, op. cit., n. 42 ad § 11). La même conclusion s'impose lorsque la clause contractuelle liant les parties ne vise pas la renonciation (pure et simple), mais une restriction du droit d'accès (GRAMIGNA/ MAURER-LAMBROU, op. cit., n° 60 ad art. 8 LPD ; cf. ROSENTHAL, op. cit., n° 27 ad art. 8 LPD ). Une renonciation (non anticipée) ne peut être envisagée que si la personne concernée connaît déjà l'essentiel de l'information à laquelle elle pourrait avoir accès (pour les détails: GRAMIGNA/MAURER-LAMBROU, op. cit., n° 61 ad art. 8 LPD ; MEIER, op. cit., n. 974 p. 364). 7.6.3 A la lumière des considérations qui précèdent, on ne peut admettre qu'en concluant le contrat de travail, les employés ont par avance consenti à ne pas faire valoir, vis-à-vis de leur employeur, leur droit d'accès au sens de l' art. 8 LPD. Pour la même raison, les employés ne sauraient avoir acquiescé à une restriction de leur droit d'accès, soit avoir accepté qu'aucun document écrit contenant leurs données personnelles ne leur soit remis (dans ce sens: AUBERT, op. cit., p. 43). Il a en outre été établi que, lorsque les employés ont accepté (par la conclusion du contrat de travail) de se soumettre à la réglementation interne, ils ignoraient que la banque communiquerait aux autorités américaines leurs données personnelles en lien avec les activités transfrontalières qu'ils ont exercées pour le compte de celle-ci. La banque ne les a jamais informés de cette communication. Ils ne connaissaient donc pas l'essentiel de l'information objet de leur droit d'accès, de sorte qu'on ne saurait reconnaître que, depuis la conclusion du contrat de travail, ils auraient pu renoncer à se prévaloir de leur droit à une communication écrite. BGE 141 III 119 S. 133 7.7 Enfin, c'est en vain que la recourante tente de se prévaloir de la décision du 25 avril 2013 de la Cour des plaintes du Tribunal pénal fédéral (BB.2112.133 consid. 2.2.1) qui mentionne, selon ses propres explications, qu'aucun élément probant ne permet de prouver que l'ex-employé (alors objet de la procédure fédérale) serait contraint de rester en Suisse de peur de se faire interroger, arrêter et/ou extrader aux Etats-Unis et que rien au dossier n'amène à conclure que les employés de A. font l'objet d'une poursuite aux Etats-Unis. En l'espèce, l'intérêt des employés à obtenir une copie des données litigieuses ne se limite pas à pouvoir évaluer la situation sur le seul territoire des Etats-Unis, le cas échéant, à se défendre dans ce contexte (cf. supra consid. 7.1.4). Quoi qu'il en soit, les constatations - faites sous l'angle bien précis des éventuelles conséquences d'une violation de l' art. 271 CP - du Tribunal pénal fédéral, qui n'est pas l'"autorité précédente" dans la présente procédure (cf. art. 105 al. 1 LTF ), ne lient pas le Tribunal fédéral. En l'espèce, il résulte des constatations de la Cour de justice que la procédure américaine ouverte contre la banque n'est pas terminée et que l'issue est encore incertaine pour les deux employés. Il n'importe à cet égard qu'il n'existe encore aucune procédure à leur encontre. Le droit d'accès aux données personnelles a précisément pour but de leur permettre d'évaluer eux-mêmes une telle éventualité et, si nécessaire, de se défendre. A cet égard, la remise d'une copie des données litigieuses est nécessaire, ne serait-ce que pour permettre aux employés de prendre connaissance en tout temps du contenu des documents qui sont déjà en possession des autorités américaines (cf. supra consid. 7.1.4). 7.8 Puisque la condition d'un intérêt prépondérant de la banque n'a pas été démontrée par celle-ci, il importe peu de savoir si la deuxième condition posée par l' art. 9 al. 4 LPD, à savoir que le maître du fichier ne communique pas les données personnelles à un tiers, est également remplie (cf. ATF 138 III 425 consid. 6.6 p. 436). Il n'est donc pas nécessaire d'entrer en matière sur le grief, soulevé par la recourante dans ce contexte, d'un établissement manifestement inexact, par l'autorité précédente, des faits qui, selon la banque, révèlent l'obligation qui était la sienne de communiquer ses données aux autorités américaines. 8. La recourante reproche également à la cour cantonale d'avoir violé l' art. 8 al. 5 LPD. Elle estime qu'en l'espèce les circonstances sont BGE 141 III 119 S. 134 telles qu'elles justifient une exception au principe de la communication écrite (en dehors de l'exception prévue par le Conseil fédéral). Elle fournit divers arguments visant à convaincre de l'existence de telles circonstances (cf. infra consid. 8.2-8.6). 8.1 En vertu de l' art. 8 al. 5 LPD, "les renseignements sont, en règle générale, fournis gratuitement et par écrit, sous forme d'imprimé ou de photocopie. Le Conseil fédéral règle les exceptions". Se fondant sur cette délégation législative (reprise à l' art. 36 al. 1 LPD ), le Conseil fédéral a prévu, à l'art. 1 al. 3 de l'ordonnance du 14 juin 1993 relative à la loi fédérale sur la protection des données (OLPD; RS 235.11), que, "d'entente avec le maître du fichier ou sur proposition de celui-ci, la personne concernée peut également consulter ses données sur place. Si elle y a consenti et qu'elle a été identifiée, les renseignements peuvent également lui être fournis oralement". Il ressort clairement des dispositions précitées que, pour le législateur, la communication écrite des données constitue la règle (sur le constat cf. aussi: URS BELSER, Das Recht auf Auskunft, die Transparenz der Datenbearbeitung und das Auskunftsverfahren, in Das neue Datenschutzgesetz des Bundes, 1993, p. 60). La seule exception explicite figure à l'art. 1 al. 3 de l'ordonnance; selon cette disposition une consultation sur place - voire une communication orale - des pièces du dossier ne peut remplacer une communication écrite que dans le cas où la personne intéressée est d'accord avec ce mode de faire ( ATF 125 II 321 consid. 3b p. 323; ATF 123 II 534 consid. 3c p. 540 s.; MEIER, op. cit., n. 1076 s. p. 391 et les références; ROSENTHAL, op. cit., n° 23 ad art. 8 LPD ). Dans ce contexte, le Tribunal fédéral a déjà eu l'occasion d'expliquer que l'inconvénient résultant de la communication systématique des dossiers aux personnes qui le demandent (soit en particulier le surcroît de travail) est propre à tous les détenteurs de fichiers. Il a d'ailleurs été pris en compte par le législateur, qui n'a pas voulu en faire une cause de refus de la communication écrite, mais qui a préféré prévoir des exceptions à la gratuité de celle-ci ( art. 8 al. 5 LPD, art. 2 OLPD ; cf. ATF 125 II 321 consid. 3b p. 324). La jurisprudence a jusqu'ici laissé indécise la question de savoir si, en plus du cas de figure envisagé par le Conseil fédéral (cf. art. 1 al. 3 OLPD ), d'autres exceptions au principe de la communication écrite peuvent être envisagées, en dehors des cas prévus par BGE 141 III 119 S. 135 l'ordonnance (cf. ATF 125 II 321 consid. 3b p. 323 s.; cf. BELSER/EPINEY/ WALDMANN, op. cit., n. 35 ad § 11). Cette question peut également rester ouverte en l'espèce, la recourante ne faisant valoir aucune circonstance concrète s'opposant à l'envoi d'une copie du dossier (cf. infra consid. 8.2-8.6). 8.2 L'argumentation générale fournie, dans un premier temps, par la recourante tombe à faux. En effet, il ne s'agit pas d'étendre la réflexion, de manière globale, à l'ensemble des employés de tous les établissements bancaires qui, potentiellement, pourraient exiger de leur employeur respectif la remise écrite d'informations les concernant; il s'agit ici de déterminer si, dans le cas concret, un refus par la banque d'une remise écrite des documents aux deux employés se justifie ou non. D'autre part, l'argument tiré des inconvénients qui résulteraient du caviardage de l'ensemble des informations visées ne peut être suivi puisque l'arrêt cantonal constate que les données, qui sont actuellement contenues sur un support électronique, ont déjà été réunies, triées et même caviardées (données visant les clients de la banque) avant leur transmission aux autorités américaines; on voit donc mal comment ces informations pourraient mettre le secret bancaire en danger et leur remise écrite aux employés représenter une difficulté disproportionnée d'ordre pratique. La difficulté qui peut être générée par le surcroît de travail n'est, à la lumière des principes rappelés ci-dessus, quoi qu'il en soit pas déterminante. 8.3 La recourante insiste ensuite sur le fait qu'il convient d'accorder une crédibilité accrue aux recommandations du PFPDT, lesquelles ont cautionné, en ce qui concerne l'accès aux données déjà transmises aux autorités américaines, la forme de la consultation des documents sur place, ceci compte tenu de leur sensibilité, des règles de sécurité de la banque, ainsi que du secret bancaire et des règles internes interdisant aux employés d'emporter des documents chez eux. Or, le PFPDT, qui s'adresse au maître du fichier (cf. art. 3 let. i LPD ), agit dans un cadre qui excède celui d'une pure contestation entre deux parties (ATF138 II 346 consid. 10.1 p. 363; ATF 136 II 508 consid. 6.3.2 p. 523). Les recommandations qu'il émet, qui n'ont pas été déclarées contraignantes par le Tribunal administratif fédéral, n'ont pas force de chose jugée (MEIER, op. cit., n. 1925 p. 618 s.). Elles sont toutefois prises en compte dans le cadre de la pesée des intérêts (sous l'angle de l' art. 13 LPD : cf. ATF 138 II 346 consid. 10.1 p. 363). BGE 141 III 119 S. 136 La Cour de céans a tenu compte des intérêts de la banque (maître du fichier) mis en évidence par le PFPDT (notamment la sensibilité des documents bancaires, les règles de sécurité de la banque), mais elle a considéré, dans la pesée globale des intérêts entreprise sous l'angle de l' art. 9 LPD, que la banque n'a en l'espèce pas apporté la preuve d'un intérêt prépondérant à restreindre le droit d'accès dont les employés sont titulaires (cf. supra consid. 7). 8.4 A l'appui de sa thèse, la recourante tente également de tirer argument d'une application par analogie du droit allemand. Elle relève que le paragraphe 34 al. 6 BDSG prévoit explicitement de déroger à la forme écrite lorsque les circonstances du cas d'espèce font qu'une autre forme apparaît comme plus appropriée. Cet argument ne lui est toutefois d'aucune aide. Au contraire, les commentateurs allemands expliquent qu'il s'agit de prendre en compte les circonstances du cas d'espèce dans la seule perspective de la personne concernée par les données. S'il apparaît que celle-ci (et non le maître du ficher) aura un accès plus rapide aux données sous une autre forme, elle peut renoncer, si elle l'estime opportun, à la remise de l'information sous forme écrite (ALEXANDER DIX, in Bundesdatenschutzgesetz, Simitis [éd.], 7 e éd. 2011, n os 52 s. ad § 34 BDSG; GOLA/KLUG/KÖRFFER/SCHOMERUS, BDSG, Bundesdatenschutzgesetz, Kommentar, 11 e éd. 2012, n os 13 s. ad § 34 BDSG). 8.5 S'agissant de la clause générale de police évoquée par la recourante, elle consiste en un droit qui appartient à l'Etat ( ATF 137 II 431 consid. 3.3 p. 444 s.; ATF 103 Ia 310 consid. 3a p. 311 s.). La banque, en tant que personne morale de droit privé, ne saurait donc en tirer un quelconque argument pour défendre sa thèse. Il est par ailleurs établi que l'autorisation du Conseil fédéral du 4 avril 2012, tout comme celle octroyée à d'autres banques à partir du 3 juillet 2013, n'a pas exempté les établissements concernés d'une éventuelle responsabilité civile ni, de manière plus générale, de leurs obligations à l'égard de leurs (ex-)employés. Cette autorisation visait uniquement à exempter les banques de tout reproche sous l'angle de l' art. 271 CP (actes exécutés sans droit pour un Etat étranger) et elle était donc moins étendue que celle accordée dans l'affaire D. (cf. ATF 137 II 431 consid. 4 p. 445 ss). 8.6 La recourante estime enfin qu'une remise écrite des données se heurte au contenu de l' art. 339a al. 1 CO qui prévoit qu'au moment où le contrat prend fin, les parties se rendent tout ce qu'elles se sont BGE 141 III 119 S. 137 remis pour la durée du contrat, de même que tout ce que l'une d'elles pourrait avoir reçu de tiers pour le compte de l'autre. Selon elle, cette disposition de droit impératif serait vidée de sa substance s'il suffisait à un ancien employé d'entreprendre une action sur la base de la LPD pour récupérer toutes les données le concernant en possession de son employeur, ce d'autant plus sous l'angle de la réglementation idoine faisant partie intégrante des contrats de travail liant la banque à ses employés. L'argument est sans consistance. L' art. 339a al. 1 CO vise certes également les copies de documents en possession de l'employé (cf. arrêt 4A_611/2011 du 3 janvier 2012 consid. 4.3, JdT 2012 II p. 208), mais il poursuit un objectif totalement différent et distinct de celui auquel tend l' art. 8 LPD. Il vise une prétention de l'employeur à l'issue des relations contractuelles (ayant notamment pour objet la restitution des documents en mains de l'employé), alors que l' art. 8 LPD accorde à la personne concernée (en l'occurrence deux ex-employés) un droit d'accès aux données personnelles, institution centrale du droit de la protection des données (sur la fonction particulière du droit d'accès: OLIVER SCHNYDER, Das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht, 2002, p. 89 s.). Le moyen tiré de la violation de l' art. 8 al. 5 LPD est infondé.
Urteilskopf
18. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause A. SA contre B. et C. (recours en matière civile)
4A_406/2014 / 4A_408/2014 du 12 janvier 2015
Regeste Art. 8 Abs. 5, Art. 9 Abs. 1 und 4 DSG, Art. 1 Abs. 3 VDSG, Art. 47 BankG ; Verpflichtung einer Bank, ihren (ehemaligen) Angestellten über die sie betreffenden persönlichen Daten, die an die amerikanischen Behörden übermittelt wurden, schriftlich Auskunft zu erteilen. Die Bank (Inhaberin der Datensammlung) kann sich vorliegend nicht auf eine Grundlage in einem Gesetz im formellen Sinne (vgl. Art. 9 Abs. 1 lit. a DSG ) berufen, um gegenüber den Angestellten die Herausgabe von Kopien der strittigen Daten zu verweigern (E. 5). Ein überwiegendes Interesse Dritter im Sinne von Art. 9 Abs. 1 lit. b DSG fehlt (E. 6). Eine Interessenabwägung im Sinne von Art. 9 Abs. 4 DSG ergibt, dass im vorliegenden Fall das Interesse der Angestellten, eine Kopie der strittigen Daten zu erhalten, dasjenige der Bank überwiegt, das Auskunftsrecht der Angestellten einzuschränken (E. 7). Frage offengelassen, ob ausser den in Art. 1 Abs. 3 VDSG vorgesehenen Fällen andere Ausnahmen vom Grundsatz der schriftlichen Auskunftserteilung in Betracht kommen, nachdem die Bank keinen konkreten Umstand geltend macht, der einer Herausgabe einer Kopie der streitbetroffenen Daten entgegenstünde (E. 8).
Regeste
Art. 8 Abs. 5, Art. 9 Abs. 1 und 4 DSG, Art. 1 Abs. 3 VDSG, Art. 47 BankG ; Verpflichtung einer Bank, ihren (ehemaligen) Angestellten über die sie betreffenden persönlichen Daten, die an die amerikanischen Behörden übermittelt wurden, schriftlich Auskunft zu erteilen. Die Bank (Inhaberin der Datensammlung) kann sich vorliegend nicht auf eine Grundlage in einem Gesetz im formellen Sinne (vgl. Art. 9 Abs. 1 lit. a DSG ) berufen, um gegenüber den Angestellten die Herausgabe von Kopien der strittigen Daten zu verweigern (E. 5). Ein überwiegendes Interesse Dritter im Sinne von Art. 9 Abs. 1 lit. b DSG fehlt (E. 6). Eine Interessenabwägung im Sinne von Art. 9 Abs. 4 DSG ergibt, dass im vorliegenden Fall das Interesse der Angestellten, eine Kopie der strittigen Daten zu erhalten, dasjenige der Bank überwiegt, das Auskunftsrecht der Angestellten einzuschränken (E. 7). Frage offengelassen, ob ausser den in Art. 1 Abs. 3 VDSG vorgesehenen Fällen andere Ausnahmen vom Grundsatz der schriftlichen Auskunftserteilung in Betracht kommen, nachdem die Bank keinen konkreten Umstand geltend macht, der einer Herausgabe einer Kopie der streitbetroffenen Daten entgegenstünde (E. 8).
Art. 9 Abs. 1 und 4 DSG Art. 1 Abs. 3 VDSG Art. 47 BankG Die Bank (Inhaberin der Datensammlung) kann sich vorliegend nicht auf eine Grundlage in einem Gesetz im formellen Sinne (vgl. Art. 9 Abs. 1 lit. a DSG ) berufen, um gegenüber den Angestellten die Herausgabe von Kopien der strittigen Daten zu verweigern (E. 5).
Art. 9 Abs. 1 lit. a DSG Ein überwiegendes Interesse Dritter im Sinne von Art. 9 Abs. 1 lit. b DSG fehlt (E. 6).
Art. 9 Abs. 1 lit. b DSG Eine Interessenabwägung im Sinne von Art. 9 Abs. 4 DSG ergibt, dass im vorliegenden Fall das Interesse der Angestellten, eine Kopie der strittigen Daten zu erhalten, dasjenige der Bank überwiegt, das Auskunftsrecht der Angestellten einzuschränken (E. 7).
Art. 9 Abs. 4 DSG Frage offengelassen, ob ausser den in Art. 1 Abs. 3 VDSG vorgesehenen Fällen andere Ausnahmen vom Grundsatz der schriftlichen Auskunftserteilung in Betracht kommen, nachdem die Bank keinen konkreten Umstand geltend macht, der einer Herausgabe einer Kopie der streitbetroffenen Daten entgegenstünde (E. 8).
Art. 1 Abs. 3 VDSG Sachverhalt ab Seite 120
Sachverhalt ab Seite 120 BGE 141 III 119 S. 120
BGE 141 III 119 S. 120
A.
A. A.a A. SA (ci-après: A. ou la banque), établissement bancaire sis à Genève, a employé C. (ci-après: l'employé) en qualité de responsable du service "Asset Management Private Banking" de 1996 jusqu'à son licenciement en octobre 2008 (pour le 30 avril 2009). L'employé occupait également le poste de directeur de l'unité de gestion basée à New York et s'était rendu aux Etats-Unis dans ce cadre.
A.a B. (ci-après: l'employée) a également travaillé pour la banque, du 1 er mars 2006 au 30 juin 2007. Elle a notamment été chargée de développer la clientèle américaine. BGE 141 III 119 S. 121
BGE 141 III 119 S. 121
A.b En 2010, les autorités américaines ont ouvert des enquêtes contre onze banques suisses, dont A., qu'elles soupçonnaient d'avoir aidé des clients américains à se soustraire à leurs obligations fiscales ainsi que d'avoir contrevenu à la réglementation applicable lors des contacts intervenus avec ces clients. Elles ont requis l'entraide administrative de la Suisse en vue d'obtenir des renseignements sur les activités des banques visées aux Etats-Unis.
A.b A. et les autres banques ont transmis les documents requis aux autorités américaines après avoir, sur requête de la FINMA, caviardé les informations permettant l'identification des clients et remplacé les données de ses employés, de ses ex-employés et de tiers par des codes.
Le 18 janvier 2012, le Conseil fédéral a décidé que, provisoirement, seules devaient être transmises, dans le cadre de l'entraide, des données codées concernant les employés.
Au début du mois de février 2012, les autorités américaines ont procédé à l'inculpation de la banque E. SA.
Mi-mars 2012, plusieurs banques ont demandé au Conseil fédéral d'autoriser la communication des informations exigées, comprenant le nom des employés (non codé) et des tiers.
Le 4 avril 2012, le Conseil fédéral a autorisé les banques concernées à transmettre directement aux autorités américaines des données non anonymisées, à l'exception de celles concernant les clients. Cette décision valait autorisation, au sens de l' art. 271 CP, à procéder sur le territoire suisse pour le compte d'un Etat étranger à des actes relevant des pouvoirs publics. L'appréciation de la responsabilité civile des banques demeurait cependant du ressort de ces dernières. art. 271 CP Le 11 avril 2012, la FINMA a recommandé aux banques concernées de coopérer avec les autorités américaines dans le cadre prévu par le Conseil fédéral, en précisant que la procédure d'entraide administrative était, de ce fait, suspendue.
Parallèlement à quatre autres banques, A., sans avertir les employés concernés, a transmis aux autorités américaines, au mois d'avril 2012, des documents comportant notamment les noms, prénoms, adresses mails et numéros de téléphone d'employés et d'ex-employés, seules les données permettant d'identifier les clients étant restées anonymisées.
A.c C. a appris ce qui précède par la presse; il a contacté le service des ressources humaines de A., lequel l'a informé que son identité avait effectivement été communiquée aux autorités américaines. BGE 141 III 119 S. 122
A.c BGE 141 III 119 S. 122
Le 14 juin 2012, l'employé a consulté dans les locaux de A. les documents litigieux le concernant.
Le 3 juillet 2012, A. a autorisé l'employé à consulter une seconde fois les documents, ce qu'il a fait le 10 juillet 2012. Il n'a toutefois pas pu en faire des copies.
A.d Le 11 juillet 2012, B., ayant eu connaissance de ce qui précède par la presse, a demandé à A. si elle était également concernée; la banque lui a confirmé que tel était le cas.
A.d Le 24 juillet 2012, l'employée s'est rendue dans les locaux de la banque pour prendre connaissance des documents litigieux la concernant.
Le 6 septembre 2012, B. a requis de A. une copie, sous forme informatique, des documents litigieux, ainsi que de la lettre d'accompagnement remise aux autorités américaines et de divers autres éléments.
Le 13 septembre 2012, A. s'y est opposée.
A.e Le 17 août 2012, le Préposé fédéral à la protection des données et à la transparence (PFPDT) a ouvert une procédure d'éclaircissement au sens de l'art. 29 de la loi fédérale du 19 juin 1992 sur la protection des données (LPD; RS 235.1), afin de vérifier si les principes de la loi avaient été respectés lors de la transmission des données par les banques suisses aux autorités américaines.
A.e Le 6 septembre 2012, le PFPDT a adressé des recommandations à plusieurs banques, parmi lesquelles A., selon lesquelles la banque devait accorder aux personnes concernées (collaborateurs actuels et anciens, ainsi que tiers externes) le droit d'accès aux données selon l' art. 8 LPD. Le PFPDT a adhéré à l'argumentation de la banque qui faisait valoir que des copies de documents ne pouvaient pas être remises au vu de leur sensibilité liée au secret bancaire et à celui de la clientèle, ainsi que de ses propres règles de sécurité. art. 8 LPD La banque ne s'est pas opposée aux recommandations du PFPDT, qui ont été publiées le 13 novembre 2012.
Le 3 juillet 2013, le Conseil fédéral a fixé les principes de coopération des banques suisses avec les autorités américaines en vue de régler leur différend fiscal, et il a donné la possibilité aux banques de demander une autorisation individuelle au sens de l' art. 271 CP. Il a notamment précisé qu'une telle autorisation excluait uniquement une punissabilité en vertu de cette disposition, mais qu'elle ne BGE 141 III 119 S. 123 dispensait pas du respect des autres règles du droit suisse, notamment de la prise en compte du secret d'affaires et du secret bancaire existants, des dispositions sur la protection des données et des obligations de l'employeur. art. 271 CP BGE 141 III 119 S. 123
B.
B. B.a Par acte du 14 décembre 2012, agissant au bénéfice d'une autorisation de procéder du 15 novembre 2012, C. a saisi le Tribunal de première instance de Genève d'une requête contre A.
B.a Par acte du 14 décembre 2012, agissant au bénéfice d'une autorisation de procéder du 5 décembre 2012, B. a saisi ce même Tribunal d'une requête contre A.
Dans leurs conclusions (réduites lors des plaidoiries du 10 juillet 2013), les employés requièrent la production d'une copie des documents transmis aux autorités américaines, sous forme informatique et caviardée s'agissant des noms des clients ou des tiers, ainsi que la communication de la date de la transmission et de la manière dont les données avaient été communiquées, avec suite de frais.
B.b Par deux jugements séparés du 24 octobre 2013, le Tribunal de première instance de Genève a ordonné à A. de remettre aux demandeurs, sur un support papier ou sur un support électronique, une copie des documents qui avaient été transmis aux autorités américaines et qui contenaient des données les concernant, soit des informations qui les identifiaient ou qui permettaient de les identifier (nom, prénom, adresse e-mail, numéro de téléphone, fonction, description de l'activité, etc.). Le Tribunal a en outre dit que les données des clients, des autres employés et ex-employés de A. ainsi que des tiers figurant dans ces documents pourraient être caviardées. Il a en sus ordonné à A. d'indiquer aux demandeurs à quelles dates et à quelles autorités américaines les documents avaient été transmis.
B.b Par deux arrêts séparés datés du 23 mai 2014, la Cour de justice a confirmé les jugements entrepris par la défenderesse et débouté les parties de toutes autres conclusions.
C. Contre ces deux arrêts cantonaux, la banque (ci-après: la recourante ou la banque) exerce deux recours en matière civile séparés mais comportant les mêmes critiques et conclusions (sauf en ce qui concerne l'objet de la requête d'accès aux données et la décision entreprise). Sous suite de frais et dépens, elle conclut à l'annulation des arrêts visés et à ce que les employés soient déboutés de toutes autres conclusions, subsidiairement, à l'annulation des arrêts entrepris et au renvoi de la cause à l'autorité cantonale. BGE 141 III 119 S. 124
C. BGE 141 III 119 S. 124
Les employés (ci-après: les intimés ou les employés) concluent, sous suite de frais et dépens, à ce que la banque soit déboutée de toutes ses conclusions.
La requête d'effet suspensif sollicitée dans chaque cause par la recourante a été admise, faute d'opposition, par ordonnances présidentielles du 1 er septembre 2014.
Le Tribunal fédéral a rejeté les recours.
(résumé)
Erwägungen
Erwägungen Extrait des considérants:
4. Sur le principe, la recourante reconnaît que les employés peuvent prendre connaissance du contenu des documents litigieux. Elle refuse toutefois de leur remettre ceux-ci sous forme écrite (copie des données).
4. La recourante reproche à la cour cantonale d'avoir violé l' art. 8 al. 5 LPD. Les circonstances d'espèce seraient telles qu'elles justifieraient une (nouvelle) exception au principe de la communication écrite. Elle invoque également une transgression de l' art. 9 al. 1 let. a et b LPD, ainsi que de l' art. 9 al. 4 LPD, son refus de fournir des copies écrites, dicté par la prise en compte d'intérêts de tiers et des siens propres, étant légitime. art. 8 al. 5 LPD art. 9 al. 1 let. a et b LPD art. 9 al. 4 LPD Il convient, dans un premier temps, de définir si c'est de manière légitime que la banque a opposé son refus aux employés, soit de déterminer si elle pouvait se fonder sur une loi au sens formel pour restreindre l'accès aux données litigieuses (cf. art. 9 al. 1 let. a LPD ), et d'établir si, comme le prétend la banque (maître du fichier), ses propres intérêts - ou ceux de tiers - (cf. art. 9 al. 1 let. b et al. 4 LPD ) l'emportent sur ceux des employés (cf. infra consid. 5, 6 et 7). art. 9 al. 1 let. a LPD art. 9 al. 1 let. b et al. 4 LPD Dans un deuxième temps, il conviendra d'examiner si la banque peut justifier son refus sur la base des circonstances exceptionnelles dont elle tente de démontrer l'existence par le biais de divers arguments soulevés sous l'angle de l' art. 8 al. 5 LPD (cf. infra consid. 8). art. 8 al. 5 LPD 5. La recourante reproche à la cour cantonale d'avoir violé l' art. 9 al. 1 let. a LPD. Selon elle, une base légale au sens formel interdisant à la banque de communiquer les renseignements demandés (subsidiairement prévoyant une restriction à cette communication) est contenue à l'art. 47 de la loi sur les banques du 8 novembre 1934 (LB; RS 952), ainsi qu'à l' art. 162 CP. BGE 141 III 119 S. 125
5. art. 9 al. 1 let. a LPD art. 162 CP BGE 141 III 119 S. 125
5.1 L' art. 47 LB ne règle pas le secret bancaire en tant que tel, mais il prévoit la sanction (pénale) en cas de violation de ce secret (sur l'ensemble de la question: ATF 137 II 431 consid. 2.1.1 p. 437).
5.1 art. 47 LB La doctrine majoritaire est d'avis que l' art. 47 LB fait en principe partie des bases légales formelles au sens de l' art. 9 al. 1 let. a LPD (DAVID ROSENTHAL, in Handkommentar zum Datenschutzgesetz, 2008, n° 7 ad art. 9 LPD ; PHILIPPE MEIER, Protection des données, 2011, n. 1139 p. 405 et les auteurs cités). art. 47 LB art. 9 al. 1 let. a LPD art. 9 LPD 5.2 La communication aux ex-employés des informations sur les clients de la banque équivaut aujourd'hui à une remise à des tiers (et ce, même si, après la fin des relations contractuelles, ils sont encore soumis au secret bancaire), ce qui constitue en soi, dans la perspective de la banque, un comportement punissable au sens de l' art. 47 LB (ce qui est d'ailleurs également le cas pour la simple consultation, sur place, des données).
5.2 art. 47 LB Il faut toutefois d'emblée relever dans ce contexte que le Conseil fédéral, dans sa décision du 4 avril 2012, a expressément interdit aux banques de livrer à l'étranger des informations sur les clients ("Kundendaten"). A cet égard, la cour cantonale constate que, lors de leur transmission aux autorités américaines, les documents ne contenaient pas d'informations permettant d'identifier les clients. La banque a elle-même expressément admis avoir caviardé toutes les données permettant d'identifier ses clients dans les documents transmis aux autorités américaines afin de respecter la décision du Conseil fédéral. Dès lors, si les documents livrés par les banques à un Etat étranger ne contiennent pas de telles informations, on ne voit pas en quoi ces mêmes documents, communiqués aux employés, mettraient le secret bancaire en danger (cf. GABRIEL AUBERT, La communication aux autorités américaines, par des banques, de données personnelles sur leurs employés: aspects de droit du travail, RSDA 2013 p. 42).
5.3 La recourante considère que l'infraction ( art. 47 LB ) pourrait quand même être réalisée de par le fait que les employés ont pu prendre connaissance des documents intégraux et qu'ils seraient donc en mesure, en cas de remise écrite des données, d'identifier (en reconstituant de mémoire les éléments caviardés) les clients en cause.
5.3 art. 47 LB Le raisonnement ne convainc pas. En réalité, ce n'est pas la remise écrite aux employés des documents litigieux qui leur permettrait d'identifier les clients en cause, puisqu'ils les connaissent déjà.
Dès lors, la banque ne saurait violer l' art. 47 LB pour la seule raison qu'elle serait amenée à remettre par écrit, dans le contexte ainsi décrit, des données caviardées. BGE 141 III 119 S. 126
art. 47 LB BGE 141 III 119 S. 126
En l'espèce, la recourante ne peut se prévaloir de l' art. 47 LB (en lien avec l' art. 9 al. 1 let. a LPD ) pour refuser de remettre aux employés une copie des documents litigieux. art. 47 LB art. 9 al. 1 let. a LPD 5.4 La recourante soutient que "l'argumentation valable pour l' art. 47 LB est transposable à l' art. 162 CP ". Selon elle, si les employés sont en possession de copies, ils pourraient alors identifier les noms des clients et d'autres informations couvertes par le secret commercial, au vu de leur activité passée au sein de l'établissement bancaire.
5.4 art. 47 LB art. 162 CP L'argument est sans consistance. L'infraction ( art. 162 CP ) peut uniquement être réalisée par la personne tenue au secret, soit celle qui a un devoir (légal ou contractuel) de garder le secret (cf. BERNARD CORBOZ, Les infractions en droit suisse, vol. I, 3 e éd. 2010, n os 3 et 9 s. ad art. 162 CP ; STRATENWERTH/JENNY, Besonderer Teil I: Straftaten gegen Individualinteressen, 6 e éd. 2003, n° 6 ad § 22). Le maître du secret n'est pas visé par l'infraction et, partant, la banque ne saurait en l'espèce s'en prévaloir à titre de base formelle au sens de l' art. 9 al. 1 let. a LPD. art. 162 CP art. 162 CP art. 9 al. 1 let. a LPD 6. La recourante invoque une transgression de l' art. 9 al. 1 let. b LPD.
6. art. 9 al. 1 let. b LPD 6.1 Il résulte des constatations cantonales que la banque n'a pas fait valoir, devant l'autorité précédente, l'intérêt des tiers, pour fonder son opposition à la remise d'une copie des documents litigieux.
6.1 La cour cantonale présente toutefois une argumentation subsidiaire dans laquelle elle affirme qu'un tel moyen aurait dû être d'emblée rejeté.
6.2 En vertu de l' art. 9 al. 1 let. b LPD, le maître du fichier peut refuser ou restreindre la communication des renseignements demandés, voire en différer l'octroi, dans la mesure où les intérêts prépondérants d'un tiers l'exigent.
6.2 art. 9 al. 1 let. b LPD Ce motif peut (et doit) être invoqué par le maître du fichier lorsque les données sur lesquelles porte l'accès sont intimement liées aux données personnelles de tiers (MEIER, op. cit., n. 1144 s. p. 406 s.; BRACHER/TAVOR, Das Auskunftsrecht nach DSG, RSJ 109/2013 p. 49).
En principe, si l'anonymisation des documents concernés suffit à protéger les tiers, le droit d'accès du titulaire des données (requérant sous l'angle de l' art. 8 LPD ) ne devrait pas, sous peine d'une violation du principe de la proportionnalité (cf. art. 4 al. 2 LPD ), faire l'objet d'une plus grande restriction (BELSER/EPINEY/WALDMANN, Datenschutzrecht, 2011, n. 53 ad § 11; FRIEDRICH/KAISER, BGE 141 III 119 S. 127 Datenschutzrechtliches Auskunftsrecht und Arbeitspapiere einer Revisionstelle, L'expert-comptable suisse 2013, p. 527 et les auteurs cités). art. 8 LPD art. 4 al. 2 LPD BGE 141 III 119 S. 127
6.3 Selon les constatations cantonales, lors de leur transmission aux autorités américaines, les documents ne contenaient pas d'informations permettant d'identifier les clients. Il en ressort également que la banque a été autorisée par le premier juge à anonymiser les éléments permettant d'identifier ses (ex-)collaborateurs et les tiers. Il ne résulte pas des constatations cantonales que le caviardage ne permettrait pas de protéger suffisamment les tiers.
6.3 Ainsi, même à considérer l'argumentation subsidiaire de l'autorité précédente, on ne saurait reprocher à celle-ci d'avoir nié un intérêt prépondérant de tiers.
7. La recourante reproche à la cour cantonale d'avoir appliqué de manière incorrecte l' art. 9 al. 4 LPD.
7. art. 9 al. 4 LPD 7.1 Elle commence par soutenir qu'on peut renoncer à procéder à une pesée d'intérêts sous cet angle en insistant sur le fait que les employés, à qui elle reconnaît le droit de consulter les informations les concernant sur place (données à l'écran), ne disposent en réalité d'aucun intérêt à obtenir une communication écrite.
7.1 7.1.1 Il faut rappeler ici qu'en soi le droit d'accès selon l' art. 8 LPD - donc la remise écrite d'information (cf. infra consid. 8.1) - peut être exercé sans la preuve d'un intérêt. Ce n'est que si le maître du fichier veut refuser ou restreindre l'accès qu'une pesée des intérêts aura lieu (à ce sujet cf. infra consid. 7.2). La prise en compte de l'intérêt du titulaire du droit d'accès joue également un rôle lorsqu'un abus de droit entre en considération ( ATF 138 III 425 consid. 5.4 p. 4.3.2; ATF 123 II 543 consid. 2e p. 538; cf. ARTER/DAHORTSANG, PJA 2012 p. 1161).
7.1.1 art. 8 LPD L'existence d'un abus de droit (cf. art. 2 al. 2 CC ) doit être reconnue lorsque l'exercice du droit par le titulaire ne répond à aucun intérêt digne de protection, qu'il est purement chicanier ou, lorsque, dans les circonstances dans lesquelles il est exercé, le droit est mis au service d'intérêts qui ne correspondent pas à ceux que la règle est destinée à protéger (cf. PAUL-HENRI STEINAUER, Le Titre préliminaire du Code civil, TDPS vol. II/1, 2009, n. 570 p. 213 et n. 573 s. p. 214 s.; HAUSHEER/JAUN, Die Einleitungsartikel des ZGB, 2003, n os 125 s. ad art. 2 CC ). art. 2 al. 2 CC art. 2 CC Cela est ainsi le cas, dans la perspective de l' art. 8 LPD, lorsque le droit d'accès est exercé dans un but étranger à la protection des données, par exemple lorsque le droit d'accès n'est utilisé que pour nuire BGE 141 III 119 S. 128 au débiteur de ce droit (cf. arrêt 4A_36/2010 du 20 avril 2010 consid. 3.1). Il faudrait probablement aussi considérer comme contraire à son but et donc abusive l'utilisation du droit d'accès dans le but exclusif d'espionner une (future) partie adverse et de se procurer des preuves normalement inaccessibles ( ATF 138 III 425 consid. 5.5 p. 432; KLEINER/SCHWOB/WINZELER, in Kommentar zum Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen, 22 e éd. 2014, n o 406 ad art. 47 LB et les auteurs cités). Ce serait ainsi le cas d'une requête qui ne constitue qu'un prétexte à une recherche indéterminée de moyens de preuve ( fishing expedition ) (en lien avec l' art. 8 LPD : NICOLAS PASSADELIS, Datenschutzrechtliches Auskunftsrecht erlaubt keine Beweisausforschung, Push-service Entscheide, CJN, 4 mars 2013 n. 12; FRIEDRICH/ KAISER, op. cit., p. 527). art. 8 LPD BGE 141 III 119 S. 128
art. 47 LB art. 8 LPD La requête de l'employé visant à obtenir les données le concernant en vue d'une éventuelle action en dommages-intérêts contre le maître du fichier n'est par contre, en soi, pas abusive ( ATF 138 III 425 consid. 5.6 p. 432; BRACHER/TAVOR, op. cit., p. 50 note de pied 60).
7.1.2 En l'espèce, les employés expliquent qu'ils tiennent à obtenir une copie de leurs données pour deux raisons: premièrement, afin de pouvoir juger d'une possible illicéité de traitement effectué par la recourante et formuler d'éventuelles futures prétentions civiles contre la banque. Deuxièmement, afin d'être en mesure d'anticiper de probables ennuis qui leur seront causés par le Department of Justice (DoJ) et de préparer leur défense sur la base des informations et données transmises et d'ores et déjà en mains de l'autorité pénale étrangère.
7.1.2 Il n'a par contre pas été constaté que les intimés souhaiteraient prospecter des preuves de manière répréhensible ou qu'ils exigeraient la remise de documents auxquels ils ne pourraient pas prétendre dans la procédure civile.
7.1.3 A la lumière des principes évoqués ci-dessus (cf. supra consid. 7.1.1), on ne saurait ainsi dire que la requête des employés, qui n'est pas chicanière, ni contraire au but qu'elle est censée poursuivre, est abusive. On peut au demeurant observer qu'il serait en l'espèce paradoxal de considérer leur requête comme un prétexte à une recherche indéterminée de moyens de preuve ( fishing expedition ), les employés ayant en effet déjà pris connaissance du contenu des documents visés, aussi bien à travers leur ancienne activité que par le biais des consultations entreprises - les 14 juin et 10 juillet 2012 pour BGE 141 III 119 S. 129 l'employé et le 24 juillet 2012 pour l'employée - dans les locaux de la banque.
7.1.3 BGE 141 III 119 S. 129
7.1.4 Quant à la forme de l'accès aux données, les employés ont un intérêt évident à obtenir une copie des informations en cause. Premièrement, l'obtention d'une copie leur permettra de consulter leurs données où ils veulent et quand ils veulent, et d'avoir, en tout temps, la possibilité de comparer les documents litigieux avec d'autres informations éventuellement en leur possession (cf. ALEXANDER DUBACH, Das Recht auf Akteneinsicht, 1990, p. 351). Force est également de constater, deuxièmement, qu'à défaut de pouvoir présenter une copie des informations en cause dans l'hypothèse d'une procédure contre la banque, les employés se heurteraient rapidement à la difficulté de fournir la preuve de leurs allégués (sur le constat: AUBERT, op. cit., p. 42; CEREGATO/MÜLLER, Das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht: (k)ein Mittel zur Beweisausforschung, Jusletter 20 août 2012 ch. IV; cf. GILLES MONNIER, Le droit d'accès aux données personnelles traitées par un média, 1999, p. 188). Troisièmement, les employés ont un intérêt à bénéficier de tous les instruments leur permettant d'évaluer les risques d'être inquiétés par les autorités américaines, le cas échéant de se défendre; les copies des informations étant en possession de l'autorité pénale étrangère, l'intérêt des employés à disposer également d'une copie des mêmes documents (même s'ils en ont déjà connaissance) est indéniable.
7.1.4 La requête visant la remise écrite des documents litigieux permet de procurer aux employés l'avantage qu'ils en attendent et, partant, elle ne peut être qualifiée d'abusive.
7.2 Quant à la pesée d'intérêts évoquée par la recourante dans le même contexte, elle doit maintenant être examinée sous l'angle de l' art. 9 al. 4 LPD.
7.2 art. 9 al. 4 LPD En vertu de cette disposition légale, un maître de fichier privé peut refuser ou restreindre la communication des renseignements demandés ou en différer l'octroi, dans la mesure où ses intérêts prépondérants l'exigent et à condition qu'il ne communique pas les données personnelles à un tiers.
Il faut donc procéder à une pesée des intérêts, le débiteur du droit d'accès devant invoquer les siens en premier. Il faut ensuite examiner leur bien-fondé et les opposer aux intérêts du demandeur d'accès. L'accès ne peut être refusé, restreint ou différé que lorsque les premiers l'emportent sur les deuxièmes ( ATF 138 III 425 consid. 6.1 p. 433; BRACHER/TAVOR, op. cit., p. 49). BGE 141 III 119 S. 130
BGE 141 III 119 S. 130
La preuve de l'existence d'un intérêt prépondérant à restreindre le droit d'accès incombe au maître du fichier (GRAMIGNA/MAURER-LAMBROU, in Basler Kommentar, Datenschutzgesetz, Öffentlichkeitsgesetz, 3 e éd. 2014, n° 8 ad art. 9 LPD ; ROSENTHAL, op. cit., n° 4 ad art. 9 LPD ; CEREGATO/MÜLLER, op. cit., ch. II/2.2.1). art. 9 LPD art. 9 LPD 7.3 La recourante invoque son intérêt fondé, d'une part, sur la nature sensible des documents et, d'autre part, sur les règles de sécurité auxquelles elle soumet son personnel. Elle insiste sur le fait que la remise de documents écrits entraînerait la perte de maîtrise par la banque et la mise en circulation potentielle - notamment par le biais de fax, photocopies et scans - de centaines de documents d'importance stratégique pour elle. Dans ce contexte, la recourante rappelle également sa réglementation interne qui interdit aux employés d'emporter chez eux des documents confidentiels.
7.3 7.4
7.4 7.4.1 S'agissant de l'intérêt sur la base duquel la banque tente de restreindre le droit d'accès dont les employés sont titulaires, il a été rappelé ci-dessus que les documents ne contenaient pas d'informations permettant d'identifier les clients (cf. supra consid. 5.2), de sorte qu'on ne voit pas en quoi la banque pourrait avoir un intérêt à restreindre le droit d'accès aux documents litigieux pour un motif lié au secret bancaire.
7.4.1 Certes, on ne peut écarter le risque qu'un employé communique les copies à un tiers intéressé en révélant de mémoire le nom d'un client pourtant caviardé sur les documents litigieux. A cet égard, la banque n'allègue toutefois ni ne donne le moindre indice qui permettrait de comprendre que les deux employés (intimés) auraient l'intention de divulguer ces documents en dehors d'une procédure judiciaire. Quant à l'existence d'un risque potentiel, celui-ci est relativisé par l'engagement contractuel des (ex-)employés; il n'est en effet pas contesté que ceux-ci sont, de par leur contrat de travail, encore assujettis au secret bancaire et aux peines sanctionnant sa violation ( art. 47 al. 4 LB ). art. 47 al. 4 LB 7.4.2 Au sujet des documents d'importance stratégique évoqués par la banque, on peut là aussi souligner que les employés en ont déjà pris connaissance, aussi bien au cours de leur ancienne activité professionnelle que par le biais de leur consultation sur place, et que les éventuelles informations confidentielles de la banque qui y sont contenues leur sont déjà connues. Ainsi, le risque potentiel d'une divulgation (évoqué par la banque) n'est, en soi, pas lié à la remise d'une BGE 141 III 119 S. 131 copie des documents litigieux. Ce risque découle déjà d'une prise de connaissance préalable du contenu des documents litigieux par les employés.
7.4.2 BGE 141 III 119 S. 131
Certes, on peut admettre que le risque s'accroît dans une certaine mesure si les employés disposent de documents qui permettent de prouver les informations déjà en leur possession. A cet égard, la banque se limite toutefois à évoquer la nature sensible des documents "sur le plan organisationnel, commercial ou opérationnel", sans fournir un seul élément concret (exemples de documents effectivement transmis aux autorités américaines) permettant de comprendre en quoi ces documents sont d'une importance stratégique pour elle et de démontrer son intérêt à restreindre en l'espèce le droit d'accès des employés (sur le lien avec le cas concret, cf. encore infra consid. 8.2).
Au demeurant, le risque potentiel évoqué par la banque est, ici aussi, en grande partie relativisé par l'engagement contractuel des (ex-)employés; ceux-ci sont, de par leur contrat de travail, soumis aux secrets de fabrication et d'affaires ( art. 321a al. 4 CO ) et ils restent soumis à ces secrets même après la fin des rapports de travail, à tout le moins "tant que l'exige la sauvegarde des intérêts légitimes de l'employeur" (art. 321a al. 4 in fine CO). art. 321a al. 4 CO 7.5 Quant à l'intérêt des employés à avoir en leur possession une copie des documents transmis aux autorités américaines, il a déjà été reconnu plus haut (cf. supra consid. 7.1.4). Il en résulte qu'à défaut d'obtenir une copie, les employés risquent de se heurter à des difficultés importantes (et concrètes) sous plusieurs aspects (cf. supra consid. 7.1.4).
7.5 Cela étant, l'existence d'un "simple" risque potentiel (par ailleurs limité), tel qu'évoqué par la banque, ne saurait en l'occurrence démontrer que son intérêt à restreindre le droit d'accès des employés l'emporte sur l'intérêt de ceux-ci à obtenir une remise écrite des données litigieuses.
7.6 C'est en vain que la banque insiste sur le contenu de sa réglementation interne pour infléchir la pesée d'intérêts dans un sens qui lui est favorable.
7.6 7.6.1 On peut comprendre, sur la base de cette réglementation interne, l'importance (générale) pour la banque de garantir la confidentialité des documents sensibles. A nouveau, celle-ci ne désigne toutefois aucun élément concret qui permettrait de saisir quels types de BGE 141 III 119 S. 132 documents entrant dans cette définition ont été livrés aux autorités américaines, afin de déterminer leur impact sur la pesée des intérêts entreprise plus haut.
7.6.1 BGE 141 III 119 S. 132
7.6.2 L'argumentation de la banque relative à la réglementation interne semble également suggérer que les employés auraient renoncé contractuellement à faire valoir leur droit d'accès ( art. 8 LPD ), à tout le moins à la possibilité de recevoir une copie des documents litigieux.
7.6.2 art. 8 LPD Une renonciation par avance au droit d'accès est explicitement contraire à l' art. 8 al. 6 LPD et elle doit être considérée comme nulle (cf. art. 20 al. 1 CO ; GRAMIGNA/MAURER-LAMBROU, op. cit., n° 60 ad art. 8 LPD ; MEIER, op. cit., n. 973 p. 364; BELSER/EPINEY/WALDMANN, op. cit., n. 42 ad § 11). La même conclusion s'impose lorsque la clause contractuelle liant les parties ne vise pas la renonciation (pure et simple), mais une restriction du droit d'accès (GRAMIGNA/ MAURER-LAMBROU, op. cit., n° 60 ad art. 8 LPD ; cf. ROSENTHAL, op. cit., n° 27 ad art. 8 LPD ). art. 8 al. 6 LPD art. 20 al. 1 CO art. 8 LPD art. 8 LPD art. 8 LPD Une renonciation (non anticipée) ne peut être envisagée que si la personne concernée connaît déjà l'essentiel de l'information à laquelle elle pourrait avoir accès (pour les détails: GRAMIGNA/MAURER-LAMBROU, op. cit., n° 61 ad art. 8 LPD ; MEIER, op. cit., n. 974 p. 364). art. 8 LPD 7.6.3 A la lumière des considérations qui précèdent, on ne peut admettre qu'en concluant le contrat de travail, les employés ont par avance consenti à ne pas faire valoir, vis-à-vis de leur employeur, leur droit d'accès au sens de l' art. 8 LPD. Pour la même raison, les employés ne sauraient avoir acquiescé à une restriction de leur droit d'accès, soit avoir accepté qu'aucun document écrit contenant leurs données personnelles ne leur soit remis (dans ce sens: AUBERT, op. cit., p. 43).
7.6.3 art. 8 LPD Il a en outre été établi que, lorsque les employés ont accepté (par la conclusion du contrat de travail) de se soumettre à la réglementation interne, ils ignoraient que la banque communiquerait aux autorités américaines leurs données personnelles en lien avec les activités transfrontalières qu'ils ont exercées pour le compte de celle-ci. La banque ne les a jamais informés de cette communication. Ils ne connaissaient donc pas l'essentiel de l'information objet de leur droit d'accès, de sorte qu'on ne saurait reconnaître que, depuis la conclusion du contrat de travail, ils auraient pu renoncer à se prévaloir de leur droit à une communication écrite. BGE 141 III 119 S. 133
BGE 141 III 119 S. 133
7.7 Enfin, c'est en vain que la recourante tente de se prévaloir de la décision du 25 avril 2013 de la Cour des plaintes du Tribunal pénal fédéral (BB.2112.133 consid. 2.2.1) qui mentionne, selon ses propres explications, qu'aucun élément probant ne permet de prouver que l'ex-employé (alors objet de la procédure fédérale) serait contraint de rester en Suisse de peur de se faire interroger, arrêter et/ou extrader aux Etats-Unis et que rien au dossier n'amène à conclure que les employés de A. font l'objet d'une poursuite aux Etats-Unis.
7.7 En l'espèce, l'intérêt des employés à obtenir une copie des données litigieuses ne se limite pas à pouvoir évaluer la situation sur le seul territoire des Etats-Unis, le cas échéant, à se défendre dans ce contexte (cf. supra consid. 7.1.4).
Quoi qu'il en soit, les constatations - faites sous l'angle bien précis des éventuelles conséquences d'une violation de l' art. 271 CP - du Tribunal pénal fédéral, qui n'est pas l'"autorité précédente" dans la présente procédure (cf. art. 105 al. 1 LTF ), ne lient pas le Tribunal fédéral. En l'espèce, il résulte des constatations de la Cour de justice que la procédure américaine ouverte contre la banque n'est pas terminée et que l'issue est encore incertaine pour les deux employés. Il n'importe à cet égard qu'il n'existe encore aucune procédure à leur encontre. Le droit d'accès aux données personnelles a précisément pour but de leur permettre d'évaluer eux-mêmes une telle éventualité et, si nécessaire, de se défendre. A cet égard, la remise d'une copie des données litigieuses est nécessaire, ne serait-ce que pour permettre aux employés de prendre connaissance en tout temps du contenu des documents qui sont déjà en possession des autorités américaines (cf. supra consid. 7.1.4). art. 271 CP art. 105 al. 1 LTF 7.8 Puisque la condition d'un intérêt prépondérant de la banque n'a pas été démontrée par celle-ci, il importe peu de savoir si la deuxième condition posée par l' art. 9 al. 4 LPD, à savoir que le maître du fichier ne communique pas les données personnelles à un tiers, est également remplie (cf. ATF 138 III 425 consid. 6.6 p. 436).
7.8 art. 9 al. 4 LPD Il n'est donc pas nécessaire d'entrer en matière sur le grief, soulevé par la recourante dans ce contexte, d'un établissement manifestement inexact, par l'autorité précédente, des faits qui, selon la banque, révèlent l'obligation qui était la sienne de communiquer ses données aux autorités américaines.
8. La recourante reproche également à la cour cantonale d'avoir violé l' art. 8 al. 5 LPD. Elle estime qu'en l'espèce les circonstances sont BGE 141 III 119 S. 134 telles qu'elles justifient une exception au principe de la communication écrite (en dehors de l'exception prévue par le Conseil fédéral). Elle fournit divers arguments visant à convaincre de l'existence de telles circonstances (cf. infra consid. 8.2-8.6).
8. art. 8 al. 5 LPD BGE 141 III 119 S. 134
8.1 En vertu de l' art. 8 al. 5 LPD, "les renseignements sont, en règle générale, fournis gratuitement et par écrit, sous forme d'imprimé ou de photocopie. Le Conseil fédéral règle les exceptions".
8.1 art. 8 al. 5 LPD Se fondant sur cette délégation législative (reprise à l' art. 36 al. 1 LPD ), le Conseil fédéral a prévu, à l'art. 1 al. 3 de l'ordonnance du 14 juin 1993 relative à la loi fédérale sur la protection des données (OLPD; RS 235.11), que, "d'entente avec le maître du fichier ou sur proposition de celui-ci, la personne concernée peut également consulter ses données sur place. Si elle y a consenti et qu'elle a été identifiée, les renseignements peuvent également lui être fournis oralement". art. 36 al. 1 LPD Il ressort clairement des dispositions précitées que, pour le législateur, la communication écrite des données constitue la règle (sur le constat cf. aussi: URS BELSER, Das Recht auf Auskunft, die Transparenz der Datenbearbeitung und das Auskunftsverfahren, in Das neue Datenschutzgesetz des Bundes, 1993, p. 60). La seule exception explicite figure à l'art. 1 al. 3 de l'ordonnance; selon cette disposition une consultation sur place - voire une communication orale - des pièces du dossier ne peut remplacer une communication écrite que dans le cas où la personne intéressée est d'accord avec ce mode de faire ( ATF 125 II 321 consid. 3b p. 323; ATF 123 II 534 consid. 3c p. 540 s.; MEIER, op. cit., n. 1076 s. p. 391 et les références; ROSENTHAL, op. cit., n° 23 ad art. 8 LPD ). art. 8 LPD Dans ce contexte, le Tribunal fédéral a déjà eu l'occasion d'expliquer que l'inconvénient résultant de la communication systématique des dossiers aux personnes qui le demandent (soit en particulier le surcroît de travail) est propre à tous les détenteurs de fichiers. Il a d'ailleurs été pris en compte par le législateur, qui n'a pas voulu en faire une cause de refus de la communication écrite, mais qui a préféré prévoir des exceptions à la gratuité de celle-ci ( art. 8 al. 5 LPD, art. 2 OLPD ; cf. ATF 125 II 321 consid. 3b p. 324). art. 8 al. 5 LPD art. 2 OLPD La jurisprudence a jusqu'ici laissé indécise la question de savoir si, en plus du cas de figure envisagé par le Conseil fédéral (cf. art. 1 al. 3 OLPD ), d'autres exceptions au principe de la communication écrite peuvent être envisagées, en dehors des cas prévus par BGE 141 III 119 S. 135 l'ordonnance (cf. ATF 125 II 321 consid. 3b p. 323 s.; cf. BELSER/EPINEY/ WALDMANN, op. cit., n. 35 ad § 11). Cette question peut également rester ouverte en l'espèce, la recourante ne faisant valoir aucune circonstance concrète s'opposant à l'envoi d'une copie du dossier (cf. infra consid. 8.2-8.6). art. 1 al. 3 OLPD BGE 141 III 119 S. 135
8.2 L'argumentation générale fournie, dans un premier temps, par la recourante tombe à faux. En effet, il ne s'agit pas d'étendre la réflexion, de manière globale, à l'ensemble des employés de tous les établissements bancaires qui, potentiellement, pourraient exiger de leur employeur respectif la remise écrite d'informations les concernant; il s'agit ici de déterminer si, dans le cas concret, un refus par la banque d'une remise écrite des documents aux deux employés se justifie ou non.
8.2 D'autre part, l'argument tiré des inconvénients qui résulteraient du caviardage de l'ensemble des informations visées ne peut être suivi puisque l'arrêt cantonal constate que les données, qui sont actuellement contenues sur un support électronique, ont déjà été réunies, triées et même caviardées (données visant les clients de la banque) avant leur transmission aux autorités américaines; on voit donc mal comment ces informations pourraient mettre le secret bancaire en danger et leur remise écrite aux employés représenter une difficulté disproportionnée d'ordre pratique.
La difficulté qui peut être générée par le surcroît de travail n'est, à la lumière des principes rappelés ci-dessus, quoi qu'il en soit pas déterminante.
8.3 La recourante insiste ensuite sur le fait qu'il convient d'accorder une crédibilité accrue aux recommandations du PFPDT, lesquelles ont cautionné, en ce qui concerne l'accès aux données déjà transmises aux autorités américaines, la forme de la consultation des documents sur place, ceci compte tenu de leur sensibilité, des règles de sécurité de la banque, ainsi que du secret bancaire et des règles internes interdisant aux employés d'emporter des documents chez eux.
8.3 Or, le PFPDT, qui s'adresse au maître du fichier (cf. art. 3 let. i LPD ), agit dans un cadre qui excède celui d'une pure contestation entre deux parties (ATF138 II 346 consid. 10.1 p. 363; ATF 136 II 508 consid. 6.3.2 p. 523). Les recommandations qu'il émet, qui n'ont pas été déclarées contraignantes par le Tribunal administratif fédéral, n'ont pas force de chose jugée (MEIER, op. cit., n. 1925 p. 618 s.). Elles sont toutefois prises en compte dans le cadre de la pesée des intérêts (sous l'angle de l' art. 13 LPD : cf. ATF 138 II 346 consid. 10.1 p. 363). art. 3 let. i LPD art. 13 LPD BGE 141 III 119 S. 136 La Cour de céans a tenu compte des intérêts de la banque (maître du fichier) mis en évidence par le PFPDT (notamment la sensibilité des documents bancaires, les règles de sécurité de la banque), mais elle a considéré, dans la pesée globale des intérêts entreprise sous l'angle de l' art. 9 LPD, que la banque n'a en l'espèce pas apporté la preuve d'un intérêt prépondérant à restreindre le droit d'accès dont les employés sont titulaires (cf. supra consid. 7).
BGE 141 III 119 S. 136
art. 9 LPD 8.4 A l'appui de sa thèse, la recourante tente également de tirer argument d'une application par analogie du droit allemand. Elle relève que le paragraphe 34 al. 6 BDSG prévoit explicitement de déroger à la forme écrite lorsque les circonstances du cas d'espèce font qu'une autre forme apparaît comme plus appropriée.
8.4 Cet argument ne lui est toutefois d'aucune aide. Au contraire, les commentateurs allemands expliquent qu'il s'agit de prendre en compte les circonstances du cas d'espèce dans la seule perspective de la personne concernée par les données. S'il apparaît que celle-ci (et non le maître du ficher) aura un accès plus rapide aux données sous une autre forme, elle peut renoncer, si elle l'estime opportun, à la remise de l'information sous forme écrite (ALEXANDER DIX, in Bundesdatenschutzgesetz, Simitis [éd.], 7 e éd. 2011, n os 52 s. ad § 34 BDSG; GOLA/KLUG/KÖRFFER/SCHOMERUS, BDSG, Bundesdatenschutzgesetz, Kommentar, 11 e éd. 2012, n os 13 s. ad § 34 BDSG).
8.5 S'agissant de la clause générale de police évoquée par la recourante, elle consiste en un droit qui appartient à l'Etat ( ATF 137 II 431 consid. 3.3 p. 444 s.; ATF 103 Ia 310 consid. 3a p. 311 s.). La banque, en tant que personne morale de droit privé, ne saurait donc en tirer un quelconque argument pour défendre sa thèse.
8.5 Il est par ailleurs établi que l'autorisation du Conseil fédéral du 4 avril 2012, tout comme celle octroyée à d'autres banques à partir du 3 juillet 2013, n'a pas exempté les établissements concernés d'une éventuelle responsabilité civile ni, de manière plus générale, de leurs obligations à l'égard de leurs (ex-)employés. Cette autorisation visait uniquement à exempter les banques de tout reproche sous l'angle de l' art. 271 CP (actes exécutés sans droit pour un Etat étranger) et elle était donc moins étendue que celle accordée dans l'affaire D. (cf. ATF 137 II 431 consid. 4 p. 445 ss). art. 271 CP 8.6 La recourante estime enfin qu'une remise écrite des données se heurte au contenu de l' art. 339a al. 1 CO qui prévoit qu'au moment où le contrat prend fin, les parties se rendent tout ce qu'elles se sont BGE 141 III 119 S. 137 remis pour la durée du contrat, de même que tout ce que l'une d'elles pourrait avoir reçu de tiers pour le compte de l'autre. Selon elle, cette disposition de droit impératif serait vidée de sa substance s'il suffisait à un ancien employé d'entreprendre une action sur la base de la LPD pour récupérer toutes les données le concernant en possession de son employeur, ce d'autant plus sous l'angle de la réglementation idoine faisant partie intégrante des contrats de travail liant la banque à ses employés.
8.6 art. 339a al. 1 CO BGE 141 III 119 S. 137
L'argument est sans consistance.
L' art. 339a al. 1 CO vise certes également les copies de documents en possession de l'employé (cf. arrêt 4A_611/2011 du 3 janvier 2012 consid. 4.3, JdT 2012 II p. 208), mais il poursuit un objectif totalement différent et distinct de celui auquel tend l' art. 8 LPD. Il vise une prétention de l'employeur à l'issue des relations contractuelles (ayant notamment pour objet la restitution des documents en mains de l'employé), alors que l' art. 8 LPD accorde à la personne concernée (en l'occurrence deux ex-employés) un droit d'accès aux données personnelles, institution centrale du droit de la protection des données (sur la fonction particulière du droit d'accès: OLIVER SCHNYDER, Das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht, 2002, p. 89 s.). art. 339a al. 1 CO art. 8 LPD art. 8 LPD Le moyen tiré de la violation de l' art. 8 al. 5 LPD est infondé. art. 8 al. 5 LPD
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Urteilskopf 141 III 137 19. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B. + Co (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_488/2014 vom 20. Februar 2015 Regeste Berechnung des für die sachliche Zuständigkeit massgeblichen Streitwerts ( Art. 4 Abs. 2 ZPO ). Für die Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit bemisst sich der Streitwert nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Klageeinreichung (E. 2.2); Streitwert einer Feststellungsklage betreffend die Gültigkeit der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses (E. 2.4). Erwägungen ab Seite 138 BGE 141 III 137 S. 138 Aus den Erwägungen: 2. Nach Art. 4 ZPO regelt das kantonale Recht die sachliche und funktionelle Zuständigkeit der Gerichte, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt (Abs. 1). Hängt die sachliche Zuständigkeit vom Streitwert ab, so erfolgt dessen Berechnung nach der Zivilprozessordnung (Abs. 2). 2.1 Nach den Erwägungen im angefochtenen Entscheid ist im Kanton Solothurn der Amtsgerichtspräsident als Einzelrichter zur Beurteilung von Streitigkeiten im vereinfachten Verfahren - d.h. bis zu einem Streitwert von Fr. 30'000.- ( Art. 243 Abs. 1 ZPO ) - zuständig (§ 10 Abs. 2 lit. a des solothurnischen Gerichtsorganisationsgesetzes vom 13. März 1977 [GO; BGS 125.12]). Die übrigen Zivilsachen, für die kein anderes Gericht zuständig ist, werden durch das Amtsgericht in Dreierbesetzung beurteilt (§ 14 GO). Der Beschwerdeführer stellt nicht in Frage, dass der Amtsgerichtspräsident als Einzelrichter nach dem massgebenden kantonalen Recht nur zur Beurteilung von Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von Fr. 30'000.- zuständig ist. Er beanstandet die Berechnung des massgebenden Streitwertes im vorliegenden Fall. 2.2 Nach Art. 91 ZPO wird der Streitwert durch die Rechtsbegehren bestimmt, wobei weder Zinsen und Kosten noch allfällige Eventualbegehren hinzugerechnet werden (Abs. 1). Lautet das Rechtsbegehren - wie vorliegend das Feststellungsbegehren betreffend Nichtigkeit der Kündigung - nicht auf eine bestimmte Geldsumme, so setzt das Gericht den Streitwert fest, sofern sich die Parteien darüber nicht einigen können oder ihre Angaben offensichtlich unrichtig sind (Abs. 2). BGE 141 III 137 S. 139 Für die Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit bemisst sich der Streitwert dabei nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Klageeinreichung (SAMUEL RICKLI, Der Streitwert im schweizerischen Zivilprozess, 2014, Rz. 418; STEIN-WIGGER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger[Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 12 zu Art. 91 ZPO ;DIGGELMANN, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kommentar, Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], 2011, N. 3 zu Art. 91ZPO; im Ergebnis auch RÜEGG, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 7 zu Art. 91 ZPO und ZÜRCHER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung[ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 2. Aufl. 2013,N. 11 zu Art. 60 ZPO ). 2.3 Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer die Klage am 24. Juli 2013 beim Richteramt Thal-Gäu eingereicht. Neben einer Forderung von Fr. 8'443.70 wegen ausstehender Lohnansprüche beantragte er, es sei festzustellen, dass die Kündigung der Beklagten nichtig sei. Die Vorinstanz hat zutreffend als erheblich erachtet, ob diese Feststellung der Ungültigkeit der Kündigung des Arbeitsvertrags einen Streitwert von mehr als Fr. 21'556.30 aufweist. Massgebend ist wie ausgeführt, ob diese Feststellung im Zeitpunkt der Einreichung der Klage beim erstinstanzlichen Gericht am 24. Juli 2013 mit einem Streitwert von mindestens diesem Betrag zu bewerten war. 2.4 Der Beschwerdeführer bestritt die Gültigkeit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses auf Ende November 2012 und behauptete, sie sei wegen Verstosses gegen die zwingende Bestimmung von Art. 336c OR nichtig. 2.4.1 Die Vorinstanz führt zutreffend aus, dass nach der Behauptung des Beschwerdeführers das Arbeitsverhältnis damit auf unbestimmte Zeit - bzw. bis zu einer allfälligen gültigen Kündigung - andauert. Sie geht davon aus, dass der Lohnanspruch von monatlich Fr. 5'830.- damit auf ungewisse Zeit weiterhin geschuldet ist. Ohne abschliessend zu prüfen, ob unter diesen Umständen gemäss Art. 92 ZPO der zwanzigfache Kapitalwert der jährlichen Lohnsumme für die Bestimmung des Streitwerts des Feststellungsbegehrens massgebend sei, schliesst die Vorinstanz, dass jedenfalls der Streitwert von Fr. 30'000.- überschritten sei. 2.4.2 Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, die Vorinstanz habe damit Bundesrecht verletzt, denn es hätte der Streitwertberechnung BGE 141 III 137 S. 140 entweder eine generelle Pauschalierung für umstrittene Kündigungen von Arbeitsverträgen im Umfang von Fr. 20'000.- zugrunde gelegt werden müssen oder es hätte (analog zur Rechtsprechung bei mietrechtlichen Sperrfristen, vgl. BGE 137 III 389 E. 1.1) die Fortdauer des Arbeitsvertrags mangels gültiger Kündigung nur bis zur nächstmöglichen ordentlichen Beendigung berücksichtigt werden dürfen. 2.4.3 Für eine irgendwie geartete Pauschalierung, die von den Umständen absieht und namentlich weder die Höhe des Lohnes noch die Dauer einer Lohnfortzahlungspflicht oder die Möglichkeit einer nächsten - gültigen - Kündigung in Betracht zieht, besteht keine Grundlage. Es ist entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht erkennbar und wird auch in der Beschwerde nicht dargetan, wie eine derartige Streitwertpauschalierung aus der "Stossrichtung des sozialen Zivilprozesses" abgeleitet werden könnte, nachdem die ZPO ausdrücklich ein Streitwerterfordernis aufstellt. 2.4.4 Ob und inwieweit die Rechtsprechung zu den mietrechtlichen Sperrfristen analog herangezogen werden könnte, kann im vorliegenden Fall offenbleiben. Denn die Vorinstanz hat den Streitwert des Feststellungsbegehrens nicht bundesrechtswidrig bemessen, wenn sie im Ergebnis berücksichtigte, dass das Arbeitsverhältnis mangels gültiger Kündigung - bei einem Monatslohn von Fr. 5'830.- plus Anteil 13. Monatslohn - noch eine gewisse Zeit weitergedauert hätte. Denn im massgebenden Zeitpunkt der Einreichung der Klage beim Richteramt Thal-Gäu war eine neue Kündigung unbestritten von keiner der Parteien erklärt worden. Im Juli 2013 war aber der Zeitpunkt, auf den die umstrittene Kündigung ausgesprochen war (Ende November 2012), um mehr als sieben Monate abgelaufen. Auch wenn der Beschwerdeführer wegen Krankheit arbeitsunfähig und die Arbeitgeberin nach Art. 324a OR nicht bis zum Ende des Arbeitsvertrags zur Lohnfortzahlung verpflichtet war, ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer gemäss Art. 64 des anwendbaren Landesmantelvertrags kollektiv für ein Taggeld von 80 % des wegen Krankheit ausfallenden zuletzt bezahlten Lohnes zu versichern hatte. Mit den Taggeldleistungen des Kollektivversicherers, welche nach dem Landesmantelvertrag mindestens während 720 Tagen innerhalb von 900 aufeinanderfolgenden Tagen zu leisten sind, ist die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers nach Art. 324a und 324b OR abgegolten. Der Beschwerdeführer hatte damit im Zeitpunkt der Klageerhebung während sieben Monaten Anspruch auf 80 % seines Lohnes gehabt. BGE 141 III 137 S. 141 2.5 Damit hat die Vorinstanz den Streitwert zutreffend auf mehr als Fr. 30'000.- festgesetzt, womit unbestritten nach dem massgebenden kantonalen Recht erstinstanzlich das Amtsgericht in Dreierbesetzung und nicht der Einzelrichter zuständig ist.
Urteilskopf
19. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B. + Co (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_488/2014 vom 20. Februar 2015
Regeste Berechnung des für die sachliche Zuständigkeit massgeblichen Streitwerts ( Art. 4 Abs. 2 ZPO ). Für die Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit bemisst sich der Streitwert nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Klageeinreichung (E. 2.2); Streitwert einer Feststellungsklage betreffend die Gültigkeit der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses (E. 2.4).
Regeste
Berechnung des für die sachliche Zuständigkeit massgeblichen Streitwerts ( Art. 4 Abs. 2 ZPO ). Für die Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit bemisst sich der Streitwert nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Klageeinreichung (E. 2.2); Streitwert einer Feststellungsklage betreffend die Gültigkeit der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses (E. 2.4).
Art. 4 Abs. 2 ZPO Für die Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit bemisst sich der Streitwert nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Klageeinreichung (E. 2.2); Streitwert einer Feststellungsklage betreffend die Gültigkeit der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses (E. 2.4).
Erwägungen ab Seite 138
Erwägungen ab Seite 138 BGE 141 III 137 S. 138
BGE 141 III 137 S. 138
Aus den Erwägungen:
2. Nach Art. 4 ZPO regelt das kantonale Recht die sachliche und funktionelle Zuständigkeit der Gerichte, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt (Abs. 1). Hängt die sachliche Zuständigkeit vom Streitwert ab, so erfolgt dessen Berechnung nach der Zivilprozessordnung (Abs. 2).
2. Art. 4 ZPO 2.1 Nach den Erwägungen im angefochtenen Entscheid ist im Kanton Solothurn der Amtsgerichtspräsident als Einzelrichter zur Beurteilung von Streitigkeiten im vereinfachten Verfahren - d.h. bis zu einem Streitwert von Fr. 30'000.- ( Art. 243 Abs. 1 ZPO ) - zuständig (§ 10 Abs. 2 lit. a des solothurnischen Gerichtsorganisationsgesetzes vom 13. März 1977 [GO; BGS 125.12]). Die übrigen Zivilsachen, für die kein anderes Gericht zuständig ist, werden durch das Amtsgericht in Dreierbesetzung beurteilt (§ 14 GO).
2.1 Art. 243 Abs. 1 ZPO Der Beschwerdeführer stellt nicht in Frage, dass der Amtsgerichtspräsident als Einzelrichter nach dem massgebenden kantonalen Recht nur zur Beurteilung von Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von Fr. 30'000.- zuständig ist. Er beanstandet die Berechnung des massgebenden Streitwertes im vorliegenden Fall.
2.2 Nach Art. 91 ZPO wird der Streitwert durch die Rechtsbegehren bestimmt, wobei weder Zinsen und Kosten noch allfällige Eventualbegehren hinzugerechnet werden (Abs. 1). Lautet das Rechtsbegehren - wie vorliegend das Feststellungsbegehren betreffend Nichtigkeit der Kündigung - nicht auf eine bestimmte Geldsumme, so setzt das Gericht den Streitwert fest, sofern sich die Parteien darüber nicht einigen können oder ihre Angaben offensichtlich unrichtig sind (Abs. 2). BGE 141 III 137 S. 139
2.2 Art. 91 ZPO BGE 141 III 137 S. 139
Für die Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit bemisst sich der Streitwert dabei nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Klageeinreichung (SAMUEL RICKLI, Der Streitwert im schweizerischen Zivilprozess, 2014, Rz. 418; STEIN-WIGGER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger[Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 12 zu Art. 91 ZPO ;DIGGELMANN, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kommentar, Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], 2011, N. 3 zu Art. 91ZPO; im Ergebnis auch RÜEGG, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 7 zu Art. 91 ZPO und ZÜRCHER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung[ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 2. Aufl. 2013,N. 11 zu Art. 60 ZPO ).
Art. 91 ZPO Art. 91 ZPO Art. 60 ZPO 2.3 Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer die Klage am 24. Juli 2013 beim Richteramt Thal-Gäu eingereicht. Neben einer Forderung von Fr. 8'443.70 wegen ausstehender Lohnansprüche beantragte er, es sei festzustellen, dass die Kündigung der Beklagten nichtig sei. Die Vorinstanz hat zutreffend als erheblich erachtet, ob diese Feststellung der Ungültigkeit der Kündigung des Arbeitsvertrags einen Streitwert von mehr als Fr. 21'556.30 aufweist. Massgebend ist wie ausgeführt, ob diese Feststellung im Zeitpunkt der Einreichung der Klage beim erstinstanzlichen Gericht am 24. Juli 2013 mit einem Streitwert von mindestens diesem Betrag zu bewerten war.
2.3 2.4 Der Beschwerdeführer bestritt die Gültigkeit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses auf Ende November 2012 und behauptete, sie sei wegen Verstosses gegen die zwingende Bestimmung von Art. 336c OR nichtig.
2.4 Art. 336c OR 2.4.1 Die Vorinstanz führt zutreffend aus, dass nach der Behauptung des Beschwerdeführers das Arbeitsverhältnis damit auf unbestimmte Zeit - bzw. bis zu einer allfälligen gültigen Kündigung - andauert. Sie geht davon aus, dass der Lohnanspruch von monatlich Fr. 5'830.- damit auf ungewisse Zeit weiterhin geschuldet ist. Ohne abschliessend zu prüfen, ob unter diesen Umständen gemäss Art. 92 ZPO der zwanzigfache Kapitalwert der jährlichen Lohnsumme für die Bestimmung des Streitwerts des Feststellungsbegehrens massgebend sei, schliesst die Vorinstanz, dass jedenfalls der Streitwert von Fr. 30'000.- überschritten sei.
2.4.1 Art. 92 ZPO 2.4.2 Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, die Vorinstanz habe damit Bundesrecht verletzt, denn es hätte der Streitwertberechnung BGE 141 III 137 S. 140 entweder eine generelle Pauschalierung für umstrittene Kündigungen von Arbeitsverträgen im Umfang von Fr. 20'000.- zugrunde gelegt werden müssen oder es hätte (analog zur Rechtsprechung bei mietrechtlichen Sperrfristen, vgl. BGE 137 III 389 E. 1.1) die Fortdauer des Arbeitsvertrags mangels gültiger Kündigung nur bis zur nächstmöglichen ordentlichen Beendigung berücksichtigt werden dürfen.
2.4.2 BGE 141 III 137 S. 140
2.4.3 Für eine irgendwie geartete Pauschalierung, die von den Umständen absieht und namentlich weder die Höhe des Lohnes noch die Dauer einer Lohnfortzahlungspflicht oder die Möglichkeit einer nächsten - gültigen - Kündigung in Betracht zieht, besteht keine Grundlage. Es ist entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht erkennbar und wird auch in der Beschwerde nicht dargetan, wie eine derartige Streitwertpauschalierung aus der "Stossrichtung des sozialen Zivilprozesses" abgeleitet werden könnte, nachdem die ZPO ausdrücklich ein Streitwerterfordernis aufstellt.
2.4.3 2.4.4 Ob und inwieweit die Rechtsprechung zu den mietrechtlichen Sperrfristen analog herangezogen werden könnte, kann im vorliegenden Fall offenbleiben. Denn die Vorinstanz hat den Streitwert des Feststellungsbegehrens nicht bundesrechtswidrig bemessen, wenn sie im Ergebnis berücksichtigte, dass das Arbeitsverhältnis mangels gültiger Kündigung - bei einem Monatslohn von Fr. 5'830.- plus Anteil 13. Monatslohn - noch eine gewisse Zeit weitergedauert hätte. Denn im massgebenden Zeitpunkt der Einreichung der Klage beim Richteramt Thal-Gäu war eine neue Kündigung unbestritten von keiner der Parteien erklärt worden. Im Juli 2013 war aber der Zeitpunkt, auf den die umstrittene Kündigung ausgesprochen war (Ende November 2012), um mehr als sieben Monate abgelaufen. Auch wenn der Beschwerdeführer wegen Krankheit arbeitsunfähig und die Arbeitgeberin nach Art. 324a OR nicht bis zum Ende des Arbeitsvertrags zur Lohnfortzahlung verpflichtet war, ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer gemäss Art. 64 des anwendbaren Landesmantelvertrags kollektiv für ein Taggeld von 80 % des wegen Krankheit ausfallenden zuletzt bezahlten Lohnes zu versichern hatte. Mit den Taggeldleistungen des Kollektivversicherers, welche nach dem Landesmantelvertrag mindestens während 720 Tagen innerhalb von 900 aufeinanderfolgenden Tagen zu leisten sind, ist die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers nach Art. 324a und 324b OR abgegolten. Der Beschwerdeführer hatte damit im Zeitpunkt der Klageerhebung während sieben Monaten Anspruch auf 80 % seines Lohnes gehabt. BGE 141 III 137 S. 141
2.4.4 Art. 324a OR Art. 324a und 324b OR BGE 141 III 137 S. 141
2.5 Damit hat die Vorinstanz den Streitwert zutreffend auf mehr als Fr. 30'000.- festgesetzt, womit unbestritten nach dem massgebenden kantonalen Recht erstinstanzlich das Amtsgericht in Dreierbesetzung und nicht der Einzelrichter zuständig ist.
2.5
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Urteilskopf 141 III 13 3. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A. contre Office du Registre foncier du canton de Genève (recours en matière civile) 5A_240/2014 du 18 décembre 2014 Regeste Art. 201 Abs. 2 i.V.m. Art. 204 Abs. 2 ZGB, Art. 965 ff. ZGB und Art. 83 ff. GBV ; Zustimmung des Ehegatten zur Übertragung eines Miteigentumsanteils im Scheidungsfall; Prüfungsbefugnisse des Grundbuchverwalters. Der Grundbuchverwalter verletzt kein Bundesrecht, wenn er eine Anmeldung mangels Zustimmung des Miteigentümer-Ehegatten abweist. Eine Sistierung der Eintragung bis zum Ausspruch des Scheidungsurteils ist im Übrigen nicht denkbar (E. 4 und 5). Sachverhalt ab Seite 13 BGE 141 III 13 S. 13 A. A.a Le 22 décembre 2008, B.B., domiciliée à V., a déposé une requête unilatérale en divorce contre C.B., actuellement domicilié à X. L'époux ayant consenti au divorce, la procédure est pendante uniquement sur les effets accessoires du divorce. Les époux, tous deux citoyens russes, sont parents de A., née en 1989, qui vit également à X. A.b Par ordonnance sur mesures provisionnelles du 20 mars 2012, le Tribunal de première instance du canton de Genève a donné acte à C.B. de son engagement de ne pas disposer, ni d'engager au sens de l' art. 646 al. 3 CC, sauf jugement contraire ou accord exprès de son épouse, de ses parts de copropriété sur les biens immobiliers situés sur les parcelles n° w de la Commune de U. et n os x et y de la Commune de V. Il y a été condamné en tant que de besoin. Le Tribunal de première instance a ordonné au conservateur du Registre BGE 141 III 13 S. 14 foncier de mentionner cette restriction audit registre. Cette ordonnance n'a toutefois pas été communiquée au Registre foncier et aucune mention n'a été apportée sur les feuillets ad hoc. B. B.a Par acte authentique du 3 juin 2013, C.B. a fait donation à sa fille A., à titre d'avance d'hoirie, de ses parts de copropriété sur les parcelles n os z, x et y de la Commune de V. B.b Le 5 juin 2013, A. a requis l'inscription de cette donation au Registre foncier. Sa réquisition a été inscrite au journal et publiée dans la Feuille d'avis officielle du 14 juin 2013. B.c Par courrier du 17 juin 2013 de son mandataire, B.B. s'est opposée à l'inscription requise par sa fille au Registre foncier. B.d Par décision du 2 juillet 2013, le Registre foncier a rejeté la réquisition de A. tendant à son inscription en tant que propriétaire des droits cédés par son père, à défaut de consentement de B.B., épouse de C.B. et copropriétaire avec celui-ci des parcelles en cause. C. C.a Parallèlement, par ordonnance de mesures superprovisionnelles du 17 juin 2013 rendue à la requête de B.B., le Tribunal de première instance a ordonné le blocage auprès du conservateur du registre foncier de Genève des parts de copropriété sur les parcelles n os x, y et z de la Commune de V. appartenant à C.B. C.b Par ordonnance de mesures provisionnelles du 20 novembre 2013, le Tribunal de première instance a ordonné au conservateur du Registre foncier de procéder à la mention de blocage sur les feuillets relatifs aux parcelles n os x, y et z de la Commune de V. et a dit que celle-ci déploierait ses effets jusqu'à droit jugé dans la procédure de divorce. D. Statuant le 18 février 2014 sur le recours formé par A. contre la décision du 2 juillet 2013 du Registre foncier, la Cour de justice du canton de Genève a rejeté le recours et confirmé la décision querellée. E. Par acte du 21 mars 2014, A. forme un recours en matière civile au Tribunal fédéral contre cette décision concluant principalement à l'annulation de la décision entreprise ainsi qu'à l'annulation de la décision du Registre foncier du 2 juillet 2013 rejetant la réquisition de l'inscrire en tant que propriétaire des droits cédés par son père, à savoir comme copropriétaire pour moitié des parcelles n os x, y et z BGE 141 III 13 S. 15 de la Commune de V., et qu'il soit ordonné à l'Office du registre foncier de Genève de l'inscrire en tant que telle; subsidiairement, elle requiert qu'il soit ordonné au Registre foncier de mettre en suspens jusqu'à droit jugé quant à la procédure de divorce opposant ses parents la réquisition de l'inscrire comme copropriétaire desdits droits. A l'appui de ses conclusions, elle invoque la constatation arbitraire des faits, la violation de son droit d'être entendue et semble en outre alléguer une violation, respectivement une application erronée, de l' art. 57 LDIP et des art. 178, 201 al. 2 et 204 al. 2 CC. Invités à se déterminer, la Cour de justice s'est référée aux considérants de sa décision et le Registre foncier a conclu au rejet du recours. La recourante a répliqué le 19 novembre 2014. (...) G. Le 18 décembre 2014, le Tribunal fédéral a délibéré sur le recours en séance publique. Il l'a rejeté par arrêt du même jour. (extrait) Erwägungen Extrait des considérants: 4. 4.1 Sauf dans certains cas particuliers non pertinents en l'espèce, l'inscription au registre foncier est nécessaire pour l'acquisition de la propriété foncière ( art. 656 al. 1 CC ). Constitutive, l'inscription s'opère sur déclaration écrite du propriétaire de l'immeuble auquel se rapporte son objet ( art. 963 al. 1 CC ; PAUL-HENRI STEINAUER, Les droits réels, tome II, 4 e éd. 2012, n. 1539 ss et les références; HERMANN LAIM, in Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, vol. II, 4 e éd. 2011, n os 10 ss ad art. 656 CC ; cf. ATF 135 III 585 consid. 2.1). Le pouvoir d'examen du conservateur du registre foncier se limite principalement à un examen formel. Il ne peut procéder à aucune opération sans légitimation préalable du requérant quant à son droit de disposition et au titre sur lequel se fonde l'opération ( art. 965 al. 1 CC ). La réquisition doit être écartée si la légitimation fait défaut ( art. 966 al. 1 CC ). S'agissant du titre d'acquisition, son contrôle porte avant tout sur l'observation des formes auxquelles la validité de l'acte est subordonnée ( art. 965 al. 3 CC ). En principe, le conservateur ne doit pas examiner la validité matérielle du titre d'acquisition, à moins que le défaut soit manifeste ( ATF 124 III 341 consid. 2b p. 344; arrêt 5A.14/2001 du 29 janvier 2002 consid. 3; PAUL-HENRI STEINAUER, Les droits réels, tome I, 5 e éd. 2012, n. 849 ss). Ainsi, des questions de droit matériel ne peuvent pas être revues dans le cadre de la BGE 141 III 13 S. 16 procédure de recours de l' art. 956a CC ( ATF 124 III 341 consid. 2b p. 344 concernant le recours selon les anciens art. 101 ss ORF ). Aux termes de l'art. 46 al. 1 de l'ordonnnance du 23 septembre 2011 sur le registre foncier (ORF; RS 211.432.1), l'office du registre foncier n'opère d'inscription que sur réquisition. La réquisition ne peut être subordonnée à aucune condition ni réserve ( art. 47 al. 1 ORF ). L'office du registre foncier vérifie que les conditions légales de l'inscription au grand livre sont réunies sur la base des autres pièces justificatives accompagnant la réquisition ( art. 83 al. 1 ORF ). Il contrôle ainsi notamment le droit de disposer de la personne qui présente la réquisition ( art. 83 al. 2 let. c ORF) et les autorisations et les consentements nécessaires, pour s'assurer qu'ils ont été produits ( art. 83 al. 2 let. i ORF ). L' art. 51 al. 2 ORF prévoit en outre que les pièces justificatives accompagnant la réquisition d'inscription doivent contenir les indications permettant d'apprécier si le consentement du conjoint est nécessaire pour disposer de l'immeuble. Lorsque les conditions de l'inscription au grand livre ne sont pas remplies, l'office du registre foncier rejette la requête ( art. 87 al. 1 ORF ). Il peut toutefois fixer un bref délai au requérant pour produire les pièces justificatives manquantes, à l'échéance duquel il rejettera la requête si le défaut n'est pas réparé ( art. 87 al. 2 ORF ). 4.2 Aux termes de l' art. 201 al. 2 CC, lorsqu'un bien appartient en copropriété aux deux époux, aucun d'eux ne peut, sauf convention contraire, disposer de sa part sans le consentement de l'autre. Cette disposition est applicable aux époux soumis au régime ordinaire de la participation aux acquêts. L' art. 201 al. 2 CC introduit uniquement une restriction du pouvoir de disposer de l'époux qui est copropriétaire avec son conjoint. Cette interdiction n'a donc pas d'effet sur la capacité de l'époux copropriétaire de conclure un acte générateur d'obligations relatif à sa part de copropriété mais uniquement sur l'acte de disposition qui s'ensuit. Ainsi, le contrat sur lequel se fonde le transfert de propriété n'est pas nul du fait de l'absence de consentement. En revanche, l'acte ne pourra pas être exécuté valablement si le conjoint n'y consent pas (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Berner Kommentar, 1992, n° 29 ad art. 201 CC ; ALEXANDRA RUMO-JUNGO, in Personen- und Familienrecht inkl. Kindes- und Erwachsenenschutzrecht, in Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 2 e éd. 2012, n° 7 ad art. 201 CC ). BGE 141 III 13 S. 17 4.3 Dans le cas d'espèce, il n'est pas contesté que les époux B. étaient, du moins avant le dépôt de la requête en divorce, soumis au régime matrimonial de la participation aux acquêts en application des art. 54 al. 1 let. b LDIP (RS 291) et 181 CC, de sorte que la restriction au pouvoir de disposer prévue par l' art. 201 al. 2 CC leur était en principe applicable. L' art. 204 al. 2 CC dispose cependant, qu'en cas de divorce, la dissolution du régime ordinaire rétroagit au jour de la demande. Cette formulation ambiguë a donné lieu à diverses interprétations en doctrine (cf. HAUSHEER/REUSSER/GEISER, op. cit., n os 27 ss ad art. 204 CC ). Certains auteurs estiment que les époux sont soumis au régime de la séparation de biens dès le dépôt de la demande en divorce, pour autant qu'elle ne soit pas ensuite rejetée ou abandonnée, et ce autant dans leurs rapports juridiques internes qu'à l'égard des tiers (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, op. cit., n o 35 ad art. 204 CC ; DESCHENAUX/STEINAUER/BADDELEY, Les effets du mariage, 2 e éd. 2009, n. 1141b; HAUSHEER/AEBI-MÜLLER, in Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, vol. I, 4 e éd. 2010, n° 13 ad art. 204 CC ; PAUL-HENRI STEINAUER, in Commentaire romand, Code civil, vol. I, 2010, n° 12 ad art. 204 CC ). Une autre solution proposée consiste à retenir que la dissolution du régime ordinaire intervient seulement lorsque le prononcé de divorce entre en force, de sorte que l'effet rétroactif au jour du dépôt de la demande prévu par l' art. 204 al. 2 CC n'a d'effets que pour les rapports juridiques entre les époux (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, op. cit., n o 29 ad art. 204 CC ). Dans la première hypothèse, défendue par la recourante, les époux sont soumis au régime de la séparation de biens à compter du dépôt de la requête en divorce, ce qui entraîne la suppression de l'interdiction de disposer sans le consentement du conjoint prévue par l' art. 201 al. 2 CC dès cette date. Ceci vaut toutefois uniquement pour autant que le divorce soit ensuite prononcé et entre en force, à défaut de quoi les actes de disposition accomplis sans le consentement requis entre le moment où la litispendance a été créée et le prononcé de divorce doivent être rectifiés, l'effet rétroactif prévu par l' art. 204 al. 2 CC n'étant dès lors plus applicable. En revanche, dans la seconde hypothèse évoquée les époux restent soumis au régime de la participation aux acquêts durant la procédure de divorce et l'interdiction de disposer de l' art. 201 al. 2 CC continue à déployer ses effets à l'égard des tiers également durant cette période. 5. Comme exposé précédemment (cf. supra consid. 4.1), le pouvoir d'examen du conservateur du registre foncier est limité. En effet, il BGE 141 III 13 S. 18 ne lui appartient pas de trancher une question de droit matériel, controversée en doctrine, pour déterminer si le consentement de l'époux copropriétaire est encore nécessaire une fois la procédure de divorce pendante. Lorsque le conservateur est confronté à un acte de disposition portant sur une part de copropriété, qu'il constate que les copropriétaires sont mariés, que l'autre époux n'a pas consenti audit acte et qu'il a des doutes quant à la nécessité du consentement de l'époux copropriétaire, il ne viole pas le droit fédéral en procédant au rejet de la demande d'inscription (voir aussi l'arrêt 5C.13/1999 du 23 mars 2000 consid. 3a). En effet, alors que l'exigence du consentement de l' art. 201 al. 2 CC est claire, reconnaissable à la simple lecture de la loi, et ne souffre aucune interprétation, la portée de la rétroactivité de l' art. 204 al. 2 CC est controversée. En fondant sa disposition uniquement sur l'absence de consentement de l'épouse, le conservateur a par conséquent fait, à titre préjudiciel, un choix non critiquable en tant qu'il a ainsi exprimé l'idée selon laquelle il n'a pas à interpréter la loi civile et en l'occurrence l' art. 204 al. 2 CC dans son examen (cf. dans le même sens: ATF 117 II 541 consid. 3). Il s'ensuit que la décision attaquée peut être confirmée par substitution de motifs. Le sort du recours est ainsi scellé sans qu'il soit nécessaire de se prononcer sur le bien-fondé de la conclusion subsidiaire de la recourante tendant à "mettre en suspens" la réquisition d'inscription jusqu'à droit jugé quant à la procédure de divorce opposant ses parents. Il suffit de rappeler à cet égard, comme le fait à juste titre la conservatrice dans sa réponse du 4 novembre 2014 au présent recours, que le registre foncier a pour but de donner l'état des droits en relation avec des immeubles, de sorte qu'il serait contraire au principe de la foi publique du registre foncier d'accepter de suspendre pour une durée indéterminée l'inscription d'un transfert de propriété. En effet, lorsque les conditions de l'inscription au grand livre ne sont pas remplies, l'office du registre foncier doit rejeter la requête ( art. 87 al. 1 ORF ). Il ne peut "suspendre" l'inscription que dans certains cas particuliers. Ainsi, l' art. 966 al. 2 CC permet au conservateur de procéder à une inscription provisoire dans l'attente que la légitimation soit complétée; de même, l' art. 87 al. 2 ORF, lui, permet de fixer un bref délai au requérant lorsque certaines pièces justificatives nécessaires à sa légitimation sont manquantes, la doctrine considérant toutefois que le requérant n'a pas un droit à obtenir la suspension dans un tel cas (PAUL-HENRI STEINAUER, Les droits réels, tome I, op. cit., n. 856d et la référence citée). Or, BGE 141 III 13 S. 19 indépendamment de la question de savoir si le problème qui se pose en l'espèce relève d'un défaut de légitimation visé par l' art. 966 al. 2 CC, ici, seule une inscription définitive a été requise par la recourante. Par ailleurs, même si l'office peut différer sa décision et impartir un délai pour demander l'inscription provisoire, il ne viole cependant pas le droit fédéral en optant pour le rejet de la réquisition. Un autre cas de "suspension" est le sursis à la procédure d'inscription à proprement parler prévu par l' art. 88 ORF. Cette disposition précise toutefois que le conservateur doit surseoir à l'inscription au grand livre uniquement lorsqu'un acte législatif fédéral le prévoit (comme par exemple l'art. 81 de la loi fédérale du 4 octobre 1991 sur le droit foncier rural [LDFR; RS 211.412.11] et l'art. 18 de la loi fédérale du 16 décembre 1983 sur l'acquisition d'immeubles par des personnes à l'étranger [LFAIE; RS 211.412.41]). Ceci n'est manifestement pas le cas en l'espèce, de sorte que la conclusion subsidiaire du recours devrait de toute évidence également être rejetée.
Urteilskopf
3. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A. contre Office du Registre foncier du canton de Genève (recours en matière civile)
5A_240/2014 du 18 décembre 2014
Regeste Art. 201 Abs. 2 i.V.m. Art. 204 Abs. 2 ZGB, Art. 965 ff. ZGB und Art. 83 ff. GBV ; Zustimmung des Ehegatten zur Übertragung eines Miteigentumsanteils im Scheidungsfall; Prüfungsbefugnisse des Grundbuchverwalters. Der Grundbuchverwalter verletzt kein Bundesrecht, wenn er eine Anmeldung mangels Zustimmung des Miteigentümer-Ehegatten abweist. Eine Sistierung der Eintragung bis zum Ausspruch des Scheidungsurteils ist im Übrigen nicht denkbar (E. 4 und 5).
Regeste
Art. 201 Abs. 2 i.V.m. Art. 204 Abs. 2 ZGB, Art. 965 ff. ZGB und Art. 83 ff. GBV ; Zustimmung des Ehegatten zur Übertragung eines Miteigentumsanteils im Scheidungsfall; Prüfungsbefugnisse des Grundbuchverwalters. Der Grundbuchverwalter verletzt kein Bundesrecht, wenn er eine Anmeldung mangels Zustimmung des Miteigentümer-Ehegatten abweist. Eine Sistierung der Eintragung bis zum Ausspruch des Scheidungsurteils ist im Übrigen nicht denkbar (E. 4 und 5).
Art. 204 Abs. 2 ZGB Art. 965 ff. ZGB Art. 83 ff. GBV Der Grundbuchverwalter verletzt kein Bundesrecht, wenn er eine Anmeldung mangels Zustimmung des Miteigentümer-Ehegatten abweist. Eine Sistierung der Eintragung bis zum Ausspruch des Scheidungsurteils ist im Übrigen nicht denkbar (E. 4 und 5).
Sachverhalt ab Seite 13
Sachverhalt ab Seite 13 BGE 141 III 13 S. 13
BGE 141 III 13 S. 13
A.
A. A.a Le 22 décembre 2008, B.B., domiciliée à V., a déposé une requête unilatérale en divorce contre C.B., actuellement domicilié à X. L'époux ayant consenti au divorce, la procédure est pendante uniquement sur les effets accessoires du divorce.
A.a Les époux, tous deux citoyens russes, sont parents de A., née en 1989, qui vit également à X.
A.b Par ordonnance sur mesures provisionnelles du 20 mars 2012, le Tribunal de première instance du canton de Genève a donné acte à C.B. de son engagement de ne pas disposer, ni d'engager au sens de l' art. 646 al. 3 CC, sauf jugement contraire ou accord exprès de son épouse, de ses parts de copropriété sur les biens immobiliers situés sur les parcelles n° w de la Commune de U. et n os x et y de la Commune de V. Il y a été condamné en tant que de besoin. Le Tribunal de première instance a ordonné au conservateur du Registre BGE 141 III 13 S. 14 foncier de mentionner cette restriction audit registre. Cette ordonnance n'a toutefois pas été communiquée au Registre foncier et aucune mention n'a été apportée sur les feuillets ad hoc.
A.b art. 646 al. 3 CC BGE 141 III 13 S. 14
B.
B. B.a Par acte authentique du 3 juin 2013, C.B. a fait donation à sa fille A., à titre d'avance d'hoirie, de ses parts de copropriété sur les parcelles n os z, x et y de la Commune de V.
B.a B.b Le 5 juin 2013, A. a requis l'inscription de cette donation au Registre foncier. Sa réquisition a été inscrite au journal et publiée dans la Feuille d'avis officielle du 14 juin 2013.
B.b B.c Par courrier du 17 juin 2013 de son mandataire, B.B. s'est opposée à l'inscription requise par sa fille au Registre foncier.
B.c B.d Par décision du 2 juillet 2013, le Registre foncier a rejeté la réquisition de A. tendant à son inscription en tant que propriétaire des droits cédés par son père, à défaut de consentement de B.B., épouse de C.B. et copropriétaire avec celui-ci des parcelles en cause.
B.d C.
C. C.a Parallèlement, par ordonnance de mesures superprovisionnelles du 17 juin 2013 rendue à la requête de B.B., le Tribunal de première instance a ordonné le blocage auprès du conservateur du registre foncier de Genève des parts de copropriété sur les parcelles n os x, y et z de la Commune de V. appartenant à C.B.
C.a C.b Par ordonnance de mesures provisionnelles du 20 novembre 2013, le Tribunal de première instance a ordonné au conservateur du Registre foncier de procéder à la mention de blocage sur les feuillets relatifs aux parcelles n os x, y et z de la Commune de V. et a dit que celle-ci déploierait ses effets jusqu'à droit jugé dans la procédure de divorce.
C.b D. Statuant le 18 février 2014 sur le recours formé par A. contre la décision du 2 juillet 2013 du Registre foncier, la Cour de justice du canton de Genève a rejeté le recours et confirmé la décision querellée.
D. E. Par acte du 21 mars 2014, A. forme un recours en matière civile au Tribunal fédéral contre cette décision concluant principalement à l'annulation de la décision entreprise ainsi qu'à l'annulation de la décision du Registre foncier du 2 juillet 2013 rejetant la réquisition de l'inscrire en tant que propriétaire des droits cédés par son père, à savoir comme copropriétaire pour moitié des parcelles n os x, y et z BGE 141 III 13 S. 15 de la Commune de V., et qu'il soit ordonné à l'Office du registre foncier de Genève de l'inscrire en tant que telle; subsidiairement, elle requiert qu'il soit ordonné au Registre foncier de mettre en suspens jusqu'à droit jugé quant à la procédure de divorce opposant ses parents la réquisition de l'inscrire comme copropriétaire desdits droits. A l'appui de ses conclusions, elle invoque la constatation arbitraire des faits, la violation de son droit d'être entendue et semble en outre alléguer une violation, respectivement une application erronée, de l' art. 57 LDIP et des art. 178, 201 al. 2 et 204 al. 2 CC.
E. BGE 141 III 13 S. 15
art. 57 LDIP Invités à se déterminer, la Cour de justice s'est référée aux considérants de sa décision et le Registre foncier a conclu au rejet du recours. La recourante a répliqué le 19 novembre 2014.
(...)
G. Le 18 décembre 2014, le Tribunal fédéral a délibéré sur le recours en séance publique. Il l'a rejeté par arrêt du même jour.
G. (extrait)
Erwägungen
Erwägungen Extrait des considérants:
4.
4. 4.1 Sauf dans certains cas particuliers non pertinents en l'espèce, l'inscription au registre foncier est nécessaire pour l'acquisition de la propriété foncière ( art. 656 al. 1 CC ). Constitutive, l'inscription s'opère sur déclaration écrite du propriétaire de l'immeuble auquel se rapporte son objet ( art. 963 al. 1 CC ; PAUL-HENRI STEINAUER, Les droits réels, tome II, 4 e éd. 2012, n. 1539 ss et les références; HERMANN LAIM, in Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, vol. II, 4 e éd. 2011, n os 10 ss ad art. 656 CC ; cf. ATF 135 III 585 consid. 2.1). Le pouvoir d'examen du conservateur du registre foncier se limite principalement à un examen formel. Il ne peut procéder à aucune opération sans légitimation préalable du requérant quant à son droit de disposition et au titre sur lequel se fonde l'opération ( art. 965 al. 1 CC ). La réquisition doit être écartée si la légitimation fait défaut ( art. 966 al. 1 CC ). S'agissant du titre d'acquisition, son contrôle porte avant tout sur l'observation des formes auxquelles la validité de l'acte est subordonnée ( art. 965 al. 3 CC ). En principe, le conservateur ne doit pas examiner la validité matérielle du titre d'acquisition, à moins que le défaut soit manifeste ( ATF 124 III 341 consid. 2b p. 344; arrêt 5A.14/2001 du 29 janvier 2002 consid. 3; PAUL-HENRI STEINAUER, Les droits réels, tome I, 5 e éd. 2012, n. 849 ss). Ainsi, des questions de droit matériel ne peuvent pas être revues dans le cadre de la BGE 141 III 13 S. 16 procédure de recours de l' art. 956a CC ( ATF 124 III 341 consid. 2b p. 344 concernant le recours selon les anciens art. 101 ss ORF ).
4.1 art. 656 al. 1 CC art. 963 al. 1 CC art. 656 CC art. 965 al. 1 CC art. 966 al. 1 CC art. 965 al. 3 CC BGE 141 III 13 S. 16
art. 956a CC art. 101 ss ORF Aux termes de l'art. 46 al. 1 de l'ordonnnance du 23 septembre 2011 sur le registre foncier (ORF; RS 211.432.1), l'office du registre foncier n'opère d'inscription que sur réquisition. La réquisition ne peut être subordonnée à aucune condition ni réserve ( art. 47 al. 1 ORF ). L'office du registre foncier vérifie que les conditions légales de l'inscription au grand livre sont réunies sur la base des autres pièces justificatives accompagnant la réquisition ( art. 83 al. 1 ORF ). Il contrôle ainsi notamment le droit de disposer de la personne qui présente la réquisition ( art. 83 al. 2 let. c ORF) et les autorisations et les consentements nécessaires, pour s'assurer qu'ils ont été produits ( art. 83 al. 2 let. i ORF ). L' art. 51 al. 2 ORF prévoit en outre que les pièces justificatives accompagnant la réquisition d'inscription doivent contenir les indications permettant d'apprécier si le consentement du conjoint est nécessaire pour disposer de l'immeuble. art. 47 al. 1 ORF art. 83 al. 1 ORF art. 83 al. 2 let art. 83 al. 2 let. i ORF art. 51 al. 2 ORF Lorsque les conditions de l'inscription au grand livre ne sont pas remplies, l'office du registre foncier rejette la requête ( art. 87 al. 1 ORF ). Il peut toutefois fixer un bref délai au requérant pour produire les pièces justificatives manquantes, à l'échéance duquel il rejettera la requête si le défaut n'est pas réparé ( art. 87 al. 2 ORF ). art. 87 al. 1 ORF art. 87 al. 2 ORF 4.2 Aux termes de l' art. 201 al. 2 CC, lorsqu'un bien appartient en copropriété aux deux époux, aucun d'eux ne peut, sauf convention contraire, disposer de sa part sans le consentement de l'autre. Cette disposition est applicable aux époux soumis au régime ordinaire de la participation aux acquêts.
4.2 art. 201 al. 2 CC L' art. 201 al. 2 CC introduit uniquement une restriction du pouvoir de disposer de l'époux qui est copropriétaire avec son conjoint. Cette interdiction n'a donc pas d'effet sur la capacité de l'époux copropriétaire de conclure un acte générateur d'obligations relatif à sa part de copropriété mais uniquement sur l'acte de disposition qui s'ensuit. Ainsi, le contrat sur lequel se fonde le transfert de propriété n'est pas nul du fait de l'absence de consentement. En revanche, l'acte ne pourra pas être exécuté valablement si le conjoint n'y consent pas (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Berner Kommentar, 1992, n° 29 ad art. 201 CC ; ALEXANDRA RUMO-JUNGO, in Personen- und Familienrecht inkl. Kindes- und Erwachsenenschutzrecht, in Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 2 e éd. 2012, n° 7 ad art. 201 CC ). art. 201 al. 2 CC art. 201 CC art. 201 CC BGE 141 III 13 S. 17
BGE 141 III 13 S. 17
4.3 Dans le cas d'espèce, il n'est pas contesté que les époux B. étaient, du moins avant le dépôt de la requête en divorce, soumis au régime matrimonial de la participation aux acquêts en application des art. 54 al. 1 let. b LDIP (RS 291) et 181 CC, de sorte que la restriction au pouvoir de disposer prévue par l' art. 201 al. 2 CC leur était en principe applicable. L' art. 204 al. 2 CC dispose cependant, qu'en cas de divorce, la dissolution du régime ordinaire rétroagit au jour de la demande. Cette formulation ambiguë a donné lieu à diverses interprétations en doctrine (cf. HAUSHEER/REUSSER/GEISER, op. cit., n os 27 ss ad art. 204 CC ). Certains auteurs estiment que les époux sont soumis au régime de la séparation de biens dès le dépôt de la demande en divorce, pour autant qu'elle ne soit pas ensuite rejetée ou abandonnée, et ce autant dans leurs rapports juridiques internes qu'à l'égard des tiers (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, op. cit., n o 35 ad art. 204 CC ; DESCHENAUX/STEINAUER/BADDELEY, Les effets du mariage, 2 e éd. 2009, n. 1141b; HAUSHEER/AEBI-MÜLLER, in Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, vol. I, 4 e éd. 2010, n° 13 ad art. 204 CC ; PAUL-HENRI STEINAUER, in Commentaire romand, Code civil, vol. I, 2010, n° 12 ad art. 204 CC ). Une autre solution proposée consiste à retenir que la dissolution du régime ordinaire intervient seulement lorsque le prononcé de divorce entre en force, de sorte que l'effet rétroactif au jour du dépôt de la demande prévu par l' art. 204 al. 2 CC n'a d'effets que pour les rapports juridiques entre les époux (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, op. cit., n o 29 ad art. 204 CC ). Dans la première hypothèse, défendue par la recourante, les époux sont soumis au régime de la séparation de biens à compter du dépôt de la requête en divorce, ce qui entraîne la suppression de l'interdiction de disposer sans le consentement du conjoint prévue par l' art. 201 al. 2 CC dès cette date. Ceci vaut toutefois uniquement pour autant que le divorce soit ensuite prononcé et entre en force, à défaut de quoi les actes de disposition accomplis sans le consentement requis entre le moment où la litispendance a été créée et le prononcé de divorce doivent être rectifiés, l'effet rétroactif prévu par l' art. 204 al. 2 CC n'étant dès lors plus applicable. En revanche, dans la seconde hypothèse évoquée les époux restent soumis au régime de la participation aux acquêts durant la procédure de divorce et l'interdiction de disposer de l' art. 201 al. 2 CC continue à déployer ses effets à l'égard des tiers également durant cette période.
4.3 art. 54 al. 1 let. b LDIP art. 201 al. 2 CC art. 204 al. 2 CC art. 204 CC art. 204 CC art. 204 CC art. 204 CC art. 204 al. 2 CC art. 204 CC art. 201 al. 2 CC art. 204 al. 2 CC art. 201 al. 2 CC 5. Comme exposé précédemment (cf. supra consid. 4.1), le pouvoir d'examen du conservateur du registre foncier est limité. En effet, il BGE 141 III 13 S. 18 ne lui appartient pas de trancher une question de droit matériel, controversée en doctrine, pour déterminer si le consentement de l'époux copropriétaire est encore nécessaire une fois la procédure de divorce pendante. Lorsque le conservateur est confronté à un acte de disposition portant sur une part de copropriété, qu'il constate que les copropriétaires sont mariés, que l'autre époux n'a pas consenti audit acte et qu'il a des doutes quant à la nécessité du consentement de l'époux copropriétaire, il ne viole pas le droit fédéral en procédant au rejet de la demande d'inscription (voir aussi l'arrêt 5C.13/1999 du 23 mars 2000 consid. 3a). En effet, alors que l'exigence du consentement de l' art. 201 al. 2 CC est claire, reconnaissable à la simple lecture de la loi, et ne souffre aucune interprétation, la portée de la rétroactivité de l' art. 204 al. 2 CC est controversée. En fondant sa disposition uniquement sur l'absence de consentement de l'épouse, le conservateur a par conséquent fait, à titre préjudiciel, un choix non critiquable en tant qu'il a ainsi exprimé l'idée selon laquelle il n'a pas à interpréter la loi civile et en l'occurrence l' art. 204 al. 2 CC dans son examen (cf. dans le même sens: ATF 117 II 541 consid. 3).
5. BGE 141 III 13 S. 18
art. 201 al. 2 CC art. 204 al. 2 CC art. 204 al. 2 CC Il s'ensuit que la décision attaquée peut être confirmée par substitution de motifs. Le sort du recours est ainsi scellé sans qu'il soit nécessaire de se prononcer sur le bien-fondé de la conclusion subsidiaire de la recourante tendant à "mettre en suspens" la réquisition d'inscription jusqu'à droit jugé quant à la procédure de divorce opposant ses parents. Il suffit de rappeler à cet égard, comme le fait à juste titre la conservatrice dans sa réponse du 4 novembre 2014 au présent recours, que le registre foncier a pour but de donner l'état des droits en relation avec des immeubles, de sorte qu'il serait contraire au principe de la foi publique du registre foncier d'accepter de suspendre pour une durée indéterminée l'inscription d'un transfert de propriété. En effet, lorsque les conditions de l'inscription au grand livre ne sont pas remplies, l'office du registre foncier doit rejeter la requête ( art. 87 al. 1 ORF ). Il ne peut "suspendre" l'inscription que dans certains cas particuliers. Ainsi, l' art. 966 al. 2 CC permet au conservateur de procéder à une inscription provisoire dans l'attente que la légitimation soit complétée; de même, l' art. 87 al. 2 ORF, lui, permet de fixer un bref délai au requérant lorsque certaines pièces justificatives nécessaires à sa légitimation sont manquantes, la doctrine considérant toutefois que le requérant n'a pas un droit à obtenir la suspension dans un tel cas (PAUL-HENRI STEINAUER, Les droits réels, tome I, op. cit., n. 856d et la référence citée). Or, BGE 141 III 13 S. 19 indépendamment de la question de savoir si le problème qui se pose en l'espèce relève d'un défaut de légitimation visé par l' art. 966 al. 2 CC, ici, seule une inscription définitive a été requise par la recourante. Par ailleurs, même si l'office peut différer sa décision et impartir un délai pour demander l'inscription provisoire, il ne viole cependant pas le droit fédéral en optant pour le rejet de la réquisition. Un autre cas de "suspension" est le sursis à la procédure d'inscription à proprement parler prévu par l' art. 88 ORF. Cette disposition précise toutefois que le conservateur doit surseoir à l'inscription au grand livre uniquement lorsqu'un acte législatif fédéral le prévoit (comme par exemple l'art. 81 de la loi fédérale du 4 octobre 1991 sur le droit foncier rural [LDFR; RS 211.412.11] et l'art. 18 de la loi fédérale du 16 décembre 1983 sur l'acquisition d'immeubles par des personnes à l'étranger [LFAIE; RS 211.412.41]). Ceci n'est manifestement pas le cas en l'espèce, de sorte que la conclusion subsidiaire du recours devrait de toute évidence également être rejetée. art. 87 al. 1 ORF art. 966 al. 2 CC art. 87 al. 2 ORF BGE 141 III 13 S. 19
art. 966 al. 2 CC art. 88 ORF
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Urteilskopf 141 III 141 20. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A. contre Banque B. et Etablissement d'assurance contre l'incendie et les éléments naturels du canton de Vaud (ECA) (recours en matière civile) 5A_852/2014 du 23 mars 2015 Regeste Art. 17 und 140 Abs. 2 SchKG, Art. 39 VZG ; Lastenverzeichnis, Rechtsweg. Unterscheidung zwischen Beschwerde und Lastenbereinigungsklage; Form der Bestreitung (E. 4.2). Rechtsweg im Fall, dass der Schuldner die Anwendung des im Grundbuch eingetragenen Zinssatzes auf die Forderung und den Beginn des Zinsenlaufs bestreitet (E. 4.3). Sachverhalt ab Seite 141 BGE 141 III 141 S. 141 A. A. fait l'objet de la poursuite en réalisation de gage immobilier n° x exercée par l'Office des poursuites du district de Morges (ci-après: l'office) à l'instance de la Banque B. et de l'Etablissement BGE 141 III 141 S. 142 cantonal d'assurance contre les incendies et les éléments naturels (ci-après: l'ECA), respectivement créancière hypothécaire en premier rang et bénéficiaire d'hypothèques légales privilégiées. B. Par pli recommandé du 3 octobre 2013, l'office a communiqué aux intéressés, soit notamment à A., l'état des charges relatif à l'immeuble grevé, avis leur étant donné que les charges invoquées seraient censées reconnues aussi bien quant à leur existence que quant à leur échéance, leur étendue et leur rang, si elles n'étaient pas contestées à l'office dans les dix jours dès la réception dudit avis. L'état des charges mentionnait les hypothèques légales privilégiées en faveur de l'ECA, la cédule hypothécaire en premier rang de 700'000 fr. propriété de la Banque B., ainsi que quatre cédules hypothécaires au porteur grevant en deuxième rang la parcelle du débiteur. Ces dernières cédules, dont le porteur était inconnu, étaient chacune portées à l'état des charges pour le montant de leur capital, majoré des intérêts courant à compter du jour du dépôt de la réquisition de vente, soit dès le 5 janvier 2011, au taux d'intérêt de 10 % correspondant au taux maximum inscrit au Registre foncier. C. Par lettre du 21 octobre 2013, invoquant l' art. 140 LP, A. s'est opposé à l'état des charges, contestant le taux et le point de départ de l'intérêt arrêté pour les cédules en deuxième rang. Il a demandé l'application d'un intérêt de 5 % à partir du jour de la vente, faute de production des titres par le détenteur. L'office refusant de donner suite à cette requête, réitérée les 1 er novembre 2013 et 14 novembre 2013, A. a déposé une plainte pour déni de justice le 19 novembre 2013, qui n'a pas bénéficié de l'effet suspensif en dépit de nombreux recours jusqu'au Tribunal fédéral. L'immeuble, objet du gage, a été vendu aux enchères publiques le 13 décembre 2013 et adjugé à la Banque B. Le même jour, le poursuivi a déposé une plainte tendant à l'annulation de l'adjudication. Le 11 avril 2014, la Présidente du Tribunal d'arrondissement de La Côte, en sa qualité d'autorité inférieure de surveillance, a rejeté la plainte pour déni de justice du 19 novembre 2013. Par arrêt du 17 octobre 2014, la Cour des poursuites et faillites du Tribunal cantonal vaudois a rejeté le recours interjeté par A. et confirmé le prononcé entrepris. D. Saisi d'un recours en matière civile de A., le Tribunal fédéral l'a admis dans la mesure de sa recevabilité. Il a réformé l'arrêt entrepris BGE 141 III 141 S. 143 en ce sens que l'office a été invité à donner suite à l'opposition du 21 octobre 2013 dans le sens des considérants. (résumé) Erwägungen Extrait des considérants : 4. 4.2 A l'instar de l'état des charges dans la poursuite par voie de faillite ( art. 247 ss LP ; cf. ATF 119 III 84 consid. 2) - qui fait partie intégrante de l'état de collocation (art. 125 al. 2 de l'ordonnance du Tribunal fédéral du 23 avril 1920 sur la réalisation forcée des immeubles [ORFI; RS 281.42]) -, l'état des charges dans la poursuite par voie de saisie ou de réalisation de gage ( art. 140 et 156 al. 1 LP ; art. 34 ss et 102 ORFI ) est susceptible de plainte à l'autorité de surveillance ( art. 17 LP ) lorsque l'office des poursuites a violé des prescriptions formelles à l'occasion de son établissement ( ATF 120 III 20 consid. 1; arrêt 5A_275/2012 du 29 juin 2012 consid. 2.1 avec les citations; cf. pour la doctrine: INGRID JENT-SØRENSEN, Die Rechtsdurchsetzung bei der Grundstückverwertung in der Spezialexekution, 2003, p. 134 ss et les nombreuses références). En revanche, l'action en épuration de l'état des charges est ouverte lorsque le demandeur entend contester l'existence, l'étendue, le rang ou l'exigibilité d'un droit inscrit à l'état des charges ( art. 37 al. 2 ORFI ; JENT-SØRENSEN, op. cit., p. 178 ss; FRANÇOIS BOHNET, Actions civiles, 2014, § 124 avec les références). Cette distinction est consacrée de longue date par la jurisprudence (cf. notamment: ATF 30 I 148 consid. 1; 38 I 273 ; 43 III 302 consid. 1; 57 III 131 consid. 1; ATF 140 III 234 consid. 3.1). La contestation ne doit pas être motivée et ne doit pas non plus indiquer si elle porte sur la créance même, le droit de gage, le rang ou l'exigibilité (JENT-SØRENSEN, op. cit., n. 363 ss p. 151 ss; GERHARD KUHN, in Commentaire ORFI, 2012, n° 6 ad art. 37 ORFI et les références). 4.3 En l'espèce, selon l'arrêt entrepris, invoquant l' art. 140 LP, le recourant a "contesté le taux d'intérêt calculé aux cédules de deuxième rang" ainsi que la date de départ des intérêts au 5 janvier 2011. Plus particulièrement, il a fait valoir que devait figurer à l'état des charges l'intérêt moratoire ordinaire de 5 %, ainsi qu'il en allait pour la Banque B., et que les intérêts devaient courir dès le jour de la vente, dès lors que le détenteur des titres ne les avait pas produits. Face à une telle requête, la Cour des poursuites et faillites ne pouvait se retrancher, par renvoi aux motifs de l'autorité inférieure de BGE 141 III 141 S. 144 surveillance, derrière l'obligation, découlant de l' art. 36 al. 2 ORFI (cf. aussi ATF 112 III 102 consid. 1; ATF 121 III 24 consid. 2b et les références), pour l'office de porter à l'état des charges celles figurant dans l'extrait du Registre foncier. Il ne ressort pas du courrier du recourant que celui-ci aurait reproché à l'office d'avoir porté à l'état des charges le taux de 10 % ou qu'il se serait prévalu d'un autre défaut de nature formelle, comme une erreur de report ou une transcription peu claire ou incomplète, griefs pouvant faire l'objet d'une plainte. Il apparaît qu'il s'est plaint de l'application à la créance du taux d'intérêt de 10 % tel qu'il résultait du Registre foncier et du point de départ des intérêts. Contrairement à ce qu'a retenu l'autorité cantonale, il s'en est ainsi pris à l'étendue de la créance garantie (cf. art. 818 CC ; cf. PIERRE-ROBERT GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, vol. II, 2000, n° 53 ad art. 140 LP ; DÜRR/ZOLLINGER, Zürcher Kommentar, 2 e éd. 2013, n os 6 et 12 ad art. 818 CC ), grief qui déclenchait l'ouverture de la procédure d'épuration des charges conformément aux art. 106-109 LP (art. 140 al. 2, 2 e phrase, LP; ATF 112 III 109 consid. 4a; arrêt 5A_272/2014 du 21 juillet 2014 consid. 4.1). Selon l' art. 39, 1 re phrase, ORFI, applicable par renvoi de l' art. 102 ORFI, l'office devait ainsi procéder conformément à l' art. 107 al. 5 LP, soit répartir les rôles dans la procédure d'épuration de l'état des charges (cf. pour les principes de répartition: art. 39, 2 e phrase, ORFI; arrêt 5A_272/2014 du 21 juillet 2014 consid. 4.1) et assigner un délai péremptoire de vingt jours au demandeur pour ouvrir action (BOHNET, op. cit., p. 1366).
Urteilskopf
20. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A. contre Banque B. et Etablissement d'assurance contre l'incendie et les éléments naturels du canton de Vaud (ECA) (recours en matière civile)
5A_852/2014 du 23 mars 2015
Regeste Art. 17 und 140 Abs. 2 SchKG, Art. 39 VZG ; Lastenverzeichnis, Rechtsweg. Unterscheidung zwischen Beschwerde und Lastenbereinigungsklage; Form der Bestreitung (E. 4.2). Rechtsweg im Fall, dass der Schuldner die Anwendung des im Grundbuch eingetragenen Zinssatzes auf die Forderung und den Beginn des Zinsenlaufs bestreitet (E. 4.3).
Regeste
Art. 17 und 140 Abs. 2 SchKG, Art. 39 VZG ; Lastenverzeichnis, Rechtsweg. Unterscheidung zwischen Beschwerde und Lastenbereinigungsklage; Form der Bestreitung (E. 4.2). Rechtsweg im Fall, dass der Schuldner die Anwendung des im Grundbuch eingetragenen Zinssatzes auf die Forderung und den Beginn des Zinsenlaufs bestreitet (E. 4.3).
Art. 17 und 140 Abs. 2 SchKG Art. 39 VZG Unterscheidung zwischen Beschwerde und Lastenbereinigungsklage; Form der Bestreitung (E. 4.2).
Rechtsweg im Fall, dass der Schuldner die Anwendung des im Grundbuch eingetragenen Zinssatzes auf die Forderung und den Beginn des Zinsenlaufs bestreitet (E. 4.3).
Sachverhalt ab Seite 141
Sachverhalt ab Seite 141 BGE 141 III 141 S. 141
BGE 141 III 141 S. 141
A. A. fait l'objet de la poursuite en réalisation de gage immobilier n° x exercée par l'Office des poursuites du district de Morges (ci-après: l'office) à l'instance de la Banque B. et de l'Etablissement BGE 141 III 141 S. 142 cantonal d'assurance contre les incendies et les éléments naturels (ci-après: l'ECA), respectivement créancière hypothécaire en premier rang et bénéficiaire d'hypothèques légales privilégiées.
A. BGE 141 III 141 S. 142
B. Par pli recommandé du 3 octobre 2013, l'office a communiqué aux intéressés, soit notamment à A., l'état des charges relatif à l'immeuble grevé, avis leur étant donné que les charges invoquées seraient censées reconnues aussi bien quant à leur existence que quant à leur échéance, leur étendue et leur rang, si elles n'étaient pas contestées à l'office dans les dix jours dès la réception dudit avis.
B. L'état des charges mentionnait les hypothèques légales privilégiées en faveur de l'ECA, la cédule hypothécaire en premier rang de 700'000 fr. propriété de la Banque B., ainsi que quatre cédules hypothécaires au porteur grevant en deuxième rang la parcelle du débiteur. Ces dernières cédules, dont le porteur était inconnu, étaient chacune portées à l'état des charges pour le montant de leur capital, majoré des intérêts courant à compter du jour du dépôt de la réquisition de vente, soit dès le 5 janvier 2011, au taux d'intérêt de 10 % correspondant au taux maximum inscrit au Registre foncier.
C. Par lettre du 21 octobre 2013, invoquant l' art. 140 LP, A. s'est opposé à l'état des charges, contestant le taux et le point de départ de l'intérêt arrêté pour les cédules en deuxième rang. Il a demandé l'application d'un intérêt de 5 % à partir du jour de la vente, faute de production des titres par le détenteur.
C. art. 140 LP L'office refusant de donner suite à cette requête, réitérée les 1 er novembre 2013 et 14 novembre 2013, A. a déposé une plainte pour déni de justice le 19 novembre 2013, qui n'a pas bénéficié de l'effet suspensif en dépit de nombreux recours jusqu'au Tribunal fédéral.
L'immeuble, objet du gage, a été vendu aux enchères publiques le 13 décembre 2013 et adjugé à la Banque B. Le même jour, le poursuivi a déposé une plainte tendant à l'annulation de l'adjudication.
Le 11 avril 2014, la Présidente du Tribunal d'arrondissement de La Côte, en sa qualité d'autorité inférieure de surveillance, a rejeté la plainte pour déni de justice du 19 novembre 2013.
Par arrêt du 17 octobre 2014, la Cour des poursuites et faillites du Tribunal cantonal vaudois a rejeté le recours interjeté par A. et confirmé le prononcé entrepris.
D. Saisi d'un recours en matière civile de A., le Tribunal fédéral l'a admis dans la mesure de sa recevabilité. Il a réformé l'arrêt entrepris BGE 141 III 141 S. 143 en ce sens que l'office a été invité à donner suite à l'opposition du 21 octobre 2013 dans le sens des considérants.
D. BGE 141 III 141 S. 143
(résumé)
Erwägungen
Erwägungen Extrait des considérants :
4.
4. 4.2 A l'instar de l'état des charges dans la poursuite par voie de faillite ( art. 247 ss LP ; cf. ATF 119 III 84 consid. 2) - qui fait partie intégrante de l'état de collocation (art. 125 al. 2 de l'ordonnance du Tribunal fédéral du 23 avril 1920 sur la réalisation forcée des immeubles [ORFI; RS 281.42]) -, l'état des charges dans la poursuite par voie de saisie ou de réalisation de gage ( art. 140 et 156 al. 1 LP ; art. 34 ss et 102 ORFI ) est susceptible de plainte à l'autorité de surveillance ( art. 17 LP ) lorsque l'office des poursuites a violé des prescriptions formelles à l'occasion de son établissement ( ATF 120 III 20 consid. 1; arrêt 5A_275/2012 du 29 juin 2012 consid. 2.1 avec les citations; cf. pour la doctrine: INGRID JENT-SØRENSEN, Die Rechtsdurchsetzung bei der Grundstückverwertung in der Spezialexekution, 2003, p. 134 ss et les nombreuses références). En revanche, l'action en épuration de l'état des charges est ouverte lorsque le demandeur entend contester l'existence, l'étendue, le rang ou l'exigibilité d'un droit inscrit à l'état des charges ( art. 37 al. 2 ORFI ; JENT-SØRENSEN, op. cit., p. 178 ss; FRANÇOIS BOHNET, Actions civiles, 2014, § 124 avec les références). Cette distinction est consacrée de longue date par la jurisprudence (cf. notamment: ATF 30 I 148 consid. 1; 38 I 273 ; 43 III 302 consid. 1; 57 III 131 consid. 1; ATF 140 III 234 consid. 3.1).
4.2 art. 247 ss LP art. 140 et 156 al. 1 LP art. 34 ss et 102 ORFI art. 17 LP art. 37 al. 2 ORFI ATF 30 I 148 38 I 273 43 III 302 57 III 131 La contestation ne doit pas être motivée et ne doit pas non plus indiquer si elle porte sur la créance même, le droit de gage, le rang ou l'exigibilité (JENT-SØRENSEN, op. cit., n. 363 ss p. 151 ss; GERHARD KUHN, in Commentaire ORFI, 2012, n° 6 ad art. 37 ORFI et les références). art. 37 ORFI 4.3 En l'espèce, selon l'arrêt entrepris, invoquant l' art. 140 LP, le recourant a "contesté le taux d'intérêt calculé aux cédules de deuxième rang" ainsi que la date de départ des intérêts au 5 janvier 2011. Plus particulièrement, il a fait valoir que devait figurer à l'état des charges l'intérêt moratoire ordinaire de 5 %, ainsi qu'il en allait pour la Banque B., et que les intérêts devaient courir dès le jour de la vente, dès lors que le détenteur des titres ne les avait pas produits.
4.3 art. 140 LP Face à une telle requête, la Cour des poursuites et faillites ne pouvait se retrancher, par renvoi aux motifs de l'autorité inférieure de BGE 141 III 141 S. 144 surveillance, derrière l'obligation, découlant de l' art. 36 al. 2 ORFI (cf. aussi ATF 112 III 102 consid. 1; ATF 121 III 24 consid. 2b et les références), pour l'office de porter à l'état des charges celles figurant dans l'extrait du Registre foncier. Il ne ressort pas du courrier du recourant que celui-ci aurait reproché à l'office d'avoir porté à l'état des charges le taux de 10 % ou qu'il se serait prévalu d'un autre défaut de nature formelle, comme une erreur de report ou une transcription peu claire ou incomplète, griefs pouvant faire l'objet d'une plainte. Il apparaît qu'il s'est plaint de l'application à la créance du taux d'intérêt de 10 % tel qu'il résultait du Registre foncier et du point de départ des intérêts. Contrairement à ce qu'a retenu l'autorité cantonale, il s'en est ainsi pris à l'étendue de la créance garantie (cf. art. 818 CC ; cf. PIERRE-ROBERT GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, vol. II, 2000, n° 53 ad art. 140 LP ; DÜRR/ZOLLINGER, Zürcher Kommentar, 2 e éd. 2013, n os 6 et 12 ad art. 818 CC ), grief qui déclenchait l'ouverture de la procédure d'épuration des charges conformément aux art. 106-109 LP (art. 140 al. 2, 2 e phrase, LP; ATF 112 III 109 consid. 4a; arrêt 5A_272/2014 du 21 juillet 2014 consid. 4.1). Selon l' art. 39, 1 re phrase, ORFI, applicable par renvoi de l' art. 102 ORFI, l'office devait ainsi procéder conformément à l' art. 107 al. 5 LP, soit répartir les rôles dans la procédure d'épuration de l'état des charges (cf. pour les principes de répartition: art. 39, 2 e phrase, ORFI; arrêt 5A_272/2014 du 21 juillet 2014 consid. 4.1) et assigner un délai péremptoire de vingt jours au demandeur pour ouvrir action (BOHNET, op. cit., p. 1366).
BGE 141 III 141 S. 144
art. 36 al. 2 ORFI art. 818 CC art. 140 LP art. 818 CC art. 106-109 LP art. 39, 1 re art. 102 ORFI art. 107 al. 5 LP
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Urteilskopf 141 III 145 21. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A.A. contre B.A. (recours en matière civile) 5A_278/2014 du 29 janvier 2015 Regeste Art. 206 Abs. 1 und Art. 209 Abs. 3 ZGB ; Schicksal des konjunkturellen Mehrwerts einer Liegenschaft, der auf einen Vorbezug von Freizügigkeitsguthaben entfällt; Auflösung des Güterstandes vor Eintritt eines Vorsorgefalls. Bis zum Eintritt eines Vorsorgefalls ist ein Vorbezug wie ein von der Vorsorgeeinrichtung gewährtes Darlehen zu behandeln; bei der Auflösung des Güterstandes ist der auf den Vorbezug entfallende Mehrwert gleich zu behandeln wie der Mehrwert, der auf ein ausstehendes Hypothekardarlehen entfällt (E. 3 und 4). Sachverhalt ab Seite 146 BGE 141 III 145 S. 146 A. A.A., né en 1954, et B.A. née en 1964, se sont mariés à Cologny (Genève) le 7 août 1998. Les époux sont soumis au régime matrimonial de la participation aux acquêts. Le 22 mars 2002, les époux ont acquis un appartement en triplex de 300 m 2 habitables, avec un jardin de 180 m 2, ainsi que deux places de parc intérieures, sis dans une copropriété de la commune de X. (Genève), pour un prix de 1'100'000 fr. Il résulte de l'acte notarié et de la facture du notaire que ce prix de vente ne comprend pas les plus-values convenues entre les parties, soit des travaux supplémentaires de 61'000 fr., le rachat d'une cédule hypothécaire de 850'000 fr. moyennant le remboursement des frais de constitution de 10'200 fr., ainsi que les frais et honoraires du notaire de 50'243 fr. 80. Les époux sont inscrits au Registre foncier en tant que copropriétaires du bien immobilier à raison de la moitié chacun. Cette acquisition a été financée par un emprunt hypothécaire de 910'000 fr., dont les époux sont codébiteurs solidaires, lequel a été porté par la suite à 1'010'000 fr., sans toutefois que l'affectation du crédit supplémentaire ait été établie, et par un versement anticipé de 310'950 fr. de l'institution de prévoyance professionnelle de l'époux. Il est admis que, sur ce montant, seuls 69'589 fr. 80 ont été accumulés après le mariage, de sorte qu'un montant de 241'360 fr. correspond à des avoirs constitués avant le mariage. Les parties ont convenu que la valeur actuelle de cet appartement est de 2'600'000 fr. B. Par jugement du 30 janvier 2013, le Tribunal de première instance du canton de Genève a notamment dissous par le divorce le mariage contracté par A.A. et B.A., attribué à l'époux la propriété exclusive de l'appartement sis à X., ordonné la modification des inscriptions du Registre foncier en conséquence, et condamné le mari à verser à l'épouse, à titre de liquidation du régime matrimonial, la somme de 696'939 fr. Statuant sur appel de l'époux par arrêt du 13 février 2014, la Cour de justice a réformé le jugement entrepris en ce sens que A.A. est condamné à verser à B.A. la somme de 680'926 fr. à titre de liquidation du régime matrimonial. C. Saisi d'un recours en matière civile de A.A., le Tribunal fédéral a statué sur la cause en séance publique le 29 janvier 2015. (résumé) BGE 141 III 145 S. 147 Erwägungen Extrait des considérants: 3. Le recourant invoque la violation des art. 206 al. 1 et 209 al. 3 CC en lien avec le sort de la plus-value conjoncturelle engendrée par l'immeuble des époux. 3.1 La cour cantonale a tout d'abord constaté que les parties s'accordaient sur la valeur vénale actuelle de l'immeuble de 2'600'000 fr. et que cet immeuble avait été financé à hauteur de 1'010'000 fr. par un emprunt hypothécaire et de 310'950 fr. par un versement anticipé de l'institution de prévoyance professionnelle de l'époux; la plus-value engendrée par l'immeuble était donc de 1'279'050 fr. ([2'600'000 fr. - 1'010'000 fr. - 310'950 fr.]). Elle a ensuite jugé que cette somme devait être partagée par moitié entre les époux, compte tenu de leur qualité de copropriétaires pour moitié chacun et de la jurisprudence ( ATF 138 III 150 ); l'époux devait ainsi à l'intimée la somme de 639'525 fr. La cour a ensuite intégré l'immeuble, attribué en pleine propriété à l'époux, à la masse des acquêts de ce dernier à la valeur de 2'600'000 fr., dès lors qu'il avait été acquis à titre onéreux pendant le régime ( art. 197 al. 1 et art. 200 al. 3 CC ). L'emprunt hypothécaire de même que le versement anticipé des avoirs de prévoyance professionnelle de l'époux, qu'elle a considéré comme un prêt, grevaient en conséquence la masse des acquêts. Elle a enfin estimé que, dans la mesure où les biens propres de l'époux n'avaient fait aucune contribution effective, il n'y avait pas lieu à récompense variable. Dès lors, l'indemnité de 639'525 fr. revenant à l'épouse dans la liquidation de la copropriété de l'immeuble devait grever les acquêts de l'époux, auxquels était attribué l'immeuble. Elle devait ainsi être attribuée à la masse des acquêts de l'épouse ( art. 200 al. 3 CC ). 3.2 Le recourant fait valoir que la plus-value afférente à la part du versement anticipé de ses avoirs de prévoyance professionnelle constitués au moyen de ses revenus accumulés avant le mariage doit profiter à ses biens propres et non pas, comme l'a retenu la Cour de justice, à ses acquêts et à ceux de son ex-épouse. Ses biens propres aurait ainsi une créance - ascendant à 280'623 fr. 60 [21,94 % de la plus-value de 1'279'050 fr.] - contre ses acquêts et ceux de son épouse. Il y aurait lieu de retrancher cette créance du montant alloué à l'épouse par la Cour de justice au titre de la liquidation du régime matrimonial. BGE 141 III 145 S. 148 4. La question qui se pose porte sur le sort de la plus-value conjoncturelle d'un immeuble afférente à un versement anticipé de la prestation de libre passage lors de la dissolution du régime avant la survenance d'un cas de prévoyance. Le Tribunal fédéral n'a jamais été amené à se prononcer sur cette question. 4.1 Pour déterminer le bénéfice de chaque époux (cf. art. 210 CC ), les patrimoines des époux sont dissociés (art. 205 s. CC), et les acquêts ( art. 197 CC ) et les biens propres ( art. 198 CC ) de chaque époux disjoints ( art. 207 al. 1 CC ). Tous les biens qui constituent la fortune des époux doivent être attribués à l'une ou à l'autre masse. Chaque bien d'un époux est rattaché exclusivement à une seule masse ( ATF 132 III 145 consid. 2.2.1; cf. également ATF 141 III 53 consid. 5.4 p. 59). Les art. 206 et 209 al. 3 CC instaurent le partage entre les époux, d'une part, et entre les masses d'un époux, d'autre part, des plus-values conjoncturelles, soit celles qui résultent des forces du marché sans apport du propriétaire du bien ( ATF 132 III 145 consid. 2.3; ATF 131 III 252 consid. 3; ATF 141 III 53 précité consid. 5.4 p. 59; arrêts 5A_279/2013 du 10 juillet 2013 consid. 3.1 et 3.2, résumé in FamPra.ch 2013 p. 1022; 5C.81/2001 du 14 janvier 2002 consid. 5b, in Pra 2002 n° 69 p. 392 et RNRF 84/2003 p. 250). Seule la plus-value tombant dans les acquêts d'un époux est partagée avec l'autre. 4.2 En vertu des art. 30c s. LPP (pour le deuxième pilier A) et 331e CO (pour le deuxième pilier B), l'assuré peut faire valoir auprès de son institution de prévoyance le droit au versement d'un montant pour la propriété d'un logement pour ses propres besoins. Lorsqu'il est marié, il doit obtenir le consentement écrit de son conjoint. En cas de vente du logement, il doit rembourser le produit réalisé. 4.2.1 Au sujet de l'encouragement à l'accession à la propriété du logement au moyen de la prévoyance professionnelle, le Message du Conseil fédéral mentionne uniquement que, du point de vue des régimes matrimoniaux, le logement doit être traité comme s'il avait été acquis au moyen d'un prêt. Lorsqu'un cas de prévoyance est déjà survenu avant le divorce pour le preneur d'assurance, l'argent n'est plus bloqué et les fonds investis dans le logement doivent être traités dans le cadre de la liquidation du régime matrimonial, comme en cas de versement en espèces (Message du 15 novembre 1995 concernant la révision du Code civil suisse, FF 1996 I 1 ss, 113 ch. 233.45). BGE 141 III 145 S. 149 4.2.2 Dans sa majorité, la doctrine s'accorde aussi à considérer que, jusqu'à la survenance d'un cas de prévoyance, le versement anticipé doit être considéré comme un prêt de l'institution de prévoyance. Elle avance comme argument principal que le versement anticipé se rapporte à une expectative, que l'assuré n'est pas sûr de pouvoir conserver, de sorte qu'il ne doit pas être comptabilisé dans le régime, ce contrairement aux prestations effectives faites à un époux suite à un cas de prévoyance, qui, elles, entrent dans les acquêts, quelle que soit la masse qui a payé les cotisations et même si celles-ci ont été payées avant le régime ( art. 197 al. 2 ch. 2 CC ); la réglementation des effets du divorce confirme indirectement que le droit à des rentes futures n'est pas pris en compte lors de la liquidation du régime puisque, dans ce cas, un partage des prestations de sortie acquises pendant le mariage est spécialement réglé par les art. 122 ss CC. (cf. art. 197 ss CC ; cf. surtout, BADDELEY, La plus-value du logement acquis par des époux: répartition en cas d'utilisation des avoirs de la prévoyance professionnelle, Jusletter 8 décembre 2008 n. 27 et 32; BÄDER FEDERSPIEL, Wohneigentumsförderung und Scheidung [ci-après: Wohneigentumsförderung], 2008, n. 50 s., 91 ss, 111 et les références; GEISER, Le nouveau droit du divorce et les droits en matière de prévoyance professionnelle, in De l'ancien au nouveau droit du divorce, Pfister-Liechti [éd.], 1999, p. 53 ss, 73; STEINAUER, Le statut dans la participation aux acquêts d'un immeuble acquis au moyen d'un versement anticipé du deuxième pilier [ci-après: Participation], in Soziale Sicherheit - Soziale Unsicherheit, 2010, p. 857 ss, 859 ss et les références; d'autres auteurs préconisent l'attribution du bien en fonction des avoirs accumulés avant et après le mariage: cf. SANDOZ, Prévoyance professionnelle et divorce [ci-après: Prévoyance], in Le droit du divorce: Questions actuelles et besoin de réforme, Pichonnaz/Rumo-Jungo [éd.], 2008, p. 35 ss, 54 s.; SCHAI, Vorbezüge aus der zweiten Säule für Wohneigentum im Scheidungsfall, BJM 2006 p. 57 ss, 87 ss; SUTTER-SOMM/KOBEL, Ist das schweizerische Ehegüterrecht revisionsbedürftig?, FamPra.ch 2004 p. 776 ss, 788 ss). 4.2.3 En revanche, la doctrine est plus divisée sur la question du sort de la plus-value conjoncturelle afférente au versement anticipé. On peut distinguer principalement quatre courants (pour une présentation complète, cf. not. BÄDER FEDERSPIEL, Wohneigentumsförderung, op.cit., n. 153 ss; la même, Vorbezüge für Wohneigentum in der güterrechtlichen Auseinandersetzung bei Scheidung [ci-après: Vorbezüge], FamPra.ch 2009 p. 807 ss, 815 ss;STEINAUER, Participation, op. cit., p. 867 ss). BGE 141 III 145 S. 150 Un premier courant majoritaire, insistant sur le fait qu'il s'agit de fonds prêtés par un tiers pour lesquels la masse débitrice sur le plan interne n'a pas eu la charge d'intérêts, propose que le traitement de la plus-value afférente au versement anticipé soit le même que celui appliqué à la plus-value afférente à un emprunt hypothécaire non remboursé; il s'agirait ainsi de répartir la plus-value afférente au versement anticipé entre les biens propres et les acquêts de l'époux assuré proportionnellement aux contributions effectives que chacune de ces masses a faites pour financer l'acquisition du logement (sur cette méthode lors d'un emprunt hypothécaire: ATF 132 III 145 consid. 2.3; ATF 123 III 152 consid. 6b/bb; STEINAUER, Deuxième pilier, versement anticipé et régimes matrimoniaux [ci-après: Deuxième pilier], in Deuxième pilier et épargne privée en droit du divorce, Pichonnaz/Rumo-Jungo [éd.], 2010, p. 1 ss, 38 s.; le même, Participation, op. cit., p. 870 s.; DESCHENAUX/STEINAUER/BADDELEY, Les effets du mariage, 2 e éd. 2009, n. 1294c p. 593 s.; cf. aussi, AEBI-MÜLLER, Vorbezüge für Wohneigentum bei Scheidung: Wer trägt den Zinsverlust?, RJB 137/2001 p. 132 ss, 134; la même, Die optimale Begünstigung des überlebenden Ehegatten, 2 e éd. 2007, n. 03.40; BÄDER FEDERSPIEL, Wohneigentumsförderung, op. cit., n. 154 ss et 180; la même, Vorbezüge, op. cit., p. 818 ss et 825 ss; GEISER, Vorsorgeausgleich: Aufteilung bei Vorbezug für Wohneigentumserwerb und nach Eintreten eines Vorsorgefalls, FamPra.ch 2002 p. 83 ss, 93; HAUSHEER/AEBI-MÜLLER, in Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, vol. I, 5 e éd. 2014, n° 30a ad art. 209 CC ; HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Berner Kommentar, 1996, n° 16 ad art. 237 CC ; KOLLER, Familien- und Erbrecht und Vorsorge, recht Studienheft 4, 1997 p. 10; WOLF, Grundstücke in der güter- und erbrechtlichen Auseinandersetzung, RJB 136/2000 p. 241 ss, 254 s.). Un deuxième courant important est d'avis qu'il convient, soit pour des raisons d'équité, soit au motif que le prêt de l'institution de prévoyance se distingue d'un prêt ordinaire en tant que l'époux propriétaire utilise des droits qu'il a accumulés et s'apparente à un apport en fonds propres, de tenir compte de l'origine des fonds prêtés par l'institution de prévoyance. Il propose de répartir la plus-value liée au versement anticipé entre les propres et les acquêts de l'époux assuré selon que les avoirs de prévoyance ont été accumulés avant ou après le mariage. Ainsi, seule la part du versement anticipé correspondant à des avoirs de prévoyance accumulés pendant le régime doit être considérée comme un acquêt (BÜCHLER/VETTERLI, Ehe, Partnerschaft, Kinder, Eine Einführung in das Familienrecht der Schweiz, BGE 141 III 145 S. 151 2 e éd. 2011, p. 71; KOBEL, Immobilien in der güterrechtlichen Auseinandersetzung, 2007, p. 131 s.; PICHONNAZ/RUMO-JUNGO, Prévoyance et droit patrimonial de la famille, in Droit patrimonial de la famille, 2004, p. 1 ss, 14; SANDOZ, Prévoyance, op. cit., p. 48 ss et 54 s.; la même, Prévoyance professionnelle et acquisition du logement par des personnes mariées, in Privatrecht im Spannungsfeld zwischen gesellschaftlichem Wandel und ethischer Verantwortung, 2002, p. 315 ss, 322 et 327 ss; SCHAI, op. cit., p. 87 ss]). Ces auteursestiment par conséquent que la plus-value doit être considérée comme un acquêt pour la part du versement correspondant à des avoirs de libre passage accumulés pendant le régime de la participation aux acquêts et comme un propre dans l'hypothèse où ces fonds proviennent d'avoirs accumulés avant le mariage. Un auteur propose une solution mixte, conjuguant ces deux principaux courants. Il est d'avis que la part du versement anticipé provenant d'avoirs de prévoyance accumulés avant le mariage doit être assimilée à des biens propres et ajoutée aux biens propres investis dans l'immeuble, celle provenant des avoirs accumulés après le mariage augmentant les acquêts investis dans l'immeuble. Chaque masse bénéficie ensuite de la plus-value en proportion de son "investissement" dans l'immeuble (BADDELEY, op. cit., n. 67 ss; cf. DESCHENAUX/STEINAUER/BADDELEY, op. cit., n. 1294b p. 593). Enfin, un quatrième et dernier courant, minoritaire, considère que la plus-value afférente au versement anticipé doit profiter aux acquêts par application analogique de l' art. 197 al. 2 ch. 2 CC, au motif que les fonds prêtés sont liés à la prévoyance (MOSER, Zum Leistungs- und Koordinationsrecht aus Sicht der beruflichen Vorsorge - Betrachtungen anhand eines praktischen Anwendungsbeispiels [unter Einbezug möglicher scheidungsrechtlicher Aspekte], RSAS 1997 p. 362 ss, 392; REUSSER, Die Vorsorge für die geschiedene Ehefrau unter besonderer Berücksichtigung von Art. 22 des neuen Freizügigkeitsgesetzes, PJA 1994 p. 1510 ss, 1517; TRIGO TRINDADE, Prévoyance professionnelle, divorce et succession, SJ 2000 II p. 467 ss, 486). 4.3 La doctrine majoritaire doit être suivie tant en ce qui concerne le statut matrimonial de l'immeuble financé par un versement anticipé (infra consid. 4.3.1) qu'en ce qui concerne le sort de la plus-value conjoncturelle de l'immeuble afférente à ce versement (infra consid. 4.3.2). 4.3.1 Ainsi, jusqu'à la survenance d'un cas de prévoyance, le versement anticipé, qui se rapporte à une expectative (consid. 4.3.2.1 BGE 141 III 145 S. 152 infra), doit être considéré comme un prêt de l'institution de prévoyance (supra consid. 4.2.1 et 4.2.2). Il n'exerce donc pas d'influence sur le rattachement de l'immeuble à l'actif d'une des masses de l'acquéreur; ce rattachement obéit aux règles ordinaires ( art. 197 ss CC ). L'immeuble est intégré à la masse de l'époux propriétaire qui, lors de l'acquisition, a apporté la contribution au comptant la plus importante ou, en cas d'égalité, aux acquêts ( art. 200 al. 3 CC ); l'immeuble acquis entièrement à crédit pendant le mariage entre dans les acquêts (arrêt 5A_111/2007 du 8 janvier 2008 consid. 4.2.3, in FamPra.ch 2008 p. 380). Le versement anticipé grève à titre de dette la masse à laquelle l'immeuble est rattaché ( art. 209 al. 2 CC ; ATF 132 III 145 consid. 2.3.2). 4.3.2 Lorsque le régime matrimonial est dissous avant la survenance d'un cas de prévoyance, les règles valant pour les dettes hypothécaires ( ATF 132 III 145 ) s'appliquent, la plus-value afférente au versement anticipé étant ainsi répartie selon la contribution effective de chacune des masses de l'acquéreur au financement de l'immeuble. 4.3.2.1 Cette conclusion se justifie principalement du fait qu'aussi longtemps qu'un cas de prévoyance n'est pas survenu, le versement anticipé se rapporte à une expectative et, dès lors qu'il n'est pas certain que celle-ci s'actualisera un jour, il n'est pas sûr que ce versement puisse être conservé. Dans ces conditions, une application analogique de l' art. 197 al. 2 ch. 2 CC et l'attribution de la plus-value exclusivement aux acquêts (quatrième courant doctrinal) ou selon l'origine des fonds qui ont permis de constituer le versement anticipé (deuxième et troisième courants doctrinaux) ne peut être approuvée. Une telle solution reviendrait en effet à considérer la survenance d'un cas de prévoyance comme acquise alors que ce point est encore indécis au moment où se pose la question de la répartition (STEINAUER, Participation, op. cit., p. 870; BÄDER FEDERSPIEL, Wohneigentumsförderung, op. cit., n. 170). 4.3.2.2 Il faut également opposer aux propositions doctrinales qui prennent en considération l'origine des fonds prêtés que le principe de la subrogation patrimoniale, que l'on retrouve en matière de régimes matrimoniaux, ne s'applique pas dans le cadre de la prévoyance professionnelle: le versement anticipé se substitue en effet à l'expectative dont dispose l'assuré contre l'institution de prévoyance, mais non aux versements effectués par l'intéressé en faveur de dite institution (BÄDER FEDERSPIEL, Wohneigentumsförderung, op. cit., n. 179). Prendre en considération l'origine des fonds constituant le versement BGE 141 III 145 S. 153 anticipé serait au demeurant paradoxal dans la mesure où, même lorsqu'un cas de prévoyance se produit, l' art. 197 al. 2 ch. 2 CC ignore cette origine, le versement de l'institution de prévoyance entrant entièrement dans les acquêts (STEINAUER, Participation, op. cit., p. 871; le même, Deuxième pilier, op. cit., p. 39). Il est vrai que, suite à un divorce, l'origine des fonds est prise en compte par les art. 122 ss CC lorsqu'il s'agit de partager la prestation de sortie; de même, dans son Message du 29 mai 2013 concernant la révision du code civil suisse (Partage de la prévoyance professionnelle en cas de divorce), le Conseil fédéral estime qu'en cas de versement anticipé, la perte d'intérêts ainsi que la diminution de capital liée à une vente à perte ou sans bénéfice de l'immeuble doivent être répartis proportionnellement entre l'avoir de prévoyance acquis avant le mariage et l'avoir constitué durant le mariage (FF 2013 4341 ss [ch. 2.6 ad art. 22a de la loi sur le libre passage, p. 4393 s.]; contra, mais seulement pour la diminution de capital: ATF 132 V 332 consid. 4.3.2 et 4.3.3; laissent la question ouverte s'agissant du traitement de la perte d'intérêts: ATF 132 V 332 consid. 4.4; ATF 135 V 436 consid. 4.4). Il ne faut cependant pas perdre de vue que le partage de la prestation de sortie est ordonné en dehors de toute considération liée au régime matrimonial (notamment: ATF 128 V 41 consid. 2d; WALSER, in Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, vol. I, 5 e éd. 2014, n° 2 ad art. 122 CC ; STEINAUER, Participation, op. cit., p. 871; BÄDER FEDERSPIEL, Wohneigentumsförderung, op. cit., n. 179) dans la seule perspective du divorce, afin de compenser les pertes de prévoyance encourues en raison de la répartition des tâches durant le mariage et d'assurer l'indépendance économique des époux ( ATF 129 III 577 consid. 4.2.1; ATF 128 V 41 consid. 2d). Or la question de la répartition de la plus-value afférente au versement anticipé doit être reliée aux régimes matrimoniaux et se pose ainsi non seulement en cas de divorce, mais pour tous les cas de dissolution du régime. Les règles ordinaires doivent en conséquence l'emporter sur celles fondées sur le correctif introduit par l' art. 122 CC (STEINAUER, Participation, op. cit., p. 871; le même, Deuxième pilier, op. cit., p. 39; BÄDER FEDERSPIEL, Wohneigentumsförderung, op. cit., n. 179; cf. dans cette ligne également: ATF 135 V 436 consid. 3.3 qui retient qu'en cas de versement anticipé, l'impossibilité de réintégration des avoirs de prévoyance suite à une vente à perte de l'immeuble ainsi financé [ art. 30d al. 5 LPP ] doit être prise en considération dans la liquidation du régime matrimonial). BGE 141 III 145 S. 154 4.4 En l'espèce, l'arrêt cantonal ne viole donc pas le droit fédéral sur le point objet du grief soulevé par le recourant: le régime matrimonial du couple est celui de la participation aux acquêts, l'immeuble en cause a été acquis entièrement à crédit durant l'union conjugale en copropriété au moyen d'un emprunt bancaire contracté par les époux de manière solidaire ainsi que d'un versement anticipé du fonds de prévoyance du recourant, et la liquidation du régime matrimonial intervient avant qu'un cas de prévoyance ne soit survenu. Attribué au recourant, l'immeuble entre dans ses acquêts et la plus-value conjoncturelle intègre également cette masse de biens, sans qu'il y ait lieu à récompense en faveur de ses propres. La question d'une éventuelle créance variable envers l'épouse au sens de l' art. 206 CC n'a pas d'objet vu ces circonstances: les fonds de tiers investis dans l'immeuble sont totalement remboursés et toute valeur de l'immeuble constitue un acquêt, de sorte que la réalisation d'un bénéfice pour l'un des époux plutôt que par l'autre est sans importance sur le montant final revenant à chacun (cf. DESCHENAUX/STEINAUER/BADDELEY, op. cit., n. 1347 p. 616 s.). C'est ainsi à raison que l'autorité cantonale a considéré que chaque époux devait, en fin de compte, bénéficier de la moitié de la plus-value conjoncturelle afférente au versement anticipé. Le grief de la violation des art. 206 al. 1 et 209 al. 3 CC doit donc être rejeté.
Urteilskopf
21. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A.A. contre B.A. (recours en matière civile)
5A_278/2014 du 29 janvier 2015
Regeste Art. 206 Abs. 1 und Art. 209 Abs. 3 ZGB ; Schicksal des konjunkturellen Mehrwerts einer Liegenschaft, der auf einen Vorbezug von Freizügigkeitsguthaben entfällt; Auflösung des Güterstandes vor Eintritt eines Vorsorgefalls. Bis zum Eintritt eines Vorsorgefalls ist ein Vorbezug wie ein von der Vorsorgeeinrichtung gewährtes Darlehen zu behandeln; bei der Auflösung des Güterstandes ist der auf den Vorbezug entfallende Mehrwert gleich zu behandeln wie der Mehrwert, der auf ein ausstehendes Hypothekardarlehen entfällt (E. 3 und 4).
Regeste
Art. 206 Abs. 1 und Art. 209 Abs. 3 ZGB ; Schicksal des konjunkturellen Mehrwerts einer Liegenschaft, der auf einen Vorbezug von Freizügigkeitsguthaben entfällt; Auflösung des Güterstandes vor Eintritt eines Vorsorgefalls. Bis zum Eintritt eines Vorsorgefalls ist ein Vorbezug wie ein von der Vorsorgeeinrichtung gewährtes Darlehen zu behandeln; bei der Auflösung des Güterstandes ist der auf den Vorbezug entfallende Mehrwert gleich zu behandeln wie der Mehrwert, der auf ein ausstehendes Hypothekardarlehen entfällt (E. 3 und 4).
Art. 206 Abs. 1 und Art. 209 Abs. 3 ZGB Bis zum Eintritt eines Vorsorgefalls ist ein Vorbezug wie ein von der Vorsorgeeinrichtung gewährtes Darlehen zu behandeln; bei der Auflösung des Güterstandes ist der auf den Vorbezug entfallende Mehrwert gleich zu behandeln wie der Mehrwert, der auf ein ausstehendes Hypothekardarlehen entfällt (E. 3 und 4).
Sachverhalt ab Seite 146
Sachverhalt ab Seite 146 BGE 141 III 145 S. 146
BGE 141 III 145 S. 146
A. A.A., né en 1954, et B.A. née en 1964, se sont mariés à Cologny (Genève) le 7 août 1998.
A. Les époux sont soumis au régime matrimonial de la participation aux acquêts.
Le 22 mars 2002, les époux ont acquis un appartement en triplex de 300 m 2 habitables, avec un jardin de 180 m 2, ainsi que deux places de parc intérieures, sis dans une copropriété de la commune de X. (Genève), pour un prix de 1'100'000 fr. Il résulte de l'acte notarié et de la facture du notaire que ce prix de vente ne comprend pas les plus-values convenues entre les parties, soit des travaux supplémentaires de 61'000 fr., le rachat d'une cédule hypothécaire de 850'000 fr. moyennant le remboursement des frais de constitution de 10'200 fr., ainsi que les frais et honoraires du notaire de 50'243 fr. 80.
Les époux sont inscrits au Registre foncier en tant que copropriétaires du bien immobilier à raison de la moitié chacun.
Cette acquisition a été financée par un emprunt hypothécaire de 910'000 fr., dont les époux sont codébiteurs solidaires, lequel a été porté par la suite à 1'010'000 fr., sans toutefois que l'affectation du crédit supplémentaire ait été établie, et par un versement anticipé de 310'950 fr. de l'institution de prévoyance professionnelle de l'époux. Il est admis que, sur ce montant, seuls 69'589 fr. 80 ont été accumulés après le mariage, de sorte qu'un montant de 241'360 fr. correspond à des avoirs constitués avant le mariage.
Les parties ont convenu que la valeur actuelle de cet appartement est de 2'600'000 fr.
B. Par jugement du 30 janvier 2013, le Tribunal de première instance du canton de Genève a notamment dissous par le divorce le mariage contracté par A.A. et B.A., attribué à l'époux la propriété exclusive de l'appartement sis à X., ordonné la modification des inscriptions du Registre foncier en conséquence, et condamné le mari à verser à l'épouse, à titre de liquidation du régime matrimonial, la somme de 696'939 fr.
B. Statuant sur appel de l'époux par arrêt du 13 février 2014, la Cour de justice a réformé le jugement entrepris en ce sens que A.A. est condamné à verser à B.A. la somme de 680'926 fr. à titre de liquidation du régime matrimonial.
C. Saisi d'un recours en matière civile de A.A., le Tribunal fédéral a statué sur la cause en séance publique le 29 janvier 2015.
C. (résumé) BGE 141 III 145 S. 147
BGE 141 III 145 S. 147
Erwägungen
Erwägungen Extrait des considérants:
3. Le recourant invoque la violation des art. 206 al. 1 et 209 al. 3 CC en lien avec le sort de la plus-value conjoncturelle engendrée par l'immeuble des époux.
3. 3.1 La cour cantonale a tout d'abord constaté que les parties s'accordaient sur la valeur vénale actuelle de l'immeuble de 2'600'000 fr. et que cet immeuble avait été financé à hauteur de 1'010'000 fr. par un emprunt hypothécaire et de 310'950 fr. par un versement anticipé de l'institution de prévoyance professionnelle de l'époux; la plus-value engendrée par l'immeuble était donc de 1'279'050 fr. ([2'600'000 fr. - 1'010'000 fr. - 310'950 fr.]). Elle a ensuite jugé que cette somme devait être partagée par moitié entre les époux, compte tenu de leur qualité de copropriétaires pour moitié chacun et de la jurisprudence ( ATF 138 III 150 ); l'époux devait ainsi à l'intimée la somme de 639'525 fr.
3.1 La cour a ensuite intégré l'immeuble, attribué en pleine propriété à l'époux, à la masse des acquêts de ce dernier à la valeur de 2'600'000 fr., dès lors qu'il avait été acquis à titre onéreux pendant le régime ( art. 197 al. 1 et art. 200 al. 3 CC ). L'emprunt hypothécaire de même que le versement anticipé des avoirs de prévoyance professionnelle de l'époux, qu'elle a considéré comme un prêt, grevaient en conséquence la masse des acquêts. art. 197 al. 1 et art. 200 al. 3 CC Elle a enfin estimé que, dans la mesure où les biens propres de l'époux n'avaient fait aucune contribution effective, il n'y avait pas lieu à récompense variable. Dès lors, l'indemnité de 639'525 fr. revenant à l'épouse dans la liquidation de la copropriété de l'immeuble devait grever les acquêts de l'époux, auxquels était attribué l'immeuble. Elle devait ainsi être attribuée à la masse des acquêts de l'épouse ( art. 200 al. 3 CC ). art. 200 al. 3 CC 3.2 Le recourant fait valoir que la plus-value afférente à la part du versement anticipé de ses avoirs de prévoyance professionnelle constitués au moyen de ses revenus accumulés avant le mariage doit profiter à ses biens propres et non pas, comme l'a retenu la Cour de justice, à ses acquêts et à ceux de son ex-épouse. Ses biens propres aurait ainsi une créance - ascendant à 280'623 fr. 60 [21,94 % de la plus-value de 1'279'050 fr.] - contre ses acquêts et ceux de son épouse. Il y aurait lieu de retrancher cette créance du montant alloué à l'épouse par la Cour de justice au titre de la liquidation du régime matrimonial. BGE 141 III 145 S. 148
3.2 BGE 141 III 145 S. 148
4. La question qui se pose porte sur le sort de la plus-value conjoncturelle d'un immeuble afférente à un versement anticipé de la prestation de libre passage lors de la dissolution du régime avant la survenance d'un cas de prévoyance.
4. Le Tribunal fédéral n'a jamais été amené à se prononcer sur cette question.
4.1 Pour déterminer le bénéfice de chaque époux (cf. art. 210 CC ), les patrimoines des époux sont dissociés (art. 205 s. CC), et les acquêts ( art. 197 CC ) et les biens propres ( art. 198 CC ) de chaque époux disjoints ( art. 207 al. 1 CC ). Tous les biens qui constituent la fortune des époux doivent être attribués à l'une ou à l'autre masse. Chaque bien d'un époux est rattaché exclusivement à une seule masse ( ATF 132 III 145 consid. 2.2.1; cf. également ATF 141 III 53 consid. 5.4 p. 59).
4.1 art. 210 CC art. 197 CC art. 198 CC art. 207 al. 1 CC Les art. 206 et 209 al. 3 CC instaurent le partage entre les époux, d'une part, et entre les masses d'un époux, d'autre part, des plus-values conjoncturelles, soit celles qui résultent des forces du marché sans apport du propriétaire du bien ( ATF 132 III 145 consid. 2.3; ATF 131 III 252 consid. 3; ATF 141 III 53 précité consid. 5.4 p. 59; arrêts 5A_279/2013 du 10 juillet 2013 consid. 3.1 et 3.2, résumé in FamPra.ch 2013 p. 1022; 5C.81/2001 du 14 janvier 2002 consid. 5b, in Pra 2002 n° 69 p. 392 et RNRF 84/2003 p. 250). Seule la plus-value tombant dans les acquêts d'un époux est partagée avec l'autre. art. 206 et 209 al. 3 CC 4.2 En vertu des art. 30c s. LPP (pour le deuxième pilier A) et 331e CO (pour le deuxième pilier B), l'assuré peut faire valoir auprès de son institution de prévoyance le droit au versement d'un montant pour la propriété d'un logement pour ses propres besoins. Lorsqu'il est marié, il doit obtenir le consentement écrit de son conjoint. En cas de vente du logement, il doit rembourser le produit réalisé.
4.2 4.2.1 Au sujet de l'encouragement à l'accession à la propriété du logement au moyen de la prévoyance professionnelle, le Message du Conseil fédéral mentionne uniquement que, du point de vue des régimes matrimoniaux, le logement doit être traité comme s'il avait été acquis au moyen d'un prêt. Lorsqu'un cas de prévoyance est déjà survenu avant le divorce pour le preneur d'assurance, l'argent n'est plus bloqué et les fonds investis dans le logement doivent être traités dans le cadre de la liquidation du régime matrimonial, comme en cas de versement en espèces (Message du 15 novembre 1995 concernant la révision du Code civil suisse, FF 1996 I 1 ss, 113 ch. 233.45). BGE 141 III 145 S. 149
4.2.1 BGE 141 III 145 S. 149
4.2.2 Dans sa majorité, la doctrine s'accorde aussi à considérer que, jusqu'à la survenance d'un cas de prévoyance, le versement anticipé doit être considéré comme un prêt de l'institution de prévoyance. Elle avance comme argument principal que le versement anticipé se rapporte à une expectative, que l'assuré n'est pas sûr de pouvoir conserver, de sorte qu'il ne doit pas être comptabilisé dans le régime, ce contrairement aux prestations effectives faites à un époux suite à un cas de prévoyance, qui, elles, entrent dans les acquêts, quelle que soit la masse qui a payé les cotisations et même si celles-ci ont été payées avant le régime ( art. 197 al. 2 ch. 2 CC ); la réglementation des effets du divorce confirme indirectement que le droit à des rentes futures n'est pas pris en compte lors de la liquidation du régime puisque, dans ce cas, un partage des prestations de sortie acquises pendant le mariage est spécialement réglé par les art. 122 ss CC. (cf. art. 197 ss CC ; cf. surtout, BADDELEY, La plus-value du logement acquis par des époux: répartition en cas d'utilisation des avoirs de la prévoyance professionnelle, Jusletter 8 décembre 2008 n. 27 et 32; BÄDER FEDERSPIEL, Wohneigentumsförderung und Scheidung [ci-après: Wohneigentumsförderung], 2008, n. 50 s., 91 ss, 111 et les références; GEISER, Le nouveau droit du divorce et les droits en matière de prévoyance professionnelle, in De l'ancien au nouveau droit du divorce, Pfister-Liechti [éd.], 1999, p. 53 ss, 73; STEINAUER, Le statut dans la participation aux acquêts d'un immeuble acquis au moyen d'un versement anticipé du deuxième pilier [ci-après: Participation], in Soziale Sicherheit - Soziale Unsicherheit, 2010, p. 857 ss, 859 ss et les références; d'autres auteurs préconisent l'attribution du bien en fonction des avoirs accumulés avant et après le mariage: cf. SANDOZ, Prévoyance professionnelle et divorce [ci-après: Prévoyance], in Le droit du divorce: Questions actuelles et besoin de réforme, Pichonnaz/Rumo-Jungo [éd.], 2008, p. 35 ss, 54 s.; SCHAI, Vorbezüge aus der zweiten Säule für Wohneigentum im Scheidungsfall, BJM 2006 p. 57 ss, 87 ss; SUTTER-SOMM/KOBEL, Ist das schweizerische Ehegüterrecht revisionsbedürftig?, FamPra.ch 2004 p. 776 ss, 788 ss).
4.2.2 art. 197 al. 2 ch. 2 CC art. 122 ss CC art. 197 ss CC 4.2.3 En revanche, la doctrine est plus divisée sur la question du sort de la plus-value conjoncturelle afférente au versement anticipé. On peut distinguer principalement quatre courants (pour une présentation complète, cf. not. BÄDER FEDERSPIEL, Wohneigentumsförderung, op.cit., n. 153 ss; la même, Vorbezüge für Wohneigentum in der güterrechtlichen Auseinandersetzung bei Scheidung [ci-après: Vorbezüge], FamPra.ch 2009 p. 807 ss, 815 ss;STEINAUER, Participation, op. cit., p. 867 ss). BGE 141 III 145 S. 150
4.2.3 BGE 141 III 145 S. 150
Un premier courant majoritaire, insistant sur le fait qu'il s'agit de fonds prêtés par un tiers pour lesquels la masse débitrice sur le plan interne n'a pas eu la charge d'intérêts, propose que le traitement de la plus-value afférente au versement anticipé soit le même que celui appliqué à la plus-value afférente à un emprunt hypothécaire non remboursé; il s'agirait ainsi de répartir la plus-value afférente au versement anticipé entre les biens propres et les acquêts de l'époux assuré proportionnellement aux contributions effectives que chacune de ces masses a faites pour financer l'acquisition du logement (sur cette méthode lors d'un emprunt hypothécaire: ATF 132 III 145 consid. 2.3; ATF 123 III 152 consid. 6b/bb; STEINAUER, Deuxième pilier, versement anticipé et régimes matrimoniaux [ci-après: Deuxième pilier], in Deuxième pilier et épargne privée en droit du divorce, Pichonnaz/Rumo-Jungo [éd.], 2010, p. 1 ss, 38 s.; le même, Participation, op. cit., p. 870 s.; DESCHENAUX/STEINAUER/BADDELEY, Les effets du mariage, 2 e éd. 2009, n. 1294c p. 593 s.; cf. aussi, AEBI-MÜLLER, Vorbezüge für Wohneigentum bei Scheidung: Wer trägt den Zinsverlust?, RJB 137/2001 p. 132 ss, 134; la même, Die optimale Begünstigung des überlebenden Ehegatten, 2 e éd. 2007, n. 03.40; BÄDER FEDERSPIEL, Wohneigentumsförderung, op. cit., n. 154 ss et 180; la même, Vorbezüge, op. cit., p. 818 ss et 825 ss; GEISER, Vorsorgeausgleich: Aufteilung bei Vorbezug für Wohneigentumserwerb und nach Eintreten eines Vorsorgefalls, FamPra.ch 2002 p. 83 ss, 93; HAUSHEER/AEBI-MÜLLER, in Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, vol. I, 5 e éd. 2014, n° 30a ad art. 209 CC ; HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Berner Kommentar, 1996, n° 16 ad art. 237 CC ; KOLLER, Familien- und Erbrecht und Vorsorge, recht Studienheft 4, 1997 p. 10; WOLF, Grundstücke in der güter- und erbrechtlichen Auseinandersetzung, RJB 136/2000 p. 241 ss, 254 s.). art. 209 CC art. 237 CC Un deuxième courant important est d'avis qu'il convient, soit pour des raisons d'équité, soit au motif que le prêt de l'institution de prévoyance se distingue d'un prêt ordinaire en tant que l'époux propriétaire utilise des droits qu'il a accumulés et s'apparente à un apport en fonds propres, de tenir compte de l'origine des fonds prêtés par l'institution de prévoyance. Il propose de répartir la plus-value liée au versement anticipé entre les propres et les acquêts de l'époux assuré selon que les avoirs de prévoyance ont été accumulés avant ou après le mariage. Ainsi, seule la part du versement anticipé correspondant à des avoirs de prévoyance accumulés pendant le régime doit être considérée comme un acquêt (BÜCHLER/VETTERLI, Ehe, Partnerschaft, Kinder, Eine Einführung in das Familienrecht der Schweiz, BGE 141 III 145 S. 151 2 e éd. 2011, p. 71; KOBEL, Immobilien in der güterrechtlichen Auseinandersetzung, 2007, p. 131 s.; PICHONNAZ/RUMO-JUNGO, Prévoyance et droit patrimonial de la famille, in Droit patrimonial de la famille, 2004, p. 1 ss, 14; SANDOZ, Prévoyance, op. cit., p. 48 ss et 54 s.; la même, Prévoyance professionnelle et acquisition du logement par des personnes mariées, in Privatrecht im Spannungsfeld zwischen gesellschaftlichem Wandel und ethischer Verantwortung, 2002, p. 315 ss, 322 et 327 ss; SCHAI, op. cit., p. 87 ss]). Ces auteursestiment par conséquent que la plus-value doit être considérée comme un acquêt pour la part du versement correspondant à des avoirs de libre passage accumulés pendant le régime de la participation aux acquêts et comme un propre dans l'hypothèse où ces fonds proviennent d'avoirs accumulés avant le mariage.
BGE 141 III 145 S. 151
Un auteur propose une solution mixte, conjuguant ces deux principaux courants. Il est d'avis que la part du versement anticipé provenant d'avoirs de prévoyance accumulés avant le mariage doit être assimilée à des biens propres et ajoutée aux biens propres investis dans l'immeuble, celle provenant des avoirs accumulés après le mariage augmentant les acquêts investis dans l'immeuble. Chaque masse bénéficie ensuite de la plus-value en proportion de son "investissement" dans l'immeuble (BADDELEY, op. cit., n. 67 ss; cf. DESCHENAUX/STEINAUER/BADDELEY, op. cit., n. 1294b p. 593).
Enfin, un quatrième et dernier courant, minoritaire, considère que la plus-value afférente au versement anticipé doit profiter aux acquêts par application analogique de l' art. 197 al. 2 ch. 2 CC, au motif que les fonds prêtés sont liés à la prévoyance (MOSER, Zum Leistungs- und Koordinationsrecht aus Sicht der beruflichen Vorsorge - Betrachtungen anhand eines praktischen Anwendungsbeispiels [unter Einbezug möglicher scheidungsrechtlicher Aspekte], RSAS 1997 p. 362 ss, 392; REUSSER, Die Vorsorge für die geschiedene Ehefrau unter besonderer Berücksichtigung von Art. 22 des neuen Freizügigkeitsgesetzes, PJA 1994 p. 1510 ss, 1517; TRIGO TRINDADE, Prévoyance professionnelle, divorce et succession, SJ 2000 II p. 467 ss, 486). art. 197 al. 2 ch. 2 CC 4.3 La doctrine majoritaire doit être suivie tant en ce qui concerne le statut matrimonial de l'immeuble financé par un versement anticipé (infra consid. 4.3.1) qu'en ce qui concerne le sort de la plus-value conjoncturelle de l'immeuble afférente à ce versement (infra consid. 4.3.2).
4.3 4.3.1 Ainsi, jusqu'à la survenance d'un cas de prévoyance, le versement anticipé, qui se rapporte à une expectative (consid. 4.3.2.1 BGE 141 III 145 S. 152 infra), doit être considéré comme un prêt de l'institution de prévoyance (supra consid. 4.2.1 et 4.2.2). Il n'exerce donc pas d'influence sur le rattachement de l'immeuble à l'actif d'une des masses de l'acquéreur; ce rattachement obéit aux règles ordinaires ( art. 197 ss CC ). L'immeuble est intégré à la masse de l'époux propriétaire qui, lors de l'acquisition, a apporté la contribution au comptant la plus importante ou, en cas d'égalité, aux acquêts ( art. 200 al. 3 CC ); l'immeuble acquis entièrement à crédit pendant le mariage entre dans les acquêts (arrêt 5A_111/2007 du 8 janvier 2008 consid. 4.2.3, in FamPra.ch 2008 p. 380). Le versement anticipé grève à titre de dette la masse à laquelle l'immeuble est rattaché ( art. 209 al. 2 CC ; ATF 132 III 145 consid. 2.3.2).
4.3.1 BGE 141 III 145 S. 152
art. 197 ss CC art. 200 al. 3 CC art. 209 al. 2 CC 4.3.2 Lorsque le régime matrimonial est dissous avant la survenance d'un cas de prévoyance, les règles valant pour les dettes hypothécaires ( ATF 132 III 145 ) s'appliquent, la plus-value afférente au versement anticipé étant ainsi répartie selon la contribution effective de chacune des masses de l'acquéreur au financement de l'immeuble.
4.3.2 4.3.2.1 Cette conclusion se justifie principalement du fait qu'aussi longtemps qu'un cas de prévoyance n'est pas survenu, le versement anticipé se rapporte à une expectative et, dès lors qu'il n'est pas certain que celle-ci s'actualisera un jour, il n'est pas sûr que ce versement puisse être conservé. Dans ces conditions, une application analogique de l' art. 197 al. 2 ch. 2 CC et l'attribution de la plus-value exclusivement aux acquêts (quatrième courant doctrinal) ou selon l'origine des fonds qui ont permis de constituer le versement anticipé (deuxième et troisième courants doctrinaux) ne peut être approuvée. Une telle solution reviendrait en effet à considérer la survenance d'un cas de prévoyance comme acquise alors que ce point est encore indécis au moment où se pose la question de la répartition (STEINAUER, Participation, op. cit., p. 870; BÄDER FEDERSPIEL, Wohneigentumsförderung, op. cit., n. 170).
4.3.2.1 art. 197 al. 2 ch. 2 CC 4.3.2.2 Il faut également opposer aux propositions doctrinales qui prennent en considération l'origine des fonds prêtés que le principe de la subrogation patrimoniale, que l'on retrouve en matière de régimes matrimoniaux, ne s'applique pas dans le cadre de la prévoyance professionnelle: le versement anticipé se substitue en effet à l'expectative dont dispose l'assuré contre l'institution de prévoyance, mais non aux versements effectués par l'intéressé en faveur de dite institution (BÄDER FEDERSPIEL, Wohneigentumsförderung, op. cit., n. 179). Prendre en considération l'origine des fonds constituant le versement BGE 141 III 145 S. 153 anticipé serait au demeurant paradoxal dans la mesure où, même lorsqu'un cas de prévoyance se produit, l' art. 197 al. 2 ch. 2 CC ignore cette origine, le versement de l'institution de prévoyance entrant entièrement dans les acquêts (STEINAUER, Participation, op. cit., p. 871; le même, Deuxième pilier, op. cit., p. 39).
4.3.2.2 BGE 141 III 145 S. 153
art. 197 al. 2 ch. 2 CC Il est vrai que, suite à un divorce, l'origine des fonds est prise en compte par les art. 122 ss CC lorsqu'il s'agit de partager la prestation de sortie; de même, dans son Message du 29 mai 2013 concernant la révision du code civil suisse (Partage de la prévoyance professionnelle en cas de divorce), le Conseil fédéral estime qu'en cas de versement anticipé, la perte d'intérêts ainsi que la diminution de capital liée à une vente à perte ou sans bénéfice de l'immeuble doivent être répartis proportionnellement entre l'avoir de prévoyance acquis avant le mariage et l'avoir constitué durant le mariage (FF 2013 4341 ss [ch. 2.6 ad art. 22a de la loi sur le libre passage, p. 4393 s.]; contra, mais seulement pour la diminution de capital: ATF 132 V 332 consid. 4.3.2 et 4.3.3; laissent la question ouverte s'agissant du traitement de la perte d'intérêts: ATF 132 V 332 consid. 4.4; ATF 135 V 436 consid. 4.4). Il ne faut cependant pas perdre de vue que le partage de la prestation de sortie est ordonné en dehors de toute considération liée au régime matrimonial (notamment: ATF 128 V 41 consid. 2d; WALSER, in Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, vol. I, 5 e éd. 2014, n° 2 ad art. 122 CC ; STEINAUER, Participation, op. cit., p. 871; BÄDER FEDERSPIEL, Wohneigentumsförderung, op. cit., n. 179) dans la seule perspective du divorce, afin de compenser les pertes de prévoyance encourues en raison de la répartition des tâches durant le mariage et d'assurer l'indépendance économique des époux ( ATF 129 III 577 consid. 4.2.1; ATF 128 V 41 consid. 2d). Or la question de la répartition de la plus-value afférente au versement anticipé doit être reliée aux régimes matrimoniaux et se pose ainsi non seulement en cas de divorce, mais pour tous les cas de dissolution du régime. Les règles ordinaires doivent en conséquence l'emporter sur celles fondées sur le correctif introduit par l' art. 122 CC (STEINAUER, Participation, op. cit., p. 871; le même, Deuxième pilier, op. cit., p. 39; BÄDER FEDERSPIEL, Wohneigentumsförderung, op. cit., n. 179; cf. dans cette ligne également: ATF 135 V 436 consid. 3.3 qui retient qu'en cas de versement anticipé, l'impossibilité de réintégration des avoirs de prévoyance suite à une vente à perte de l'immeuble ainsi financé [ art. 30d al. 5 LPP ] doit être prise en considération dans la liquidation du régime matrimonial). BGE 141 III 145 S. 154
art. 122 ss CC art. 122 CC art. 122 CC art. 30d al. 5 LPP BGE 141 III 145 S. 154
4.4 En l'espèce, l'arrêt cantonal ne viole donc pas le droit fédéral sur le point objet du grief soulevé par le recourant: le régime matrimonial du couple est celui de la participation aux acquêts, l'immeuble en cause a été acquis entièrement à crédit durant l'union conjugale en copropriété au moyen d'un emprunt bancaire contracté par les époux de manière solidaire ainsi que d'un versement anticipé du fonds de prévoyance du recourant, et la liquidation du régime matrimonial intervient avant qu'un cas de prévoyance ne soit survenu. Attribué au recourant, l'immeuble entre dans ses acquêts et la plus-value conjoncturelle intègre également cette masse de biens, sans qu'il y ait lieu à récompense en faveur de ses propres. La question d'une éventuelle créance variable envers l'épouse au sens de l' art. 206 CC n'a pas d'objet vu ces circonstances: les fonds de tiers investis dans l'immeuble sont totalement remboursés et toute valeur de l'immeuble constitue un acquêt, de sorte que la réalisation d'un bénéfice pour l'un des époux plutôt que par l'autre est sans importance sur le montant final revenant à chacun (cf. DESCHENAUX/STEINAUER/BADDELEY, op. cit., n. 1347 p. 616 s.). C'est ainsi à raison que l'autorité cantonale a considéré que chaque époux devait, en fin de compte, bénéficier de la moitié de la plus-value conjoncturelle afférente au versement anticipé.
4.4 art. 206 CC Le grief de la violation des art. 206 al. 1 et 209 al. 3 CC doit donc être rejeté.
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Urteilskopf 141 III 155 22. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. Limited gegen B. Ltd (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_46/2015 vom 27. März 2015 Regeste Art. 99 Abs. 1 lit. a und Art. 100 Abs. 1 ZPO ; Pflicht zur Sicherheitsleistung für die Parteientschädigung wegen fehlenden Sitzes in der Schweiz. Im Fall des fehlenden klägerischen Wohnsitzes oder Sitzes in der Schweiz ist unwiderlegbar von einer erheblichen Gefährdung der Einbringlichkeit der Parteientschädigung für die beklagte Partei auszugehen, die der beklagten Partei grundsätzlich Anspruch auf Sicherstellung gibt. Vorliegend besteht kein Staatsvertrag, der die Klägerin mit Sitz in Irland von der Sicherstellungspflicht befreien würde. Die möglichen Arten von Sicherheitsleistungen werden in Art. 100 Abs. 1 ZPO abschliessend aufgezählt (E. 4). Erwägungen ab Seite 155 BGE 141 III 155 S. 155 Aus den Erwägungen: 4. Die Vorinstanz stützte ihre Anordnung der Sicherheitsleistung für eine allfällige Parteientschädigung auf Art. 99 Abs. 1 lit. a ZPO. BGE 141 III 155 S. 156 Nach dieser Bestimmung hat die klagende Partei auf Antrag der beklagten Partei für deren Parteientschädigung Sicherheit zu leisten, wenn sie keinen Wohnsitz oder Sitz in der Schweiz hat. 4.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, nach dem Normzweck von Art. 99 ZPO, der eine Gefährdung der einem Beklagten zugesprochenen Parteientschädigung vermeiden wolle, bestehe kein Anspruch auf Sicherheit, wenn keine Gefährdung vorliege. Einen Anspruch auf "doppelte Sicherheit" gewähre Art. 99 ZPO nicht. Vorliegend hätte die Vorinstanz keine Sicherheit verlangen dürfen, weil die rechtliche Voraussetzung der Gefährdung der Parteientschädigung fehle. Denn die Beschwerdeführerin habe gegenüber der Beschwerdegegnerin aus zwei früheren Verfahren, eines vor Handelsgericht des Kantons Aargau und eines vor Bundesgericht, eine Forderung von total Fr. 24'400.-. Dazu habe sie im vorinstanzlichen Verfahren die verbindliche Erklärung abgegeben, sie werde dieses Guthaben, falls sie mit ihrer Klage unterliege und der Beschwerdegegnerin Rechtskosten zu bezahlen hätte, mit der entsprechenden Forderung verrechnen, worauf sie sich behaften lasse, und sie werde deshalb keine Inkassohandlungen vornehmen für den Fall, dass sie von der Parteikostensicherstellung befreit werde. 4.2 Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen. Die Gesetzesmaterialien sind zwar nicht unmittelbar entscheidend, dienen aber als Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen. Bei der Auslegung neuerer Bestimmungen kommt den Materialien eine besondere Stellung zu, weil veränderte Umstände oder ein gewandeltes Rechtsverständnis eine andere Lösung weniger nahelegen (vgl. BGE 140 I 305 E. 6.1/6.2; BGE 140 II 289 E. 3.2 S. 291; BGE 140 III 206 E. 3.5.4, BGE 140 III 289 E. 2.1, 315 E. 5.2.1; BGE 140 V 213 E. 4.1 S. 216 f.; je mit Hinweisen). BGE 141 III 155 S. 157 4.3 Wie die Beschwerdeführerin zutreffend vorbringt, bezweckt die Bestimmung von Art. 99 ZPO, die beklagte Partei, die von der klagenden Partei in den Prozess gezwungen wird, gegen das Risiko abzusichern, dass die ihr zulasten der unterliegenden Partei zugesprochene Parteientschädigung nicht einbringlich ist, sofern Gründe vorliegen, die das spätere Eintreiben schwierig erscheinen lassen (Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, BBl 2006 7221 ff., 7294 Ziff. 5.8.1 zu Art. 97 und 98; für viele: HANS SCHMID, in: ZPO, Oberhammer und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 1 zu Art. 99 ZPO ). Die Kautionsgründe werden in Art. 99 Abs. 1 ZPO aufgezählt, wobei in lit. a der Fall des fehlenden Wohnsitzes oder Sitzes der klägerischen Partei in der Schweiz vorgesehen ist und lit. d einen Auffangtatbestand enthält, wonach auch Sicherheit zu leisten ist, wenn (ausser den in lit. a-c genannten Umständen) "andere Gründe" für eine erhebliche Gefährdung der Parteientschädigung bestehen. Aus Wortlaut und Zusammenhang von Art. 99 Abs. 1 lit. a und d ZPO ergibt sich ohne weiteres, dass das Gesetz im Fall des fehlenden klägerischen Wohnsitzes oder Sitzes in der Schweiz unwiderlegbar von einer erheblichen Gefährdung der Einbringlichkeit der Parteientschädigung für die beklagte Partei ausgeht, die der beklagten Partei Anspruch auf Sicherstellung gibt, mit der die Gefährdung beseitigt wird, unter Vorbehalt der in Art. 99 Abs. 2 und 3 ZPO genannten Ausnahmen oder einer abweichenden staatsvertraglichen Regelung ( Art. 2 ZPO ; Botschaft, a.a.O., BBl 2006 7294). Weder dem Wortlaut des Gesetzes noch den Gesetzesmaterialien (Botschaft, a.a.O., BBl 2006 7294; AB 2007 S 512; AB 2008 N 652) lässt sich entnehmen, dass irgendwelche Konstellationen vorbehalten werden sollten, in denen die Annahme einer Gefährdung im Falle des fehlenden Wohnsitzes oder Sitzes in der Schweiz entfallen würde. Auch in der Literatur zur ZPO (wie auch zu den ähnlichen Bestimmungen von Art. 62 Abs. 2 BGG und von Art. 150 Abs. 2 aOG) wird, soweit ersichtlich, nirgends eine entsprechende Auffassung vertreten (ausdrücklich im gegenteiligen Sinn: RICHARD KUSTER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Baker & Mc Kenzie [Hrsg.], 2010, N. 11 zu Art. 99 ZPO mit Hinweis). Die Vorinstanz hat demnach zutreffend erkannt, dass vorliegend der Sicherstellungsgrund nach Art. 99 Abs. 1 lit. a ZPO gegeben ist, ohne dass zu prüfen war, ob trotz fehlenden Sitzes der Beschwerdeführerin in der Schweiz allenfalls doch keine Gefährdung vorliege. BGE 141 III 155 S. 158 Anzumerken bleibt, dass zwischen der Republik Irland und der Schweiz kein Staatsvertrag besteht, der die Beschwerdeführerin von der Sicherstellungspflicht wegen ihres fehlenden Sitzes in der Schweiz befreien würde. Insbesondere zählt Irland weder zu den Vertragsstaaten der Haager Übereinkunft vom 1. März 1954 betreffend Zivilprozessrecht (SR 0.274.12; vgl. deren Art. 17) noch zu den Vertragsstaaten des Haager Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über den internationalen Zugang zur Rechtspflege (SR 0.274.133; vgl. dessen Art. 14; s. dazu ausführlich für viele: DENIS TAPPY, in: CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, N. 21 ff. zu Art. 99 ZPO ; MARTIN H. STERCHI, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, N. 16 ff. zu Art. 99 ZPO ). Auch das LugÜ (SR 0.275.12) regelt ausschliesslich Fragen der Zuständigkeit sowie der Anerkennung und Vollstreckung und nicht des Erkenntnisverfahrens im Urteilsstaat und sieht den Grundsatz der Gleichbehandlung von In- und Ausländern in Bezug auf die Sicherstellung in Art. 51 deshalb bloss im Zusammenhang mit dem Vollstreckungsverfahren vor (HOFMANN/KUNZ, in: Basler Kommentar, Lugano-Übereinkommen, 2011, N. 4 zu Art. 51 LugÜ ; VIKTOR RÜEGG, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 9a zu Art. 99 ZPO ; KUSTER, a.a.O., N. 16 zu Art. 99 ZPO ). 4.4 Wenn die Beschwerdeführerin vorbringt, es bestehe angesichts ihrer Gegenforderungen gegen die Beschwerdegegnerin, auf deren Inkasso sie vorderhand verzichte und die sie gegebenenfalls mit einer Parteikostenforderung der Beschwerdegegnerin verrechne, keine Gefährdung, macht sie im Grunde genommen geltend, die Vorinstanz hätte die von der Beschwerdeführerin zu ihren Forderungen gegen die Beschwerdegegnerin abgegebene Erklärung als Sicherheitsleistung im Sinne von Art. 100 ZPO betrachten müssen. Die Vorschrift von Art. 100 Abs. 1 ZPO sieht vor, dass die Sicherheit in bar oder durch Garantie einer in der Schweiz niedergelassenen Bank oder eines zum Geschäftsbetrieb in der Schweiz zugelassenen Versicherungsunternehmens geleistet werden kann. Verschiedene Autoren gehen davon aus, dass die möglichen Arten von Sicherheitsleistungen in Art. 100 Abs. 1 ZPO abschliessend aufgezählt werden, um Diskussionen über die Werthaltigkeit der Kaution zu vermeiden (STERCHI, a.a.O., N. 1 zu Art. 100 ZPO ; RÜEGG, a.a.O., N. 1 zu Art. 100 ZPO ; SUTER/VON HOLZEN, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 12 zu Art. 100 ZPO ; wohl auch TAPPY, a.a.O., N. 3 zu Art. 100 ZPO ). Für diese Ansicht spricht, dass sich dem Wortlaut BGE 141 III 155 S. 159 der Bestimmung kein Hinweis auf eine nicht abschliessende Aufzählung entnehmen lässt, beispielsweise durch Verwendung von Worten wie "insbesondere" oder "namentlich" oder durch ausdrückliche Einräumung der Möglichkeit der Leistung anderer hinreichender Sicherheiten. Zu beachten ist sodann, dass die im Vorentwurf zur ZPO noch erwähnte Möglichkeit der Hinterlegung solider Wertschriften nicht in den Entwurf des Bundesrates und schliesslich ins Gesetz übernommen wurde, weil der Begriff im Vernehmlassungsverfahren als zu unbestimmt kritisiert wurde (Botschaft, a.a.O., BBl 2006 7294; STERCHI, a.a.O., N. 1 zu Art. 100 ZPO ; ADRIAN URWYLER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner und andere [Hrsg.], 2011, N. 5 zu Art. 100 ZPO ; TAPPY, a.a.O., N. 3 zu Art. 100 ZPO ). Eine abschliessende Aufzählung der zulässigen Sicherheiten von höchster Qualität hat denn auch den Vorteil der Einfachheit und Praktikabilität für sich, was im Interesse einer beförderlichen Verfahrensführung liegt und verhindert, dass der Prozess durch langwierige Zwischenverfahren verzögert wird. Zu Recht wird von SCHMID (a.a.O., N. 2 und 7 zu Art. 100 ZPO ) auch angeführt, dass die Sicherheit im Interesse der gegnerischen Prozesspartei einverlangt wird, die sich bei gegebenen Voraussetzungen nicht mit minder komfortablen Sicherheiten begnügen muss und so zu stellen ist, wie wenn die belastete Partei die mit Eintritt der Rechtskraft des Entscheides fällige Entschädigungsforderung bezahlt. Die Vorinstanz verletzte damit kein Bundesrecht, indem sie die von der Beschwerdeführerin zu ihren behaupteten Gegenforderungen abgegebene Erklärung nicht als Sicherheit im Sinne von Art. 100 Abs. 1 ZPO anerkannte und eine Sicherheitsleistung im Sinne dieser Bestimmung anordnete.
Urteilskopf
22. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. Limited gegen B. Ltd (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_46/2015 vom 27. März 2015
Regeste Art. 99 Abs. 1 lit. a und Art. 100 Abs. 1 ZPO ; Pflicht zur Sicherheitsleistung für die Parteientschädigung wegen fehlenden Sitzes in der Schweiz. Im Fall des fehlenden klägerischen Wohnsitzes oder Sitzes in der Schweiz ist unwiderlegbar von einer erheblichen Gefährdung der Einbringlichkeit der Parteientschädigung für die beklagte Partei auszugehen, die der beklagten Partei grundsätzlich Anspruch auf Sicherstellung gibt. Vorliegend besteht kein Staatsvertrag, der die Klägerin mit Sitz in Irland von der Sicherstellungspflicht befreien würde. Die möglichen Arten von Sicherheitsleistungen werden in Art. 100 Abs. 1 ZPO abschliessend aufgezählt (E. 4).
Regeste
Art. 99 Abs. 1 lit. a und Art. 100 Abs. 1 ZPO ; Pflicht zur Sicherheitsleistung für die Parteientschädigung wegen fehlenden Sitzes in der Schweiz. Im Fall des fehlenden klägerischen Wohnsitzes oder Sitzes in der Schweiz ist unwiderlegbar von einer erheblichen Gefährdung der Einbringlichkeit der Parteientschädigung für die beklagte Partei auszugehen, die der beklagten Partei grundsätzlich Anspruch auf Sicherstellung gibt. Vorliegend besteht kein Staatsvertrag, der die Klägerin mit Sitz in Irland von der Sicherstellungspflicht befreien würde. Die möglichen Arten von Sicherheitsleistungen werden in Art. 100 Abs. 1 ZPO abschliessend aufgezählt (E. 4).
Art. 99 Abs. 1 lit. a und Art. 100 Abs. 1 ZPO Im Fall des fehlenden klägerischen Wohnsitzes oder Sitzes in der Schweiz ist unwiderlegbar von einer erheblichen Gefährdung der Einbringlichkeit der Parteientschädigung für die beklagte Partei auszugehen, die der beklagten Partei grundsätzlich Anspruch auf Sicherstellung gibt. Vorliegend besteht kein Staatsvertrag, der die Klägerin mit Sitz in Irland von der Sicherstellungspflicht befreien würde. Die möglichen Arten von Sicherheitsleistungen werden in Art. 100 Abs. 1 ZPO abschliessend aufgezählt (E. 4).
Art. 100 Abs. 1 ZPO Erwägungen ab Seite 155
Erwägungen ab Seite 155 BGE 141 III 155 S. 155
BGE 141 III 155 S. 155
Aus den Erwägungen:
4. Die Vorinstanz stützte ihre Anordnung der Sicherheitsleistung für eine allfällige Parteientschädigung auf Art. 99 Abs. 1 lit. a ZPO. BGE 141 III 155 S. 156 Nach dieser Bestimmung hat die klagende Partei auf Antrag der beklagten Partei für deren Parteientschädigung Sicherheit zu leisten, wenn sie keinen Wohnsitz oder Sitz in der Schweiz hat.
4. Art. 99 Abs. 1 lit. a ZPO BGE 141 III 155 S. 156
4.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, nach dem Normzweck von Art. 99 ZPO, der eine Gefährdung der einem Beklagten zugesprochenen Parteientschädigung vermeiden wolle, bestehe kein Anspruch auf Sicherheit, wenn keine Gefährdung vorliege. Einen Anspruch auf "doppelte Sicherheit" gewähre Art. 99 ZPO nicht. Vorliegend hätte die Vorinstanz keine Sicherheit verlangen dürfen, weil die rechtliche Voraussetzung der Gefährdung der Parteientschädigung fehle. Denn die Beschwerdeführerin habe gegenüber der Beschwerdegegnerin aus zwei früheren Verfahren, eines vor Handelsgericht des Kantons Aargau und eines vor Bundesgericht, eine Forderung von total Fr. 24'400.-. Dazu habe sie im vorinstanzlichen Verfahren die verbindliche Erklärung abgegeben, sie werde dieses Guthaben, falls sie mit ihrer Klage unterliege und der Beschwerdegegnerin Rechtskosten zu bezahlen hätte, mit der entsprechenden Forderung verrechnen, worauf sie sich behaften lasse, und sie werde deshalb keine Inkassohandlungen vornehmen für den Fall, dass sie von der Parteikostensicherstellung befreit werde.
4.1 Art. 99 ZPO Art. 99 ZPO 4.2 Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen. Die Gesetzesmaterialien sind zwar nicht unmittelbar entscheidend, dienen aber als Hilfsmittel, um den Sinn der Norm zu erkennen. Bei der Auslegung neuerer Bestimmungen kommt den Materialien eine besondere Stellung zu, weil veränderte Umstände oder ein gewandeltes Rechtsverständnis eine andere Lösung weniger nahelegen (vgl. BGE 140 I 305 E. 6.1/6.2; BGE 140 II 289 E. 3.2 S. 291; BGE 140 III 206 E. 3.5.4, BGE 140 III 289 E. 2.1, 315 E. 5.2.1; BGE 140 V 213 E. 4.1 S. 216 f.; je mit Hinweisen).
4.2 BGE 141 III 155 S. 157
BGE 141 III 155 S. 157
4.3 Wie die Beschwerdeführerin zutreffend vorbringt, bezweckt die Bestimmung von Art. 99 ZPO, die beklagte Partei, die von der klagenden Partei in den Prozess gezwungen wird, gegen das Risiko abzusichern, dass die ihr zulasten der unterliegenden Partei zugesprochene Parteientschädigung nicht einbringlich ist, sofern Gründe vorliegen, die das spätere Eintreiben schwierig erscheinen lassen (Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, BBl 2006 7221 ff., 7294 Ziff. 5.8.1 zu Art. 97 und 98; für viele: HANS SCHMID, in: ZPO, Oberhammer und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 1 zu Art. 99 ZPO ).
4.3 Art. 99 ZPO Art. 99 ZPO Die Kautionsgründe werden in Art. 99 Abs. 1 ZPO aufgezählt, wobei in lit. a der Fall des fehlenden Wohnsitzes oder Sitzes der klägerischen Partei in der Schweiz vorgesehen ist und lit. d einen Auffangtatbestand enthält, wonach auch Sicherheit zu leisten ist, wenn (ausser den in lit. a-c genannten Umständen) "andere Gründe" für eine erhebliche Gefährdung der Parteientschädigung bestehen. Aus Wortlaut und Zusammenhang von Art. 99 Abs. 1 lit. a und d ZPO ergibt sich ohne weiteres, dass das Gesetz im Fall des fehlenden klägerischen Wohnsitzes oder Sitzes in der Schweiz unwiderlegbar von einer erheblichen Gefährdung der Einbringlichkeit der Parteientschädigung für die beklagte Partei ausgeht, die der beklagten Partei Anspruch auf Sicherstellung gibt, mit der die Gefährdung beseitigt wird, unter Vorbehalt der in Art. 99 Abs. 2 und 3 ZPO genannten Ausnahmen oder einer abweichenden staatsvertraglichen Regelung ( Art. 2 ZPO ; Botschaft, a.a.O., BBl 2006 7294). Weder dem Wortlaut des Gesetzes noch den Gesetzesmaterialien (Botschaft, a.a.O., BBl 2006 7294; AB 2007 S 512; AB 2008 N 652) lässt sich entnehmen, dass irgendwelche Konstellationen vorbehalten werden sollten, in denen die Annahme einer Gefährdung im Falle des fehlenden Wohnsitzes oder Sitzes in der Schweiz entfallen würde. Auch in der Literatur zur ZPO (wie auch zu den ähnlichen Bestimmungen von Art. 62 Abs. 2 BGG und von Art. 150 Abs. 2 aOG) wird, soweit ersichtlich, nirgends eine entsprechende Auffassung vertreten (ausdrücklich im gegenteiligen Sinn: RICHARD KUSTER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Baker & Mc Kenzie [Hrsg.], 2010, N. 11 zu Art. 99 ZPO mit Hinweis). Die Vorinstanz hat demnach zutreffend erkannt, dass vorliegend der Sicherstellungsgrund nach Art. 99 Abs. 1 lit. a ZPO gegeben ist, ohne dass zu prüfen war, ob trotz fehlenden Sitzes der Beschwerdeführerin in der Schweiz allenfalls doch keine Gefährdung vorliege. BGE 141 III 155 S. 158
Art. 99 Abs. 1 ZPO Art. 99 Abs. 1 lit. a und d ZPO Art. 99 Abs. 2 und 3 ZPO Art. 2 ZPO Art. 62 Abs. 2 BGG Art. 99 ZPO Art. 99 Abs. 1 lit. a ZPO BGE 141 III 155 S. 158
Anzumerken bleibt, dass zwischen der Republik Irland und der Schweiz kein Staatsvertrag besteht, der die Beschwerdeführerin von der Sicherstellungspflicht wegen ihres fehlenden Sitzes in der Schweiz befreien würde. Insbesondere zählt Irland weder zu den Vertragsstaaten der Haager Übereinkunft vom 1. März 1954 betreffend Zivilprozessrecht (SR 0.274.12; vgl. deren Art. 17) noch zu den Vertragsstaaten des Haager Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über den internationalen Zugang zur Rechtspflege (SR 0.274.133; vgl. dessen Art. 14; s. dazu ausführlich für viele: DENIS TAPPY, in: CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, N. 21 ff. zu Art. 99 ZPO ; MARTIN H. STERCHI, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, N. 16 ff. zu Art. 99 ZPO ). Auch das LugÜ (SR 0.275.12) regelt ausschliesslich Fragen der Zuständigkeit sowie der Anerkennung und Vollstreckung und nicht des Erkenntnisverfahrens im Urteilsstaat und sieht den Grundsatz der Gleichbehandlung von In- und Ausländern in Bezug auf die Sicherstellung in Art. 51 deshalb bloss im Zusammenhang mit dem Vollstreckungsverfahren vor (HOFMANN/KUNZ, in: Basler Kommentar, Lugano-Übereinkommen, 2011, N. 4 zu Art. 51 LugÜ ; VIKTOR RÜEGG, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 9a zu Art. 99 ZPO ; KUSTER, a.a.O., N. 16 zu Art. 99 ZPO ).
Art. 99 ZPO Art. 99 ZPO Art. 51 LugÜ Art. 99 ZPO Art. 99 ZPO 4.4 Wenn die Beschwerdeführerin vorbringt, es bestehe angesichts ihrer Gegenforderungen gegen die Beschwerdegegnerin, auf deren Inkasso sie vorderhand verzichte und die sie gegebenenfalls mit einer Parteikostenforderung der Beschwerdegegnerin verrechne, keine Gefährdung, macht sie im Grunde genommen geltend, die Vorinstanz hätte die von der Beschwerdeführerin zu ihren Forderungen gegen die Beschwerdegegnerin abgegebene Erklärung als Sicherheitsleistung im Sinne von Art. 100 ZPO betrachten müssen.
4.4 Art. 100 ZPO Die Vorschrift von Art. 100 Abs. 1 ZPO sieht vor, dass die Sicherheit in bar oder durch Garantie einer in der Schweiz niedergelassenen Bank oder eines zum Geschäftsbetrieb in der Schweiz zugelassenen Versicherungsunternehmens geleistet werden kann. Verschiedene Autoren gehen davon aus, dass die möglichen Arten von Sicherheitsleistungen in Art. 100 Abs. 1 ZPO abschliessend aufgezählt werden, um Diskussionen über die Werthaltigkeit der Kaution zu vermeiden (STERCHI, a.a.O., N. 1 zu Art. 100 ZPO ; RÜEGG, a.a.O., N. 1 zu Art. 100 ZPO ; SUTER/VON HOLZEN, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 12 zu Art. 100 ZPO ; wohl auch TAPPY, a.a.O., N. 3 zu Art. 100 ZPO ). Für diese Ansicht spricht, dass sich dem Wortlaut BGE 141 III 155 S. 159 der Bestimmung kein Hinweis auf eine nicht abschliessende Aufzählung entnehmen lässt, beispielsweise durch Verwendung von Worten wie "insbesondere" oder "namentlich" oder durch ausdrückliche Einräumung der Möglichkeit der Leistung anderer hinreichender Sicherheiten. Zu beachten ist sodann, dass die im Vorentwurf zur ZPO noch erwähnte Möglichkeit der Hinterlegung solider Wertschriften nicht in den Entwurf des Bundesrates und schliesslich ins Gesetz übernommen wurde, weil der Begriff im Vernehmlassungsverfahren als zu unbestimmt kritisiert wurde (Botschaft, a.a.O., BBl 2006 7294; STERCHI, a.a.O., N. 1 zu Art. 100 ZPO ; ADRIAN URWYLER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner und andere [Hrsg.], 2011, N. 5 zu Art. 100 ZPO ; TAPPY, a.a.O., N. 3 zu Art. 100 ZPO ). Eine abschliessende Aufzählung der zulässigen Sicherheiten von höchster Qualität hat denn auch den Vorteil der Einfachheit und Praktikabilität für sich, was im Interesse einer beförderlichen Verfahrensführung liegt und verhindert, dass der Prozess durch langwierige Zwischenverfahren verzögert wird. Zu Recht wird von SCHMID (a.a.O., N. 2 und 7 zu Art. 100 ZPO ) auch angeführt, dass die Sicherheit im Interesse der gegnerischen Prozesspartei einverlangt wird, die sich bei gegebenen Voraussetzungen nicht mit minder komfortablen Sicherheiten begnügen muss und so zu stellen ist, wie wenn die belastete Partei die mit Eintritt der Rechtskraft des Entscheides fällige Entschädigungsforderung bezahlt. Die Vorinstanz verletzte damit kein Bundesrecht, indem sie die von der Beschwerdeführerin zu ihren behaupteten Gegenforderungen abgegebene Erklärung nicht als Sicherheit im Sinne von Art. 100 Abs. 1 ZPO anerkannte und eine Sicherheitsleistung im Sinne dieser Bestimmung anordnete.
Art. 100 Abs. 1 ZPO Art. 100 Abs. 1 ZPO Art. 100 ZPO Art. 100 ZPO Art. 100 ZPO Art. 100 ZPO BGE 141 III 155 S. 159
Art. 100 ZPO Art. 100 ZPO Art. 100 ZPO Art. 100 ZPO Art. 100 Abs. 1 ZPO
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Urteilskopf 141 III 159 23. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B. AG (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_530/2014 vom 17. April 2015 Regeste Art. 204 Abs. 1 ZPO, Art. 32 und 462 OR ; persönliches Erscheinen zur Schlichtungsverhandlung; faktisches Organ; Vollmacht. Eine juristische Person kann sich im Schlichtungsverfahren nicht von faktischen Organen vertreten lassen (E. 2). Eine bloss bürgerliche Bevollmächtigung ( Art. 32 ff. OR ) reicht für das persönliche Erscheinen einer juristischen Person an der Schlichtungsverhandlung nicht aus. Abgrenzung zur kaufmännischen Handlungsvollmacht nach Art. 462 OR (E. 3). Sachverhalt ab Seite 160 BGE 141 III 159 S. 160 A. A. (Beklagte, Beschwerdeführerin) verpachtet der B. AG (Klägerin, Beschwerdegegnerin) mehrere Parzellen, welche diese zum Betrieb einer Pferdesportanlage nutzt. Zwischen den Parteien ist umstritten, ob A. den Pachtvertrag mit der B. AG gekündigt hat. B. Am 27. Dezember 2012 reichte die B. AG beim Friedensrichteramt N. ein Schlichtungsgesuch ein. Die Schlichtungsverhandlung fand am 26. April 2013 statt. Seitens der Klägerschaft erschien D., die Mutter von E.; E. ist einziges Mitglied des Verwaltungsrates der B. AG. An der Schlichtungsverhandlung wurde der B. AG die Klagebewilligung ausgestellt. Am 27. Mai 2013 reichte die B. AG beim Bezirksgericht Arlesheim Klage ein mit dem Hauptantrag, es sei festzustellen, dass die Kündigung durch A. unwirksam sei. A. bestritt in ihrer Klageantwort das Vorliegen einer gültigen Klagebewilligung. Sie machte geltend, D. habe die B. AG bei der Schlichtungsverhandlung nicht vertreten können, weshalb die B. AG säumig gewesen sei und die Schlichtungsbehörde das Verfahren als gegenstandslos hätte abschreiben müssen. Mit Entscheid vom 16. Januar 2014 stellte die Bezirksgerichtspräsidentin Arlesheim die Ungültigkeit der Kündigung fest. Sie kam zum Schluss, die Klagebewilligung sei gültig. Die dagegen erhobene Berufung der A. wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit Entscheid vom 15. Juli 2014 ab. Auch das Kantonsgericht ging von der Gültigkeit der Klagebewilligung aus, weil D. faktisches Organ der B. AG sei und durch ihre Teilnahme an der Schlichtungsverhandlung die Voraussetzung des persönlichen Erscheinens nach Art. 204 Abs. 1 ZPO erfüllt worden sei. BGE 141 III 159 S. 161 C. Mit Beschwerde in Zivilsachen und subsidiärer Verfassungsbeschwerde vom 15. September 2014 beantragt A. dem Bundesgericht, es sei der Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft aufzuheben und es sei festzustellen, dass die Klagebewilligung vom 26. April 2013 ungültig sei. Auf die Klage der B. AG sei nicht einzutreten. Das Bundesgericht tritt auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde nicht ein; es heisst die Beschwerde in Zivilsachen teilweise gut, hebt den angefochtenen Entscheid auf und weist die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. (...) 1.2 Bei der zu beurteilenden Streitsache handelt es sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit und es liegt - da Streitigkeiten aus Pachtrecht nicht als mietrechtliche Fälle zu qualifizieren sind ( BGE 136 III 196 E. 1.1 S. 197) - weder ein arbeits- noch ein mietrechtlicher Fall vor. Diesfalls ist die Beschwerde in Zivilsachen nur zulässig, sofern der Streitwert mindestens Fr. 30'000.- beträgt ( Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG ). Der Streitwert bestimmt sich nach den Begehren, die vor der Vorinstanz strittig geblieben sind ( Art. 51 Abs. 1 lit. a BGG ). Vorliegend beträgt der Streitwert nach Angaben der Vorinstanz und der Parteien Fr. 15'000.-, womit der von Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG geforderte Mindestbetrag nicht erreicht wird. Erreicht der Streitwert den massgebenden Betrag nicht, ist die Beschwerde in Zivilsachen u.a. dennoch zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt ( Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG ). Dies ist der Fall, wenn ein allgemeines und dringendes Interesse besteht, dass eine umstrittene Frage höchstrichterlich geklärt wird, um eine einheitliche Anwendung und Auslegung des Bundesrechts herbeizuführen und damit eine erhebliche Rechtsunsicherheit auszuräumen ( BGE 139 III 209 E. 1.2 S. 210, BGE 139 III 182 E. 1.2 S. 185; BGE 138 I 232 E. 2.3 S. 236; BGE 134 III 354 E. 1.3 S. 357). 1.2.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, es sei eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, ob es für das Erfordernis des "persönlichen Erscheinens" zu einer Schlichtungsverhandlung ausreiche, wenn die Aktiengesellschaft durch ein "faktisches Organ" vertreten werde, oder ob es zur Rechtssicherheit nicht eines Handelsregistereintrags bedürfe. BGE 141 III 159 S. 162 1.2.2 Nach Art. 197 ZPO geht dem Entscheidverfahren - abgesehen von bestimmten Ausnahmefällen (vgl. Art. 198 f. ZPO) - ein Schlichtungsversuch vor einer Schlichtungsbehörde voraus. Zur Schlichtungsverhandlung müssen die Parteien persönlich erscheinen ( Art. 204 Abs. 1 ZPO ). Das Bundesgericht hat in BGE 140 III 70 entschieden, diese Pflicht zum persönlichen Erscheinen gelte auch für juristische Personen (E. 4.3 S. 70 ff.). Eine juristische Person habe sich an der Schlichtungsverhandlung durch ein Organ oder zumindest durch eine mit einer (kaufmännischen) Handlungsvollmacht ausgestattete und zur Prozessführung befugte Person, die überdies mit dem Streitgegenstand vertraut sei, vertreten zu lassen (E. 4.3 S. 72). Nicht geklärt ist damit, ob zu den Organen, die zur Vertretung der juristischen Person an der Schlichtungsverhandlung befugt sind, auch faktische Organe gehören. Faktische Organe sind Personen, die tatsächlich Organen vorbehaltene Entscheide treffen oder die eigentliche Geschäftsführung besorgen und so die Willensbildung der Gesellschaft massgebend mitbestimmen ( BGE 128 III 29 E. 3a S. 30 mit Hinweisen). Mit BGE 141 III 80 hat sich das Bundesgericht allgemein dazu geäussert, welche Personen dazu befugt sind, für eine Aktiengesellschaft rechtsgeschäftlich zu handeln und vor Gericht zu erscheinen; es sind dies erstens die Mitglieder des Verwaltungsrates ( Art. 718 Abs. 1 OR ), bei Übertragung der Vertretung nach Art. 718 Abs. 2 OR zweitens Delegierte oder Direktoren, drittens Prokuristen ( Art. 458 OR ) und viertens Handlungsbevollmächtigte i.S.v. Art. 462 OR (E. 1.3 S. 82). Die faktischen Organe werden in dieser Aufzählung nicht erwähnt. Ob zur Vertretung an der Schlichtungsverhandlung, für welche Art. 204 Abs. 1 ZPO mit der Voraussetzung des persönlichen Erscheinens eine Sonderregelung aufstellt, auch lediglich die aufgezählten Personen befugt sind, ist nicht ausdrücklich geklärt. 1.2.3 In der Lehre ist die Frage der Zulässigkeit einer Vertretung an der Schlichtungsverhandlung durch faktische Organe umstritten (Zulässigkeit bejahend: URS EGLI, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner und andere [Hrsg.], 2011, N. 5 zu Art. 204 ZPO ; Zulässigkeit verneinend: DAVID EGGER, Die Stellung der Organe im Zivilprozess, 2014, N. 151 ff., 165; implizit verneinend durch Voraussetzung eines Handelsregistereintrags: ALVAREZ/PETER, in: Berner Kommentar, 2012, N. 2 zu Art. 204 ZPO ; ADRIAN STAEHELIN UND ANDERE, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2013, § 20 N. 19; BGE 141 III 159 S. 163 ALEXANDER WYSS, in: Schweizerische Zivilprozessordnung, Baker & McKenzie [Hrsg.], 2010, N. 2 zu Art. 204 ZPO ). 1.2.4 Die Frage, wie eine juristische Person das Erfordernis des persönlichen Erscheinens an der Schlichtungsverhandlung korrekt umsetzt, ist von erheblicher praktischer Tragweite. Ob auch ein faktisches Organ die juristische Person vertreten kann, wovon die Vorinstanz ausging, ist durch die bundesgerichtliche Rechtsprechung nicht geklärt und in der Lehre umstritten. Vor diesem Hintergrund ist ein Klärungsbedürfnis und damit das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu bejahen. Die Beschwerde in Zivilsachen erweist sich damit gestützt auf Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG als zulässig. Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist demnach nicht einzutreten ( Art. 113 BGG ). 2. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 204 Abs. 1 ZPO. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz habe die Beschwerdegegnerin das Erfordernis des persönlichen Erscheinens nicht durch das Erscheinen eines faktischen Organs erfüllen können, als welches D. qualifiziert worden sei. Die Klagebewilligung sei somit ungültig, weshalb die Klage abzuweisen sei. 2.1 Die Klagebewilligung stellt - abgesehen vom Spruch über die Kosten (vgl. Urteil 4D_68/2013 vom 12. November 2013 E. 3) - keinen anfechtbaren Entscheid dar ( BGE 139 III 273 E. 2.3 mit Hinweisen). Die beklagte Partei kann ihre Gültigkeit aber im erstinstanzlichen Klageverfahren bestreiten. Das Vorliegen der gültigen Klagebewilligung der Schlichtungsbehörde nach Art. 209 ZPO ist, wo dem Prozess überhaupt ein Schlichtungsversuch vorauszugehen hat, eine Prozessvoraussetzung, die das Gericht von Amtes wegen zu prüfen hat ( BGE 139 III 273 E. 2.1 mit Hinweisen). Ungültig ist die Klagebewilligung etwa, wenn die Schlichtungsbehörde mangels persönlichen Erscheinens der klagenden Partei ( Art. 204 Abs. 1 ZPO ) das Verfahren hätte abschreiben müssen, weil bei Säumnis der klagenden Partei das Schlichtungsgesuch nach Art. 206 Abs. 1 ZPO als zurückgezogen gilt ( BGE 140 III 70 E. 5 S. 74). 2.2 Die Vorinstanz hat ausgeführt, D. sei nicht als Organ im Handelsregister eingetragen. Nach dem funktionellen Organbegriff sei als Organ aber nicht nur anzusehen, wer de forma zur Erfüllung gesellschaftlicher Aufgaben berufen werde (formelles Organ), sondern auch, wer de facto Leitungsfunktionen wahrnehme bzw. effektiv und in entscheidender Weise an der Bildung des Verbandswillens teilhabe, BGE 141 III 159 S. 164 indem er Organen vorbehaltene Entscheide treffe oder die eigentliche Geschäftsführung besorge und so die Willensbildung der Gesellschaft massgebend mitbestimme (faktisches Organ). Die Vorinstanz kam zum Schluss, D. sei ein solches faktisches Organ der klägerischen Aktiengesellschaft und durch ihre Teilnahme an der Schlichtungsverhandlung sei die Voraussetzung des persönlichen Erscheinens gemäss Art. 204 Abs. 1 ZPO erfüllt. 2.3 Art. 204 Abs. 1 ZPO verlangt, dass die für eine juristische Person als Partei an der Schlichtungsverhandlung anwesende Vertreterin vorbehaltlos und gültig handeln kann. So muss sie insbesondere zum Vergleichsabschluss ermächtigt sein ( BGE 140 III 70 E. 4.4 S. 73). In der Lehre ist umstritten, ob die Figur des faktischen Organs lediglich als Haftungstatbestand für sich einmischende Personen dient oder ob das faktische Organ tatsächliche Organqualität hat und (über die Grundsätze der Anscheins- oder Duldungsvollmacht hinausgehend) durch sein Handeln die juristische Person aktiv binden kann (dazu ausführlich und kritisch MICHAEL WYTTENBACH, Formelle, materielle und faktische Organe - einheitlicher Organbegriff?, 2012, S. 247 ff., 267 f. mit zahlreichen Hinweisen auf die Literatur; kritisch auch EGGER, a.a.O., N. 152 ff., 164; vgl. zu den Folgen faktischer Organschaft auch PETER V. KUNZ, Materielle Organschaft ["faktische VR"]: Voraussetzung sowie Folgen im Aktienrecht, in: Entwicklungen im Gesellschaftsrecht IX, 2014, S. 173 ff., 183 ff.). Das Bundesgericht hat die Figur des faktischen Organs bisher primär im Zusammenhang mit der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit (des faktischen Organs) nach Art. 754 OR angewendet ( BGE 136 III 14 E. 2.4 S. 20 f.; BGE 128 III 92 E. 3a S. 93 f., BGE 128 III 29 E. 3a S. 30 f.; BGE 119 II 255 E. 4 S. 257 ff.; BGE 117 II 570 E. 3 S. 571; BGE 107 II 349 E. 5b S. 355; Urteil 4A_306/2009 vom 8. Februar 2010 E. 7), weiter im Zusammenhang mit der Verantwortlichkeit der Organe einer Aktiengesellschaft für Nichtleistung der Sozialversicherungsbeiträge ( BGE 132 III 523 E. 4.5 S. 528 f.), im Zusammenhang mit der Geschäftsherrenhaftung nach Art. 55 OR ( BGE 122 III 225 E. 4b S. 227; vgl. auch Urteil 4A_544/2008 vom 10. Februar 2009 E. 2.2 f.) und im Zusammenhang mit einer auf Rechtsschein beruhenden Vollmacht ( BGE 124 III 418 E. 1b S. 420 f. und E. 1c S. 421 f.). In einem nicht publizierten Urteil aus dem Jahr 2001 hat das Bundesgericht zwar ausgeführt, auch das faktische Organ könne die Gesellschaft nach aussen vertreten, wobei sich die Vertretungsmacht aus dem Umstand ergebe, dass die entsprechenden Personen in gleicher Weise wie ein gewähltes BGE 141 III 159 S. 165 Organ an der Meinungsbildung der juristischen Person beteiligt seien und nach aussen auftreten würden (Urteil 4C.307/2001 vom 14. März 2002 E. 2b). In diesem Urteil ging es indessen nicht um eine aktive Handlung, sondern (ähnlich einer Wissenszurechnung) um die Zurechnung der Entgegennahme von Arbeit (vgl. Art. 320 Abs. 2 OR ). 2.4 Es kann hier offenbleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen ein faktisches Organ aktiv für die juristische Person materiell bindende Rechtshandlungen vornehmen kann, selbst wenn - wie hier - die Gegenpartei eine gültige Vertretung der juristischen Person bestreitet. Denn vorliegend gilt es den prozessrechtlichen Kontext zu beachten. Die Schlichtungsbehörde muss an der Schlichtungsverhandlung prüfen, ob die Voraussetzung des persönlichen Erscheinens nach Art. 204 Abs. 1 ZPO erfüllt ist. Von dieser Frage hängt das weitere Vorgehen ab. Erscheint eine Partei nicht persönlich, ohne dass ein Dispensationsgrund nach Art. 204 Abs. 3 ZPO vorliegt, so ist sie säumig. Dies hat bei der klagenden Partei zur Folge, dass das Schlichtungsgesuch als zurückgezogen gilt und das Verfahren als gegenstandslos abgeschrieben wird ( Art. 206 Abs. 1 ZPO ). Bei Säumnis der beklagten Partei verfährt die Schlichtungsbehörde gemäss Art. 206 Abs. 2 ZPO, wie wenn keine Einigung zustande gekommen wäre (Erteilung der Klagebewilligung, Unterbreitung eines Urteilsvorschlags oder Entscheid). Die Schlichtungsbehörde muss somit an der Schlichtungsverhandlung möglichst rasch und gestützt auf Urkunden (vgl. Art. 203 Abs. 2 ZPO ) darüber befinden können, ob die Voraussetzung des persönlichen Erscheinens nach Art. 204 Abs. 1 ZPO erfüllt ist oder ob sie aufgrund von Säumnis das Verfahren abschreiben (Säumnis der klagenden Partei) bzw. nach Art. 209-212 ZPO verfahren soll (Säumnis der beklagten Partei). Erscheint nun für eine juristische Person eine natürliche Person zur Schlichtungsverhandlung, die sich als faktisches Organ ausgibt, so lässt sich deren Stellung innerhalb der juristischen Person durch die Schlichtungsbehörde nur schwer verifizieren (vgl. auch EGGER, a.a.O., N. 162). Ein faktisches Organ ist gerade nicht im Handelsregister eingetragen. Es spricht für sich, dass vorliegend das erstinstanzliche Gericht ein Beweisverfahren durchführen und mehrere Personen befragen musste, um zur Auffassung zu gelangen, es liege eine faktische Organschaft vor. Solche Beweismassnahmen sind im Schlichtungsverfahren nicht möglich (vgl. Art. 203 Abs. 2 ZPO ). Jedenfalls könnte nicht bereits aus der Tatsache des Erscheinens zur Schlichtungsverhandlung für die juristische Person auf eine faktische BGE 141 III 159 S. 166 Organschaft geschlossen werden, da so eine beliebige Person zum faktischen Organ werden könnte und das Erfordernis des persönlichen Erscheinens nach Art. 204 Abs. 1 ZPO völlig ausgehöhlt würde. Ein weiteres Problem würde sich auch mit der Zeichnungsberechtigung ergeben. Bei einem faktischen Organ lässt sich nicht wie bei im Handelsregister eingetragenen Organen aus diesem ablesen, ob eine Einzel- oder eine Kollektivzeichnungsberechtigung besteht. 2.5 Ist die Schlichtungsbehörde mit so vielen Unklarheiten konfrontiert, die sie nicht oder jedenfalls nicht ohne einigen Aufwand beseitigen kann, so hätte sie bei Zulassung des faktischen Organs als Vertreterin der juristischen Person zwei Möglichkeiten. Entweder erachtet sie die Ausführungen des angeblichen faktischen Organs als glaubwürdig und führt die Schlichtung durch, dies mit dem Risiko, dass der zur Verhandlung erschienene Vertreter in Wirklichkeit kein faktisches Organ ist und eine erteilte Klagebewilligung ungültig oder ein abgeschlossener Vergleich in Frage gestellt wäre. Oder aber sie erachtet die korrekte Vertretung der juristischen Person als nicht erwiesen und schreibt bei Säumnis der Klägerin das Verfahren als gegenstandslos ab oder erteilt bei Säumnis der Beklagten die Klagebewilligung bzw. unterbreitet einen Urteilsvorschlag oder Entscheid. Im ersten Fall wird eine allfällige Einigung der Parteien nachträglich wieder in Frage gestellt, was der Rechtssicherheit abträglich ist. Im zweiten Fall wird die Schlichtungsverhandlung gar nicht erst durchgeführt, womit eine durch die Schlichtungsbehörde herbeigeführte Einigung nicht möglich ist. In beiden Fällen besteht die Gefahr, die Versöhnung der Parteien als Zweck des Schlichtungsverfahrens ( Art. 201 Abs. 1 ZPO ) zu vereiteln. Zudem ist es der Prozessökonomie abträglich, wenn die Frage des korrekten persönlichen Erscheinens i.S.v. Art. 204 Abs. 1 ZPO in das erstinstanzliche Gerichtsverfahren verlagert wird und - wie vorliegend - mittels Durchführung eines Beweisverfahrens geklärt werden muss (vgl. EGGER, a.a.O., N. 162 und 131). 2.6 Der Schlichtungsbehörde muss nach dem Gesagten ermöglicht werden, rasch und einfach zu prüfen, ob eine juristische Person korrekt vertreten zur Schlichtungsverhandlung erschienen ist. Die im Handelsregister eingetragenen Organe und die Prokuristen haben zu diesem Zweck einen Handelsregisterauszug vorzuweisen; die (kaufmännischen) Handlungsbevollmächtigten haben eine Vollmacht zur Prozessführung in dieser Angelegenheit i.S.v. Art. 462 Abs. 2 OR BGE 141 III 159 S. 167 vorzuweisen, aus der sich zudem ihre Handlungsvollmacht i.S.v. Art. 462 OR ergibt (vgl. BGE 141 III 80 E. 1.3 S. 82; Urteil 4D_2/2013 vom 1. Mai 2013 E. 2.2.1). Faktische Organe vermögen nichts Derartiges vorzuweisen. Eine juristische Person kann sich daher im Schlichtungsverfahren nicht von faktischen Organen vertreten lassen. 3. Um die Voraussetzung des persönlichen Erscheinens nach Art. 204 Abs. 1 ZPO zu erfüllen, kann sich eine juristische Person an der Schlichtungsverhandlung auch durch eine mit einer (kaufmännischen) Handlungsvollmacht ausgestattete, zur Prozessführung befugte und mit dem Streitgegenstand vertraute Person vertreten lassen ( BGE 140 III 70 E. 4.3 S. 72). Die Vorinstanz hat denn auch in einer Eventualbegründung geltend gemacht, D. sei zumindest als Handlungsbevollmächtigte i.S.v. Art. 462 OR zu qualifizieren. 3.1 Die Vorinstanz hat ausgeführt, die einzelzeichnungsberechtigte Verwaltungsrätin E. habe ihrer Mutter D. am 22. April 2013 eine Vollmacht ausgestellt. Darin habe sie D. bevollmächtigt, die Interessen von E. und diejenigen der Beschwerdegegnerin an der Verhandlung vor dem Friedensrichteramt N. vom 26. April 2013 in Sachen Klage Nr. x zu vertreten. Es liege somit eine gültige Handlungsvollmacht im Sinne von Art. 462 Abs. 2 OR für D. zur Vertretung an der Schlichtungsverhandlung vor. Es könne ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass diese Vollmacht dem Friedensrichter vorgelegen habe, sei doch auf der Klagebewilligung hinter dem Namen von D. der Zusatz "bevollmächtigt" vermerkt. 3.2 Unter einer kaufmännischen Handlungsvollmacht sind die Prokura nach Art. 458 ff. OR sowie die "andere Handlungsvollmacht" nach Art. 462 OR zu verstehen. Eine Handlungsvollmacht i.S.v. Art. 462 OR liegt vor, wenn der Inhaber eines Handels-, Fabrikations- oder eines andern nach kaufmännischer Art geführten Gewerbes jemanden ohne Erteilung der Prokura, sei es zum Betriebe des ganzen Gewerbes, sei es zu bestimmten Geschäften in seinem Gewerbe als Vertreter bestellt; die Vollmacht erstreckt sich dabei auf alle Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen Gewerbes oder die Ausführung derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt ( Art. 462 Abs. 1 OR ). Zur Prozessführung ist der Handlungsbevollmächtigte hingegen nur ermächtigt, wenn ihm eine solche Befugnis ausdrücklich erteilt worden ist ( Art. 462 Abs. 2 OR ). Wenn das Bundesgericht eine kaufmännische Handlungsvollmacht voraussetzt, so ergibt sich daraus, dass eine bloss bürgerliche Bevollmächtigung ( Art. 32 ff. OR ) nicht ausreicht. BGE 141 III 159 S. 168 3.3 Wird wie vorliegend eine Person schriftlich bevollmächtigt, eine Partei an der Schlichtungsverhandlung zu vertreten, so stellt sich die Frage, ob lediglich eine (unzureichende) bürgerliche Bevollmächtigung nach Art. 32 OR oder ob eine nach Art. 462 Abs. 2 OR erforderliche, einem Handlungsbevollmächtigten i.S.v. Art. 462 OR ausdrücklich erteilte Befugnis zur Prozessführung vorliegt. Eine Handlungsvollmacht i.S.v. Art. 462 OR setzt voraus, dass eine Person nicht für ein einzelnes Rechtsgeschäft gezielt bevollmächtigt, sondern für alle Rechtshandlungen als Vertreter bestellt wird, die der Betrieb eines ganzen Gewerbes oder die Ausführung bestimmter Geschäfte in einem Gewerbe mit sich bringt; die Ermächtigung zur Prozessführung nach Art. 462 Abs. 2 OR kann demnach nur einer Person erteilt werden, die (bereits) Handlungsbevollmächtigte i.S.v. Art. 462 Abs. 1 OR ist (vgl. WYSS, a.a.O., N. 2 zu Art. 204 ZPO : "Die Anwesenheit eines Handlungsbevollmächtigten nach Art. 462 Abs. 1 OR ist nur ausreichend, wenn dieser ausdrücklich zur Prozessführung ermächtigt worden ist [ Art. 462 Abs. 2 OR ]."). Aus der Vollmacht zur Prozessführung ( Art. 462 Abs. 2 OR ) muss sich mithin gleichzeitig ergeben, dass eine Handlungsvollmacht i.S.v. Art. 462 OR vorliegt (vgl. oben E. 2.6). 3.4 Vorliegend hat sich die Vorinstanz zur Begründung der Handlungsvollmacht i.S.v. Art. 462 Abs. 1 OR auf die Vollmacht zur Vertretung im Prozess gestützt. Aus der Vollmacht ergibt sich indessen nicht, dass D. eine (kaufmännische) Handlungsbevollmächtigte i.S.v. Art. 462 Abs. 1 OR der Beschwerdegegnerin war. Damit wären die Voraussetzungen für eine gültige Vertretung der Beschwerdegegnerin durch eine (kaufmännische) Handlungsbevollmächtigte an sich nicht erfüllt. Das Bundesgericht hat diese Voraussetzungen vorliegend allerdings erstmals konkretisiert. Sollte D. von E. daher tatsächlich als Handlungsbevollmächtigte nach Art. 462 OR bestellt und sollte dies auch der Beschwerdeführerin bekannt gewesen sein, so könnte im vorliegenden Fall aus Gründen des Vertrauensschutzes noch eine gültige Vertretung an der Schlichtungsverhandlung angenommen werden. Die Vorinstanz hat im Rahmen ihrer Ausführungen zur Frage einer faktischen Organschaft festgestellt, D. habe aktiv bei der Beschwerdegegnerin mitgearbeitet und habe sich um die Administration und das Personal gekümmert. Sie habe etwa auch einen Kontrollrapport des Tierschutzes unterzeichnet. Zudem sei sie auch an einer Besprechung mit den Söhnen der Beschwerdeführerin dabei gewesen. BGE 141 III 159 S. 169 Es bestehen somit Indizien dafür, dass D. nicht nur faktisch, sondern auch formell zur Vornahme aller Rechtshandlungen bevollmächtigt war, die der Betrieb des Gewerbes der Beschwerdegegnerin oder die Ausführung bestimmter Geschäfte in diesem Gewerbe gewöhnlich mit sich brachte. Die Sache ist somit an die Vorinstanz zur Ergänzung des Sachverhalts dahingehend zurückzuweisen, ob eine solche formelle (kaufmännische) Handlungsvollmacht i.S.v. Art. 462 Abs. 1 OR bestand und ob die damit verbundene Vertretungsmacht auch der Beschwerdeführerin bekannt war oder bekannt gewesen sein musste.
Urteilskopf
23. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B. AG (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_530/2014 vom 17. April 2015
Regeste Art. 204 Abs. 1 ZPO, Art. 32 und 462 OR ; persönliches Erscheinen zur Schlichtungsverhandlung; faktisches Organ; Vollmacht. Eine juristische Person kann sich im Schlichtungsverfahren nicht von faktischen Organen vertreten lassen (E. 2). Eine bloss bürgerliche Bevollmächtigung ( Art. 32 ff. OR ) reicht für das persönliche Erscheinen einer juristischen Person an der Schlichtungsverhandlung nicht aus. Abgrenzung zur kaufmännischen Handlungsvollmacht nach Art. 462 OR (E. 3).
Regeste
Art. 204 Abs. 1 ZPO, Art. 32 und 462 OR ; persönliches Erscheinen zur Schlichtungsverhandlung; faktisches Organ; Vollmacht. Eine juristische Person kann sich im Schlichtungsverfahren nicht von faktischen Organen vertreten lassen (E. 2). Eine bloss bürgerliche Bevollmächtigung ( Art. 32 ff. OR ) reicht für das persönliche Erscheinen einer juristischen Person an der Schlichtungsverhandlung nicht aus. Abgrenzung zur kaufmännischen Handlungsvollmacht nach Art. 462 OR (E. 3).
Art. 204 Abs. 1 ZPO Art. 32 und 462 OR Eine juristische Person kann sich im Schlichtungsverfahren nicht von faktischen Organen vertreten lassen (E. 2).
Eine bloss bürgerliche Bevollmächtigung ( Art. 32 ff. OR ) reicht für das persönliche Erscheinen einer juristischen Person an der Schlichtungsverhandlung nicht aus. Abgrenzung zur kaufmännischen Handlungsvollmacht nach Art. 462 OR (E. 3).
Art. 32 ff. OR Art. 462 OR Sachverhalt ab Seite 160
Sachverhalt ab Seite 160 BGE 141 III 159 S. 160
BGE 141 III 159 S. 160
A. A. (Beklagte, Beschwerdeführerin) verpachtet der B. AG (Klägerin, Beschwerdegegnerin) mehrere Parzellen, welche diese zum Betrieb einer Pferdesportanlage nutzt. Zwischen den Parteien ist umstritten, ob A. den Pachtvertrag mit der B. AG gekündigt hat.
A. B. Am 27. Dezember 2012 reichte die B. AG beim Friedensrichteramt N. ein Schlichtungsgesuch ein. Die Schlichtungsverhandlung fand am 26. April 2013 statt. Seitens der Klägerschaft erschien D., die Mutter von E.; E. ist einziges Mitglied des Verwaltungsrates der B. AG. An der Schlichtungsverhandlung wurde der B. AG die Klagebewilligung ausgestellt.
B. Am 27. Mai 2013 reichte die B. AG beim Bezirksgericht Arlesheim Klage ein mit dem Hauptantrag, es sei festzustellen, dass die Kündigung durch A. unwirksam sei. A. bestritt in ihrer Klageantwort das Vorliegen einer gültigen Klagebewilligung. Sie machte geltend, D. habe die B. AG bei der Schlichtungsverhandlung nicht vertreten können, weshalb die B. AG säumig gewesen sei und die Schlichtungsbehörde das Verfahren als gegenstandslos hätte abschreiben müssen. Mit Entscheid vom 16. Januar 2014 stellte die Bezirksgerichtspräsidentin Arlesheim die Ungültigkeit der Kündigung fest. Sie kam zum Schluss, die Klagebewilligung sei gültig.
Die dagegen erhobene Berufung der A. wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft mit Entscheid vom 15. Juli 2014 ab. Auch das Kantonsgericht ging von der Gültigkeit der Klagebewilligung aus, weil D. faktisches Organ der B. AG sei und durch ihre Teilnahme an der Schlichtungsverhandlung die Voraussetzung des persönlichen Erscheinens nach Art. 204 Abs. 1 ZPO erfüllt worden sei. BGE 141 III 159 S. 161
Art. 204 Abs. 1 ZPO BGE 141 III 159 S. 161
C. Mit Beschwerde in Zivilsachen und subsidiärer Verfassungsbeschwerde vom 15. September 2014 beantragt A. dem Bundesgericht, es sei der Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft aufzuheben und es sei festzustellen, dass die Klagebewilligung vom 26. April 2013 ungültig sei. Auf die Klage der B. AG sei nicht einzutreten.
C. Das Bundesgericht tritt auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde nicht ein; es heisst die Beschwerde in Zivilsachen teilweise gut, hebt den angefochtenen Entscheid auf und weist die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
1. (...)
1. 1.2 Bei der zu beurteilenden Streitsache handelt es sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit und es liegt - da Streitigkeiten aus Pachtrecht nicht als mietrechtliche Fälle zu qualifizieren sind ( BGE 136 III 196 E. 1.1 S. 197) - weder ein arbeits- noch ein mietrechtlicher Fall vor. Diesfalls ist die Beschwerde in Zivilsachen nur zulässig, sofern der Streitwert mindestens Fr. 30'000.- beträgt ( Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG ). Der Streitwert bestimmt sich nach den Begehren, die vor der Vorinstanz strittig geblieben sind ( Art. 51 Abs. 1 lit. a BGG ). Vorliegend beträgt der Streitwert nach Angaben der Vorinstanz und der Parteien Fr. 15'000.-, womit der von Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG geforderte Mindestbetrag nicht erreicht wird.
1.2 Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG Art. 51 Abs. 1 lit. a BGG Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG Erreicht der Streitwert den massgebenden Betrag nicht, ist die Beschwerde in Zivilsachen u.a. dennoch zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt ( Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG ). Dies ist der Fall, wenn ein allgemeines und dringendes Interesse besteht, dass eine umstrittene Frage höchstrichterlich geklärt wird, um eine einheitliche Anwendung und Auslegung des Bundesrechts herbeizuführen und damit eine erhebliche Rechtsunsicherheit auszuräumen ( BGE 139 III 209 E. 1.2 S. 210, BGE 139 III 182 E. 1.2 S. 185; BGE 138 I 232 E. 2.3 S. 236; BGE 134 III 354 E. 1.3 S. 357).
Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG 1.2.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, es sei eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, ob es für das Erfordernis des "persönlichen Erscheinens" zu einer Schlichtungsverhandlung ausreiche, wenn die Aktiengesellschaft durch ein "faktisches Organ" vertreten werde, oder ob es zur Rechtssicherheit nicht eines Handelsregistereintrags bedürfe. BGE 141 III 159 S. 162
1.2.1 BGE 141 III 159 S. 162
1.2.2 Nach Art. 197 ZPO geht dem Entscheidverfahren - abgesehen von bestimmten Ausnahmefällen (vgl. Art. 198 f. ZPO) - ein Schlichtungsversuch vor einer Schlichtungsbehörde voraus. Zur Schlichtungsverhandlung müssen die Parteien persönlich erscheinen ( Art. 204 Abs. 1 ZPO ). Das Bundesgericht hat in BGE 140 III 70 entschieden, diese Pflicht zum persönlichen Erscheinen gelte auch für juristische Personen (E. 4.3 S. 70 ff.). Eine juristische Person habe sich an der Schlichtungsverhandlung durch ein Organ oder zumindest durch eine mit einer (kaufmännischen) Handlungsvollmacht ausgestattete und zur Prozessführung befugte Person, die überdies mit dem Streitgegenstand vertraut sei, vertreten zu lassen (E. 4.3 S. 72). Nicht geklärt ist damit, ob zu den Organen, die zur Vertretung der juristischen Person an der Schlichtungsverhandlung befugt sind, auch faktische Organe gehören. Faktische Organe sind Personen, die tatsächlich Organen vorbehaltene Entscheide treffen oder die eigentliche Geschäftsführung besorgen und so die Willensbildung der Gesellschaft massgebend mitbestimmen ( BGE 128 III 29 E. 3a S. 30 mit Hinweisen).
1.2.2 Art. 197 ZPO Art. 204 Abs. 1 ZPO Mit BGE 141 III 80 hat sich das Bundesgericht allgemein dazu geäussert, welche Personen dazu befugt sind, für eine Aktiengesellschaft rechtsgeschäftlich zu handeln und vor Gericht zu erscheinen; es sind dies erstens die Mitglieder des Verwaltungsrates ( Art. 718 Abs. 1 OR ), bei Übertragung der Vertretung nach Art. 718 Abs. 2 OR zweitens Delegierte oder Direktoren, drittens Prokuristen ( Art. 458 OR ) und viertens Handlungsbevollmächtigte i.S.v. Art. 462 OR (E. 1.3 S. 82). Die faktischen Organe werden in dieser Aufzählung nicht erwähnt. Ob zur Vertretung an der Schlichtungsverhandlung, für welche Art. 204 Abs. 1 ZPO mit der Voraussetzung des persönlichen Erscheinens eine Sonderregelung aufstellt, auch lediglich die aufgezählten Personen befugt sind, ist nicht ausdrücklich geklärt.
Art. 718 Abs. 1 OR Art. 718 Abs. 2 OR Art. 458 OR Art. 462 OR Art. 204 Abs. 1 ZPO 1.2.3 In der Lehre ist die Frage der Zulässigkeit einer Vertretung an der Schlichtungsverhandlung durch faktische Organe umstritten (Zulässigkeit bejahend: URS EGLI, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner und andere [Hrsg.], 2011, N. 5 zu Art. 204 ZPO ; Zulässigkeit verneinend: DAVID EGGER, Die Stellung der Organe im Zivilprozess, 2014, N. 151 ff., 165; implizit verneinend durch Voraussetzung eines Handelsregistereintrags: ALVAREZ/PETER, in: Berner Kommentar, 2012, N. 2 zu Art. 204 ZPO ; ADRIAN STAEHELIN UND ANDERE, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2013, § 20 N. 19; BGE 141 III 159 S. 163 ALEXANDER WYSS, in: Schweizerische Zivilprozessordnung, Baker & McKenzie [Hrsg.], 2010, N. 2 zu Art. 204 ZPO ).
1.2.3 Art. 204 ZPO Art. 204 ZPO BGE 141 III 159 S. 163
Art. 204 ZPO 1.2.4 Die Frage, wie eine juristische Person das Erfordernis des persönlichen Erscheinens an der Schlichtungsverhandlung korrekt umsetzt, ist von erheblicher praktischer Tragweite. Ob auch ein faktisches Organ die juristische Person vertreten kann, wovon die Vorinstanz ausging, ist durch die bundesgerichtliche Rechtsprechung nicht geklärt und in der Lehre umstritten. Vor diesem Hintergrund ist ein Klärungsbedürfnis und damit das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu bejahen. Die Beschwerde in Zivilsachen erweist sich damit gestützt auf Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG als zulässig. Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist demnach nicht einzutreten ( Art. 113 BGG ).
1.2.4 Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG Art. 113 BGG 2. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 204 Abs. 1 ZPO. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz habe die Beschwerdegegnerin das Erfordernis des persönlichen Erscheinens nicht durch das Erscheinen eines faktischen Organs erfüllen können, als welches D. qualifiziert worden sei. Die Klagebewilligung sei somit ungültig, weshalb die Klage abzuweisen sei.
2. Art. 204 Abs. 1 ZPO 2.1 Die Klagebewilligung stellt - abgesehen vom Spruch über die Kosten (vgl. Urteil 4D_68/2013 vom 12. November 2013 E. 3) - keinen anfechtbaren Entscheid dar ( BGE 139 III 273 E. 2.3 mit Hinweisen). Die beklagte Partei kann ihre Gültigkeit aber im erstinstanzlichen Klageverfahren bestreiten. Das Vorliegen der gültigen Klagebewilligung der Schlichtungsbehörde nach Art. 209 ZPO ist, wo dem Prozess überhaupt ein Schlichtungsversuch vorauszugehen hat, eine Prozessvoraussetzung, die das Gericht von Amtes wegen zu prüfen hat ( BGE 139 III 273 E. 2.1 mit Hinweisen). Ungültig ist die Klagebewilligung etwa, wenn die Schlichtungsbehörde mangels persönlichen Erscheinens der klagenden Partei ( Art. 204 Abs. 1 ZPO ) das Verfahren hätte abschreiben müssen, weil bei Säumnis der klagenden Partei das Schlichtungsgesuch nach Art. 206 Abs. 1 ZPO als zurückgezogen gilt ( BGE 140 III 70 E. 5 S. 74).
2.1 Art. 209 ZPO Art. 204 Abs. 1 ZPO Art. 206 Abs. 1 ZPO 2.2 Die Vorinstanz hat ausgeführt, D. sei nicht als Organ im Handelsregister eingetragen. Nach dem funktionellen Organbegriff sei als Organ aber nicht nur anzusehen, wer de forma zur Erfüllung gesellschaftlicher Aufgaben berufen werde (formelles Organ), sondern auch, wer de facto Leitungsfunktionen wahrnehme bzw. effektiv und in entscheidender Weise an der Bildung des Verbandswillens teilhabe, BGE 141 III 159 S. 164 indem er Organen vorbehaltene Entscheide treffe oder die eigentliche Geschäftsführung besorge und so die Willensbildung der Gesellschaft massgebend mitbestimme (faktisches Organ). Die Vorinstanz kam zum Schluss, D. sei ein solches faktisches Organ der klägerischen Aktiengesellschaft und durch ihre Teilnahme an der Schlichtungsverhandlung sei die Voraussetzung des persönlichen Erscheinens gemäss Art. 204 Abs. 1 ZPO erfüllt.
2.2 BGE 141 III 159 S. 164
Art. 204 Abs. 1 ZPO 2.3 Art. 204 Abs. 1 ZPO verlangt, dass die für eine juristische Person als Partei an der Schlichtungsverhandlung anwesende Vertreterin vorbehaltlos und gültig handeln kann. So muss sie insbesondere zum Vergleichsabschluss ermächtigt sein ( BGE 140 III 70 E. 4.4 S. 73). In der Lehre ist umstritten, ob die Figur des faktischen Organs lediglich als Haftungstatbestand für sich einmischende Personen dient oder ob das faktische Organ tatsächliche Organqualität hat und (über die Grundsätze der Anscheins- oder Duldungsvollmacht hinausgehend) durch sein Handeln die juristische Person aktiv binden kann (dazu ausführlich und kritisch MICHAEL WYTTENBACH, Formelle, materielle und faktische Organe - einheitlicher Organbegriff?, 2012, S. 247 ff., 267 f. mit zahlreichen Hinweisen auf die Literatur; kritisch auch EGGER, a.a.O., N. 152 ff., 164; vgl. zu den Folgen faktischer Organschaft auch PETER V. KUNZ, Materielle Organschaft ["faktische VR"]: Voraussetzung sowie Folgen im Aktienrecht, in: Entwicklungen im Gesellschaftsrecht IX, 2014, S. 173 ff., 183 ff.).
2.3 Art. 204 Abs. 1 ZPO Das Bundesgericht hat die Figur des faktischen Organs bisher primär im Zusammenhang mit der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit (des faktischen Organs) nach Art. 754 OR angewendet ( BGE 136 III 14 E. 2.4 S. 20 f.; BGE 128 III 92 E. 3a S. 93 f., BGE 128 III 29 E. 3a S. 30 f.; BGE 119 II 255 E. 4 S. 257 ff.; BGE 117 II 570 E. 3 S. 571; BGE 107 II 349 E. 5b S. 355; Urteil 4A_306/2009 vom 8. Februar 2010 E. 7), weiter im Zusammenhang mit der Verantwortlichkeit der Organe einer Aktiengesellschaft für Nichtleistung der Sozialversicherungsbeiträge ( BGE 132 III 523 E. 4.5 S. 528 f.), im Zusammenhang mit der Geschäftsherrenhaftung nach Art. 55 OR ( BGE 122 III 225 E. 4b S. 227; vgl. auch Urteil 4A_544/2008 vom 10. Februar 2009 E. 2.2 f.) und im Zusammenhang mit einer auf Rechtsschein beruhenden Vollmacht ( BGE 124 III 418 E. 1b S. 420 f. und E. 1c S. 421 f.). In einem nicht publizierten Urteil aus dem Jahr 2001 hat das Bundesgericht zwar ausgeführt, auch das faktische Organ könne die Gesellschaft nach aussen vertreten, wobei sich die Vertretungsmacht aus dem Umstand ergebe, dass die entsprechenden Personen in gleicher Weise wie ein gewähltes BGE 141 III 159 S. 165 Organ an der Meinungsbildung der juristischen Person beteiligt seien und nach aussen auftreten würden (Urteil 4C.307/2001 vom 14. März 2002 E. 2b). In diesem Urteil ging es indessen nicht um eine aktive Handlung, sondern (ähnlich einer Wissenszurechnung) um die Zurechnung der Entgegennahme von Arbeit (vgl. Art. 320 Abs. 2 OR ).
Art. 754 OR Art. 55 OR BGE 141 III 159 S. 165
Art. 320 Abs. 2 OR 2.4 Es kann hier offenbleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen ein faktisches Organ aktiv für die juristische Person materiell bindende Rechtshandlungen vornehmen kann, selbst wenn - wie hier - die Gegenpartei eine gültige Vertretung der juristischen Person bestreitet. Denn vorliegend gilt es den prozessrechtlichen Kontext zu beachten. Die Schlichtungsbehörde muss an der Schlichtungsverhandlung prüfen, ob die Voraussetzung des persönlichen Erscheinens nach Art. 204 Abs. 1 ZPO erfüllt ist. Von dieser Frage hängt das weitere Vorgehen ab. Erscheint eine Partei nicht persönlich, ohne dass ein Dispensationsgrund nach Art. 204 Abs. 3 ZPO vorliegt, so ist sie säumig. Dies hat bei der klagenden Partei zur Folge, dass das Schlichtungsgesuch als zurückgezogen gilt und das Verfahren als gegenstandslos abgeschrieben wird ( Art. 206 Abs. 1 ZPO ). Bei Säumnis der beklagten Partei verfährt die Schlichtungsbehörde gemäss Art. 206 Abs. 2 ZPO, wie wenn keine Einigung zustande gekommen wäre (Erteilung der Klagebewilligung, Unterbreitung eines Urteilsvorschlags oder Entscheid). Die Schlichtungsbehörde muss somit an der Schlichtungsverhandlung möglichst rasch und gestützt auf Urkunden (vgl. Art. 203 Abs. 2 ZPO ) darüber befinden können, ob die Voraussetzung des persönlichen Erscheinens nach Art. 204 Abs. 1 ZPO erfüllt ist oder ob sie aufgrund von Säumnis das Verfahren abschreiben (Säumnis der klagenden Partei) bzw. nach Art. 209-212 ZPO verfahren soll (Säumnis der beklagten Partei).
2.4 Art. 204 Abs. 1 ZPO Art. 204 Abs. 3 ZPO Art. 206 Abs. 1 ZPO Art. 206 Abs. 2 ZPO Art. 203 Abs. 2 ZPO Art. 204 Abs. 1 ZPO Art. 209-212 ZPO Erscheint nun für eine juristische Person eine natürliche Person zur Schlichtungsverhandlung, die sich als faktisches Organ ausgibt, so lässt sich deren Stellung innerhalb der juristischen Person durch die Schlichtungsbehörde nur schwer verifizieren (vgl. auch EGGER, a.a.O., N. 162). Ein faktisches Organ ist gerade nicht im Handelsregister eingetragen. Es spricht für sich, dass vorliegend das erstinstanzliche Gericht ein Beweisverfahren durchführen und mehrere Personen befragen musste, um zur Auffassung zu gelangen, es liege eine faktische Organschaft vor. Solche Beweismassnahmen sind im Schlichtungsverfahren nicht möglich (vgl. Art. 203 Abs. 2 ZPO ). Jedenfalls könnte nicht bereits aus der Tatsache des Erscheinens zur Schlichtungsverhandlung für die juristische Person auf eine faktische BGE 141 III 159 S. 166 Organschaft geschlossen werden, da so eine beliebige Person zum faktischen Organ werden könnte und das Erfordernis des persönlichen Erscheinens nach Art. 204 Abs. 1 ZPO völlig ausgehöhlt würde. Ein weiteres Problem würde sich auch mit der Zeichnungsberechtigung ergeben. Bei einem faktischen Organ lässt sich nicht wie bei im Handelsregister eingetragenen Organen aus diesem ablesen, ob eine Einzel- oder eine Kollektivzeichnungsberechtigung besteht.
Art. 203 Abs. 2 ZPO BGE 141 III 159 S. 166
Art. 204 Abs. 1 ZPO 2.5 Ist die Schlichtungsbehörde mit so vielen Unklarheiten konfrontiert, die sie nicht oder jedenfalls nicht ohne einigen Aufwand beseitigen kann, so hätte sie bei Zulassung des faktischen Organs als Vertreterin der juristischen Person zwei Möglichkeiten. Entweder erachtet sie die Ausführungen des angeblichen faktischen Organs als glaubwürdig und führt die Schlichtung durch, dies mit dem Risiko, dass der zur Verhandlung erschienene Vertreter in Wirklichkeit kein faktisches Organ ist und eine erteilte Klagebewilligung ungültig oder ein abgeschlossener Vergleich in Frage gestellt wäre. Oder aber sie erachtet die korrekte Vertretung der juristischen Person als nicht erwiesen und schreibt bei Säumnis der Klägerin das Verfahren als gegenstandslos ab oder erteilt bei Säumnis der Beklagten die Klagebewilligung bzw. unterbreitet einen Urteilsvorschlag oder Entscheid.
2.5 Im ersten Fall wird eine allfällige Einigung der Parteien nachträglich wieder in Frage gestellt, was der Rechtssicherheit abträglich ist. Im zweiten Fall wird die Schlichtungsverhandlung gar nicht erst durchgeführt, womit eine durch die Schlichtungsbehörde herbeigeführte Einigung nicht möglich ist. In beiden Fällen besteht die Gefahr, die Versöhnung der Parteien als Zweck des Schlichtungsverfahrens ( Art. 201 Abs. 1 ZPO ) zu vereiteln. Zudem ist es der Prozessökonomie abträglich, wenn die Frage des korrekten persönlichen Erscheinens i.S.v. Art. 204 Abs. 1 ZPO in das erstinstanzliche Gerichtsverfahren verlagert wird und - wie vorliegend - mittels Durchführung eines Beweisverfahrens geklärt werden muss (vgl. EGGER, a.a.O., N. 162 und 131).
Art. 201 Abs. 1 ZPO Art. 204 Abs. 1 ZPO 2.6 Der Schlichtungsbehörde muss nach dem Gesagten ermöglicht werden, rasch und einfach zu prüfen, ob eine juristische Person korrekt vertreten zur Schlichtungsverhandlung erschienen ist. Die im Handelsregister eingetragenen Organe und die Prokuristen haben zu diesem Zweck einen Handelsregisterauszug vorzuweisen; die (kaufmännischen) Handlungsbevollmächtigten haben eine Vollmacht zur Prozessführung in dieser Angelegenheit i.S.v. Art. 462 Abs. 2 OR BGE 141 III 159 S. 167 vorzuweisen, aus der sich zudem ihre Handlungsvollmacht i.S.v. Art. 462 OR ergibt (vgl. BGE 141 III 80 E. 1.3 S. 82; Urteil 4D_2/2013 vom 1. Mai 2013 E. 2.2.1). Faktische Organe vermögen nichts Derartiges vorzuweisen. Eine juristische Person kann sich daher im Schlichtungsverfahren nicht von faktischen Organen vertreten lassen.
2.6 Art. 462 Abs. 2 OR BGE 141 III 159 S. 167
Art. 462 OR 3. Um die Voraussetzung des persönlichen Erscheinens nach Art. 204 Abs. 1 ZPO zu erfüllen, kann sich eine juristische Person an der Schlichtungsverhandlung auch durch eine mit einer (kaufmännischen) Handlungsvollmacht ausgestattete, zur Prozessführung befugte und mit dem Streitgegenstand vertraute Person vertreten lassen ( BGE 140 III 70 E. 4.3 S. 72). Die Vorinstanz hat denn auch in einer Eventualbegründung geltend gemacht, D. sei zumindest als Handlungsbevollmächtigte i.S.v. Art. 462 OR zu qualifizieren.
3. Art. 204 Abs. 1 ZPO Art. 462 OR 3.1 Die Vorinstanz hat ausgeführt, die einzelzeichnungsberechtigte Verwaltungsrätin E. habe ihrer Mutter D. am 22. April 2013 eine Vollmacht ausgestellt. Darin habe sie D. bevollmächtigt, die Interessen von E. und diejenigen der Beschwerdegegnerin an der Verhandlung vor dem Friedensrichteramt N. vom 26. April 2013 in Sachen Klage Nr. x zu vertreten. Es liege somit eine gültige Handlungsvollmacht im Sinne von Art. 462 Abs. 2 OR für D. zur Vertretung an der Schlichtungsverhandlung vor. Es könne ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass diese Vollmacht dem Friedensrichter vorgelegen habe, sei doch auf der Klagebewilligung hinter dem Namen von D. der Zusatz "bevollmächtigt" vermerkt.
3.1 Art. 462 Abs. 2 OR 3.2 Unter einer kaufmännischen Handlungsvollmacht sind die Prokura nach Art. 458 ff. OR sowie die "andere Handlungsvollmacht" nach Art. 462 OR zu verstehen. Eine Handlungsvollmacht i.S.v. Art. 462 OR liegt vor, wenn der Inhaber eines Handels-, Fabrikations- oder eines andern nach kaufmännischer Art geführten Gewerbes jemanden ohne Erteilung der Prokura, sei es zum Betriebe des ganzen Gewerbes, sei es zu bestimmten Geschäften in seinem Gewerbe als Vertreter bestellt; die Vollmacht erstreckt sich dabei auf alle Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen Gewerbes oder die Ausführung derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt ( Art. 462 Abs. 1 OR ). Zur Prozessführung ist der Handlungsbevollmächtigte hingegen nur ermächtigt, wenn ihm eine solche Befugnis ausdrücklich erteilt worden ist ( Art. 462 Abs. 2 OR ). Wenn das Bundesgericht eine kaufmännische Handlungsvollmacht voraussetzt, so ergibt sich daraus, dass eine bloss bürgerliche Bevollmächtigung ( Art. 32 ff. OR ) nicht ausreicht. BGE 141 III 159 S. 168
3.2 Art. 458 ff. OR Art. 462 OR Art. 462 OR Art. 462 Abs. 1 OR Art. 462 Abs. 2 OR Art. 32 ff. OR BGE 141 III 159 S. 168
3.3 Wird wie vorliegend eine Person schriftlich bevollmächtigt, eine Partei an der Schlichtungsverhandlung zu vertreten, so stellt sich die Frage, ob lediglich eine (unzureichende) bürgerliche Bevollmächtigung nach Art. 32 OR oder ob eine nach Art. 462 Abs. 2 OR erforderliche, einem Handlungsbevollmächtigten i.S.v. Art. 462 OR ausdrücklich erteilte Befugnis zur Prozessführung vorliegt. Eine Handlungsvollmacht i.S.v. Art. 462 OR setzt voraus, dass eine Person nicht für ein einzelnes Rechtsgeschäft gezielt bevollmächtigt, sondern für alle Rechtshandlungen als Vertreter bestellt wird, die der Betrieb eines ganzen Gewerbes oder die Ausführung bestimmter Geschäfte in einem Gewerbe mit sich bringt; die Ermächtigung zur Prozessführung nach Art. 462 Abs. 2 OR kann demnach nur einer Person erteilt werden, die (bereits) Handlungsbevollmächtigte i.S.v. Art. 462 Abs. 1 OR ist (vgl. WYSS, a.a.O., N. 2 zu Art. 204 ZPO : "Die Anwesenheit eines Handlungsbevollmächtigten nach Art. 462 Abs. 1 OR ist nur ausreichend, wenn dieser ausdrücklich zur Prozessführung ermächtigt worden ist [ Art. 462 Abs. 2 OR ]."). Aus der Vollmacht zur Prozessführung ( Art. 462 Abs. 2 OR ) muss sich mithin gleichzeitig ergeben, dass eine Handlungsvollmacht i.S.v. Art. 462 OR vorliegt (vgl. oben E. 2.6).
3.3 Art. 32 OR Art. 462 Abs. 2 OR Art. 462 OR Art. 462 OR Art. 462 Abs. 2 OR Art. 462 Abs. 1 OR Art. 204 ZPO Art. 462 Abs. 1 OR Art. 462 Abs. 2 OR Art. 462 Abs. 2 OR Art. 462 OR 3.4 Vorliegend hat sich die Vorinstanz zur Begründung der Handlungsvollmacht i.S.v. Art. 462 Abs. 1 OR auf die Vollmacht zur Vertretung im Prozess gestützt. Aus der Vollmacht ergibt sich indessen nicht, dass D. eine (kaufmännische) Handlungsbevollmächtigte i.S.v. Art. 462 Abs. 1 OR der Beschwerdegegnerin war. Damit wären die Voraussetzungen für eine gültige Vertretung der Beschwerdegegnerin durch eine (kaufmännische) Handlungsbevollmächtigte an sich nicht erfüllt. Das Bundesgericht hat diese Voraussetzungen vorliegend allerdings erstmals konkretisiert. Sollte D. von E. daher tatsächlich als Handlungsbevollmächtigte nach Art. 462 OR bestellt und sollte dies auch der Beschwerdeführerin bekannt gewesen sein, so könnte im vorliegenden Fall aus Gründen des Vertrauensschutzes noch eine gültige Vertretung an der Schlichtungsverhandlung angenommen werden.
3.4 Art. 462 Abs. 1 OR Art. 462 Abs. 1 OR Art. 462 OR Die Vorinstanz hat im Rahmen ihrer Ausführungen zur Frage einer faktischen Organschaft festgestellt, D. habe aktiv bei der Beschwerdegegnerin mitgearbeitet und habe sich um die Administration und das Personal gekümmert. Sie habe etwa auch einen Kontrollrapport des Tierschutzes unterzeichnet. Zudem sei sie auch an einer Besprechung mit den Söhnen der Beschwerdeführerin dabei gewesen. BGE 141 III 159 S. 169 Es bestehen somit Indizien dafür, dass D. nicht nur faktisch, sondern auch formell zur Vornahme aller Rechtshandlungen bevollmächtigt war, die der Betrieb des Gewerbes der Beschwerdegegnerin oder die Ausführung bestimmter Geschäfte in diesem Gewerbe gewöhnlich mit sich brachte. Die Sache ist somit an die Vorinstanz zur Ergänzung des Sachverhalts dahingehend zurückzuweisen, ob eine solche formelle (kaufmännische) Handlungsvollmacht i.S.v. Art. 462 Abs. 1 OR bestand und ob die damit verbundene Vertretungsmacht auch der Beschwerdeführerin bekannt war oder bekannt gewesen sein musste.
BGE 141 III 159 S. 169
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Urteilskopf 141 III 170 24. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. und B.A. gegen Bank C. und Betreibungsamt Pfannenstiel (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_820/2014 vom 7. April 2015 Regeste Art. 1 lit. c und Art. 145 ZPO ; Art. 17, 31, 56 und 63 SchKG. Belehrung über die Nichtgeltung der Gerichtsferien in einer der betreibungsrechtlichen Beschwerde unterliegenden Verfügung? In einer der betreibungsrechtlichen Beschwerde unterliegenden Verfügung ( Art. 17 SchKG ) muss der Adressat nicht darüber belehrt werden ( Art. 145 Abs. 3 ZPO ), dass die Gerichtsferien gemäss Art. 145 Abs. 1 ZPO im Beschwerdeverfahren nicht gelten (E. 3). Sachverhalt ab Seite 170 BGE 141 III 170 S. 170 A. A.A. und B.A. (Beschwerdeführer) sind Eigentümer des Grundstücks Kat. Nr. x in V. Mit Schreiben vom 14. Juli 2014 teilte ihnen das Betreibungsamt Pfannenstiel das Ergebnis der betreibungsamtlichen Schätzung des Grundstücks samt Zugehör mit. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer am 25. August 2014 Beschwerde beim Bezirksgericht Meilen. Sie verlangten, das Grundstück neu zu schätzen. Mit Zirkulationsbeschluss vom 23. September 2014 trat das Bezirksgericht auf die Beschwerde wegen Verspätung nicht ein. BGE 141 III 170 S. 171 B. Gegen diesen Beschluss erhoben die Beschwerdeführer am 3. Oktober 2014 Beschwerde an das Obergericht des Kantons Zürich. Mit Urteil vom 13. Oktober 2014 wies das Obergericht die Beschwerde ab. C. Am 22. Oktober 2014 haben die Beschwerdeführer gegen dieses Urteil Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Sie verlangen dessen Aufhebung und die Rückweisung der Sache an das Obergericht. Das Bundesgericht hat keine Vernehmlassungen eingeholt und weist die Beschwerde ab. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Die betreibungsrechtliche Beschwerde (Art. 17 f. SchKG) und entsprechend auch das vorliegende Verfahren auf Neuschätzung eines Grundstücks (Art. 99 Abs. 2 i.V.m. Art. 9 Abs. 2 der Verordnung des Bundesgerichts vom 23. April 1920 über die Zwangsverwertung von Grundstücken [VZG; SR 281.42] i.V.m. Art. 17 SchKG ) sind keine gerichtlichen Angelegenheiten des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts gemäss Art. 1 lit. c ZPO (Botschaft zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO] vom 28. Juni 2006, BBl 2006 7258 Ziff. 5.1 zu Art. 1 und 2 des Entwurfs; Urteil 5A_471/2013 vom 17. März 2014 E. 2.1). Die Gerichtsferien gemäss Art. 145 Abs. 1 ZPO und die Pflicht zur Belehrung über die Nichtgeltung von Gerichtsferien ( Art. 145 Abs. 3 ZPO ; vgl. dazu BGE 139 III 78 E. 5 S. 83 ff.) gelten demnach für die Beschwerde von vornherein nicht. Vielmehr richtet sich die Frage der Fristwahrung nach Art. 56 Ziff. 2 SchKG (Betreibungsferien) und Art. 63 SchKG (Wirkungen der Betreibungsferien auf den Fristenlauf) (Urteil 5A_471/2013 vom 17. März 2014 E. 2.1). Eine Pflicht zur Belehrung über die Nichtgeltung der Gerichtsferien der ZPO (mit fristverlängernder Wirkung bei unterbliebener Belehrung) ist weder in diesen Normen noch andernorts im SchKG oder in der VZG vorgesehen. Aus Art. 31 SchKG lässt sich nichts Gegenteiliges ableiten. Gemäss dieser Norm gelten für die Berechnung, die Einhaltung und den Lauf der Fristen die Bestimmungen der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO), sofern das SchKG nichts anderes bestimmt. Es ist damit nicht ausgeschlossen, dass die ZPO in diesem Rahmen durch Verweisung, und damit analogieweise ausserhalb ihres eigentlichen Anwendungsbereichs ( Art. 1 lit. c ZPO ), auch für das übrige Betreibungsverfahren herangezogen wird (vgl. Urteil 5A_633/2014 vom BGE 141 III 170 S. 172 6. Januar 2015 E. 2.5.3 hinsichtlich Art. 143 Abs. 1 ZPO ). Wie soeben gezeigt, sieht das SchKG im Bereich der Ferien und des Fristenstillstands jedoch Abweichendes vor, so dass bereits nach dem Wortlaut von Art. 31 SchKG kein Anlass besteht, Bestimmungen der ZPO anzuwenden. Zusätzlich behält Art. 145 Abs. 4 ZPO die Bestimmungen des SchKG über die Betreibungsferien und den Rechtsstillstand ausdrücklich vor. Die ZPO selber verweist damit auf Art. 56 ff. SchKG zurück. Somit gehen Art. 56 ff. SchKG als Spezialbestimmungen den Bestimmungen der ZPO zu den Gerichtsferien vor (Botschaft ZPO, a.a.O., 7310 Ziff. 5.9.3 am Schluss; FRANCIS NORDMANN, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 2 und 19 zu Art. 31 SchKG ). Was dies für die gerichtlichen Verfahren des SchKG bedeutet, für die die ZPO nicht bloss aufgrund des Verweises in Art. 31 SchKG gilt, sondern bereits deshalb, weil sie vom Anwendungsbereich der ZPO umfasst sind ( Art. 1 lit. c und Art. 251 ZPO ), braucht an dieser Stelle nicht beurteilt zu werden (vgl. dazu beispielsweise NINA J. FREI, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, N. 18 ff. zu Art. 145 ZPO ). Für die vorliegende Konstellation bedeutet dies jedoch, dass jegliche Grundlage für die Anwendung von Art. 145 Abs. 3 ZPO entfällt. Es ist denn auch nicht anzunehmen, dass der Bundesgesetzgeber eine Belehrung über die Nichtgeltung einer bestimmten Ferienregelung (der Gerichtsferien) in einem Verfahren hätte vorsehen wollen, in welchem die fragliche Ferienregelung von vornherein nicht zur Anwendung kommen kann. Über dieses Ergebnis hilft auch nicht hinweg, dass die Beschwerdeführer darin eine Schlechterbehandlung der Parteien eines Schätzungsverfahrens im Vergleich zu den Parteien eines Zivilprozesses sehen. Sinngemäss dasselbe gilt für die angebliche Schlechterbehandlung zu den Parteien des Aufsichtsverfahrens. Zwar belehrt offenbar die zürcherische Praxis, und so jedenfalls das Bezirksgericht Meilen im vorliegenden Fall, über die Nichtgeltung der Fristenstillstände der ZPO im Aufsichtsverfahren (gestützt auf Art. 20a Abs. 3 SchKG i.V.m. § 18 des Einführungsgesetzes vom 26. November 2007 zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs [EG SchKG; LS 281] i.V.m. §§ 83 f. des Gesetzes vom 10. Mai 2010 über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess [GOG; LS 211.1]). Wie es sich im Aufsichtsverfahren verhält, ist jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Beschwerde. Die Beschwerde ist somit abzuweisen.
Urteilskopf
24. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. und B.A. gegen Bank C. und Betreibungsamt Pfannenstiel (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_820/2014 vom 7. April 2015
Regeste Art. 1 lit. c und Art. 145 ZPO ; Art. 17, 31, 56 und 63 SchKG. Belehrung über die Nichtgeltung der Gerichtsferien in einer der betreibungsrechtlichen Beschwerde unterliegenden Verfügung? In einer der betreibungsrechtlichen Beschwerde unterliegenden Verfügung ( Art. 17 SchKG ) muss der Adressat nicht darüber belehrt werden ( Art. 145 Abs. 3 ZPO ), dass die Gerichtsferien gemäss Art. 145 Abs. 1 ZPO im Beschwerdeverfahren nicht gelten (E. 3).
Regeste
Art. 1 lit. c und Art. 145 ZPO ; Art. 17, 31, 56 und 63 SchKG. Belehrung über die Nichtgeltung der Gerichtsferien in einer der betreibungsrechtlichen Beschwerde unterliegenden Verfügung? In einer der betreibungsrechtlichen Beschwerde unterliegenden Verfügung ( Art. 17 SchKG ) muss der Adressat nicht darüber belehrt werden ( Art. 145 Abs. 3 ZPO ), dass die Gerichtsferien gemäss Art. 145 Abs. 1 ZPO im Beschwerdeverfahren nicht gelten (E. 3).
Art. 1 lit. c und Art. 145 ZPO In einer der betreibungsrechtlichen Beschwerde unterliegenden Verfügung ( Art. 17 SchKG ) muss der Adressat nicht darüber belehrt werden ( Art. 145 Abs. 3 ZPO ), dass die Gerichtsferien gemäss Art. 145 Abs. 1 ZPO im Beschwerdeverfahren nicht gelten (E. 3).
Art. 17 SchKG Art. 145 Abs. 3 ZPO Art. 145 Abs. 1 ZPO Sachverhalt ab Seite 170
Sachverhalt ab Seite 170 BGE 141 III 170 S. 170
BGE 141 III 170 S. 170
A. A.A. und B.A. (Beschwerdeführer) sind Eigentümer des Grundstücks Kat. Nr. x in V. Mit Schreiben vom 14. Juli 2014 teilte ihnen das Betreibungsamt Pfannenstiel das Ergebnis der betreibungsamtlichen Schätzung des Grundstücks samt Zugehör mit.
A. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer am 25. August 2014 Beschwerde beim Bezirksgericht Meilen. Sie verlangten, das Grundstück neu zu schätzen. Mit Zirkulationsbeschluss vom 23. September 2014 trat das Bezirksgericht auf die Beschwerde wegen Verspätung nicht ein. BGE 141 III 170 S. 171
BGE 141 III 170 S. 171
B. Gegen diesen Beschluss erhoben die Beschwerdeführer am 3. Oktober 2014 Beschwerde an das Obergericht des Kantons Zürich. Mit Urteil vom 13. Oktober 2014 wies das Obergericht die Beschwerde ab.
B. C. Am 22. Oktober 2014 haben die Beschwerdeführer gegen dieses Urteil Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Sie verlangen dessen Aufhebung und die Rückweisung der Sache an das Obergericht.
C. Das Bundesgericht hat keine Vernehmlassungen eingeholt und weist die Beschwerde ab.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
3. Die betreibungsrechtliche Beschwerde (Art. 17 f. SchKG) und entsprechend auch das vorliegende Verfahren auf Neuschätzung eines Grundstücks (Art. 99 Abs. 2 i.V.m. Art. 9 Abs. 2 der Verordnung des Bundesgerichts vom 23. April 1920 über die Zwangsverwertung von Grundstücken [VZG; SR 281.42] i.V.m. Art. 17 SchKG ) sind keine gerichtlichen Angelegenheiten des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts gemäss Art. 1 lit. c ZPO (Botschaft zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO] vom 28. Juni 2006, BBl 2006 7258 Ziff. 5.1 zu Art. 1 und 2 des Entwurfs; Urteil 5A_471/2013 vom 17. März 2014 E. 2.1). Die Gerichtsferien gemäss Art. 145 Abs. 1 ZPO und die Pflicht zur Belehrung über die Nichtgeltung von Gerichtsferien ( Art. 145 Abs. 3 ZPO ; vgl. dazu BGE 139 III 78 E. 5 S. 83 ff.) gelten demnach für die Beschwerde von vornherein nicht. Vielmehr richtet sich die Frage der Fristwahrung nach Art. 56 Ziff. 2 SchKG (Betreibungsferien) und Art. 63 SchKG (Wirkungen der Betreibungsferien auf den Fristenlauf) (Urteil 5A_471/2013 vom 17. März 2014 E. 2.1). Eine Pflicht zur Belehrung über die Nichtgeltung der Gerichtsferien der ZPO (mit fristverlängernder Wirkung bei unterbliebener Belehrung) ist weder in diesen Normen noch andernorts im SchKG oder in der VZG vorgesehen.
3. Art. 17 SchKG Art. 1 lit. c ZPO Art. 145 Abs. 1 ZPO Art. 145 Abs. 3 ZPO Art. 56 Ziff. 2 SchKG Art. 63 SchKG Aus Art. 31 SchKG lässt sich nichts Gegenteiliges ableiten. Gemäss dieser Norm gelten für die Berechnung, die Einhaltung und den Lauf der Fristen die Bestimmungen der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO), sofern das SchKG nichts anderes bestimmt. Es ist damit nicht ausgeschlossen, dass die ZPO in diesem Rahmen durch Verweisung, und damit analogieweise ausserhalb ihres eigentlichen Anwendungsbereichs ( Art. 1 lit. c ZPO ), auch für das übrige Betreibungsverfahren herangezogen wird (vgl. Urteil 5A_633/2014 vom BGE 141 III 170 S. 172 6. Januar 2015 E. 2.5.3 hinsichtlich Art. 143 Abs. 1 ZPO ). Wie soeben gezeigt, sieht das SchKG im Bereich der Ferien und des Fristenstillstands jedoch Abweichendes vor, so dass bereits nach dem Wortlaut von Art. 31 SchKG kein Anlass besteht, Bestimmungen der ZPO anzuwenden. Zusätzlich behält Art. 145 Abs. 4 ZPO die Bestimmungen des SchKG über die Betreibungsferien und den Rechtsstillstand ausdrücklich vor. Die ZPO selber verweist damit auf Art. 56 ff. SchKG zurück. Somit gehen Art. 56 ff. SchKG als Spezialbestimmungen den Bestimmungen der ZPO zu den Gerichtsferien vor (Botschaft ZPO, a.a.O., 7310 Ziff. 5.9.3 am Schluss; FRANCIS NORDMANN, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl. 2010, N. 2 und 19 zu Art. 31 SchKG ). Was dies für die gerichtlichen Verfahren des SchKG bedeutet, für die die ZPO nicht bloss aufgrund des Verweises in Art. 31 SchKG gilt, sondern bereits deshalb, weil sie vom Anwendungsbereich der ZPO umfasst sind ( Art. 1 lit. c und Art. 251 ZPO ), braucht an dieser Stelle nicht beurteilt zu werden (vgl. dazu beispielsweise NINA J. FREI, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, N. 18 ff. zu Art. 145 ZPO ). Für die vorliegende Konstellation bedeutet dies jedoch, dass jegliche Grundlage für die Anwendung von Art. 145 Abs. 3 ZPO entfällt. Es ist denn auch nicht anzunehmen, dass der Bundesgesetzgeber eine Belehrung über die Nichtgeltung einer bestimmten Ferienregelung (der Gerichtsferien) in einem Verfahren hätte vorsehen wollen, in welchem die fragliche Ferienregelung von vornherein nicht zur Anwendung kommen kann. Über dieses Ergebnis hilft auch nicht hinweg, dass die Beschwerdeführer darin eine Schlechterbehandlung der Parteien eines Schätzungsverfahrens im Vergleich zu den Parteien eines Zivilprozesses sehen. Sinngemäss dasselbe gilt für die angebliche Schlechterbehandlung zu den Parteien des Aufsichtsverfahrens. Zwar belehrt offenbar die zürcherische Praxis, und so jedenfalls das Bezirksgericht Meilen im vorliegenden Fall, über die Nichtgeltung der Fristenstillstände der ZPO im Aufsichtsverfahren (gestützt auf Art. 20a Abs. 3 SchKG i.V.m. § 18 des Einführungsgesetzes vom 26. November 2007 zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs [EG SchKG; LS 281] i.V.m. §§ 83 f. des Gesetzes vom 10. Mai 2010 über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess [GOG; LS 211.1]). Wie es sich im Aufsichtsverfahren verhält, ist jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Beschwerde.
Art. 31 SchKG Art. 1 lit. c ZPO BGE 141 III 170 S. 172
Art. 143 Abs. 1 ZPO Art. 31 SchKG Art. 145 Abs. 4 ZPO Art. 56 ff. SchKG Art. 56 ff. SchKG Art. 31 SchKG Art. 31 SchKG Art. 1 lit. c und Art. 251 ZPO Art. 145 ZPO Art. 145 Abs. 3 ZPO Art. 20a Abs. 3 SchKG Die Beschwerde ist somit abzuweisen.
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Urteilskopf 141 III 173 25. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A. SA contre Office des poursuites de la Sarine (recours en matière civile) 5A_551/2014 du 26 février 2015 Regeste Art. 33a und 67 SchKG, Art. 3 VFRR ; Betreibungsbegehren. Form und Inhalt des Betreibungsbegehrens (E. 2), insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen, die sich aus dem Informatiksystem des Betreibungsamts ergeben (E. 3). Sachverhalt ab Seite 173 BGE 141 III 173 S. 173 Le 15 avril 2014, A. SA (poursuivante) a déposé la réquisition de poursuite suivante: BGE 141 III 173 S. 174 Par décision du 30 avril suivant, l'Office des poursuites de la Sarine (ci-après: l'Office) a rejeté cette réquisition pour le motif que, "depuis le 20 janvier 2014", conformément aux "nouvelles directives de l'Office fédéral de la justice (OFJ) pour l'uniformisation au niveau suisse du commandement de payer et de la commination de faillite, le nombre de créances est limité à 10, la longueur du titre de la 1 ère créance est limitée à 640 caractères au maximum et la longueur du titre de la 2 ème à la 10 ème créance est limitée à 80 caractères"; en outre, "il ne peut y avoir qu'un seul taux d'intérêt par créance et les acomptes ne peuvent plus être mentionnés, [mais] doivent être déduits de la créance". Par arrêt du 16 juin 2014, la Chambre des poursuites et faillites du Tribunal cantonal de l'Etat de Fribourg a rejeté la plainte déposée par la poursuivante à l'encontre de ce refus. BGE 141 III 173 S. 175 Le Tribunal fédéral a admis le recours en matière civile de la poursuivante et invité l'Office à donner suite à la réquisition de poursuite. (résumé) Erwägungen Extrait des considérants : 2. En l'espèce, l'autorité de surveillance a exposé les normes relatives à la réquisition de poursuite, spécialement dans l'optique de la "cyberadministration (e-government)". A propos, elle a relevé que le Service de haute surveillance en matière de poursuite et faillite était habilité à édicter des instructions, directives et recommandations à l'intention des autorités cantonales de surveillance et des offices des poursuites et des faillites. Le 15 avril 2014, il a promulgué l'Instruction n° 2 - entrée en vigueur le 1 er mai 2014 - qui concerne le commandement de payer, en particulier quant au nombre des créances à indiquer. Le droit des poursuites se caractérise par sa rigueur, spécificité qui exige de tenir compte des intérêts - parfois contradictoires - de toutes les personnes concernées; ainsi, l'office a un intérêt à ce que son fonctionnement se déroule sans obstacle et dans le respect des prescriptions applicables à son activité. Certes, le créancier est en droit de requérir une poursuite sans devoir utiliser un formulaire. Cependant, comme l'obligation de se servir des formulaires incombe aux autorités, "seul importe de savoir si l'office est en mesure d'établir correctement le commandement de payer"; pour le cas où la réquisition - orale ou écrite - ne contiendrait pas toutes les données nécessaires, l'office peut la renvoyer aux fins de clarifications ou renseignements. En l'occurrence, l'autorité précédente a constaté que la réquisition de poursuite litigieuse comportait trois créances, dont une correspondait aux frais administratifs. Les causes des deux premières (i.e. primes et prestations LAMal entre 2011 et 2013) ont toutefois été exposées "non chronologiquement sur 15 et 25 lignes", alors qu'elles auraient dû être résumées par la poursuivante, "ce travail n'incombant pas à l'office des poursuites". C'est donc avec raison que celui- ci a rejeté la réquisition de poursuite en cause. 2.1 La réquisition de poursuite est l'acte de procédure de la partie par lequel le soit-disant créancier (poursuivant) requiert l'intervention d'un organe étatique (office des poursuites), qui commence la procédure de recouvrement en notifiant, ou en faisant notifier, au soit-disant débiteur (poursuivi) un commandement de payer (GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et BGE 141 III 173 S. 176 la faillite, vol. I, 1999, n° 8 ad art. 67 LP ; RUEDIN, FJS n° 978, état: 1983, p. 1; le même, in Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, n° 1 ad art. 67 LP ). 2.2 Aux termes de l' art. 67 al. 1 LP, la réquisition de poursuite est adressée à l'office par écrit ou verbalement; elle énonce en particulier le montant en valeur légale suisse de la créance et, si celle-ci porte intérêts, le taux et le jour duquel ils courent (ch. 3), ainsi que le titre et sa date ou, à défaut de titre, la cause de l'obligation (ch. 4). 2.2.1 Le créancier ayant plusieurs créances contre un même débiteur peut requérir une seule poursuite pour toutes ses prétentions, autant que celles-ci n'exigent pas des modes de poursuite différents; l'office ne peut refuser de donner suite à une telle réquisition sous le prétexte que les registres et les formulaires ne sont pas organisés pour cela, ni parce que, en procédant de la sorte, le poursuivant priverait l'Etat de plusieurs émoluments ( ATF 37 I 565 ; arrêt de l'Autorité de surveillance du canton de Neuchâtel du 19 février 1996, in RSJ 1998 p. 320 consid. 2a; JAEGER/DAENIKER, Schuldbetreibungs- und Konkurs-Praxis der Jahre 1911-1945, 1947, n° 14 ad art. 67 LP ). En outre, le poursuivant peut chiffrer sa réclamation en indiquant un capital, dont à déduire un ou des acomptes perçus, car ce mode de faire n'exige qu'une simple soustraction ( ATF 56 III 163 p. 165). En particulier, lorsqu'il introduit une poursuite pour le solde d'une créance en capital qui a été amortie par des acomptes successifs et qu'il entend recouvrer non seulement l'intérêt sur ce solde, mais aussi les intérêts dus pour chaque acompte jusqu'au moment où le paiement partiel a été effectué, il doit indiquer en chiffres exacts les intérêts réclamés, à l'exception de l'intérêt sur le solde redû en capital après le versement du dernier acompte ( ATF 81 III 49 p. 52/53). 2.2.2 Le poursuivant doit encore indiquer le "titre de la créance", par exemple un jugement ou une décision condamnatoire, un contrat ou un document intitulé "reconnaissance de dette", etc. (GILLIÉRON, op. cit., n° 75 ad art. 67 LP ); le titre doit être accompagné de l'indication de sa date, par quoi il faut entendre le jour de la naissance de la créance, et non de son échéance (qui peut être multiple ou périodique) ou de son exigibilité ( ATF 44 III 102 p. 103; 78 III 12 consid. 1). A défaut de titre, le poursuivant doit mentionner la "cause de l'obligation", à savoir la source de l'obligation. Le but de cette exigence n'est pas de permettre à l'office de procéder à un examen de l'existence de la prétention, mais de répondre à un besoin de clarté et d'information du poursuivi quant à la prétention alléguée afin BGE 141 III 173 S. 177 de lui permettre de prendre position; toute formulation relative à la cause de la créance qui permet au poursuivi, conjointement aux autres indications figurant sur le commandement de payer, de discerner la créance déduite en poursuite suffit. En d'autres termes, le poursuivi ne doit pas être contraint de former opposition pour obtenir, dans une procédure de mainlevée subséquente ou un procès en reconnaissance de dette, les renseignements sur la créance qui lui est réclamée ( ATF 58 III 1 p. 2; 95 III 33 consid. 1; 121 III 18 consid. 2; arrêt 5A_861/2013 du 15 avril 2014 consid. 2.2, in Pra 2014 n° 70 p. 516; GILLIÉRON, op. cit., n° 77 ad art. 67 LP ). Lorsque la poursuite tend au recouvrement de prestations périodiques (contributions d'entretien, salaires, loyers, etc.), la jurisprudence exige que la réquisition de poursuite indique avec précision les périodes pour lesquelles ces prestations sont réclamées; même si elles dérivent d'une même cause juridique ("Rechtsgrund"), elles ne sont pas moins des créances distinctes, soumises à leur propre sort (arrêt 5A_861/2013 précité consid. 2.3; arrêt du Tribunal cantonal du canton de Vaud du 16 mars 2012, in BlSchK 2013 p. 32, avec une note de PETER, ibidem, P. 33 ET 34; STAEHELIN, in Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, vol. I, 2 e éd. 2010, n° 40 ad art. 80 LP et la jurisprudence citée). 2.3 En plus des prescriptions touchant au contenu de la réquisition de poursuite, l'art. 67 al 1 LP prévoit que celle-ci peut être présentée sous deux formes: par écrit - avec la signature de son auteur, le cas échéant sur une lettre d'accompagnement ( ATF 119 III 4 consid. 4 et 5) -, ou oralement. La réquisition de poursuite fait en outre l'objet de diverses règles dans l'ordonnance du Tribunal fédéral du 5 juin 1996 sur les formulaires et registres à employer en matière de poursuite pour dettes et de faillite et sur la comptabilité (Oform; RS 281.31). En vertu de l' art. 3 Oform, pour les réquisitions du créancier, l'utilisation des formulaires n'est pas obligatoire (al. 1). Les offices de poursuites et de faillites ne peuvent pas refuserde recevoir, à moins qu'elles ne soient incomplètes, les réquisitions qui leur seront présentées verbalement ou par écrit; s'il est saisi d'une réquisition verbale, l'office la reproduira sur un formulaire, qu'il fera ensuite signer par le créancier (al. 2). Les offices tiennent un registre des réquisitions ( art. 8 Oform ), dans lequel on inscrira, en les numérotant d'une façon continue, dans l'ordre de leur arrivée et avec mention de la date de celle-ci, toutes les réquisitions de poursuite, de continuer la poursuite et de vente BGE 141 III 173 S. 178 ( art. 9 al. 1 Oform ). Dès réception de la réquisition de poursuite, l'office rédige le commandement de payer (art. 69 al. 1, 152 al. 1 et 178 al. 1 LP), qui contient, en premier lieu, les indications prescrites pour la réquisition de poursuite (art. 69 al. 2 ch. 1 et 178 al. 2 ch. 1 LP, l' art. 152 al. 1 LP renvoyant à l' art. 69 LP ); l'office est strictement lié par les mentions figurant sur la réquisition, qu'il doit reproduire (WÜTHRICH/SCHOCH, in Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, vol. I, 2 e éd. 2010, n° 17 ad art. 69 LP ). 2.4 Lorsqu'un défaut affecte la réquisition de poursuite, l'office peut refuser d'y donner suite, en donnant le cas échéant au poursuivant un délai pour remédier au vice (GILLIÉRON, op. cit., n os 112 ss ad art. 67 LP et les références). Lorsque le défaut n'entraîne pas la nullité ( art. 22 al. 1 LP ) de la réquisition, la jurisprudence prescrit aux offices d'impartir au poursuivant un délai aux fins de rectifier ou compléter les indications viciées, ou de lui demander les renseignements nécessaires ( ATF 109 III 4 consid. 1b; ATF 102 III 133 consid. 2a; GILLIÉRON, ibidem, n° 116 avec d'autres citations). 2.5 En l'espèce, la réquisition de poursuite litigieuse comportait toutes les indications prévues par la loi et n'était pas "incomplète" au sens de l' art. 3 al. 2 Oform ; en particulier, ces textes n'exigent nullement que le poursuivant "résume" ses créances. Aussi, l'Office était-il en principe tenu de rédiger le commandement de payer, sur la base des indications de cette réquisition, et de le notifier à sa destinataire. 3. 3.1 L' art. 33a al. 1 LP, entré en vigueur le 1 er janvier 2011, prévoit que les actes peuvent être adressés sous forme électronique aux offices et aux autorités de surveillance. Le 18 juin 2010, le Conseil fédéral - qui exerce la haute surveillance en matière de poursuite et de faillite selon l' art. 15 al. 1 LP par l'intermédiaire de l'Office fédéral de la justice (OFJ) (art. 1 de l'ordonnance du 22 novembre 2006 relative à la haute surveillance en matière de poursuite et de faillite[OHS-LP; RS 281.11]) - apromulgué l'ordonnance du 18 juin 2010 sur la communication électronique dans le cadre de procédures civiles et pénales et de procédures en matière de poursuite pour dettes et de faillite (OCEI-PCPP; RS 272.1), en vigueur depuis le 1 er janvier 2011. L'art. 14 al. 1 OCEI-PCPP prescrit que le Département fédéral de justice et police (DFJP) fixe les spécifications techniques, les modalités d'organisation et le format des données applicables à l'échange de documents en matière de poursuite et de faillite entre BGE 141 III 173 S. 179 les créanciers et les offices compétents, au sein d'un réseau d'utilisateurs défini dont ils sont membres. En vertu de l'art. 14 al. 1 et 2 OCEI-PCPP, le DFJP a arrêté l'ordonnance du 9 février 2011 concernant la communication électronique dans le domaine des poursuites pour dettes et des faillites (RS 281.112.1; ci-après: O du DFJP). Conformément à la disposition transitoire de l'art. 9a al. 1 et 2 de l'O du DFJP, les offices des poursuites avaient jusqu'au 30 juin 2014 pour adapter leur logiciel à la norme e-LP 2.0 de mars 2014; si un office ne parvenait pas à adapter son logiciel dans ce délai, il pouvait demander au service chargé de la haute surveillance en matière de LP une prolongation au 31 décembre 2014. Modifié le 14 avril 2014, avec effet dès le 1 er mai 2014, l'art. 5 al. 2 et 3 de l'O du DFJP a désormais la teneur suivante: "2. La norme de communication e-LP comprend : a) le modèle de données (schéma XML) e-LP, version 2.0.014 de mars 2014; b) le Blue Book (schéma version 2.0.014) de mars 2014, y compris : 1. l'appendice 1 (schéma version 2.0.014 de mars 2014), 2. l'appendice 2 (schéma version 2.0.014 de mars 2014). 3. Les explications et recommandations relatives à la norme e-LP figurent dans les manuels d'utilisation suivants : a) le White Book de mars 2014; b) le Orange Book de mars 2014; c) le Red Book de mars 2014". 3.2 Le 15 avril 2014, le Service de haute surveillance en matière de poursuite et faillite a édicté une "Instruction n° 2", entrée en vigueur le 1 er mai 2014, qui prévoit ce qui suit: A. GÉNÉRALITÉS 1. Pour le commandement de payer, on utilisera le modèle de l'annexe (formulaire prescrit, conformément à l' art. 1 Oform ). 2. Le formulaire " commandement de payer " est disponible en cinq versions: - commandement de payer pour la poursuite ordinaire par voie de saisie ou de faillite; - commandement de payer pour la poursuite en réalisation d'un gage mobilier; - commandement de payer pour la poursuite en réalisation d'un gage immobilier; - commandement de payer pour la poursuite pour effets de change; BGE 141 III 173 S. 180 - commandement de payer pour la poursuite en prestation de sûretés. 3. Le formulaire "commandement de payer" fait deux pages, à imprimer recto verso. 4. Les formulaires sont en principe unilingues. Ils sont produits en deux langues (allemand/français ou allemand/italien) dans les arrondissements de poursuite bilingues. 5. Les explications juridiques sont minimales sur le commandement de payer. Une fiche d'information peut être retirée auprès de l'office des poursuites ou téléchargée sur le portail des poursuites (www.portaildespour suites.ch). B. CHAMPS DU FORMULAIRE 6. Champ office des poursuites : Ce champ indique quel office des poursuites a émis le commandement de payer. L'office des poursuites en question peut choisir d'y mettre d'autres informations. 7. Indication du destinataire du commandement de payer : Ce champ indique si l'exemplaire est émis à l'intention du créancier ou du débiteur. 8. Numéro de poursuite et référence : Numéro utilisé par l'office des poursuites et éventuelle référence de la procédure dans e-LP. 9. Code à barres : Code à barres permettant l'utilisation du service "actes de poursuite" de La Poste suisse, si le commandement de payer est notifié par la voie postale. 10. Identification du débiteur : Nom ou raison sociale et adresse du débiteur. Il n'est pas nécessaire de nommer ici le représentant légal ou le curateur éventuel. 11. Identification du créancier et de son représentant éventuel : Nom ou raison sociale et adresse du créancier. Si le créancier a un représentant, ce champ doit également contenir les coordonnées de ce dernier. 12. Notification aux personnes suivantes : Ce champ indique à quelles personnes le commandement de payer doit être notifié. 13. Aperçu des créances donnant lieu à la poursuite : Ce champ indique l'ensemble des créances sur lesquelles porte la poursuite (dix au maximum). Si la poursuite porte sur un nombre plus important de créances, il convient de les regrouper. Il n'y a pas lieu d'indiquer le montant des intérêts moratoires, qui augmente constamment. Le créancier peut additionner les intérêts moratoires dus jusqu'à la date de la poursuite et en faire une créance séparée. 14. 1 e créance : Le champ de la 1 e créance est plus large afin que le créancier puisse motiver sa créance principale; l'explication doit valoir pour l'ensemble des créances indiquées. 15. Frais de poursuite : Ce champ indique la somme des émoluments dus à l'office des poursuites à la date de notification du commandement de payer. Les frais ultérieurs seront complétés à la main. 16. Centre de coûts : Coordonnées bancaires de l'office des poursuites. BGE 141 III 173 S. 181 17. Date et signature : Signature du fonctionnaire ou de l'employé de l'office des poursuites habilité par le droit cantonal ( art. 6 Oform ). 18. Mention de notification : Ce champ permet à l'auteur de la notification de vérifier si la notification a eu lieu et à qui. Si le commandement de payer n'a pu être notifié, le motif est inscrit dans ce champ. 19. Opposition : Ce champ indique si le débiteur a formé opposition lors de la notification. C. REMARQUE FINALE 20. Le formulaire en usage pour le commandement de payer (formulaire 3 du recueil de modèles de 1996) n'est plus valable à compter de l'entrée en vigueur de la présente directive. 21. La présente directive entre en vigueur le 1 er mai 2014. Elle est obligatoire pour l'office des poursuites dès l'adaptation de son software d'après la Norme e-LP 2.0 conformément à l'art. 5, al. 2 de l'Ordonnance du DFJP concernant la communication électronique dans le domaine des poursuites pour dettes et des faillites (RS 281.112.1). 3.2.1 D'emblée, il faut relever que cette Instruction vise expressément le "commandement de payer", en précisant que le formulaire en usage pour cet acte (formulaire 3 du recueil de modèles de 1996) n'est plus valable à compter de l'entrée en vigueur de la "directive" (ch. 20). En revanche, elle ne dit rien de la forme et du contenu de la réquisition de poursuite; en particulier, elle n'introduit aucun nouveau formulaire pour celle-ci. Or, à teneur de l' art. 67 al. 1 LP, les réquisitions de poursuite peuvent être présentées verbalement; l' art. 3 Oform le confirme (al. 2), en ajoutant même qu'aucun formulaire n'est "obligatoire" (al. 1). Cette règle n'a pas été modifiée, ni abrogée, par une ordonnance ultérieure du Conseil fédéral, du DFJP ou de l'un de ses services; elle est donc en vigueur ( art. 4 OHS-LP ). Enfin, le caractère facultatif de l'usage de l'informatique est confirmé par l'art. 15a de l'ordonnance du 23 septembre 1996 sur les émoluments perçus en application de la loi sur la poursuite pour dettes et faillite (OELP; RS 281.35), en vigueur depuis le 1 er janvier 2011 ("Si la réquisition de poursuite est adressée à l'office des poursuites par le réseau e-LP [...]").On ne saurait dès lors poser, quant à la forme et au contenu de la réquisition de poursuite, des exigences plus sévères que celles qui découlent des règles précitées, que ce soit - indirectement - par le biais d'une instruction touchant à l'établissement du commandement de payer, a fortiori d'un programme informatique sur ce sujet. En outre, l'Instruction est entrée en vigueur le 1 er mai 2014, c'est-à-dire après que l'Office a rendu la décision contestée, aspect sur BGE 141 III 173 S. 182 lequel la juridiction précédente ne s'exprime pas clairement. L'autorité cantonale paraît admettre que cette Instruction serait applicable rétroactivement aux cantons - dont Fribourg - qui ont déjà adapté leur software d'après la Norme e-LP 2.0 avant la date précitée; un tel raisonnement pourrait s'appuyer sur le ch. 21 de l'Instruction, à teneur duquel, si la directive entre bien en vigueur le 1 er mai 2014, elle est néanmoins "obligatoire pour l'office des poursuites dès l'adaptation de son software d'après la Norme e-LP 2.0 conformément à l'art. 5, al. 2 de l'Ordonnance du DFJP [du 9 février 2011]" (cf. supraconsid. 3.1). Cette interprétation ne peut pas être suivie. L'art. 5 al. 2 et 3 de l'O du DFJP ne constitue pas une base légale suffisante pour entraîner une modification du contenu de la réquisition de poursuite. Par surcroît, le poursuivant est alors contraint de se conformer à une réglementation future, effet anticipé positif (cf. sur cette notion: GRISEL, Traité de droit administratif, vol. I, 1984, p. 152 ch. 2) qui est dépourvu de base légale en l'occurrence. La décision de l'Office ne peut dès lors se fonder ni sur l'O du DFJP ni - pour les réquisitions de poursuite présentées avant le 1 er mai 2014 - sur l'Instruction n° 2. 3.2.2 Il reste à examiner si l'Instruction n° 2 - dans la mesure où on lui reconnaît un effet rétroactif (cf. supra consid. 3.2.1) - est une base suffisante à la décision de l'Office, autant que cette directive s'applique (contre son texte) à la réquisition de poursuite. 3.2.2.1 Depuis le 1 er janvier 2007, l' art. 15 LP dispose que le Conseil fédéral exerce la haute surveillance en matière de poursuite et de faillite et pourvoit à l'application uniforme de la loi (al. 1); il édicte les règlements et ordonnances d'exécution nécessaires (al. 2); il peut donner des instructions aux autorités cantonales de surveillance (al. 3); enfin, il coordonne la communication électronique entre les offices des poursuites et des faillites, du registre foncier et du registre du commerce, les tribunaux et les particuliers (al. 5). Le Conseil fédéral exerce cette surveillance par l'intermédiaire de l'OFJ ( art. 1 OHS- LP ); ce service est habilité de manière autonome, entre autres attributions, à édicter des instructions, des directives et des recommandations à l'intention des autorités cantonales de surveillance, des offices des poursuites et des faillites et des organes d'exécution privés, dans le but de pourvoir à l'application correcte et uniforme de la LP (let. a), et à élaborer des modèles de formulaires utilisés dans la procédure de poursuite et de faillite (let. b). C'est dès lors en vertu d'une délégation de compétence formellement valable que BGE 141 III 173 S. 183 l'Instruction n° 2 a été édictée par le Service de haute surveillance en matière de LP. 3.2.2.2 En l'espèce, l'acte élaboré par le Service de haute surveillance en matière de LP s'intitule "Instruction"; en outre, ses chiffres 20 et 21, sous la rubrique "C. Remarque finale", parlent de "directive". Ainsi, au regard de sa lettre, il s'agit là d'une instruction au sens de l' art. 15 al. 3 LP, et non pas d'un règlement ou d'une ordonnance d'exécution au sens de l' art. 15 al. 2 LP. Cette interprétation est corroborée par l'étendue de la délégation figurant à l' art. 1 OHS-LP, qui permet au Service en question d'édicter des instructions et des directives, et non des ordonnances d'exécution; elle est confirmée par le fait que ladite directive n'a pas été intégrée au Recueil systématique de la législation fédérale, contrairement aux diverses ordonnances du Conseil fédéral, du Tribunal fédéral et même du DFJP. D'après l'opinion majoritaire, les instructions de l'autorité fédérale de surveillance "revêtent la force obligatoire de la loi" (GILLIÉRON, op. cit., n° 38 ad art. 15 LP et les citations). Il n'y a pas lieu d'examiner si cette position peut être maintenue depuis le 1 er janvier 2007 - date d'entrée en vigueur de la LTF -, où la surveillance fédérale est exercée - sur délégation du Conseil fédéral - par un service de l'administration. Quoi qu'il en soit, la directive en discussion n'est qu'une simple ordonnance administrative qui ne s'adresse qu'aux autorités de poursuite (cf. à ce sujet, parmi plusieurs: LEVANTE, in SchKG, 2 e éd. 2014, n° 12 ad art. 15 LP ). Certes, le juge doit en tenir compte lorsqu'elles permettent une application correcte des normes légales dans un cas concret, mais il doit s'en écarter lorsqu'elles posent des règles qui ne sont pas conformes à l'ordre juridique ( ATF 131 V 42 consid. 2.3; ATF 130 V 163 consid. 4.3.1). Or, à cet égard, sont problématiques les chiffres 13 et 14, dont la teneur est la suivante: " 13. Aperçu des créances donnant lieu à poursuite : Ce champ indique l'ensemble des créances sur lesquelles porte la poursuite (dix au maximum). Si la poursuite porte sur un nombre plus important de créances, il convient de les regrouper. Il n'y pas lieu d'indiquer le montant des intérêts moratoires, qui augmente constamment. Le créancier peut additionner les intérêts moratoires dus jusqu'à la date de la poursuite et en faire une créance séparée. 14. 1 e créance : le champ de la 1 e créance est plus large afin que le créancier puisse motiver sa créance principale; l'explication doit valoir pour l'ensemble des créances indiquées." BGE 141 III 173 S. 184 Parmi les éléments exposés par l'Office pour motiver sa décision, seule la limitation à dix créances figure expressément dans l'Instruction; par contre, la directive ne fait aucunement état de l'impossibilité d'indiquer dans le commandement de payer la déduction d'acomptes versés sur les sommes réclamées. S'il est désormais impossible de le faire, force est de constater que cela résulte uniquement des contraintes imposées par la version 2.0 de la norme e-LP, mais ne repose ni sur l' art. 67 LP, ni sur l' art. 3 Oform. Or, la jurisprudence a clairement posé que, sur la réquisition de poursuite, le poursuivant pouvait déduire de sa prétention des acomptes, aux fins de faire courir un intérêt moratoire sur chacun de ceux-ci (cf. supra consid. 2.2.1). Le Service de haute surveillance en matière de LP ne saurait donc supprimer cette faculté sous couvert de l'élaboration de la version informatique d'un nouveau formulaire de commandement de payer, sauf à empêcher le créancier de faire valoir d'une manière claire (sans être obligé de la capitaliser) sa prétention en paiement de l'intérêt moratoire afférent à chaque acompte. La limitation à dix créances excède aussi le cadre strict de l'application de la loi (cf. supra consid. 2.2.1). Une telle règle a en particulier pour conséquence pratique de contraindre les créanciers d'obligations périodiques (aliments, loyers, primes d'assurance, etc.) de former plusieurs réquisitions de poursuite au lieu d'une seule, ce qui entraîne d'emblée des conséquences pécuniaires quant aux émoluments dont doivent s'acquitter les intéressés pour la rédaction et la notification de chaque commandement de payer (cf. art. 16 et 68 LP ; art. 16 OELP ). Quant à la limitation de la taille des champs consacrés au titre et à la cause de l'obligation, elle ne figure pas non plus de façon claire dans l'Instruction. Le chiffre 14 se borne à mentionner que "le champ de la première créance est plus large", mais pas qu'il est limité, ni que celui des autres créances le serait encore plus drastiquement. Au surplus, le nombre de caractères indiqué par l'Office dans sa décision ("640" au maximum pour la première créance, puis "80" pour la 2 e à la 10 e créance) ne ressort pas de la directive. A nouveau, cette limitation est uniquement dictée par la version 2.0 de la norme e-LP, mais elle ne trouve aucun appui dans les art. 67 LP, cadre que d'éventuelles prescriptions complémentaires doivent respecter, et 3 Oform. Au demeurant, quand bien même le Service de haute surveillance en matière LP aurait posé pareille restriction, celle-ci irait BGE 141 III 173 S. 185 à l'encontre des règles précitées, dès lors qu'elle aurait pour effet d'empêcher le créancier dont la cause de la première réclamation excéderait 640 caractères, respectivement 80 pour les suivantes (jusqu'à la 10 e ), de poursuivre l'exécution forcée de ces prétentions.
Urteilskopf
25. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A. SA contre Office des poursuites de la Sarine (recours en matière civile)
5A_551/2014 du 26 février 2015
Regeste Art. 33a und 67 SchKG, Art. 3 VFRR ; Betreibungsbegehren. Form und Inhalt des Betreibungsbegehrens (E. 2), insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen, die sich aus dem Informatiksystem des Betreibungsamts ergeben (E. 3).
Regeste
Art. 33a und 67 SchKG, Art. 3 VFRR ; Betreibungsbegehren. Form und Inhalt des Betreibungsbegehrens (E. 2), insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen, die sich aus dem Informatiksystem des Betreibungsamts ergeben (E. 3).
Art. 33a und 67 SchKG Art. 3 VFRR Form und Inhalt des Betreibungsbegehrens (E. 2), insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen, die sich aus dem Informatiksystem des Betreibungsamts ergeben (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 173
Sachverhalt ab Seite 173 BGE 141 III 173 S. 173
BGE 141 III 173 S. 173
Le 15 avril 2014, A. SA (poursuivante) a déposé la réquisition de poursuite suivante:
BGE 141 III 173 S. 174
BGE 141 III 173 S. 174
Par décision du 30 avril suivant, l'Office des poursuites de la Sarine (ci-après: l'Office) a rejeté cette réquisition pour le motif que, "depuis le 20 janvier 2014", conformément aux "nouvelles directives de l'Office fédéral de la justice (OFJ) pour l'uniformisation au niveau suisse du commandement de payer et de la commination de faillite, le nombre de créances est limité à 10, la longueur du titre de la 1 ère créance est limitée à 640 caractères au maximum et la longueur du titre de la 2 ème à la 10 ème créance est limitée à 80 caractères"; en outre, "il ne peut y avoir qu'un seul taux d'intérêt par créance et les acomptes ne peuvent plus être mentionnés, [mais] doivent être déduits de la créance".
Par arrêt du 16 juin 2014, la Chambre des poursuites et faillites du Tribunal cantonal de l'Etat de Fribourg a rejeté la plainte déposée par la poursuivante à l'encontre de ce refus. BGE 141 III 173 S. 175
BGE 141 III 173 S. 175
Le Tribunal fédéral a admis le recours en matière civile de la poursuivante et invité l'Office à donner suite à la réquisition de poursuite.
(résumé)
Erwägungen
Erwägungen Extrait des considérants :
2. En l'espèce, l'autorité de surveillance a exposé les normes relatives à la réquisition de poursuite, spécialement dans l'optique de la "cyberadministration (e-government)". A propos, elle a relevé que le Service de haute surveillance en matière de poursuite et faillite était habilité à édicter des instructions, directives et recommandations à l'intention des autorités cantonales de surveillance et des offices des poursuites et des faillites. Le 15 avril 2014, il a promulgué l'Instruction n° 2 - entrée en vigueur le 1 er mai 2014 - qui concerne le commandement de payer, en particulier quant au nombre des créances à indiquer. Le droit des poursuites se caractérise par sa rigueur, spécificité qui exige de tenir compte des intérêts - parfois contradictoires - de toutes les personnes concernées; ainsi, l'office a un intérêt à ce que son fonctionnement se déroule sans obstacle et dans le respect des prescriptions applicables à son activité. Certes, le créancier est en droit de requérir une poursuite sans devoir utiliser un formulaire. Cependant, comme l'obligation de se servir des formulaires incombe aux autorités, "seul importe de savoir si l'office est en mesure d'établir correctement le commandement de payer"; pour le cas où la réquisition - orale ou écrite - ne contiendrait pas toutes les données nécessaires, l'office peut la renvoyer aux fins de clarifications ou renseignements.
2. En l'occurrence, l'autorité précédente a constaté que la réquisition de poursuite litigieuse comportait trois créances, dont une correspondait aux frais administratifs. Les causes des deux premières (i.e. primes et prestations LAMal entre 2011 et 2013) ont toutefois été exposées "non chronologiquement sur 15 et 25 lignes", alors qu'elles auraient dû être résumées par la poursuivante, "ce travail n'incombant pas à l'office des poursuites". C'est donc avec raison que celui- ci a rejeté la réquisition de poursuite en cause.
2.1 La réquisition de poursuite est l'acte de procédure de la partie par lequel le soit-disant créancier (poursuivant) requiert l'intervention d'un organe étatique (office des poursuites), qui commence la procédure de recouvrement en notifiant, ou en faisant notifier, au soit-disant débiteur (poursuivi) un commandement de payer (GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et BGE 141 III 173 S. 176 la faillite, vol. I, 1999, n° 8 ad art. 67 LP ; RUEDIN, FJS n° 978, état: 1983, p. 1; le même, in Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, n° 1 ad art. 67 LP ).
2.1 BGE 141 III 173 S. 176
art. 67 LP art. 67 LP 2.2 Aux termes de l' art. 67 al. 1 LP, la réquisition de poursuite est adressée à l'office par écrit ou verbalement; elle énonce en particulier le montant en valeur légale suisse de la créance et, si celle-ci porte intérêts, le taux et le jour duquel ils courent (ch. 3), ainsi que le titre et sa date ou, à défaut de titre, la cause de l'obligation (ch. 4).
2.2 art. 67 al. 1 LP 2.2.1 Le créancier ayant plusieurs créances contre un même débiteur peut requérir une seule poursuite pour toutes ses prétentions, autant que celles-ci n'exigent pas des modes de poursuite différents; l'office ne peut refuser de donner suite à une telle réquisition sous le prétexte que les registres et les formulaires ne sont pas organisés pour cela, ni parce que, en procédant de la sorte, le poursuivant priverait l'Etat de plusieurs émoluments ( ATF 37 I 565 ; arrêt de l'Autorité de surveillance du canton de Neuchâtel du 19 février 1996, in RSJ 1998 p. 320 consid. 2a; JAEGER/DAENIKER, Schuldbetreibungs- und Konkurs-Praxis der Jahre 1911-1945, 1947, n° 14 ad art. 67 LP ). En outre, le poursuivant peut chiffrer sa réclamation en indiquant un capital, dont à déduire un ou des acomptes perçus, car ce mode de faire n'exige qu'une simple soustraction ( ATF 56 III 163 p. 165). En particulier, lorsqu'il introduit une poursuite pour le solde d'une créance en capital qui a été amortie par des acomptes successifs et qu'il entend recouvrer non seulement l'intérêt sur ce solde, mais aussi les intérêts dus pour chaque acompte jusqu'au moment où le paiement partiel a été effectué, il doit indiquer en chiffres exacts les intérêts réclamés, à l'exception de l'intérêt sur le solde redû en capital après le versement du dernier acompte ( ATF 81 III 49 p. 52/53).
2.2.1 ATF 37 I 565 art. 67 LP ATF 56 III 163 2.2.2 Le poursuivant doit encore indiquer le "titre de la créance", par exemple un jugement ou une décision condamnatoire, un contrat ou un document intitulé "reconnaissance de dette", etc. (GILLIÉRON, op. cit., n° 75 ad art. 67 LP ); le titre doit être accompagné de l'indication de sa date, par quoi il faut entendre le jour de la naissance de la créance, et non de son échéance (qui peut être multiple ou périodique) ou de son exigibilité ( ATF 44 III 102 p. 103; 78 III 12 consid. 1). A défaut de titre, le poursuivant doit mentionner la "cause de l'obligation", à savoir la source de l'obligation. Le but de cette exigence n'est pas de permettre à l'office de procéder à un examen de l'existence de la prétention, mais de répondre à un besoin de clarté et d'information du poursuivi quant à la prétention alléguée afin BGE 141 III 173 S. 177 de lui permettre de prendre position; toute formulation relative à la cause de la créance qui permet au poursuivi, conjointement aux autres indications figurant sur le commandement de payer, de discerner la créance déduite en poursuite suffit. En d'autres termes, le poursuivi ne doit pas être contraint de former opposition pour obtenir, dans une procédure de mainlevée subséquente ou un procès en reconnaissance de dette, les renseignements sur la créance qui lui est réclamée ( ATF 58 III 1 p. 2; 95 III 33 consid. 1; 121 III 18 consid. 2; arrêt 5A_861/2013 du 15 avril 2014 consid. 2.2, in Pra 2014 n° 70 p. 516; GILLIÉRON, op. cit., n° 77 ad art. 67 LP ).
2.2.2 art. 67 LP ATF 44 III 102 78 III 12 BGE 141 III 173 S. 177
ATF 58 III 1 art. 67 LP Lorsque la poursuite tend au recouvrement de prestations périodiques (contributions d'entretien, salaires, loyers, etc.), la jurisprudence exige que la réquisition de poursuite indique avec précision les périodes pour lesquelles ces prestations sont réclamées; même si elles dérivent d'une même cause juridique ("Rechtsgrund"), elles ne sont pas moins des créances distinctes, soumises à leur propre sort (arrêt 5A_861/2013 précité consid. 2.3; arrêt du Tribunal cantonal du canton de Vaud du 16 mars 2012, in BlSchK 2013 p. 32, avec une note de PETER, ibidem, P. 33 ET 34; STAEHELIN, in Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, vol. I, 2 e éd. 2010, n° 40 ad art. 80 LP et la jurisprudence citée). art. 80 LP 2.3 En plus des prescriptions touchant au contenu de la réquisition de poursuite, l'art. 67 al 1 LP prévoit que celle-ci peut être présentée sous deux formes: par écrit - avec la signature de son auteur, le cas échéant sur une lettre d'accompagnement ( ATF 119 III 4 consid. 4 et 5) -, ou oralement.
2.3 La réquisition de poursuite fait en outre l'objet de diverses règles dans l'ordonnance du Tribunal fédéral du 5 juin 1996 sur les formulaires et registres à employer en matière de poursuite pour dettes et de faillite et sur la comptabilité (Oform; RS 281.31). En vertu de l' art. 3 Oform, pour les réquisitions du créancier, l'utilisation des formulaires n'est pas obligatoire (al. 1). Les offices de poursuites et de faillites ne peuvent pas refuserde recevoir, à moins qu'elles ne soient incomplètes, les réquisitions qui leur seront présentées verbalement ou par écrit; s'il est saisi d'une réquisition verbale, l'office la reproduira sur un formulaire, qu'il fera ensuite signer par le créancier (al. 2). Les offices tiennent un registre des réquisitions ( art. 8 Oform ), dans lequel on inscrira, en les numérotant d'une façon continue, dans l'ordre de leur arrivée et avec mention de la date de celle-ci, toutes les réquisitions de poursuite, de continuer la poursuite et de vente BGE 141 III 173 S. 178 ( art. 9 al. 1 Oform ). Dès réception de la réquisition de poursuite, l'office rédige le commandement de payer (art. 69 al. 1, 152 al. 1 et 178 al. 1 LP), qui contient, en premier lieu, les indications prescrites pour la réquisition de poursuite (art. 69 al. 2 ch. 1 et 178 al. 2 ch. 1 LP, l' art. 152 al. 1 LP renvoyant à l' art. 69 LP ); l'office est strictement lié par les mentions figurant sur la réquisition, qu'il doit reproduire (WÜTHRICH/SCHOCH, in Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, vol. I, 2 e éd. 2010, n° 17 ad art. 69 LP ). art. 3 Oform art. 8 Oform BGE 141 III 173 S. 178
art. 9 al. 1 Oform art. 152 al. 1 LP art. 69 LP art. 69 LP 2.4 Lorsqu'un défaut affecte la réquisition de poursuite, l'office peut refuser d'y donner suite, en donnant le cas échéant au poursuivant un délai pour remédier au vice (GILLIÉRON, op. cit., n os 112 ss ad art. 67 LP et les références). Lorsque le défaut n'entraîne pas la nullité ( art. 22 al. 1 LP ) de la réquisition, la jurisprudence prescrit aux offices d'impartir au poursuivant un délai aux fins de rectifier ou compléter les indications viciées, ou de lui demander les renseignements nécessaires ( ATF 109 III 4 consid. 1b; ATF 102 III 133 consid. 2a; GILLIÉRON, ibidem, n° 116 avec d'autres citations).
2.4 art. 67 LP art. 22 al. 1 LP 2.5 En l'espèce, la réquisition de poursuite litigieuse comportait toutes les indications prévues par la loi et n'était pas "incomplète" au sens de l' art. 3 al. 2 Oform ; en particulier, ces textes n'exigent nullement que le poursuivant "résume" ses créances. Aussi, l'Office était-il en principe tenu de rédiger le commandement de payer, sur la base des indications de cette réquisition, et de le notifier à sa destinataire.
2.5 art. 3 al. 2 Oform 3.
3. 3.1 L' art. 33a al. 1 LP, entré en vigueur le 1 er janvier 2011, prévoit que les actes peuvent être adressés sous forme électronique aux offices et aux autorités de surveillance. Le 18 juin 2010, le Conseil fédéral - qui exerce la haute surveillance en matière de poursuite et de faillite selon l' art. 15 al. 1 LP par l'intermédiaire de l'Office fédéral de la justice (OFJ) (art. 1 de l'ordonnance du 22 novembre 2006 relative à la haute surveillance en matière de poursuite et de faillite[OHS-LP; RS 281.11]) - apromulgué l'ordonnance du 18 juin 2010 sur la communication électronique dans le cadre de procédures civiles et pénales et de procédures en matière de poursuite pour dettes et de faillite (OCEI-PCPP; RS 272.1), en vigueur depuis le 1 er janvier 2011. L'art. 14 al. 1 OCEI-PCPP prescrit que le Département fédéral de justice et police (DFJP) fixe les spécifications techniques, les modalités d'organisation et le format des données applicables à l'échange de documents en matière de poursuite et de faillite entre BGE 141 III 173 S. 179 les créanciers et les offices compétents, au sein d'un réseau d'utilisateurs défini dont ils sont membres. En vertu de l'art. 14 al. 1 et 2 OCEI-PCPP, le DFJP a arrêté l'ordonnance du 9 février 2011 concernant la communication électronique dans le domaine des poursuites pour dettes et des faillites (RS 281.112.1; ci-après: O du DFJP).
3.1 art. 33a al. 1 LP art. 15 al. 1 LP BGE 141 III 173 S. 179
Conformément à la disposition transitoire de l'art. 9a al. 1 et 2 de l'O du DFJP, les offices des poursuites avaient jusqu'au 30 juin 2014 pour adapter leur logiciel à la norme e-LP 2.0 de mars 2014; si un office ne parvenait pas à adapter son logiciel dans ce délai, il pouvait demander au service chargé de la haute surveillance en matière de LP une prolongation au 31 décembre 2014.
Modifié le 14 avril 2014, avec effet dès le 1 er mai 2014, l'art. 5 al. 2 et 3 de l'O du DFJP a désormais la teneur suivante:
"2. La norme de communication e-LP comprend :
a) le modèle de données (schéma XML) e-LP, version 2.0.014 de mars 2014;
b) le Blue Book (schéma version 2.0.014) de mars 2014, y compris :
1. l'appendice 1 (schéma version 2.0.014 de mars 2014),
2. l'appendice 2 (schéma version 2.0.014 de mars 2014).
3. Les explications et recommandations relatives à la norme e-LP figurent dans les manuels d'utilisation suivants :
a) le White Book de mars 2014;
b) le Orange Book de mars 2014;
c) le Red Book de mars 2014".
3.2 Le 15 avril 2014, le Service de haute surveillance en matière de poursuite et faillite a édicté une "Instruction n° 2", entrée en vigueur le 1 er mai 2014, qui prévoit ce qui suit:
3.2 A. GÉNÉRALITÉS
1. Pour le commandement de payer, on utilisera le modèle de l'annexe (formulaire prescrit, conformément à l' art. 1 Oform ). art. 1 Oform 2. Le formulaire " commandement de payer " est disponible en cinq versions:
- commandement de payer pour la poursuite ordinaire par voie de saisie ou de faillite;
- commandement de payer pour la poursuite en réalisation d'un gage mobilier;
- commandement de payer pour la poursuite en réalisation d'un gage immobilier;
- commandement de payer pour la poursuite pour effets de change; BGE 141 III 173 S. 180
BGE 141 III 173 S. 180
- commandement de payer pour la poursuite en prestation de sûretés.
3. Le formulaire "commandement de payer" fait deux pages, à imprimer recto verso.
4. Les formulaires sont en principe unilingues. Ils sont produits en deux langues (allemand/français ou allemand/italien) dans les arrondissements de poursuite bilingues.
5. Les explications juridiques sont minimales sur le commandement de payer. Une fiche d'information peut être retirée auprès de l'office des poursuites ou téléchargée sur le portail des poursuites (www.portaildespour suites.ch).
B. CHAMPS DU FORMULAIRE
6. Champ office des poursuites : Ce champ indique quel office des poursuites a émis le commandement de payer. L'office des poursuites en question peut choisir d'y mettre d'autres informations.
7. Indication du destinataire du commandement de payer : Ce champ indique si l'exemplaire est émis à l'intention du créancier ou du débiteur.
8. Numéro de poursuite et référence : Numéro utilisé par l'office des poursuites et éventuelle référence de la procédure dans e-LP.
9. Code à barres : Code à barres permettant l'utilisation du service "actes de poursuite" de La Poste suisse, si le commandement de payer est notifié par la voie postale.
10. Identification du débiteur : Nom ou raison sociale et adresse du débiteur. Il n'est pas nécessaire de nommer ici le représentant légal ou le curateur éventuel.
11. Identification du créancier et de son représentant éventuel : Nom ou raison sociale et adresse du créancier. Si le créancier a un représentant, ce champ doit également contenir les coordonnées de ce dernier.
12. Notification aux personnes suivantes : Ce champ indique à quelles personnes le commandement de payer doit être notifié.
13. Aperçu des créances donnant lieu à la poursuite : Ce champ indique l'ensemble des créances sur lesquelles porte la poursuite (dix au maximum). Si la poursuite porte sur un nombre plus important de créances, il convient de les regrouper. Il n'y a pas lieu d'indiquer le montant des intérêts moratoires, qui augmente constamment. Le créancier peut additionner les intérêts moratoires dus jusqu'à la date de la poursuite et en faire une créance séparée.
14. 1 e créance : Le champ de la 1 e créance est plus large afin que le créancier puisse motiver sa créance principale; l'explication doit valoir pour l'ensemble des créances indiquées.
15. Frais de poursuite : Ce champ indique la somme des émoluments dus à l'office des poursuites à la date de notification du commandement de payer. Les frais ultérieurs seront complétés à la main.
16. Centre de coûts : Coordonnées bancaires de l'office des poursuites. BGE 141 III 173 S. 181
BGE 141 III 173 S. 181
17. Date et signature : Signature du fonctionnaire ou de l'employé de l'office des poursuites habilité par le droit cantonal ( art. 6 Oform ). art. 6 Oform 18. Mention de notification : Ce champ permet à l'auteur de la notification de vérifier si la notification a eu lieu et à qui. Si le commandement de payer n'a pu être notifié, le motif est inscrit dans ce champ.
19. Opposition : Ce champ indique si le débiteur a formé opposition lors de la notification.
C. REMARQUE FINALE
20. Le formulaire en usage pour le commandement de payer (formulaire 3 du recueil de modèles de 1996) n'est plus valable à compter de l'entrée en vigueur de la présente directive.
21. La présente directive entre en vigueur le 1 er mai 2014. Elle est obligatoire pour l'office des poursuites dès l'adaptation de son software d'après la Norme e-LP 2.0 conformément à l'art. 5, al. 2 de l'Ordonnance du DFJP concernant la communication électronique dans le domaine des poursuites pour dettes et des faillites (RS 281.112.1).
3.2.1 D'emblée, il faut relever que cette Instruction vise expressément le "commandement de payer", en précisant que le formulaire en usage pour cet acte (formulaire 3 du recueil de modèles de 1996) n'est plus valable à compter de l'entrée en vigueur de la "directive" (ch. 20). En revanche, elle ne dit rien de la forme et du contenu de la réquisition de poursuite; en particulier, elle n'introduit aucun nouveau formulaire pour celle-ci. Or, à teneur de l' art. 67 al. 1 LP, les réquisitions de poursuite peuvent être présentées verbalement; l' art. 3 Oform le confirme (al. 2), en ajoutant même qu'aucun formulaire n'est "obligatoire" (al. 1). Cette règle n'a pas été modifiée, ni abrogée, par une ordonnance ultérieure du Conseil fédéral, du DFJP ou de l'un de ses services; elle est donc en vigueur ( art. 4 OHS-LP ). Enfin, le caractère facultatif de l'usage de l'informatique est confirmé par l'art. 15a de l'ordonnance du 23 septembre 1996 sur les émoluments perçus en application de la loi sur la poursuite pour dettes et faillite (OELP; RS 281.35), en vigueur depuis le 1 er janvier 2011 ("Si la réquisition de poursuite est adressée à l'office des poursuites par le réseau e-LP [...]").On ne saurait dès lors poser, quant à la forme et au contenu de la réquisition de poursuite, des exigences plus sévères que celles qui découlent des règles précitées, que ce soit - indirectement - par le biais d'une instruction touchant à l'établissement du commandement de payer, a fortiori d'un programme informatique sur ce sujet.
3.2.1 art. 67 al. 1 LP art. 3 Oform art. 4 OHS-LP En outre, l'Instruction est entrée en vigueur le 1 er mai 2014, c'est-à-dire après que l'Office a rendu la décision contestée, aspect sur BGE 141 III 173 S. 182 lequel la juridiction précédente ne s'exprime pas clairement. L'autorité cantonale paraît admettre que cette Instruction serait applicable rétroactivement aux cantons - dont Fribourg - qui ont déjà adapté leur software d'après la Norme e-LP 2.0 avant la date précitée; un tel raisonnement pourrait s'appuyer sur le ch. 21 de l'Instruction, à teneur duquel, si la directive entre bien en vigueur le 1 er mai 2014, elle est néanmoins "obligatoire pour l'office des poursuites dès l'adaptation de son software d'après la Norme e-LP 2.0 conformément à l'art. 5, al. 2 de l'Ordonnance du DFJP [du 9 février 2011]" (cf. supraconsid. 3.1).
BGE 141 III 173 S. 182
Cette interprétation ne peut pas être suivie. L'art. 5 al. 2 et 3 de l'O du DFJP ne constitue pas une base légale suffisante pour entraîner une modification du contenu de la réquisition de poursuite. Par surcroît, le poursuivant est alors contraint de se conformer à une réglementation future, effet anticipé positif (cf. sur cette notion: GRISEL, Traité de droit administratif, vol. I, 1984, p. 152 ch. 2) qui est dépourvu de base légale en l'occurrence. La décision de l'Office ne peut dès lors se fonder ni sur l'O du DFJP ni - pour les réquisitions de poursuite présentées avant le 1 er mai 2014 - sur l'Instruction n° 2.
3.2.2 Il reste à examiner si l'Instruction n° 2 - dans la mesure où on lui reconnaît un effet rétroactif (cf. supra consid. 3.2.1) - est une base suffisante à la décision de l'Office, autant que cette directive s'applique (contre son texte) à la réquisition de poursuite.
3.2.2 3.2.2.1 Depuis le 1 er janvier 2007, l' art. 15 LP dispose que le Conseil fédéral exerce la haute surveillance en matière de poursuite et de faillite et pourvoit à l'application uniforme de la loi (al. 1); il édicte les règlements et ordonnances d'exécution nécessaires (al. 2); il peut donner des instructions aux autorités cantonales de surveillance (al. 3); enfin, il coordonne la communication électronique entre les offices des poursuites et des faillites, du registre foncier et du registre du commerce, les tribunaux et les particuliers (al. 5). Le Conseil fédéral exerce cette surveillance par l'intermédiaire de l'OFJ ( art. 1 OHS- LP ); ce service est habilité de manière autonome, entre autres attributions, à édicter des instructions, des directives et des recommandations à l'intention des autorités cantonales de surveillance, des offices des poursuites et des faillites et des organes d'exécution privés, dans le but de pourvoir à l'application correcte et uniforme de la LP (let. a), et à élaborer des modèles de formulaires utilisés dans la procédure de poursuite et de faillite (let. b). C'est dès lors en vertu d'une délégation de compétence formellement valable que BGE 141 III 173 S. 183 l'Instruction n° 2 a été édictée par le Service de haute surveillance en matière de LP.
3.2.2.1 art. 15 LP art. 1 OHS- LP BGE 141 III 173 S. 183
3.2.2.2 En l'espèce, l'acte élaboré par le Service de haute surveillance en matière de LP s'intitule "Instruction"; en outre, ses chiffres 20 et 21, sous la rubrique "C. Remarque finale", parlent de "directive". Ainsi, au regard de sa lettre, il s'agit là d'une instruction au sens de l' art. 15 al. 3 LP, et non pas d'un règlement ou d'une ordonnance d'exécution au sens de l' art. 15 al. 2 LP. Cette interprétation est corroborée par l'étendue de la délégation figurant à l' art. 1 OHS-LP, qui permet au Service en question d'édicter des instructions et des directives, et non des ordonnances d'exécution; elle est confirmée par le fait que ladite directive n'a pas été intégrée au Recueil systématique de la législation fédérale, contrairement aux diverses ordonnances du Conseil fédéral, du Tribunal fédéral et même du DFJP.
3.2.2.2 art. 15 al. 3 LP art. 15 al. 2 LP art. 1 OHS-LP D'après l'opinion majoritaire, les instructions de l'autorité fédérale de surveillance "revêtent la force obligatoire de la loi" (GILLIÉRON, op. cit., n° 38 ad art. 15 LP et les citations). Il n'y a pas lieu d'examiner si cette position peut être maintenue depuis le 1 er janvier 2007 - date d'entrée en vigueur de la LTF -, où la surveillance fédérale est exercée - sur délégation du Conseil fédéral - par un service de l'administration. Quoi qu'il en soit, la directive en discussion n'est qu'une simple ordonnance administrative qui ne s'adresse qu'aux autorités de poursuite (cf. à ce sujet, parmi plusieurs: LEVANTE, in SchKG, 2 e éd. 2014, n° 12 ad art. 15 LP ). Certes, le juge doit en tenir compte lorsqu'elles permettent une application correcte des normes légales dans un cas concret, mais il doit s'en écarter lorsqu'elles posent des règles qui ne sont pas conformes à l'ordre juridique ( ATF 131 V 42 consid. 2.3; ATF 130 V 163 consid. 4.3.1). Or, à cet égard, sont problématiques les chiffres 13 et 14, dont la teneur est la suivante:
art. 15 LP art. 15 LP " 13. Aperçu des créances donnant lieu à poursuite : Ce champ indique l'ensemble des créances sur lesquelles porte la poursuite (dix au maximum). Si la poursuite porte sur un nombre plus important de créances, il convient de les regrouper. Il n'y pas lieu d'indiquer le montant des intérêts moratoires, qui augmente constamment. Le créancier peut additionner les intérêts moratoires dus jusqu'à la date de la poursuite et en faire une créance séparée.
14. 1 e créance : le champ de la 1 e créance est plus large afin que le créancier puisse motiver sa créance principale; l'explication doit valoir pour l'ensemble des créances indiquées." BGE 141 III 173 S. 184
BGE 141 III 173 S. 184
Parmi les éléments exposés par l'Office pour motiver sa décision, seule la limitation à dix créances figure expressément dans l'Instruction; par contre, la directive ne fait aucunement état de l'impossibilité d'indiquer dans le commandement de payer la déduction d'acomptes versés sur les sommes réclamées. S'il est désormais impossible de le faire, force est de constater que cela résulte uniquement des contraintes imposées par la version 2.0 de la norme e-LP, mais ne repose ni sur l' art. 67 LP, ni sur l' art. 3 Oform. Or, la jurisprudence a clairement posé que, sur la réquisition de poursuite, le poursuivant pouvait déduire de sa prétention des acomptes, aux fins de faire courir un intérêt moratoire sur chacun de ceux-ci (cf. supra consid. 2.2.1). Le Service de haute surveillance en matière de LP ne saurait donc supprimer cette faculté sous couvert de l'élaboration de la version informatique d'un nouveau formulaire de commandement de payer, sauf à empêcher le créancier de faire valoir d'une manière claire (sans être obligé de la capitaliser) sa prétention en paiement de l'intérêt moratoire afférent à chaque acompte. art. 67 LP art. 3 Oform La limitation à dix créances excède aussi le cadre strict de l'application de la loi (cf. supra consid. 2.2.1). Une telle règle a en particulier pour conséquence pratique de contraindre les créanciers d'obligations périodiques (aliments, loyers, primes d'assurance, etc.) de former plusieurs réquisitions de poursuite au lieu d'une seule, ce qui entraîne d'emblée des conséquences pécuniaires quant aux émoluments dont doivent s'acquitter les intéressés pour la rédaction et la notification de chaque commandement de payer (cf. art. 16 et 68 LP ; art. 16 OELP ). art. 16 et 68 LP art. 16 OELP Quant à la limitation de la taille des champs consacrés au titre et à la cause de l'obligation, elle ne figure pas non plus de façon claire dans l'Instruction. Le chiffre 14 se borne à mentionner que "le champ de la première créance est plus large", mais pas qu'il est limité, ni que celui des autres créances le serait encore plus drastiquement. Au surplus, le nombre de caractères indiqué par l'Office dans sa décision ("640" au maximum pour la première créance, puis "80" pour la 2 e à la 10 e créance) ne ressort pas de la directive. A nouveau, cette limitation est uniquement dictée par la version 2.0 de la norme e-LP, mais elle ne trouve aucun appui dans les art. 67 LP, cadre que d'éventuelles prescriptions complémentaires doivent respecter, et 3 Oform. Au demeurant, quand bien même le Service de haute surveillance en matière LP aurait posé pareille restriction, celle-ci irait BGE 141 III 173 S. 185
art. 67 LP BGE 141 III 173 S. 185
à l'encontre des règles précitées, dès lors qu'elle aurait pour effet d'empêcher le créancier dont la cause de la première réclamation excéderait 640 caractères, respectivement 80 pour les suivantes (jusqu'à la 10 e ), de poursuivre l'exécution forcée de ces prétentions.
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Urteilskopf 141 III 185 26. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A.A. contre Banque B. (recours en matière civile) 5A_58/2015 du 28 avril 2015 Regeste Art. 80 Abs. 1 und Art. 291 Abs. 1 SchKG ; Vollstreckung eines Anfechtungsurteils. Das Anfechtungsurteil gilt als definitiver Rechtsöffnungstitel, soweit es den Beklagten dazu verpflichtet, dem Kläger Schadenersatz zu leisten (E. 4.2). Sachverhalt ab Seite 185 BGE 141 III 185 S. 185 A. A.a Le 10 janvier 2006, C.A. a vendu à son épouse, A.A., la parcelle n° 296 de la commune de U. et lui a transféré la cédule hypothécaire n° ID y, constituée sur ce même immeuble. Le 21 janvier 2008, ensuite d'une poursuite exercée contre C.A., la Banque B. s'est vu délivrer un acte de défaut de biens définitif après saisie d'un montant de 33'342'063 fr. 78. Statuant le 24 février 2011 sur l'action révocatoire ouverte par la Banque B. contre A.A., la Cour civile du Tribunal cantonal du canton de Vaud a prononcé: "I. Le transfert de la parcelle n° 296 de la commune de U. par C.A. à la défenderesse A.A., selon acte notarié du 10 janvier 2006, est révoqué. II. La cession et le transfert par C.A. à la défenderesse de la propriété de la cédule hypothécaire au porteur de 1'000'000 fr. (un million de francs), premier rang, intérêt maximum 10 %, ID y, créée le 23 décembre 2005 et grevant la parcelle n° 296 de U., sont révoqués. III. Faute pour la défenderesse de remettre à l'Office des poursuites procédant aux saisies requises par la demanderesse Banque B. sur la base du présent jugement, la cédule hypothécaire au porteur de 1'000'000 fr. BGE 141 III 185 S. 186 (un million de francs), premier rang, intérêt maximum 10 %, ID y, créée le 23 décembre 2005 et grevant la parcelle n° 296 de la commune de U., libre de tous engagements, la défenderesse devra payer auprès dudit Office, pour être saisie au préjudice de C.A., en lieu et place de la prédite cédule, la somme de 1'000'000 fr. (un million de francs)". L'appel formé par A.A. contre ce jugement a été rejeté par la Cour d'appel civile du Tribunal cantonal du canton de Vaud par arrêt du 29 août 2011. Le Tribunal fédéral a rejeté, le 13 mars 2012, le recours interjeté contre cette décision (arrêt 5A_28/2012 du 13 mars 2012). A.b Par décision du 15 novembre 2013, le Président du Tribunal d'arrondissement de La Côte a rejeté la plainte formée par la Banque B. contre le refus de l'office de procéder à la saisie complémentaire de la cédule hypothécaire. Il a constaté que celle-ci avait été incorporée dans le patrimoine de D. AG, qui l'avait acquise de bonne foi. Cette décision est exécutoire, faute de recours, depuis le 3 décembre 2013. B. Le 6 février 2014, se fondant sur le jugement révocatoire, la Banque B. a fait notifier à A.A. un commandement de payer la somme de 1'000'000 fr. avec intérêts à 5 % l'an dès le 13 janvier 2014. Le 21 mai 2014, le Juge de paix du district de Nyon a levé définitivement l'opposition de la poursuivie, à concurrence de 1'000'000 fr., plus intérêts à 5 % dès le 6 février 2014. Le 16 décembre suivant, la Cour des poursuites et faillites du Tribunal cantonal vaudois a rejeté le recours formé par la poursuivie. C. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours interjeté par A.A contre cette décision. Erwägungen Extrait des considérants : 4. Au sens de l' art. 291 al. 1 LP, celui qui a profité d'un acte révocable doit restituer ce qu'il a reçu. 4.1 Le jugement révocatoire a pour effet de rendre aux biens atteints par l'acte révocable du débiteur leur destination primitive, c'est-à-dire de les mettre en état de servir au désintéressement des créanciers, en les faisant retomber sous le droit d'exécution de ceux-ci ( ATF 136 III 341 consid. 3 p. 343 et les références; ATF 135 III 265 consid. 3 p. 268). La restitution des biens litigieux doit avoir principalement lieu en nature ( ATF 135 III 513 consid. 9.1 p. 530). Le jugement révocatoire n'a pas d'incidence sur la validité du transfert de propriété de ces biens ( ATF 136 III 341 consid. 3 p. 343). Il constate BGE 141 III 185 S. 187 que le créancier a le droit de les faire saisir et réaliser à son profit, comme s'ils appartenaient encore au débiteur ( ATF 47 III 89 consid. 1 p. 92), sans poursuite préalable ( ATF 43 III 212 spéc. p. 214 s.; PIERRE-ROBERT GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 5 e éd. 2012, n. 2968 p. 580). 4.2 Subsidiairement, si la restitution en nature est impossible, parce que les biens ne se trouvent plus dans le patrimoine du bénéficiaire, elle doit avoir lieu par équivalent, sous la forme de dommages-intérêts au sens des art. 97 ss CO, dont le montant correspond à la contre-valeur des biens à la date où l'impossibilité est survenue ( ATF 136 III 341 consid. 4.1 p. 344; ATF 135 III 513 consid. 9.3 p. 531 et consid. 9.6 p. 535; 30 II 559 consid. 5 et 6 p. 563; dans la procédure de saisie, cf. arrêts 5A_748/2013 du 25 novembre 2014 consid. 5.1; 5A_28/2012 du 13 mars 2012 consid. 5; 5C.219/2006 du 16 avril 2007 consid. 4.2). A cet égard, le jugement révocatoire est de nature condamnatoire (HENRI-ROBERT SCHÜPBACH, Droit et action révocatoires, 1997, n os 43 s. ad art. 291 LP ). Il confère au créancier (demandeur dans l'action révocatoire) une créance en paiement d'une somme d'argent à l'encontre du tiers (défendeur dans l'action révocatoire). Si le tiers n'exécute pas son obligation, le créancier peut faire procéder à l'exécution forcée de la créance par la voie de la poursuite pour dettes ( art. 38 al. 1 LP ; THOMAS BAUER, in Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, vol. II, 2 e éd. 2010, n° 15 ad art. 291 LP ; SCHÜPBACH, op. cit., n° 228 ad art. 291 LP ; HANS PETER BERZ, Der paulianische Rückerstattungsanspruch, 1960, p. 146 note 34). En tant qu'il condamne le tiers à verser des dommages-intérêts au créancier, le jugement révocatoire constitue un titre de mainlevée définitive ( art. 80 al. 1 LP ; BAUER, op. cit., n° 15 ad art. 291 LP ).
Urteilskopf
26. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A.A. contre Banque B. (recours en matière civile)
5A_58/2015 du 28 avril 2015
Regeste Art. 80 Abs. 1 und Art. 291 Abs. 1 SchKG ; Vollstreckung eines Anfechtungsurteils. Das Anfechtungsurteil gilt als definitiver Rechtsöffnungstitel, soweit es den Beklagten dazu verpflichtet, dem Kläger Schadenersatz zu leisten (E. 4.2).
Regeste
Art. 80 Abs. 1 und Art. 291 Abs. 1 SchKG ; Vollstreckung eines Anfechtungsurteils. Das Anfechtungsurteil gilt als definitiver Rechtsöffnungstitel, soweit es den Beklagten dazu verpflichtet, dem Kläger Schadenersatz zu leisten (E. 4.2).
Art. 80 Abs. 1 und Art. 291 Abs. 1 SchKG Das Anfechtungsurteil gilt als definitiver Rechtsöffnungstitel, soweit es den Beklagten dazu verpflichtet, dem Kläger Schadenersatz zu leisten (E. 4.2).
Sachverhalt ab Seite 185
Sachverhalt ab Seite 185 BGE 141 III 185 S. 185
BGE 141 III 185 S. 185
A.
A. A.a Le 10 janvier 2006, C.A. a vendu à son épouse, A.A., la parcelle n° 296 de la commune de U. et lui a transféré la cédule hypothécaire n° ID y, constituée sur ce même immeuble.
A.a Le 21 janvier 2008, ensuite d'une poursuite exercée contre C.A., la Banque B. s'est vu délivrer un acte de défaut de biens définitif après saisie d'un montant de 33'342'063 fr. 78. Statuant le 24 février 2011 sur l'action révocatoire ouverte par la Banque B. contre A.A., la Cour civile du Tribunal cantonal du canton de Vaud a prononcé:
"I. Le transfert de la parcelle n° 296 de la commune de U. par C.A. à la défenderesse A.A., selon acte notarié du 10 janvier 2006, est révoqué.
II. La cession et le transfert par C.A. à la défenderesse de la propriété de la cédule hypothécaire au porteur de 1'000'000 fr. (un million de francs), premier rang, intérêt maximum 10 %, ID y, créée le 23 décembre 2005 et grevant la parcelle n° 296 de U., sont révoqués.
III. Faute pour la défenderesse de remettre à l'Office des poursuites procédant aux saisies requises par la demanderesse Banque B. sur la base du présent jugement, la cédule hypothécaire au porteur de 1'000'000 fr. BGE 141 III 185 S. 186 (un million de francs), premier rang, intérêt maximum 10 %, ID y, créée le 23 décembre 2005 et grevant la parcelle n° 296 de la commune de U., libre de tous engagements, la défenderesse devra payer auprès dudit Office, pour être saisie au préjudice de C.A., en lieu et place de la prédite cédule, la somme de 1'000'000 fr. (un million de francs)".
BGE 141 III 185 S. 186
L'appel formé par A.A. contre ce jugement a été rejeté par la Cour d'appel civile du Tribunal cantonal du canton de Vaud par arrêt du 29 août 2011. Le Tribunal fédéral a rejeté, le 13 mars 2012, le recours interjeté contre cette décision (arrêt 5A_28/2012 du 13 mars 2012).
A.b Par décision du 15 novembre 2013, le Président du Tribunal d'arrondissement de La Côte a rejeté la plainte formée par la Banque B. contre le refus de l'office de procéder à la saisie complémentaire de la cédule hypothécaire. Il a constaté que celle-ci avait été incorporée dans le patrimoine de D. AG, qui l'avait acquise de bonne foi. Cette décision est exécutoire, faute de recours, depuis le 3 décembre 2013.
A.b B. Le 6 février 2014, se fondant sur le jugement révocatoire, la Banque B. a fait notifier à A.A. un commandement de payer la somme de 1'000'000 fr. avec intérêts à 5 % l'an dès le 13 janvier 2014. Le 21 mai 2014, le Juge de paix du district de Nyon a levé définitivement l'opposition de la poursuivie, à concurrence de 1'000'000 fr., plus intérêts à 5 % dès le 6 février 2014. Le 16 décembre suivant, la Cour des poursuites et faillites du Tribunal cantonal vaudois a rejeté le recours formé par la poursuivie.
B. C. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours interjeté par A.A contre cette décision.
C. Erwägungen
Erwägungen Extrait des considérants :
4. Au sens de l' art. 291 al. 1 LP, celui qui a profité d'un acte révocable doit restituer ce qu'il a reçu.
4. art. 291 al. 1 LP 4.1 Le jugement révocatoire a pour effet de rendre aux biens atteints par l'acte révocable du débiteur leur destination primitive, c'est-à-dire de les mettre en état de servir au désintéressement des créanciers, en les faisant retomber sous le droit d'exécution de ceux-ci ( ATF 136 III 341 consid. 3 p. 343 et les références; ATF 135 III 265 consid. 3 p. 268). La restitution des biens litigieux doit avoir principalement lieu en nature ( ATF 135 III 513 consid. 9.1 p. 530). Le jugement révocatoire n'a pas d'incidence sur la validité du transfert de propriété de ces biens ( ATF 136 III 341 consid. 3 p. 343). Il constate BGE 141 III 185 S. 187 que le créancier a le droit de les faire saisir et réaliser à son profit, comme s'ils appartenaient encore au débiteur ( ATF 47 III 89 consid. 1 p. 92), sans poursuite préalable ( ATF 43 III 212 spéc. p. 214 s.; PIERRE-ROBERT GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 5 e éd. 2012, n. 2968 p. 580).
4.1 BGE 141 III 185 S. 187
ATF 47 III 89 ATF 43 III 212 4.2 Subsidiairement, si la restitution en nature est impossible, parce que les biens ne se trouvent plus dans le patrimoine du bénéficiaire, elle doit avoir lieu par équivalent, sous la forme de dommages-intérêts au sens des art. 97 ss CO, dont le montant correspond à la contre-valeur des biens à la date où l'impossibilité est survenue ( ATF 136 III 341 consid. 4.1 p. 344; ATF 135 III 513 consid. 9.3 p. 531 et consid. 9.6 p. 535; 30 II 559 consid. 5 et 6 p. 563; dans la procédure de saisie, cf. arrêts 5A_748/2013 du 25 novembre 2014 consid. 5.1; 5A_28/2012 du 13 mars 2012 consid. 5; 5C.219/2006 du 16 avril 2007 consid. 4.2). A cet égard, le jugement révocatoire est de nature condamnatoire (HENRI-ROBERT SCHÜPBACH, Droit et action révocatoires, 1997, n os 43 s. ad art. 291 LP ). Il confère au créancier (demandeur dans l'action révocatoire) une créance en paiement d'une somme d'argent à l'encontre du tiers (défendeur dans l'action révocatoire). Si le tiers n'exécute pas son obligation, le créancier peut faire procéder à l'exécution forcée de la créance par la voie de la poursuite pour dettes ( art. 38 al. 1 LP ; THOMAS BAUER, in Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, vol. II, 2 e éd. 2010, n° 15 ad art. 291 LP ; SCHÜPBACH, op. cit., n° 228 ad art. 291 LP ; HANS PETER BERZ, Der paulianische Rückerstattungsanspruch, 1960, p. 146 note 34). En tant qu'il condamne le tiers à verser des dommages-intérêts au créancier, le jugement révocatoire constitue un titre de mainlevée définitive ( art. 80 al. 1 LP ; BAUER, op. cit., n° 15 ad art. 291 LP ).
4.2 art. 97 ss CO 30 II 559 art. 291 LP art. 38 al. 1 LP art. 291 LP art. 291 LP art. 80 al. 1 LP art. 291 LP
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Urteilskopf 141 III 188 27. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A. SA contre Fondation B. et consorts (recours en matière civile) 5A_22/2015 du 16 mars 2015 Regeste Art. 75 BGG, Art. 293d SchKG ; Erschöpfung des kantonalen Instanzenzugs, provisorische Nachlassstundung. Zulässigkeit der Beschwerde in Zivilsachen gegen Entscheide betreffend die provisorische Nachlassstundung (E. 4). Sachverhalt ab Seite 188 BGE 141 III 188 S. 188 Le 4 septembre 2014, la Fondation B. a saisi le Tribunal de première instance du canton de Genève d'une requête de sursis concordataire provisoire, subsidiairement de faillite sans poursuite préalable, à l'égard de la société A. SA. Deux requêtes analogues ont été présentées par C., respectivement par quatorze caisses de prévoyance. Statuant le 17 décembre 2014 sur ces requêtes, le Tribunal a rendu la décision suivante: "1.... 2. Ordonne un sursis concordataire provisoire en faveur de A. SA, déployant ses effets jusqu'à droit jugé sur requête de sursis concordataire définitif, mais pour une durée de quatre mois au plus, soit jusqu'au 17 avril 2015, en vue d'élaborer un bilan et un compte de pertes et profits audités 2014, ainsi qu'un plan d'assainissement ou une proposition de concordat et de fournir au Tribunal toute information de nature à permettre de statuer définitivement en vue soit d'un sursis définitif soit d'une faillite. BGE 141 III 188 S. 189 3. Désigne en qualité de commissaire provisoire au sursis, aux charges de droit selon les articles 293b al. 1 LP: Monsieur R. 4. Subordonne à l'approbation formelle et préalable du commissaire la validité de toutes les décisions du conseil d'administration de A. SA, en particulier celles impliquant l'aliénation ou l'engagement d'éléments de l'actif ou la création de nouveaux passifs et ce jusqu'au 17 avril 2015 et au-delà, jusqu'au jugement final du Tribunal dans la présente procédure. 5. Précise que la mission du commissaire consistera notamment à surveiller le déroulement des activités de la société pendant la durée du sursis provisoire, à prendre toutes les mesures utiles à la conservation des actifs de la société, à contrôler que les charges d'exploitation de celle-ci soient couvertes, à assurer le respect du principe de l'égalité de traitement entre les créanciers et l'invite au surplus spécifiquement: a) à faire établir aux frais de A. SA, un bilan aux valeurs de continuation et de liquidation et des comptes audités pour 2014, ainsi qu'un état financier intermédiaire au 28 février 2015, comprenant un état détaillé des actifs (indiquant pour chacun d'eux leur caractère liquide ou non, à court ou moyen terme, ainsi que leur valeur de réalisation) ainsi qu'un état détaillé des passifs, cas échéant après l'inscription des provisions complémentaires qui s'imposent en raison des incertitudes liées aux diverses procédures civiles et pénales en cours; b) mener toute action utile en vue de la valorisation des actifs, notamment quant au recouvrement de créances vis-à-vis de tiers; c) veiller à ce que le conseil d'administration de A. SA lui soumette pour approbation préalable tout acte de gestion impliquant l'aliénation ou l'engagement d'éléments de l'actif ainsi que la création de nouveaux passifs; d) faire toutes constatations utiles et propositions au Tribunal dans la perspective éventuelle de l'octroi ou non d'un sursis définitif. 6. Dit qu'aucune poursuite ne pourra être exercée pendant la durée du sursis provisoire contre A. SA. 7. Invite A. SA à verser auprès des Services financiers du Pouvoir judiciaire d'ici au 9 janvier 2015 la somme de CHF 40'000.- à titre d'avance pour la couverture des frais et honoraires du commissaire provisoire. 8. (...) 9. (...) 10. Invite le commissaire à déposer, le 18 mars 2015 au plus tard, un rapport de son activité et de ses constatations, y compris son pronostic et ses conclusions sur les modalités concrètes d'un éventuel BGE 141 III 188 S. 190 assainissement de A. SA, dans la perspective d'un sursis définitif mais aussi à terme d'une sortie du surendettement ainsi que le cas échéant un plan d'assainissement détaillé ou une proposition de concordat. 11. Invite le commissaire provisoire à informer sans délai et en tout temps le Tribunal si les conditions à l'octroi du sursis provisoire ne devaient plus être réunies et le présent sursis provisoire révoqué. 12. Ordonne la convocation des parties et du commissaire provisoire à l'audience du mercredi 25 mars 2015, à 15 h. 00, salle B4, Palais de Justice, 1, place du Bourg-de-Four, 1204 Genève. 13. Ordonne la publication des chiffres 2 à 6 du présent dispositif dans la FAO et la FOSC, aux frais et à charge de A. SA. 14. (Frais) 15. (Dépens) 16. (...) 17. (Communication) Le Tribunal fédéral a déclaré irrecevable le recours en matière civile formé par A. SA à l'encontre de cette décision. (résumé) Erwägungen Extrait des considérants: 4. 4.1 Depuis le 1 er janvier 2011 (cf. art. 130 al. 2 LTF ), le recours en matière civile - comme le recours constitutionnel ( art. 114 LTF ) - n'est recevable qu'à l'encontre des décisions de dernière instance cantonale qui ont été rendues par des tribunaux supérieurs (abstraction faite du Tribunal administratif fédéral et du Tribunal fédéral des brevets) et, sous réserve des exceptions énumérées par l'art. 75 al. 2 let. a-c LTF, sur recours ( ATF 137 III 238 consid. 2.2; ATF 138 III 41 consid. 1.1; ATF 139 III 252 consid. 1.6). Le jugement entrepris, rendu en première instance, ne répond pas aux conditions précitées; reste à déterminer si le recours serait néanmoins recevable pour d'autres motifs. 4.2 Le présent recours est dirigé à l'encontre d'une décision relative à un sursis provisoire au sens des art. 293a ss LP, dispositions entrées en vigueur le 1 er janvier 2014 (RO 2013 4111); cette institution était par ailleurs connue de l'ancienne loi (ancien art. 293 al. 3, 2 e phrase, LP, dans sa teneur introduite par la LF du 16 décembre 1994). La question de savoir si une telle décision était susceptible de recours était disputée sous l'empire de l'ancien texte (cf. à ce sujet: HUNKELER, in SchKG, 2 e éd. 2014, n° 1 ad art. 293d LP avec les BGE 141 III 188 S. 191 références citées). Désormais, l' art. 293d LP y apporte une réponse claire: l'octroi du sursis provisoire et la désignation d'un commissaire provisoire ne peuvent pas faire l'objet d'un recours. Cette formulation large exclut tant le recours cantonal que le recours fédéral (HUNKELER, ibid., n° 7 ad art. 293d LP ; pour l'ancienne loi: PHILIPPIN, La nouvelle loi sur le Tribunal fédéral, Effets sur le droit des poursuites et faillites[supplément hors édition],JdT 2007 II p. 160 ss; contra: HARI, Le commissaire au sursis dans la procédure concordataire, 2010, n. 35, qui évoque le recours immédiat au Tribunal fédéral si la décision est susceptible de causer un préjudice irréparable au sens de l' art. 93 al. 1 let. a LTF ); une voie de recours n'est ouverte qu'à l'encontre de la "décision d'octroi du sursis définitif" (Message du 8 septembre 2010 relatif à une modification de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite [droit de l'assainissement], FF 20105898 ch. 2.7). Le Message ne mentionne certes explicitement que l'exclusion du recours des "créanciers" (ibid.), mais la teneur neutre du texte légal n'autorise pas de solution différente lorsque le débiteur n'est pas à l'origine de la requête (cf. HUNKELER, ibid., n° 7 ad art. 293d LP ). L'analogie que propose la recourante avec la solution consacrée pour la décision en procédure sommaire ( art. 251 let. d CPC) sur le retour à meilleure fortune ( art. 265a al. 1 LP ) n'est pas déterminante. La norme en discussion - qui prévoit que pareille décision "n'est sujette à aucun recours" - a été modifiée à l'occasion de l'entrée en vigueur du Code de procédure civile du 18 décembre 2008 (CPC), dont la vocation n'est pas de régler les voies de recours au Tribunal fédéral. D'ailleurs, la loi ne fait que codifier la jurisprudence relative à l'ancien texte ( ATF 138 III 130 consid. 2.2 et les références), laquelle se rapportait à l'exclusion des voies de recours cantonales ( ATF 126 III 110 consid. 1b ["jegliche kantonale Rechtsmittel"], qui se fonde sur le Message du 8 mai 1991 concernant la révision de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, FF 1991 III 183 ["toute voie de droit cantonale ordinaire ou extraordinaire est exclue"]). En outre, la partie recourante n'est pas admise à discuter les conditions matérielles du retour à meilleur fortune, lesquelles doivent être tranchées dans l'action prévue par l' art. 265a al. 4 LP ( ATF 134 III 524 consid. 1.3 avec les citations). Enfin, la décision sur la répartition des frais et dépens de la procédure sommaire ne peut être soumise au Tribunal fédéral directement, mais doit préalablement faire l'objet d'un recours au sens des art. 319 ss CPC ( ATF 138 III 130 consid. 2.2; BGE 141 III 188 S. 192 arrêt 5A_295/2013 du 17 octobre 2013 consid. 1.1, non publié à l' ATF 139 III 498 ). 4.3 Une partie de la doctrine estime, il est vrai, que la désignation du commissaire provisoire pourrait être contestée en présence de motifs de récusation (LORANDI, Ein- und Ausstieg der Nachlassstundung nach neuem Recht, in St. Galler SchKG-Tagung, 2014, p. 4; SCHWANDER, Aspekte des Verfahrens vor Nachlass- und Konkursgericht, in Das neue Sanierungsrecht, p. 8 ch. III). Il n'y a pas lieu de se prononcer sur cet avis, dont les auteurs ne préconisent nullement un recours direct au Tribunal fédéral. Autant qu'une voie de recours existe pour se plaindre de la personne - et non de l'institution même - du commissaire provisoire (imprécis: FF 2010 5898 ch. 2.7), ce ne peut être d'abord que le recours au sens des art. 319 ss CPC (cf. art. 50 CPC et 295c al. 1 LP; HUNKELER, ibid., n° 5 ad art. 293 LP ). Comme le statut du commissaire provisoire (pendant la phase du sursis provisoire) est identique à celui du commissaire définitif ( art. 293b al. 1 LP ; HUNKELER, op. cit., n° 4 ad art. 293b LP ; cf. pour l'ancienne teneur: ATF 129 III 94 consid. 3), la recourante peut saisir l'autorité judiciaire supérieure en matière de concordat (i.e. Chambre civile de la Cour de justice [art. 120 al. 1 let. b LOJ/GE; rs/GE E 2 05) pour remettre en cause la qualification ou l'objectivité du commissaire (cf. ATF 103 Ia 76 consid. 4b; cf. sur cette question: HARI, op. cit., n. 64 ss et les citations). Il s'ensuit que le moyen pris d'une violation de l' art. 10 LP, en raison de l'absence "d'indépendance" du commissaire provisoire nommé, s'avère irrecevable faute d'épuisement des instances cantonales. 4.4 La recourante conteste en outre la mise à sa charge de "l'avance pour la couverture des frais et honoraires du commissaire provisoire"; elle soutient qu'une telle obligation incombait aux requérants. Cette problématique n'est pas visée par la loi. D'après la jurisprudence, les décisions des autorités concordataires ne peuvent pas faire l'objet d'une plainte ou d'un recours au sens des art. 17 ss LP ( ATF 120 III 107 consid. 3). Les questions concernant l'avance de frais (montant, débiteur, etc.) doivent dès lors être liquidées dans le cadre du recours en nullité (cf. art. 319 ss CPC et art. 295c al. 1 LP ), à l'instar d'autres décisions rendues dans le contexte de l'octroi d'un sursis provisoire qui ne tombent pas sous l'énumération légale (cf. HUNKELER, op. cit., n os 3-6 ad art. 293d LP avec les exemples cités).
Urteilskopf
27. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A. SA contre Fondation B. et consorts (recours en matière civile)
5A_22/2015 du 16 mars 2015
Regeste Art. 75 BGG, Art. 293d SchKG ; Erschöpfung des kantonalen Instanzenzugs, provisorische Nachlassstundung. Zulässigkeit der Beschwerde in Zivilsachen gegen Entscheide betreffend die provisorische Nachlassstundung (E. 4).
Regeste
Art. 75 BGG, Art. 293d SchKG ; Erschöpfung des kantonalen Instanzenzugs, provisorische Nachlassstundung. Zulässigkeit der Beschwerde in Zivilsachen gegen Entscheide betreffend die provisorische Nachlassstundung (E. 4).
Art. 75 BGG Art. 293d SchKG Zulässigkeit der Beschwerde in Zivilsachen gegen Entscheide betreffend die provisorische Nachlassstundung (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 188
Sachverhalt ab Seite 188 BGE 141 III 188 S. 188
BGE 141 III 188 S. 188
Le 4 septembre 2014, la Fondation B. a saisi le Tribunal de première instance du canton de Genève d'une requête de sursis concordataire provisoire, subsidiairement de faillite sans poursuite préalable, à l'égard de la société A. SA. Deux requêtes analogues ont été présentées par C., respectivement par quatorze caisses de prévoyance.
Statuant le 17 décembre 2014 sur ces requêtes, le Tribunal a rendu la décision suivante:
"1....
2. Ordonne un sursis concordataire provisoire en faveur de A. SA, déployant ses effets jusqu'à droit jugé sur requête de sursis concordataire définitif, mais pour une durée de quatre mois au plus, soit jusqu'au 17 avril 2015, en vue d'élaborer un bilan et un compte de pertes et profits audités 2014, ainsi qu'un plan d'assainissement ou une proposition de concordat et de fournir au Tribunal toute information de nature à permettre de statuer définitivement en vue soit d'un sursis définitif soit d'une faillite. BGE 141 III 188 S. 189
BGE 141 III 188 S. 189
3. Désigne en qualité de commissaire provisoire au sursis, aux charges de droit selon les articles 293b al. 1 LP:
Monsieur R.
4. Subordonne à l'approbation formelle et préalable du commissaire la validité de toutes les décisions du conseil d'administration de A. SA, en particulier celles impliquant l'aliénation ou l'engagement d'éléments de l'actif ou la création de nouveaux passifs et ce jusqu'au 17 avril 2015 et au-delà, jusqu'au jugement final du Tribunal dans la présente procédure.
5. Précise que la mission du commissaire consistera notamment à surveiller le déroulement des activités de la société pendant la durée du sursis provisoire, à prendre toutes les mesures utiles à la conservation des actifs de la société, à contrôler que les charges d'exploitation de celle-ci soient couvertes, à assurer le respect du principe de l'égalité de traitement entre les créanciers et l'invite au surplus spécifiquement:
a) à faire établir aux frais de A. SA, un bilan aux valeurs de continuation et de liquidation et des comptes audités pour 2014, ainsi qu'un état financier intermédiaire au 28 février 2015, comprenant un état détaillé des actifs (indiquant pour chacun d'eux leur caractère liquide ou non, à court ou moyen terme, ainsi que leur valeur de réalisation) ainsi qu'un état détaillé des passifs, cas échéant après l'inscription des provisions complémentaires qui s'imposent en raison des incertitudes liées aux diverses procédures civiles et pénales en cours;
b) mener toute action utile en vue de la valorisation des actifs, notamment quant au recouvrement de créances vis-à-vis de tiers;
c) veiller à ce que le conseil d'administration de A. SA lui soumette pour approbation préalable tout acte de gestion impliquant l'aliénation ou l'engagement d'éléments de l'actif ainsi que la création de nouveaux passifs;
d) faire toutes constatations utiles et propositions au Tribunal dans la perspective éventuelle de l'octroi ou non d'un sursis définitif.
6. Dit qu'aucune poursuite ne pourra être exercée pendant la durée du sursis provisoire contre A. SA.
7. Invite A. SA à verser auprès des Services financiers du Pouvoir judiciaire d'ici au 9 janvier 2015 la somme de CHF 40'000.- à titre d'avance pour la couverture des frais et honoraires du commissaire provisoire.
8. (...)
9. (...)
10. Invite le commissaire à déposer, le 18 mars 2015 au plus tard, un rapport de son activité et de ses constatations, y compris son pronostic et ses conclusions sur les modalités concrètes d'un éventuel BGE 141 III 188 S. 190 assainissement de A. SA, dans la perspective d'un sursis définitif mais aussi à terme d'une sortie du surendettement ainsi que le cas échéant un plan d'assainissement détaillé ou une proposition de concordat.
BGE 141 III 188 S. 190
11. Invite le commissaire provisoire à informer sans délai et en tout temps le Tribunal si les conditions à l'octroi du sursis provisoire ne devaient plus être réunies et le présent sursis provisoire révoqué.
12. Ordonne la convocation des parties et du commissaire provisoire à l'audience du mercredi 25 mars 2015, à 15 h. 00, salle B4, Palais de Justice, 1, place du Bourg-de-Four, 1204 Genève.
13. Ordonne la publication des chiffres 2 à 6 du présent dispositif dans la FAO et la FOSC, aux frais et à charge de A. SA.
14. (Frais)
15. (Dépens)
16. (...)
17. (Communication)
Le Tribunal fédéral a déclaré irrecevable le recours en matière civile formé par A. SA à l'encontre de cette décision.
(résumé)
Erwägungen
Erwägungen Extrait des considérants:
4.
4. 4.1 Depuis le 1 er janvier 2011 (cf. art. 130 al. 2 LTF ), le recours en matière civile - comme le recours constitutionnel ( art. 114 LTF ) - n'est recevable qu'à l'encontre des décisions de dernière instance cantonale qui ont été rendues par des tribunaux supérieurs (abstraction faite du Tribunal administratif fédéral et du Tribunal fédéral des brevets) et, sous réserve des exceptions énumérées par l'art. 75 al. 2 let. a-c LTF, sur recours ( ATF 137 III 238 consid. 2.2; ATF 138 III 41 consid. 1.1; ATF 139 III 252 consid. 1.6).
4.1 art. 130 al. 2 LTF art. 114 LTF Le jugement entrepris, rendu en première instance, ne répond pas aux conditions précitées; reste à déterminer si le recours serait néanmoins recevable pour d'autres motifs.
4.2 Le présent recours est dirigé à l'encontre d'une décision relative à un sursis provisoire au sens des art. 293a ss LP, dispositions entrées en vigueur le 1 er janvier 2014 (RO 2013 4111); cette institution était par ailleurs connue de l'ancienne loi (ancien art. 293 al. 3, 2 e phrase, LP, dans sa teneur introduite par la LF du 16 décembre 1994).
4.2 art. 293a ss LP La question de savoir si une telle décision était susceptible de recours était disputée sous l'empire de l'ancien texte (cf. à ce sujet: HUNKELER, in SchKG, 2 e éd. 2014, n° 1 ad art. 293d LP avec les BGE 141 III 188 S. 191 références citées). Désormais, l' art. 293d LP y apporte une réponse claire: l'octroi du sursis provisoire et la désignation d'un commissaire provisoire ne peuvent pas faire l'objet d'un recours. Cette formulation large exclut tant le recours cantonal que le recours fédéral (HUNKELER, ibid., n° 7 ad art. 293d LP ; pour l'ancienne loi: PHILIPPIN, La nouvelle loi sur le Tribunal fédéral, Effets sur le droit des poursuites et faillites[supplément hors édition],JdT 2007 II p. 160 ss; contra: HARI, Le commissaire au sursis dans la procédure concordataire, 2010, n. 35, qui évoque le recours immédiat au Tribunal fédéral si la décision est susceptible de causer un préjudice irréparable au sens de l' art. 93 al. 1 let. a LTF ); une voie de recours n'est ouverte qu'à l'encontre de la "décision d'octroi du sursis définitif" (Message du 8 septembre 2010 relatif à une modification de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite [droit de l'assainissement], FF 20105898 ch. 2.7). Le Message ne mentionne certes explicitement que l'exclusion du recours des "créanciers" (ibid.), mais la teneur neutre du texte légal n'autorise pas de solution différente lorsque le débiteur n'est pas à l'origine de la requête (cf. HUNKELER, ibid., n° 7 ad art. 293d LP ). art. 293d LP BGE 141 III 188 S. 191
art. 293d LP art. 293d LP art. 93 al. 1 let. a LTF art. 293d LP L'analogie que propose la recourante avec la solution consacrée pour la décision en procédure sommaire ( art. 251 let. d CPC) sur le retour à meilleure fortune ( art. 265a al. 1 LP ) n'est pas déterminante. La norme en discussion - qui prévoit que pareille décision "n'est sujette à aucun recours" - a été modifiée à l'occasion de l'entrée en vigueur du Code de procédure civile du 18 décembre 2008 (CPC), dont la vocation n'est pas de régler les voies de recours au Tribunal fédéral. D'ailleurs, la loi ne fait que codifier la jurisprudence relative à l'ancien texte ( ATF 138 III 130 consid. 2.2 et les références), laquelle se rapportait à l'exclusion des voies de recours cantonales ( ATF 126 III 110 consid. 1b ["jegliche kantonale Rechtsmittel"], qui se fonde sur le Message du 8 mai 1991 concernant la révision de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, FF 1991 III 183 ["toute voie de droit cantonale ordinaire ou extraordinaire est exclue"]). En outre, la partie recourante n'est pas admise à discuter les conditions matérielles du retour à meilleur fortune, lesquelles doivent être tranchées dans l'action prévue par l' art. 265a al. 4 LP ( ATF 134 III 524 consid. 1.3 avec les citations). Enfin, la décision sur la répartition des frais et dépens de la procédure sommaire ne peut être soumise au Tribunal fédéral directement, mais doit préalablement faire l'objet d'un recours au sens des art. 319 ss CPC ( ATF 138 III 130 consid. 2.2; BGE 141 III 188 S. 192 arrêt 5A_295/2013 du 17 octobre 2013 consid. 1.1, non publié à l' ATF 139 III 498 ). art. 251 let art. 265a al. 1 LP art. 265a al. 4 LP art. 319 ss CPC BGE 141 III 188 S. 192
4.3 Une partie de la doctrine estime, il est vrai, que la désignation du commissaire provisoire pourrait être contestée en présence de motifs de récusation (LORANDI, Ein- und Ausstieg der Nachlassstundung nach neuem Recht, in St. Galler SchKG-Tagung, 2014, p. 4; SCHWANDER, Aspekte des Verfahrens vor Nachlass- und Konkursgericht, in Das neue Sanierungsrecht, p. 8 ch. III). Il n'y a pas lieu de se prononcer sur cet avis, dont les auteurs ne préconisent nullement un recours direct au Tribunal fédéral. Autant qu'une voie de recours existe pour se plaindre de la personne - et non de l'institution même - du commissaire provisoire (imprécis: FF 2010 5898 ch. 2.7), ce ne peut être d'abord que le recours au sens des art. 319 ss CPC (cf. art. 50 CPC et 295c al. 1 LP; HUNKELER, ibid., n° 5 ad art. 293 LP ). Comme le statut du commissaire provisoire (pendant la phase du sursis provisoire) est identique à celui du commissaire définitif ( art. 293b al. 1 LP ; HUNKELER, op. cit., n° 4 ad art. 293b LP ; cf. pour l'ancienne teneur: ATF 129 III 94 consid. 3), la recourante peut saisir l'autorité judiciaire supérieure en matière de concordat (i.e. Chambre civile de la Cour de justice [art. 120 al. 1 let. b LOJ/GE; rs/GE E 2 05) pour remettre en cause la qualification ou l'objectivité du commissaire (cf. ATF 103 Ia 76 consid. 4b; cf. sur cette question: HARI, op. cit., n. 64 ss et les citations).
4.3 art. 319 ss CPC art. 50 CPC art. 293 LP art. 293b al. 1 LP art. 293b LP Il s'ensuit que le moyen pris d'une violation de l' art. 10 LP, en raison de l'absence "d'indépendance" du commissaire provisoire nommé, s'avère irrecevable faute d'épuisement des instances cantonales. art. 10 LP 4.4 La recourante conteste en outre la mise à sa charge de "l'avance pour la couverture des frais et honoraires du commissaire provisoire"; elle soutient qu'une telle obligation incombait aux requérants.
4.4 Cette problématique n'est pas visée par la loi. D'après la jurisprudence, les décisions des autorités concordataires ne peuvent pas faire l'objet d'une plainte ou d'un recours au sens des art. 17 ss LP ( ATF 120 III 107 consid. 3). Les questions concernant l'avance de frais (montant, débiteur, etc.) doivent dès lors être liquidées dans le cadre du recours en nullité (cf. art. 319 ss CPC et art. 295c al. 1 LP ), à l'instar d'autres décisions rendues dans le contexte de l'octroi d'un sursis provisoire qui ne tombent pas sous l'énumération légale (cf. HUNKELER, op. cit., n os 3-6 ad art. 293d LP avec les exemples cités). art. 17 ss LP art. 319 ss CPC art. 295c al. 1 LP art. 293d LP
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Urteilskopf 141 III 193 28. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. gegen B.A. (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_296/2014 vom 24. Juni 2015 Regeste Nachehelicher Unterhalt nach Pensionierung des unterhaltsberechtigten Ehegatten. Grundsätze für die Ermittlung der Eigenversorgungskapazität des unterhaltsberechtigten Ehegatten nach dessen Pensionierung (E. 3.3). Sachverhalt ab Seite 193 BGE 141 III 193 S. 193 A. Die Ehe zwischen A.A. und B.A. wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Aarau vom 6. Juni 2012 geschieden. Das Bezirksgericht verpflichtete A.A. unter anderem, seiner früheren Ehefrau ab BGE 141 III 193 S. 194 Rechtskraft des Scheidungsurteils bis zur Erreichung seines ordentlichen Rentenalters monatlichen Unterhalt zu bezahlen. In teilweiser Gutheissung der Berufung von A.A. kürzte das Obergericht die Unterhaltsrente. Auf Beschwerde in Zivilsachen von A.A. hin hiess das Bundesgericht die Beschwerde mit Urteil vom 10. Dezember 2013 (5A_474/2013) teilweise gut, hob das Urteil des Obergerichts auf und wies die Sache zu neuer Entscheidung an dieses zurück. Aus den Erwägungen ergibt sich, dass die Unterhaltsrente neu zu berechnen war. B. Am 25. Februar 2014 entschied das Obergericht neu und verpflichtete A.A., B.A. monatlich vorschüssig ab Rechtskraft des Urteils bis zum 30. Juni 2014 Fr. 2'900.-, anschliessend und bis zum Eintritt der Gläubigerin ins ordentliche AHV-Alter Fr. 1'119.-, und von dann bis zum Eintritt des Schuldners ins ordentliche AHV-Alter Fr. 860.- Unterhalt zu bezahlen. C. Gegen diesen Entscheid gelangt A.A. (Beschwerdeführer) mit Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht. Er beantragt, die Rentenzahlung mit Eintritt ins ordentliche Rentenalter der Gläubigerin zu beenden. Die Beschwerdegegnerin beantragt die Abweisung des Rechtsmittels, die Vorinstanz verzichtet auf eine Vernehmlassung. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. 3.3 Nachehelicher Unterhalt ist nur soweit geschuldet, wie der Unterhaltsgläubiger nicht in der Lage ist, aus eigenen Kräften für seinen Unterhalt zu sorgen. Es muss somit zwingend geklärt werden, über welches Einkommen er verfügen wird (vgl. 5A_474/2013 E. 5.1 mit Hinweisen). Es ist zutreffend, dass in der Regel das Einkommen nach der Pensionierung geringer sein wird, weil die Altersvorsorge der ersten und der zweiten Säule darauf ausgerichtet ist, bloss einen Teil des Erwerbseinkommens zu ersetzen. Diese Überlegung stimmt aber nur insoweit, als die Renten der ersten und der zweiten Säule ausschliesslich durch das mit der Pensionierung entfallende Erwerbseinkommen aufgebaut worden sind. Beruht die Altersvorsorge demgegenüber auf anderen Quellen, kann von einem solchen Zusammenhang nicht mehr ausgegangen werden. BGE 141 III 193 S. 195 Eine andere Quelle kann insbesondere der Vorsorgeausgleich in der Scheidung darstellen, wenn eine erheblich grössere Austrittsleistung übertragen worden ist, als für den Ersatz des Erwerbseinkommens notwendig ist, so dass die sich daraus und aus weiteren Vorsorgebeiträgen ergebende Altersrente zusammen mit den Leistungen aus der ersten Säule nicht nur das Erwerbseinkommen, sondern auch die Unterhaltsrente ganz oder teilweise ersetzen kann. Ob dies zutrifft oder nicht, ist im Einzelfall zu berechnen. (...)
Urteilskopf
28. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. gegen B.A. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_296/2014 vom 24. Juni 2015
Regeste Nachehelicher Unterhalt nach Pensionierung des unterhaltsberechtigten Ehegatten. Grundsätze für die Ermittlung der Eigenversorgungskapazität des unterhaltsberechtigten Ehegatten nach dessen Pensionierung (E. 3.3).
Regeste
Nachehelicher Unterhalt nach Pensionierung des unterhaltsberechtigten Ehegatten. Grundsätze für die Ermittlung der Eigenversorgungskapazität des unterhaltsberechtigten Ehegatten nach dessen Pensionierung (E. 3.3).
Grundsätze für die Ermittlung der Eigenversorgungskapazität des unterhaltsberechtigten Ehegatten nach dessen Pensionierung (E. 3.3).
Sachverhalt ab Seite 193
Sachverhalt ab Seite 193 BGE 141 III 193 S. 193
BGE 141 III 193 S. 193
A. Die Ehe zwischen A.A. und B.A. wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Aarau vom 6. Juni 2012 geschieden. Das Bezirksgericht verpflichtete A.A. unter anderem, seiner früheren Ehefrau ab BGE 141 III 193 S. 194 Rechtskraft des Scheidungsurteils bis zur Erreichung seines ordentlichen Rentenalters monatlichen Unterhalt zu bezahlen.
A. BGE 141 III 193 S. 194
In teilweiser Gutheissung der Berufung von A.A. kürzte das Obergericht die Unterhaltsrente.
Auf Beschwerde in Zivilsachen von A.A. hin hiess das Bundesgericht die Beschwerde mit Urteil vom 10. Dezember 2013 (5A_474/2013) teilweise gut, hob das Urteil des Obergerichts auf und wies die Sache zu neuer Entscheidung an dieses zurück. Aus den Erwägungen ergibt sich, dass die Unterhaltsrente neu zu berechnen war.
B. Am 25. Februar 2014 entschied das Obergericht neu und verpflichtete A.A., B.A. monatlich vorschüssig ab Rechtskraft des Urteils bis zum 30. Juni 2014 Fr. 2'900.-, anschliessend und bis zum Eintritt der Gläubigerin ins ordentliche AHV-Alter Fr. 1'119.-, und von dann bis zum Eintritt des Schuldners ins ordentliche AHV-Alter Fr. 860.- Unterhalt zu bezahlen.
B. C. Gegen diesen Entscheid gelangt A.A. (Beschwerdeführer) mit Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht. Er beantragt, die Rentenzahlung mit Eintritt ins ordentliche Rentenalter der Gläubigerin zu beenden. Die Beschwerdegegnerin beantragt die Abweisung des Rechtsmittels, die Vorinstanz verzichtet auf eine Vernehmlassung.
C. (Zusammenfassung)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
3.
3. 3.3 Nachehelicher Unterhalt ist nur soweit geschuldet, wie der Unterhaltsgläubiger nicht in der Lage ist, aus eigenen Kräften für seinen Unterhalt zu sorgen. Es muss somit zwingend geklärt werden, über welches Einkommen er verfügen wird (vgl. 5A_474/2013 E. 5.1 mit Hinweisen). Es ist zutreffend, dass in der Regel das Einkommen nach der Pensionierung geringer sein wird, weil die Altersvorsorge der ersten und der zweiten Säule darauf ausgerichtet ist, bloss einen Teil des Erwerbseinkommens zu ersetzen.
3.3 Diese Überlegung stimmt aber nur insoweit, als die Renten der ersten und der zweiten Säule ausschliesslich durch das mit der Pensionierung entfallende Erwerbseinkommen aufgebaut worden sind. Beruht die Altersvorsorge demgegenüber auf anderen Quellen, kann von einem solchen Zusammenhang nicht mehr ausgegangen werden. BGE 141 III 193 S. 195 Eine andere Quelle kann insbesondere der Vorsorgeausgleich in der Scheidung darstellen, wenn eine erheblich grössere Austrittsleistung übertragen worden ist, als für den Ersatz des Erwerbseinkommens notwendig ist, so dass die sich daraus und aus weiteren Vorsorgebeiträgen ergebende Altersrente zusammen mit den Leistungen aus der ersten Säule nicht nur das Erwerbseinkommen, sondern auch die Unterhaltsrente ganz oder teilweise ersetzen kann. Ob dies zutrifft oder nicht, ist im Einzelfall zu berechnen. (...)
BGE 141 III 193 S. 195
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Urteilskopf 141 III 195 29. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern und A. (Beschwerde in Strafsachen) 6B_490/2014 vom 27. April 2015 Regeste Art. 699 Abs. 1 ZGB ; Betreten von Wald und Weide; richterliches Verbot. Richterliche Verbote erwachsen nicht in materielle Rechtskraft. Sie können von einem beschuldigten Störer in einem allfälligen Strafverfahren angefochten werden, so dass deren Rechtmässigkeit vom Gericht zu überprüfen ist (E. 2.2). Bewirtschaftungsweg, der zuerst über eine Weide (Dauerwiese) und danach über eine extensiv genutzte Wiese (Ökowiese) führt, bevor er in den Wald einmündet. Den Zutritt zum Bewirtschaftungsweg nur deshalb zu verbieten, weil das angrenzende Land auf einem kurzen Wegabschnitt eine extensiv genutzte Wiese ist, widerspricht Sinn und Zweck von Art. 699 Abs. 1 ZGB. Das richterliche Verbot, welches das Betreten des Bewirtschaftungswegs untersagt, verstösst daher gegen Art. 699 Abs. 1 ZGB (E. 2.3-2.8). Sachverhalt ab Seite 196 BGE 141 III 195 S. 196 A. A. ist Eigentümer des Grundstücks Nr. x in B. Dieses besteht aus Wald und einer Grasfläche, über welche ein Bewirtschaftungsweg zunächst parallel zum Waldrand verläuft und dann durch den Wald zum Fluss C. hinunterführt. Der obere Teil der Grasfläche ist eine sog. Dauerwiese, während der untere Teil als extensiv genutzte Wiese (Ökowiese) mit Nebennutzung des Weidenlassens dient. Der Amtsgerichtspräsident von Entlebuch erliess am 21. August 2008 auf Verlangen von A. ein allgemeines Verbot, wonach das Betreten des Grundstücks ausserhalb der Strasse D. für Unberechtigte unzulässig ist. Die entsprechende Verbotstafel steht beim mit einem Gatter verschlossenen Zugang zum erwähnten Bewirtschaftungsweg. X. bietet als Geschäftsführer der E. GmbH Goldwaschkurse rund um das Napfgebiet an. Am 18. Mai 2011 betrat er mit seinen Kursteilnehmern in Missachtung des richterlichen Verbots das Grundstück von A., um sich über den Bewirtschaftungsweg zum Kursort an der C. zu begeben. Den Zugang zum Grundstück verschaffte er sich, indem er beim Zaun neben dem Gatter zwei Zaunisolatoren aus dem Holzpfosten abmontierte und den Zaundraht mit einem Hammer durchtrennte. B. B.a Die Staatsanwaltschaft Sursee verurteilte X. mit Strafbefehl vom 15. Dezember 2011 wegen geringfügiger Sachbeschädigung zu einer Busse von Fr. 150.-. Die Strafuntersuchung wegen Übertretung eines allgemeinen Verbots stellte sie mit Verfügung vom 22. März BGE 141 III 195 S. 197 2012 ein. Das Kantonsgericht Luzern hiess am 11. Oktober 2012 die Beschwerde von A. gegen den Einstellungsentscheid gut und wies die Strafsache an die Staatsanwaltschaft zurück. Auf eine dagegen gerichtete Beschwerde von X. trat das Bundesgericht mit Urteil 1B_721/2012 vom 4. Dezember 2012 nicht ein. B.b Die Staatsanwaltschaft sprach X. am 22. Januar 2013 der Übertretung eines allgemeinen Verbots (§ 20 des Übertretungsstrafgesetzes vom 14. September 1976 [UeStG/LU; SRL 300)und der geringfügigen Sachbeschädigung (Art. 144 Abs. 1 i.V.m. Art. 172 ter StGB ) schuldig und büsste ihn mit Fr. 200.-. X. erhob gegen den Strafbefehl Einsprache. Das Bezirksgericht Willisau sprach ihn daraufhin am 28. Mai 2013 in Bezug auf das Betreten des oberen, durch die Dauerwiese verlaufenden Teils des Weges vom Vorwurf der Übertretung eines allgemeinen Verbots frei. Es erklärte ihn der geringfügigen Sachbeschädigung und, in Bezug auf das Betreten des unteren, durch die extensiv genutzte Wiese verlaufenden Teils des Weges, der Übertretung eines allgemeinen Verbots schuldig. Es verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 200.- und zur Bezahlung von Fr. 455.45 Schadenersatz an A. Auf Berufung von X. bestätigte das Kantonsgericht Luzern am 26. März 2014 das erstinstanzliche Urteil. C. X. beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, ihn von den Vorwürfen der Übertretung eines allgemeinen Verbots sowie der geringfügigen Sachbeschädigung freizusprechen und die Zivilforderung vollumfänglich abzuweisen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz bzw. an das Bezirksgericht Willisau zurückzuweisen. D. Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern verzichtete auf eine Stellungnahme. Das Kantonsgericht und A. beantragen die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe Art. 699 Abs. 1 ZGB zu Unrecht nicht auf die extensiv genutzte Wiese angewandt. Er habe einen Bewirtschaftungsweg benutzt, der durchgehend von der Strasse her in den Wald führe. Dem Beschwerdegegner 2 sei kein Schaden erwachsen. Der Bewirtschaftungsweg sei auf der extensiv genutzten Wiese genau gleich beschaffen gewesen wie auf der BGE 141 III 195 S. 198 Weide. Der vor über hundert Jahren formulierte Art. 699 ZGB dürfe nicht grammatikalisch eng ausgelegt werden, da es damals noch keine landwirtschaftlichen Subventionen und damit auch keine ökologischen Ausgleichsflächen gegeben habe. 2.2 Richterliche Verbote erwachsen nach der Rechtsprechung nicht in materielle Rechtskraft. Sie können von einem beschuldigten Störer in einem allfälligen Strafverfahren angefochten werden, so dass deren Rechtmässigkeit vom Gericht zu überprüfen ist (Urteil 6B_116/2011 vom 18. Juli 2011 E. 3.3 mit Hinweisen). Das Bundesgericht überprüft Bundesrecht mit voller Kognition, kantonales Recht - von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen - hingegen nur auf Willkür (vgl. Art. 95 BGG ). Der Schuldspruch wegen Übertretung eines allgemeinen Verbots richtet sich nach kantonalem Strafrecht. Die Auslegung von Art. 699 Abs. 1 ZGB prüft das Bundesgericht dennoch frei, da es sich um eine direkt anwendbare Bestimmung des Bundesrechts handelt (vgl. BGE 138 IV 13 E. 2). 2.3 Nach Art. 699 Abs. 1 ZGB sind das Betreten von Wald und Weide und die Aneignung wildwachsender Beeren, Pilze u. dgl. in ortsüblichem Umfange jedermann gestattet, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der zuständigen Behörde einzelne bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden. Die Bestimmung ist eine sog. Doppelnorm mit zugleich privatrechtlichem und öffentlichrechtlichem Inhalt. Als privatrechtliche Eigentumsbeschränkung regelt sie die Beziehungen zwischen dem Eigentümer und Spaziergängern. Aufgrund deren öffentlichrechtlichen Inhalts sind die Behörden ermächtigt, von Amtes wegen über den freien Zutritt zu Wald und Weide zu wachen ( BGE 109 Ia 76 E. 3b mit Hinweisen). Der Schutzzweck von Art. 699 Abs. 1 ZGB liegt darin, der Bevölkerung den notwendigen Erholungsraum zu erhalten (vgl. BGE 106 Ia 84 E. 3a; BGE 96 I 97 E. 2e; ARTHUR MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar, 3. Aufl. 1975, N. 13 zu Art. 699 ZGB ; REY/STREBEL, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. II, 4. Aufl. 2011, N. 6 zu Art. 699 ZGB ; PAUL-HENRI STEINAUER, Les droit réels, Bd. II, 4. Aufl. 2012, N. 1934). 2.4 Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte BGE 141 III 195 S. 199 Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen ( BGE 140 III 206 E. 3.5.4; BGE 140 IV 1 E. 3.1; je mit Hinweisen). 2.5 Eine Legaldefinition der Begriffe Wald und Weide fehlt im ZGB. Für den Waldbegriff kann grundsätzlich auf die Waldgesetzgebung abgestellt werden (Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991 über den Wald [WaG; SR 921.0]; vgl. REY/STREBEL, a.a.O., N. 7 zu Art. 699 ZGB ; STEINAUER, a.a.O., N. 1934b; MEIER-HAYOZ, a.a.O., N. 15 f. zu Art. 699 ZGB ; TARKAN GÖKSU, in: Sachenrecht, Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 2. Aufl. 2012, N. 4 zu Art. 699 ZGB ). Eine Weide ist gemäss der herrschenden Lehre ein Grundstück, dessen ausschliessliche oder zumindest primäre Nutzung im Weidenlassen von Vieh besteht (MEIER-HAYOZ, a.a.O., N. 18 zu Art. 699 ZGB ; REY/STREBEL, a.a.O., N. 12 zu Art. 699 ZGB ; STEINAUER, a.a.O., N. 1934b; GÖKSU, a.a.O., N. 4 zu Art. 699 ZGB ). 2.6 Die Lehre weist zwar darauf hin, dass es sich bei Art. 699 Abs. 1 ZGB um eine Ausnahmebestimmung handelt, die grundsätzlich keine inhaltliche Ausdehnung über Wald- und Weidegrundstücke zulasse. Dennoch sprechen sich dieselben Autoren für eine (analoge) Anwendung des Zutrittsrechts auf frischgemähte Wiesen, abgeerntete Felder sowie tiefgefrorenes und -verschneites Kulturland aus, wenn jegliche Beeinträchtigung und Schädigung des Grundeigentums ausgeschlossen ist (MEIER-HAYOZ, a.a.O., N. 21 zu Art. 699 ZGB ; REY/STREBEL, a.a.O., N. 16 zu Art. 699 ZGB ; gleich GÖKSU, a.a.O., N. 4 zu Art. 699 ZGB ; ähnlich HAAB/SIMONIUS/SCHERRER/ZOBL, Zürcher Kommentar, 2. Aufl. 1977, N. 4 zu Art. 699 ZGB ; SIMONIUS/SUTTER, Schweizerisches Immobiliarsachenrecht, Bd. I, 1995, S. 399 N. 50). Vom Zutrittsrecht von Art. 699 Abs. 1 ZGB erfasst werden sollen zudem kulturunfähige Grundstücke im Sinne von Art. 664 Abs. 2 ZGB, da keinerlei Schaden am Grundeigentum verursacht wird (MEIER-HAYOZ, a.a.O., N. 20 zu Art. 699 ZGB ; STEINAUER, a.a.O., N. 1934b; GÖKSU, a.a.O., N. 4 zu Art. 699 ZGB ; SIMONIUS/SUTTER, a.a.O., S. 399 N. 50; siehe auch REY/STREBEL, a.a.O., N. 17 zu Art. 699 ZGB ). Als selbstverständlich eingeschlossen in das Betretungsrecht sind nach einer in der Lehre vertretenen Auffassung auch Wald- und Feldwege (SIMONIUS/SUTTER, a.a.O., S. 399 N. 50). BGE 141 III 195 S. 200 2.7 Der Beschwerdeführer betrat gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen einen Bewirtschaftungsweg, der über eine Weide (Dauerwiese) und im unteren Teil vor der Einmündung in den Wald über eine sog. extensiv genutzte Wiese führt. Letztere ist eine ökologische Ausgleichsfläche (sog. Biodiversitätsförderfläche), die Anrecht auf landwirtschaftliche Direktzahlungen (Biodiversitätsbeiträge) verschafft (vgl. Art. 55 Abs. 1 lit. a der Verordnung vom 23. Oktober 2013 über die Direktzahlungen an die Landwirtschaft [DZV; SR 910.13] ; Art. 40 Abs. 1 lit. a der Verordnung vom 7. Dezember 1998 über die Direktzahlungen an die Landwirtschaft [aDZV]). Die Vorinstanz legt dar, dass die extensiv genutzte Wiese nur nebenbei als Viehweide dient. Zulässig ist lediglich eine schonende Herbstweide (vgl. DZV, Anhang 4 Ziff. A 1.1.3; Art. 45 Abs. 3 aDZV; Bundesamt für Landwirtschaft, Überblick: Direktzahlungen an Schweizer Ganzjahresbetriebe, März 2014, S. 12). Die extensiv genutzte Wiese war im Tatzeitpunkt (Mai) nicht gemäht. Nicht zu beanstanden ist daher, wenn die Vorinstanz diese - jedenfalls für den zu beurteilenden Zeitpunkt - vom Anwendungsbereich von Art. 699 Abs. 1 ZGB ausnimmt. Das richterliche Verbot bezieht sich allerdings nicht nur auf die Wiese, sondern auch den Weg, der über die Wiese führt. Die für den Weg bestimmte Fläche dient nicht als extensiv genutzte Wiese. Den Zutritt zum Weg nur deshalb zu verbieten, weil das angrenzende Land auf einem kurzen Wegabschnitt eine extensiv genutzte Wiese ist, widerspricht Sinn und Zweck von Art. 699 Abs. 1 ZGB, selbst wenn man mit der Vorinstanz von einer restriktiven Auslegung dieser Bestimmung ausgeht. Das richterliche Verbot verstösst gegen Art. 699 Abs. 1 ZGB, soweit es auch den Bewirtschaftungsweg vom Betretungsrecht ausnimmt. Entsprechend kann dem Beschwerdeführer nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er dieses missachtete. Der Schuldspruch wegen Übertretung eines allgemeinen Verbots verletzt Bundesrecht. Nicht weiter einzugehen ist damit auf die Rügen des Beschwerdeführers betreffend die Beweiswürdigung. 2.8 Zutreffend ist zwar, dass Art. 699 Abs. 1 ZGB die Eigentümer andersartiger Grundstücke nicht verpflichtet, Zugang zu angrenzenden Wald- oder Weidegrundstücken zu ermöglichen (REY/STREBEL, a.a.O., N. 5 zu Art. 699 ZGB ; angefochtenes Urteil mit Hinweis auf Luzerner Gerichts- und Verwaltungsentscheide [LGVE] 2002 I Nr. 21). Diese Frage stellt sich vorliegend jedoch nicht. Zu beurteilen ist, ob BGE 141 III 195 S. 201 das Betreten eines gemäss Art. 699 Abs. 1 ZGB grundsätzlich zugänglichen Weges deshalb untersagt ist, weil dieser über eine Parzelle führt bzw. an eine Fläche angrenzt, die aus ökologischen Gründen nur beschränkt als Viehweide dient. Dies ist wie dargelegt zu verneinen.
Urteilskopf
29. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern und A. (Beschwerde in Strafsachen)
6B_490/2014 vom 27. April 2015
Regeste Art. 699 Abs. 1 ZGB ; Betreten von Wald und Weide; richterliches Verbot. Richterliche Verbote erwachsen nicht in materielle Rechtskraft. Sie können von einem beschuldigten Störer in einem allfälligen Strafverfahren angefochten werden, so dass deren Rechtmässigkeit vom Gericht zu überprüfen ist (E. 2.2). Bewirtschaftungsweg, der zuerst über eine Weide (Dauerwiese) und danach über eine extensiv genutzte Wiese (Ökowiese) führt, bevor er in den Wald einmündet. Den Zutritt zum Bewirtschaftungsweg nur deshalb zu verbieten, weil das angrenzende Land auf einem kurzen Wegabschnitt eine extensiv genutzte Wiese ist, widerspricht Sinn und Zweck von Art. 699 Abs. 1 ZGB. Das richterliche Verbot, welches das Betreten des Bewirtschaftungswegs untersagt, verstösst daher gegen Art. 699 Abs. 1 ZGB (E. 2.3-2.8).
Regeste
Art. 699 Abs. 1 ZGB ; Betreten von Wald und Weide; richterliches Verbot. Richterliche Verbote erwachsen nicht in materielle Rechtskraft. Sie können von einem beschuldigten Störer in einem allfälligen Strafverfahren angefochten werden, so dass deren Rechtmässigkeit vom Gericht zu überprüfen ist (E. 2.2). Bewirtschaftungsweg, der zuerst über eine Weide (Dauerwiese) und danach über eine extensiv genutzte Wiese (Ökowiese) führt, bevor er in den Wald einmündet. Den Zutritt zum Bewirtschaftungsweg nur deshalb zu verbieten, weil das angrenzende Land auf einem kurzen Wegabschnitt eine extensiv genutzte Wiese ist, widerspricht Sinn und Zweck von Art. 699 Abs. 1 ZGB. Das richterliche Verbot, welches das Betreten des Bewirtschaftungswegs untersagt, verstösst daher gegen Art. 699 Abs. 1 ZGB (E. 2.3-2.8).
Art. 699 Abs. 1 ZGB Richterliche Verbote erwachsen nicht in materielle Rechtskraft. Sie können von einem beschuldigten Störer in einem allfälligen Strafverfahren angefochten werden, so dass deren Rechtmässigkeit vom Gericht zu überprüfen ist (E. 2.2).
Bewirtschaftungsweg, der zuerst über eine Weide (Dauerwiese) und danach über eine extensiv genutzte Wiese (Ökowiese) führt, bevor er in den Wald einmündet. Den Zutritt zum Bewirtschaftungsweg nur deshalb zu verbieten, weil das angrenzende Land auf einem kurzen Wegabschnitt eine extensiv genutzte Wiese ist, widerspricht Sinn und Zweck von Art. 699 Abs. 1 ZGB. Das richterliche Verbot, welches das Betreten des Bewirtschaftungswegs untersagt, verstösst daher gegen Art. 699 Abs. 1 ZGB (E. 2.3-2.8).
Art. 699 Abs. 1 ZGB Art. 699 Abs. 1 ZGB Sachverhalt ab Seite 196
Sachverhalt ab Seite 196 BGE 141 III 195 S. 196
BGE 141 III 195 S. 196
A. A. ist Eigentümer des Grundstücks Nr. x in B. Dieses besteht aus Wald und einer Grasfläche, über welche ein Bewirtschaftungsweg zunächst parallel zum Waldrand verläuft und dann durch den Wald zum Fluss C. hinunterführt. Der obere Teil der Grasfläche ist eine sog. Dauerwiese, während der untere Teil als extensiv genutzte Wiese (Ökowiese) mit Nebennutzung des Weidenlassens dient. Der Amtsgerichtspräsident von Entlebuch erliess am 21. August 2008 auf Verlangen von A. ein allgemeines Verbot, wonach das Betreten des Grundstücks ausserhalb der Strasse D. für Unberechtigte unzulässig ist. Die entsprechende Verbotstafel steht beim mit einem Gatter verschlossenen Zugang zum erwähnten Bewirtschaftungsweg.
A. X. bietet als Geschäftsführer der E. GmbH Goldwaschkurse rund um das Napfgebiet an. Am 18. Mai 2011 betrat er mit seinen Kursteilnehmern in Missachtung des richterlichen Verbots das Grundstück von A., um sich über den Bewirtschaftungsweg zum Kursort an der C. zu begeben. Den Zugang zum Grundstück verschaffte er sich, indem er beim Zaun neben dem Gatter zwei Zaunisolatoren aus dem Holzpfosten abmontierte und den Zaundraht mit einem Hammer durchtrennte.
B.
B. B.a Die Staatsanwaltschaft Sursee verurteilte X. mit Strafbefehl vom 15. Dezember 2011 wegen geringfügiger Sachbeschädigung zu einer Busse von Fr. 150.-. Die Strafuntersuchung wegen Übertretung eines allgemeinen Verbots stellte sie mit Verfügung vom 22. März BGE 141 III 195 S. 197 2012 ein. Das Kantonsgericht Luzern hiess am 11. Oktober 2012 die Beschwerde von A. gegen den Einstellungsentscheid gut und wies die Strafsache an die Staatsanwaltschaft zurück. Auf eine dagegen gerichtete Beschwerde von X. trat das Bundesgericht mit Urteil 1B_721/2012 vom 4. Dezember 2012 nicht ein.
B.a BGE 141 III 195 S. 197
B.b Die Staatsanwaltschaft sprach X. am 22. Januar 2013 der Übertretung eines allgemeinen Verbots (§ 20 des Übertretungsstrafgesetzes vom 14. September 1976 [UeStG/LU; SRL 300)und der geringfügigen Sachbeschädigung (Art. 144 Abs. 1 i.V.m. Art. 172 ter StGB ) schuldig und büsste ihn mit Fr. 200.-. X. erhob gegen den Strafbefehl Einsprache. Das Bezirksgericht Willisau sprach ihn daraufhin am 28. Mai 2013 in Bezug auf das Betreten des oberen, durch die Dauerwiese verlaufenden Teils des Weges vom Vorwurf der Übertretung eines allgemeinen Verbots frei. Es erklärte ihn der geringfügigen Sachbeschädigung und, in Bezug auf das Betreten des unteren, durch die extensiv genutzte Wiese verlaufenden Teils des Weges, der Übertretung eines allgemeinen Verbots schuldig. Es verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 200.- und zur Bezahlung von Fr. 455.45 Schadenersatz an A. Auf Berufung von X. bestätigte das Kantonsgericht Luzern am 26. März 2014 das erstinstanzliche Urteil.
B.b Art. 172 ter StGB C. X. beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, ihn von den Vorwürfen der Übertretung eines allgemeinen Verbots sowie der geringfügigen Sachbeschädigung freizusprechen und die Zivilforderung vollumfänglich abzuweisen. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz bzw. an das Bezirksgericht Willisau zurückzuweisen.
C. D. Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern verzichtete auf eine Stellungnahme. Das Kantonsgericht und A. beantragen die Abweisung der Beschwerde.
D. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
2.
2. 2.1 Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe Art. 699 Abs. 1 ZGB zu Unrecht nicht auf die extensiv genutzte Wiese angewandt. Er habe einen Bewirtschaftungsweg benutzt, der durchgehend von der Strasse her in den Wald führe. Dem Beschwerdegegner 2 sei kein Schaden erwachsen. Der Bewirtschaftungsweg sei auf der extensiv genutzten Wiese genau gleich beschaffen gewesen wie auf der BGE 141 III 195 S. 198 Weide. Der vor über hundert Jahren formulierte Art. 699 ZGB dürfe nicht grammatikalisch eng ausgelegt werden, da es damals noch keine landwirtschaftlichen Subventionen und damit auch keine ökologischen Ausgleichsflächen gegeben habe.
2.1 Art. 699 Abs. 1 ZGB BGE 141 III 195 S. 198
Art. 699 ZGB 2.2 Richterliche Verbote erwachsen nach der Rechtsprechung nicht in materielle Rechtskraft. Sie können von einem beschuldigten Störer in einem allfälligen Strafverfahren angefochten werden, so dass deren Rechtmässigkeit vom Gericht zu überprüfen ist (Urteil 6B_116/2011 vom 18. Juli 2011 E. 3.3 mit Hinweisen).
2.2 Das Bundesgericht überprüft Bundesrecht mit voller Kognition, kantonales Recht - von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen - hingegen nur auf Willkür (vgl. Art. 95 BGG ). Der Schuldspruch wegen Übertretung eines allgemeinen Verbots richtet sich nach kantonalem Strafrecht. Die Auslegung von Art. 699 Abs. 1 ZGB prüft das Bundesgericht dennoch frei, da es sich um eine direkt anwendbare Bestimmung des Bundesrechts handelt (vgl. BGE 138 IV 13 E. 2).
Art. 95 BGG Art. 699 Abs. 1 ZGB 2.3 Nach Art. 699 Abs. 1 ZGB sind das Betreten von Wald und Weide und die Aneignung wildwachsender Beeren, Pilze u. dgl. in ortsüblichem Umfange jedermann gestattet, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der zuständigen Behörde einzelne bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden. Die Bestimmung ist eine sog. Doppelnorm mit zugleich privatrechtlichem und öffentlichrechtlichem Inhalt. Als privatrechtliche Eigentumsbeschränkung regelt sie die Beziehungen zwischen dem Eigentümer und Spaziergängern. Aufgrund deren öffentlichrechtlichen Inhalts sind die Behörden ermächtigt, von Amtes wegen über den freien Zutritt zu Wald und Weide zu wachen ( BGE 109 Ia 76 E. 3b mit Hinweisen). Der Schutzzweck von Art. 699 Abs. 1 ZGB liegt darin, der Bevölkerung den notwendigen Erholungsraum zu erhalten (vgl. BGE 106 Ia 84 E. 3a; BGE 96 I 97 E. 2e; ARTHUR MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar, 3. Aufl. 1975, N. 13 zu Art. 699 ZGB ; REY/STREBEL, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. II, 4. Aufl. 2011, N. 6 zu Art. 699 ZGB ; PAUL-HENRI STEINAUER, Les droit réels, Bd. II, 4. Aufl. 2012, N. 1934).
2.3 Art. 699 Abs. 1 ZGB Art. 699 Abs. 1 ZGB Art. 699 ZGB Art. 699 ZGB 2.4 Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte BGE 141 III 195 S. 199 Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen ( BGE 140 III 206 E. 3.5.4; BGE 140 IV 1 E. 3.1; je mit Hinweisen).
2.4 BGE 141 III 195 S. 199
2.5 Eine Legaldefinition der Begriffe Wald und Weide fehlt im ZGB. Für den Waldbegriff kann grundsätzlich auf die Waldgesetzgebung abgestellt werden (Bundesgesetz vom 4. Oktober 1991 über den Wald [WaG; SR 921.0]; vgl. REY/STREBEL, a.a.O., N. 7 zu Art. 699 ZGB ; STEINAUER, a.a.O., N. 1934b; MEIER-HAYOZ, a.a.O., N. 15 f. zu Art. 699 ZGB ; TARKAN GÖKSU, in: Sachenrecht, Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 2. Aufl. 2012, N. 4 zu Art. 699 ZGB ). Eine Weide ist gemäss der herrschenden Lehre ein Grundstück, dessen ausschliessliche oder zumindest primäre Nutzung im Weidenlassen von Vieh besteht (MEIER-HAYOZ, a.a.O., N. 18 zu Art. 699 ZGB ; REY/STREBEL, a.a.O., N. 12 zu Art. 699 ZGB ; STEINAUER, a.a.O., N. 1934b; GÖKSU, a.a.O., N. 4 zu Art. 699 ZGB ).
2.5 Art. 699 ZGB Art. 699 ZGB Art. 699 ZGB Art. 699 ZGB Art. 699 ZGB Art. 699 ZGB 2.6 Die Lehre weist zwar darauf hin, dass es sich bei Art. 699 Abs. 1 ZGB um eine Ausnahmebestimmung handelt, die grundsätzlich keine inhaltliche Ausdehnung über Wald- und Weidegrundstücke zulasse. Dennoch sprechen sich dieselben Autoren für eine (analoge) Anwendung des Zutrittsrechts auf frischgemähte Wiesen, abgeerntete Felder sowie tiefgefrorenes und -verschneites Kulturland aus, wenn jegliche Beeinträchtigung und Schädigung des Grundeigentums ausgeschlossen ist (MEIER-HAYOZ, a.a.O., N. 21 zu Art. 699 ZGB ; REY/STREBEL, a.a.O., N. 16 zu Art. 699 ZGB ; gleich GÖKSU, a.a.O., N. 4 zu Art. 699 ZGB ; ähnlich HAAB/SIMONIUS/SCHERRER/ZOBL, Zürcher Kommentar, 2. Aufl. 1977, N. 4 zu Art. 699 ZGB ; SIMONIUS/SUTTER, Schweizerisches Immobiliarsachenrecht, Bd. I, 1995, S. 399 N. 50). Vom Zutrittsrecht von Art. 699 Abs. 1 ZGB erfasst werden sollen zudem kulturunfähige Grundstücke im Sinne von Art. 664 Abs. 2 ZGB, da keinerlei Schaden am Grundeigentum verursacht wird (MEIER-HAYOZ, a.a.O., N. 20 zu Art. 699 ZGB ; STEINAUER, a.a.O., N. 1934b; GÖKSU, a.a.O., N. 4 zu Art. 699 ZGB ; SIMONIUS/SUTTER, a.a.O., S. 399 N. 50; siehe auch REY/STREBEL, a.a.O., N. 17 zu Art. 699 ZGB ). Als selbstverständlich eingeschlossen in das Betretungsrecht sind nach einer in der Lehre vertretenen Auffassung auch Wald- und Feldwege (SIMONIUS/SUTTER, a.a.O., S. 399 N. 50).
2.6 Art. 699 Abs. 1 ZGB Art. 699 ZGB Art. 699 ZGB Art. 699 ZGB Art. 699 ZGB Art. 699 Abs. 1 ZGB Art. 664 Abs. 2 ZGB Art. 699 ZGB Art. 699 ZGB Art. 699 ZGB BGE 141 III 195 S. 200
BGE 141 III 195 S. 200
2.7 Der Beschwerdeführer betrat gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen einen Bewirtschaftungsweg, der über eine Weide (Dauerwiese) und im unteren Teil vor der Einmündung in den Wald über eine sog. extensiv genutzte Wiese führt. Letztere ist eine ökologische Ausgleichsfläche (sog. Biodiversitätsförderfläche), die Anrecht auf landwirtschaftliche Direktzahlungen (Biodiversitätsbeiträge) verschafft (vgl. Art. 55 Abs. 1 lit. a der Verordnung vom 23. Oktober 2013 über die Direktzahlungen an die Landwirtschaft [DZV; SR 910.13] ; Art. 40 Abs. 1 lit. a der Verordnung vom 7. Dezember 1998 über die Direktzahlungen an die Landwirtschaft [aDZV]). Die Vorinstanz legt dar, dass die extensiv genutzte Wiese nur nebenbei als Viehweide dient. Zulässig ist lediglich eine schonende Herbstweide (vgl. DZV, Anhang 4 Ziff. A 1.1.3; Art. 45 Abs. 3 aDZV; Bundesamt für Landwirtschaft, Überblick: Direktzahlungen an Schweizer Ganzjahresbetriebe, März 2014, S. 12). Die extensiv genutzte Wiese war im Tatzeitpunkt (Mai) nicht gemäht. Nicht zu beanstanden ist daher, wenn die Vorinstanz diese - jedenfalls für den zu beurteilenden Zeitpunkt - vom Anwendungsbereich von Art. 699 Abs. 1 ZGB ausnimmt.
2.7 Art. 55 Abs. 1 lit. a der Verordnung vom 23. Oktober 2013 über die Direktzahlungen an die Landwirtschaft [DZV; SR 910.13] Art. 699 Abs. 1 ZGB Das richterliche Verbot bezieht sich allerdings nicht nur auf die Wiese, sondern auch den Weg, der über die Wiese führt. Die für den Weg bestimmte Fläche dient nicht als extensiv genutzte Wiese. Den Zutritt zum Weg nur deshalb zu verbieten, weil das angrenzende Land auf einem kurzen Wegabschnitt eine extensiv genutzte Wiese ist, widerspricht Sinn und Zweck von Art. 699 Abs. 1 ZGB, selbst wenn man mit der Vorinstanz von einer restriktiven Auslegung dieser Bestimmung ausgeht. Das richterliche Verbot verstösst gegen Art. 699 Abs. 1 ZGB, soweit es auch den Bewirtschaftungsweg vom Betretungsrecht ausnimmt. Entsprechend kann dem Beschwerdeführer nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er dieses missachtete. Der Schuldspruch wegen Übertretung eines allgemeinen Verbots verletzt Bundesrecht. Nicht weiter einzugehen ist damit auf die Rügen des Beschwerdeführers betreffend die Beweiswürdigung.
Art. 699 Abs. 1 ZGB Art. 699 Abs. 1 ZGB 2.8 Zutreffend ist zwar, dass Art. 699 Abs. 1 ZGB die Eigentümer andersartiger Grundstücke nicht verpflichtet, Zugang zu angrenzenden Wald- oder Weidegrundstücken zu ermöglichen (REY/STREBEL, a.a.O., N. 5 zu Art. 699 ZGB ; angefochtenes Urteil mit Hinweis auf Luzerner Gerichts- und Verwaltungsentscheide [LGVE] 2002 I Nr. 21). Diese Frage stellt sich vorliegend jedoch nicht. Zu beurteilen ist, ob BGE 141 III 195 S. 201 das Betreten eines gemäss Art. 699 Abs. 1 ZGB grundsätzlich zugänglichen Weges deshalb untersagt ist, weil dieser über eine Parzelle führt bzw. an eine Fläche angrenzt, die aus ökologischen Gründen nur beschränkt als Viehweide dient. Dies ist wie dargelegt zu verneinen.
2.8 Art. 699 Abs. 1 ZGB Art. 699 ZGB BGE 141 III 195 S. 201
Art. 699 Abs. 1 ZGB
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Urteilskopf 141 III 1 1. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. gegen B.A. und C.A. (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_199/2014 vom 27. November 2014 Regeste Art. 105 Ziff. 4 ZGB ; Art. 1 und 2 sowie 7 Abs. 2 SchlT ZGB ; Rückwirkung. Der Eheungültigkeitsgrund von Art. 105 Ziff. 4 ZGB wirkt nicht zurück auf Ehen, welche vor Inkrafttreten dieser Norm geschlossen worden sind (E. 4). Sachverhalt ab Seite 2 BGE 141 III 1 S. 2 A. A.A. (geb. 1963; schweizerischer Staatsangehöriger) und B.A. (geb. 1971; türkische Staatsangehörige) heirateten im Jahr 2003. Sie sind die Eltern des 2006 geborenen Kindes C.A. B. Am 20. Oktober 2010 reichte A.A. beim Bezirksgericht Zürich eine Eheungültigkeits-, evtl. Ehescheidungsklage ein, mit welcher er den Ungültigkeitsgrund von Art. 105 Ziff. 4 ZGB anrief. Mit Teilurteil vom 16. Oktober 2013 wies das Bezirksgericht die Ungültigkeitsklage ab mit der Begründung, der per 1. Januar 2008 eingeführte Ungültigkeitsgrund von Art. 105 Ziff. 4 ZGB wirke nicht auf die im Jahr 2003 geschlossene Ehe zurück. Mit der gleichen intertemporalen Begründung wies das Obergericht des Kantons Zürich am 5. Februar 2014 die gegen das Teilurteil erhobene Berufung ab. C. Gegen dieses Urteil hat A.A. am 10. März 2014 eine Beschwerde in Zivilsachen erhoben, mit welcher er die Ungültigerklärung der am 22. Juli 2003 geschlossenen Ehe, eventualiter die Rückweisung der Sache an das Obergericht verlangt. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Gegenstand der Beschwerde ist die Frage der Rückwirkung des per 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Eheungültigkeitsgrundes gemäss Art. 105 Ziff. 4 ZGB auf vor diesem Datum geschlossene Ehen. Diese ZGB-Norm wurde eingefügt im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (Ausländergesetz, AuG; SR 242.20; vgl. AS 2007 5495). Mangels spezifischer intertemporalrechtlicher Bestimmungen im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten von Art. 105 Ziff. 4 ZGB sind die kantonalen Gerichte von der allgemeinen Regel gemäss Art. 1 SchlT ZGB ausgegangen, wonach die rechtlichen Wirkungen von Tatsachen nach demjenigen Recht beurteilt werden, das zur Zeit des Eintrittes dieser Tatsachen gegolten hat (Grundsatz der Nichtrückwirkung). In ihren weiteren Ausführungen haben die Zürcher Gerichte das Vorliegen einer Ausnahme gemäss Art. 2 SchlT ZGB verneint mit der Begründung, bei Art. 105 Ziff. 4 ZGB handle es sich nicht um BGE 141 III 1 S. 3 eine Norm, die um der öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit willen aufgestellt sei. Aufgrund der schwankenden und wenig gefestigten Gesetzgebung in den letzten 15 Jahren lasse sich nicht sagen, dass es sich bei der neu eingeführten Norm um eine imperative Vorschrift des Ordre public als Grundpfeiler des ethischen und moralischen Gesellschaftskonsenses handle, wie dies etwa im Zusammenhang mit der bigamischen Ehe, der Ehe zwischen nahen Verwandten oder der Zwangsehe der Fall wäre. Entsprechendes ergebe sich auch nicht aus dem in der Botschaft zum AuG erfolgten Hinweis auf Art. 27 IPRG (SR 291); dort gehe es um den nicht vergleichbaren Tatbestand, dass gemäss Art. 45 Abs. 2 IPRG Eheschliessungen, die in offensichtlicher und vorsätzlicher Umgehung schweizerischer Rechtsvorschriften ins Ausland verlegt worden seien, die also zur Zeit ihres Abschlusses nach schweizerischem Recht ungültig gewesen wären, nicht anerkannt werden könnten. Ferner hat das Obergericht auch eine auf Art. 3 SchlT ZGB gestützte Rückwirkung verneint. Hilfsweise hat das Obergericht erwogen, dass bei der gegenteiligen Annahme, dass die neue Eheungültigkeitsnorm zurückwirken würde, jedenfalls eine Interessenabwägung mit dem Vertrauensschutz in den Bestand der Ehe vorzunehmen wäre, welche zugunsten der Fortdauer des rechtsgültig begründeten Statusrechtes zu entscheiden wäre, zumal den migrationspolitischen Zielen mit den einschlägigen Vorschriften des AuG genügend Rechnung getragen werden könne. 3. Der Beschwerdeführer sieht in diesen Erwägungen Bundesrecht verletzt. Er macht geltend, bei der Ehe handle es sich um einen Dauersachverhalt und der Ungültigkeitsgrund von Art. 105 Ziff. 4 ZGB sei unbefristet. Die Norm sei Bestandteil der öffentlichen Ordnung und Ausdruck eines sozio-politischen Konzepts, weil sie dem Ziel eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen schweizerischer und ausländischer Wohnbevölkerung diene. Als wesentliches Prinzip der aktuellen Ordnung falle Art. 105 Ziff. 4 ZGB mithin in den Anwendungsbereich von Art. 2 SchlT ZGB. Im Übrigen falle der Ungültigkeitsgrund von Art. 105 Ziff. 4 ZGB unter Art. 45 Abs. 2 IPRG und gehöre mithin zum schweizerischen Ordre public. Die Norm betreffe letztlich einen Anwendungsfall des Rechtsmissbrauchs (Scheinehe) und Rechtsmissbrauch dürfe nie geschützt werden; entsprechend könne es auch keinen Vertrauensschutz geben. 4. Die Frage der Rückwirkung von Art. 105 Ziff. 4 ZGB auf frühere, gültig geschlossene Ehen wurde vom Bundesgericht bislang nie ausdrücklich entschieden; insbesondere äussern sich die Urteile BGE 141 III 1 S. 4 2C_841/2009 sowie 2C_327/2010 /2C_328/2010 (s. BGE 137 I 247 E. 5 S. 252 ff.) je vom 19. Mai 2011 entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers nicht zu dieser Frage. Die herrschende Lehre geht davon aus, dass Art. 105 Ziff. 4 ZGB nicht auf früher geschlossene Ehen zurückwirken kann, weil Art. 1 SchlT ZGB greift (GEISER, Scheinehe, Zwangsehe und Zwangsscheidung aus zivilrechtlicher Sicht, ZBJV 2008 S. 833; FANKHAUSER/WÜSCHER, Die neuen Eheungültigkeitsgründe nach Inkrafttreten des neuen Ausländergesetzes, FamPra.ch 2008 S. 763; GEISER/LÜCHINGER, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. I, 4. Aufl. 2010, N. 6a vor Art. 104 ff. ZGB ; KRADOLFER, in: Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer [AuG], Kommentar, 2010, N. 11 zu Art. 125 AuG; a.M. A MARCA, in: Commentaire romand, Code civil, Bd. I, 2010, N. 9 zu Art. 105 ZGB ). Der herrschenden Lehre und der Ansicht der Vorinstanzen ist zu folgen. Regelt der Gesetzgeber den zeitlichen Anwendungsbereich bei einer Gesetzesrevision nicht besonders, so sind die Art. 1-4 SchlT ZGB massgebend. Ausgangspunkt bildet dabei die in Art. 1 SchlT ZGB enthaltene Grundregel der Nichtrückwirkung einer Gesetzesänderung, welche für den gesamten Bereich des Zivilrechts gilt ( BGE 133 III 105 E. 2.1 S. 108; BGE 138 III 659 E. 3.3 S. 622; VISCHER, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. II, 4. Aufl. 2011, N. 2 zu Art. 1 SchlT ZGB ). Eine Ausnahme gemäss Art. 2 SchlT ZGB, welcher eine echte Rückwirkung vorsieht, ist eher selten gegeben. Es reicht nicht, dass die neue Norm imperativer Natur ist; der Ordre public und die Sittlichkeit erlauben eine rückwirkende Anwendung einzig dann, wenn die Norm zu den fundamentalen Prinzipien der aktuellen Rechtsordnung gehört, d.h. wenn sie grundlegende sozialpolitische und ethische Anschauungen verkörpert ( BGE 133 III 105 E. 2.1.3 S. 109; VISCHER, a.a.O., N. 2 zu Art. 2 SchlT ZGB ; HÜRLIMANN-KAUP/SCHMID, Einleitungsartikel des ZGB und Personenrecht, 2. Aufl. 2010, N. 525). Solches kann vorliegend aus mehreren Gründen nicht zur Debatte stehen. Zunächst hat das Obergericht zu Recht auf die oszillierende Gesetzgebung im Zusammenhang mit der zivilrechtlichen Verstärkung fremdenrechtlicher Ziele hingewiesen. So wurde der Ehenichtigkeitsgrund der sog. Bürgerrechtsehe gemäss aArt. 120 ZGB per 1. Januar 1992 aufgehoben (vgl. Ziff. II des Entwurfs zur Änderung des BüG, BBl 1987 III 342). Bei der grossen ZGB-Novelle vom 26. Juni 1998 (Personenrecht, Eheschliessung, Scheidung etc.), BGE 141 III 1 S. 5 welche am 1. Januar 2000 in Kraft getreten ist (AS 1999 1118 ff.), wurde die Einführung eines Ehenichtigkeitsgrundes im Zusammenhang mit der Umgehung der ausländerrechtlichen Aufenthaltsbestimmungen als unnötig und die Vorschriften des seinerzeitigen ANAG als ausreichend erachtet (vgl. Botschaft vom 15. November 1995, BBl 1996 I 77 Ziff. 224.21). Dies änderte sich wiederum im Zuge des Erlasses des AuG, bei welcher Gelegenheit per 1. Januar 2008 mit Art. 105 Ziff. 4 ZGB ein Ehenichtigkeitsgrund im Zusammenhang mit der Scheinehe zur Umgehung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen eingeführt wurde (AS 2007 5495). Dieser Umgehungstatbestand kann, wie die Vorinstanzen zutreffend festgehalten haben, nicht gleichgesetzt werden mit bi- bzw. polygamen Ehen oder mit Zwangsehen (vgl. nun auch Art. 105 Ziff. 5 ZGB ), welche mit den hiesigen Grundauffassungen über das Institut der Ehe unvereinbar sind und als Ordre public-widrig gelten (vgl. statt vieler: COURVOISIER, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 3. Aufl. 2013, N. 20 ff. zu Art. 45 IPRG ). In der Botschaft vom 8. März 2002 zum AuG wird die Scheinehe im Zusammenhang mit der Umgehung aufenthaltsrechtlicher Vorschriften denn auch unter dem Aspekt des Rechtsmissbrauchs abgehandelt; hingegen ist nirgends davon die Rede, dass Art. 105 Ziff. 4 ZGB um der öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit willen aufgestellt werde (vgl. BBl 2002 3757 Ziff. 1.3.7.8). Ferner kann die Umgehung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen im Einzelfall auch ein blosser Nebenzweck einer zivilrechtlich durchaus gewollten Ehe sein. Ausschlaggebend für die Entscheidfindung ist jedoch, dass im vorliegend interessierenden Kontext nicht das durative Element des Ehebestandes (vgl. Art. 8 SchlT ZGB zum intertemporalen Recht betreffend Wirkungen der Ehe), sondern das punktuelle Element der Eheschliessung im Vordergrund steht. Bei den Ehenichtigkeitsgründen von Art. 105 Ziff. 1 und 2 ZGB zeigt sich dies direkt im Gesetzeswort. Dass auch beim Ehenichtigkeitsgrund von Art. 105 Ziff. 4 ZGB die Umstände im Zeitpunkt des Eheschlusses massgeblich sein müssen, geht aus der im Zusammenhang mit dem Bundesgesetz vom 26. Juni 1998 über die Änderung des ZGB (AS 1999 1118 ff.) erlassenen übergangsrechtlichen Norm von Art. 7 Abs. 2 SchlT ZGB hervor. Gemäss dieser Bestimmung können Ehen, für die nach dem früheren Recht ein Ungültigkeitsgrund vorlag, ab dem Inkrafttreten des neuen Rechts (d.h. ab dem 1. Januar 2000) nur noch nach den BGE 141 III 1 S. 6 neuen Bestimmungen für ungültig erklärt werden. Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber vom Grundsatz gemäss Art. 1 SchlT ZGB ausging, wonach ohne spezielle übergangsrechtliche Norm die rechtlichen Wirkungen von Tatsachen nach demjenigen Recht zu beurteilen sind, das zur Zeit des Eintrittes dieser Tatsachen gegolten hat. Diese Sichtweise geht auch aus der Botschaft zur betreffenden ZGB-Novelle hervor, wo festgehalten wurde, dass die Ungültigerklärung der Ehe den Umständen vor und bei der Eheschliessung Rechnung trage (vgl. BBl 1996 I 14 Ziff. 133). Diesen Grundsatz wollte der Gesetzgeber im Zusammenhang mit den per 1. Januar 2000 in Kraft gesetzten Änderungen des ZGB offensichtlich derogieren, indem mit der übergangsrechtlichen Spezialnorm von Art. 7 Abs. 2 SchlT ZGB nicht das im Zeitpunkt des Eheschlusses gültige, sondern das neue Recht als anwendbar erklärt wurde. Demgegenüber hat der Gesetzgeber acht Jahre später bei der im Zusammenhang mit dem Erlass des AuG erfolgten Inkraftsetzung von Art. 105 Ziff. 4 ZGB, der ebenfalls die Thematik der Eheungültigkeit betrifft, keine neue übergangsrechtliche Norm erlassen, weshalb es diesbezüglich beim Grundsatz der Nichtrückwirkung gemäss Art. 1 SchlT ZGB zu bleiben hat. Dies wird bekräftigt aufgrund eines weiteren Schlusses, welcher sich ebenfalls aus Art. 7 Abs. 2 SchlT ZGB ergibt. Aus dieser Norm geht nämlich hervor, dass im Zusammenhang mit der Novelle 1998 zwar das neue Recht anwendbar sein sollte, aber im Zeitpunkt des Eheschlusses ein Ungültigkeitsgrund bereits nach altem Recht (d.h. dem Recht vor dem 1. Januar 2000) vorgelegen haben musste. Diese sich allein schon aus der Rechtslogik ergebenden Grundsätze müssen auch im Zusammenhang mit der acht Jahre später erfolgten Inkraftsetzung von Art. 105 Ziff. 4 ZGB gelten. Zusammenfassend ergibt sich, dass nachträglich eingeführte Ungültigkeitsgründe - unter Vorbehalt einer vom Gesetzgeber bewusst angeordneten echten Rückwirkung - eine zu einem früheren Zeitpunkt zivilrechtlich gültig abgeschlossene Ehe nicht ungültig machen. Es bleibt somit einzig die Scheidung dieser Ehe, welche zufolge des entsprechenden Eventualbegehrens kantonal nach wie vor hängig ist.
Urteilskopf
1. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. gegen B.A. und C.A. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_199/2014 vom 27. November 2014
Regeste Art. 105 Ziff. 4 ZGB ; Art. 1 und 2 sowie 7 Abs. 2 SchlT ZGB ; Rückwirkung. Der Eheungültigkeitsgrund von Art. 105 Ziff. 4 ZGB wirkt nicht zurück auf Ehen, welche vor Inkrafttreten dieser Norm geschlossen worden sind (E. 4).
Regeste
Art. 105 Ziff. 4 ZGB ; Art. 1 und 2 sowie 7 Abs. 2 SchlT ZGB ; Rückwirkung. Der Eheungültigkeitsgrund von Art. 105 Ziff. 4 ZGB wirkt nicht zurück auf Ehen, welche vor Inkrafttreten dieser Norm geschlossen worden sind (E. 4).
Art. 105 Ziff. 4 ZGB Art. 1 und 2 sowie 7 Abs. 2 SchlT ZGB Der Eheungültigkeitsgrund von Art. 105 Ziff. 4 ZGB wirkt nicht zurück auf Ehen, welche vor Inkrafttreten dieser Norm geschlossen worden sind (E. 4).
Art. 105 Ziff. 4 ZGB Sachverhalt ab Seite 2
Sachverhalt ab Seite 2 BGE 141 III 1 S. 2
BGE 141 III 1 S. 2
A. A.A. (geb. 1963; schweizerischer Staatsangehöriger) und B.A. (geb. 1971; türkische Staatsangehörige) heirateten im Jahr 2003. Sie sind die Eltern des 2006 geborenen Kindes C.A.
A. B. Am 20. Oktober 2010 reichte A.A. beim Bezirksgericht Zürich eine Eheungültigkeits-, evtl. Ehescheidungsklage ein, mit welcher er den Ungültigkeitsgrund von Art. 105 Ziff. 4 ZGB anrief.
B. Art. 105 Ziff. 4 ZGB Mit Teilurteil vom 16. Oktober 2013 wies das Bezirksgericht die Ungültigkeitsklage ab mit der Begründung, der per 1. Januar 2008 eingeführte Ungültigkeitsgrund von Art. 105 Ziff. 4 ZGB wirke nicht auf die im Jahr 2003 geschlossene Ehe zurück.
Art. 105 Ziff. 4 ZGB Mit der gleichen intertemporalen Begründung wies das Obergericht des Kantons Zürich am 5. Februar 2014 die gegen das Teilurteil erhobene Berufung ab.
C. Gegen dieses Urteil hat A.A. am 10. März 2014 eine Beschwerde in Zivilsachen erhoben, mit welcher er die Ungültigerklärung der am 22. Juli 2003 geschlossenen Ehe, eventualiter die Rückweisung der Sache an das Obergericht verlangt.
C. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
2. Gegenstand der Beschwerde ist die Frage der Rückwirkung des per 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Eheungültigkeitsgrundes gemäss Art. 105 Ziff. 4 ZGB auf vor diesem Datum geschlossene Ehen. Diese ZGB-Norm wurde eingefügt im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (Ausländergesetz, AuG; SR 242.20; vgl. AS 2007 5495).
2. Art. 105 Ziff. 4 ZGB Mangels spezifischer intertemporalrechtlicher Bestimmungen im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten von Art. 105 Ziff. 4 ZGB sind die kantonalen Gerichte von der allgemeinen Regel gemäss Art. 1 SchlT ZGB ausgegangen, wonach die rechtlichen Wirkungen von Tatsachen nach demjenigen Recht beurteilt werden, das zur Zeit des Eintrittes dieser Tatsachen gegolten hat (Grundsatz der Nichtrückwirkung).
Art. 105 Ziff. 4 ZGB Art. 1 SchlT ZGB In ihren weiteren Ausführungen haben die Zürcher Gerichte das Vorliegen einer Ausnahme gemäss Art. 2 SchlT ZGB verneint mit der Begründung, bei Art. 105 Ziff. 4 ZGB handle es sich nicht um BGE 141 III 1 S. 3 eine Norm, die um der öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit willen aufgestellt sei. Aufgrund der schwankenden und wenig gefestigten Gesetzgebung in den letzten 15 Jahren lasse sich nicht sagen, dass es sich bei der neu eingeführten Norm um eine imperative Vorschrift des Ordre public als Grundpfeiler des ethischen und moralischen Gesellschaftskonsenses handle, wie dies etwa im Zusammenhang mit der bigamischen Ehe, der Ehe zwischen nahen Verwandten oder der Zwangsehe der Fall wäre. Entsprechendes ergebe sich auch nicht aus dem in der Botschaft zum AuG erfolgten Hinweis auf Art. 27 IPRG (SR 291); dort gehe es um den nicht vergleichbaren Tatbestand, dass gemäss Art. 45 Abs. 2 IPRG Eheschliessungen, die in offensichtlicher und vorsätzlicher Umgehung schweizerischer Rechtsvorschriften ins Ausland verlegt worden seien, die also zur Zeit ihres Abschlusses nach schweizerischem Recht ungültig gewesen wären, nicht anerkannt werden könnten. Ferner hat das Obergericht auch eine auf Art. 3 SchlT ZGB gestützte Rückwirkung verneint.
Art. 2 SchlT ZGB Art. 105 Ziff. 4 ZGB BGE 141 III 1 S. 3
Art. 27 IPRG Art. 45 Abs. 2 IPRG Art. 3 SchlT ZGB Hilfsweise hat das Obergericht erwogen, dass bei der gegenteiligen Annahme, dass die neue Eheungültigkeitsnorm zurückwirken würde, jedenfalls eine Interessenabwägung mit dem Vertrauensschutz in den Bestand der Ehe vorzunehmen wäre, welche zugunsten der Fortdauer des rechtsgültig begründeten Statusrechtes zu entscheiden wäre, zumal den migrationspolitischen Zielen mit den einschlägigen Vorschriften des AuG genügend Rechnung getragen werden könne.
3. Der Beschwerdeführer sieht in diesen Erwägungen Bundesrecht verletzt. Er macht geltend, bei der Ehe handle es sich um einen Dauersachverhalt und der Ungültigkeitsgrund von Art. 105 Ziff. 4 ZGB sei unbefristet. Die Norm sei Bestandteil der öffentlichen Ordnung und Ausdruck eines sozio-politischen Konzepts, weil sie dem Ziel eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen schweizerischer und ausländischer Wohnbevölkerung diene. Als wesentliches Prinzip der aktuellen Ordnung falle Art. 105 Ziff. 4 ZGB mithin in den Anwendungsbereich von Art. 2 SchlT ZGB. Im Übrigen falle der Ungültigkeitsgrund von Art. 105 Ziff. 4 ZGB unter Art. 45 Abs. 2 IPRG und gehöre mithin zum schweizerischen Ordre public. Die Norm betreffe letztlich einen Anwendungsfall des Rechtsmissbrauchs (Scheinehe) und Rechtsmissbrauch dürfe nie geschützt werden; entsprechend könne es auch keinen Vertrauensschutz geben.
3. Art. 105 Ziff. 4 ZGB Art. 105 Ziff. 4 ZGB Art. 2 SchlT ZGB Art. 105 Ziff. 4 ZGB Art. 45 Abs. 2 IPRG 4. Die Frage der Rückwirkung von Art. 105 Ziff. 4 ZGB auf frühere, gültig geschlossene Ehen wurde vom Bundesgericht bislang nie ausdrücklich entschieden; insbesondere äussern sich die Urteile BGE 141 III 1 S. 4 2C_841/2009 sowie 2C_327/2010 /2C_328/2010 (s. BGE 137 I 247 E. 5 S. 252 ff.) je vom 19. Mai 2011 entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers nicht zu dieser Frage.
4. Art. 105 Ziff. 4 ZGB BGE 141 III 1 S. 4
Die herrschende Lehre geht davon aus, dass Art. 105 Ziff. 4 ZGB nicht auf früher geschlossene Ehen zurückwirken kann, weil Art. 1 SchlT ZGB greift (GEISER, Scheinehe, Zwangsehe und Zwangsscheidung aus zivilrechtlicher Sicht, ZBJV 2008 S. 833; FANKHAUSER/WÜSCHER, Die neuen Eheungültigkeitsgründe nach Inkrafttreten des neuen Ausländergesetzes, FamPra.ch 2008 S. 763; GEISER/LÜCHINGER, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. I, 4. Aufl. 2010, N. 6a vor Art. 104 ff. ZGB ; KRADOLFER, in: Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer [AuG], Kommentar, 2010, N. 11 zu Art. 125 AuG; a.M. A MARCA, in: Commentaire romand, Code civil, Bd. I, 2010, N. 9 zu Art. 105 ZGB ).
Art. 105 Ziff. 4 ZGB Art. 1 SchlT ZGB Art. 104 ff. ZGB Art. 105 ZGB Der herrschenden Lehre und der Ansicht der Vorinstanzen ist zu folgen. Regelt der Gesetzgeber den zeitlichen Anwendungsbereich bei einer Gesetzesrevision nicht besonders, so sind die Art. 1-4 SchlT ZGB massgebend. Ausgangspunkt bildet dabei die in Art. 1 SchlT ZGB enthaltene Grundregel der Nichtrückwirkung einer Gesetzesänderung, welche für den gesamten Bereich des Zivilrechts gilt ( BGE 133 III 105 E. 2.1 S. 108; BGE 138 III 659 E. 3.3 S. 622; VISCHER, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. II, 4. Aufl. 2011, N. 2 zu Art. 1 SchlT ZGB ). Eine Ausnahme gemäss Art. 2 SchlT ZGB, welcher eine echte Rückwirkung vorsieht, ist eher selten gegeben. Es reicht nicht, dass die neue Norm imperativer Natur ist; der Ordre public und die Sittlichkeit erlauben eine rückwirkende Anwendung einzig dann, wenn die Norm zu den fundamentalen Prinzipien der aktuellen Rechtsordnung gehört, d.h. wenn sie grundlegende sozialpolitische und ethische Anschauungen verkörpert ( BGE 133 III 105 E. 2.1.3 S. 109; VISCHER, a.a.O., N. 2 zu Art. 2 SchlT ZGB ; HÜRLIMANN-KAUP/SCHMID, Einleitungsartikel des ZGB und Personenrecht, 2. Aufl. 2010, N. 525). Solches kann vorliegend aus mehreren Gründen nicht zur Debatte stehen.
Art. 1-4 SchlT ZGB Art. 1 SchlT ZGB Art. 1 SchlT ZGB Art. 2 SchlT ZGB Art. 2 SchlT ZGB Zunächst hat das Obergericht zu Recht auf die oszillierende Gesetzgebung im Zusammenhang mit der zivilrechtlichen Verstärkung fremdenrechtlicher Ziele hingewiesen. So wurde der Ehenichtigkeitsgrund der sog. Bürgerrechtsehe gemäss aArt. 120 ZGB per 1. Januar 1992 aufgehoben (vgl. Ziff. II des Entwurfs zur Änderung des BüG, BBl 1987 III 342). Bei der grossen ZGB-Novelle vom 26. Juni 1998 (Personenrecht, Eheschliessung, Scheidung etc.), BGE 141 III 1 S. 5 welche am 1. Januar 2000 in Kraft getreten ist (AS 1999 1118 ff.), wurde die Einführung eines Ehenichtigkeitsgrundes im Zusammenhang mit der Umgehung der ausländerrechtlichen Aufenthaltsbestimmungen als unnötig und die Vorschriften des seinerzeitigen ANAG als ausreichend erachtet (vgl. Botschaft vom 15. November 1995, BBl 1996 I 77 Ziff. 224.21). Dies änderte sich wiederum im Zuge des Erlasses des AuG, bei welcher Gelegenheit per 1. Januar 2008 mit Art. 105 Ziff. 4 ZGB ein Ehenichtigkeitsgrund im Zusammenhang mit der Scheinehe zur Umgehung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen eingeführt wurde (AS 2007 5495).
BGE 141 III 1 S. 5
Art. 105 Ziff. 4 ZGB Dieser Umgehungstatbestand kann, wie die Vorinstanzen zutreffend festgehalten haben, nicht gleichgesetzt werden mit bi- bzw. polygamen Ehen oder mit Zwangsehen (vgl. nun auch Art. 105 Ziff. 5 ZGB ), welche mit den hiesigen Grundauffassungen über das Institut der Ehe unvereinbar sind und als Ordre public-widrig gelten (vgl. statt vieler: COURVOISIER, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 3. Aufl. 2013, N. 20 ff. zu Art. 45 IPRG ). In der Botschaft vom 8. März 2002 zum AuG wird die Scheinehe im Zusammenhang mit der Umgehung aufenthaltsrechtlicher Vorschriften denn auch unter dem Aspekt des Rechtsmissbrauchs abgehandelt; hingegen ist nirgends davon die Rede, dass Art. 105 Ziff. 4 ZGB um der öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit willen aufgestellt werde (vgl. BBl 2002 3757 Ziff. 1.3.7.8). Ferner kann die Umgehung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen im Einzelfall auch ein blosser Nebenzweck einer zivilrechtlich durchaus gewollten Ehe sein.
Art. 105 Ziff. 5 ZGB Art. 45 IPRG Art. 105 Ziff. 4 ZGB Ausschlaggebend für die Entscheidfindung ist jedoch, dass im vorliegend interessierenden Kontext nicht das durative Element des Ehebestandes (vgl. Art. 8 SchlT ZGB zum intertemporalen Recht betreffend Wirkungen der Ehe), sondern das punktuelle Element der Eheschliessung im Vordergrund steht. Bei den Ehenichtigkeitsgründen von Art. 105 Ziff. 1 und 2 ZGB zeigt sich dies direkt im Gesetzeswort. Dass auch beim Ehenichtigkeitsgrund von Art. 105 Ziff. 4 ZGB die Umstände im Zeitpunkt des Eheschlusses massgeblich sein müssen, geht aus der im Zusammenhang mit dem Bundesgesetz vom 26. Juni 1998 über die Änderung des ZGB (AS 1999 1118 ff.) erlassenen übergangsrechtlichen Norm von Art. 7 Abs. 2 SchlT ZGB hervor.
Art. 8 SchlT ZGB Art. 105 Ziff. 1 und 2 ZGB Art. 105 Ziff. 4 ZGB Art. 7 Abs. 2 SchlT ZGB Gemäss dieser Bestimmung können Ehen, für die nach dem früheren Recht ein Ungültigkeitsgrund vorlag, ab dem Inkrafttreten des neuen Rechts (d.h. ab dem 1. Januar 2000) nur noch nach den BGE 141 III 1 S. 6 neuen Bestimmungen für ungültig erklärt werden. Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber vom Grundsatz gemäss Art. 1 SchlT ZGB ausging, wonach ohne spezielle übergangsrechtliche Norm die rechtlichen Wirkungen von Tatsachen nach demjenigen Recht zu beurteilen sind, das zur Zeit des Eintrittes dieser Tatsachen gegolten hat. Diese Sichtweise geht auch aus der Botschaft zur betreffenden ZGB-Novelle hervor, wo festgehalten wurde, dass die Ungültigerklärung der Ehe den Umständen vor und bei der Eheschliessung Rechnung trage (vgl. BBl 1996 I 14 Ziff. 133). Diesen Grundsatz wollte der Gesetzgeber im Zusammenhang mit den per 1. Januar 2000 in Kraft gesetzten Änderungen des ZGB offensichtlich derogieren, indem mit der übergangsrechtlichen Spezialnorm von Art. 7 Abs. 2 SchlT ZGB nicht das im Zeitpunkt des Eheschlusses gültige, sondern das neue Recht als anwendbar erklärt wurde.
BGE 141 III 1 S. 6
Art. 1 SchlT ZGB Art. 7 Abs. 2 SchlT ZGB Demgegenüber hat der Gesetzgeber acht Jahre später bei der im Zusammenhang mit dem Erlass des AuG erfolgten Inkraftsetzung von Art. 105 Ziff. 4 ZGB, der ebenfalls die Thematik der Eheungültigkeit betrifft, keine neue übergangsrechtliche Norm erlassen, weshalb es diesbezüglich beim Grundsatz der Nichtrückwirkung gemäss Art. 1 SchlT ZGB zu bleiben hat. Dies wird bekräftigt aufgrund eines weiteren Schlusses, welcher sich ebenfalls aus Art. 7 Abs. 2 SchlT ZGB ergibt. Aus dieser Norm geht nämlich hervor, dass im Zusammenhang mit der Novelle 1998 zwar das neue Recht anwendbar sein sollte, aber im Zeitpunkt des Eheschlusses ein Ungültigkeitsgrund bereits nach altem Recht (d.h. dem Recht vor dem 1. Januar 2000) vorgelegen haben musste. Diese sich allein schon aus der Rechtslogik ergebenden Grundsätze müssen auch im Zusammenhang mit der acht Jahre später erfolgten Inkraftsetzung von Art. 105 Ziff. 4 ZGB gelten.
Art. 105 Ziff. 4 ZGB Art. 1 SchlT ZGB Art. 7 Abs. 2 SchlT ZGB Art. 105 Ziff. 4 ZGB Zusammenfassend ergibt sich, dass nachträglich eingeführte Ungültigkeitsgründe - unter Vorbehalt einer vom Gesetzgeber bewusst angeordneten echten Rückwirkung - eine zu einem früheren Zeitpunkt zivilrechtlich gültig abgeschlossene Ehe nicht ungültig machen. Es bleibt somit einzig die Scheidung dieser Ehe, welche zufolge des entsprechenden Eventualbegehrens kantonal nach wie vor hängig ist.
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Urteilskopf 141 III 201 30. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Gesellschaft B. (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_92/2015 vom 18. Mai 2015 Regeste Art. 189 Abs. 3 lit. a und Art. 361 Abs. 4 ZPO ; Zulässigkeit von Schiedsgutachten. Bei der Miete und Pacht von Wohnräumen ist es nicht zulässig, bestimmte Fragen im Streitfall an einen privaten Dritten als Schiedsgutachter zu delegieren (E. 3 und 4). Sachverhalt ab Seite 201 BGE 141 III 201 S. 201 A. A.a A. (Mieter, Beklagter, Beschwerdeführer) schloss am 30. Oktober 1997 mit der Gesellschaft B. (Vermieterin, Klägerin, Beschwerdegegnerin) einen Mietvertrag über eine 10-Zimmer-Villa ab. Die Parteien vereinbarten einen monatlichen Mietzins von Fr. 7'900.- und erklärten eine vom 17. Oktober 1997 datierende BGE 141 III 201 S. 202 Zusatzvereinbarung zum integrierenden Bestandteil des Mietvertrags. Darin wird unter anderem festgehalten, dass dem Mieter ein zweimaliges Optionsrecht auf Verlängerung des Vertrags um je fünf Jahre, d.h. bis 31. März 2013 bzw. 31. März 2018 zusteht. Wird das Optionsrecht ausgeübt, haben die Parteien das Recht, auf den 1. April 2008 bzw. 1. April 2013 die Anpassung des Mietzinses an die dannzumal herrschenden orts- und quartierüblichen Marktverhältnisse zu verlangen. Für den Fall, dass sich die Parteien über die Mietzinsanpassung nicht einigen können, soll der massgebende Betrag durch ein Schiedsgutachten der Schatzungsabteilung des Hauseigentümerverbands (HEV) Zürich festgesetzt werden. A.b Mit Schreiben vom 15. Juni 2012 teilte der Mieter der Vermieterin mit, er übe das ihm zustehende Optionsrecht aus und verlängere den Mietvertrag um fünf Jahre bis 31. März 2018. Nachdem sich die Parteien in der Folge nicht über die Anpassung des Mietzinses hatten einigen können, teilte die Vermieterin dem Mieter am 24. Oktober 2012 mit, dass der Mietzins gestützt auf ein Schiedsgutachten der Schatzungsabteilung des Hauseigentümerverbands Zürich per 1. April 2013 auf Fr. 10'255.- erhöht werde. Die entsprechende Mitteilung auf amtlich genehmigtem Formular erfolgte am gleichen Tag. Mit Eingabe vom 21. November 2012 focht der Mieter die erklärte Mietzinserhöhung bei der Schlichtungsbehörde in Mietsachen des Bezirks Meilen an. Mit Beschluss vom 18. Dezember 2012 stellte die Schlichtungsbehörde Meilen fest, dass anlässlich der an diesem Tag erfolgten Schlichtungsverhandlung keine Einigung erzielt worden sei, und stellte der Vermieterin die Klagebewilligung aus. B. B.a Mit Eingabe vom 31. Januar 2013 erhob die Vermieterin beim Mietgericht des Bezirksgerichts Meilen Klage mit dem Hauptbegehren, es sei festzustellen, dass die Mietzinserhöhung vom 24. Oktober 2012 gültig sei und der ab 1. April 2013 für das fragliche Mietobjekt geltende Mietzins Fr. 10'255.- pro Monat betrage. Mit Urteil vom 4. Februar 2014 stellte das Mietgericht fest, dass die Mietzinserhöhung vom 24. Oktober 2012 teilweise gültig sei und der ab 1. April 2013 geltende Nettomietzins Fr. 9'655.- pro Monat betrage. B.b Auf Berufung des Beklagten hin wies das Obergericht des Kantons Zürich den Antrag auf Durchführung eines Augenscheins im BGE 141 III 201 S. 203 Berufungsverfahren mit Beschluss vom 6. Januar 2015 ab. Mit Urteil vom gleichen Tag wies das Obergericht die Berufung ab und bestätigte das Urteil des Mietgerichts vom 4. Februar 2014. C. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt der Beklagte dem Bundesgericht, es seien der Beschluss und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 6. Januar 2015 aufzuheben und es sei festzustellen, dass die mit amtlichem Formular vom 24. Oktober 2012 angezeigte Mietzinserhöhung missbräuchlich sei und daher der geschuldete Monatsmietzins Fr. 7'400.- betrage. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht hebt den angefochtenen Entscheid in teilweiser Gutheissung der Beschwerde auf und weist die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurück. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Der Beschwerdeführer bringt vor, es sei nach Art. 189 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit Art. 361 Abs. 4 ZPO entgegen dem angefochtenen Entscheid nicht zulässig, hinsichtlich der vertraglich vereinbarten Anpassung des Mietzinses an die orts- und quartierüblichen Marktverhältnisse ein Schiedsgutachten einzuholen, das für das Gericht verbindlich ist. 3.1 Die Vorinstanz erwog, durch die Vereinbarung eines Schiedsgutachtens verpflichteten sich die Vertragsparteien, bestimmte Tatsachen statt vom mit dem Streit befassten Gericht von einem privaten Gutachter feststellen zu lassen. Ein für das angerufene Gericht verbindliches Schiedsgutachten könne nach Art. 189 Abs. 3 lit. a ZPO vereinbart werden, wenn die Parteien über das Rechtsverhältnis frei verfügen könnten. Der Begriff der freien Verfügbarkeit sei mit demjenigen von Art. 354 ZPO betreffend die Zulässigkeit der Vereinbarung eines Schiedsgerichts identisch. Frei verfügbar sei ein Anspruch, wenn die Parteien darauf verzichten oder sich durch Vergleich einigen und den Anspruch somit - in einem Gerichtsverfahren - anerkennen oder zum Gegenstand eines Vergleichs machen könnten. Dies treffe auch bei Ansprüchen aus einem Mietvertrag zu. Entgegen der Ansicht der Erstinstanz seien Ansprüche aus Miete und Pacht von Wohnräumen auch dann frei verfügbar im Sinne von Art. 354 ZPO, wenn im Entscheidfall die Bestimmungen über den Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen ( Art. 269 ff. OR ) zur Anwendung gelangten, weil der BGE 141 III 201 S. 204 Streit auch in diesen Fällen durch Vergleich oder Klageanerkennung erledigt werden könne. Entsprechend sei die strittige Anpassung der Mietzinsen schiedsfähig. Gemäss Art. 361 Abs. 4 ZPO könnten die Parteien in Angelegenheiten aus Miete und Pacht von Wohnräumen zwar einzig die Schlichtungsbehörde als Schiedsgericht einsetzen. Nach dem Wortlaut der Bestimmung werde jedoch nicht die Schiedsfähigkeit, sondern lediglich die Wahlmöglichkeit der Schiedsrichter eingeschränkt. Der Lehrmeinung, nach der aus Art. 361 Abs. 4 ZPO abzuleiten sei, dass die Schiedsfähigkeit bei Ansprüchen aus der Miete und Pacht von Wohnräumen nicht bloss beschränkt, sondern gar nicht erst gegeben sei, könne nicht gefolgt werden. Das Argument, dass die freie Wahl der Schiedsrichter ein zentraler Bestandteil der Schiedsgerichtsbarkeit darstelle, sei zwar zutreffend, vermöge am klaren Wortlaut von Art. 361 Abs. 4 ZPO, wonach die Schiedsfähigkeit gegeben und nur die Wahl der Schiedsrichter eingeschränkt sei, aber nichts zu ändern. Selbst wenn zutreffe, dass die Bestimmung dogmatisch nicht zu überzeugen vermöge oder gar als gesetzgeberische Fehlleistung zu bezeichnen sei, stehe es den Gerichten aufgrund der Gewaltenteilung nicht zu, einen dogmatischen Grundsatz über das Gesetz zu stellen; vielmehr seien sie nach Art. 190 BV an das Gesetz gebunden. Es sei deshalb davon auszugehen, dass auch in Bezug auf Ansprüche aus Miete und Pacht von Wohnräumen die Schiedsfähigkeit zu bejahen und lediglich die Wahl der Schiedsrichter eingeschränkt sei. Die Vorinstanz erwog weiter, nach Art. 361 Abs. 4 ZPO könne ein von den Parteien gewählter Dritter zwar nicht Schiedsrichter, nach zutreffender Auffassung aber Schiedsgutachter sein. Ein Schiedsgutachten sei nämlich kein Schiedsurteil, sondern erfülle bloss eine schiedsrichterliche Teilfunktion. Mit der Vereinbarung eines Schiedsgutachtens würden sich die Parteien somit weniger weitgehend binden als mit der Vereinbarung eines Schiedsgerichts. Ohne besondere gesetzliche Grundlage könne die Vereinbarung eines Schiedsgutachtens in Bezug auf ein schiedsfähiges Rechtsverhältnis nicht als unzulässig betrachtet werden. Eine solche Grundlage bestehe nicht und liege insbesondere nicht in Art. 361 Abs. 4 ZPO, da diese Bestimmung nur die Wahl der Schiedsrichter beschränke, nicht aber die Vereinbarung eines Schiedsgutachtens für unzulässig erkläre; bezüglich der Person des Schiedsgutachters bestehe keine Einschränkung. Dies mit gutem Grund, ansonsten die Schlichtungsbehörde die einzige in Frage kommende Gutachterin wäre. Ein Gericht eigne sich in den BGE 141 III 201 S. 205 meisten Fällen aber nicht als Gutachter, da ihm die nötige Fachkompetenz in der Regel fehle. Entsprechend sei auch in Angelegenheiten aus Miete und Pacht von Wohnräumen von der Zulässigkeit von Schiedsgutachten auszugehen. 3.2 3.2.1 Nach Art. 189 Abs. 1 ZPO können die Parteien vereinbaren, über streitige Tatsachen ein Schiedsgutachten einzuholen. Dieses bindet das Gericht nach Art. 189 Abs. 3 ZPO hinsichtlich der darin festgestellten Tatsachen, wenn - zusätzlich zu den beiden weiteren Voraussetzungen (lit. b und c) - die Parteien über das Rechtsverhältnis frei verfügen können (lit. a). Im Gegensatz zum Schiedsspruch, dem die Wirkung eines rechtskräftigen und vollstreckbaren Entscheids zukommt ( Art. 387 ZPO ), wird mit dem Schiedsgutachten zwar nicht über Klageanträge autoritativ entschieden, aber es werden immerhin einzelne Fragen - für das Gericht verbindlich - geklärt (vgl. zur Unterscheidung zwischen Schiedsspruch und Schiedsgutachten das Urteil 4A_254/2011 vom 5. Juli 2011 E. 4.1, das zudem offenlässt, ob Art. 189 Abs. 3 ZPO ["hinsichtlich der darin festgestellten Tatsachen"] ein Schiedsgutachten über bestimmte Rechtsfragen - im Gegensatz zur bisherigen Rechtsprechung [ BGE 129 III 535 E. 2 S. 537] - in jedem Fall ausschliesst). Insoweit erfüllt das Schiedsgutachten - wie die Vorinstanz zutreffend festhält - eine schiedsrichterliche Teilaufgabe (HANS SCHMID, in: ZPO, Oberhammer und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 5 zu Art. 189 ZPO ; LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2010, Rz. 9.122; vgl. auch HOCHSTRASSER/FUCHS, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 3. Aufl. 2013, N. 295 Einl. 12. Kap. IPRG). Mit der überwiegenden Lehre stellt die Vorinstanz für die Voraussetzung nach Art. 189 Abs. 3 lit. a ZPO daher grundsätzlich zu Recht darauf ab, ob der streitige Anspruch nach Art. 354 ZPO schiedsfähig ist (BERNHARD BERGER, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. II, 2012, N. 17 zu Art. 189 ZPO ; ANNETTE DOLGE, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 21 f. zu Art. 189 ZPO ; THOMAS WEIBEL, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 12 zu Art. 189 ZPO ; HEINRICH ANDREAS MÜLLER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner und andere [Hrsg.], 2011, N. 23 zu Art. 189 ZPO ; JEAN-BAPTISTE ZUFFEREY, Das Schiedsgutachten, 2013, S. 12; KILIAN PERROULAZ, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Baker BGE 141 III 201 S. 206 & McKenzie [Hrsg.], 2010, N. 4 zu Art. 189 ZPO ; FRANCESCO TREZZINI, in: Commentario al Codice di diritto processuale civile svizzero [CPC] del 19 dicembre 2008, 2011, S. 891; TARKAN GÖKSU, Schiedsgerichtsbarkeit, 2014, Rz. 106). Schiedsgutachtenfähigkeit und Schiedsfähigkeit sind insoweit deckungsgleich, weshalb ein Schiedsgutachten immer dann angeordnet werden kann, wenn auch ein Schiedsgericht zur Beurteilung des entsprechenden Anspruchs eingesetzt werden könnte (GÖKSU, a.a.O., Rz. 106; vgl. bereits FRANK/STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 1997, N. 4 zu § 258 ZPO /ZH). 3.2.2 Die Möglichkeit, Streitigkeiten aus Miete und Pacht von Wohnräumen den staatlichen Gerichten durch Vereinbarung zu entziehen und stattdessen von einem Schiedsgericht entscheiden zu lassen, ist nach geltendem Recht stark eingeschränkt. Selbst wenn es sich um einen Anspruch handelt, über den die Parteien frei verfügen können ( Art. 354 ZPO ), dürfen die Parteien in Angelegenheiten aus Miete und Pacht von Wohnräumen nach Art. 361 Abs. 4 ZPO einzig die Schlichtungsbehörde als Schiedsgericht einsetzen. Diese Bestimmung ersetzt den mit der Einführung der Schweizerischen Zivilprozessordnung aufgehobenen aArt. 274c OR (AS 1990 821), der vorsah, dass die Parteien bei der Miete von Wohnräumen die Zuständigkeit der Schlichtungsbehörden und der richterlichen Behörden nicht durch vertraglich vereinbarte Schiedsgerichte ausschliessen durften; den Parteien stand im Sinne einer Ausnahme lediglich die Möglichkeit offen, solche Mietstreitigkeiten nach aArt. 274a Abs. 1 lit. e OR der Schlichtungsbehörde als Schiedsgericht zu unterbreiten. Die Gesetzesbestimmung dehnte die bis dahin auf Fragen der Mietzinsanfechtung beschränkte Regelung zur Schiedsgerichtsbarkeit (Art. 22 des damaligen Bundesbeschlusses vom 30. Juni 1972 über Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen [AS 1972 1507]; vgl. auch aArt. 267e Abs. 1 OR [AS 1970 1277] betr. Erstreckung des Mietverhältnisses) auf sämtliche Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Miete von Wohnräumen aus (vgl. RAYMOND BISANG UND ANDERE, Das schweizerische Mietrecht, Kommentar, 3. Aufl. 2008, N. 1 zu aArt. 274c OR; DAVID LACHAT, Le bail à loyer, 2008, S. 135 Fn. 18). Erfasst wurde grundsätzlich jeder Raum, der nach dem übereinstimmend erklärten Willen der Vertragsparteien dem Mieter zum Wohnen dienen soll, mithin auch Luxuswohnungen (PETER HIGI, Zürcher Kommentar, 4. Aufl. 1996, N. 11 zu aArt. 274c OR i.V.m. N. 21 f. Vorb. zu aArt. 271-273c OR). BGE 141 III 201 S. 207 Die Bestimmung von aArt. 274c OR sah demnach aus Mieterschutzgründen vor, dass Streitfälle aus der Miete von Wohnräumen grundsätzlich nicht schiedsfähig sind (HIGI, a.a.O., N. 6 und 16 zu aArt. 274c OR). Vom strengen Grundsatz der Schiedsunfähigkeit wurde im 2. Satz immerhin zugunsten einer Ausnahme bei der Miete unbeweglicher Sachen abgewichen, indem den Parteien die Wahl vorbehalten wurde, sich zwischen den ordentlichen Gerichten und der Schlichtungsbehörde als Schiedsgericht (aArt. 274a Abs. 1 lit. e OR) zu entscheiden (HIGI, a.a.O., N. 19 zu aArt. 274c OR). Eine Abrede der Parteien, allfällige Streitigkeiten aus der Wohnraummiete von einem privaten Dritten entscheiden zu lassen, war demzufolge rechtswidrig und nichtig (HIGI, a.a.O., N. 16 zu aArt. 274c OR). Tat- und Rechtsfragen in diesem Bereich waren vielmehr zwingend von einer der beiden staatlichen Behörden zu entscheiden. 3.2.3 Ungeachtet der abweichenden Formulierung in Art. 361 Abs. 4 ZPO wurde mit dieser Bestimmung keine Änderung der bisherigen Rechtslage angestrebt (Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], BBl 2006 7395 Ziff. 5.25.4 zu Art. 359 E-ZPO). Auch wenn die Parteien über strittige Ansprüche aus der Miete von Wohnräumen grundsätzlich frei verfügen können (vgl. Art. 354 ZPO ), bleibt es ihnen verwehrt, entsprechende Streitigkeiten privaten Dritten anstatt den vorgesehenen staatlichen Behörden zu unterbreiten. Ob unter diesen Umständen überhaupt von Schiedsgerichtsbarkeit gesprochen werden kann, bei der die Wahl der Schiedsrichter durch die Parteien wesensmässig dazugehört, braucht nicht vertieft zu werden (WERNER WENGER, Schiedsgerichtsbarkeit, ZZZ 2007 S. 405; PHILIPP HABEGGER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 39 zu Art. 361 ZPO ; URS WEBER-STECHER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 38 zu Art. 354 ZPO gehen davon aus, dass die Schiedsfähigkeit von Angelegenheiten aus Miete und Pacht von Wohnräumen nicht bloss beschränkt, sondern gar nicht erst gegeben ist, während andere Autoren entsprechende Ansprüche als bloss "formell schiedsfähig" betrachten: MARCO STACHER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner und andere [Hrsg.], 2011, N. 12 zu Art. 354 ZPO ; FELIX DASSER, in: ZPO, Oberhammer und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 14 zu Art. 354 ZPO ; BOOG/STARK-TRABER, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. III, 2014, N. 57 zu Art. 361 ZPO. Eine weitere Lehrmeinung geht von einer beschränkten Schiedsfähigkeit solcher BGE 141 III 201 S. 208 Streitigkeiten aus: STEFAN GRUNDMANN, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 35 zu Art. 361 ZPO ; JOACHIM FRICK, in: Schweizerische Zivilprozessordnung, Baker & McKenzie [Hrsg.], 2010, N. 7 zu Art. 354 ZPO ; STEFANIE PFISTERER, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. III, 2014, N. 24 zu Art. 354 ZPO ). Zu kurz greift jedenfalls die vorinstanzliche Erwägung, nach dem Wortlaut von Art. 361 Abs. 4 ZPO werde nicht die Schiedsfähigkeit, sondern einzig die Wahlmöglichkeit der Schiedsrichter eingeschränkt. Entscheidend ist, dass den Parteien bei Angelegenheiten von Miete und Pacht von Wohnräumen nach Art. 361 Abs. 4 ZPO keine freie Wahl des Entscheidorgans zusteht, sondern entsprechende Streitigkeiten (in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht) zwingend entweder vom ordentlichen Gericht oder von der Schlichtungsbehörde zu beurteilen sind. Darauf, dass nach dem Willen des Gesetzgebers von dieser besonderen Mieterschutzregelung hinsichtlich einzelner Fragen - wie etwa der Orts- und Quartierüblichkeit von Mietzinsen - durch Vereinbarung eines Schiedsgutachtens sollte abgewichen werden können, bestehen keine Hinweise. Art. 361 Abs. 4 ZPO entspricht im Gegenteil dem klaren gesetzgeberischen Willen, zum Schutz des Mieters sämtliche Angelegenheiten aus Miete und Pacht von Wohnräumen umfassend von staatlichen Behörden entscheiden zu lassen, weshalb diese mietrechtliche Sonderbestimmung - über den Wortlaut der allgemeinen Regelung von Art. 189 Abs. 3 lit. a ZPO hinaus - auch bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Schiedsgutachtens zu beachten ist. Entsprechend ist es bei der Miete und Pacht von Wohnräumen aufgrund der strengen Einschränkung der Wahl des Entscheidorgans ausgeschlossen, bestimmte Fragen im Streitfall an einen privaten Dritten als Schiedsgutachter zu delegieren (so zutreffend GÖKSU, a.a.O., Rz. 108; DOLGE, a.a.O., N. 24 zu Art. 189 ZPO ; vgl. bereits BEAT ROHRER, Luxusobjekt - Objet de luxe, MietRecht aktuell 2004 S. 129; wohl auch BISANG UND ANDERE, a.a.O., N. 1 zu aArt. 274c OR; a.M. MÜLLER, a.a.O., N. 25 zu Art. 189 ZPO ). Sollte es dem Gericht an der nötigen Fachkompetenz fehlen, wie die Vorinstanz befürchtet, ist nicht ausgeschlossen, dass es im Einzelfall eine sachverständige Privatperson als gerichtliche Gutachterin einsetzt ( Art. 183 Abs. 1 ZPO ). Im Gegensatz zur Miete und Pacht von Wohnräumen ist ausserdem bei allen übrigen Miet- und Pachtverhältnissen (so insbesondere bei der Geschäftsmiete und BGE 141 III 201 S. 209 -pacht) sowohl die Vereinbarung von Schiedsgutachten ( Art. 189 ZPO ) als auch die Streiterledigung durch ein frei wählbares Schiedsgericht zulässig (DOLGE, a.a.O., N. 24 zu Art. 189 ZPO ; GÖKSU, a.a.O., Rz. 108; HABEGGER, a.a.O., N. 41 zu Art. 361 ZPO ; PFISTERER, a.a.O., N. 24 zu Art. 354 ZPO ; LACHAT, Procédure civile en matière de baux et loyers, 2011, S. 78 Ziff. 11.6; vgl. auch BISANG UND ANDERE, a.a.O., N. 20 zu aArt. 274a OR und N. 1 zu aArt. 274c OR). 4. Die Vorinstanz ist in Verletzung von Bundesrecht von der Zulässigkeit von Schiedsgutachten privater Dritter in Angelegenheiten von Miete und Pacht von Wohnräumen ausgegangen und hat sich daher zu Unrecht nach Art. 189 Abs. 3 ZPO an das vom Hauseigentümerverband erstellte Gutachten gebunden erachtet. Die vertraglich vereinbarte Mietzinsanpassung an die orts- und quartierüblichen Marktverhältnisse wird nach erfolgter Rückweisung erneut zu beurteilen sein. Dabei wird darüber zu befinden sein, welche Beweismassnahmen hierzu erforderlich sind, so unter anderem, ob es gegebenenfalls der Durchführung eines weiteren Augenscheins bedarf.
Urteilskopf
30. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Gesellschaft B. (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_92/2015 vom 18. Mai 2015
Regeste Art. 189 Abs. 3 lit. a und Art. 361 Abs. 4 ZPO ; Zulässigkeit von Schiedsgutachten. Bei der Miete und Pacht von Wohnräumen ist es nicht zulässig, bestimmte Fragen im Streitfall an einen privaten Dritten als Schiedsgutachter zu delegieren (E. 3 und 4).
Regeste
Art. 189 Abs. 3 lit. a und Art. 361 Abs. 4 ZPO ; Zulässigkeit von Schiedsgutachten. Bei der Miete und Pacht von Wohnräumen ist es nicht zulässig, bestimmte Fragen im Streitfall an einen privaten Dritten als Schiedsgutachter zu delegieren (E. 3 und 4).
Art. 189 Abs. 3 lit. a und Art. 361 Abs. 4 ZPO Bei der Miete und Pacht von Wohnräumen ist es nicht zulässig, bestimmte Fragen im Streitfall an einen privaten Dritten als Schiedsgutachter zu delegieren (E. 3 und 4).
Sachverhalt ab Seite 201
Sachverhalt ab Seite 201 BGE 141 III 201 S. 201
BGE 141 III 201 S. 201
A.
A. A.a A. (Mieter, Beklagter, Beschwerdeführer) schloss am 30. Oktober 1997 mit der Gesellschaft B. (Vermieterin, Klägerin, Beschwerdegegnerin) einen Mietvertrag über eine 10-Zimmer-Villa ab.
A.a Die Parteien vereinbarten einen monatlichen Mietzins von Fr. 7'900.- und erklärten eine vom 17. Oktober 1997 datierende BGE 141 III 201 S. 202 Zusatzvereinbarung zum integrierenden Bestandteil des Mietvertrags. Darin wird unter anderem festgehalten, dass dem Mieter ein zweimaliges Optionsrecht auf Verlängerung des Vertrags um je fünf Jahre, d.h. bis 31. März 2013 bzw. 31. März 2018 zusteht. Wird das Optionsrecht ausgeübt, haben die Parteien das Recht, auf den 1. April 2008 bzw. 1. April 2013 die Anpassung des Mietzinses an die dannzumal herrschenden orts- und quartierüblichen Marktverhältnisse zu verlangen. Für den Fall, dass sich die Parteien über die Mietzinsanpassung nicht einigen können, soll der massgebende Betrag durch ein Schiedsgutachten der Schatzungsabteilung des Hauseigentümerverbands (HEV) Zürich festgesetzt werden.
BGE 141 III 201 S. 202
A.b Mit Schreiben vom 15. Juni 2012 teilte der Mieter der Vermieterin mit, er übe das ihm zustehende Optionsrecht aus und verlängere den Mietvertrag um fünf Jahre bis 31. März 2018.
A.b Nachdem sich die Parteien in der Folge nicht über die Anpassung des Mietzinses hatten einigen können, teilte die Vermieterin dem Mieter am 24. Oktober 2012 mit, dass der Mietzins gestützt auf ein Schiedsgutachten der Schatzungsabteilung des Hauseigentümerverbands Zürich per 1. April 2013 auf Fr. 10'255.- erhöht werde. Die entsprechende Mitteilung auf amtlich genehmigtem Formular erfolgte am gleichen Tag.
Mit Eingabe vom 21. November 2012 focht der Mieter die erklärte Mietzinserhöhung bei der Schlichtungsbehörde in Mietsachen des Bezirks Meilen an. Mit Beschluss vom 18. Dezember 2012 stellte die Schlichtungsbehörde Meilen fest, dass anlässlich der an diesem Tag erfolgten Schlichtungsverhandlung keine Einigung erzielt worden sei, und stellte der Vermieterin die Klagebewilligung aus.
B.
B. B.a Mit Eingabe vom 31. Januar 2013 erhob die Vermieterin beim Mietgericht des Bezirksgerichts Meilen Klage mit dem Hauptbegehren, es sei festzustellen, dass die Mietzinserhöhung vom 24. Oktober 2012 gültig sei und der ab 1. April 2013 für das fragliche Mietobjekt geltende Mietzins Fr. 10'255.- pro Monat betrage.
B.a Mit Urteil vom 4. Februar 2014 stellte das Mietgericht fest, dass die Mietzinserhöhung vom 24. Oktober 2012 teilweise gültig sei und der ab 1. April 2013 geltende Nettomietzins Fr. 9'655.- pro Monat betrage.
B.b Auf Berufung des Beklagten hin wies das Obergericht des Kantons Zürich den Antrag auf Durchführung eines Augenscheins im BGE 141 III 201 S. 203 Berufungsverfahren mit Beschluss vom 6. Januar 2015 ab. Mit Urteil vom gleichen Tag wies das Obergericht die Berufung ab und bestätigte das Urteil des Mietgerichts vom 4. Februar 2014.
B.b BGE 141 III 201 S. 203
C. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt der Beklagte dem Bundesgericht, es seien der Beschluss und das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 6. Januar 2015 aufzuheben und es sei festzustellen, dass die mit amtlichem Formular vom 24. Oktober 2012 angezeigte Mietzinserhöhung missbräuchlich sei und daher der geschuldete Monatsmietzins Fr. 7'400.- betrage. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
C. Das Bundesgericht hebt den angefochtenen Entscheid in teilweiser Gutheissung der Beschwerde auf und weist die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurück.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
3. Der Beschwerdeführer bringt vor, es sei nach Art. 189 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit Art. 361 Abs. 4 ZPO entgegen dem angefochtenen Entscheid nicht zulässig, hinsichtlich der vertraglich vereinbarten Anpassung des Mietzinses an die orts- und quartierüblichen Marktverhältnisse ein Schiedsgutachten einzuholen, das für das Gericht verbindlich ist.
3. Art. 361 Abs. 4 ZPO 3.1 Die Vorinstanz erwog, durch die Vereinbarung eines Schiedsgutachtens verpflichteten sich die Vertragsparteien, bestimmte Tatsachen statt vom mit dem Streit befassten Gericht von einem privaten Gutachter feststellen zu lassen. Ein für das angerufene Gericht verbindliches Schiedsgutachten könne nach Art. 189 Abs. 3 lit. a ZPO vereinbart werden, wenn die Parteien über das Rechtsverhältnis frei verfügen könnten. Der Begriff der freien Verfügbarkeit sei mit demjenigen von Art. 354 ZPO betreffend die Zulässigkeit der Vereinbarung eines Schiedsgerichts identisch. Frei verfügbar sei ein Anspruch, wenn die Parteien darauf verzichten oder sich durch Vergleich einigen und den Anspruch somit - in einem Gerichtsverfahren - anerkennen oder zum Gegenstand eines Vergleichs machen könnten. Dies treffe auch bei Ansprüchen aus einem Mietvertrag zu. Entgegen der Ansicht der Erstinstanz seien Ansprüche aus Miete und Pacht von Wohnräumen auch dann frei verfügbar im Sinne von Art. 354 ZPO, wenn im Entscheidfall die Bestimmungen über den Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen ( Art. 269 ff. OR ) zur Anwendung gelangten, weil der BGE 141 III 201 S. 204 Streit auch in diesen Fällen durch Vergleich oder Klageanerkennung erledigt werden könne. Entsprechend sei die strittige Anpassung der Mietzinsen schiedsfähig.
3.1 Art. 189 Abs. 3 lit. a ZPO Art. 354 ZPO Art. 354 ZPO Art. 269 ff. OR BGE 141 III 201 S. 204
Gemäss Art. 361 Abs. 4 ZPO könnten die Parteien in Angelegenheiten aus Miete und Pacht von Wohnräumen zwar einzig die Schlichtungsbehörde als Schiedsgericht einsetzen. Nach dem Wortlaut der Bestimmung werde jedoch nicht die Schiedsfähigkeit, sondern lediglich die Wahlmöglichkeit der Schiedsrichter eingeschränkt. Der Lehrmeinung, nach der aus Art. 361 Abs. 4 ZPO abzuleiten sei, dass die Schiedsfähigkeit bei Ansprüchen aus der Miete und Pacht von Wohnräumen nicht bloss beschränkt, sondern gar nicht erst gegeben sei, könne nicht gefolgt werden. Das Argument, dass die freie Wahl der Schiedsrichter ein zentraler Bestandteil der Schiedsgerichtsbarkeit darstelle, sei zwar zutreffend, vermöge am klaren Wortlaut von Art. 361 Abs. 4 ZPO, wonach die Schiedsfähigkeit gegeben und nur die Wahl der Schiedsrichter eingeschränkt sei, aber nichts zu ändern. Selbst wenn zutreffe, dass die Bestimmung dogmatisch nicht zu überzeugen vermöge oder gar als gesetzgeberische Fehlleistung zu bezeichnen sei, stehe es den Gerichten aufgrund der Gewaltenteilung nicht zu, einen dogmatischen Grundsatz über das Gesetz zu stellen; vielmehr seien sie nach Art. 190 BV an das Gesetz gebunden. Es sei deshalb davon auszugehen, dass auch in Bezug auf Ansprüche aus Miete und Pacht von Wohnräumen die Schiedsfähigkeit zu bejahen und lediglich die Wahl der Schiedsrichter eingeschränkt sei.
Art. 361 Abs. 4 ZPO Art. 361 Abs. 4 ZPO Art. 361 Abs. 4 ZPO Art. 190 BV Die Vorinstanz erwog weiter, nach Art. 361 Abs. 4 ZPO könne ein von den Parteien gewählter Dritter zwar nicht Schiedsrichter, nach zutreffender Auffassung aber Schiedsgutachter sein. Ein Schiedsgutachten sei nämlich kein Schiedsurteil, sondern erfülle bloss eine schiedsrichterliche Teilfunktion. Mit der Vereinbarung eines Schiedsgutachtens würden sich die Parteien somit weniger weitgehend binden als mit der Vereinbarung eines Schiedsgerichts. Ohne besondere gesetzliche Grundlage könne die Vereinbarung eines Schiedsgutachtens in Bezug auf ein schiedsfähiges Rechtsverhältnis nicht als unzulässig betrachtet werden. Eine solche Grundlage bestehe nicht und liege insbesondere nicht in Art. 361 Abs. 4 ZPO, da diese Bestimmung nur die Wahl der Schiedsrichter beschränke, nicht aber die Vereinbarung eines Schiedsgutachtens für unzulässig erkläre; bezüglich der Person des Schiedsgutachters bestehe keine Einschränkung. Dies mit gutem Grund, ansonsten die Schlichtungsbehörde die einzige in Frage kommende Gutachterin wäre. Ein Gericht eigne sich in den BGE 141 III 201 S. 205 meisten Fällen aber nicht als Gutachter, da ihm die nötige Fachkompetenz in der Regel fehle. Entsprechend sei auch in Angelegenheiten aus Miete und Pacht von Wohnräumen von der Zulässigkeit von Schiedsgutachten auszugehen.
Art. 361 Abs. 4 ZPO Art. 361 Abs. 4 ZPO BGE 141 III 201 S. 205
3.2
3.2 3.2.1 Nach Art. 189 Abs. 1 ZPO können die Parteien vereinbaren, über streitige Tatsachen ein Schiedsgutachten einzuholen. Dieses bindet das Gericht nach Art. 189 Abs. 3 ZPO hinsichtlich der darin festgestellten Tatsachen, wenn - zusätzlich zu den beiden weiteren Voraussetzungen (lit. b und c) - die Parteien über das Rechtsverhältnis frei verfügen können (lit. a). Im Gegensatz zum Schiedsspruch, dem die Wirkung eines rechtskräftigen und vollstreckbaren Entscheids zukommt ( Art. 387 ZPO ), wird mit dem Schiedsgutachten zwar nicht über Klageanträge autoritativ entschieden, aber es werden immerhin einzelne Fragen - für das Gericht verbindlich - geklärt (vgl. zur Unterscheidung zwischen Schiedsspruch und Schiedsgutachten das Urteil 4A_254/2011 vom 5. Juli 2011 E. 4.1, das zudem offenlässt, ob Art. 189 Abs. 3 ZPO ["hinsichtlich der darin festgestellten Tatsachen"] ein Schiedsgutachten über bestimmte Rechtsfragen - im Gegensatz zur bisherigen Rechtsprechung [ BGE 129 III 535 E. 2 S. 537] - in jedem Fall ausschliesst). Insoweit erfüllt das Schiedsgutachten - wie die Vorinstanz zutreffend festhält - eine schiedsrichterliche Teilaufgabe (HANS SCHMID, in: ZPO, Oberhammer und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 5 zu Art. 189 ZPO ; LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2010, Rz. 9.122; vgl. auch HOCHSTRASSER/FUCHS, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 3. Aufl. 2013, N. 295 Einl. 12. Kap. IPRG).
3.2.1 Art. 189 Abs. 1 ZPO Art. 189 Abs. 3 ZPO Art. 387 ZPO Art. 189 Abs. 3 ZPO Art. 189 ZPO Mit der überwiegenden Lehre stellt die Vorinstanz für die Voraussetzung nach Art. 189 Abs. 3 lit. a ZPO daher grundsätzlich zu Recht darauf ab, ob der streitige Anspruch nach Art. 354 ZPO schiedsfähig ist (BERNHARD BERGER, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. II, 2012, N. 17 zu Art. 189 ZPO ; ANNETTE DOLGE, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 21 f. zu Art. 189 ZPO ; THOMAS WEIBEL, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 12 zu Art. 189 ZPO ; HEINRICH ANDREAS MÜLLER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner und andere [Hrsg.], 2011, N. 23 zu Art. 189 ZPO ; JEAN-BAPTISTE ZUFFEREY, Das Schiedsgutachten, 2013, S. 12; KILIAN PERROULAZ, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Baker BGE 141 III 201 S. 206 & McKenzie [Hrsg.], 2010, N. 4 zu Art. 189 ZPO ; FRANCESCO TREZZINI, in: Commentario al Codice di diritto processuale civile svizzero [CPC] del 19 dicembre 2008, 2011, S. 891; TARKAN GÖKSU, Schiedsgerichtsbarkeit, 2014, Rz. 106). Schiedsgutachtenfähigkeit und Schiedsfähigkeit sind insoweit deckungsgleich, weshalb ein Schiedsgutachten immer dann angeordnet werden kann, wenn auch ein Schiedsgericht zur Beurteilung des entsprechenden Anspruchs eingesetzt werden könnte (GÖKSU, a.a.O., Rz. 106; vgl. bereits FRANK/STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 1997, N. 4 zu § 258 ZPO /ZH).
Art. 189 Abs. 3 lit. a ZPO Art. 354 ZPO Art. 189 ZPO Art. 189 ZPO Art. 189 ZPO Art. 189 ZPO BGE 141 III 201 S. 206
Art. 189 ZPO § 258 ZPO 3.2.2 Die Möglichkeit, Streitigkeiten aus Miete und Pacht von Wohnräumen den staatlichen Gerichten durch Vereinbarung zu entziehen und stattdessen von einem Schiedsgericht entscheiden zu lassen, ist nach geltendem Recht stark eingeschränkt. Selbst wenn es sich um einen Anspruch handelt, über den die Parteien frei verfügen können ( Art. 354 ZPO ), dürfen die Parteien in Angelegenheiten aus Miete und Pacht von Wohnräumen nach Art. 361 Abs. 4 ZPO einzig die Schlichtungsbehörde als Schiedsgericht einsetzen.
3.2.2 Art. 354 ZPO Art. 361 Abs. 4 ZPO Diese Bestimmung ersetzt den mit der Einführung der Schweizerischen Zivilprozessordnung aufgehobenen aArt. 274c OR (AS 1990 821), der vorsah, dass die Parteien bei der Miete von Wohnräumen die Zuständigkeit der Schlichtungsbehörden und der richterlichen Behörden nicht durch vertraglich vereinbarte Schiedsgerichte ausschliessen durften; den Parteien stand im Sinne einer Ausnahme lediglich die Möglichkeit offen, solche Mietstreitigkeiten nach aArt. 274a Abs. 1 lit. e OR der Schlichtungsbehörde als Schiedsgericht zu unterbreiten. Die Gesetzesbestimmung dehnte die bis dahin auf Fragen der Mietzinsanfechtung beschränkte Regelung zur Schiedsgerichtsbarkeit (Art. 22 des damaligen Bundesbeschlusses vom 30. Juni 1972 über Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen [AS 1972 1507]; vgl. auch aArt. 267e Abs. 1 OR [AS 1970 1277] betr. Erstreckung des Mietverhältnisses) auf sämtliche Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Miete von Wohnräumen aus (vgl. RAYMOND BISANG UND ANDERE, Das schweizerische Mietrecht, Kommentar, 3. Aufl. 2008, N. 1 zu aArt. 274c OR; DAVID LACHAT, Le bail à loyer, 2008, S. 135 Fn. 18). Erfasst wurde grundsätzlich jeder Raum, der nach dem übereinstimmend erklärten Willen der Vertragsparteien dem Mieter zum Wohnen dienen soll, mithin auch Luxuswohnungen (PETER HIGI, Zürcher Kommentar, 4. Aufl. 1996, N. 11 zu aArt. 274c OR i.V.m. N. 21 f. Vorb. zu aArt. 271-273c OR). BGE 141 III 201 S. 207
BGE 141 III 201 S. 207
Die Bestimmung von aArt. 274c OR sah demnach aus Mieterschutzgründen vor, dass Streitfälle aus der Miete von Wohnräumen grundsätzlich nicht schiedsfähig sind (HIGI, a.a.O., N. 6 und 16 zu aArt. 274c OR). Vom strengen Grundsatz der Schiedsunfähigkeit wurde im 2. Satz immerhin zugunsten einer Ausnahme bei der Miete unbeweglicher Sachen abgewichen, indem den Parteien die Wahl vorbehalten wurde, sich zwischen den ordentlichen Gerichten und der Schlichtungsbehörde als Schiedsgericht (aArt. 274a Abs. 1 lit. e OR) zu entscheiden (HIGI, a.a.O., N. 19 zu aArt. 274c OR). Eine Abrede der Parteien, allfällige Streitigkeiten aus der Wohnraummiete von einem privaten Dritten entscheiden zu lassen, war demzufolge rechtswidrig und nichtig (HIGI, a.a.O., N. 16 zu aArt. 274c OR). Tat- und Rechtsfragen in diesem Bereich waren vielmehr zwingend von einer der beiden staatlichen Behörden zu entscheiden.
3.2.3 Ungeachtet der abweichenden Formulierung in Art. 361 Abs. 4 ZPO wurde mit dieser Bestimmung keine Änderung der bisherigen Rechtslage angestrebt (Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], BBl 2006 7395 Ziff. 5.25.4 zu Art. 359 E-ZPO). Auch wenn die Parteien über strittige Ansprüche aus der Miete von Wohnräumen grundsätzlich frei verfügen können (vgl. Art. 354 ZPO ), bleibt es ihnen verwehrt, entsprechende Streitigkeiten privaten Dritten anstatt den vorgesehenen staatlichen Behörden zu unterbreiten. Ob unter diesen Umständen überhaupt von Schiedsgerichtsbarkeit gesprochen werden kann, bei der die Wahl der Schiedsrichter durch die Parteien wesensmässig dazugehört, braucht nicht vertieft zu werden (WERNER WENGER, Schiedsgerichtsbarkeit, ZZZ 2007 S. 405; PHILIPP HABEGGER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 39 zu Art. 361 ZPO ; URS WEBER-STECHER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 38 zu Art. 354 ZPO gehen davon aus, dass die Schiedsfähigkeit von Angelegenheiten aus Miete und Pacht von Wohnräumen nicht bloss beschränkt, sondern gar nicht erst gegeben ist, während andere Autoren entsprechende Ansprüche als bloss "formell schiedsfähig" betrachten: MARCO STACHER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner und andere [Hrsg.], 2011, N. 12 zu Art. 354 ZPO ; FELIX DASSER, in: ZPO, Oberhammer und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 14 zu Art. 354 ZPO ; BOOG/STARK-TRABER, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. III, 2014, N. 57 zu Art. 361 ZPO. Eine weitere Lehrmeinung geht von einer beschränkten Schiedsfähigkeit solcher BGE 141 III 201 S. 208 Streitigkeiten aus: STEFAN GRUNDMANN, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 35 zu Art. 361 ZPO ; JOACHIM FRICK, in: Schweizerische Zivilprozessordnung, Baker & McKenzie [Hrsg.], 2010, N. 7 zu Art. 354 ZPO ; STEFANIE PFISTERER, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. III, 2014, N. 24 zu Art. 354 ZPO ). Zu kurz greift jedenfalls die vorinstanzliche Erwägung, nach dem Wortlaut von Art. 361 Abs. 4 ZPO werde nicht die Schiedsfähigkeit, sondern einzig die Wahlmöglichkeit der Schiedsrichter eingeschränkt.
3.2.3 Art. 361 Abs. 4 ZPO Art. 354 ZPO Art. 361 ZPO Art. 354 ZPO Art. 354 ZPO Art. 354 ZPO Art. 361 ZPO BGE 141 III 201 S. 208
Art. 361 ZPO Art. 354 ZPO Art. 354 ZPO Art. 361 Abs. 4 ZPO Entscheidend ist, dass den Parteien bei Angelegenheiten von Miete und Pacht von Wohnräumen nach Art. 361 Abs. 4 ZPO keine freie Wahl des Entscheidorgans zusteht, sondern entsprechende Streitigkeiten (in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht) zwingend entweder vom ordentlichen Gericht oder von der Schlichtungsbehörde zu beurteilen sind. Darauf, dass nach dem Willen des Gesetzgebers von dieser besonderen Mieterschutzregelung hinsichtlich einzelner Fragen - wie etwa der Orts- und Quartierüblichkeit von Mietzinsen - durch Vereinbarung eines Schiedsgutachtens sollte abgewichen werden können, bestehen keine Hinweise. Art. 361 Abs. 4 ZPO entspricht im Gegenteil dem klaren gesetzgeberischen Willen, zum Schutz des Mieters sämtliche Angelegenheiten aus Miete und Pacht von Wohnräumen umfassend von staatlichen Behörden entscheiden zu lassen, weshalb diese mietrechtliche Sonderbestimmung - über den Wortlaut der allgemeinen Regelung von Art. 189 Abs. 3 lit. a ZPO hinaus - auch bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Schiedsgutachtens zu beachten ist. Entsprechend ist es bei der Miete und Pacht von Wohnräumen aufgrund der strengen Einschränkung der Wahl des Entscheidorgans ausgeschlossen, bestimmte Fragen im Streitfall an einen privaten Dritten als Schiedsgutachter zu delegieren (so zutreffend GÖKSU, a.a.O., Rz. 108; DOLGE, a.a.O., N. 24 zu Art. 189 ZPO ; vgl. bereits BEAT ROHRER, Luxusobjekt - Objet de luxe, MietRecht aktuell 2004 S. 129; wohl auch BISANG UND ANDERE, a.a.O., N. 1 zu aArt. 274c OR; a.M. MÜLLER, a.a.O., N. 25 zu Art. 189 ZPO ).
Art. 361 Abs. 4 ZPO Art. 361 Abs. 4 ZPO Art. 189 Abs. 3 lit. a ZPO Art. 189 ZPO Art. 189 ZPO Sollte es dem Gericht an der nötigen Fachkompetenz fehlen, wie die Vorinstanz befürchtet, ist nicht ausgeschlossen, dass es im Einzelfall eine sachverständige Privatperson als gerichtliche Gutachterin einsetzt ( Art. 183 Abs. 1 ZPO ). Im Gegensatz zur Miete und Pacht von Wohnräumen ist ausserdem bei allen übrigen Miet- und Pachtverhältnissen (so insbesondere bei der Geschäftsmiete und BGE 141 III 201 S. 209 -pacht) sowohl die Vereinbarung von Schiedsgutachten ( Art. 189 ZPO ) als auch die Streiterledigung durch ein frei wählbares Schiedsgericht zulässig (DOLGE, a.a.O., N. 24 zu Art. 189 ZPO ; GÖKSU, a.a.O., Rz. 108; HABEGGER, a.a.O., N. 41 zu Art. 361 ZPO ; PFISTERER, a.a.O., N. 24 zu Art. 354 ZPO ; LACHAT, Procédure civile en matière de baux et loyers, 2011, S. 78 Ziff. 11.6; vgl. auch BISANG UND ANDERE, a.a.O., N. 20 zu aArt. 274a OR und N. 1 zu aArt. 274c OR).
Art. 183 Abs. 1 ZPO BGE 141 III 201 S. 209
Art. 189 ZPO Art. 189 ZPO Art. 361 ZPO Art. 354 ZPO 4. Die Vorinstanz ist in Verletzung von Bundesrecht von der Zulässigkeit von Schiedsgutachten privater Dritter in Angelegenheiten von Miete und Pacht von Wohnräumen ausgegangen und hat sich daher zu Unrecht nach Art. 189 Abs. 3 ZPO an das vom Hauseigentümerverband erstellte Gutachten gebunden erachtet. Die vertraglich vereinbarte Mietzinsanpassung an die orts- und quartierüblichen Marktverhältnisse wird nach erfolgter Rückweisung erneut zu beurteilen sein. Dabei wird darüber zu befinden sein, welche Beweismassnahmen hierzu erforderlich sind, so unter anderem, ob es gegebenenfalls der Durchführung eines weiteren Augenscheins bedarf.
4. Art. 189 Abs. 3 ZPO
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Urteilskopf 141 III 20 4. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause A. contre B. SA (recours en matière civile) 4A_463/2014 du 23 janvier 2015 Regeste Keine Parteientschädigungen im Schlichtungsverfahren ( Art. 113 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Die Bestimmung hindert den ordentlichen Richter nicht daran, im Rahmen seines Entscheids eine Parteientschädigung auch für das Schlichtungsverfahren zuzusprechen (E. 5). Erwägungen ab Seite 20 BGE 141 III 20 S. 20 Extrait des considérants: 5. En dernier lieu, la recourante reproche à l'autorité précédente d'avoir violé l' art. 113 al. 1 CPC en la condamnant à verser des dépens pour la procédure de conciliation. 5.1 A teneur de l' art. 113 al. 1, 1 re phrase, CPC, "il n'est pas alloué de dépens en procédure de conciliation" ("im Schlichtungsverfahren werden keine Parteientschädigungen gesprochen"; "nella procedura di conciliazione non sono assegnate ripetibili"). Le Message se limite à dire ceci: la procédure de conciliation ayant pour objectif de parvenir à composition et d'éviter une action formelle, il est indiqué que chaque partie supporte ses propres frais, étant précisé que les parties sont libres de convenir d'une autre répartition dans le cadre d'une transaction (Message du 28 juin 2006 relatif au code de procédure civile suisse [CPC], FF 2006 6911 ch. 5.8.3 ad art. 111). Les BGE 141 III 20 S. 21 Chambres fédérales ont adopté la disposition sans discussion (BO 2007 CE 513, BO 2008 CN 653). 5.2 Certains commentateurs du Code discutent la portée de l' art. 113 al. 1 CPC. Les avis divergent en particulier sur la question de savoir si une allocation de dépens est aussi exclue lorsque l'autorité de conciliation fait une proposition de jugement ( art. 210 CPC ) ou rend une décision dans les causes à valeur litigieuse de 2'000 fr. au plus ( art. 212 CPC ). Les avis divergent ensuite sur la question de savoir si le juge ordinaire saisi ensuite de l'échec de la conciliation est en droit d'allouer des dépens pour la phase de conciliation. Seule cette dernière question se pose en l'espèce. STERCHI est d'avis que l'interdiction d'allouer des dépens vaut uniquement dans les cas où la conciliation aboutit. Si celle-ci échoue, l'interdiction perd sa raison d'être, soit favoriser une conciliation. En conséquence, les dépens de la procédure de conciliation doivent selon lui être pris en compte par le jugement rendu dans le procès au fond; ces dépenses sont de mise pour défendre correctement les intérêts des parties, notamment les honoraires d'avocat afférents à la procédure de conciliation (MARTIN H. STERCHI, in Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, n° 2 ad art. 113 et 114 CPC ). URWYLER va dans le même sens (ADRIAN URWYLER, in Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner/Gasser/Schwander [éd.], 2011, n° 4 ad art. 113 CPC ). Pour TAPPY en revanche, l'exclusion des dépens en procédure de conciliation est absolue, de sorte qu'une allocation de dépens est aussi exclue dans le cadre d'une procédure de jugement ultérieure. Cet auteur relève que la règle est un compromis entre partisans de l'exclusion des mandataires professionnels dans la procédure de conciliation et partisans d'une application des règles ordinaires à ce stade déjà (DENIS TAPPY, in CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, n os 3 et 6 ad art. 113 CPC ). Cet avis est partagé par d'autres auteurs (STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 2 e éd. 2013, § 16 n. 14 et § 20 n. 33; FRANO KOSLAR, in Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Baker & McKenzie [éd.], 2010, n° 2 i.f.ad art. 113 CPC ); JENNY ne se prononce pas, mais semble également pencher dans ce sens (DAVID JENNY, in Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [éd.], 2 e éd. 2013, n° 5 i.f. ad art. 113 CPC ). 5.3 L' art. 113 CPC s'oppose à l'allocation de dépens "en" procédure de conciliation, et non pas "pour" la procédure de conciliation. Le BGE 141 III 20 S. 22 texte légal ne fait donc nullement obstacle à l'allocation de dépens pour cette phase procédurale dans le cadre d'un jugement au fond rendu par le juge ordinaire. Une telle solution ne va pas non plus à l'encontre du but poursuivi par le législateur. L'interdiction formulée à l' art. 113 al. 1, 1 re phrase, CPC vise à favoriser l'aboutissement de la tentative de conciliation; les discussions restent limitées au litige au fond, sans que s'y ajoute un point de discussion supplémentaire au sujet de prétentions en remboursement de dépens. Par contre, la perspective d'échapper ultérieurement au paiement de ces dépens dans l'hypothèse où la conciliation échoue ne va pas influer sur les chances de concilier; c'est bien plutôt le risque de devoir payer ces dépens qui pourrait à l'occasion amener les parties à accepter un arrangement au sujet de prétentions incertaines, plutôt que de les soumettre au juge ordinaire. Hormis la question de la comparution à l'audience de conciliation, il devrait souvent être malaisé, voire impossible de distinguer dans quelle mesure le travail de l'avocat était utile pour la seule procédure de conciliation, respectivement dans quelle mesure il était de toute façon nécessaire pour la procédure au fond. En effet, la préparation de la cause, en fait et en droit, en vue de la procédure de conciliation est acquise et bénéficie ensuite à la conduite du procès au fond; à défaut, ce même travail devrait en règle générale être fait pour l'introduction de l'action au fond devant le juge ordinaire. Astreindre ce juge à ventiler les dépens afin d'éliminer ceux qui sont uniquement inhérents à la procédure de conciliation apparaît dès lors peu praticable et d'un impact limité. Il sied donc de retenir que l' art. 113 CPC n'interdit pas au juge ordinaire d'allouer, dans le cadre du jugement au fond, des dépens pour la procédure de conciliation. Le grief de la recourante se révèle infondé.
Urteilskopf
4. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause A. contre B. SA (recours en matière civile)
4A_463/2014 du 23 janvier 2015
Regeste Keine Parteientschädigungen im Schlichtungsverfahren ( Art. 113 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Die Bestimmung hindert den ordentlichen Richter nicht daran, im Rahmen seines Entscheids eine Parteientschädigung auch für das Schlichtungsverfahren zuzusprechen (E. 5).
Regeste
Keine Parteientschädigungen im Schlichtungsverfahren ( Art. 113 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Die Bestimmung hindert den ordentlichen Richter nicht daran, im Rahmen seines Entscheids eine Parteientschädigung auch für das Schlichtungsverfahren zuzusprechen (E. 5).
Art. 113 Abs. 1 Satz 1 ZPO Die Bestimmung hindert den ordentlichen Richter nicht daran, im Rahmen seines Entscheids eine Parteientschädigung auch für das Schlichtungsverfahren zuzusprechen (E. 5).
Erwägungen ab Seite 20
Erwägungen ab Seite 20 BGE 141 III 20 S. 20
BGE 141 III 20 S. 20
Extrait des considérants:
5. En dernier lieu, la recourante reproche à l'autorité précédente d'avoir violé l' art. 113 al. 1 CPC en la condamnant à verser des dépens pour la procédure de conciliation.
5. art. 113 al. 1 CPC 5.1 A teneur de l' art. 113 al. 1, 1 re phrase, CPC, "il n'est pas alloué de dépens en procédure de conciliation" ("im Schlichtungsverfahren werden keine Parteientschädigungen gesprochen"; "nella procedura di conciliazione non sono assegnate ripetibili"). Le Message se limite à dire ceci: la procédure de conciliation ayant pour objectif de parvenir à composition et d'éviter une action formelle, il est indiqué que chaque partie supporte ses propres frais, étant précisé que les parties sont libres de convenir d'une autre répartition dans le cadre d'une transaction (Message du 28 juin 2006 relatif au code de procédure civile suisse [CPC], FF 2006 6911 ch. 5.8.3 ad art. 111). Les BGE 141 III 20 S. 21 Chambres fédérales ont adopté la disposition sans discussion (BO 2007 CE 513, BO 2008 CN 653).
5.1 art. 113 al. 1, 1 re BGE 141 III 20 S. 21
5.2 Certains commentateurs du Code discutent la portée de l' art. 113 al. 1 CPC. Les avis divergent en particulier sur la question de savoir si une allocation de dépens est aussi exclue lorsque l'autorité de conciliation fait une proposition de jugement ( art. 210 CPC ) ou rend une décision dans les causes à valeur litigieuse de 2'000 fr. au plus ( art. 212 CPC ). Les avis divergent ensuite sur la question de savoir si le juge ordinaire saisi ensuite de l'échec de la conciliation est en droit d'allouer des dépens pour la phase de conciliation. Seule cette dernière question se pose en l'espèce.
5.2 art. 113 al. 1 CPC art. 210 CPC art. 212 CPC STERCHI est d'avis que l'interdiction d'allouer des dépens vaut uniquement dans les cas où la conciliation aboutit. Si celle-ci échoue, l'interdiction perd sa raison d'être, soit favoriser une conciliation. En conséquence, les dépens de la procédure de conciliation doivent selon lui être pris en compte par le jugement rendu dans le procès au fond; ces dépenses sont de mise pour défendre correctement les intérêts des parties, notamment les honoraires d'avocat afférents à la procédure de conciliation (MARTIN H. STERCHI, in Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, n° 2 ad art. 113 et 114 CPC ). URWYLER va dans le même sens (ADRIAN URWYLER, in Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner/Gasser/Schwander [éd.], 2011, n° 4 ad art. 113 CPC ). art. 113 et 114 CPC art. 113 CPC Pour TAPPY en revanche, l'exclusion des dépens en procédure de conciliation est absolue, de sorte qu'une allocation de dépens est aussi exclue dans le cadre d'une procédure de jugement ultérieure. Cet auteur relève que la règle est un compromis entre partisans de l'exclusion des mandataires professionnels dans la procédure de conciliation et partisans d'une application des règles ordinaires à ce stade déjà (DENIS TAPPY, in CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, n os 3 et 6 ad art. 113 CPC ). Cet avis est partagé par d'autres auteurs (STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 2 e éd. 2013, § 16 n. 14 et § 20 n. 33; FRANO KOSLAR, in Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Baker & McKenzie [éd.], 2010, n° 2 i.f.ad art. 113 CPC ); JENNY ne se prononce pas, mais semble également pencher dans ce sens (DAVID JENNY, in Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [éd.], 2 e éd. 2013, n° 5 i.f. ad art. 113 CPC ). art. 113 CPC art. 113 CPC art. 113 CPC 5.3 L' art. 113 CPC s'oppose à l'allocation de dépens "en" procédure de conciliation, et non pas "pour" la procédure de conciliation. Le BGE 141 III 20 S. 22 texte légal ne fait donc nullement obstacle à l'allocation de dépens pour cette phase procédurale dans le cadre d'un jugement au fond rendu par le juge ordinaire.
5.3 art. 113 CPC BGE 141 III 20 S. 22
Une telle solution ne va pas non plus à l'encontre du but poursuivi par le législateur. L'interdiction formulée à l' art. 113 al. 1, 1 re phrase, CPC vise à favoriser l'aboutissement de la tentative de conciliation; les discussions restent limitées au litige au fond, sans que s'y ajoute un point de discussion supplémentaire au sujet de prétentions en remboursement de dépens. Par contre, la perspective d'échapper ultérieurement au paiement de ces dépens dans l'hypothèse où la conciliation échoue ne va pas influer sur les chances de concilier; c'est bien plutôt le risque de devoir payer ces dépens qui pourrait à l'occasion amener les parties à accepter un arrangement au sujet de prétentions incertaines, plutôt que de les soumettre au juge ordinaire. art. 113 al. 1, 1 re Hormis la question de la comparution à l'audience de conciliation, il devrait souvent être malaisé, voire impossible de distinguer dans quelle mesure le travail de l'avocat était utile pour la seule procédure de conciliation, respectivement dans quelle mesure il était de toute façon nécessaire pour la procédure au fond. En effet, la préparation de la cause, en fait et en droit, en vue de la procédure de conciliation est acquise et bénéficie ensuite à la conduite du procès au fond; à défaut, ce même travail devrait en règle générale être fait pour l'introduction de l'action au fond devant le juge ordinaire. Astreindre ce juge à ventiler les dépens afin d'éliminer ceux qui sont uniquement inhérents à la procédure de conciliation apparaît dès lors peu praticable et d'un impact limité.
Il sied donc de retenir que l' art. 113 CPC n'interdit pas au juge ordinaire d'allouer, dans le cadre du jugement au fond, des dépens pour la procédure de conciliation. Le grief de la recourante se révèle infondé. art. 113 CPC
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Urteilskopf 141 III 210 31. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. Ltd gegen OAO B. (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_203/2014 vom 9. April 2015 Regeste Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG ; Art. 2 ZGB ; Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen; Verletzung wesentlicher Grundsätze des schweizerischen Verfahrensrechts; Rechtsmissbrauch bei der Geltendmachung von Anerkennungsverweigerungsgründen. Hat die Beschwerdeführerin den Einwand, die Gegenpartei habe die am russischen Entscheidverfahren mitwirkenden Richter bestochen, rechtzeitig erhoben? Offengelassen, ob im Rahmen der internationalen Urteilsanerkennung in Anwendung von Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG vom Anerkennungsgegner generell zu verlangen ist, dass er gegen Verfahrensmängel im ausländischen Entscheidverfahren die ihm zur Verfügung stehenden Rechtsmittel ausgeschöpft hat, da unter den vorliegenden Umständen der Ordre-public-Einwand im Anerkennungsverfahren rechtsmissbräuchlich erhoben wurde (E. 4 und 5). Sachverhalt ab Seite 211 BGE 141 III 210 S. 211 A. Die OAO B. (Beschwerdegegnerin) ist eine Versicherungsgesellschaft mit Sitz in Moskau und eine vollkonsolidierte Tochtergesellschaft des deutschen B. Konzerns. Die A. Ltd (Beschwerdeführerin) bezweckt jede Art von Direkt- und Rückversicherung mit Ausnahme der direkten Lebensversicherung. Sie ist auf die Deckung von Risiken im Zusammenhang mit dem Bau und Betrieb von internationalen Infrastrukturanlagen spezialisiert. Ihr Sitz befindet sich in Zürich. Am 25. Dezember 2008 schloss die OAO B. mit der staatlichen russischen Energiegesellschaft C. (Versicherungsnehmerin) einen Vertrag betreffend die Versicherung diverser Wasserkraftwerke und anderer Gebäude der Versicherungsnehmerin ab. Kurz zuvor war sie mit verschiedenen Rückversicherungsgesellschaften, darunter der A. Ltd mit einem Anteil von 17,2 %, separate Rückversicherungsverträge über eine Summe von insgesamt 200 Mio. USD eingegangen. Der Rückversicherungsvertrag mit der A. Ltd enthielt eine Gerichtsstandsklausel zugunsten der russischen Gerichte. Am 17. August 2009 ereignete sich im versicherten Wasserkraftwerk D. ein folgenschwerer Unfall. Trotz des Widerstands der Rückversicherer zahlte die OAO B. der C. bis Ende Juli 2010 die volle Versicherungssumme gemäss dem Erstversicherungsvertrag aus. Die Rückversicherer stellten sich zunächst auf den Standpunkt, dass infolge grober Pflichtverletzungen seitens der Versicherungsnehmerin kein Versicherungsfall vorliege. Schliesslich leisteten sie ihre jeweiligen Anteile an der Versicherungssumme - mit Ausnahme der A. Ltd, die bloss rund 11,5 Mio. USD überwies. Am 30. Dezember 2010 machte die OAO B. beim Arbitragegericht der Stadt Moskau, einem staatlichen Handelsgericht, eine BGE 141 III 210 S. 212 Forderungsklage über 765'786'695.27 Russische Rubel gegen die A. Ltd anhängig. Die A. Ltd erhob Widerklage auf Rückerstattung der geleisteten Zahlung. Am 22. Juli 2011 hiess das Arbitragegericht die Klage gut und wies die Widerklage ab. Diese Entscheidung focht die A. Ltd beim Neunten Arbitrage- und Appellationsgericht an, das sie (als erste Rechtsmittelinstanz) mit Verordnung vom 30. November 2011 bestätigte. Die A. Ltd gelangte daraufhin an die dritte Instanz, das Föderale Arbitragegericht der Moskauer Region. Mit Verordnung vom 16. Mai 2012 gab dieses der Kassationsbeschwerde nicht statt. Schliesslich lehnte das Oberste Arbitragegericht der Russischen Föderation mit Beschluss vom 11. Dezember 2012 die Verweisung des Verfahrens an ihren Präsidenten zur aufsichtsrechtlichen Überprüfung ab. Damit war der Instanzenzug in Russland erschöpft. B. Mit Eingabe vom 28. Januar 2013 gelangte die OAO B. an das Bezirksgericht Zürich. Sie beantragte, die Entscheidung des Arbitragegerichts der Stadt Moskau vom 22. Juli 2011 " in Verbindung mit" der Verordnung des Neunten Arbitrage- und Appellationsgerichts vom 30. November 2011, der Verordnung des Föderalen Arbitragegerichts der Moskauer Region vom 16. Mai 2012 und dem Beschluss des Obersten Arbitragegerichts der Russischen Föderation vom 11. Dezember 2012 gegen die A. Ltd anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären. Die A. Ltd widersetzte sich diesem Begehren unter Berufung auf Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG. Sie machte geltend, die OAO B. habe die russischen Richter bestochen, womit die Entscheidung unter Verletzung wesentlicher Grundsätze des schweizerischen Verfahrensrechts zustande gekommen sei und ihre Anerkennung gegen den sogenannten formellen Ordre public verstossen würde. Das Bezirksgericht gelangte zum Schluss, die A. Ltd scheitere mit dem Beweis, dass die russischen Gerichte bestochen worden seien. Demzufolge gab es dem Begehren um Vollstreckbarerklärung der Entscheidung mit Urteil vom 14. Oktober 2013 statt. Die von der A. Ltd dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 26. Februar 2014 ab. Dabei liess es die A. Ltd mit dem Einwand der Bestechung gar nicht erst zu. Es räumte zwar ein, wenn in einem ausländischen Verfahren nachweislich bestochen worden sei, so wäre einer in diesem Verfahren ergangenen Entscheidung in der Schweiz die Anerkennung BGE 141 III 210 S. 213 zu versagen. Vorliegend seien die Bestechungsvorwürfe indessen verspätet erhoben worden, da sie im russischen Erkenntnisverfahren mit einem Rechtsmittel hätten vorgebracht werden können und müssen. Die A. Ltd aber habe im russischen Verfahren nicht einmal einen Vorbehalt im Hinblick auf das Anerkennungsverfahren angebracht, sondern ihre Vorwürfe für sich behalten, bis der letztinstanzliche Entscheid des Obersten Arbitragegerichts der Russischen Föderation ergangen sei. Die Berufung auf Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG sei ihr daher zu verwehren. C. Das Bundesgericht weist die Beschwerde in Zivilsachen der A. Ltd gegen das Urteil des Obergerichts ab, soweit es darauf eintritt. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. 4.1 Das Gesetz enthält keine Aussage dazu, ob und gegebenenfalls in welchem Zeitpunkt sowie in welcher Form sich eine Partei im ausländischen Verfahren gegen einen Verfahrensfehler wehren muss, damit sie sich später deswegen gestützt auf Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG (SR 291) der Anerkennung der Entscheidung widersetzen kann, respektive unter welchen Voraussetzungen der entsprechende Einwand im Anerkennungsverfahren als präkludiert zu gelten hat. Insofern unterscheidet sich die Ausgangslage von anderen Anerkennungsvoraussetzungen, zu deren Geltendmachung im ausländischen Entscheidverfahren sich das Gesetz explizit äussert: So kann sich gemäss Art. 27 Abs. 2 lit. a IPRG die nicht gehörig geladene Partei der Anerkennung der Entscheidung nicht widersetzen, wenn sie sich vorbehaltlos auf das Verfahren eingelassen hat. Entsprechendes gilt für die Zuständigkeit der ausländischen Behörde. Gemäss Art. 26 lit. c IPRG ist diese begründet, wenn sich der Beklagte in einer vermögensrechtlichen Streitigkeit vorbehaltlos auf den Rechtsstreit eingelassen hat. Eine vorbehaltlose Einlassung auf den Rechtsstreit kann allerdings nicht schon darin erblickt werden, dass auf den Weiterzug des ausländischen Urteils an eine höhere Instanz verzichtet wird, nachdem das Gericht die Einrede der Unzuständigkeit verworfen hat (siehe BGE 111 II 175 E. 1; vgl. auch BGE 98 Ia 314 E. 3 mit Hinweisen; BUCHER, in: Commentaire romand, Loi sur le droit international privé - Convention de Lugano, BGE 141 III 210 S. 214 2011, N. 4 zu Art. 6 IPRG ; WALTER/DOMEJ, Internationales Zivilprozessrecht der Schweiz, 5. Aufl. 2012, S. 143). Weiter geht in dieser Hinsicht das - vorliegend nicht anwendbare - Übereinkommen vom 30. Oktober 2007 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Lugano-Übereinkommen, LugÜ; SR 0.275.12). In dessen Geltungsbereich kann die Zuständigkeit der Gerichte des Ursprungsstaates im Rahmen der Anerkennung grundsätzlich überhaupt nicht mehr überprüft werden (vgl. Art. 35 Abs. 3 LugÜ ), womit der Beklagte im Ergebnis darauf verwiesen ist, sich im Ausland auf dem Rechtsmittelweg gegen die Zuständigkeit des urteilenden Gerichts zur Wehr zu setzen (vgl. SCHULER, in: Basler Kommentar, Lugano-Übereinkommen, 2011, N. 8 zu Art. 35 LugÜ, mit Hinweisen). Sodann steht das Anerkennungshindernis der mangelhaften oder fehlenden Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks gemäss Art. 34 Nr. 2 LugÜ unter dem einschränkenden Vorbehalt, dass der Beklagte, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, "gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt" hat, "obwohl er die Möglichkeit dazu hatte". Zu beachten ist allerdings, dass die Schweiz entsprechend dem Vorbehalt gemäss Artikel III Absatz 1 des Protokolls Nr. 1 über bestimmte Zuständigkeits-, Verfahrens- und Vollstreckungsfragen erklärt hat, dass sie den besagten Teil der Bestimmung nicht anwenden wird (siehe Art. 1 Abs. 3 des Bundesbeschlusses vom 11. Dezember 2009 über die Genehmigung und die Umsetzung des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen[Lugano-Übereinkommen] [AS 2010 5601]). Demgegenüber enthält Art. 34 Nr. 1 LugÜ, der den Anerkennungsverweigerungsgrund des offensichtlichen Widerspruchs zur öffentlichen Ordnung ( ordre public ) statuiert, - wie Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG - keine entsprechende Regelung. 4.2 Die Vorinstanz folgte im angefochtenen Urteil einer zu Art. 34 Nr. 1 des Lugano-Übereinkommens (respektive der Verordnung [EG] Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen [EuGVVO]) publizierten Lehrmeinung. Gemäss dieser kann auch ein krasser Verfahrensverstoss die Anerkennung im Allgemeinen nicht hindern, "wenn im BGE 141 III 210 S. 215 Erstverfahren Rechtsmittel hätten ausgeschöpft werden können, um den Mangel zu beseitigen" (siehe KROPHOLLER/VON HEIN, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl. 2011, N. 14 zu Art. 34 EuGVVO; ähnlich auch GEIMER/SCHÜTZE, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl. 2010, N. 30 zu Art. 34 EuGVVO). Die Vorinstanz berücksichtigte diese Auffassung "[i]m Interesse eines einheitlichen internationalen Vollstreckungsrechts" bei der Auslegung von Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG und machte sie - unter Berufung auf ihre eigene Rechtsprechung aus dem Jahr 1997 (Urteil des Obergerichts Zürich NL970038 vom 25. Juni 1997 E. III/5b) - zur Regel. 4.3 Dass die zugrundeliegende Betrachtungsweise in der Literatur zum IPRG zumindest nicht unbestritten ist, entging der Vorinstanz nicht: So zitiert sie im angefochtenen Entscheid insbesondere einen Beitrag, in dem die erwähnte Rechtsprechung des Obergerichts ausdrücklich als zu weitgehend kritisiert wird. Seine Autoren möchten ihrerseits genügen lassen, dass die beklagte Partei im Erstprozess eine Erklärung abgibt, wonach sie sich einem bestimmten Vorgehen anlässlich des nachfolgenden Anerkennungsprozesses widersetzen werde, so dass die klägerische Partei selber beurteilen könne, "ob sie mit dem materiellen Verfahren trotzdem weiterfahren möchte" (BERNET/VOSER, Praktische Fragen im Zusammenhang mit Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile nach IPRG, SZIER 2000 S. 452-454; vgl. auch BUCHER, a.a.O., N. 48 zu Art. 27 IPRG ; DÄPPEN/MABILLARD, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 3. Aufl. 2013, N. 17b zu Art. 27 IPRG ). Sodann wies die Vorinstanz zu Recht auch auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung aus der Zeit vor dem Lugano-Übereinkommen hin, so namentlich auf BGE 85 I 39 : In diesem - das Abkommen vom 2. November 1929 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Deutschen Reich über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen (SR 0.276.191.361) betreffenden - Urteil hatte das Bundesgericht noch in allgemeiner Form festgehalten, die in der Schweiz wohnhafte Partei, der gegenüber im Ausland ein gegen den schweizerischen Ordre public verstossendes Urteil ergehe, dürfe "dessen Vollstreckung in der Schweiz abwarten und den Mangel dann geltend machen" (E. 4c S. 51). Gegen die Lösung der Vorinstanz könnte schliesslich auch der Umstand angeführt werden, dass KROPHOLLER/VON HEIN selber bei der BGE 141 III 210 S. 216 Begründung ihrer Auffassung zu Art. 34 Nr. 1 EuGVVO (in der aktuellen Auflage des zitierten Werks) einen Zusammenhang zu Art. 34 Nr. 2 EuGVVO herstellen, wo "dieser Aspekt", d.h. der Grundsatz, wonach Rechtsmittel im Entscheidverfahren auszuschöpfen sind, ausdrücklich niedergelegt sei. Denn für die Schweiz gilt die entsprechende Regel gerade nicht (E. 4.1). 5. 5.1 Ob es sich angesichts des eben Ausgeführten rechtfertigt, im Rahmen der internationalen Urteilsanerkennung in Anwendung von Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG vom Anerkennungsgegner generell zu verlangen, dass er gegen Verfahrensmängel im ausländischen Entscheidverfahren die ihm zur Verfügung stehenden Rechtsmittel ausgeschöpft hat, braucht vorliegend indessen nicht abschliessend beurteilt zu werden. Denn wie nachfolgend aufzuzeigen sein wird, widerspricht es jedenfalls unter den konkret gegebenen Umständen dem Gebot von Treu und Glauben sowie dem Rechtsmissbrauchsverbot, wenn die Beschwerdeführerin im Exequaturverfahren unter dem Gesichtspunkt der Anerkennungsverweigerung überhaupt erstmals Bestechungsvorwürfe gegen die russischen Gerichte erhob. Ihr Ordre-public-Einwand erweist sich bereits aus diesem Grund als unzulässig. 5.2 Gemäss ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts verstösst es gegen Art. 2 ZGB (respektive Art. 52 ZPO ), formelle Rügen, die in einem früheren Prozessstadium hätten geltend gemacht werden können, bei ungünstigem Ausgang noch später vorzubringen ( BGE 135 III 334 E. 2.2; Urteil 5A_837/2012 vom 25. Juni 2013 E. 5 mit zahlreichen Hinweisen). So ist etwa ein Ausstandsbegehren - unter Verwirkungsfolge - unverzüglich nach Kenntnis des Ausstandsgrundes zu stellen ( BGE 136 I 207 E. 3.4; BGE 134 I 20 E. 4.3.1; BGE 132 II 485 E. 4.3). Das Gebot von Treu und Glauben und das Rechtsmissbrauchsverbot gelten auch in grenzüberschreitenden Verhältnissen (siehe BGE 128 III 201 E. 1c mit Hinweisen; Urteil 4A_292/2012 vom 16. Oktober 2012 E. 2.6, nicht publ. in: BGE 138 III 750 ). Sie haben auch im Rahmen der internationalen Anerkennung von Gerichtsentscheiden und Schiedssprüchen Bedeutung: Namentlich sind sie bei der Geltendmachung von verfahrensrechtlichen Verweigerungsgründen nach dem Übereinkommen vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer BGE 141 III 210 S. 217 Schiedssprüche (SR 0.277.12) zu beachten. Wenn Letzteres auch nicht die Ausschöpfung der Möglichkeiten zur Anfechtung des Schiedsspruchs am Sitz des Schiedsgerichts verlangt, so sind die Parteien doch immerhin unter dem Aspekt von Treu und Glauben grundsätzlich gehalten, ihre Einwände bereits im Schiedsverfahren rechtzeitig vorzubringen, andernfalls sie sich im Vollstreckungsverfahren nicht mehr darauf berufen können (vgl. Urteile 4A_374/2014 vom 26. Februar 2015 E. 4.2.2; 4A_124/2010 vom 4. Oktober 2010 E. 6.3.3.1; je mit Hinweisen). Im erstgenannten Urteil liess das Bundesgericht offen, ob dies auch hinsichtlich von Fehlern gilt, die den verfahrensrechtlichen Ordre public betreffen. In einem weiteren Urteil (4A_305/2009 vom 5. Oktober 2009) äusserte sich das Bundesgericht zur analogen Fragestellung im Zusammenhang mit der Anerkennung ausländischer Gerichtsentscheide. In diesem Fall war über die Vollstreckbarerklärung eines Urteils des Landesgerichts Bonn zu befinden. Die Vollstreckungsgegnerin hatte als Verstoss gegen den formellen Ordre public im Sinne von Art. 27 Abs. 1 LugÜ gerügt, dass am Oberlandesgericht Köln, welches ihre Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil abgewiesen hatte, eine befangene Richterin mitgewirkt habe. Das Bundesgericht hielt unter Bezugnahme auf seine publizierte Rechtsprechung zur Geltendmachung von Ausstandsgründen fest, treuwidrig und rechtsmissbräuchlich handle die Partei, die Ablehnungsgründe gleichsam in "Reserve" halte, "um diese bei ungünstigem Prozessverlauf und voraussehbarem Prozessverlust nachzuschieben". Die Vollstreckungsgegnerin müsse sich entgegenhalten lassen, dass sie die (zur Begründung des Ordre-public-Verstosses) angerufenen Umstände ohne weiteres hätte zur Kenntnis nehmen können, um einen allfälligen Ablehnungsgrund rechtzeitig im hängigen Verfahren vor Oberlandesgericht geltend zu machen. Indem sie damit bis nach dessen Abschluss zugewartet habe, habe sie die Möglichkeit zur Ablehnung der betroffenen Oberlandesrichterin verwirkt (E. 4.2). 5.3 Die Wertungsgesichtspunkte, die der dargestellten Rechtsprechung zugrundeliegen, sind auch im hier zu beurteilenden Fall massgebend: 5.3.1 Gemäss der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz begründete die Beschwerdeführerin ihren Bestechungsvorwurf im kantonalen Verfahren (unter anderem) wie folgt: Am 15. Juli 2011 habe die mündliche Verhandlung vor dem erstinstanzlichen BGE 141 III 210 S. 218 Arbitragegericht der Stadt Moskau mit dem vorsitzenden Richter E. stattgefunden. Trotz der äusserst komplexen Materie sowie dem umfangreichen Material habe die für zwei Stunden angesetzte Verhandlung lediglich von 14.10 Uhr bis 15.05 Uhr gedauert. Der für sie teilnehmende F. (ihr damaliger Chief Risk Officer) sei schockiert gewesen, als er gesehen habe, welch freundschaftlichen Umgang der Richter E. mit den Anwälten sowie der General Counsel der Beschwerdegegnerin, G., während der Verhandlung gepflegt habe und wie kurz und unsubstanziiert diese abgelaufen sei. Kurz nach dieser ersten Erfahrung mit russischen Gerichten sei ihr seitens der Schadensregulierer H. zugetragen worden, sie hätten gerüchteweise gehört, dass der Richter durch die Beschwerdegegnerin bestochen worden sei. Ebenfalls kurze Zeit nach der erstinstanzlichen Gerichtsverhandlung sei sie - die Beschwerdeführerin - auf einen Artikel im Onlinemagazin "Prime" vom 9. Juni 2011 aufmerksam geworden. Darin seien I., Leiterin des Corporate Accounting der Beschwerdegegnerin, sowie G. zu Wort gekommen und damit zitiert worden, die Beschwerdegegnerin habe für den Gerichtsfall gegen "A." in Sachen C.-Vertrag eine Rückstellung für Prozesskosten ("Legal service fees") von 169 Mio. Russische Rubel oder umgerechnet 5,5 Mio. US-Dollar verbucht. Die Höhe dieser Summe - so die Beschwerdeführerin - sei für das Verfahren äusserst ungewöhnlich gewesen, was auch schon offensichtlich werde, wenn man sie in Bezug zum Streitwert von 25 Mio. US-Dollar setze. Dieser Betrag sei offensichtlich für mehr als nur für die gesetzlich geschuldeten Gerichts- und Anwaltskosten vorgesehen gewesen. 5.3.2 Im Anerkennungsverfahren einen dieser Art begründeten Ordre-public-Einwand zu erheben, widerspricht unter den gegebenen Umständen Treu und Glauben und ist offenbar rechtsmissbräuchlich: So gehen die von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Anhaltspunkte auf Korruption nicht über vage Indizien hinaus. Das gilt für den als freundschaftlich wahrgenommenen Umgang eines Richters mit Parteivertretern ebenso wie für die als kurz und unsubstanziiert empfundene Verhandlung und die von der Beschwerdegegnerin angeblich getätigte Rückstellung. All diese Elemente könnten zwar theoretisch mit einer Bestechungszahlung im Zusammenhang stehen, müssen aber gewiss nicht einen solchen kriminellen Hintergrund haben. Jedenfalls fügen sie sich bloss dann in das von der BGE 141 III 210 S. 219 Beschwerdeführerin gezeichnete Bild, wenn - als Prämisse - unterstellt wird, die russische Justiz und namentlich die Arbitragegerichte seien generell von Korruption unterwandert. Die Beschwerdeführerin selber hatte aber unbestrittenermassen mit der Beschwerdegegnerin einen Rückversicherungsvertrag abgeschlossen, der eine Gerichtsstandsklausel zugunsten der russischen Gerichte enthielt. Wie sie im Verfahren vor dem Bundesgericht selber ausführt, hatte sie der Gerichtsstandsvereinbarung im Bewusstsein darum zugestimmt, "dass Bestechlichkeit unter russischen Richtern weit verbreitet ist". Mit anderen Worten gründete die - anerkannte - internationale Zuständigkeit der russischen Gerichte auf einem bewussten Entscheid und einer rechtsgeschäftlichen Erklärung der Beschwerdeführerin, sich im Streitfall jener Gerichtsbarkeit zu unterziehen, welche sie nun als von vornherein inakzeptabel darstellt. In diesem Zusammenhang verkennt die Beschwerdeführerin, dass sie bereits aus Gründen der Vertragstreue grundsätzlich dazu verpflichtet war, am Verfahren vor dem prorogierten Gericht mitzuwirken und eine verfahrenskonforme Streiterledigung zu ermöglichen (vgl. für das Schiedsverfahren BGE 111 Ia 72 E. 2b mit Hinweisen). Die Beschwerdeführerin erhob im russischen Verfahren zwar einerseits Widerklage auf Rückerstattung ihrer Versicherungsleistungen, verzichtete andererseits aber darauf, ihren Korruptionsverdacht zum Ausdruck zu bringen und sich gegen die mögliche Bestechung zur Wehr zu setzen, sei es mittels eines formellen Ausstandsbegehrens, sei es durch blosse Anbringung eines Vorbehalts. Hierzu hätte sie indessen nach ihrer eigenen Darstellung genügenden Anlass gehabt: So machte die Beschwerdeführerin vor dem Bezirksgericht geltend, sie sei bereits nach dem erstinstanzlichen russischen Erkenntnisverfahren überzeugt davon gewesen, dass das gegen sie eingeleitete Verfahren nicht in rechtsstaatlichen Bahnen ablaufe. Im zweitinstanzlichen Verfahren hätten sich die entsprechenden Gerüchte und Indizien langsam zu verdichten begonnen. Dass sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht in der Lage gewesen wäre, entsprechende prozessuale Schritte zu unternehmen, weil ihr bestimmte erhebliche Tatsachen oder Beweismittel noch nicht vorlagen, tut sie nicht dar. Im Gegenteil machte die Beschwerdeführerin selber geltend, sie habe erwogen, im zweitinstanzlichen Verfahren entsprechende Einwände zur Bestechung des erstinstanzlichen Richters zu erheben. BGE 141 III 210 S. 220 Auf Empfehlung ihres Anwalts habe sie aber schnell einsehen müssen, dass dies in einem korrupten Justizsystem kaum Aussicht auf Erfolg zeitigen würde. In Bestechungsfällen würden nämlich aus naheliegenden Gründen die Richter aller Instanzen bestochen bzw. müssten die Richter aller Instanzen bestochen werden. Es gebe daher für einen westeuropäischen Beklagten keine andere Wahl, als im russischen Justizsystem das Endurteil abzuwarten, um dann im Anerkennungsverfahren im westlichen Ausland die dort gewährleisteten verfassungsmässigen Rechte auf einen unparteiischen Richter anzurufen. Im Verfahren vor dem Bundesgericht rechtfertigt die Beschwerdeführerin ihr Vorgehen erneut damit, unter der Prämisse, dass alle vier russischen Gerichtsinstanzen infolge Bestechung durch die Beschwerdegegnerin korrupt gewesen seien, sei es für sie (die Beschwerdeführerin) "aus Gründen der Logik" aussichtslos gewesen, den Vorwurf korrupten Verhaltens der russischen Gerichte und der Beschwerdegegnerin in Russland erfolgreich zu erheben. Denn diese Rüge - so die Beschwerdeführerin - "wäre von den bestochenen Richtern selbstredend abgewiesen worden". Diese Ausführungen stehen zunächst in Widerspruch zur verbindlichen Feststellung der Vorinstanz, wonach die Bestechungsvorwürfe im russischen Erkenntnisverfahren mit einem Rechtsmittel hätten vorgebracht werden können und es der Beschwerdeführerin nicht gelungen sei, glaubhaft zu machen, dass die Rüge der Bestechlichkeit im russischen Rechtsmittelverfahren offensichtlich aussichtslos gewesen wäre (dazu nicht publ. E. 5.4.2). Dass nicht feststeht, ob eine entsprechende Rüge erfolgreich gewesen wäre, liegt in der Natur der Sache. Die Beschwerdeführerin hat sich jedenfalls selber zuzuschreiben, wenn sie gar keinen Einwand erhob und die (nun im Anerkennungsverfahren erhobenen) Korruptionsvorwürfe deshalb im Entscheidverfahren unbeurteilt blieben. Unter der - beschwerdeseits aufgestellten - Prämisse, dass ohnehin sämtliche Richter im gesamten russischen Instanzenzug von der Beschwerdegegnerin bestochen wurden, ist aber bereits nicht nachvollziehbar, weshalb die Beschwerdeführerin überhaupt den Rechtsmittelweg beschritt, hätte ihr dies (nach ihrer eigenen Sachdarstellung) doch von vornherein als aussichtslos erscheinen müssen. Wenn die Beschwerdeführerin (angeblich) ohnehin mit ihrem vollständigen Unterliegen im Rechtsmittelverfahren rechnen musste, ist schliesslich auch nicht erkennbar, was sie durch einen entsprechenden Einwand im Prozess hätte verlieren können. Es gelingt der Beschwerdeführerin somit nicht, BGE 141 III 210 S. 221 widerspruchsfrei zu erklären, weshalb sie die Korruptionsvorwürfe erst im Anerkennungsverfahren erhoben hat. 5.3.3 Zusammengefasst ging die Beschwerdeführerin bewusst eine Zuständigkeitsvereinbarung zu Gunsten der russischen Gerichte für Streitigkeiten aus dem abgeschlossenen Rückversicherungsvertrag ein, prozessierte in der Folge vor den prorogierten Gerichten als Beklagte und Widerklägerin über vier Instanzen bis zu ihrem rechtskräftigen Unterliegen, um dann erstmals im Anerkennungsverfahren in der Schweiz - aufgrund einzelner, nicht eindeutiger Indizien - pauschale Korruptionsvorwürfe gegen die urteilenden russischen Gerichte zu erheben. Ein derartiges Verhalten ist widersprüchlich und treuwidrig, zumal nicht ersichtlich ist, aus welchem Grund die Beschwerdeführerin die entsprechenden Bedenken nicht bereits im russischen Entscheidverfahren in geeigneter Form hätte zum Ausdruck bringen können. Der Ordre-public-Einwand der Beschwerdeführerin erweist sich in einer Gesamtbetrachtung als offenbar rechtsmissbräuchlich und verdient nach Art. 2 Abs. 2 ZGB keinen Rechtsschutz. (...) 5.5 Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz jedenfalls im Ergebnis nicht gegen Bundesrecht verstossen, wenn sie der Beschwerdeführerin die Berufung auf Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG wegen Verspätung verwehrte und in der Folge nicht weiter auf die Argumentation einging, die Beschwerdegegnerin habe die am russischen Entscheidverfahren mitwirkenden Richter bestochen. Die von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang gerügten Rechtsverletzungen sind nicht gegeben. Bei dieser Sachlage kann der erhobene Korruptionsvorwurf auch im bundesgerichtlichen Verfahren inhaltlich unbeurteilt bleiben. Es braucht nicht auf die weiteren Ausführungen zum Ordre-public-Einwand gemäss Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG eingegangen zu werden, mit denen die Beschwerdeführerin ihren materiellen Antrag auf Abweisung des Begehrens der Beschwerdegegnerin um Anerkennung und Vollstreckbarerklärung der russischen Entscheidung begründet.
Urteilskopf
31. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. Ltd gegen OAO B. (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_203/2014 vom 9. April 2015
Regeste Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG ; Art. 2 ZGB ; Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen; Verletzung wesentlicher Grundsätze des schweizerischen Verfahrensrechts; Rechtsmissbrauch bei der Geltendmachung von Anerkennungsverweigerungsgründen. Hat die Beschwerdeführerin den Einwand, die Gegenpartei habe die am russischen Entscheidverfahren mitwirkenden Richter bestochen, rechtzeitig erhoben? Offengelassen, ob im Rahmen der internationalen Urteilsanerkennung in Anwendung von Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG vom Anerkennungsgegner generell zu verlangen ist, dass er gegen Verfahrensmängel im ausländischen Entscheidverfahren die ihm zur Verfügung stehenden Rechtsmittel ausgeschöpft hat, da unter den vorliegenden Umständen der Ordre-public-Einwand im Anerkennungsverfahren rechtsmissbräuchlich erhoben wurde (E. 4 und 5).
Regeste
Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG ; Art. 2 ZGB ; Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen; Verletzung wesentlicher Grundsätze des schweizerischen Verfahrensrechts; Rechtsmissbrauch bei der Geltendmachung von Anerkennungsverweigerungsgründen. Hat die Beschwerdeführerin den Einwand, die Gegenpartei habe die am russischen Entscheidverfahren mitwirkenden Richter bestochen, rechtzeitig erhoben? Offengelassen, ob im Rahmen der internationalen Urteilsanerkennung in Anwendung von Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG vom Anerkennungsgegner generell zu verlangen ist, dass er gegen Verfahrensmängel im ausländischen Entscheidverfahren die ihm zur Verfügung stehenden Rechtsmittel ausgeschöpft hat, da unter den vorliegenden Umständen der Ordre-public-Einwand im Anerkennungsverfahren rechtsmissbräuchlich erhoben wurde (E. 4 und 5).
Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG Art. 2 ZGB Hat die Beschwerdeführerin den Einwand, die Gegenpartei habe die am russischen Entscheidverfahren mitwirkenden Richter bestochen, rechtzeitig erhoben? Offengelassen, ob im Rahmen der internationalen Urteilsanerkennung in Anwendung von Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG vom Anerkennungsgegner generell zu verlangen ist, dass er gegen Verfahrensmängel im ausländischen Entscheidverfahren die ihm zur Verfügung stehenden Rechtsmittel ausgeschöpft hat, da unter den vorliegenden Umständen der Ordre-public-Einwand im Anerkennungsverfahren rechtsmissbräuchlich erhoben wurde (E. 4 und 5).
Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG Sachverhalt ab Seite 211
Sachverhalt ab Seite 211 BGE 141 III 210 S. 211
BGE 141 III 210 S. 211
A. Die OAO B. (Beschwerdegegnerin) ist eine Versicherungsgesellschaft mit Sitz in Moskau und eine vollkonsolidierte Tochtergesellschaft des deutschen B. Konzerns. Die A. Ltd (Beschwerdeführerin) bezweckt jede Art von Direkt- und Rückversicherung mit Ausnahme der direkten Lebensversicherung. Sie ist auf die Deckung von Risiken im Zusammenhang mit dem Bau und Betrieb von internationalen Infrastrukturanlagen spezialisiert. Ihr Sitz befindet sich in Zürich.
A. Am 25. Dezember 2008 schloss die OAO B. mit der staatlichen russischen Energiegesellschaft C. (Versicherungsnehmerin) einen Vertrag betreffend die Versicherung diverser Wasserkraftwerke und anderer Gebäude der Versicherungsnehmerin ab. Kurz zuvor war sie mit verschiedenen Rückversicherungsgesellschaften, darunter der A. Ltd mit einem Anteil von 17,2 %, separate Rückversicherungsverträge über eine Summe von insgesamt 200 Mio. USD eingegangen. Der Rückversicherungsvertrag mit der A. Ltd enthielt eine Gerichtsstandsklausel zugunsten der russischen Gerichte.
Am 17. August 2009 ereignete sich im versicherten Wasserkraftwerk D. ein folgenschwerer Unfall. Trotz des Widerstands der Rückversicherer zahlte die OAO B. der C. bis Ende Juli 2010 die volle Versicherungssumme gemäss dem Erstversicherungsvertrag aus. Die Rückversicherer stellten sich zunächst auf den Standpunkt, dass infolge grober Pflichtverletzungen seitens der Versicherungsnehmerin kein Versicherungsfall vorliege. Schliesslich leisteten sie ihre jeweiligen Anteile an der Versicherungssumme - mit Ausnahme der A. Ltd, die bloss rund 11,5 Mio. USD überwies.
Am 30. Dezember 2010 machte die OAO B. beim Arbitragegericht der Stadt Moskau, einem staatlichen Handelsgericht, eine BGE 141 III 210 S. 212 Forderungsklage über 765'786'695.27 Russische Rubel gegen die A. Ltd anhängig. Die A. Ltd erhob Widerklage auf Rückerstattung der geleisteten Zahlung. Am 22. Juli 2011 hiess das Arbitragegericht die Klage gut und wies die Widerklage ab. Diese Entscheidung focht die A. Ltd beim Neunten Arbitrage- und Appellationsgericht an, das sie (als erste Rechtsmittelinstanz) mit Verordnung vom 30. November 2011 bestätigte. Die A. Ltd gelangte daraufhin an die dritte Instanz, das Föderale Arbitragegericht der Moskauer Region. Mit Verordnung vom 16. Mai 2012 gab dieses der Kassationsbeschwerde nicht statt. Schliesslich lehnte das Oberste Arbitragegericht der Russischen Föderation mit Beschluss vom 11. Dezember 2012 die Verweisung des Verfahrens an ihren Präsidenten zur aufsichtsrechtlichen Überprüfung ab. Damit war der Instanzenzug in Russland erschöpft.
BGE 141 III 210 S. 212
B. Mit Eingabe vom 28. Januar 2013 gelangte die OAO B. an das Bezirksgericht Zürich. Sie beantragte, die Entscheidung des Arbitragegerichts der Stadt Moskau vom 22. Juli 2011 " in Verbindung mit" der Verordnung des Neunten Arbitrage- und Appellationsgerichts vom 30. November 2011, der Verordnung des Föderalen Arbitragegerichts der Moskauer Region vom 16. Mai 2012 und dem Beschluss des Obersten Arbitragegerichts der Russischen Föderation vom 11. Dezember 2012 gegen die A. Ltd anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären. Die A. Ltd widersetzte sich diesem Begehren unter Berufung auf Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG. Sie machte geltend, die OAO B. habe die russischen Richter bestochen, womit die Entscheidung unter Verletzung wesentlicher Grundsätze des schweizerischen Verfahrensrechts zustande gekommen sei und ihre Anerkennung gegen den sogenannten formellen Ordre public verstossen würde.
B. Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG Das Bezirksgericht gelangte zum Schluss, die A. Ltd scheitere mit dem Beweis, dass die russischen Gerichte bestochen worden seien. Demzufolge gab es dem Begehren um Vollstreckbarerklärung der Entscheidung mit Urteil vom 14. Oktober 2013 statt.
Die von der A. Ltd dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 26. Februar 2014 ab. Dabei liess es die A. Ltd mit dem Einwand der Bestechung gar nicht erst zu. Es räumte zwar ein, wenn in einem ausländischen Verfahren nachweislich bestochen worden sei, so wäre einer in diesem Verfahren ergangenen Entscheidung in der Schweiz die Anerkennung BGE 141 III 210 S. 213 zu versagen. Vorliegend seien die Bestechungsvorwürfe indessen verspätet erhoben worden, da sie im russischen Erkenntnisverfahren mit einem Rechtsmittel hätten vorgebracht werden können und müssen. Die A. Ltd aber habe im russischen Verfahren nicht einmal einen Vorbehalt im Hinblick auf das Anerkennungsverfahren angebracht, sondern ihre Vorwürfe für sich behalten, bis der letztinstanzliche Entscheid des Obersten Arbitragegerichts der Russischen Föderation ergangen sei. Die Berufung auf Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG sei ihr daher zu verwehren.
BGE 141 III 210 S. 213
Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG C. Das Bundesgericht weist die Beschwerde in Zivilsachen der A. Ltd gegen das Urteil des Obergerichts ab, soweit es darauf eintritt.
C. (Zusammenfassung)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
4.
4. 4.1 Das Gesetz enthält keine Aussage dazu, ob und gegebenenfalls in welchem Zeitpunkt sowie in welcher Form sich eine Partei im ausländischen Verfahren gegen einen Verfahrensfehler wehren muss, damit sie sich später deswegen gestützt auf Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG (SR 291) der Anerkennung der Entscheidung widersetzen kann, respektive unter welchen Voraussetzungen der entsprechende Einwand im Anerkennungsverfahren als präkludiert zu gelten hat.
4.1 Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG Insofern unterscheidet sich die Ausgangslage von anderen Anerkennungsvoraussetzungen, zu deren Geltendmachung im ausländischen Entscheidverfahren sich das Gesetz explizit äussert:
So kann sich gemäss Art. 27 Abs. 2 lit. a IPRG die nicht gehörig geladene Partei der Anerkennung der Entscheidung nicht widersetzen, wenn sie sich vorbehaltlos auf das Verfahren eingelassen hat. Entsprechendes gilt für die Zuständigkeit der ausländischen Behörde. Gemäss Art. 26 lit. c IPRG ist diese begründet, wenn sich der Beklagte in einer vermögensrechtlichen Streitigkeit vorbehaltlos auf den Rechtsstreit eingelassen hat. Eine vorbehaltlose Einlassung auf den Rechtsstreit kann allerdings nicht schon darin erblickt werden, dass auf den Weiterzug des ausländischen Urteils an eine höhere Instanz verzichtet wird, nachdem das Gericht die Einrede der Unzuständigkeit verworfen hat (siehe BGE 111 II 175 E. 1; vgl. auch BGE 98 Ia 314 E. 3 mit Hinweisen; BUCHER, in: Commentaire romand, Loi sur le droit international privé - Convention de Lugano, BGE 141 III 210 S. 214 2011, N. 4 zu Art. 6 IPRG ; WALTER/DOMEJ, Internationales Zivilprozessrecht der Schweiz, 5. Aufl. 2012, S. 143).
Art. 27 Abs. 2 lit. a IPRG Art. 26 lit. c IPRG BGE 141 III 210 S. 214
Art. 6 IPRG Weiter geht in dieser Hinsicht das - vorliegend nicht anwendbare - Übereinkommen vom 30. Oktober 2007 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Lugano-Übereinkommen, LugÜ; SR 0.275.12). In dessen Geltungsbereich kann die Zuständigkeit der Gerichte des Ursprungsstaates im Rahmen der Anerkennung grundsätzlich überhaupt nicht mehr überprüft werden (vgl. Art. 35 Abs. 3 LugÜ ), womit der Beklagte im Ergebnis darauf verwiesen ist, sich im Ausland auf dem Rechtsmittelweg gegen die Zuständigkeit des urteilenden Gerichts zur Wehr zu setzen (vgl. SCHULER, in: Basler Kommentar, Lugano-Übereinkommen, 2011, N. 8 zu Art. 35 LugÜ, mit Hinweisen). Sodann steht das Anerkennungshindernis der mangelhaften oder fehlenden Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks gemäss Art. 34 Nr. 2 LugÜ unter dem einschränkenden Vorbehalt, dass der Beklagte, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, "gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt" hat, "obwohl er die Möglichkeit dazu hatte". Zu beachten ist allerdings, dass die Schweiz entsprechend dem Vorbehalt gemäss Artikel III Absatz 1 des Protokolls Nr. 1 über bestimmte Zuständigkeits-, Verfahrens- und Vollstreckungsfragen erklärt hat, dass sie den besagten Teil der Bestimmung nicht anwenden wird (siehe Art. 1 Abs. 3 des Bundesbeschlusses vom 11. Dezember 2009 über die Genehmigung und die Umsetzung des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen[Lugano-Übereinkommen] [AS 2010 5601]). Demgegenüber enthält Art. 34 Nr. 1 LugÜ, der den Anerkennungsverweigerungsgrund des offensichtlichen Widerspruchs zur öffentlichen Ordnung ( ordre public ) statuiert, - wie Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG - keine entsprechende Regelung.
Art. 35 Abs. 3 LugÜ Art. 35 LugÜ Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG 4.2 Die Vorinstanz folgte im angefochtenen Urteil einer zu Art. 34 Nr. 1 des Lugano-Übereinkommens (respektive der Verordnung [EG] Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen [EuGVVO]) publizierten Lehrmeinung. Gemäss dieser kann auch ein krasser Verfahrensverstoss die Anerkennung im Allgemeinen nicht hindern, "wenn im BGE 141 III 210 S. 215 Erstverfahren Rechtsmittel hätten ausgeschöpft werden können, um den Mangel zu beseitigen" (siehe KROPHOLLER/VON HEIN, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl. 2011, N. 14 zu Art. 34 EuGVVO; ähnlich auch GEIMER/SCHÜTZE, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl. 2010, N. 30 zu Art. 34 EuGVVO). Die Vorinstanz berücksichtigte diese Auffassung "[i]m Interesse eines einheitlichen internationalen Vollstreckungsrechts" bei der Auslegung von Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG und machte sie - unter Berufung auf ihre eigene Rechtsprechung aus dem Jahr 1997 (Urteil des Obergerichts Zürich NL970038 vom 25. Juni 1997 E. III/5b) - zur Regel.
4.2 BGE 141 III 210 S. 215
Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG 4.3 Dass die zugrundeliegende Betrachtungsweise in der Literatur zum IPRG zumindest nicht unbestritten ist, entging der Vorinstanz nicht: So zitiert sie im angefochtenen Entscheid insbesondere einen Beitrag, in dem die erwähnte Rechtsprechung des Obergerichts ausdrücklich als zu weitgehend kritisiert wird. Seine Autoren möchten ihrerseits genügen lassen, dass die beklagte Partei im Erstprozess eine Erklärung abgibt, wonach sie sich einem bestimmten Vorgehen anlässlich des nachfolgenden Anerkennungsprozesses widersetzen werde, so dass die klägerische Partei selber beurteilen könne, "ob sie mit dem materiellen Verfahren trotzdem weiterfahren möchte" (BERNET/VOSER, Praktische Fragen im Zusammenhang mit Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile nach IPRG, SZIER 2000 S. 452-454; vgl. auch BUCHER, a.a.O., N. 48 zu Art. 27 IPRG ; DÄPPEN/MABILLARD, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 3. Aufl. 2013, N. 17b zu Art. 27 IPRG ).
4.3 Art. 27 IPRG Art. 27 IPRG Sodann wies die Vorinstanz zu Recht auch auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung aus der Zeit vor dem Lugano-Übereinkommen hin, so namentlich auf BGE 85 I 39 : In diesem - das Abkommen vom 2. November 1929 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Deutschen Reich über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen (SR 0.276.191.361) betreffenden - Urteil hatte das Bundesgericht noch in allgemeiner Form festgehalten, die in der Schweiz wohnhafte Partei, der gegenüber im Ausland ein gegen den schweizerischen Ordre public verstossendes Urteil ergehe, dürfe "dessen Vollstreckung in der Schweiz abwarten und den Mangel dann geltend machen" (E. 4c S. 51).
Gegen die Lösung der Vorinstanz könnte schliesslich auch der Umstand angeführt werden, dass KROPHOLLER/VON HEIN selber bei der BGE 141 III 210 S. 216 Begründung ihrer Auffassung zu Art. 34 Nr. 1 EuGVVO (in der aktuellen Auflage des zitierten Werks) einen Zusammenhang zu Art. 34 Nr. 2 EuGVVO herstellen, wo "dieser Aspekt", d.h. der Grundsatz, wonach Rechtsmittel im Entscheidverfahren auszuschöpfen sind, ausdrücklich niedergelegt sei. Denn für die Schweiz gilt die entsprechende Regel gerade nicht (E. 4.1).
BGE 141 III 210 S. 216
5.
5. 5.1 Ob es sich angesichts des eben Ausgeführten rechtfertigt, im Rahmen der internationalen Urteilsanerkennung in Anwendung von Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG vom Anerkennungsgegner generell zu verlangen, dass er gegen Verfahrensmängel im ausländischen Entscheidverfahren die ihm zur Verfügung stehenden Rechtsmittel ausgeschöpft hat, braucht vorliegend indessen nicht abschliessend beurteilt zu werden. Denn wie nachfolgend aufzuzeigen sein wird, widerspricht es jedenfalls unter den konkret gegebenen Umständen dem Gebot von Treu und Glauben sowie dem Rechtsmissbrauchsverbot, wenn die Beschwerdeführerin im Exequaturverfahren unter dem Gesichtspunkt der Anerkennungsverweigerung überhaupt erstmals Bestechungsvorwürfe gegen die russischen Gerichte erhob. Ihr Ordre-public-Einwand erweist sich bereits aus diesem Grund als unzulässig.
5.1 Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG 5.2 Gemäss ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts verstösst es gegen Art. 2 ZGB (respektive Art. 52 ZPO ), formelle Rügen, die in einem früheren Prozessstadium hätten geltend gemacht werden können, bei ungünstigem Ausgang noch später vorzubringen ( BGE 135 III 334 E. 2.2; Urteil 5A_837/2012 vom 25. Juni 2013 E. 5 mit zahlreichen Hinweisen). So ist etwa ein Ausstandsbegehren - unter Verwirkungsfolge - unverzüglich nach Kenntnis des Ausstandsgrundes zu stellen ( BGE 136 I 207 E. 3.4; BGE 134 I 20 E. 4.3.1; BGE 132 II 485 E. 4.3).
5.2 Art. 2 ZGB Art. 52 ZPO Das Gebot von Treu und Glauben und das Rechtsmissbrauchsverbot gelten auch in grenzüberschreitenden Verhältnissen (siehe BGE 128 III 201 E. 1c mit Hinweisen; Urteil 4A_292/2012 vom 16. Oktober 2012 E. 2.6, nicht publ. in: BGE 138 III 750 ). Sie haben auch im Rahmen der internationalen Anerkennung von Gerichtsentscheiden und Schiedssprüchen Bedeutung:
Namentlich sind sie bei der Geltendmachung von verfahrensrechtlichen Verweigerungsgründen nach dem Übereinkommen vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer BGE 141 III 210 S. 217 Schiedssprüche (SR 0.277.12) zu beachten. Wenn Letzteres auch nicht die Ausschöpfung der Möglichkeiten zur Anfechtung des Schiedsspruchs am Sitz des Schiedsgerichts verlangt, so sind die Parteien doch immerhin unter dem Aspekt von Treu und Glauben grundsätzlich gehalten, ihre Einwände bereits im Schiedsverfahren rechtzeitig vorzubringen, andernfalls sie sich im Vollstreckungsverfahren nicht mehr darauf berufen können (vgl. Urteile 4A_374/2014 vom 26. Februar 2015 E. 4.2.2; 4A_124/2010 vom 4. Oktober 2010 E. 6.3.3.1; je mit Hinweisen). Im erstgenannten Urteil liess das Bundesgericht offen, ob dies auch hinsichtlich von Fehlern gilt, die den verfahrensrechtlichen Ordre public betreffen.
BGE 141 III 210 S. 217
In einem weiteren Urteil (4A_305/2009 vom 5. Oktober 2009) äusserte sich das Bundesgericht zur analogen Fragestellung im Zusammenhang mit der Anerkennung ausländischer Gerichtsentscheide. In diesem Fall war über die Vollstreckbarerklärung eines Urteils des Landesgerichts Bonn zu befinden. Die Vollstreckungsgegnerin hatte als Verstoss gegen den formellen Ordre public im Sinne von Art. 27 Abs. 1 LugÜ gerügt, dass am Oberlandesgericht Köln, welches ihre Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil abgewiesen hatte, eine befangene Richterin mitgewirkt habe. Das Bundesgericht hielt unter Bezugnahme auf seine publizierte Rechtsprechung zur Geltendmachung von Ausstandsgründen fest, treuwidrig und rechtsmissbräuchlich handle die Partei, die Ablehnungsgründe gleichsam in "Reserve" halte, "um diese bei ungünstigem Prozessverlauf und voraussehbarem Prozessverlust nachzuschieben". Die Vollstreckungsgegnerin müsse sich entgegenhalten lassen, dass sie die (zur Begründung des Ordre-public-Verstosses) angerufenen Umstände ohne weiteres hätte zur Kenntnis nehmen können, um einen allfälligen Ablehnungsgrund rechtzeitig im hängigen Verfahren vor Oberlandesgericht geltend zu machen. Indem sie damit bis nach dessen Abschluss zugewartet habe, habe sie die Möglichkeit zur Ablehnung der betroffenen Oberlandesrichterin verwirkt (E. 4.2).
Art. 27 Abs. 1 LugÜ 5.3 Die Wertungsgesichtspunkte, die der dargestellten Rechtsprechung zugrundeliegen, sind auch im hier zu beurteilenden Fall massgebend:
5.3 5.3.1 Gemäss der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz begründete die Beschwerdeführerin ihren Bestechungsvorwurf im kantonalen Verfahren (unter anderem) wie folgt: Am 15. Juli 2011 habe die mündliche Verhandlung vor dem erstinstanzlichen BGE 141 III 210 S. 218 Arbitragegericht der Stadt Moskau mit dem vorsitzenden Richter E. stattgefunden. Trotz der äusserst komplexen Materie sowie dem umfangreichen Material habe die für zwei Stunden angesetzte Verhandlung lediglich von 14.10 Uhr bis 15.05 Uhr gedauert. Der für sie teilnehmende F. (ihr damaliger Chief Risk Officer) sei schockiert gewesen, als er gesehen habe, welch freundschaftlichen Umgang der Richter E. mit den Anwälten sowie der General Counsel der Beschwerdegegnerin, G., während der Verhandlung gepflegt habe und wie kurz und unsubstanziiert diese abgelaufen sei. Kurz nach dieser ersten Erfahrung mit russischen Gerichten sei ihr seitens der Schadensregulierer H. zugetragen worden, sie hätten gerüchteweise gehört, dass der Richter durch die Beschwerdegegnerin bestochen worden sei. Ebenfalls kurze Zeit nach der erstinstanzlichen Gerichtsverhandlung sei sie - die Beschwerdeführerin - auf einen Artikel im Onlinemagazin "Prime" vom 9. Juni 2011 aufmerksam geworden. Darin seien I., Leiterin des Corporate Accounting der Beschwerdegegnerin, sowie G. zu Wort gekommen und damit zitiert worden, die Beschwerdegegnerin habe für den Gerichtsfall gegen "A." in Sachen C.-Vertrag eine Rückstellung für Prozesskosten ("Legal service fees") von 169 Mio. Russische Rubel oder umgerechnet 5,5 Mio. US-Dollar verbucht. Die Höhe dieser Summe - so die Beschwerdeführerin - sei für das Verfahren äusserst ungewöhnlich gewesen, was auch schon offensichtlich werde, wenn man sie in Bezug zum Streitwert von 25 Mio. US-Dollar setze. Dieser Betrag sei offensichtlich für mehr als nur für die gesetzlich geschuldeten Gerichts- und Anwaltskosten vorgesehen gewesen.
5.3.1 BGE 141 III 210 S. 218
5.3.2 Im Anerkennungsverfahren einen dieser Art begründeten Ordre-public-Einwand zu erheben, widerspricht unter den gegebenen Umständen Treu und Glauben und ist offenbar rechtsmissbräuchlich:
5.3.2 So gehen die von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Anhaltspunkte auf Korruption nicht über vage Indizien hinaus. Das gilt für den als freundschaftlich wahrgenommenen Umgang eines Richters mit Parteivertretern ebenso wie für die als kurz und unsubstanziiert empfundene Verhandlung und die von der Beschwerdegegnerin angeblich getätigte Rückstellung. All diese Elemente könnten zwar theoretisch mit einer Bestechungszahlung im Zusammenhang stehen, müssen aber gewiss nicht einen solchen kriminellen Hintergrund haben. Jedenfalls fügen sie sich bloss dann in das von der BGE 141 III 210 S. 219 Beschwerdeführerin gezeichnete Bild, wenn - als Prämisse - unterstellt wird, die russische Justiz und namentlich die Arbitragegerichte seien generell von Korruption unterwandert. Die Beschwerdeführerin selber hatte aber unbestrittenermassen mit der Beschwerdegegnerin einen Rückversicherungsvertrag abgeschlossen, der eine Gerichtsstandsklausel zugunsten der russischen Gerichte enthielt. Wie sie im Verfahren vor dem Bundesgericht selber ausführt, hatte sie der Gerichtsstandsvereinbarung im Bewusstsein darum zugestimmt, "dass Bestechlichkeit unter russischen Richtern weit verbreitet ist". Mit anderen Worten gründete die - anerkannte - internationale Zuständigkeit der russischen Gerichte auf einem bewussten Entscheid und einer rechtsgeschäftlichen Erklärung der Beschwerdeführerin, sich im Streitfall jener Gerichtsbarkeit zu unterziehen, welche sie nun als von vornherein inakzeptabel darstellt. In diesem Zusammenhang verkennt die Beschwerdeführerin, dass sie bereits aus Gründen der Vertragstreue grundsätzlich dazu verpflichtet war, am Verfahren vor dem prorogierten Gericht mitzuwirken und eine verfahrenskonforme Streiterledigung zu ermöglichen (vgl. für das Schiedsverfahren BGE 111 Ia 72 E. 2b mit Hinweisen).
BGE 141 III 210 S. 219
Die Beschwerdeführerin erhob im russischen Verfahren zwar einerseits Widerklage auf Rückerstattung ihrer Versicherungsleistungen, verzichtete andererseits aber darauf, ihren Korruptionsverdacht zum Ausdruck zu bringen und sich gegen die mögliche Bestechung zur Wehr zu setzen, sei es mittels eines formellen Ausstandsbegehrens, sei es durch blosse Anbringung eines Vorbehalts. Hierzu hätte sie indessen nach ihrer eigenen Darstellung genügenden Anlass gehabt: So machte die Beschwerdeführerin vor dem Bezirksgericht geltend, sie sei bereits nach dem erstinstanzlichen russischen Erkenntnisverfahren überzeugt davon gewesen, dass das gegen sie eingeleitete Verfahren nicht in rechtsstaatlichen Bahnen ablaufe. Im zweitinstanzlichen Verfahren hätten sich die entsprechenden Gerüchte und Indizien langsam zu verdichten begonnen. Dass sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht in der Lage gewesen wäre, entsprechende prozessuale Schritte zu unternehmen, weil ihr bestimmte erhebliche Tatsachen oder Beweismittel noch nicht vorlagen, tut sie nicht dar.
Im Gegenteil machte die Beschwerdeführerin selber geltend, sie habe erwogen, im zweitinstanzlichen Verfahren entsprechende Einwände zur Bestechung des erstinstanzlichen Richters zu erheben. BGE 141 III 210 S. 220 Auf Empfehlung ihres Anwalts habe sie aber schnell einsehen müssen, dass dies in einem korrupten Justizsystem kaum Aussicht auf Erfolg zeitigen würde. In Bestechungsfällen würden nämlich aus naheliegenden Gründen die Richter aller Instanzen bestochen bzw. müssten die Richter aller Instanzen bestochen werden. Es gebe daher für einen westeuropäischen Beklagten keine andere Wahl, als im russischen Justizsystem das Endurteil abzuwarten, um dann im Anerkennungsverfahren im westlichen Ausland die dort gewährleisteten verfassungsmässigen Rechte auf einen unparteiischen Richter anzurufen. Im Verfahren vor dem Bundesgericht rechtfertigt die Beschwerdeführerin ihr Vorgehen erneut damit, unter der Prämisse, dass alle vier russischen Gerichtsinstanzen infolge Bestechung durch die Beschwerdegegnerin korrupt gewesen seien, sei es für sie (die Beschwerdeführerin) "aus Gründen der Logik" aussichtslos gewesen, den Vorwurf korrupten Verhaltens der russischen Gerichte und der Beschwerdegegnerin in Russland erfolgreich zu erheben. Denn diese Rüge - so die Beschwerdeführerin - "wäre von den bestochenen Richtern selbstredend abgewiesen worden".
BGE 141 III 210 S. 220
Diese Ausführungen stehen zunächst in Widerspruch zur verbindlichen Feststellung der Vorinstanz, wonach die Bestechungsvorwürfe im russischen Erkenntnisverfahren mit einem Rechtsmittel hätten vorgebracht werden können und es der Beschwerdeführerin nicht gelungen sei, glaubhaft zu machen, dass die Rüge der Bestechlichkeit im russischen Rechtsmittelverfahren offensichtlich aussichtslos gewesen wäre (dazu nicht publ. E. 5.4.2). Dass nicht feststeht, ob eine entsprechende Rüge erfolgreich gewesen wäre, liegt in der Natur der Sache. Die Beschwerdeführerin hat sich jedenfalls selber zuzuschreiben, wenn sie gar keinen Einwand erhob und die (nun im Anerkennungsverfahren erhobenen) Korruptionsvorwürfe deshalb im Entscheidverfahren unbeurteilt blieben. Unter der - beschwerdeseits aufgestellten - Prämisse, dass ohnehin sämtliche Richter im gesamten russischen Instanzenzug von der Beschwerdegegnerin bestochen wurden, ist aber bereits nicht nachvollziehbar, weshalb die Beschwerdeführerin überhaupt den Rechtsmittelweg beschritt, hätte ihr dies (nach ihrer eigenen Sachdarstellung) doch von vornherein als aussichtslos erscheinen müssen. Wenn die Beschwerdeführerin (angeblich) ohnehin mit ihrem vollständigen Unterliegen im Rechtsmittelverfahren rechnen musste, ist schliesslich auch nicht erkennbar, was sie durch einen entsprechenden Einwand im Prozess hätte verlieren können. Es gelingt der Beschwerdeführerin somit nicht, BGE 141 III 210 S. 221 widerspruchsfrei zu erklären, weshalb sie die Korruptionsvorwürfe erst im Anerkennungsverfahren erhoben hat.
BGE 141 III 210 S. 221
5.3.3 Zusammengefasst ging die Beschwerdeführerin bewusst eine Zuständigkeitsvereinbarung zu Gunsten der russischen Gerichte für Streitigkeiten aus dem abgeschlossenen Rückversicherungsvertrag ein, prozessierte in der Folge vor den prorogierten Gerichten als Beklagte und Widerklägerin über vier Instanzen bis zu ihrem rechtskräftigen Unterliegen, um dann erstmals im Anerkennungsverfahren in der Schweiz - aufgrund einzelner, nicht eindeutiger Indizien - pauschale Korruptionsvorwürfe gegen die urteilenden russischen Gerichte zu erheben. Ein derartiges Verhalten ist widersprüchlich und treuwidrig, zumal nicht ersichtlich ist, aus welchem Grund die Beschwerdeführerin die entsprechenden Bedenken nicht bereits im russischen Entscheidverfahren in geeigneter Form hätte zum Ausdruck bringen können. Der Ordre-public-Einwand der Beschwerdeführerin erweist sich in einer Gesamtbetrachtung als offenbar rechtsmissbräuchlich und verdient nach Art. 2 Abs. 2 ZGB keinen Rechtsschutz.
5.3.3 Art. 2 Abs. 2 ZGB (...)
5.5 Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz jedenfalls im Ergebnis nicht gegen Bundesrecht verstossen, wenn sie der Beschwerdeführerin die Berufung auf Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG wegen Verspätung verwehrte und in der Folge nicht weiter auf die Argumentation einging, die Beschwerdegegnerin habe die am russischen Entscheidverfahren mitwirkenden Richter bestochen. Die von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang gerügten Rechtsverletzungen sind nicht gegeben.
5.5 Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG Bei dieser Sachlage kann der erhobene Korruptionsvorwurf auch im bundesgerichtlichen Verfahren inhaltlich unbeurteilt bleiben. Es braucht nicht auf die weiteren Ausführungen zum Ordre-public-Einwand gemäss Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG eingegangen zu werden, mit denen die Beschwerdeführerin ihren materiellen Antrag auf Abweisung des Begehrens der Beschwerdegegnerin um Anerkennung und Vollstreckbarerklärung der russischen Entscheidung begründet.
Art. 27 Abs. 2 lit. b IPRG
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Urteilskopf
32. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Kantonsgericht des Kantons Zug (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_248/2014 vom 27. März 2015
Regeste Art. 166 Abs. 1 lit. c IPRG ; Anerkennung eines ausländischen Konkursdekrets in der Schweiz, Gegenrecht. Voraussetzungen für die Bejahung des Gegenrechts im Allgemeinen (E. 4). Auf dem Gebiet des internationalen Konkursrechts halten die Niederlande Gegenrecht (E. 5).
Regeste
Art. 166 Abs. 1 lit. c IPRG ; Anerkennung eines ausländischen Konkursdekrets in der Schweiz, Gegenrecht. Voraussetzungen für die Bejahung des Gegenrechts im Allgemeinen (E. 4). Auf dem Gebiet des internationalen Konkursrechts halten die Niederlande Gegenrecht (E. 5).
Art. 166 Abs. 1 lit. c IPRG Voraussetzungen für die Bejahung des Gegenrechts im Allgemeinen (E. 4). Auf dem Gebiet des internationalen Konkursrechts halten die Niederlande Gegenrecht (E. 5).
Sachverhalt ab Seite 222
Sachverhalt ab Seite 222 BGE 141 III 222 S. 222
BGE 141 III 222 S. 222
A. In der Nachlassstundung der B. AG, Zug, meldete die Muttergesellschaft C. AG, Rotterdam, eine Forderung von Fr. 1'355'147'427.- an. Gemäss Bericht der Sachwalter wurde die Forderung provisorisch im Umfang von Fr. 1'167'392'680.- anerkannt und im Umfang von Fr. 187'754'747.- bestritten. Mit Urteil vom 6. August 2012 eröffnete das Landgericht Rotterdam über die C. AG das Insolvenzverfahren und bestellte A. zum Insolvenzverwalter.
A. Mit Entscheid vom 18. Februar 2013 bestätigte das Kantonsgericht Zug den von der B. AG mit ihren Gläubigern abgeschlossenen Nachlassvertrag. Für den Fall, dass die angemeldete Forderung der C. AG im zu erstellenden Kollokationsplan zurückgewiesen würde, soweit sie von den Sachwaltern bestritten worden war, beabsichtigt A., diesen Entscheid mit Kollokationsklage anzufechten. Zu diesem Zweck möchte er das niederländische Konkursdekret über die Muttergesellschaft anerkennen lassen.
B. Mit Eingabe vom 13. September 2013 beantragte A. beim Kantonsgericht Zug die Anerkennung des Beschlusses des Landgerichts Rotterdam über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die C. AG. Mit Entscheid vom 8. Oktober 2013 wies das Kantonsgericht das Gesuch ab. BGE 141 III 222 S. 223
B. BGE 141 III 222 S. 223
Hiergegen erhob A. eine Beschwerde, welche das Obergericht des Kantons Zug mit Urteil vom 18. Februar 2014 abwies.
C. Gegen dieses Urteil hat A. eine Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Er verlangt dessen Aufhebung, die Anerkennung des Beschlusses des Landgerichts Rotterdam als ausländisches Konkursdekret und als Folge die Eröffnung eines Partikularkonkurses im Sinn von Art. 170 ff. IPRG über das in der Schweiz gelegene Vermögen der C. AG. (...)
C. Art. 170 ff. IPRG (Auszug)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
4. Gemäss Art. 166 Abs. 1 lit. c IPRG (SR 291) wird ein ausländisches Konkursdekret, das am Wohnsitz bzw. Sitz des Schuldners ergangen ist, auf Antrag der ausländischen Konkursverwaltung in der Schweiz anerkannt, wenn der Staat, in dem das Dekret ergangen ist, Gegenrecht hält.
4. Art. 166 Abs. 1 lit. c IPRG Die bundesgerichtliche Rechtsprechung legt diese Norm dahingehend aus, dass das Erfordernis in einem weiten Sinn zu verstehen und Gegenseitigkeit gegeben ist, wenn das Recht des betreffenden Staates die Wirkungen eines ausländischen Konkurses in ähnlicher - nicht in strikt identischer - Weise anerkennt; es ist mit anderen Worten nicht nötig, dass umgekehrt ein schweizerisches Konkurserkenntnis in jedem Fall anerkannt würde, sondern es reicht, wenn das ausländische Recht unter den gleichen Umständen ein schweizerisches Erkenntnis zu Bedingungen anerkennt, die nicht wesentlich schlechter sind als diejenigen, welche das schweizerische Recht für die Anerkennung eines ausländischen Erkenntnisses aufstellt ( BGE 126 III 101 E. 2d S. 105 f.; BGE 137 III 517 E. 3.2 S. 519).
Art. 166 ff. IPRG Art. 166 ff. IPRG BGE 141 III 222 S. 224
Die letztgenannte Forderung nach einer konkursmässigen Verwertung oder Auslieferung läuft darauf hinaus, dass der ausländische Staat das uneingeschränkte Universalitätsprinzip zulassen oder ein förmliches Sekundärverfahren zur Verfügung stellen müsste. Darum geht es bei der vorerwähnten bundesgerichtlichen Formel nicht. Vielmehr kann durchaus auch eine andersartige Konzeption der schweizerischen Lösung im Ergebnis ebenbürtig sein, etwa wenn dem ausländischen Konkursverwalter ohne formelle Anerkennung des Konkursdekrets die Legitimation zur Einleitung von Klagen und Zwangsvollstreckungsmassnahmen zugebilligt oder sogar ein direkter Zugang zu den inländischen Vermögenswerten des ausländischen Gemeinschuldners gegeben wird.
Schliesslich ist auf die europaweite Tendenz zur Lockerung des Gegenrechtserfordernisses zu verweisen, welche auch in der schweizerischen Gesetzgebung Niederschlag gefunden hat. So kann die FINMA aufgrund einer per 1. September 2011 in Kraft getretenen Novelle ein ausländisches Konkurserkenntnis oder ausländische Insolvenzmassnahmen unter bestimmten Voraussetzungen ohne Eröffnung eines Partikularkonkurses ( Art. 37g BankG [SR 952.0]; vgl. dazu Botschaft, BBl 2010 3993, und im Einzelnen die Verfügung der FINMA vom 28. August 2012, in: Bulletin FINMA 4/2013 S. 128 ff., insb. Rz. 30, 55 und 58 ff.) und unabhängig von der Gewährung des Gegenrechts anerkennen ( Art. 10 Abs. 2 BIV-FINMA [SR 952. 05]). Auch wenn sich diese Normen auf den Bereich der Bankeninsolvenzen beschränken, vermögen sie doch eine dahingehende objektiv-geltungszeitliche Auslegung von Art. 166 Abs. 1 lit. c IPRG zu bekräftigen, dass an die Anerkennungsvoraussetzung der Gegenseitigkeit (jedenfalls in formaler Hinsicht) nicht allzu strenge Anforderungen gestellt werden sollten.
Art. 37g BankG Art. 10 Abs. 2 BIV-FINMA Art. 166 Abs. 1 lit. c IPRG 5. Wie im angefochtenen Entscheid richtig zitiert wird, geht die Lehre, soweit eine Begründung der geäusserten Ansicht erfolgt, davon aus, dass die Niederlande kein Gegenrecht gewähren (STAEHELIN, a.a.O., S. 91 f.; HANISCH, Internationale Insolvenzrechte des BGE 141 III 222 S. 225 Auslandes, SZIER 1992 S. 15). Diese bereits über 20 Jahre zurückliegenden Publikationen werden auch in jüngerer Zeit verschiedentlich zitiert, ohne dass aber eine Auseinandersetzung mit der aktuellen Rechtslage in den Niederlanden stattfinden würde (VOLKEN, in: Zürcher Kommentar zum IPRG, N. 105 zu Art. 166 IPRG ; BERTI/MABILLARD, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 3. Aufl. 2013, N. 39 zu Art. 166 IPRG ; ZILTENER/SPÄTH, Die Anerkennung ausländischer Konkurse, ZZZ 2005 S. 79; GEHRI/KOSTKIEWICZ, Anerkennung ausländischer Insolvenzentscheide in der Schweiz, SZIER 2009 S. 203; JAQUES, La reconnaissance et les effets en Suisse d'une faillite ouverte à l'étranger, 2006, S. 47). Schliesslich wurde in BGE 137 III 570 E. 3 S. 574 für die Niederländischen Antillen (heute Curaçao) aufgrund der übereinstimmenden Parteibehauptung ohne irgendwelche Prüfung davon ausgegangen, dass kein Gegenrecht gewährt werde.
5. BGE 141 III 222 S. 225
Art. 166 IPRG Art. 166 IPRG Art. 166 Abs. 1 lit. c IPRG BGE 141 III 222 S. 226
Mit Bezug auf die Frage des Gegenrechtes kann es auch nicht entscheidend sein, dass den Niederlanden die formelle Anerkennung eines ausländischen Konkursdekretes und die Gesamtverwertung des dortigen Vermögens in einem förmlichen Verfahren fremd sind. Solches zu fordern, würde wie gesagt darauf hinauslaufen, dass die Bejahung des Gegenrechtes im Sinn von Art. 166 Abs. 1 lit. c IPRG an die Eröffnung eines Sekundärverfahrens geknüpft wäre. Nach dem Erwähnten ist aber nicht erforderlich, dass der ausländische Staat das Gegenrecht in den gleichen Formen wie die Schweiz gewährt; entscheidend ist vielmehr die Qualität der Rechtshilfe. So wird in der schweizerischen Literatur beispielsweise mit Bezug auf Österreich festgehalten, dass seit der im Zusammenhang mit der EuInsVO erfolgten Novellierung des Insolvenzrechtes (Bundesgesetz über das Internationale Insolvenzrecht, BGBl. I Nr. 36/2003 vom 13. Juni 2003) nunmehr die Gewährung des Gegenrechtes zu bejahen sei (ZILTENER/SPÄTH, a.a.O., S. 78; GEHRI/KOSTKIEWICZ, a.a.O., S. 203 Fn. 41; BRACONI, in: Commentaire romand, Loi sur le droit international privé, 2011, N. 22 zu Art. 166 IPRG ). Die Novelle sieht in Bezug auf Drittstaaten (d.h. nicht EU-Staaten zzgl. Dänemark) vor, dass gemäss § 240 Insolvenzordnung (IO) die Wirkungen eines in einem anderen Staat eröffneten Insolvenzverfahrens in Österreich grundsätzlich anerkannt werden, und zwar eo ipso, d.h. ohne dass es eines besonderen Verfahrens, z.B. eines Anerkennungsverfahrens bedürfte (MOHR, Insolvenzordnung, 11. Aufl., Wien 2012, Ziff. 1a zu § 240 IO; FEIL, Insolvenzordnung, 7. Aufl., Wien 2010, Ziff. 3 zu § 240 IO), und dass gemäss § 241 Abs. 1 IO der ausländische Insolvenzverwalter in Österreich grundsätzlich alle Befugnisse ausüben kann, die ihm im Staat, in welchem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, zustehen. Die soeben geschilderte Rechtslage, wie sie in Österreich besteht, ist jener in den Niederlanden nicht unähnlich.
Art. 166 Abs. 1 lit. c IPRG Art. 166 IPRG Dennoch haben die Zuger Gerichte die Frage, ob die Niederlande Gegenrecht im Sinn von Art. 166 Abs. 1 lit. c IPRG gewähren, verneint. Den wesentlichen Unterschied zum schweizerischen Recht sehen sie darin, dass die Niederlande dem ausländischen Konkursdekret nicht die Wirkungen eines allgemeinen Konkursbeschlages BGE 141 III 222 S. 227 zubilligen und deshalb die Einzelzwangsvollstreckungsrechte der anderen Gläubiger zu beachten sind, was einen Wettstreit zur Folge habe und die Befriedigung der schweizerischen Gläubiger vom Zufall abhängen lasse.
Art. 166 Abs. 1 lit. c IPRG BGE 141 III 222 S. 227
In der Tat führt ein ausländisches Konkurserkenntnis in den Niederlanden nicht zu einem formellen faillissementsbeslag, wie er offenbar für den inländischen Konkurs durchaus bekannt ist. Dies führt zwangsläufig dazu, dass die Einzelzwangsvollstreckungsrechte im Vordergrund stehen und insbesondere bereits begründete Beschlagsrechte anderer Gläubiger zu berücksichtigen sind. Dies allein bedeutet aber noch nicht, dass die Qualität der Rechtshilfe, welche das niederländische internationale Konkursrecht bietet, der schweizerischen qualitativ von vornherein nicht ebenbürtig wäre. Insbesondere muss es entgegen der Ansicht der Zuger Gerichte nicht eine Benachteiligung bedeuten, wenn dem ausländischen Konkursverwalter im Wesentlichen Einzelzwangsvollstreckungsrechte zustehen. Indem er in den Niederlanden direkten Zugang zu den Gerichten und eigene Zwangsvollstreckungsrechte hat, ja sogar direkt Hand auf die Vermögenswerte des ausländischen Konkursiten legen kann, gelangt seine Masse unter Umständen zu einem viel besseren Ergebnis als es nach der schweizerischen Konzeption der Fall wäre, bei welcher er zuerst ein förmliches Exequaturverfahren durchlaufen und alsdann alle Verfahrensschritte aus der Hand geben muss, indem ein Sekundärverfahren eröffnet wird, welches vom schweizerischen Konkursamt abgewickelt wird und bei welchem vorab die privilegierten Gläubiger mit schweizerischem Wohnsitz befriedigt werden, so dass dem ausländischen Verwalter einzig ein allfälliger Überschuss nach Anerkennung des ausländischen Kollokationsplanes herausgegeben wird (Art. 172 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 173 Abs. 1 und 2 IPRG ).
Art. 173 Abs. 1 und 2 IPRG BGE 141 III 222 S. 228
Im Sinn einer Ergänzung sei bemerkt, dass das neuste Urteil des Hoge Raad vom 13. September 2013 (Yukos II), welches von beiden Zuger Instanzen zitiert wird, konkretisiert, inwiefern die in seiner früheren Rechtsprechung aufgestellte Bedingung, dass unbezahlte Gläubiger nach wie vor auf die in den Niederlanden gelegenen Vermögenswerte sollen zugreifen können, zu verstehen ist. Diesbezüglich wird festgehalten, dass es nicht Sinn dieser Bedingung sei, die betreffenden Vermögenswerte von der normalen Abwicklung des ausländischen Konkurses auszuschliessen. Das Territorialitätsprinzip verhindere nicht, dass die Verfügungsfähigkeit des Schuldners auf den ausländischen Insolvenzverwalter übergehe ( Het territorialiteitsbeginsel verzet zich niet ertegen dat de beschikkingsbevoegheid van de schuldenaar overgaat op de buitenlandse curator ), so dass dieser alle in den Niederlanden gelegenen Vermögenswerte - unter Respektierung von darauf gelegenen Beschlägen ( met respectering van daarop inmiddels gelegde beslagen ) - zugunsten der betreffenden Mitgläubiger verwerten könne. Indem also ungeachtet des Territorialitätsprinzips die Verfügungsbefugnis vom Schuldner auf den ausländischen Verwalter übergeht, tritt in Bezug auf die in den Niederlanden gelegenen Vermögenswerte des ausländischen Konkursiten jedenfalls vom Ergebnis her doch so etwas wie eine Beschlagswirkung ein. Wie vorstehend ausgeführt, bildet diese aber ohnehin nicht eine unabdingbare Voraussetzung für die Bejahung des Gegenrechts im Sinn von Art. 166 Abs. 1 lit. c IPRG.
Art. 166 Abs. 1 lit. c IPRG Zusammenfassend ergibt sich, dass zwar die schweizerische Konkurseröffnung in den Niederlanden nicht in einem förmlichen Verfahren anerkannt werden kann und keine formelle und umfassende Beschlagswirkung eintritt, so dass der ausländische Konkursverwalter, wie die Zuger Gerichte richtig bemerkt haben, insofern einem zeitlichen Wettbewerb mit anderen Gläubigern ausgesetzt ist, als deren bereits erlangte Beschlagsrechte zu respektieren sind. Im Gegenzug hat er eigene Klage- und Zwangsvollstreckungsrechte und kann er direkt auf die Vermögenswerte des Gemeinschuldners in den Niederlanden zugreifen, und zwar auch auf diejenigen, welche bereits von anderen Gläubigern mit Beschlag belegt sind, wobei diesfalls die betreffenden Gläubiger vorab zu befriedigen sind. Damit anerkennt das niederländische internationale Konkursrecht für den ausländischen Konkurs bis zu einem gewissen Grad das Universalitätsprinzip, was dem schweizerischen internationalen Konkursrecht nach wie vor fremd ist (dazu oben). BGE 141 III 222 S. 229
BGE 141 III 222 S. 229
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Urteilskopf 141 III 229 33. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. LLP gegen B. (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_633/2014 vom 29. Mai 2015 Regeste Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG ; verfahrensrechtlicher Ordre public, materielle Rechtskraft. Berücksichtigung der materiellen Rechtskraft eines ausländischen Schiedsentscheids durch ein schweizerisches Schiedsgericht unter dem Blickwinkel des verfahrensrechtlichen Ordre public (E. 3). Sachverhalt ab Seite 229 BGE 141 III 229 S. 229 A. A.a A. LLP (Beklagte, Beschwerdeführerin) ist eine international tätige Anwaltskanzlei mit Sitz in den Vereinigten Staaten. BGE 141 III 229 S. 230 B. (Kläger, Beschwerdegegner) ist ein Rechtsanwalt mit Wohnsitz in Deutschland. A.b Am 1. Juli 2008 schlossen die Parteien eine als "Business Combination Agreement" (BCA) bezeichnete Vereinbarung ab, mit der die von B. mitbegründete deutsche Anwaltskanzlei C. in die Kanzlei A. LLP eingegliedert werden sollte. In Ziffern 5.2 und 5.3 sowie Schedule 5 BCA vereinbarten die Parteien einen jährlichen Grundbetrag, der nach den Voraussetzungen dieser Vertragsbestimmungen an den Kläger zu bezahlen war. Ziffern 5.2 und 5.3 BCA lauten wie folgt: "5.2 Schedule 5 sets forth the initial share of each C. Partner in Net Income and, where applicable, Net Loss. The tier placements assigned in Schedule 5 to Dr. B. [...] are valid until 2010 (inclusive). All other tier placements (regardless of whether these are variable and/or fixed) are valid until 2009 (inclusive). The Floor Amount indicated in Schedule 5 [EUR 2 Mio.], which represent minimum amounts per annum payable to C. Partners, are valid until 2012 (inclusive), subject, however, to Sub-Clause 5.3. 5.3 The tier placements and Floor Amount set out in Schedule 5 for each C. Partner are agreed with the understanding that the respective C. Partner will continue as active partner of A. devoting his/her full time and efforts to the business of A. going forward consistent with his/her past practices and concentrations as a partner of C., which is to be considered based on a holistic approach taking into consideration all relevant aspects (disregarding, however, past individual deviations from common standards, e.g. over- or underperformance in total or billable hours per year) including, among others, billable and total hours, availability, vacation, quality of work, turn-over from billable hours, general market conditions in a specific industry and potential effects of the business combination contemplated herein, it being understood that no single aspect alone shall be decisive and that it will be taken into account to which extent these factors are under the control of the respective C. Partner." Das Business Combination Agreement erklärt das deutsche Recht für anwendbar und enthält eine Schiedsklausel zugunsten eines Schiedsgerichts mit Sitz in Zürich. A.c In der Folge entstanden Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der dem Kläger in Ziffern 5.2 und 5.3 in Verbindung mit Schedule 5 BCA zugesicherten Zahlungen. Im April 2010 leitete der Kläger ein erstes Schiedsverfahren nach den Regeln der Internationalen Handelskammer (ICC) gegen die Beklagte ein, in dem er unter anderem die Zahlung der Differenz BGE 141 III 229 S. 231 zwischen dem jährlichen Grundbetrag ("Floor Amount") von 2 Mio. EUR für die Jahre 2009 und 2010 und den für diese Jahre tatsächlich ausbezahlten Beträgen verlangte. Das ICC Schiedsgericht, das seinen Sitz nach der Übereinkunft der Parteien - in Abweichung der Schiedsklausel im BCA - in Frankfurt a.M. (Deutschland) hatte, wies die Klage hinsichtlich des angeblich zugesicherten jährlichen Grundbetrags für die Jahre 2009 und 2010 mit Schiedsentscheid vom 30. September 2011 ab. Das Schiedsgericht begründete die Abweisung der auf die Bezahlung des Grundbetrags gerichteten Klageanträge damit, dass der nach Ziffer 5.2 BCA zugesicherte Grundbetrag nur geschuldet sei, wenn der jeweilige Partner die in Ziffer 5.3 BCA vorgesehenen Voraussetzungen hinsichtlich Betätigung, Hingabe und Leistung ("prerequisites for activities, devotion and performance") erfüllt habe. Diesen vertraglichen Anforderungen habe der Kläger nicht genügt, weshalb ihm der Grundbetrag für die Jahre 2009 und 2010 nicht zustehe. B. Am 23. April 2013 leitete der Kläger ein zweites Schiedsverfahren ein, in dem er die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von EUR 1'662'939.- und EUR 1'843'302.- (jeweils zuzüglich Zins) beantragte, entsprechend der Differenz zwischen dem nach seiner Auffassung gemäss Ziffern 5.2 und 5.3 BCA zugesicherten Grundbetrag für die Jahre 2011 und 2012 und den für diese Jahre tatsächlich geleisteten Zahlungen. Die Beklagte erhob den Einwand der abgeurteilten Sache( res iudicata ), den das ICC Schiedsgericht mit Sitz in Zürich mit Verfahrensentscheid Nr. 3 vom 12. Februar 2014 abwies. Nachdem die Beklagte Einwände hinsichtlich der Gewährung des rechtlichen Gehörs im Hinblick auf diese Verfügung erhoben hatte und die Parteien in der Folge nochmals Gelegenheit erhielten, sich zu bestimmten Fragen zu äussern, wies das Schiedsgericht den Einwand betreffend res iudicata mit Verfahrensentscheid Nr. 5 vom 18. März 2014 mit eingehender Begründung ab. Insbesondere betrachtete sich das Schiedsgericht als nicht an die Entscheidgründe des Schiedsspruchs vom 30. September 2011 gebunden, sondern es legte Ziffer 5.3 BCA selbständig aus. Es berücksichtigte die entsprechenden Erwägungen des ICC Schiedsgerichts mit Sitz in Frankfurt a.M. vom 30. September 2011, legte seinem Entscheid jedoch eine abweichende Vertragsauslegung zugrunde, indem es eine Gesamtbetrachtung für massgebend erachtete und gestützt darauf befand, der Kläger sei zwar BGE 141 III 229 S. 232 hinsichtlich der verrechenbaren Stunden und des Umsatzes hinter den Erwartungen zurückgeblieben, habe aber alle übrigen vereinbarten Kriterien nach Ziffer 5.3 BCA - und damit deren Mehrheit - erfüllt. Es befand, der erste Schiedsspruch des ICC Schiedsgerichts mit Sitz in Frankfurt a.M. habe hauptsächlich die beiden Elemente der verrechenbaren Stunden und Gesamtstunden sowie des Umsatzes ("billable and total hours" und "turnover from billable hours") berücksichtigt, was mit der vertraglich als massgebend erachteten Gesamtbetrachtung ("holistic approach") nicht vereinbar sei. Das ICC Schiedsgericht mit Sitz in Zürich schützte daher die geltend gemachten Ansprüche auf Bezahlung des vertraglichen Grundbetrags für die Jahre 2011 und 2012 grundsätzlich, erachtete jedoch gestützt auf § 254 BGB eine Kürzung des Gesamtbetrags wegen Mitverschuldens des Klägers für gerechtfertigt. Entsprechend hiess es die Klage mit Schiedsspruch vom 29. September 2014 teilweise gut und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von EUR 1'997'221.- zuzüglich Zins. C. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beklagte dem Bundesgericht, es sei der Schiedsspruch des ICC Schiedsgerichts mit Sitz in Zürich vom 29. September 2014 aufzuheben und es sei die Klage abzuweisen; eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an das Schiedsgericht zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Die Beschwerdeführerin bringt vor, das ICC Schiedsgericht mit Sitz in Zürich habe den verfahrensrechtlichen Ordre public verletzt ( Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG [SR 291]), indem es die materielle Rechtskraft des ersten Schiedsspruchs des ICC Schiedsgerichts mit Sitz in Frankfurt a.M. vom 30. September 2011 missachtet habe. 3.1 Sie bringt nicht etwa vor, der im ersten Schiedsverfahren geltend gemachte Anspruch sei identisch mit der im zweiten Schiedsverfahren eingeklagten Forderung, sondern räumt ein, dass sich die erste Klage auf die Grundbeträge für die Jahre 2009 und 2010 bezog, während die im vorliegenden Schiedsverfahren erhobene Klage die Grundbeträge der Jahre 2011 und 2012 betrifft. Entsprechend beruft BGE 141 III 229 S. 233 sich die Beschwerdeführerin nicht etwa darauf, die zweite Klage sei aufgrund der Rechtskraftwirkung des ersten Schiedsentscheids ausgeschlossen gewesen, sondern anerkennt, dass das ICC Schiedsgericht mit Sitz in Zürich auf die zweite Klage zu Recht eintrat. Die Beschwerdeführerin stellt sich jedoch auf den Standpunkt, der erste Schiedsspruch sei präjudiziell für Vor- und Teilfragen des zweiten Schiedsverfahrens, weshalb sich das ICC Schiedsgericht mit Sitz in Zürich "an die verbindlichen Feststellungen von Rechts- und Sachverhaltsfragen des ersten Schiedsgerichts" hätte halten müssen. Die Beschwerdeführerin vertritt die Ansicht, in internationalen Schiedsverfahren mit internationalen Parteien sei nicht der herkömmliche, sondern ein internationaler Begriff der res iudicata anzuwenden. Die Rechtskraftwirkung des Schiedsspruchs eines ausländischen Schiedsgerichts entspreche daher nicht derjenigen eines Urteils eines inländischen staatlichen Gerichts. Die besondere Interessenlage der Parteien eines internationalen Schiedsverfahrens weiche von derjenigen der Parteien eines schweizerischen staatlichen Gerichtsverfahrens nämlich massgeblich ab, weshalb sich die materielle Rechtskraft auch auf die für den Entscheid ausschlaggebenden Erwägungen erstrecken müsse. Dies werde unter anderem im Schlussbericht der International Law Association (ILA) zum Problem der res iudicata (ILA Final Report on Res Judicata and Arbitration, Arbitration International, Bd. 25, Nr. 1 [2009] S. 67 ff.) betont, in dem ein breiter Begriff derAusschlusswirkung ("conclusive and preclusive effects") umschrieben werde, die sich insbesondere auch auf bereits beurteilte Tat- und Rechtsfragen beziehe. Die Rechtskraftwirkung des ersten Schiedsentscheids erstrecke sich demnach auch auf die Erwägung, dass die Grundbeträge nur dann geschuldet seien, wenn insbesondere die Leistungskriterien "billable hours" und "turnover from billable hours" nach Ziffer 5.3 BCA im betreffenden Jahr erfüllt würden. Das ICC Schiedsgericht mit Sitz in Zürich sei an diese rechtliche Begründung gebunden gewesen und hätte die Erfüllung der Voraussetzungen von Ziffer 5.3 BCA für den jährlichen Grundbetrag nicht abweichend beurteilen dürfen. Indem es dennoch erwogen habe, die fehlende Erfüllung der beiden Kriterien "billable hours" und "turnover from billable hours" reiche nicht aus, um dem Beschwerdegegner die Grundbeträge zu verweigern, habe sich das zweite Schiedsgericht in Widerspruch zu den rechtskräftigen Erwägungen des ersten Schiedsspruchs gesetzt, BGE 141 III 229 S. 234 womit es den verfahrensrechtlichen Ordre public im Sinne von Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG verletze. Selbst wenn der herkömmliche Begriff der res iudicata anzuwenden wäre, so die Beschwerdeführerin weiter, wäre das Schiedsgericht an die Feststellungen des ersten Schiedsspruchs zu den Voraussetzungen des Anspruchs auf die Grundbeträge gebunden gewesen, zumal die Urteilserwägungen auch gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung präjudizielle Bedeutung erlangen könnten, namentlich bei einer Klageabweisung. Das Schiedsgericht habe im konkreten Fall gegen den Grundsatz verstossen, dass ein erster Schiedsspruch präjudiziell sei für Vor- und Teilfragen eines zweiten Prozesses. 3.2 3.2.1 Der Ordre public ( Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG ) hat sowohl einen materiellen als auch einen verfahrensrechtlichen Gehalt. Ein Verstoss gegen den verfahrensrechtlichen Ordre public liegt vor bei einer Verletzung von fundamentalen und allgemein anerkannten Verfahrensgrundsätzen, deren Nichtbeachtung zum Rechtsempfinden in einem unerträglichen Widerspruch steht, so dass die Entscheidung als mit der in einem Rechtsstaat geltenden Rechts- und Wertordnung schlechterdings unvereinbar erscheint ( BGE 140 III 278 E. 3.1 S. 279; BGE 136 III 345 E. 2.1; BGE 132 III 389 E. 2.2.1 S. 392; BGE 128 III 191 E. 4a S. 194). Das Schiedsgericht verletzt den verfahrensrechtlichen Ordre public unter anderem, wenn es bei seinem Entscheid die materielle Rechtskraft eines früheren Entscheids unbeachtet lässt oder wenn es in seinem Endentscheid von der Auffassung abweicht, die es in einem Vorentscheid hinsichtlich einer materiellen Vorfrage geäussert hat ( BGE 140 III 278 E. 3.1 S. 279; BGE 136 III 345 E. 2.1 S. 348; BGE 128 III 191 E. 4a S. 194). 3.2.2 Die Rechtskraftwirkung gilt sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene und regelt namentlich das Verhältnis zwischen einem Schiedsgericht mit Sitz in der Schweiz und einem ausländischen Gericht oder Schiedsgericht (Urteil 4A_374/2014 vom 26. Februar 2015 E. 4.2.1; vgl. BGE 140 III 278 E. 3.1 S. 279; BGE 127 III 279 E. 2). Erhebt demnach eine Partei bei einem Schiedsgericht mit Sitz in der Schweiz eine Klage, die mit einer durch einen ausländischen Gerichts- oder Schiedsentscheid rechtskräftig beurteilten Klage identisch ist, darf das Schiedsgericht darauf nicht eintreten, sofern der ausländische Entscheid nach Art. 25 bzw. Art. 194 IPRG in der Schweiz anerkannt werden kann (Urteil 4A_374/2014 vom BGE 141 III 229 S. 235 26. Februar 2015 E. 4.2.1; vgl. BGE 140 III 278 E. 3.1 S. 279; Urteil 4A_508/2010 vom 14. Februar 2011 E. 3.1). Mit der Anerkennung eines ausländischen Schiedsspruchs erlangt dieser dieselben Wirkungen wie ein inländisches Gerichtsurteil (Urteil 4A_374/2014 vom 26. Februar 2015 E. 4.2.2; vgl. MICHELE PATOCCHI/JERMINI, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 3. Aufl. 2013, N. 136 zu Art. 194 IPRG ). Wendet eine Partei in einem Verfahren vor einem staatlichen Schweizer Gericht oder einem Schiedsgericht mit Sitz in der Schweiz ein, eine Frage sei durch ein ausländisches Schiedsgericht bereits rechtskräftig entschieden worden, hat dieses vorfrageweise zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Anerkennung des ausländischen Schiedsspruchs gegeben sind; ein selbständiges Anerkennungsverfahren ist nicht erforderlich (Urteile 4A_374/2014 vom 26. Februar 2015 E. 4.2.2 mit Hinweisen; 4A_508/2010 vom 14. Februar 2011 E. 3.1). Nach Art. 194 IPRG gilt für die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedsentscheide das New Yorker Übereinkommen vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (NYÜ; SR 0.277.12). 3.2.3 Ob der durch eine ausländische Entscheidung beurteilte und der vor einem Schweizer Gericht bzw. Schiedsgericht geltend gemachte Anspruch identisch sind, beurteilt sich nach der lex fori, es sei denn, es ergebe sich aus einer internationalen Vereinbarung etwas Abweichendes; entsprechend sind die in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Rechtskraftwirkung anzuwenden. Zu berücksichtigen ist, dass sich die Rechtskraftwirkung aus der entsprechenden ausländischen Entscheidung ergibt und daher vom Recht des Ursprungsstaats abhängt, weshalb sich die Voraussetzungen und Grenzen der materiellen Rechtskraft nach diesem ausländischen Recht richten ( BGE 140 III 278 E. 3.2). Die Rechtskraftwirkung eines ausländischen Entscheids kann demnach nicht weiter gehen als die Rechtskraft eines gleichlautenden Entscheids eines Schweizer Gerichts oder eines Schiedsgerichts mit Sitz in der Schweiz (Urteile 4A_374/2014 vom 26. Februar 2015 E. 4.2.2 a.E.; 4A_508/2010 vom 14. Februar 2011 E. 3.3; vgl. BGE 140 III 278 E. 3.2 S. 281). Die materielle Rechtskraft eines ausländischen Entscheids, die nach dem Recht des Ursprungsstaats unabhängig von den beurteilten Rechtsbegehren der Parteien auch die Urteilsbegründung erfassen würde, wäre in der Schweiz etwa auf BGE 141 III 229 S. 236 den Rahmen des Urteilsdispositivs zu beschränken ( BGE 140 III 278 E. 3.2 S. 281 mit Hinweis). Andererseits kann ein im Ausland ergangener Gerichts- oder Schiedsentscheid in der Schweiz keine weitergehenden Wirkungen entfalten, als ihm im Urteilsstaat zukommen würden (Urteile 4A_374/2014 vom 26. Februar 2015 E. 4.2.2 a.E.; 4A_508/2010 vom 14. Februar 2011 E. 3.3; vgl. BGE 140 III 278 E. 3.2 S. 281). 3.2.4 Die Beschwerdeführerin verkennt diese Grundsätze, wenn sie dem Bundesgericht im Beschwerdeverfahren vorträgt, die materielle Rechtskraft des ausländischen Schiedsentscheids müsse sich "im Sinne der schweizerischen und internationalen Lehre zur Rechtskraft" auch auf die für den Entscheid ausschlaggebenden Erwägungen erstrecken. Zunächst trifft entgegen ihrer Ansicht nicht zu, dass das Bundesgericht bisher nie entschieden hätte, ob die Rechtskraftwirkung eines ausländischen Schiedsentscheids derjenigen eines Urteils eines inländischen staatlichen Gerichts entspreche. Das Bundesgericht wendet die für Gerichtsentscheide geltenden Grundsätze zur Rechtskraftwirkung bereits seit geraumer Zeit gleichermassen auf Schiedsentscheide an, wobei es auch in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass sich die Rechtskraftwirkung eines internationalen Schiedsentscheids auf das Urteilsdispositiv beschränkt und die Urteilsbegründung davon nicht erfasst wird ( BGE 128 III 191 E. 4a betreffend Rechtskraft des Entscheids eines internationalen Schiedsgerichts mit Sitz in der Schweiz). In einem neueren Entscheid hat es hinsichtlich der Rechtskraftwirkung eines ausländischen Schiedsentscheids dieselben Grundsätze angewendet wie bei einem ausländischen Urteil eines staatlichen Gerichts (Urteil 4A_508/2010 vom 14. Februar 2011 E. 3.3). Dies wurde in einem vor Kurzem ergangenen Urteil bestätigt, in dem das Bundesgericht ausdrücklich festhielt, dass die materielle Rechtskraft auch im internationalen Verhältnis gilt und unter anderem das Verhältnis zwischen einem Schiedsgericht mit Sitz in der Schweiz und einem ausländischen Schiedsgericht bestimmt, wobei sich der Umfang der Rechtskraftwirkung eines ausländischen Schiedsentscheids nach denselben Grundsätzen richtet wie bei einem ausländischen Gerichtsentscheid (Urteil 4A_374/2014 vom 26. Februar 2015 E. 4.2.1 und 4.2.2). Dass ein Schiedsspruch mit der Eröffnung die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Entscheids hat, ist zudem im Bereich der BGE 141 III 229 S. 237 Binnenschiedsgerichtsbarkeit gesetzlich ausdrücklich vorgesehen ( Art. 387 ZPO ), gilt jedoch auch für Entscheide internationaler Schiedsgerichte mit Sitz in der Schweiz (SIMON ZINGG, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. I, 2012, N. 114 zu Art. 59 ZPO ; vgl. bereits RÜEDE/HADENFELDT, Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, 2. Aufl. 1993, S. 309 f.). 3.2.5 Weder die von der Beschwerdeführerin ins Feld geführte "besondere Interessenlage der Parteien eines internationalen Schiedsverfahrens" noch die Wünschbarkeit international einheitlicher Standards und transnationaler Konzepte oder die von ihr erwähnten Empfehlungen einer privaten Organisation (ILA Final Report on Res Judicata and Arbitration, a.a.O.; dazu etwa BERGER/KELLERHALS, International and Domestic Arbitration in Switzerland, 3. Aufl. 2015, Rz. 1666 ff.) vermögen an dieser Rechtslage etwas zu ändern. Die Beschwerdeführerin macht denn auch zu Recht nicht etwa geltend, das New Yorker Übereinkommen oder ein anderer anwendbarer Staatsvertrag sehe eine abweichende Regelung der materiellen Rechtskraft vor. Für die Anwendung des von ihr befürworteten weiten Begriffs der Rechtskraft "nach weltweit verbreitetem Konzept anglo-amerikanischer Herkunft" besteht keine rechtliche Grundlage. Abgesehen davon verkennt die Beschwerdeführerin, dass sich die Rechtskraftwirkung eines ausländischen Schiedsspruchs aus der entsprechenden ausländischen Entscheidung ergibt, weshalb er in der Schweiz von vornherein nur so weit wirken kann, wie es das Prozessrecht des Ursprungsstaats vorsieht. Dass die Rechtskraftwirkung des fraglichen Entscheids des ICC Schiedsgerichts mit Sitz in Frankfurt a.M. nach deutschem Recht über das Dispositiv hinaus auch die Urteilsbegründung erfassen würde, macht sie jedoch zu Recht nicht geltend (vgl. statt vieler JOACHIM MÜNCH, in: Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, Bd. 3: §§ 1025-1109, 4. Aufl. 2013, N. 14 f. zu § 1055 ZPO ; vgl. auch BGE 138 III 714 E. 3.2, wonach das Bundesgericht selbst bei der Prüfung von Vorfragen nach ausländischem Recht der in der anwendbaren ausländischen Rechtsordnung klar herrschenden Auffassung und bei Kontroversen zwischen Rechtsprechung und Lehre der höchstrichterlichen Judikatur folgt). Die Bindungswirkung des Entscheids des ICC Schiedsgerichts mit Sitz in Frankfurt a.M. vom 30. September 2011 ist daher nach den BGE 141 III 229 S. 238 vom Bundesgericht entwickelten Grundsätzen zur materiellen Rechtskraft zu beurteilen. 3.2.6 Die Beschwerdeführerin macht zu Unrecht geltend, das ICC Schiedsgericht mit Sitz in Zürich sei selbst dann an die Feststellungen des ersten Schiedsspruchs zu den vertraglichen Voraussetzungen des Anspruchs auf die Grundbeträge gebunden gewesen, wenn der Beurteilung der vom Bundesgericht verwendete Begriff der res iudicata zugrunde gelegt werde. Die Rechtskraftwirkung tritt nur so weit ein, als über den geltend gemachten Anspruch entschieden worden ist. Inwieweit dies der Fall ist, ergibt die Auslegung des Urteils, zu der dessen ganzer Inhalt heranzuziehen ist. Zwar beschränkt sich die Rechtskraftwirkung auf das Urteilsdispositiv; doch ergibt sich dessen Tragweite vielfach erst aus den Urteilserwägungen, namentlich im Falle einer Klageabweisung ( BGE 121 III 474 E. 4a S. 478). Die Bedeutung des konkreten Urteilsdispositivs ist demnach im Einzelfall anhand der gesamten Urteilserwägungen zu beurteilen ( BGE 136 III 345 E. 2.1 S. 348 mit Hinweisen). Zwar trifft zu, dass zur Beurteilung, bezüglich welcher Forderung die erste Schiedsklage rechtskräftig abgewiesen wurde, die Erwägungen des Entscheids des ICC Schiedsgerichts mit Sitz in Frankfurt a.M. vom 30. September 2011 heranzuziehen waren. Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin hat sich das ICC Schiedsgericht mit Sitz in Zürich aber durchaus mit den Erwägungen des ersten Schiedsspruchs auseinandergesetzt und hat den von ihr erhobenen Einwand der Rechtskraftwirkung des ersten Schiedsentscheids mit Zwischenentscheid Nr. 5 vom 18. März 2014 mit eingehender Begründung abgewiesen. Es hat die im ersten Schiedsverfahren erhobene Klage zutreffend als mit der im zweiten Schiedsverfahren erhobenen Klage nicht identisch erachtet, weil diese die Grundbeträge der Jahre 2011 und 2012 betraf, während sich jene auf die Grundbeträge für die Jahre 2009 und 2010 bezog, was im Übrigen auch die Beschwerdeführerin anerkennt. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht ergibt sich keine weitere Bindungswirkung bezüglich der rechtlichen Erwägungen im ersten Schiedsentscheid; bei dessen Auslegung von Ziffer 5.3 BCA handelt es sich um blosse Glieder des Subsumtionsschlusses, die für sich allein nicht in materielle Rechtskraft erwachsen ( BGE 121 III 474 E. 4a S. 478; vgl. zu einem Fall der Klageabweisung bei verschiedenen BGE 141 III 229 S. 239 Forderungen aus demselben Vertrag auch Urteil 4A_352/2014 vom 9. Februar 2015 E. 3). Die Beschwerdeführerin verkennt, dass diese Vertragsauslegung im ersten Entscheid nicht selbst Streitgegenstand war, indem über diese Frage ein Feststellungsurteil gefällt worden wäre. Entgegen ihrer Ansicht lässt sich aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur materiellen Rechtskraft keine Bindung des zweiten Schiedsgerichts an die rechtlichen Erwägungen des ersten Entscheids ableiten. Das ICC Schiedsgericht mit Sitz in Zürich, das eine andere Forderung als dasjenige mit Sitz in Frankfurt a.M. zu beurteilen hatte, konnte den eingeklagten Anspruch von Grund auf neu prüfen und war weder an die tatsächlichen Feststellungen noch an die rechtlichen Erwägungen des ersten Schiedsentscheids gebunden. Das ICC Schiedsgericht mit Sitz in Zürich hat daher den verfahrensrechtlichen Ordre public ( Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG ) nicht verletzt, wenn es seinem Entscheid eine eigene Auslegung von Ziffer 5.3 BCA zugrunde legte. Im Gegenteil wäre ihm eine Ordre public-Widrigkeit vorzuwerfen, wenn es sich bei der Beurteilung des Klagebegehrens an die Vertragsauslegung im ersten Schiedsentscheid gebunden erachtet und auf eine entsprechende Prüfung verzichtet hätte, obwohl im ersten Entscheid über einen anderen Anspruch entschieden worden war.
Urteilskopf
33. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. LLP gegen B. (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_633/2014 vom 29. Mai 2015
Regeste Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG ; verfahrensrechtlicher Ordre public, materielle Rechtskraft. Berücksichtigung der materiellen Rechtskraft eines ausländischen Schiedsentscheids durch ein schweizerisches Schiedsgericht unter dem Blickwinkel des verfahrensrechtlichen Ordre public (E. 3).
Regeste
Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG ; verfahrensrechtlicher Ordre public, materielle Rechtskraft. Berücksichtigung der materiellen Rechtskraft eines ausländischen Schiedsentscheids durch ein schweizerisches Schiedsgericht unter dem Blickwinkel des verfahrensrechtlichen Ordre public (E. 3).
Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG Berücksichtigung der materiellen Rechtskraft eines ausländischen Schiedsentscheids durch ein schweizerisches Schiedsgericht unter dem Blickwinkel des verfahrensrechtlichen Ordre public (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 229
Sachverhalt ab Seite 229 BGE 141 III 229 S. 229
BGE 141 III 229 S. 229
A.
A. A.a A. LLP (Beklagte, Beschwerdeführerin) ist eine international tätige Anwaltskanzlei mit Sitz in den Vereinigten Staaten. BGE 141 III 229 S. 230
A.a BGE 141 III 229 S. 230
B. (Kläger, Beschwerdegegner) ist ein Rechtsanwalt mit Wohnsitz in Deutschland.
A.b Am 1. Juli 2008 schlossen die Parteien eine als "Business Combination Agreement" (BCA) bezeichnete Vereinbarung ab, mit der die von B. mitbegründete deutsche Anwaltskanzlei C. in die Kanzlei A. LLP eingegliedert werden sollte.
A.b In Ziffern 5.2 und 5.3 sowie Schedule 5 BCA vereinbarten die Parteien einen jährlichen Grundbetrag, der nach den Voraussetzungen dieser Vertragsbestimmungen an den Kläger zu bezahlen war. Ziffern 5.2 und 5.3 BCA lauten wie folgt:
"5.2 Schedule 5 sets forth the initial share of each C. Partner in Net Income and, where applicable, Net Loss. The tier placements assigned in Schedule 5 to Dr. B. [...] are valid until 2010 (inclusive). All other tier placements (regardless of whether these are variable and/or fixed) are valid until 2009 (inclusive). The Floor Amount indicated in Schedule 5 [EUR 2 Mio.], which represent minimum amounts per annum payable to C. Partners, are valid until 2012 (inclusive), subject, however, to Sub-Clause 5.3.
5.3 The tier placements and Floor Amount set out in Schedule 5 for each C. Partner are agreed with the understanding that the respective C. Partner will continue as active partner of A. devoting his/her full time and efforts to the business of A. going forward consistent with his/her past practices and concentrations as a partner of C., which is to be considered based on a holistic approach taking into consideration all relevant aspects (disregarding, however, past individual deviations from common standards, e.g. over- or underperformance in total or billable hours per year) including, among others, billable and total hours, availability, vacation, quality of work, turn-over from billable hours, general market conditions in a specific industry and potential effects of the business combination contemplated herein, it being understood that no single aspect alone shall be decisive and that it will be taken into account to which extent these factors are under the control of the respective C. Partner."
Das Business Combination Agreement erklärt das deutsche Recht für anwendbar und enthält eine Schiedsklausel zugunsten eines Schiedsgerichts mit Sitz in Zürich.
A.c In der Folge entstanden Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der dem Kläger in Ziffern 5.2 und 5.3 in Verbindung mit Schedule 5 BCA zugesicherten Zahlungen.
A.c Im April 2010 leitete der Kläger ein erstes Schiedsverfahren nach den Regeln der Internationalen Handelskammer (ICC) gegen die Beklagte ein, in dem er unter anderem die Zahlung der Differenz BGE 141 III 229 S. 231 zwischen dem jährlichen Grundbetrag ("Floor Amount") von 2 Mio. EUR für die Jahre 2009 und 2010 und den für diese Jahre tatsächlich ausbezahlten Beträgen verlangte.
BGE 141 III 229 S. 231
Das ICC Schiedsgericht, das seinen Sitz nach der Übereinkunft der Parteien - in Abweichung der Schiedsklausel im BCA - in Frankfurt a.M. (Deutschland) hatte, wies die Klage hinsichtlich des angeblich zugesicherten jährlichen Grundbetrags für die Jahre 2009 und 2010 mit Schiedsentscheid vom 30. September 2011 ab.
Das Schiedsgericht begründete die Abweisung der auf die Bezahlung des Grundbetrags gerichteten Klageanträge damit, dass der nach Ziffer 5.2 BCA zugesicherte Grundbetrag nur geschuldet sei, wenn der jeweilige Partner die in Ziffer 5.3 BCA vorgesehenen Voraussetzungen hinsichtlich Betätigung, Hingabe und Leistung ("prerequisites for activities, devotion and performance") erfüllt habe. Diesen vertraglichen Anforderungen habe der Kläger nicht genügt, weshalb ihm der Grundbetrag für die Jahre 2009 und 2010 nicht zustehe.
B. Am 23. April 2013 leitete der Kläger ein zweites Schiedsverfahren ein, in dem er die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von EUR 1'662'939.- und EUR 1'843'302.- (jeweils zuzüglich Zins) beantragte, entsprechend der Differenz zwischen dem nach seiner Auffassung gemäss Ziffern 5.2 und 5.3 BCA zugesicherten Grundbetrag für die Jahre 2011 und 2012 und den für diese Jahre tatsächlich geleisteten Zahlungen.
B. Die Beklagte erhob den Einwand der abgeurteilten Sache( res iudicata ), den das ICC Schiedsgericht mit Sitz in Zürich mit Verfahrensentscheid Nr. 3 vom 12. Februar 2014 abwies. Nachdem die Beklagte Einwände hinsichtlich der Gewährung des rechtlichen Gehörs im Hinblick auf diese Verfügung erhoben hatte und die Parteien in der Folge nochmals Gelegenheit erhielten, sich zu bestimmten Fragen zu äussern, wies das Schiedsgericht den Einwand betreffend res iudicata mit Verfahrensentscheid Nr. 5 vom 18. März 2014 mit eingehender Begründung ab. Insbesondere betrachtete sich das Schiedsgericht als nicht an die Entscheidgründe des Schiedsspruchs vom 30. September 2011 gebunden, sondern es legte Ziffer 5.3 BCA selbständig aus. Es berücksichtigte die entsprechenden Erwägungen des ICC Schiedsgerichts mit Sitz in Frankfurt a.M. vom 30. September 2011, legte seinem Entscheid jedoch eine abweichende Vertragsauslegung zugrunde, indem es eine Gesamtbetrachtung für massgebend erachtete und gestützt darauf befand, der Kläger sei zwar BGE 141 III 229 S. 232 hinsichtlich der verrechenbaren Stunden und des Umsatzes hinter den Erwartungen zurückgeblieben, habe aber alle übrigen vereinbarten Kriterien nach Ziffer 5.3 BCA - und damit deren Mehrheit - erfüllt. Es befand, der erste Schiedsspruch des ICC Schiedsgerichts mit Sitz in Frankfurt a.M. habe hauptsächlich die beiden Elemente der verrechenbaren Stunden und Gesamtstunden sowie des Umsatzes ("billable and total hours" und "turnover from billable hours") berücksichtigt, was mit der vertraglich als massgebend erachteten Gesamtbetrachtung ("holistic approach") nicht vereinbar sei.
BGE 141 III 229 S. 232
Das ICC Schiedsgericht mit Sitz in Zürich schützte daher die geltend gemachten Ansprüche auf Bezahlung des vertraglichen Grundbetrags für die Jahre 2011 und 2012 grundsätzlich, erachtete jedoch gestützt auf § 254 BGB eine Kürzung des Gesamtbetrags wegen Mitverschuldens des Klägers für gerechtfertigt. Entsprechend hiess es die Klage mit Schiedsspruch vom 29. September 2014 teilweise gut und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von EUR 1'997'221.- zuzüglich Zins.
C. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beklagte dem Bundesgericht, es sei der Schiedsspruch des ICC Schiedsgerichts mit Sitz in Zürich vom 29. September 2014 aufzuheben und es sei die Klage abzuweisen; eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an das Schiedsgericht zurückzuweisen.
C. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
3. Die Beschwerdeführerin bringt vor, das ICC Schiedsgericht mit Sitz in Zürich habe den verfahrensrechtlichen Ordre public verletzt ( Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG [SR 291]), indem es die materielle Rechtskraft des ersten Schiedsspruchs des ICC Schiedsgerichts mit Sitz in Frankfurt a.M. vom 30. September 2011 missachtet habe.
3. Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG 3.1 Sie bringt nicht etwa vor, der im ersten Schiedsverfahren geltend gemachte Anspruch sei identisch mit der im zweiten Schiedsverfahren eingeklagten Forderung, sondern räumt ein, dass sich die erste Klage auf die Grundbeträge für die Jahre 2009 und 2010 bezog, während die im vorliegenden Schiedsverfahren erhobene Klage die Grundbeträge der Jahre 2011 und 2012 betrifft. Entsprechend beruft BGE 141 III 229 S. 233 sich die Beschwerdeführerin nicht etwa darauf, die zweite Klage sei aufgrund der Rechtskraftwirkung des ersten Schiedsentscheids ausgeschlossen gewesen, sondern anerkennt, dass das ICC Schiedsgericht mit Sitz in Zürich auf die zweite Klage zu Recht eintrat. Die Beschwerdeführerin stellt sich jedoch auf den Standpunkt, der erste Schiedsspruch sei präjudiziell für Vor- und Teilfragen des zweiten Schiedsverfahrens, weshalb sich das ICC Schiedsgericht mit Sitz in Zürich "an die verbindlichen Feststellungen von Rechts- und Sachverhaltsfragen des ersten Schiedsgerichts" hätte halten müssen.
3.1 BGE 141 III 229 S. 233
Die Beschwerdeführerin vertritt die Ansicht, in internationalen Schiedsverfahren mit internationalen Parteien sei nicht der herkömmliche, sondern ein internationaler Begriff der res iudicata anzuwenden. Die Rechtskraftwirkung des Schiedsspruchs eines ausländischen Schiedsgerichts entspreche daher nicht derjenigen eines Urteils eines inländischen staatlichen Gerichts. Die besondere Interessenlage der Parteien eines internationalen Schiedsverfahrens weiche von derjenigen der Parteien eines schweizerischen staatlichen Gerichtsverfahrens nämlich massgeblich ab, weshalb sich die materielle Rechtskraft auch auf die für den Entscheid ausschlaggebenden Erwägungen erstrecken müsse. Dies werde unter anderem im Schlussbericht der International Law Association (ILA) zum Problem der res iudicata (ILA Final Report on Res Judicata and Arbitration, Arbitration International, Bd. 25, Nr. 1 [2009] S. 67 ff.) betont, in dem ein breiter Begriff derAusschlusswirkung ("conclusive and preclusive effects") umschrieben werde, die sich insbesondere auch auf bereits beurteilte Tat- und Rechtsfragen beziehe.
Die Rechtskraftwirkung des ersten Schiedsentscheids erstrecke sich demnach auch auf die Erwägung, dass die Grundbeträge nur dann geschuldet seien, wenn insbesondere die Leistungskriterien "billable hours" und "turnover from billable hours" nach Ziffer 5.3 BCA im betreffenden Jahr erfüllt würden. Das ICC Schiedsgericht mit Sitz in Zürich sei an diese rechtliche Begründung gebunden gewesen und hätte die Erfüllung der Voraussetzungen von Ziffer 5.3 BCA für den jährlichen Grundbetrag nicht abweichend beurteilen dürfen. Indem es dennoch erwogen habe, die fehlende Erfüllung der beiden Kriterien "billable hours" und "turnover from billable hours" reiche nicht aus, um dem Beschwerdegegner die Grundbeträge zu verweigern, habe sich das zweite Schiedsgericht in Widerspruch zu den rechtskräftigen Erwägungen des ersten Schiedsspruchs gesetzt, BGE 141 III 229 S. 234 womit es den verfahrensrechtlichen Ordre public im Sinne von Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG verletze.
BGE 141 III 229 S. 234
Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG Selbst wenn der herkömmliche Begriff der res iudicata anzuwenden wäre, so die Beschwerdeführerin weiter, wäre das Schiedsgericht an die Feststellungen des ersten Schiedsspruchs zu den Voraussetzungen des Anspruchs auf die Grundbeträge gebunden gewesen, zumal die Urteilserwägungen auch gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung präjudizielle Bedeutung erlangen könnten, namentlich bei einer Klageabweisung. Das Schiedsgericht habe im konkreten Fall gegen den Grundsatz verstossen, dass ein erster Schiedsspruch präjudiziell sei für Vor- und Teilfragen eines zweiten Prozesses.
3.2
3.2 3.2.1 Der Ordre public ( Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG ) hat sowohl einen materiellen als auch einen verfahrensrechtlichen Gehalt. Ein Verstoss gegen den verfahrensrechtlichen Ordre public liegt vor bei einer Verletzung von fundamentalen und allgemein anerkannten Verfahrensgrundsätzen, deren Nichtbeachtung zum Rechtsempfinden in einem unerträglichen Widerspruch steht, so dass die Entscheidung als mit der in einem Rechtsstaat geltenden Rechts- und Wertordnung schlechterdings unvereinbar erscheint ( BGE 140 III 278 E. 3.1 S. 279; BGE 136 III 345 E. 2.1; BGE 132 III 389 E. 2.2.1 S. 392; BGE 128 III 191 E. 4a S. 194).
3.2.1 Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG Das Schiedsgericht verletzt den verfahrensrechtlichen Ordre public unter anderem, wenn es bei seinem Entscheid die materielle Rechtskraft eines früheren Entscheids unbeachtet lässt oder wenn es in seinem Endentscheid von der Auffassung abweicht, die es in einem Vorentscheid hinsichtlich einer materiellen Vorfrage geäussert hat ( BGE 140 III 278 E. 3.1 S. 279; BGE 136 III 345 E. 2.1 S. 348; BGE 128 III 191 E. 4a S. 194).
3.2.2 Die Rechtskraftwirkung gilt sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene und regelt namentlich das Verhältnis zwischen einem Schiedsgericht mit Sitz in der Schweiz und einem ausländischen Gericht oder Schiedsgericht (Urteil 4A_374/2014 vom 26. Februar 2015 E. 4.2.1; vgl. BGE 140 III 278 E. 3.1 S. 279; BGE 127 III 279 E. 2). Erhebt demnach eine Partei bei einem Schiedsgericht mit Sitz in der Schweiz eine Klage, die mit einer durch einen ausländischen Gerichts- oder Schiedsentscheid rechtskräftig beurteilten Klage identisch ist, darf das Schiedsgericht darauf nicht eintreten, sofern der ausländische Entscheid nach Art. 25 bzw. Art. 194 IPRG in der Schweiz anerkannt werden kann (Urteil 4A_374/2014 vom BGE 141 III 229 S. 235 26. Februar 2015 E. 4.2.1; vgl. BGE 140 III 278 E. 3.1 S. 279; Urteil 4A_508/2010 vom 14. Februar 2011 E. 3.1).
3.2.2 Art. 194 IPRG BGE 141 III 229 S. 235
Mit der Anerkennung eines ausländischen Schiedsspruchs erlangt dieser dieselben Wirkungen wie ein inländisches Gerichtsurteil (Urteil 4A_374/2014 vom 26. Februar 2015 E. 4.2.2; vgl. MICHELE PATOCCHI/JERMINI, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 3. Aufl. 2013, N. 136 zu Art. 194 IPRG ). Wendet eine Partei in einem Verfahren vor einem staatlichen Schweizer Gericht oder einem Schiedsgericht mit Sitz in der Schweiz ein, eine Frage sei durch ein ausländisches Schiedsgericht bereits rechtskräftig entschieden worden, hat dieses vorfrageweise zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Anerkennung des ausländischen Schiedsspruchs gegeben sind; ein selbständiges Anerkennungsverfahren ist nicht erforderlich (Urteile 4A_374/2014 vom 26. Februar 2015 E. 4.2.2 mit Hinweisen; 4A_508/2010 vom 14. Februar 2011 E. 3.1). Nach Art. 194 IPRG gilt für die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedsentscheide das New Yorker Übereinkommen vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (NYÜ; SR 0.277.12).
Art. 194 IPRG Art. 194 IPRG 3.2.3 Ob der durch eine ausländische Entscheidung beurteilte und der vor einem Schweizer Gericht bzw. Schiedsgericht geltend gemachte Anspruch identisch sind, beurteilt sich nach der lex fori, es sei denn, es ergebe sich aus einer internationalen Vereinbarung etwas Abweichendes; entsprechend sind die in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Rechtskraftwirkung anzuwenden. Zu berücksichtigen ist, dass sich die Rechtskraftwirkung aus der entsprechenden ausländischen Entscheidung ergibt und daher vom Recht des Ursprungsstaats abhängt, weshalb sich die Voraussetzungen und Grenzen der materiellen Rechtskraft nach diesem ausländischen Recht richten ( BGE 140 III 278 E. 3.2).
3.2.3 Die Rechtskraftwirkung eines ausländischen Entscheids kann demnach nicht weiter gehen als die Rechtskraft eines gleichlautenden Entscheids eines Schweizer Gerichts oder eines Schiedsgerichts mit Sitz in der Schweiz (Urteile 4A_374/2014 vom 26. Februar 2015 E. 4.2.2 a.E.; 4A_508/2010 vom 14. Februar 2011 E. 3.3; vgl. BGE 140 III 278 E. 3.2 S. 281). Die materielle Rechtskraft eines ausländischen Entscheids, die nach dem Recht des Ursprungsstaats unabhängig von den beurteilten Rechtsbegehren der Parteien auch die Urteilsbegründung erfassen würde, wäre in der Schweiz etwa auf BGE 141 III 229 S. 236 den Rahmen des Urteilsdispositivs zu beschränken ( BGE 140 III 278 E. 3.2 S. 281 mit Hinweis). Andererseits kann ein im Ausland ergangener Gerichts- oder Schiedsentscheid in der Schweiz keine weitergehenden Wirkungen entfalten, als ihm im Urteilsstaat zukommen würden (Urteile 4A_374/2014 vom 26. Februar 2015 E. 4.2.2 a.E.; 4A_508/2010 vom 14. Februar 2011 E. 3.3; vgl. BGE 140 III 278 E. 3.2 S. 281).
BGE 141 III 229 S. 236
3.2.4 Die Beschwerdeführerin verkennt diese Grundsätze, wenn sie dem Bundesgericht im Beschwerdeverfahren vorträgt, die materielle Rechtskraft des ausländischen Schiedsentscheids müsse sich "im Sinne der schweizerischen und internationalen Lehre zur Rechtskraft" auch auf die für den Entscheid ausschlaggebenden Erwägungen erstrecken.
3.2.4 Zunächst trifft entgegen ihrer Ansicht nicht zu, dass das Bundesgericht bisher nie entschieden hätte, ob die Rechtskraftwirkung eines ausländischen Schiedsentscheids derjenigen eines Urteils eines inländischen staatlichen Gerichts entspreche. Das Bundesgericht wendet die für Gerichtsentscheide geltenden Grundsätze zur Rechtskraftwirkung bereits seit geraumer Zeit gleichermassen auf Schiedsentscheide an, wobei es auch in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass sich die Rechtskraftwirkung eines internationalen Schiedsentscheids auf das Urteilsdispositiv beschränkt und die Urteilsbegründung davon nicht erfasst wird ( BGE 128 III 191 E. 4a betreffend Rechtskraft des Entscheids eines internationalen Schiedsgerichts mit Sitz in der Schweiz). In einem neueren Entscheid hat es hinsichtlich der Rechtskraftwirkung eines ausländischen Schiedsentscheids dieselben Grundsätze angewendet wie bei einem ausländischen Urteil eines staatlichen Gerichts (Urteil 4A_508/2010 vom 14. Februar 2011 E. 3.3). Dies wurde in einem vor Kurzem ergangenen Urteil bestätigt, in dem das Bundesgericht ausdrücklich festhielt, dass die materielle Rechtskraft auch im internationalen Verhältnis gilt und unter anderem das Verhältnis zwischen einem Schiedsgericht mit Sitz in der Schweiz und einem ausländischen Schiedsgericht bestimmt, wobei sich der Umfang der Rechtskraftwirkung eines ausländischen Schiedsentscheids nach denselben Grundsätzen richtet wie bei einem ausländischen Gerichtsentscheid (Urteil 4A_374/2014 vom 26. Februar 2015 E. 4.2.1 und 4.2.2).
Dass ein Schiedsspruch mit der Eröffnung die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Entscheids hat, ist zudem im Bereich der BGE 141 III 229 S. 237 Binnenschiedsgerichtsbarkeit gesetzlich ausdrücklich vorgesehen ( Art. 387 ZPO ), gilt jedoch auch für Entscheide internationaler Schiedsgerichte mit Sitz in der Schweiz (SIMON ZINGG, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. I, 2012, N. 114 zu Art. 59 ZPO ; vgl. bereits RÜEDE/HADENFELDT, Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, 2. Aufl. 1993, S. 309 f.).
BGE 141 III 229 S. 237
Art. 387 ZPO Art. 59 ZPO 3.2.5 Weder die von der Beschwerdeführerin ins Feld geführte "besondere Interessenlage der Parteien eines internationalen Schiedsverfahrens" noch die Wünschbarkeit international einheitlicher Standards und transnationaler Konzepte oder die von ihr erwähnten Empfehlungen einer privaten Organisation (ILA Final Report on Res Judicata and Arbitration, a.a.O.; dazu etwa BERGER/KELLERHALS, International and Domestic Arbitration in Switzerland, 3. Aufl. 2015, Rz. 1666 ff.) vermögen an dieser Rechtslage etwas zu ändern. Die Beschwerdeführerin macht denn auch zu Recht nicht etwa geltend, das New Yorker Übereinkommen oder ein anderer anwendbarer Staatsvertrag sehe eine abweichende Regelung der materiellen Rechtskraft vor. Für die Anwendung des von ihr befürworteten weiten Begriffs der Rechtskraft "nach weltweit verbreitetem Konzept anglo-amerikanischer Herkunft" besteht keine rechtliche Grundlage.
3.2.5 Abgesehen davon verkennt die Beschwerdeführerin, dass sich die Rechtskraftwirkung eines ausländischen Schiedsspruchs aus der entsprechenden ausländischen Entscheidung ergibt, weshalb er in der Schweiz von vornherein nur so weit wirken kann, wie es das Prozessrecht des Ursprungsstaats vorsieht. Dass die Rechtskraftwirkung des fraglichen Entscheids des ICC Schiedsgerichts mit Sitz in Frankfurt a.M. nach deutschem Recht über das Dispositiv hinaus auch die Urteilsbegründung erfassen würde, macht sie jedoch zu Recht nicht geltend (vgl. statt vieler JOACHIM MÜNCH, in: Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, Bd. 3: §§ 1025-1109, 4. Aufl. 2013, N. 14 f. zu § 1055 ZPO ; vgl. auch BGE 138 III 714 E. 3.2, wonach das Bundesgericht selbst bei der Prüfung von Vorfragen nach ausländischem Recht der in der anwendbaren ausländischen Rechtsordnung klar herrschenden Auffassung und bei Kontroversen zwischen Rechtsprechung und Lehre der höchstrichterlichen Judikatur folgt).
§ 1055 ZPO Die Bindungswirkung des Entscheids des ICC Schiedsgerichts mit Sitz in Frankfurt a.M. vom 30. September 2011 ist daher nach den BGE 141 III 229 S. 238 vom Bundesgericht entwickelten Grundsätzen zur materiellen Rechtskraft zu beurteilen.
BGE 141 III 229 S. 238
3.2.6 Die Beschwerdeführerin macht zu Unrecht geltend, das ICC Schiedsgericht mit Sitz in Zürich sei selbst dann an die Feststellungen des ersten Schiedsspruchs zu den vertraglichen Voraussetzungen des Anspruchs auf die Grundbeträge gebunden gewesen, wenn der Beurteilung der vom Bundesgericht verwendete Begriff der res iudicata zugrunde gelegt werde.
3.2.6 Die Rechtskraftwirkung tritt nur so weit ein, als über den geltend gemachten Anspruch entschieden worden ist. Inwieweit dies der Fall ist, ergibt die Auslegung des Urteils, zu der dessen ganzer Inhalt heranzuziehen ist. Zwar beschränkt sich die Rechtskraftwirkung auf das Urteilsdispositiv; doch ergibt sich dessen Tragweite vielfach erst aus den Urteilserwägungen, namentlich im Falle einer Klageabweisung ( BGE 121 III 474 E. 4a S. 478). Die Bedeutung des konkreten Urteilsdispositivs ist demnach im Einzelfall anhand der gesamten Urteilserwägungen zu beurteilen ( BGE 136 III 345 E. 2.1 S. 348 mit Hinweisen).
Zwar trifft zu, dass zur Beurteilung, bezüglich welcher Forderung die erste Schiedsklage rechtskräftig abgewiesen wurde, die Erwägungen des Entscheids des ICC Schiedsgerichts mit Sitz in Frankfurt a.M. vom 30. September 2011 heranzuziehen waren. Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin hat sich das ICC Schiedsgericht mit Sitz in Zürich aber durchaus mit den Erwägungen des ersten Schiedsspruchs auseinandergesetzt und hat den von ihr erhobenen Einwand der Rechtskraftwirkung des ersten Schiedsentscheids mit Zwischenentscheid Nr. 5 vom 18. März 2014 mit eingehender Begründung abgewiesen. Es hat die im ersten Schiedsverfahren erhobene Klage zutreffend als mit der im zweiten Schiedsverfahren erhobenen Klage nicht identisch erachtet, weil diese die Grundbeträge der Jahre 2011 und 2012 betraf, während sich jene auf die Grundbeträge für die Jahre 2009 und 2010 bezog, was im Übrigen auch die Beschwerdeführerin anerkennt. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht ergibt sich keine weitere Bindungswirkung bezüglich der rechtlichen Erwägungen im ersten Schiedsentscheid; bei dessen Auslegung von Ziffer 5.3 BCA handelt es sich um blosse Glieder des Subsumtionsschlusses, die für sich allein nicht in materielle Rechtskraft erwachsen ( BGE 121 III 474 E. 4a S. 478; vgl. zu einem Fall der Klageabweisung bei verschiedenen BGE 141 III 229 S. 239 Forderungen aus demselben Vertrag auch Urteil 4A_352/2014 vom 9. Februar 2015 E. 3). Die Beschwerdeführerin verkennt, dass diese Vertragsauslegung im ersten Entscheid nicht selbst Streitgegenstand war, indem über diese Frage ein Feststellungsurteil gefällt worden wäre.
BGE 141 III 229 S. 239
Entgegen ihrer Ansicht lässt sich aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur materiellen Rechtskraft keine Bindung des zweiten Schiedsgerichts an die rechtlichen Erwägungen des ersten Entscheids ableiten. Das ICC Schiedsgericht mit Sitz in Zürich, das eine andere Forderung als dasjenige mit Sitz in Frankfurt a.M. zu beurteilen hatte, konnte den eingeklagten Anspruch von Grund auf neu prüfen und war weder an die tatsächlichen Feststellungen noch an die rechtlichen Erwägungen des ersten Schiedsentscheids gebunden. Das ICC Schiedsgericht mit Sitz in Zürich hat daher den verfahrensrechtlichen Ordre public ( Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG ) nicht verletzt, wenn es seinem Entscheid eine eigene Auslegung von Ziffer 5.3 BCA zugrunde legte. Im Gegenteil wäre ihm eine Ordre public-Widrigkeit vorzuwerfen, wenn es sich bei der Beurteilung des Klagebegehrens an die Vertragsauslegung im ersten Schiedsentscheid gebunden erachtet und auf eine entsprechende Prüfung verzichtet hätte, obwohl im ersten Entscheid über einen anderen Anspruch entschieden worden war.
Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG
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Urteilskopf 141 III 23 5. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause A. SA contre B. (recours en matière civile) 4A_343/2014 du 17 décembre 2014 Regeste Art. 257 ZPO, Art. 321a, 321b und 339a OR ; Pflicht zur Rückgabe von Unterlagen, Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen. Rechtsbegehren auf Rückgabe von Unterlagen gemäss Art. 339a OR, die in einem Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen ( Art. 257 ZPO ) gestellt werden, müssen vollumfänglich gutgeheissen werden können, andernfalls darauf nicht einzutreten ist (E. 3). Sachverhalt ab Seite 23 BGE 141 III 23 S. 23 A. A.a B. a été engagé, par contrat de travail du 31 août/1 er septembre 2005, en qualité de Compliance Manager, par la société A. SA (ci-après: A. ou l'employeur), qui est active notamment dans le domaine du conseil en matière de constitution, contrôle et gestion de trusts, fondations et sociétés dans différentes juridictions. (...) A.b A. a licencié son employé par lettre du 7 janvier 2013, avec effet au 30 avril 2013, tout en le libérant de son obligation de travailler avec effet immédiat. (...) L'employeur soutient que l'employé ne lui a jamais remis aucun document concernant ses contacts avec l'Etude C. et/ou ses clients. L'employé a admis avoir pris contact avec les adversaires de son employeur et les avoir rencontrés, selon lui, afin de se disculper de toute faute dans un montage financier. A.c L'employé a saisi le Tribunal des prud'hommes de Genève par une requête de citation en conciliation du 25 mars 2013, contestant le motif de son licenciement. La cause est pendante. BGE 141 III 23 S. 24 De son côté, l'employeur a déposé contre son employé, le 18 avril 2013, une requête de mesures superprovisionnelles et provisionnelles devant le Tribunal des prudhommes, en vue de "faire cesser les agissements déloyaux et en violation de la clause de concurrence". Par décision de mesures superprovisionnelles du 19 avril 2013, confirmées par décision de mesures provisionnelles du 4 juillet 2014, la présidente du tribunal a fait interdiction à l'employé de communiquer à tout tiers, notamment tout document directement ou indirectement en lien avec son travail pour son employeur, sous menace des peines et sanctions prévues par l' art. 292 CP. Le 4 octobre 2013, l'employeur a ouvert action en validation des mesures provisionnelles, ainsi qu'en paiement de dommages-intérêts de 347'169 fr. 05, en particulier du fait de la remise de documents confidentiels et d'informations erronées à Me D. A. a aussi déposé plainte pénale contre inconnu le 11 janvier 2013, du fait des fuites qu'elles a constatées. B. Le 13 août 2013, A. a déposé une requête de protection dans les cas clairs au sens de l' art. 257 CPC contre B. devant le Tribunal des prud'hommes de Genève. Elle y prend des conclusions sur trois pages tendant, en substance, à la restitution de documents que celui-ci a remis à des tiers ou a reçus de tiers, notamment à ou de Me D., que ce soit avant la date de la fin du contrat de travail, à cette date ou ultérieurement, et à la reddition de compte pour toutes les informations concernant ses affaires ou ses clients, qu'il a transmises notamment à Me D., ainsi que pour tous les entretiens qu'il a eus, que ce soit avant ou après la date de la fin du contrat de travail. (...) Selon elle, le seul fait pertinent à prouver est le contrat de travail, sur la base duquel se fonde sa requête. Le défendeur a conclu à l'irrecevabilité de la requête. A l'audience de débats, il a ajouté que la procédure pénale pendante permettrait d'apporter plus de clarté à l'état de fait. Il a contesté avoir en sa possession des documents appartenant à l'employeur; il possède uniquement les documents contractuels qui lui appartiennent et il n'a rien emporté illégalement. (...) Le tribunal a déclaré la requête irrecevable par jugement du 10 décembre 2013, l'état de fait étant contesté et n'étant pas susceptible d'être immédiatement prouvé comme l'exige l' art. 257 al. 1 CPC. Statuant sur appel de l'employeur, la Chambre des prud'hommes de la Cour de justice du canton de Genève a rejeté l'appel et confirmé le jugement attaqué. (...) BGE 141 III 23 S. 25 C. Contre cet arrêt, A. a interjeté un recours en matière civile au Tribunal fédéral le 3 juin 2014. Elle conclut à sa réforme en reprenant les conclusions de trois pages de sa requête et, à titre subsidiaire, à son annulation et au renvoi de la cause à la cour cantonale pour nouvelle décision dans le sens des considérants. L'employé a conclu à l'irrecevabilité du recours, subsidiairement à son rejet. (...) Le Tribunal fédéral a rejeté le recours. (extrait) Erwägungen Extrait des considérants: 3. 3.1 Selon l' art. 339a al. 1 CO (qui est de droit absolument impératif en vertu de l' art. 361 CO ), au moment où le contrat de travail prend fin, les parties se rendent tout ce qu'elles se sont remis pour la durée du contrat, de même que tout ce que l'une d'elles pourrait avoir reçu de tiers pour le compte de l'autre. Pour le travailleur, cette obligation de restitution découle de son devoir de fidélité ( art. 321a CO ). Déjà en cours de contrat, ce devoir oblige l'employé à rendre compte et à remettre à son employeur notamment tous les documents qu'il reçoit pour le compte de celui-ci ( art. 321b al. 1 CO ; JEAN-PHILIPPE DUNAND, in Commentaire du contrat de travail, 2013, n° 8 ad art. 321b CO ), de même que tous les documents qu'il produit dans le cadre de son travail, le résultat de son activité professionnelle appartenant à l'employeur ( art. 321b al. 2 CO ; DUNAND, op. cit., n° 13 ad art. 321b CO ; arrêt 4A_310/2007 du 4 décembre 2007 consid. 5.1). Puis, après la fin du contrat, le devoir de confidentialité, qui perdure après la fin des rapports de travail ( art. 321a al. 4 CO ), impose au travailleur la même obligation de restitution, laquelle s'étend aux copies de documents, afin notamment de prévenir un risque de violation de secrets d'affaires ou de détournement de la clientèle de l'employeur. Une telle prétention peut exister indépendamment de l'éventuel droit d'interdire à l'ex-employé d'exercer une activité concurrente (cf. art. 340b al. 3 CO ) (RÉMY WYLER, Droit du travail, 2 e éd. 2008, p. 584; cf. l'arrêt 4A_611/2011 du 3 janvier 2012 consid. 4.3, rendu en application de l' art. 98 LTF ). 3.2 La procédure de protection dans les cas clairs prévue par l' art. 257 CPC permet à la partie demanderesse d'obtenir rapidement une BGE 141 III 23 S. 26 décision ayant l'autorité de la chose jugée et la force exécutoire, lorsque la situation de fait et de droit n'est pas équivoque (Message du 28 juin 2006 relatif au code de procédure civile suisse [CPC], FF 2006 6959 ch. 5.18; ATF 138 III 620 consid. 5.1.1). Cette procédure n'est ainsi recevable que lorsque l'état de fait n'est pas litigieux ou est susceptible d'être immédiatement prouvé ( art. 257 al. 1 let. a CPC ) et que la situation juridique est claire ( art. 257 al. 1 let. b CPC ). Selon la jurisprudence, l'état de fait n'est pas litigieux lorsqu'il n'est pas contesté par le défendeur; il est susceptible d'être immédiatement prouvé lorsque les faits peuvent être établis sans retard et sans trop de frais. En règle générale, la preuve est rapportée par la production de titres, conformément à l' art. 254 al. 1 CPC. La preuve n'est pas facilitée: le demandeur doit ainsi apporter la preuve certaine (" voller Beweis ") des faits justifiant sa prétention; la simple vraisemblance (" Glaubhaftmachen ") ne suffit pas. Si le défendeur fait valoir des objections et exceptions motivées et concluantes (" substanziiert und schlüssig "), qui ne peuvent être écartées immédiatement et qui sont de nature à ébranler la conviction du juge, la procédure du cas clair est par conséquent irrecevable ( ATF 138 III 620 consid. 5.1.1 et les arrêts cités). La situation juridique est claire lorsque l'application de la norme au cas concret s'impose de façon évidente au regard du texte légal ou sur la base d'une doctrine et d'une jurisprudence éprouvées ( ATF 138 III 123 consid. 2.1.2, ATF 138 III 620 consid. 5.1.2, 728 consid. 3.3). En règle générale, la situation juridique n'est pas claire si l'application d'une norme nécessite l'exercice d'un certain pouvoir d'appréciation de la part du juge ou que celui-ci doit rendre une décision en équité, en tenant compte des circonstances concrètes de l'espèce ( ATF 138 III 123 consid. 2.1.2; arrêt 4A_273/2012 du 30 octobre 2012 consid. 5.1.2, non publié in ATF 138 III 620 ). 3.3 Lorsque les conditions de l' art. 257 CPC en sont remplies, l'employeur peut obtenir du travailleur, par cette procédure rapide, la restitution des documents qui lui appartiennent ou qui lui reviennent au sens de l' art. 339a al. 1 et 2 CO, la cause n'étant pas soumise à la maxime d'office (arrêt 4A_611/2011 du 3 janvier 2012 consid. 4.5 in fine). Lorsque les documents qui sont réclamés par l'employeur sont clairement identifiables pour l'employé, il n'y a pas lieu de poser des exigences trop élevées en ce qui concerne les conclusions à prendre par l'employeur. BGE 141 III 23 S. 27 En revanche, il n'appartient pas au juge, saisi d'une telle requête, d'instruire et de faire un tri entre les faits allégués pour déterminer ce qui doit être admis ou rejeté, les conclusions devant en effet pouvoir être admises dans leur intégralité, sous peine d'irrecevabilité (arrêt 5A_768/2012 du 17 mai 2013 consid. 4.3, in SJ 2014 I p. 27). 3.4 En l'espèce, l'employeur peut certes faire valoir un droit à la restitution et à la reddition de compte en ce qui concerne les documents reçus par l'employé pour son compte (art. 339a al. 1 en relation avec l' art. 321b al. 1 CO ) ou les documents que celui-ci a produits (art. 339a al. 1 en relation avec l' art. 321b al. 2 CO ), et ce pendant la durée des rapports de travail. En revanche, il ne dispose pas d'un tel droit pour les documents ou informations obtenues par l'employé après la fin des rapports de travail. En tant qu'il invoque des faits dont certains concernent des documents et informations postérieurs à la fin des rapports de travail et formule des conclusions globales "que ce soit avant la date de fin du contrat de travail..., à cette date, ou ultérieurement", qui portent donc également sur de tels documents et informations postérieurs, ni la situation de fait, ni la situation juridique ne sont clairs. Le juge est dans l'impossibilité d'admettre les conclusions de la requête dans leur intégralité. Le requérant ne saurait exiger de lui qu'il fasse un tri entre ce qui pourrait être admis et ce qui devrait être rejeté. Il s'ensuit que la requête déposée par l'employeur est irrecevable.
Urteilskopf
5. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause A. SA contre B. (recours en matière civile)
4A_343/2014 du 17 décembre 2014
Regeste Art. 257 ZPO, Art. 321a, 321b und 339a OR ; Pflicht zur Rückgabe von Unterlagen, Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen. Rechtsbegehren auf Rückgabe von Unterlagen gemäss Art. 339a OR, die in einem Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen ( Art. 257 ZPO ) gestellt werden, müssen vollumfänglich gutgeheissen werden können, andernfalls darauf nicht einzutreten ist (E. 3).
Regeste
Art. 257 ZPO, Art. 321a, 321b und 339a OR ; Pflicht zur Rückgabe von Unterlagen, Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen. Rechtsbegehren auf Rückgabe von Unterlagen gemäss Art. 339a OR, die in einem Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen ( Art. 257 ZPO ) gestellt werden, müssen vollumfänglich gutgeheissen werden können, andernfalls darauf nicht einzutreten ist (E. 3).
Art. 257 ZPO Art. 321a, 321b und 339a OR Rechtsbegehren auf Rückgabe von Unterlagen gemäss Art. 339a OR, die in einem Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen ( Art. 257 ZPO ) gestellt werden, müssen vollumfänglich gutgeheissen werden können, andernfalls darauf nicht einzutreten ist (E. 3).
Art. 339a OR Art. 257 ZPO Sachverhalt ab Seite 23
Sachverhalt ab Seite 23 BGE 141 III 23 S. 23
BGE 141 III 23 S. 23
A.
A. A.a B. a été engagé, par contrat de travail du 31 août/1 er septembre 2005, en qualité de Compliance Manager, par la société A. SA (ci-après: A. ou l'employeur), qui est active notamment dans le domaine du conseil en matière de constitution, contrôle et gestion de trusts, fondations et sociétés dans différentes juridictions. (...)
A.a A.b A. a licencié son employé par lettre du 7 janvier 2013, avec effet au 30 avril 2013, tout en le libérant de son obligation de travailler avec effet immédiat. (...)
A.b L'employeur soutient que l'employé ne lui a jamais remis aucun document concernant ses contacts avec l'Etude C. et/ou ses clients. L'employé a admis avoir pris contact avec les adversaires de son employeur et les avoir rencontrés, selon lui, afin de se disculper de toute faute dans un montage financier.
A.c L'employé a saisi le Tribunal des prud'hommes de Genève par une requête de citation en conciliation du 25 mars 2013, contestant le motif de son licenciement. La cause est pendante. BGE 141 III 23 S. 24
A.c BGE 141 III 23 S. 24
De son côté, l'employeur a déposé contre son employé, le 18 avril 2013, une requête de mesures superprovisionnelles et provisionnelles devant le Tribunal des prudhommes, en vue de "faire cesser les agissements déloyaux et en violation de la clause de concurrence". Par décision de mesures superprovisionnelles du 19 avril 2013, confirmées par décision de mesures provisionnelles du 4 juillet 2014, la présidente du tribunal a fait interdiction à l'employé de communiquer à tout tiers, notamment tout document directement ou indirectement en lien avec son travail pour son employeur, sous menace des peines et sanctions prévues par l' art. 292 CP. Le 4 octobre 2013, l'employeur a ouvert action en validation des mesures provisionnelles, ainsi qu'en paiement de dommages-intérêts de 347'169 fr. 05, en particulier du fait de la remise de documents confidentiels et d'informations erronées à Me D. art. 292 CP A. a aussi déposé plainte pénale contre inconnu le 11 janvier 2013, du fait des fuites qu'elles a constatées.
B. Le 13 août 2013, A. a déposé une requête de protection dans les cas clairs au sens de l' art. 257 CPC contre B. devant le Tribunal des prud'hommes de Genève. Elle y prend des conclusions sur trois pages tendant, en substance, à la restitution de documents que celui-ci a remis à des tiers ou a reçus de tiers, notamment à ou de Me D., que ce soit avant la date de la fin du contrat de travail, à cette date ou ultérieurement, et à la reddition de compte pour toutes les informations concernant ses affaires ou ses clients, qu'il a transmises notamment à Me D., ainsi que pour tous les entretiens qu'il a eus, que ce soit avant ou après la date de la fin du contrat de travail. (...) Selon elle, le seul fait pertinent à prouver est le contrat de travail, sur la base duquel se fonde sa requête.
B. art. 257 CPC Le défendeur a conclu à l'irrecevabilité de la requête. A l'audience de débats, il a ajouté que la procédure pénale pendante permettrait d'apporter plus de clarté à l'état de fait. Il a contesté avoir en sa possession des documents appartenant à l'employeur; il possède uniquement les documents contractuels qui lui appartiennent et il n'a rien emporté illégalement. (...)
Le tribunal a déclaré la requête irrecevable par jugement du 10 décembre 2013, l'état de fait étant contesté et n'étant pas susceptible d'être immédiatement prouvé comme l'exige l' art. 257 al. 1 CPC. art. 257 al. 1 CPC Statuant sur appel de l'employeur, la Chambre des prud'hommes de la Cour de justice du canton de Genève a rejeté l'appel et confirmé le jugement attaqué. (...) BGE 141 III 23 S. 25
BGE 141 III 23 S. 25
C. Contre cet arrêt, A. a interjeté un recours en matière civile au Tribunal fédéral le 3 juin 2014. Elle conclut à sa réforme en reprenant les conclusions de trois pages de sa requête et, à titre subsidiaire, à son annulation et au renvoi de la cause à la cour cantonale pour nouvelle décision dans le sens des considérants.
C. L'employé a conclu à l'irrecevabilité du recours, subsidiairement à son rejet. (...)
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
(extrait)
Erwägungen
Erwägungen Extrait des considérants:
3.
3. 3.1 Selon l' art. 339a al. 1 CO (qui est de droit absolument impératif en vertu de l' art. 361 CO ), au moment où le contrat de travail prend fin, les parties se rendent tout ce qu'elles se sont remis pour la durée du contrat, de même que tout ce que l'une d'elles pourrait avoir reçu de tiers pour le compte de l'autre.
3.1 art. 339a al. 1 CO art. 361 CO Pour le travailleur, cette obligation de restitution découle de son devoir de fidélité ( art. 321a CO ). Déjà en cours de contrat, ce devoir oblige l'employé à rendre compte et à remettre à son employeur notamment tous les documents qu'il reçoit pour le compte de celui-ci ( art. 321b al. 1 CO ; JEAN-PHILIPPE DUNAND, in Commentaire du contrat de travail, 2013, n° 8 ad art. 321b CO ), de même que tous les documents qu'il produit dans le cadre de son travail, le résultat de son activité professionnelle appartenant à l'employeur ( art. 321b al. 2 CO ; DUNAND, op. cit., n° 13 ad art. 321b CO ; arrêt 4A_310/2007 du 4 décembre 2007 consid. 5.1). Puis, après la fin du contrat, le devoir de confidentialité, qui perdure après la fin des rapports de travail ( art. 321a al. 4 CO ), impose au travailleur la même obligation de restitution, laquelle s'étend aux copies de documents, afin notamment de prévenir un risque de violation de secrets d'affaires ou de détournement de la clientèle de l'employeur. Une telle prétention peut exister indépendamment de l'éventuel droit d'interdire à l'ex-employé d'exercer une activité concurrente (cf. art. 340b al. 3 CO ) (RÉMY WYLER, Droit du travail, 2 e éd. 2008, p. 584; cf. l'arrêt 4A_611/2011 du 3 janvier 2012 consid. 4.3, rendu en application de l' art. 98 LTF ). art. 321a CO art. 321b al. 1 CO art. 321b CO art. 321b al. 2 CO art. 321b CO art. 321a al. 4 CO art. 340b al. 3 CO art. 98 LTF 3.2 La procédure de protection dans les cas clairs prévue par l' art. 257 CPC permet à la partie demanderesse d'obtenir rapidement une BGE 141 III 23 S. 26 décision ayant l'autorité de la chose jugée et la force exécutoire, lorsque la situation de fait et de droit n'est pas équivoque (Message du 28 juin 2006 relatif au code de procédure civile suisse [CPC], FF 2006 6959 ch. 5.18; ATF 138 III 620 consid. 5.1.1). Cette procédure n'est ainsi recevable que lorsque l'état de fait n'est pas litigieux ou est susceptible d'être immédiatement prouvé ( art. 257 al. 1 let. a CPC ) et que la situation juridique est claire ( art. 257 al. 1 let. b CPC ).
3.2 art. 257 CPC BGE 141 III 23 S. 26
art. 257 al. 1 let. a CPC art. 257 al. 1 let. b CPC Selon la jurisprudence, l'état de fait n'est pas litigieux lorsqu'il n'est pas contesté par le défendeur; il est susceptible d'être immédiatement prouvé lorsque les faits peuvent être établis sans retard et sans trop de frais. En règle générale, la preuve est rapportée par la production de titres, conformément à l' art. 254 al. 1 CPC. La preuve n'est pas facilitée: le demandeur doit ainsi apporter la preuve certaine (" voller Beweis ") des faits justifiant sa prétention; la simple vraisemblance (" Glaubhaftmachen ") ne suffit pas. Si le défendeur fait valoir des objections et exceptions motivées et concluantes (" substanziiert und schlüssig "), qui ne peuvent être écartées immédiatement et qui sont de nature à ébranler la conviction du juge, la procédure du cas clair est par conséquent irrecevable ( ATF 138 III 620 consid. 5.1.1 et les arrêts cités). art. 254 al. 1 CPC La situation juridique est claire lorsque l'application de la norme au cas concret s'impose de façon évidente au regard du texte légal ou sur la base d'une doctrine et d'une jurisprudence éprouvées ( ATF 138 III 123 consid. 2.1.2, ATF 138 III 620 consid. 5.1.2, 728 consid. 3.3). En règle générale, la situation juridique n'est pas claire si l'application d'une norme nécessite l'exercice d'un certain pouvoir d'appréciation de la part du juge ou que celui-ci doit rendre une décision en équité, en tenant compte des circonstances concrètes de l'espèce ( ATF 138 III 123 consid. 2.1.2; arrêt 4A_273/2012 du 30 octobre 2012 consid. 5.1.2, non publié in ATF 138 III 620 ).
3.3 Lorsque les conditions de l' art. 257 CPC en sont remplies, l'employeur peut obtenir du travailleur, par cette procédure rapide, la restitution des documents qui lui appartiennent ou qui lui reviennent au sens de l' art. 339a al. 1 et 2 CO, la cause n'étant pas soumise à la maxime d'office (arrêt 4A_611/2011 du 3 janvier 2012 consid. 4.5 in fine). Lorsque les documents qui sont réclamés par l'employeur sont clairement identifiables pour l'employé, il n'y a pas lieu de poser des exigences trop élevées en ce qui concerne les conclusions à prendre par l'employeur. BGE 141 III 23 S. 27
3.3 art. 257 CPC art. 339a al. 1 et 2 CO BGE 141 III 23 S. 27
En revanche, il n'appartient pas au juge, saisi d'une telle requête, d'instruire et de faire un tri entre les faits allégués pour déterminer ce qui doit être admis ou rejeté, les conclusions devant en effet pouvoir être admises dans leur intégralité, sous peine d'irrecevabilité (arrêt 5A_768/2012 du 17 mai 2013 consid. 4.3, in SJ 2014 I p. 27).
3.4 En l'espèce, l'employeur peut certes faire valoir un droit à la restitution et à la reddition de compte en ce qui concerne les documents reçus par l'employé pour son compte (art. 339a al. 1 en relation avec l' art. 321b al. 1 CO ) ou les documents que celui-ci a produits (art. 339a al. 1 en relation avec l' art. 321b al. 2 CO ), et ce pendant la durée des rapports de travail. En revanche, il ne dispose pas d'un tel droit pour les documents ou informations obtenues par l'employé après la fin des rapports de travail.
3.4 art. 321b al. 1 CO art. 321b al. 2 CO En tant qu'il invoque des faits dont certains concernent des documents et informations postérieurs à la fin des rapports de travail et formule des conclusions globales "que ce soit avant la date de fin du contrat de travail..., à cette date, ou ultérieurement", qui portent donc également sur de tels documents et informations postérieurs, ni la situation de fait, ni la situation juridique ne sont clairs. Le juge est dans l'impossibilité d'admettre les conclusions de la requête dans leur intégralité. Le requérant ne saurait exiger de lui qu'il fasse un tri entre ce qui pourrait être admis et ce qui devrait être rejeté. Il s'ensuit que la requête déposée par l'employeur est irrecevable.
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Urteilskopf 141 III 241 34. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Versicherung B. AG (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_25/2015 vom 29. Mai 2015 Regeste Art. 8 ZGB ; Krankentaggeldversicherung; Schadensversicherung; Beweis des Erwerbsausfalls bei Arbeitslosigkeit. Beansprucht eine arbeitslose Person Krankentaggelder und hat sie keinen Anspruch auf Taggelder der Arbeitslosenversicherung, so hat sie zum Beweis eines Erwerbsausfalls eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür nachzuweisen, dass sie ohne Krankheit eine Erwerbstätigkeit ausüben würde. War die versicherte Person im Zeitpunkt ihrer Erkrankung noch nicht arbeitslos, profitiert sie von der tatsächlichen Vermutung, dass sie ohne Krankheit erwerbstätig wäre (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 3). Erwägungen ab Seite 242 BGE 141 III 241 S. 242 Aus den Erwägungen: 3. Die Beschwerdeführerin (Versicherte) rügt eine Verletzung von Art. 8 ZGB durch eine falsche Beweislastverteilung. Da es beim Einstellen der Taggelder um eine leistungsaufhebende Tatsache gehe, trage entgegen der Ansicht der Vorinstanz nicht die Beschwerdeführerin die Beweislast, sondern die Beschwerdegegnerin (Versicherung). Zudem sei die Vorinstanz zu Unrecht von einer tatsächlichen Vermutung ausgegangen, wonach eine versicherte Person, die während bestehender Arbeitslosigkeit erkranke, auch bei gesunder Verfassung weiterhin keiner Erwerbstätigkeit nachgehen würde. 3.1 Nach Art. 8 ZGB hat, wo es das Gesetz nicht anders bestimmt, derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. Demgemäss hat die Partei, die einen Anspruch geltend macht, die rechtsbegründenden Tatsachen zu beweisen, während die Beweislast für die rechtsaufhebenden bzw. rechtsvernichtenden oder rechtshindernden Tatsachen bei der Partei liegt, die den Untergang des Anspruchs behauptet oder dessen Entstehung oder Durchsetzbarkeit bestreitet. Der Eintritt des Versicherungsfalls ist nach diesen Grundsätzen vom Anspruchsberechtigten zu beweisen ( BGE 130 III 321 E. 3.1 S. 323). Ist eine Krankentaggeldversicherung als Schadensversicherung ausgestaltet, setzt der Eintritt des Versicherungsfalls einen Schaden - namentlich einen Erwerbsausfall - voraus. Dabei gilt das herabgesetzte Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit ( BGE 130 III 321 E. 3.3 S. 325; BGE 128 III 271 E. 2b/aa S. 276). Auch eine arbeitslose Person, die keinen Anspruch auf Taggelder der Arbeitslosenversicherung besitzt, kann einen Erwerbsausfall erleiden, der Anspruch auf Krankentaggelder verleiht. Voraussetzung für den Leistungsanspruch ist allerdings, dass die versicherte Person eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür nachweist, dass sie ohne Krankheit eine Erwerbstätigkeit ausüben würde (Urteile 4A_138/2013 vom 27. Juni 2013 E. 4.1; 9C_311/2010 vom 2. August 2010 E. 1.3 mit Hinweisen). Die Vorinstanz hat somit Art. 8 ZGB nicht verletzt, indem sie die Beweislast für den Nachweis eines Erwerbsausfalls der Beschwerdeführerin auferlegt hat. Diese hat mithin (mit dem Beweismass der BGE 141 III 241 S. 243 überwiegenden Wahrscheinlichkeit) zu beweisen, dass sie eine Erwerbstätigkeit ausüben würde, wenn sie nicht krank wäre. Daran ändert entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nichts, dass die Beschwerdegegnerin zunächst Taggelder ausbezahlt hat. Ändern sich die relevanten Umstände, so hat die Beschwerdeführerin zu beweisen, dass sie (weiterhin) Anspruch auf Taggelder wegen Erwerbsausfalls hat. Die Rüge der bundesrechtswidrigen Beweislastverteilung erweist sich damit als unbegründet. 3.2 Die Beweislastverteilung regelt die Folgen der Beweislosigkeit. Gelangt ein Gericht dagegen in Würdigung der Beweise zum Schluss, eine Tatsachenbehauptung sei bewiesen oder widerlegt, ist die Beweislastverteilung gegenstandslos ( BGE 138 III 359 E. 6.3 S. 365; BGE 134 III 235 E. 4.3.4 S. 241; BGE 131 III 646 E. 2.1 S. 649; BGE 130 III 591 E. 5.4 S. 602). Tatsächliche Vermutungen lassen den Schluss auf das Vorhandensein oder das Fehlen bestimmter Tatsachen zu und bilden Teil der Beweiswürdigung ( BGE 135 II 161 E. 3 S. 166; BGE 130 II 482 E. 3.2 S. 486; BGE 120 II 248 E. 2c S. 250). Dazu gehört auch die von der Beschwerdeführerin beanstandete Vermutung, wonach sie auch bei gesunder Verfassung keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen wäre. 3.2.1 Die Vorinstanz hat im angefochtenen Urteil die bundesgerichtliche Rechtsprechung wiedergegeben, wonach im Falle von Arbeitslosigkeit grundsätzlich zwei Fallkategorien zu unterscheiden sind: Verliert die versicherte Person ihre Stelle durch Kündigung zu einem Zeitpunkt, in welchem sie bereits zufolge Krankheit arbeitsunfähig ist, so gilt die Vermutung, dass sie - wie vor der Erkrankung - erwerbstätig wäre, wenn sie nicht erkrankt wäre. Erkrankt die versicherte Person demgegenüber erst, nachdem sie arbeitslos geworden ist, gilt nach der Rechtsprechung die Vermutung, dass die versicherte Person auch ohne Krankheit weiterhin keine Erwerbstätigkeit ausüben würde; diese Vermutung kann nach der Rechtsprechung durch den Nachweis widerlegt werden, dass die versicherte Person mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine konkret bezeichnete Stelle angetreten hätte, wenn sie nicht erkrankt wäre (Urteile 4A_138/2013 vom 27. Juni 2013 E. 4.1; 9C_311/2010 vom 2. August 2010 E. 1.3; 9C_332/2007 vom 29. Mai 2008 E. 2.1 und K 16/03 vom 8. Januar 2004 E. 2.3.2). Vorliegend ist die zweite Fallkategorie einschlägig, da die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt ihrer Erkrankung bereits arbeitslos war. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die soeben dargelegte BGE 141 III 241 S. 244 (tatsächliche) Vermutung, wonach die versicherte Person ohne Krankheit weiterhin keine Erwerbstätigkeit ausüben würde. Sie macht geltend, eine solche Vermutung verletze in verschiedener Hinsicht Bundesrecht. 3.2.2 Die beweisbelastete Partei kann den ihr obliegenden Beweis unter Berufung auf eine tatsächliche Vermutung erbringen, denn diese mildert ihre konkrete Beweisführungslast. Gelingt jedoch dem Vermutungsgegner der Gegenbeweis, so greift die tatsächliche Vermutung nicht mehr und der Beweis ist gescheitert. Es liegt Beweislosigkeit vor und deren Folgen treffen die beweisbelastete Partei (vgl. BGE 135 II 161 E. 3 S. 166; HANS PETER WALTER, in: Berner Kommentar, 2012, N. 474 und 476 zu Art. 8 ZGB ). Die Vermutung, wonach die versicherte Person ohne Krankheit weiterhin keine Erwerbstätigkeit ausüben würde, ist somit missverständlich, da sie den Interessen der Versicherung dient und mithin zum falschen Schluss verleiten könnte, diese trage die Beweislast. Dies trifft indessen nicht zu; vielmehr trägt stets die versicherte Person die Beweislast für ihren Erwerbsausfall. Wenn zudem ausgeführt wird, die Vermutung könne durch den Nachweis widerlegt werden, dass die versicherte Person ohne Krankheit mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine konkret bezeichnete Stelle angetreten hätte, so entspricht dies der ohnehin geltenden Grundregel (vgl. soeben E. 3.1: Die versicherte Person hat eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür nachzuweisen, dass sie ohne Krankheit eine Erwerbstätigkeit ausüben würde). Die Vermutung, wonach die versicherte Person ohne Krankheit weiterhin keine Erwerbstätigkeit ausüben würde, hat somit jedenfalls im Anwendungsbereich der Verhandlungsmaxime keinen Zweck und kann ersatzlos gestrichen werden. 3.2.3 Die Rechtsprechung ist daher wie folgt zu präzisieren: Beansprucht eine arbeitslose Person, die keinen Anspruch auf Taggelder der Arbeitslosenversicherung hat, Krankentaggelder, so obliegt ihr der Beweis eines Erwerbsausfalls. Die versicherte Person hat mithin eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür nachzuweisen, dass sie ohne Krankheit eine Erwerbstätigkeit ausüben würde. Dies gilt namentlich, wenn sie im Zeitpunkt ihrer Erkrankung bereits arbeitslos war. War die versicherte Person im Zeitpunkt ihrer Erkrankung noch nicht arbeitslos, so profitiert sie von der tatsächlichen Vermutung, dass sie ohne Krankheit erwerbstätig wäre; die Versicherung kann diesbezüglich den Gegenbeweis antreten, der sich gegen die Vermutungsbasis oder die Vermutungsfolge richten kann. BGE 141 III 241 S. 245 3.2.4 Damit erübrigt sich eine nähere Prüfung der einzelnen Rügen der Beschwerdeführerin, die sich gegen die (aufgehobene) Vermutung richten. 3.2.5 Nach den dargelegten Grundsätzen hat die Beschwerdeführerin somit - da sie im Zeitpunkt ihrer Erkrankung bereits arbeitslos war - eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür nachzuweisen, dass sie ohne Krankheit eine Erwerbstätigkeit ausüben würde. Nachdem ihr dieser Beweis nicht gelungen ist, hat die Vorinstanz ihre Klage zu Recht abgewiesen.
Urteilskopf
34. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Versicherung B. AG (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_25/2015 vom 29. Mai 2015
Regeste Art. 8 ZGB ; Krankentaggeldversicherung; Schadensversicherung; Beweis des Erwerbsausfalls bei Arbeitslosigkeit. Beansprucht eine arbeitslose Person Krankentaggelder und hat sie keinen Anspruch auf Taggelder der Arbeitslosenversicherung, so hat sie zum Beweis eines Erwerbsausfalls eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür nachzuweisen, dass sie ohne Krankheit eine Erwerbstätigkeit ausüben würde. War die versicherte Person im Zeitpunkt ihrer Erkrankung noch nicht arbeitslos, profitiert sie von der tatsächlichen Vermutung, dass sie ohne Krankheit erwerbstätig wäre (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 3).
Regeste
Art. 8 ZGB ; Krankentaggeldversicherung; Schadensversicherung; Beweis des Erwerbsausfalls bei Arbeitslosigkeit. Beansprucht eine arbeitslose Person Krankentaggelder und hat sie keinen Anspruch auf Taggelder der Arbeitslosenversicherung, so hat sie zum Beweis eines Erwerbsausfalls eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür nachzuweisen, dass sie ohne Krankheit eine Erwerbstätigkeit ausüben würde. War die versicherte Person im Zeitpunkt ihrer Erkrankung noch nicht arbeitslos, profitiert sie von der tatsächlichen Vermutung, dass sie ohne Krankheit erwerbstätig wäre (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 3).
Art. 8 ZGB Beansprucht eine arbeitslose Person Krankentaggelder und hat sie keinen Anspruch auf Taggelder der Arbeitslosenversicherung, so hat sie zum Beweis eines Erwerbsausfalls eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür nachzuweisen, dass sie ohne Krankheit eine Erwerbstätigkeit ausüben würde. War die versicherte Person im Zeitpunkt ihrer Erkrankung noch nicht arbeitslos, profitiert sie von der tatsächlichen Vermutung, dass sie ohne Krankheit erwerbstätig wäre (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 3).
Erwägungen ab Seite 242
Erwägungen ab Seite 242 BGE 141 III 241 S. 242
BGE 141 III 241 S. 242
Aus den Erwägungen:
3. Die Beschwerdeführerin (Versicherte) rügt eine Verletzung von Art. 8 ZGB durch eine falsche Beweislastverteilung. Da es beim Einstellen der Taggelder um eine leistungsaufhebende Tatsache gehe, trage entgegen der Ansicht der Vorinstanz nicht die Beschwerdeführerin die Beweislast, sondern die Beschwerdegegnerin (Versicherung). Zudem sei die Vorinstanz zu Unrecht von einer tatsächlichen Vermutung ausgegangen, wonach eine versicherte Person, die während bestehender Arbeitslosigkeit erkranke, auch bei gesunder Verfassung weiterhin keiner Erwerbstätigkeit nachgehen würde.
3. Art. 8 ZGB 3.1 Nach Art. 8 ZGB hat, wo es das Gesetz nicht anders bestimmt, derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. Demgemäss hat die Partei, die einen Anspruch geltend macht, die rechtsbegründenden Tatsachen zu beweisen, während die Beweislast für die rechtsaufhebenden bzw. rechtsvernichtenden oder rechtshindernden Tatsachen bei der Partei liegt, die den Untergang des Anspruchs behauptet oder dessen Entstehung oder Durchsetzbarkeit bestreitet. Der Eintritt des Versicherungsfalls ist nach diesen Grundsätzen vom Anspruchsberechtigten zu beweisen ( BGE 130 III 321 E. 3.1 S. 323). Ist eine Krankentaggeldversicherung als Schadensversicherung ausgestaltet, setzt der Eintritt des Versicherungsfalls einen Schaden - namentlich einen Erwerbsausfall - voraus. Dabei gilt das herabgesetzte Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit ( BGE 130 III 321 E. 3.3 S. 325; BGE 128 III 271 E. 2b/aa S. 276). Auch eine arbeitslose Person, die keinen Anspruch auf Taggelder der Arbeitslosenversicherung besitzt, kann einen Erwerbsausfall erleiden, der Anspruch auf Krankentaggelder verleiht. Voraussetzung für den Leistungsanspruch ist allerdings, dass die versicherte Person eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür nachweist, dass sie ohne Krankheit eine Erwerbstätigkeit ausüben würde (Urteile 4A_138/2013 vom 27. Juni 2013 E. 4.1; 9C_311/2010 vom 2. August 2010 E. 1.3 mit Hinweisen).
3.1 Art. 8 ZGB Die Vorinstanz hat somit Art. 8 ZGB nicht verletzt, indem sie die Beweislast für den Nachweis eines Erwerbsausfalls der Beschwerdeführerin auferlegt hat. Diese hat mithin (mit dem Beweismass der BGE 141 III 241 S. 243 überwiegenden Wahrscheinlichkeit) zu beweisen, dass sie eine Erwerbstätigkeit ausüben würde, wenn sie nicht krank wäre. Daran ändert entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nichts, dass die Beschwerdegegnerin zunächst Taggelder ausbezahlt hat. Ändern sich die relevanten Umstände, so hat die Beschwerdeführerin zu beweisen, dass sie (weiterhin) Anspruch auf Taggelder wegen Erwerbsausfalls hat. Die Rüge der bundesrechtswidrigen Beweislastverteilung erweist sich damit als unbegründet.
Art. 8 ZGB BGE 141 III 241 S. 243
3.2 Die Beweislastverteilung regelt die Folgen der Beweislosigkeit. Gelangt ein Gericht dagegen in Würdigung der Beweise zum Schluss, eine Tatsachenbehauptung sei bewiesen oder widerlegt, ist die Beweislastverteilung gegenstandslos ( BGE 138 III 359 E. 6.3 S. 365; BGE 134 III 235 E. 4.3.4 S. 241; BGE 131 III 646 E. 2.1 S. 649; BGE 130 III 591 E. 5.4 S. 602). Tatsächliche Vermutungen lassen den Schluss auf das Vorhandensein oder das Fehlen bestimmter Tatsachen zu und bilden Teil der Beweiswürdigung ( BGE 135 II 161 E. 3 S. 166; BGE 130 II 482 E. 3.2 S. 486; BGE 120 II 248 E. 2c S. 250). Dazu gehört auch die von der Beschwerdeführerin beanstandete Vermutung, wonach sie auch bei gesunder Verfassung keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen wäre.
3.2 3.2.1 Die Vorinstanz hat im angefochtenen Urteil die bundesgerichtliche Rechtsprechung wiedergegeben, wonach im Falle von Arbeitslosigkeit grundsätzlich zwei Fallkategorien zu unterscheiden sind:
3.2.1 Verliert die versicherte Person ihre Stelle durch Kündigung zu einem Zeitpunkt, in welchem sie bereits zufolge Krankheit arbeitsunfähig ist, so gilt die Vermutung, dass sie - wie vor der Erkrankung - erwerbstätig wäre, wenn sie nicht erkrankt wäre. Erkrankt die versicherte Person demgegenüber erst, nachdem sie arbeitslos geworden ist, gilt nach der Rechtsprechung die Vermutung, dass die versicherte Person auch ohne Krankheit weiterhin keine Erwerbstätigkeit ausüben würde; diese Vermutung kann nach der Rechtsprechung durch den Nachweis widerlegt werden, dass die versicherte Person mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine konkret bezeichnete Stelle angetreten hätte, wenn sie nicht erkrankt wäre (Urteile 4A_138/2013 vom 27. Juni 2013 E. 4.1; 9C_311/2010 vom 2. August 2010 E. 1.3; 9C_332/2007 vom 29. Mai 2008 E. 2.1 und K 16/03 vom 8. Januar 2004 E. 2.3.2).
Vorliegend ist die zweite Fallkategorie einschlägig, da die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt ihrer Erkrankung bereits arbeitslos war. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die soeben dargelegte BGE 141 III 241 S. 244 (tatsächliche) Vermutung, wonach die versicherte Person ohne Krankheit weiterhin keine Erwerbstätigkeit ausüben würde. Sie macht geltend, eine solche Vermutung verletze in verschiedener Hinsicht Bundesrecht.
BGE 141 III 241 S. 244
3.2.2 Die beweisbelastete Partei kann den ihr obliegenden Beweis unter Berufung auf eine tatsächliche Vermutung erbringen, denn diese mildert ihre konkrete Beweisführungslast. Gelingt jedoch dem Vermutungsgegner der Gegenbeweis, so greift die tatsächliche Vermutung nicht mehr und der Beweis ist gescheitert. Es liegt Beweislosigkeit vor und deren Folgen treffen die beweisbelastete Partei (vgl. BGE 135 II 161 E. 3 S. 166; HANS PETER WALTER, in: Berner Kommentar, 2012, N. 474 und 476 zu Art. 8 ZGB ). Die Vermutung, wonach die versicherte Person ohne Krankheit weiterhin keine Erwerbstätigkeit ausüben würde, ist somit missverständlich, da sie den Interessen der Versicherung dient und mithin zum falschen Schluss verleiten könnte, diese trage die Beweislast. Dies trifft indessen nicht zu; vielmehr trägt stets die versicherte Person die Beweislast für ihren Erwerbsausfall. Wenn zudem ausgeführt wird, die Vermutung könne durch den Nachweis widerlegt werden, dass die versicherte Person ohne Krankheit mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine konkret bezeichnete Stelle angetreten hätte, so entspricht dies der ohnehin geltenden Grundregel (vgl. soeben E. 3.1: Die versicherte Person hat eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür nachzuweisen, dass sie ohne Krankheit eine Erwerbstätigkeit ausüben würde). Die Vermutung, wonach die versicherte Person ohne Krankheit weiterhin keine Erwerbstätigkeit ausüben würde, hat somit jedenfalls im Anwendungsbereich der Verhandlungsmaxime keinen Zweck und kann ersatzlos gestrichen werden.
3.2.2 Art. 8 ZGB 3.2.3 Die Rechtsprechung ist daher wie folgt zu präzisieren: Beansprucht eine arbeitslose Person, die keinen Anspruch auf Taggelder der Arbeitslosenversicherung hat, Krankentaggelder, so obliegt ihr der Beweis eines Erwerbsausfalls. Die versicherte Person hat mithin eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür nachzuweisen, dass sie ohne Krankheit eine Erwerbstätigkeit ausüben würde. Dies gilt namentlich, wenn sie im Zeitpunkt ihrer Erkrankung bereits arbeitslos war. War die versicherte Person im Zeitpunkt ihrer Erkrankung noch nicht arbeitslos, so profitiert sie von der tatsächlichen Vermutung, dass sie ohne Krankheit erwerbstätig wäre; die Versicherung kann diesbezüglich den Gegenbeweis antreten, der sich gegen die Vermutungsbasis oder die Vermutungsfolge richten kann. BGE 141 III 241 S. 245
3.2.3 BGE 141 III 241 S. 245
3.2.4 Damit erübrigt sich eine nähere Prüfung der einzelnen Rügen der Beschwerdeführerin, die sich gegen die (aufgehobene) Vermutung richten.
3.2.4 3.2.5 Nach den dargelegten Grundsätzen hat die Beschwerdeführerin somit - da sie im Zeitpunkt ihrer Erkrankung bereits arbeitslos war - eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür nachzuweisen, dass sie ohne Krankheit eine Erwerbstätigkeit ausüben würde. Nachdem ihr dieser Beweis nicht gelungen ist, hat die Vorinstanz ihre Klage zu Recht abgewiesen.
3.2.5
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Urteilskopf 141 III 245 35. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause A. contre A.B. et consorts (recours en matière civile) 4A_606/2014 du 7 juillet 2015 Regeste a Begehren um Herabsetzung des Mietzinses während der Mietdauer ( Art. 270a OR ); absolute Berechnungsmethode ( Art. 269 OR ). Das für die Ertragsberechnung massgebende Datum ist der Tag, an dem der Mieter sein Begehren um Herabsetzung des Mietzinses spätestens der Post übergeben musste, damit dieses den Vermieter vor Ablauf der Kündigungsfrist erreicht (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3). Regeste b Einbezug von Eigenmitteln, die in umfassende Arbeiten investiert wurden, in die Ertragsberechnung. Unterscheidung zwischen wertvermehrenden Arbeiten und Unterhaltsarbeiten, bzw. zwischen ordentlichen und ausserordentlichen Unterhaltsarbeiten (E. 6.3-6.6). Sachverhalt ab Seite 246 BGE 141 III 245 S. 246 A. Par contrat de bail à loyer prenant effet le 1 er avril 1988, les bailleurs A.B., B.B. et C.B. ont cédé au locataire A. l'usage de locaux au premier sous-sol d'un immeuble situé à Lausanne. Conclu pour une durée initiale de cinq ans, le bail était ensuite renouvelable de cinq ans en cinq ans, sauf avis de résiliation signifié un an à l'avance. Le loyer pouvait être adapté une fois par an en fonction de l'indice suisse des prix à la consommation (IPC). Les bailleurs avaient acquis en juillet 1987 le lot de propriété par étages comprenant notamment lesdits locaux. Ils ont effectué des travaux en 1988 (500'000 fr.) et en 2009 (152'111 fr.), qu'ils ont entièrement financés avec leurs fonds propres, tout comme le prix d'acquisition du lot. Le loyer mensuel net a été fixé en dernier lieu à 2'312 fr. B. B.a Par courrier du 29 novembre 2011, le locataire a exigé que son loyer soit baissé à 1'000 fr. par mois avec effet au 31 mars 2013; il soutenait que la chose louée procurait un rendement excessif aux bailleurs. Au jour de cette demande, le taux hypothécaire de référence était de 2,75 %. Le conseil des bailleurs a répondu le 30 novembre 2011 qu'aucun élément ne justifiait d'entrer en matière sur cette prétention "exorbitante", mais s'est réservé le droit de recontacter le locataire après que ses clients auraient analysé la situation. Le 1 er décembre 2011, le taux hypothécaire a baissé à 2,5 %. Il a encore chuté à 2,25 % le 1 er juin 2012, puis à 2 % le 3 septembre 2013. BGE 141 III 245 S. 247 Le locataire a saisi l'autorité de conciliation, puis porté l'action devant le Tribunal des baux du canton de Vaud, concluant par demande du 28 février 2012 à ce que le loyer soit fixé à 1'000 fr. dès le 1 er avril 2013, charges en sus. Le 3 février 2012, le locataire a réitéré sa demande en réduction de loyer auprès des bailleurs, afin de ne pas être déchu de ses droits dans l'hypothèse où le courrier du 30 novembre 2011 serait interprété comme un refus de baisser le loyer. Après l'échec de la conciliation, il a saisi le Tribunal des baux le 19 avril 2012 d'une nouvelle demande contenant des conclusions identiques à celle du 28 février 2012. B.b Le Tribunal des baux a ordonné la jonction des procédures. Par jugement du 17 juillet 2013, il a rejeté la demande déposée le 28 février 2012 et déclaré sans objet celle du 19 avril 2012. Sur le fond, le tribunal a retenu que les parties étaient liées par un contrat de bail à loyer indexé; le locataire était donc en droit de demander une diminution de loyer pour l'échéance contractuelle du 1 er avril 2013 en invoquant la méthode absolue du rendement net. Le tribunal a procédé au calcul de rendement en se plaçant à la date de la demande en réduction de loyer, soit le 29 novembre 2011. En conséquence, il s'est fondé sur le taux hypothécaire en vigueur à ce moment-là (2,75 %) et sur l'IPC d'octobre 2011, soit le dernier indice connu au jour de cette demande. Il a renoncé à prendre en compte les charges immobilières de l'année 2011 au motif qu'elles n'étaient pas encore connues en date du 29 novembre 2011. Par ailleurs, il a décidé d'intégrer l'entier des travaux financés par des fonds propres dans les coûts d'investissement, et non pas seulement la part de plus-value. A l'issue du calcul, le tribunal a obtenu un loyer admissible de 2'476 fr. 60, supérieur au loyer actuel de 2'312 fr.; celui-ci ne procurait donc pas un rendement excessif aux bailleurs. B.c Le locataire a déféré cette décision au Tribunal cantonal vaudois, qui a rejeté son appel par arrêt du 7 juillet 2014. Le locataire a notamment soulevé les griefs suivants: -le calcul de rendement devrait être effectué à la date d'entrée en vigueur de la baisse de loyer requise (1 er avril 2013); - seule la part à plus-value des travaux devrait être prise en compte dans les coûts d'investissement. Il conviendrait d'appliquer par BGE 141 III 245 S. 248 analogie l'art. 14 al. 1 de l'ordonnance du 9 mai 1990 sur le bail à loyer et le bail à ferme d'habitations et de locaux commerciaux (OBLF; RS 221.213.11), en vertu duquel les frais causés par d'importantes réparations sont considérés, à raison de 50 à 70 %, comme des investissements créant des plus-values. La Cour d'appel civile du Tribunal cantonal a rejeté le premier argument et maintenu que la date de la demande en réduction de loyer (29 novembre 2011) était déterminante pour le calcul de rendement. Concernant le deuxième moyen, elle a fait état de divergences doctrinales et renoncé à trancher la question au motif qu'elle n'influait pas sur l'issue de la cause. C. Le locataire a déféré cette décision à l'autorité de céans, qui a partiellement admis son recours en matière civile, annulé l'arrêt sur appel et renvoyé la cause à l'autorité précédente pour qu'elle statue à nouveau. (résumé) Erwägungen Extrait des considérants: 3. 3.1 Le locataire reproche à la Cour d'appel vaudoise d'avoir pris en compte le taux hypothécaire de 2,75 % en vigueur le 29 novembre 2011, jour où il a émis sa première demande en réduction de loyer, plutôt que le taux de 2,25 % ayant cours le 1 er avril 2013, date d'entrée en vigueur de la réduction requise. A titre subsidiaire, il plaide que la deuxième demande déposée le 3 février 2012 a privé d'objet la première, et non l'inverse; la Cour aurait à tout le moins dû se fonder sur le taux de 2,5 % prévalant en février 2012. Le locataire dénonce en outre des lacunes dans l'état de fait. 3.2 Ce dernier grief peut d'emblée être rejeté. L'évolution du taux hypothécaire de référence, qui est au demeurant un fait notoire, est retracée en page 6 de l'arrêt attaqué. Par ailleurs, les décisions cantonales relatent clairement le contexte dans lequel les deux demandes en réduction de loyer ont été déposées. 3.3 Les bases de calcul du loyer sont susceptibles d'évoluer en cours de bail, en particulier le taux hypothécaire ou l'IPC. Si le locataire décide de demander une réduction de loyer, elle ne pourra prendre effet qu'au prochain terme de résiliation ( art. 270a al. 1 CO ); il doit en outre respecter le délai de congé ( ATF 122 III 20 consid. 4b p. 23). S'agissant d'une hausse de loyer, l'avis doit même parvenir au locataire dix jours au moins avant le début du délai de congé, afin que l'intéressé ait la possibilité de résilier le bail ( art. 269d al. 1 CO ). BGE 141 III 245 S. 249 Plusieurs moments sont envisageables pour effectuer le calcul du loyer, en particulier la date à laquelle la demande de modification est formulée, le dernier jour où elle peut être présentée, le jour de la réponse du cocontractant, ou encore la date d'entrée en vigueur de la modification (cf. ISABELLE BIÉRI, Droit du bail [DB] 1996 p. 28 n. 5). A noter que lorsqu'il s'agit de majorer le loyer, le bailleur doit d'emblée indiquer un motif qui le lie pour la suite de la procédure ( art. 269d al. 1 et 2 CO ; ATF 118 II 130 consid. 2a). L'on ne trouve pas d'exigence semblable pour la baisse de loyer. 3.4 Dans un arrêt publié en 1996, la cour de céans a précisé que pour juger une demande d'adaptation de loyer, il faut se placer au dernier moment où la déclaration de hausse ou la demande de baisse devait être exprimée, soit le dernier jour où elle devait être remise à la poste pour atteindre le cocontractant en temps utile ( ATF 122 III 20 consid. 4b). S'agissant d'une demande en réduction de loyer, la date déterminante est donc le dernier jour où elle devait être postée pour parvenir au bailleur la veille du délai de congé. L'arrêt précise encore que sont uniquement pris en compte les facteurs de calcul connus de façon certaine à ce moment déterminant, et qui prendront effet au plus tard au terme de résiliation. La pratique s'en remettait initialement à la date d'entrée en vigueur de la modification requise, puis une évolution a semblé se dessiner en faveur de la date de communication effective de la demande d'adaptation; ce dernier critère doit toutefois être écarté dans la mesure où il s'agit d'un moment choisi arbitrairement par la partie requérante. Dans un contexte où les bases de calcul changent fréquemment, l'on ne saurait laisser libre cours à des abus ( ATF 122 III 20 consid. 4b). 3.5 A sa parution, cet arrêt n'a pas suscité de critiques doctrinales majeures en tant qu'il précise le moment déterminant pour calculer le loyer. D'aucuns ont résumé le principe posé sans véritablement prendre parti (LAURA JACQUEMOUD-ROSSARI, L'évolution récente de la jurisprudence en matière de loyers, in 11 e Séminaire sur le droit du bail, 2000, p. 23 s.; PETER MÜNCH, Mietzinsherabsetzung [...], RSJB1996 p. 350 s.). Un auteur a contesté l'utilité de recourir à une date "objective" en soulignant les difficultés pratiques que peuvent poser les jours fériés et autres délais de garde; il aurait été préférable de retenir la date de communication effective de la réponse du bailleur, et en tous les cas - notamment à défaut de réponse -, le jour avant le début du délai de résiliation (BIÉRI, op. cit., p. 28). BGE 141 III 245 S. 250 Depuis lors, la doctrine semble n'avoir retenu qu'une partie de cette jurisprudence. Pour DAVID LACHAT, le calcul de rendement net doit se faire le jour où le locataire sollicite une baisse de loyer; cette règle ne souffrirait qu'une exception, soit lorsqu'il est certain qu'un facteur de calcul évoluera entre le jour où la prétention est émise et celui où elle doit entrer en vigueur. La date d'émission de la prétention devrait aussi prévaloir lorsque le rendement non abusif est invoqué comme moyen de défense par la partie adverse; il s'agirait d'éviter qu'une prétention justifiée soit rendue inopérante par l'évolution postérieure d'un facteur de calcul (LACHAT, Le bail à loyer, 2008, p. 446). Ce dernier point de vue est aussi défendu par ROGER WEBER, qui précise toutefois, en citant l' ATF 122 III 20, que des modifications peuvent être prises en compte jusqu'à l'entrée en vigueur de l'adaptation, dans la mesure où elles étaient déjà prédictibles le dernier jour où la requête devait parvenir au cocontractant (WEBER, in Basler Kommentar, Obligationenrecht, vol. I, 5 e éd. 2011, n° 6a ad art. 269 CO ). Pour leur part, PETER HIGI et FRANÇOIS BOHNET considèrent que quand le calcul de rendement est invoqué par la partie adverse comme moyen de défense, il faut se placer au moment où l'objection est formulée (HIGI, Zürcher Kommentar, 4 e éd. 1998, n° 65 ad art. 269 CO ; BOHNET, in Droit du bail à loyer, 2010, n° 10 ad art. 269 CO ). Certains de ces auteurs reprochent à la cour de céans de s'écarter des principes posés en tenant parfois compte de l'évolution des facteurs de calcul en cours de procédure (LACHAT, ibidem, WEBER, ibidem, et BOHNET, ibidem, qui se réfèrent aux ATF 123 III 317 consid. 4d p. 325 s. et ATF 127 III 411 consid. 5a). 3.6 Il n'y a pas de raison de s'écarter du principe posé à l' ATF 122 III 20 consid. 4b résumé ci-dessus. Peu importe que la cour de céans n'ait jusque-là pas eu à appliquer cette jurisprudence dans un cas où les bases de calcul auraient évolué entre la communication effective de la prétention et le dernier jour utile où elle aurait pu être communiquée. Cette absence de précédent peut notamment s'expliquer par le fait que la cour de céans revoit uniquement les éléments du calcul de rendement visés par un grief. A cela s'ajoute que le principe posé à l' ATF 122 III 20 concerne principalement les baisses de loyer (cf. JACQUEMOUD-ROSSARI, op. cit., p. 24), et que le terme d'échéance et le délai de congé sont habituellement nettement plus brefs que dans le cas présent (échéance de cinq ans, délai de congé d'un an), avec pour conséquence une probabilité moindre que les facteurs de calcul évoluent entre l'annonce effective de l'adaptation BGE 141 III 245 S. 251 et le dernier moment où celle-ci doit atteindre le cocontractant. Bien souvent, la distinction entre ces deux moments n'aura donc pas de portée pratique. Par ailleurs, la jurisprudence "divergente" citée par la doctrine se rapporte à l'autre critère absolu que sont les loyers comparatifs ( ATF 123 III 317 consid. 4d p. 325 in fine et 326; ATF 127 III 411 consid. 5a); l'on ne saurait y voir une volonté de déroger à un principe qui venait d'être posé en matière de calcul de rendement. Le loyer, qui repose sur des données variables, ne peut pas être constamment adapté; il est "bloqué" dans l'intervalle compris entre deux échéances contractuelles, sous réserve d'une clause d'indexation ou d'échelonnement (cf. art. 269b et 269c CO ). Il est légitime que le loyer fixé selon la méthode du rendement net reflète la situation telle qu'elle était peu avant qu'il entre en vigueur, et plus exactement au dernier moment où la partie concernée devait prendre la décision de demander une adaptation de loyer. Il faut dès lors s'en tenir à la jurisprudence précitée. 3.7 En l'occurrence, le locataire a demandé le 29 novembre 2011 une réduction de loyer pour la prochaine échéance du 1 er avril 2013. Le contrat de bail prévoyait un délai de congé d'une année; pour pouvoir prendre effet au prochain terme contractuel, la demande de réduction devait donc parvenir aux bailleurs au plus tard le 31 mars 2012. En admettant que la prudence impose de faire ce type d'envoi sous pli recommandé, que les plis recommandés sont distribués le jour ouvrable suivant leur dépôt à l'exception du samedi, et en admettant que le pli est réputé reçu au plus tard sept jours après la première tentative de distribution (cf. ATF 127 I 31 consid. 2b p. 35; art. 44 al. 2 LTF ), la demande de baisse de loyer devait en l'occurrence être postée au plus tard le jeudi 22 mars 2012. Le taux hypothécaire déterminant était alors de 2,5 %, de sorte que le taux de rendement admissible est de 3 % (2,5 % + 0,5 %; cf. ATF 122 III 257 consid. 3a). Même si le recourant omet de le faire dans son calcul, il faut prendre en compte l'évolution de l'IPC jusqu'au 29 février 2012, date du dernier indice connu. Quant aux charges 2011, elles peuvent aussi être prises en compte, dans la mesure où la jurisprudence préconise de procéder en général à une moyenne sur les cinq dernières années (arrêt 4A_530/2012 du 17 décembre 2012 consid. 3.1, in MietRecht Aktuell [MRA] 2014 p. 27). 3.8 Les considérations qui précèdent privent d'objet le grief selon lequel les juges vaudois auraient dû déclarer valable la deuxième BGE 141 III 245 S. 252 demande déposée le 3 février 2012 plutôt que celle du 29 novembre 2011. Au demeurant, le grief semblait voué à l'échec dans la mesure où le locataire avait précisé déposer une deuxième demande à titre conditionnel, dans l'hypothèse - non réalisée - où sa première demande serait jugée tardive. Il convient encore d'examiner les autres griefs. (...) 6. (...) 6.3 En vertu de l' art. 269 CO, le loyer est abusif lorsqu'il permet au bailleur d'obtenir un rendement excessif de la chose louée. Est ici visé le rendement net des fonds propres investis (cf. ATF 122 III 257 consid. 3a). Ce rendement correspond au rapport entre les revenus nets que procure la chose louée au bailleur, après déduction de toutes les charges, et les fonds propres investis ( ATF 125 III 421 consid. 2b; ATF 123 III 171 consid. 6a p. 174). Le loyer doit d'une part offrir un rendement raisonnable par rapport aux fonds propres investis, d'autre part couvrir les charges immobilières (LACHAT, op. cit., p. 425 et 441). Le calcul du rendement net relève de la méthode absolue, où le loyer est contrôlé sur la base de la situation financière de l'immeuble à un moment donné, sans égard aux accords antérieurs ( ATF 123 III 171 consid. 6a p. 173 i.f. et s.). Globalement, il implique de déterminer les coûts d'investissement financés par les fonds propres (principalement le prix d'acquisition de l'immeuble) et d'appliquer à ces investissements un taux de rendement admissible, qui se définit par le taux d'intérêt hypothécaire de référence augmenté de 0,5 pour cent (cf. ATF 122 III 257 consid. 3a). Il convient d'y ajouter les charges immobilières annuelles, soit les charges financières (en particulier les intérêts hypothécaires dus sur les emprunts), les charges courantes (impôt, prime d'assurance, etc.) et les charges d'entretien. 6.4 Une partie de la doctrine, suivie notamment par le Tribunal des baux vaudois, soutient que la totalité des fonds propres ayant financé de grands travaux peut être intégrée dans les coûts d'investissement, et pas seulement la part représentant une plus-value. Les principaux arguments sont les suivants: si l'on ne prend que partiellement en compte les dépenses consenties pour les travaux, le montant des fonds propres investis risque d'être négatif; il arrive en effet que l'on détermine ce poste en soustrayant les fonds étrangers à la valeur d'investissement. Par ailleurs, si un propriétaire effectue BGE 141 III 245 S. 253 des travaux importants juste avant de vendre, ces frais seront répercutés en plein sur le prix de vente; le nouveau bailleur pourra intégrer les travaux dans les coûts d'investissement comme prix d'acquisition, sans que l'on distingue entre plus-value et entretien. De surcroît, ces travaux seront pris en compte une deuxième fois, au titre de l'amortissement figurant dans les charges. Enfin, la pratique admet d'intégrer les frais de démolition dans les coûts d'investissement lorsque ce travail est nécessaire pour réaliser la chose louée; or, il ne s'agit pas d'une plus-value (PHILIPPE CONOD, La prise en compte des travaux à plus-value et importants travaux de rénovation selon la méthode absolue [ art. 269 CO ], CdB 2010 p. 11 ss; BEAT GUT, Angemessener Ertrag, mp 1996 p. 189 ss; apparemment dans le même sens MARTINE JAQUES, Répercussion des travaux d'entretien extraordinaires sur le loyer [...], CdB 2014 p. 99 s.). Un auteur concède que cette solution a le mérite de la simplicité, mais a le désavantage de permettre au bailleur de renter les frais d'entretien différés payés par des fonds propres (BOHNET, op. cit., n° 71 ad art. 269 CO ). 6.5 Il convient de confronter cet avis doctrinal aux développements de la jurisprudence. Des arrêts publiés relèvent que le montant des fonds propres composant les coûts d'investissement (coûts de revient) peut varier avec le temps. Ainsi, ce poste, qui inclut le prix d'acquisition de l'immeuble, augmente lorsque le bailleur finance lui-même des travaux à plus-value ( ATF 123 III 171 consid. 6a p. 174; ATF 122 III 257 consid. 3a). Dans un arrêt de 2001, la cour de céans a apporté des précisions quant aux frais d'entretien. Il s'agit des dépenses que le bailleur assume pour maintenir l'objet loué dans l'état correspondant à l'usage convenu. En principe, ces frais peuvent être inclus dans les charges dès que les travaux ont été effectués et payés par le bailleur. Pour compenser le caractère fortuit du moment auquel il faut effectuer des travaux d'entretien, l'on procède à une moyenne des charges encourues les cinq dernières années, cas échéant au moins les trois dernières années. Lorsque le bailleur encourt des frais d'entretien extraordinaires, ceux-ci sont répartis sur plusieurs exercices, en fonction de la durée de vie des installations ainsi financées. La quote-part correspondante est intégrée chaque année dans les charges d'entretien jusqu'à amortissement complet; l'on y ajoute un intérêt sur le capital non amorti. Opérer une confusion entre coûts BGE 141 III 245 S. 254 d'investissement et frais d'entretien est incompatible avec le modèle du calcul de rendement net. L'entretien différé effectué dans le cadre d'une importante rénovation reste de l'entretien et doit être traité comme tel. A cet égard, il est à la fois nécessaire et suffisant d'estimer quelle est la part d'entretien, puis de procéder à l'amortissement, intérêt compris, des frais d'entretien extraordinaires (arrêt 4C.293/2000 du 24 janvier 2001 consid. 1b, in MRA 2001 p. 116 et rés. in DB 2002 p. 23). Un arrêt de 2012 souligne qu'en présence d'une importante rénovation comportant une part de plus-value et une part d'entretien, il faut distinguer entre frais d'entretien extraordinaires et frais d'entretien courants. Seuls les premiers sont susceptibles d'être amortis et rentés sur plusieurs exercices. L'importance des montants en jeu n'implique pas qu'il s'agisse automatiquement d'entretien extraordinaire. Le bailleur négligent qui n'entretient pas les locaux et laisse la situation se dégrader avant de procéder à des travaux d'entretien différé peut subitement devoir engager des montants importants; il ne doit pas pour autant être favorisé par rapport au bailleur qui a entretenu régulièrement la chose louée. Les frais d'entretien extraordinaires peuvent être pris en compte aussi bien dans un calcul de rendement que dans une adaptation de loyer selon la méthode relative (arrêt 4A_530/2012 précité consid. 3.2). Récemment, dans le cadre d'un calcul de rendement net, l'autorité de céans a statué sur un grief concernant le taux applicable au capital investi dans des travaux d'entretien extraordinaires. Elle a précisé que ce taux correspond au taux hypothécaire de référence augmenté de 0,5 pour cent. Ce taux s'applique au capital investi non encore amorti, lequel va en diminuant jusqu'à l'amortissement complet. Pour tenir compte de cet élément, l'on peut soit appliquer un taux plein sur la moitié du capital investi, soit appliquer un demi-taux sur la totalité du capital investi ( ATF 140 III 433 consid. 3.5.2 p. 441 et consid. 3.5.3.2). Enfin, la cour de céans a admis, s'agissant de la prise en compte des frais de rénovation dans un calcul de rendement, que le juge est en droit d'appliquer la règle simplificatrice de l' art. 14 al. 1 OBLF, lorsque le bailleur n'a pas tenté de distinguer concrètement entre les investissements à plus-value et les frais d'entretien (arrêt 4A_636/2012 du 2 avril 2013 consid. 2.5; cf. aussi arrêt 4A_397/2013 du 11 février 2014 consid. 5.4). BGE 141 III 245 S. 255 Plusieurs commentateurs de l' art. 269 CO, du reste cités par la jurisprudence résumée ci-dessus, approuvent le fait de répartir sur plusieurs années les dépenses d'entretien extraordinaires en fonction de la durée de vie des installations concernées et d'appliquer un taux d'intérêt sur la part non amortie (WEBER, op. cit., n° 11a ad art. 269 CO ; BOHNET, op. cit., n° 67 ad art. 269 CO ; LACHAT, op. cit., p. 444; HIGI, op. cit., n os 94 ss ad art. 269 CO ; cf. aussi Le droit suisse du bail à loyer, adaptation française de Burkhalter/Martinez-Favre, 2011, n os 30-34 ad art. 269 CO, qui critique toutefois le fait de ne pas autoriser les provisions). D'aucuns soulignent qu'il s'agit d'apporter un correctif pour les frais d'entretien extraordinaires, qui sont très élevés et surviennent à des intervalles très espacés. Si l'on intègre ces frais dans les charges l'année où ils sont subis par le bailleur, cela fausse le calcul du loyer établi en fonction de ces charges. Par ailleurs, en procédant à de telles dépenses, le bailleur avance des moyens qui servent à prolonger la valeur d'usage de la chose louée. Il apparaît plus adéquat de répartir ces frais en fonction de la durée de vie des installations financées, ce qui permet d'en tenir compte même s'ils ont été engagés bien avant la période déterminante pour le calcul du loyer (WEBER, ibidem; HIGI, op. cit., n° 96 ad art. 269 CO ). 6.6 Au vu de ce qui précède, il faut admettre que la distinction entre coûts d'investissement (coûts de revient) et charges est essentielle dans le modèle du rendement net. Cela implique de rechercher dans quelle proportion les fonds propres investis dans des travaux apportent une plus-value à la chose louée, respectivement servent à son entretien. En tant que coûts d'investissement, les fonds propres contribuant à l'acquisition de la chose louée ou à sa plus-value sont pris en compte indéfiniment dans le temps, sans égard à leur date d'investissement; ils sont au moins partiellement indexés sur le coût de la vie. Le rendement admissible de ces fonds est déterminé par le taux hypothécaire de référence augmenté de 0,5 %. Quant aux frais d'entretien, ils sont intégrés dans les charges, et l'on procède en principe à une moyenne des charges sur les cinq ans précédant le calcul de rendement. Il s'ensuit que normalement, seuls les frais d'entretien payés les cinq dernières années précédant le calcul de rendement sont pris en compte. Toutefois, des fonds propres investis antérieurement pour l'entretien extraordinaire - remplacement d'installations telles que chaudière, ascenseur, toiture, prise d'eau (HIGI, op. cit., n° 94 ad art. 269 CO ) - peuvent être pris en compte, BGE 141 III 245 S. 256 en ce sens qu'ils sont répartis sur plusieurs exercices en fonction de la durée de vie des installations concernées; ils bénéficient du même taux de rendement que celui appliqué aux coûts d'investissement, mais ce taux est divisé par deux pour tenir compte de l'"amortissement" du capital investi. Il apparaît donc que dans le calcul de rendement net, la distinction entre fonds propres contribuant à une plus-value et fonds propres engagés pour l'entretien a des incidences pratiques non négligeables. Par ailleurs, la possibilité d'"amortir" les frais d'entretien ne vaut que pour l'entretien extraordinaire. Dans ces circonstances, l'on ne saurait se rallier au point de vue doctrinal consistant par principe à traiter automatiquement comme coûts d'investissement les travaux importants financés par des fonds propres. La méthode utilisée par la jurisprudence pour les frais d'entretien extraordinaires s'inspire certes de celle instituée par l' art. 14 OBLF pour les augmentations de loyer fondées sur la méthode relative, mais elle ne trahit nullement les principes fondamentaux du calcul de rendement net, qui doit procurer au bailleur un rendement approprié des fonds propres investis dans l'achat et l'amélioration de la chose louée, et couvrir ses charges. Le renouvellement des installations, qui représente un investissement important à intervalles très éloignés, justifie un correctif. Cela étant, il faut concéder que des situations spéciales peuvent appeler un traitement particulier. L'on peut notamment songer au cas où le bailleur achète à prix avantageux un immeuble nécessitant des travaux, qu'il effectue dans la foulée de l'acquisition; selon les circonstances, l'on peut concevoir de traiter les fonds propres dépensés pour ces travaux comme coûts d'investissement, par égalité de traitement avec le bailleur qui achète un immeuble dont la rénovation récente a influé sur le prix de vente. En l'occurrence, les décisions cantonales ne précisent pas quels travaux ont été accomplis en 1988 pour le montant de 500'000 fr. L'on sait tout au plus que les locaux loués par le locataire ont été aménagés pour une école de danse, avec vestiaires et douches, ce qui peut expliquer que les travaux soient qualifiés de travaux à plus-value. Dans la mesure du possible, il appartiendra à l'autorité cantonale de déterminer en quoi ces travaux ont consisté, et dans quelle proportion ils apportaient une plus-value, respectivement contribuaient à de l'entretien extraordinaire encore susceptible d'être pris en compte dans les charges 2007-2011. Il est possible, vu BGE 141 III 245 S. 257 l'ancienneté des travaux, que la durée de vie des installations remplacées soit déjà échue. Quant aux travaux de 2009 (152'111 fr.), ils ont consisté, selon les décisions cantonales, à remplacer des fenêtres et stores et à moderniser des détecteurs d'incendie. Il devrait s'agir en bonne partie d'entretien extraordinaire, comme l'a du reste retenu le Tribunal des baux s'agissant d'un autre remplacement de fenêtres et stores effectué en 2010. Pour ce poste également, la cour cantonale devra déterminer quelle part de plus-value revêtent ces travaux. L'on rappellera que le juge bénéficie d'un large pouvoir d'appréciation pour distinguer entre plus-value et entretien et que pour ce faire, il peut notamment appliquer par analogie la présomption posée à l' art. 14 al. 1 OBLF ou recourir aux règles de l'équité.
Urteilskopf
35. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause A. contre A.B. et consorts (recours en matière civile)
4A_606/2014 du 7 juillet 2015
Regeste a Begehren um Herabsetzung des Mietzinses während der Mietdauer ( Art. 270a OR ); absolute Berechnungsmethode ( Art. 269 OR ). Das für die Ertragsberechnung massgebende Datum ist der Tag, an dem der Mieter sein Begehren um Herabsetzung des Mietzinses spätestens der Post übergeben musste, damit dieses den Vermieter vor Ablauf der Kündigungsfrist erreicht (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3).
Regeste a
Begehren um Herabsetzung des Mietzinses während der Mietdauer ( Art. 270a OR ); absolute Berechnungsmethode ( Art. 269 OR ). Das für die Ertragsberechnung massgebende Datum ist der Tag, an dem der Mieter sein Begehren um Herabsetzung des Mietzinses spätestens der Post übergeben musste, damit dieses den Vermieter vor Ablauf der Kündigungsfrist erreicht (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3).
Art. 270a OR Art. 269 OR Das für die Ertragsberechnung massgebende Datum ist der Tag, an dem der Mieter sein Begehren um Herabsetzung des Mietzinses spätestens der Post übergeben musste, damit dieses den Vermieter vor Ablauf der Kündigungsfrist erreicht (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3).
Regeste b Einbezug von Eigenmitteln, die in umfassende Arbeiten investiert wurden, in die Ertragsberechnung. Unterscheidung zwischen wertvermehrenden Arbeiten und Unterhaltsarbeiten, bzw. zwischen ordentlichen und ausserordentlichen Unterhaltsarbeiten (E. 6.3-6.6).
Regeste b
Einbezug von Eigenmitteln, die in umfassende Arbeiten investiert wurden, in die Ertragsberechnung. Unterscheidung zwischen wertvermehrenden Arbeiten und Unterhaltsarbeiten, bzw. zwischen ordentlichen und ausserordentlichen Unterhaltsarbeiten (E. 6.3-6.6).
Unterscheidung zwischen wertvermehrenden Arbeiten und Unterhaltsarbeiten, bzw. zwischen ordentlichen und ausserordentlichen Unterhaltsarbeiten (E. 6.3-6.6).
Sachverhalt ab Seite 246
Sachverhalt ab Seite 246 BGE 141 III 245 S. 246
BGE 141 III 245 S. 246
A. Par contrat de bail à loyer prenant effet le 1 er avril 1988, les bailleurs A.B., B.B. et C.B. ont cédé au locataire A. l'usage de locaux au premier sous-sol d'un immeuble situé à Lausanne. Conclu pour une durée initiale de cinq ans, le bail était ensuite renouvelable de cinq ans en cinq ans, sauf avis de résiliation signifié un an à l'avance. Le loyer pouvait être adapté une fois par an en fonction de l'indice suisse des prix à la consommation (IPC).
A. Les bailleurs avaient acquis en juillet 1987 le lot de propriété par étages comprenant notamment lesdits locaux. Ils ont effectué des travaux en 1988 (500'000 fr.) et en 2009 (152'111 fr.), qu'ils ont entièrement financés avec leurs fonds propres, tout comme le prix d'acquisition du lot.
Le loyer mensuel net a été fixé en dernier lieu à 2'312 fr.
B.
B. B.a Par courrier du 29 novembre 2011, le locataire a exigé que son loyer soit baissé à 1'000 fr. par mois avec effet au 31 mars 2013; il soutenait que la chose louée procurait un rendement excessif aux bailleurs. Au jour de cette demande, le taux hypothécaire de référence était de 2,75 %.
B.a Le conseil des bailleurs a répondu le 30 novembre 2011 qu'aucun élément ne justifiait d'entrer en matière sur cette prétention "exorbitante", mais s'est réservé le droit de recontacter le locataire après que ses clients auraient analysé la situation.
Le 1 er décembre 2011, le taux hypothécaire a baissé à 2,5 %. Il a encore chuté à 2,25 % le 1 er juin 2012, puis à 2 % le 3 septembre 2013. BGE 141 III 245 S. 247
BGE 141 III 245 S. 247
Le locataire a saisi l'autorité de conciliation, puis porté l'action devant le Tribunal des baux du canton de Vaud, concluant par demande du 28 février 2012 à ce que le loyer soit fixé à 1'000 fr. dès le 1 er avril 2013, charges en sus.
Le 3 février 2012, le locataire a réitéré sa demande en réduction de loyer auprès des bailleurs, afin de ne pas être déchu de ses droits dans l'hypothèse où le courrier du 30 novembre 2011 serait interprété comme un refus de baisser le loyer. Après l'échec de la conciliation, il a saisi le Tribunal des baux le 19 avril 2012 d'une nouvelle demande contenant des conclusions identiques à celle du 28 février 2012.
B.b Le Tribunal des baux a ordonné la jonction des procédures. Par jugement du 17 juillet 2013, il a rejeté la demande déposée le 28 février 2012 et déclaré sans objet celle du 19 avril 2012.
B.b Sur le fond, le tribunal a retenu que les parties étaient liées par un contrat de bail à loyer indexé; le locataire était donc en droit de demander une diminution de loyer pour l'échéance contractuelle du 1 er avril 2013 en invoquant la méthode absolue du rendement net. Le tribunal a procédé au calcul de rendement en se plaçant à la date de la demande en réduction de loyer, soit le 29 novembre 2011. En conséquence, il s'est fondé sur le taux hypothécaire en vigueur à ce moment-là (2,75 %) et sur l'IPC d'octobre 2011, soit le dernier indice connu au jour de cette demande. Il a renoncé à prendre en compte les charges immobilières de l'année 2011 au motif qu'elles n'étaient pas encore connues en date du 29 novembre 2011. Par ailleurs, il a décidé d'intégrer l'entier des travaux financés par des fonds propres dans les coûts d'investissement, et non pas seulement la part de plus-value.
A l'issue du calcul, le tribunal a obtenu un loyer admissible de 2'476 fr. 60, supérieur au loyer actuel de 2'312 fr.; celui-ci ne procurait donc pas un rendement excessif aux bailleurs.
B.c Le locataire a déféré cette décision au Tribunal cantonal vaudois, qui a rejeté son appel par arrêt du 7 juillet 2014.
B.c Le locataire a notamment soulevé les griefs suivants:
-le calcul de rendement devrait être effectué à la date d'entrée en vigueur de la baisse de loyer requise (1 er avril 2013);
- seule la part à plus-value des travaux devrait être prise en compte dans les coûts d'investissement. Il conviendrait d'appliquer par BGE 141 III 245 S. 248 analogie l'art. 14 al. 1 de l'ordonnance du 9 mai 1990 sur le bail à loyer et le bail à ferme d'habitations et de locaux commerciaux (OBLF; RS 221.213.11), en vertu duquel les frais causés par d'importantes réparations sont considérés, à raison de 50 à 70 %, comme des investissements créant des plus-values.
BGE 141 III 245 S. 248
La Cour d'appel civile du Tribunal cantonal a rejeté le premier argument et maintenu que la date de la demande en réduction de loyer (29 novembre 2011) était déterminante pour le calcul de rendement. Concernant le deuxième moyen, elle a fait état de divergences doctrinales et renoncé à trancher la question au motif qu'elle n'influait pas sur l'issue de la cause.
C. Le locataire a déféré cette décision à l'autorité de céans, qui a partiellement admis son recours en matière civile, annulé l'arrêt sur appel et renvoyé la cause à l'autorité précédente pour qu'elle statue à nouveau.
C. (résumé)
Erwägungen
Erwägungen Extrait des considérants:
3.
3. 3.1 Le locataire reproche à la Cour d'appel vaudoise d'avoir pris en compte le taux hypothécaire de 2,75 % en vigueur le 29 novembre 2011, jour où il a émis sa première demande en réduction de loyer, plutôt que le taux de 2,25 % ayant cours le 1 er avril 2013, date d'entrée en vigueur de la réduction requise. A titre subsidiaire, il plaide que la deuxième demande déposée le 3 février 2012 a privé d'objet la première, et non l'inverse; la Cour aurait à tout le moins dû se fonder sur le taux de 2,5 % prévalant en février 2012. Le locataire dénonce en outre des lacunes dans l'état de fait.
3.1 3.2 Ce dernier grief peut d'emblée être rejeté. L'évolution du taux hypothécaire de référence, qui est au demeurant un fait notoire, est retracée en page 6 de l'arrêt attaqué. Par ailleurs, les décisions cantonales relatent clairement le contexte dans lequel les deux demandes en réduction de loyer ont été déposées.
3.2 3.3 Les bases de calcul du loyer sont susceptibles d'évoluer en cours de bail, en particulier le taux hypothécaire ou l'IPC. Si le locataire décide de demander une réduction de loyer, elle ne pourra prendre effet qu'au prochain terme de résiliation ( art. 270a al. 1 CO ); il doit en outre respecter le délai de congé ( ATF 122 III 20 consid. 4b p. 23). S'agissant d'une hausse de loyer, l'avis doit même parvenir au locataire dix jours au moins avant le début du délai de congé, afin que l'intéressé ait la possibilité de résilier le bail ( art. 269d al. 1 CO ). BGE 141 III 245 S. 249
3.3 art. 270a al. 1 CO art. 269d al. 1 CO BGE 141 III 245 S. 249
Plusieurs moments sont envisageables pour effectuer le calcul du loyer, en particulier la date à laquelle la demande de modification est formulée, le dernier jour où elle peut être présentée, le jour de la réponse du cocontractant, ou encore la date d'entrée en vigueur de la modification (cf. ISABELLE BIÉRI, Droit du bail [DB] 1996 p. 28 n. 5). A noter que lorsqu'il s'agit de majorer le loyer, le bailleur doit d'emblée indiquer un motif qui le lie pour la suite de la procédure ( art. 269d al. 1 et 2 CO ; ATF 118 II 130 consid. 2a). L'on ne trouve pas d'exigence semblable pour la baisse de loyer. art. 269d al. 1 et 2 CO 3.4 Dans un arrêt publié en 1996, la cour de céans a précisé que pour juger une demande d'adaptation de loyer, il faut se placer au dernier moment où la déclaration de hausse ou la demande de baisse devait être exprimée, soit le dernier jour où elle devait être remise à la poste pour atteindre le cocontractant en temps utile ( ATF 122 III 20 consid. 4b). S'agissant d'une demande en réduction de loyer, la date déterminante est donc le dernier jour où elle devait être postée pour parvenir au bailleur la veille du délai de congé. L'arrêt précise encore que sont uniquement pris en compte les facteurs de calcul connus de façon certaine à ce moment déterminant, et qui prendront effet au plus tard au terme de résiliation. La pratique s'en remettait initialement à la date d'entrée en vigueur de la modification requise, puis une évolution a semblé se dessiner en faveur de la date de communication effective de la demande d'adaptation; ce dernier critère doit toutefois être écarté dans la mesure où il s'agit d'un moment choisi arbitrairement par la partie requérante. Dans un contexte où les bases de calcul changent fréquemment, l'on ne saurait laisser libre cours à des abus ( ATF 122 III 20 consid. 4b).
3.4 3.5 A sa parution, cet arrêt n'a pas suscité de critiques doctrinales majeures en tant qu'il précise le moment déterminant pour calculer le loyer. D'aucuns ont résumé le principe posé sans véritablement prendre parti (LAURA JACQUEMOUD-ROSSARI, L'évolution récente de la jurisprudence en matière de loyers, in 11 e Séminaire sur le droit du bail, 2000, p. 23 s.; PETER MÜNCH, Mietzinsherabsetzung [...], RSJB1996 p. 350 s.). Un auteur a contesté l'utilité de recourir à une date "objective" en soulignant les difficultés pratiques que peuvent poser les jours fériés et autres délais de garde; il aurait été préférable de retenir la date de communication effective de la réponse du bailleur, et en tous les cas - notamment à défaut de réponse -, le jour avant le début du délai de résiliation (BIÉRI, op. cit., p. 28). BGE 141 III 245 S. 250
3.5 BGE 141 III 245 S. 250
Depuis lors, la doctrine semble n'avoir retenu qu'une partie de cette jurisprudence. Pour DAVID LACHAT, le calcul de rendement net doit se faire le jour où le locataire sollicite une baisse de loyer; cette règle ne souffrirait qu'une exception, soit lorsqu'il est certain qu'un facteur de calcul évoluera entre le jour où la prétention est émise et celui où elle doit entrer en vigueur. La date d'émission de la prétention devrait aussi prévaloir lorsque le rendement non abusif est invoqué comme moyen de défense par la partie adverse; il s'agirait d'éviter qu'une prétention justifiée soit rendue inopérante par l'évolution postérieure d'un facteur de calcul (LACHAT, Le bail à loyer, 2008, p. 446). Ce dernier point de vue est aussi défendu par ROGER WEBER, qui précise toutefois, en citant l' ATF 122 III 20, que des modifications peuvent être prises en compte jusqu'à l'entrée en vigueur de l'adaptation, dans la mesure où elles étaient déjà prédictibles le dernier jour où la requête devait parvenir au cocontractant (WEBER, in Basler Kommentar, Obligationenrecht, vol. I, 5 e éd. 2011, n° 6a ad art. 269 CO ). Pour leur part, PETER HIGI et FRANÇOIS BOHNET considèrent que quand le calcul de rendement est invoqué par la partie adverse comme moyen de défense, il faut se placer au moment où l'objection est formulée (HIGI, Zürcher Kommentar, 4 e éd. 1998, n° 65 ad art. 269 CO ; BOHNET, in Droit du bail à loyer, 2010, n° 10 ad art. 269 CO ). Certains de ces auteurs reprochent à la cour de céans de s'écarter des principes posés en tenant parfois compte de l'évolution des facteurs de calcul en cours de procédure (LACHAT, ibidem, WEBER, ibidem, et BOHNET, ibidem, qui se réfèrent aux ATF 123 III 317 consid. 4d p. 325 s. et ATF 127 III 411 consid. 5a). art. 269 CO art. 269 CO art. 269 CO 3.6 Il n'y a pas de raison de s'écarter du principe posé à l' ATF 122 III 20 consid. 4b résumé ci-dessus. Peu importe que la cour de céans n'ait jusque-là pas eu à appliquer cette jurisprudence dans un cas où les bases de calcul auraient évolué entre la communication effective de la prétention et le dernier jour utile où elle aurait pu être communiquée. Cette absence de précédent peut notamment s'expliquer par le fait que la cour de céans revoit uniquement les éléments du calcul de rendement visés par un grief. A cela s'ajoute que le principe posé à l' ATF 122 III 20 concerne principalement les baisses de loyer (cf. JACQUEMOUD-ROSSARI, op. cit., p. 24), et que le terme d'échéance et le délai de congé sont habituellement nettement plus brefs que dans le cas présent (échéance de cinq ans, délai de congé d'un an), avec pour conséquence une probabilité moindre que les facteurs de calcul évoluent entre l'annonce effective de l'adaptation BGE 141 III 245 S. 251 et le dernier moment où celle-ci doit atteindre le cocontractant. Bien souvent, la distinction entre ces deux moments n'aura donc pas de portée pratique.
3.6 BGE 141 III 245 S. 251
Par ailleurs, la jurisprudence "divergente" citée par la doctrine se rapporte à l'autre critère absolu que sont les loyers comparatifs ( ATF 123 III 317 consid. 4d p. 325 in fine et 326; ATF 127 III 411 consid. 5a); l'on ne saurait y voir une volonté de déroger à un principe qui venait d'être posé en matière de calcul de rendement.
Le loyer, qui repose sur des données variables, ne peut pas être constamment adapté; il est "bloqué" dans l'intervalle compris entre deux échéances contractuelles, sous réserve d'une clause d'indexation ou d'échelonnement (cf. art. 269b et 269c CO ). Il est légitime que le loyer fixé selon la méthode du rendement net reflète la situation telle qu'elle était peu avant qu'il entre en vigueur, et plus exactement au dernier moment où la partie concernée devait prendre la décision de demander une adaptation de loyer. Il faut dès lors s'en tenir à la jurisprudence précitée. art. 269b et 269c CO 3.7 En l'occurrence, le locataire a demandé le 29 novembre 2011 une réduction de loyer pour la prochaine échéance du 1 er avril 2013. Le contrat de bail prévoyait un délai de congé d'une année; pour pouvoir prendre effet au prochain terme contractuel, la demande de réduction devait donc parvenir aux bailleurs au plus tard le 31 mars 2012. En admettant que la prudence impose de faire ce type d'envoi sous pli recommandé, que les plis recommandés sont distribués le jour ouvrable suivant leur dépôt à l'exception du samedi, et en admettant que le pli est réputé reçu au plus tard sept jours après la première tentative de distribution (cf. ATF 127 I 31 consid. 2b p. 35; art. 44 al. 2 LTF ), la demande de baisse de loyer devait en l'occurrence être postée au plus tard le jeudi 22 mars 2012. Le taux hypothécaire déterminant était alors de 2,5 %, de sorte que le taux de rendement admissible est de 3 % (2,5 % + 0,5 %; cf. ATF 122 III 257 consid. 3a). Même si le recourant omet de le faire dans son calcul, il faut prendre en compte l'évolution de l'IPC jusqu'au 29 février 2012, date du dernier indice connu. Quant aux charges 2011, elles peuvent aussi être prises en compte, dans la mesure où la jurisprudence préconise de procéder en général à une moyenne sur les cinq dernières années (arrêt 4A_530/2012 du 17 décembre 2012 consid. 3.1, in MietRecht Aktuell [MRA] 2014 p. 27).
3.7 art. 44 al. 2 LTF 3.8 Les considérations qui précèdent privent d'objet le grief selon lequel les juges vaudois auraient dû déclarer valable la deuxième BGE 141 III 245 S. 252 demande déposée le 3 février 2012 plutôt que celle du 29 novembre 2011. Au demeurant, le grief semblait voué à l'échec dans la mesure où le locataire avait précisé déposer une deuxième demande à titre conditionnel, dans l'hypothèse - non réalisée - où sa première demande serait jugée tardive.
3.8 BGE 141 III 245 S. 252
Il convient encore d'examiner les autres griefs.
(...)
6. (...)
6. 6.3 En vertu de l' art. 269 CO, le loyer est abusif lorsqu'il permet au bailleur d'obtenir un rendement excessif de la chose louée. Est ici visé le rendement net des fonds propres investis (cf. ATF 122 III 257 consid. 3a). Ce rendement correspond au rapport entre les revenus nets que procure la chose louée au bailleur, après déduction de toutes les charges, et les fonds propres investis ( ATF 125 III 421 consid. 2b; ATF 123 III 171 consid. 6a p. 174). Le loyer doit d'une part offrir un rendement raisonnable par rapport aux fonds propres investis, d'autre part couvrir les charges immobilières (LACHAT, op. cit., p. 425 et 441).
6.3 art. 269 CO Le calcul du rendement net relève de la méthode absolue, où le loyer est contrôlé sur la base de la situation financière de l'immeuble à un moment donné, sans égard aux accords antérieurs ( ATF 123 III 171 consid. 6a p. 173 i.f. et s.). Globalement, il implique de déterminer les coûts d'investissement financés par les fonds propres (principalement le prix d'acquisition de l'immeuble) et d'appliquer à ces investissements un taux de rendement admissible, qui se définit par le taux d'intérêt hypothécaire de référence augmenté de 0,5 pour cent (cf. ATF 122 III 257 consid. 3a). Il convient d'y ajouter les charges immobilières annuelles, soit les charges financières (en particulier les intérêts hypothécaires dus sur les emprunts), les charges courantes (impôt, prime d'assurance, etc.) et les charges d'entretien.
6.4 Une partie de la doctrine, suivie notamment par le Tribunal des baux vaudois, soutient que la totalité des fonds propres ayant financé de grands travaux peut être intégrée dans les coûts d'investissement, et pas seulement la part représentant une plus-value. Les principaux arguments sont les suivants: si l'on ne prend que partiellement en compte les dépenses consenties pour les travaux, le montant des fonds propres investis risque d'être négatif; il arrive en effet que l'on détermine ce poste en soustrayant les fonds étrangers à la valeur d'investissement. Par ailleurs, si un propriétaire effectue BGE 141 III 245 S. 253 des travaux importants juste avant de vendre, ces frais seront répercutés en plein sur le prix de vente; le nouveau bailleur pourra intégrer les travaux dans les coûts d'investissement comme prix d'acquisition, sans que l'on distingue entre plus-value et entretien. De surcroît, ces travaux seront pris en compte une deuxième fois, au titre de l'amortissement figurant dans les charges. Enfin, la pratique admet d'intégrer les frais de démolition dans les coûts d'investissement lorsque ce travail est nécessaire pour réaliser la chose louée; or, il ne s'agit pas d'une plus-value (PHILIPPE CONOD, La prise en compte des travaux à plus-value et importants travaux de rénovation selon la méthode absolue [ art. 269 CO ], CdB 2010 p. 11 ss; BEAT GUT, Angemessener Ertrag, mp 1996 p. 189 ss; apparemment dans le même sens MARTINE JAQUES, Répercussion des travaux d'entretien extraordinaires sur le loyer [...], CdB 2014 p. 99 s.). Un auteur concède que cette solution a le mérite de la simplicité, mais a le désavantage de permettre au bailleur de renter les frais d'entretien différés payés par des fonds propres (BOHNET, op. cit., n° 71 ad art. 269 CO ).
6.4 BGE 141 III 245 S. 253
art. 269 CO art. 269 CO 6.5 Il convient de confronter cet avis doctrinal aux développements de la jurisprudence.
6.5 Des arrêts publiés relèvent que le montant des fonds propres composant les coûts d'investissement (coûts de revient) peut varier avec le temps. Ainsi, ce poste, qui inclut le prix d'acquisition de l'immeuble, augmente lorsque le bailleur finance lui-même des travaux à plus-value ( ATF 123 III 171 consid. 6a p. 174; ATF 122 III 257 consid. 3a).
Dans un arrêt de 2001, la cour de céans a apporté des précisions quant aux frais d'entretien. Il s'agit des dépenses que le bailleur assume pour maintenir l'objet loué dans l'état correspondant à l'usage convenu. En principe, ces frais peuvent être inclus dans les charges dès que les travaux ont été effectués et payés par le bailleur. Pour compenser le caractère fortuit du moment auquel il faut effectuer des travaux d'entretien, l'on procède à une moyenne des charges encourues les cinq dernières années, cas échéant au moins les trois dernières années. Lorsque le bailleur encourt des frais d'entretien extraordinaires, ceux-ci sont répartis sur plusieurs exercices, en fonction de la durée de vie des installations ainsi financées. La quote-part correspondante est intégrée chaque année dans les charges d'entretien jusqu'à amortissement complet; l'on y ajoute un intérêt sur le capital non amorti. Opérer une confusion entre coûts BGE 141 III 245 S. 254 d'investissement et frais d'entretien est incompatible avec le modèle du calcul de rendement net. L'entretien différé effectué dans le cadre d'une importante rénovation reste de l'entretien et doit être traité comme tel. A cet égard, il est à la fois nécessaire et suffisant d'estimer quelle est la part d'entretien, puis de procéder à l'amortissement, intérêt compris, des frais d'entretien extraordinaires (arrêt 4C.293/2000 du 24 janvier 2001 consid. 1b, in MRA 2001 p. 116 et rés. in DB 2002 p. 23).
BGE 141 III 245 S. 254
Un arrêt de 2012 souligne qu'en présence d'une importante rénovation comportant une part de plus-value et une part d'entretien, il faut distinguer entre frais d'entretien extraordinaires et frais d'entretien courants. Seuls les premiers sont susceptibles d'être amortis et rentés sur plusieurs exercices. L'importance des montants en jeu n'implique pas qu'il s'agisse automatiquement d'entretien extraordinaire. Le bailleur négligent qui n'entretient pas les locaux et laisse la situation se dégrader avant de procéder à des travaux d'entretien différé peut subitement devoir engager des montants importants; il ne doit pas pour autant être favorisé par rapport au bailleur qui a entretenu régulièrement la chose louée. Les frais d'entretien extraordinaires peuvent être pris en compte aussi bien dans un calcul de rendement que dans une adaptation de loyer selon la méthode relative (arrêt 4A_530/2012 précité consid. 3.2).
Récemment, dans le cadre d'un calcul de rendement net, l'autorité de céans a statué sur un grief concernant le taux applicable au capital investi dans des travaux d'entretien extraordinaires. Elle a précisé que ce taux correspond au taux hypothécaire de référence augmenté de 0,5 pour cent. Ce taux s'applique au capital investi non encore amorti, lequel va en diminuant jusqu'à l'amortissement complet. Pour tenir compte de cet élément, l'on peut soit appliquer un taux plein sur la moitié du capital investi, soit appliquer un demi-taux sur la totalité du capital investi ( ATF 140 III 433 consid. 3.5.2 p. 441 et consid. 3.5.3.2).
Enfin, la cour de céans a admis, s'agissant de la prise en compte des frais de rénovation dans un calcul de rendement, que le juge est en droit d'appliquer la règle simplificatrice de l' art. 14 al. 1 OBLF, lorsque le bailleur n'a pas tenté de distinguer concrètement entre les investissements à plus-value et les frais d'entretien (arrêt 4A_636/2012 du 2 avril 2013 consid. 2.5; cf. aussi arrêt 4A_397/2013 du 11 février 2014 consid. 5.4). BGE 141 III 245 S. 255
art. 14 al. 1 OBLF BGE 141 III 245 S. 255
Plusieurs commentateurs de l' art. 269 CO, du reste cités par la jurisprudence résumée ci-dessus, approuvent le fait de répartir sur plusieurs années les dépenses d'entretien extraordinaires en fonction de la durée de vie des installations concernées et d'appliquer un taux d'intérêt sur la part non amortie (WEBER, op. cit., n° 11a ad art. 269 CO ; BOHNET, op. cit., n° 67 ad art. 269 CO ; LACHAT, op. cit., p. 444; HIGI, op. cit., n os 94 ss ad art. 269 CO ; cf. aussi Le droit suisse du bail à loyer, adaptation française de Burkhalter/Martinez-Favre, 2011, n os 30-34 ad art. 269 CO, qui critique toutefois le fait de ne pas autoriser les provisions). D'aucuns soulignent qu'il s'agit d'apporter un correctif pour les frais d'entretien extraordinaires, qui sont très élevés et surviennent à des intervalles très espacés. Si l'on intègre ces frais dans les charges l'année où ils sont subis par le bailleur, cela fausse le calcul du loyer établi en fonction de ces charges. Par ailleurs, en procédant à de telles dépenses, le bailleur avance des moyens qui servent à prolonger la valeur d'usage de la chose louée. Il apparaît plus adéquat de répartir ces frais en fonction de la durée de vie des installations financées, ce qui permet d'en tenir compte même s'ils ont été engagés bien avant la période déterminante pour le calcul du loyer (WEBER, ibidem; HIGI, op. cit., n° 96 ad art. 269 CO ). art. 269 CO art. 269 CO art. 269 CO art. 269 CO art. 269 CO art. 269 CO 6.6 Au vu de ce qui précède, il faut admettre que la distinction entre coûts d'investissement (coûts de revient) et charges est essentielle dans le modèle du rendement net. Cela implique de rechercher dans quelle proportion les fonds propres investis dans des travaux apportent une plus-value à la chose louée, respectivement servent à son entretien. En tant que coûts d'investissement, les fonds propres contribuant à l'acquisition de la chose louée ou à sa plus-value sont pris en compte indéfiniment dans le temps, sans égard à leur date d'investissement; ils sont au moins partiellement indexés sur le coût de la vie. Le rendement admissible de ces fonds est déterminé par le taux hypothécaire de référence augmenté de 0,5 %.
6.6 Quant aux frais d'entretien, ils sont intégrés dans les charges, et l'on procède en principe à une moyenne des charges sur les cinq ans précédant le calcul de rendement. Il s'ensuit que normalement, seuls les frais d'entretien payés les cinq dernières années précédant le calcul de rendement sont pris en compte. Toutefois, des fonds propres investis antérieurement pour l'entretien extraordinaire - remplacement d'installations telles que chaudière, ascenseur, toiture, prise d'eau (HIGI, op. cit., n° 94 ad art. 269 CO ) - peuvent être pris en compte, BGE 141 III 245 S. 256 en ce sens qu'ils sont répartis sur plusieurs exercices en fonction de la durée de vie des installations concernées; ils bénéficient du même taux de rendement que celui appliqué aux coûts d'investissement, mais ce taux est divisé par deux pour tenir compte de l'"amortissement" du capital investi. art. 269 CO BGE 141 III 245 S. 256
Il apparaît donc que dans le calcul de rendement net, la distinction entre fonds propres contribuant à une plus-value et fonds propres engagés pour l'entretien a des incidences pratiques non négligeables. Par ailleurs, la possibilité d'"amortir" les frais d'entretien ne vaut que pour l'entretien extraordinaire.
Dans ces circonstances, l'on ne saurait se rallier au point de vue doctrinal consistant par principe à traiter automatiquement comme coûts d'investissement les travaux importants financés par des fonds propres. La méthode utilisée par la jurisprudence pour les frais d'entretien extraordinaires s'inspire certes de celle instituée par l' art. 14 OBLF pour les augmentations de loyer fondées sur la méthode relative, mais elle ne trahit nullement les principes fondamentaux du calcul de rendement net, qui doit procurer au bailleur un rendement approprié des fonds propres investis dans l'achat et l'amélioration de la chose louée, et couvrir ses charges. Le renouvellement des installations, qui représente un investissement important à intervalles très éloignés, justifie un correctif. Cela étant, il faut concéder que des situations spéciales peuvent appeler un traitement particulier. L'on peut notamment songer au cas où le bailleur achète à prix avantageux un immeuble nécessitant des travaux, qu'il effectue dans la foulée de l'acquisition; selon les circonstances, l'on peut concevoir de traiter les fonds propres dépensés pour ces travaux comme coûts d'investissement, par égalité de traitement avec le bailleur qui achète un immeuble dont la rénovation récente a influé sur le prix de vente. art. 14 OBLF En l'occurrence, les décisions cantonales ne précisent pas quels travaux ont été accomplis en 1988 pour le montant de 500'000 fr. L'on sait tout au plus que les locaux loués par le locataire ont été aménagés pour une école de danse, avec vestiaires et douches, ce qui peut expliquer que les travaux soient qualifiés de travaux à plus-value. Dans la mesure du possible, il appartiendra à l'autorité cantonale de déterminer en quoi ces travaux ont consisté, et dans quelle proportion ils apportaient une plus-value, respectivement contribuaient à de l'entretien extraordinaire encore susceptible d'être pris en compte dans les charges 2007-2011. Il est possible, vu BGE 141 III 245 S. 257 l'ancienneté des travaux, que la durée de vie des installations remplacées soit déjà échue.
BGE 141 III 245 S. 257
Quant aux travaux de 2009 (152'111 fr.), ils ont consisté, selon les décisions cantonales, à remplacer des fenêtres et stores et à moderniser des détecteurs d'incendie. Il devrait s'agir en bonne partie d'entretien extraordinaire, comme l'a du reste retenu le Tribunal des baux s'agissant d'un autre remplacement de fenêtres et stores effectué en 2010. Pour ce poste également, la cour cantonale devra déterminer quelle part de plus-value revêtent ces travaux.
L'on rappellera que le juge bénéficie d'un large pouvoir d'appréciation pour distinguer entre plus-value et entretien et que pour ce faire, il peut notamment appliquer par analogie la présomption posée à l' art. 14 al. 1 OBLF ou recourir aux règles de l'équité. art. 14 al. 1 OBLF
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Urteilskopf 141 III 257 36. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. und B. gegen C. AG (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_2/2015 vom 25. Juni 2015 Regeste Umfang der Rechtskraft des Entscheides über die Pflicht zur Leistung eines Kostenvorschusses für die Mängelbeseitigung im Rahmen eines Werkvertrages. Umfang der Rechtskraftwirkung des Vorschussprozesses. Das Kostenvorschussurteil schliesst im Abrechnungsprozess weder die Rückforderung eines zu hohen Kostenvorschusses noch die Nachforderung der noch nicht gedeckten Kosten aus (E. 3). Sachverhalt ab Seite 258 BGE 141 III 257 S. 258 A. und B. (Kläger, Beschwerdeführer) schlossen mit der C2. AG, der Rechtsvorgängerin der C. AG (Beklagte, Beschwerdegegnerin), einen Werkvertrag zur Erstellung eines Mehrfamilien-Wohnhauses. Nach dem Bezug des Wohnhauses rügten die Kläger diverse Mängel. Mit Urteil vom 15. März 2011 (nachfolgend: Kostenvorschussurteil) verpflichtete des Handelsgerichts des Kantons Zürich die Beklagte, den Klägern einen Vorschuss von Fr. 242'740.- an die mutmasslichen Kosten der Sanierung der Mängel zu leisten. Nach erfolgter Sanierung verlangten die Kläger vor Handelsgericht zusätzlich Fr. 40'344.35 nebst Zins, da die tatsächlichen Kosten der durchgeführten Ersatzvornahme zur Beseitigung der Mängel den Kostenvorschuss um diesen Betrag überschritten hätten. Das Handelsgericht wies die Klage am 12. November 2014 ab. Das Bundesgericht weist die von den Beschwerdeführern gegen das Urteil des Handelsgerichts vom 12. November 2014 erhobene Beschwerde mit Blick auf die Substanziierungsanforderungen bezüglich des geltend gemachten Mehraufwandes ab. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Die Vorinstanz erwog, nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ( BGE 128 III 416 E. 4.2.2 S. 418) habe der Besteller nach durchgeführter Ersatznachbesserung über die Kosten abzurechnen und dem Unternehmer einen allfälligen Überschuss zurückzuerstatten. Eine allfällige Nachforderung sei ausgeschlossen, wenn über den Umfang der Nachbesserungsarbeiten "im Detail bereits entschieden" worden sei und insofern eine "res iudicata" vorliege. Entsprechend prüfte sie, ob im Kostenvorschussurteil im Sinn dieser Rechtsprechung über den Umfang der Nachbesserungsarbeiten im Detail bereits entschieden wurde. Sie bejahte dies, denn aus den Erwägungen ergebe sich, dass sie sich mit den einzelnen Positionen im Detail (Hervorhebung durch die Vorinstanz) befasste, gar ein Beweisverfahren durchgeführt und mehrere Gutachten - darunter ein ökonomisches - eingeholt wurden, die Klage im Mehrbetrag abgewiesen wurde, die Parteien sich dazu äussern konnten, beim Vorschuss eine Reserve (20 %) eingerechnet wurde und eine Rückzahlungspflicht für den nicht beanspruchten Teil der Bevorschussung, jedoch umgekehrt keine Nachzahlungspflicht bei allfälliger Überschreitung des bevorschussten Betrages festgehalten wurde. BGE 141 III 257 S. 259 3.2 Eine abgeurteilte Sache liegt vor, wenn der streitige Anspruch mit einem schon rechtskräftig beurteilten inhaltlich identisch ist. Die Identität von prozessualen Ansprüchen wird nach den Klageanträgen und dem behaupteten Lebenssachverhalt, d.h. dem Tatsachenfundament, auf das sich die Klagebegehren stützen, beurteilt ( BGE 139 III 126 E. 3.2.3 S. 131 mit Hinweisen). Die Rechtskraftwirkung tritt nur soweit ein, als über den geltend gemachten Anspruch entschieden worden ist. Inwieweit dies der Fall ist, ergibt die Auslegung des Urteils, zu welcher dessen ganzer Inhalt heranzuziehen ist. Zwar erwächst der Entscheid nur in jener Form in Rechtskraft, wie er im Urteilsdispositiv zum Ausdruck kommt ( BGE 123 III 16 E. 2a S. 18; Urteil des Bundesgerichts 4C.233/2000 vom 15. November 2000 E. 3a; MAX KUMMER, Das Klagerecht und die materielle Rechtskraft im schweizerischen Recht, 1954, S. 113), doch ergibt sich dessen Tragweite vielfach erst aus einem Beizug der Urteilserwägungen. Insoweit können dieselben präjudizielle Bedeutung erlangen. Lediglich im Übrigen haben die tatsächlichen Feststellungen und die rechtlichen Erwägungen eines Entscheids in einer anderen Streitsache keine bindende Wirkung (so BGE 123 III 16 E. 2a S. 18 f.). 3.3 Der Anspruch auf Ersatzvornahme ( Art. 366 Abs. 2 OR ; vgl. auch Art. 98 Abs. 3 OR ) ist eine Modifikation des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs auf Leistung, beziehungsweise Nachbesserung durch den Unternehmer selber. Der daraus fliessende Anspruch des Bestellers auf Kostenersatz ist daher ein Aufwendungs- und kein Schadenersatz ( BGE 126 III 230 E. 7a/aa S. 233; Urteil des Bundesgerichts 4A_556/2011 vom 20. Januar 2012 E. 2.4; PETER GAUCH, Der Werkvertrag, 5. Aufl. 2011, S. 649 f. Rz. 1714 und S. 685 Rz. 1825; a.A. [Schadenersatz] THEODOR BÜHLER, Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 1998, N. 150 zu Art. 368 OR ; FRANÇOIS CHAIX, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. I, 2. Aufl. 2012, N. 53 zu Art. 368 OR ). Der Kostenvorschuss ist daher ein vorweggenommener Aufwendungsersatz für die Kosten der Ersatzvornahme und somit eine weitere Änderung des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs (ALFRED KOLLER, Mängelbeseitigung durch Ersatzvornahme, in: Haftung für Werkmängel, 1998, S. 1 ff., 19; MARTHA NIQUILLE-EBERLE, Probleme rund um die Ersatzvornahme, insbesondere die Bevorschussung der Kosten, in: Neue und alte Fragen zum privaten Baurecht, 2004, S. 63 ff., 77 Rz. 22; GAUCH, a.a.O., S. 682 Rz. 1818). Schreitet der Besteller zur Ersatzvornahme ohne Vorschuss, wozu er auch ohne richterliche Ermächtigung befugt ist BGE 141 III 257 S. 260 ( BGE 107 II 50 E. 3 S. 55 f.; BGE 136 III 273 E. 2.4 S. 276 mit Hinweis; a.A. GAUCH, a.a.O., S. 683 Rz. 1819 ff.) muss er nach getätigter Mängelbeseitigung im Rückerstattungsprozess gegen den Unternehmer sowohl den grundsätzlichen Anspruch auf Ersatzvornahme wie die Berechtigung des konkret getätigten Aufwands nachweisen. Klagt er aber zuerst auf Leistung eines Vorschusses und kommt es nach der Mängelbeseitigung zum Streit über die Kostenabrechnung, umfassen Vorschussprozess und Abrechnungsprozess in zwei Schritten denselben Inhalt, der im Rückerstattungsprozess in einem Schritt erfolgt. Daraus folgt, dass die Hauptfrage des Vorschussprozesses, das Bestehen des Anspruchs auf Ersatzvornahme und damit des Vorschussanspruchs, im Abrechnungsprozess nicht mehr in Frage gestellt werden kann (NIQUILLE-EBERLE, a.a.O., S. 95 f. Rz. 57). Die Höhe der Kosten ist dagegen nur insoweit Gegenstand des Vorschussprozesses, als darin in Bezug auf den Lebenssachverhalt, auf den sich das Vorschussbegehren stützt, definitiv über die Höhe des Vorschusses entschieden wird. Bezüglich der Höhe der tatsächlichen Kosten, die in diesem Zeitpunkt noch gar nicht aufgelaufen sind und für die am Ende Ersatz geschuldet ist, entfaltet das Urteil keine Rechtskraft (vgl. das analoge Problem bei der Ersatzvornahme nach Art. 343 Abs. 1 lit. e ZPO ). Daran ändert sich nichts, wenn die Abschätzung der mutmasslichen Kosten nicht auf blossen Offerten etc., sondern wie vorliegend auf Gutachten beruhte. Vorschüsse sind Akonto-Zahlungen, die definitionsgemäss unter dem Vorbehalt definitiver Kostenliquidierung geleistet werden. Das Kostenvorschussurteil schliesst demzufolge im Abrechnungsprozess weder die Rückforderung eines zu hohen Kostenvorschusses durch den Unternehmer noch die Nachforderung der noch nicht gedeckten Kosten durch den Besteller aus (ebenso: NIQUILLE-EBERLE, a.a.O., S. 98 Rz. 62; ROGER BRÄNDLI, Die Nachbesserung im Werkvertrag, 2007, S. 302 Rz. 936; JÜRG NIKLAUS, Das Recht auf Ersatzvornahme gemäss Art. 366 Abs. 2 OR, 1999, S. 133 Rz. 3.47. Vgl. aber ALFRED KOLLER, Berner Kommentar, 1998, N. 581 zu Art. 366 OR und GAUCH, a.a.O., S. 682 Rz. 1818, die beide nur die Rückerstattung des Überschusses erwähnen). Entgegen der Vorinstanz ist daher kein massgebliches Kriterium, dass im Kostenvorschussurteil lediglich eine Rückzahlungspflicht der Besteller für den nicht beanspruchten Teil der Bevorschussung festgehalten wurde, jedoch nicht umgekehrt eine Nachzahlungspflicht der Unternehmerin. Ebensowenig ist von Bedeutung, dass beim Vorschuss eine Reserve einberechnet wurde. Dass es zulässig ist, eine Reserve im Rahmen der Schätzung zu berücksichtigen, hängt vielmehr damit BGE 141 III 257 S. 261 zusammen, dass mit dem Kostenvorschussurteil rechtskräftig über den Anspruch auf Vorschuss entschieden und daher gestützt auf den bereits beurteilten Lebenssachverhalt eine erneute Einforderung eines weiteren Kostenvorschusses ausgeschlossen ist (NIQUILLE-EBERLE, a.a.O., S. 98 f. Rz. 63 f.; BRÄNDLI, a.a.O., S. 300 f. Rz. 933; a.A.: KOLLER, Berner Kommentar, a.a.O., N. 580 zu Art. 366 OR mit Hinweis auf deutsche Lehre und Rechtsprechung; NIKLAUS, a.a.O., S. 132 f. Rz. 3.44). Die Vorinstanz begründete die von ihr angenommene Bindungswirkung des Kostenvorschussurteils vor allem damit, dass sie sich mit den einzelnen Positionen "im Detail befasst" habe. Sie stützt sich dabei auf die Formulierung in BGE 128 III 416 E. 4.2.2, dass "eine Nachforderung ausgeschlossen" sei, "wenn wie im vorliegenden Fall über den Umfang der Nachbesserungsarbeiten im Detail bereits entschieden wurde und insofern eine 'res iudicata' vorliegt". Diese Formulierung ist in der Tat missverständlich. Im Sachverhalt von BGE 128 III 416 war die Unternehmerin gemäss Werkvertrag verpflichtet, das Dach einer Industriehalle auf eine bestimmte Art zu beschichten, nämlich mit dem Produkt "F.". Das Dach erwies sich in der Folge als nicht dicht; eine Nachbesserung mit dem vertraglichen Produkt "F." war aber nicht mehr möglich. Umstritten war vor allem, ob die Bestellerin berechtigt war, die Reparaturen durch einen Dritten mit dem Produkt "G." durchführen zu lassen und dafür einen Kostenvorschuss zu verlangen. Das Bundesgericht stellte fest, dass die Bestellerin einen Nachbesserungsanspruch auf eine Neubeschichtung mit dem (erheblich teureren) Produkt "G." habe. Der rechtskräftig beurteilte Anspruch auf Ersatzvornahme beinhaltete also bereits die (umstrittene) Art der Sanierung. Mit der zitierten Formulierung wurde klargestellt, dass die Methode der Sanierung bei der Abrechnung der Kosten nicht mehr in Frage gestellt werden kann (ebenso: NIQUILLE-EBERLE, a.a.O., S. 96 ff. Rz. 60 ff. mit Hinweis auf entsprechende deutsche Lehre; BRÄNDLI, a.a.O., S. 301 Rz. 934). Beruht die Schätzung des Kostenvorschusses sodann auf detaillierten Abklärungen, z.B. einem entsprechenden Gutachten, begründet dies wie erwähnt zwar keine Bindungswirkung, jedoch können sich daraus erhöhte Substanziierungsanforderungen ergeben hinsichtlich der Begründung der Abweichung vom vorgeschossenen Betrag. Die Vorinstanz ging somit zu Unrecht davon aus, eine Nachforderung sei zufolge Rechtskraft des Vorschussurteils grundsätzlich ausgeschlossen.
Urteilskopf
36. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. und B. gegen C. AG (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_2/2015 vom 25. Juni 2015
Regeste Umfang der Rechtskraft des Entscheides über die Pflicht zur Leistung eines Kostenvorschusses für die Mängelbeseitigung im Rahmen eines Werkvertrages. Umfang der Rechtskraftwirkung des Vorschussprozesses. Das Kostenvorschussurteil schliesst im Abrechnungsprozess weder die Rückforderung eines zu hohen Kostenvorschusses noch die Nachforderung der noch nicht gedeckten Kosten aus (E. 3).
Regeste
Umfang der Rechtskraft des Entscheides über die Pflicht zur Leistung eines Kostenvorschusses für die Mängelbeseitigung im Rahmen eines Werkvertrages. Umfang der Rechtskraftwirkung des Vorschussprozesses. Das Kostenvorschussurteil schliesst im Abrechnungsprozess weder die Rückforderung eines zu hohen Kostenvorschusses noch die Nachforderung der noch nicht gedeckten Kosten aus (E. 3).
Umfang der Rechtskraftwirkung des Vorschussprozesses. Das Kostenvorschussurteil schliesst im Abrechnungsprozess weder die Rückforderung eines zu hohen Kostenvorschusses noch die Nachforderung der noch nicht gedeckten Kosten aus (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 258
Sachverhalt ab Seite 258 BGE 141 III 257 S. 258
BGE 141 III 257 S. 258
A. und B. (Kläger, Beschwerdeführer) schlossen mit der C2. AG, der Rechtsvorgängerin der C. AG (Beklagte, Beschwerdegegnerin), einen Werkvertrag zur Erstellung eines Mehrfamilien-Wohnhauses. Nach dem Bezug des Wohnhauses rügten die Kläger diverse Mängel. Mit Urteil vom 15. März 2011 (nachfolgend: Kostenvorschussurteil) verpflichtete des Handelsgerichts des Kantons Zürich die Beklagte, den Klägern einen Vorschuss von Fr. 242'740.- an die mutmasslichen Kosten der Sanierung der Mängel zu leisten. Nach erfolgter Sanierung verlangten die Kläger vor Handelsgericht zusätzlich Fr. 40'344.35 nebst Zins, da die tatsächlichen Kosten der durchgeführten Ersatzvornahme zur Beseitigung der Mängel den Kostenvorschuss um diesen Betrag überschritten hätten. Das Handelsgericht wies die Klage am 12. November 2014 ab.
Das Bundesgericht weist die von den Beschwerdeführern gegen das Urteil des Handelsgerichts vom 12. November 2014 erhobene Beschwerde mit Blick auf die Substanziierungsanforderungen bezüglich des geltend gemachten Mehraufwandes ab.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
3.
3. 3.1 Die Vorinstanz erwog, nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ( BGE 128 III 416 E. 4.2.2 S. 418) habe der Besteller nach durchgeführter Ersatznachbesserung über die Kosten abzurechnen und dem Unternehmer einen allfälligen Überschuss zurückzuerstatten. Eine allfällige Nachforderung sei ausgeschlossen, wenn über den Umfang der Nachbesserungsarbeiten "im Detail bereits entschieden" worden sei und insofern eine "res iudicata" vorliege. Entsprechend prüfte sie, ob im Kostenvorschussurteil im Sinn dieser Rechtsprechung über den Umfang der Nachbesserungsarbeiten im Detail bereits entschieden wurde. Sie bejahte dies, denn aus den Erwägungen ergebe sich, dass sie sich mit den einzelnen Positionen im Detail (Hervorhebung durch die Vorinstanz) befasste, gar ein Beweisverfahren durchgeführt und mehrere Gutachten - darunter ein ökonomisches - eingeholt wurden, die Klage im Mehrbetrag abgewiesen wurde, die Parteien sich dazu äussern konnten, beim Vorschuss eine Reserve (20 %) eingerechnet wurde und eine Rückzahlungspflicht für den nicht beanspruchten Teil der Bevorschussung, jedoch umgekehrt keine Nachzahlungspflicht bei allfälliger Überschreitung des bevorschussten Betrages festgehalten wurde. BGE 141 III 257 S. 259
3.1 BGE 141 III 257 S. 259
3.2 Eine abgeurteilte Sache liegt vor, wenn der streitige Anspruch mit einem schon rechtskräftig beurteilten inhaltlich identisch ist. Die Identität von prozessualen Ansprüchen wird nach den Klageanträgen und dem behaupteten Lebenssachverhalt, d.h. dem Tatsachenfundament, auf das sich die Klagebegehren stützen, beurteilt ( BGE 139 III 126 E. 3.2.3 S. 131 mit Hinweisen). Die Rechtskraftwirkung tritt nur soweit ein, als über den geltend gemachten Anspruch entschieden worden ist. Inwieweit dies der Fall ist, ergibt die Auslegung des Urteils, zu welcher dessen ganzer Inhalt heranzuziehen ist. Zwar erwächst der Entscheid nur in jener Form in Rechtskraft, wie er im Urteilsdispositiv zum Ausdruck kommt ( BGE 123 III 16 E. 2a S. 18; Urteil des Bundesgerichts 4C.233/2000 vom 15. November 2000 E. 3a; MAX KUMMER, Das Klagerecht und die materielle Rechtskraft im schweizerischen Recht, 1954, S. 113), doch ergibt sich dessen Tragweite vielfach erst aus einem Beizug der Urteilserwägungen. Insoweit können dieselben präjudizielle Bedeutung erlangen. Lediglich im Übrigen haben die tatsächlichen Feststellungen und die rechtlichen Erwägungen eines Entscheids in einer anderen Streitsache keine bindende Wirkung (so BGE 123 III 16 E. 2a S. 18 f.).
3.2 3.3 Der Anspruch auf Ersatzvornahme ( Art. 366 Abs. 2 OR ; vgl. auch Art. 98 Abs. 3 OR ) ist eine Modifikation des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs auf Leistung, beziehungsweise Nachbesserung durch den Unternehmer selber. Der daraus fliessende Anspruch des Bestellers auf Kostenersatz ist daher ein Aufwendungs- und kein Schadenersatz ( BGE 126 III 230 E. 7a/aa S. 233; Urteil des Bundesgerichts 4A_556/2011 vom 20. Januar 2012 E. 2.4; PETER GAUCH, Der Werkvertrag, 5. Aufl. 2011, S. 649 f. Rz. 1714 und S. 685 Rz. 1825; a.A. [Schadenersatz] THEODOR BÜHLER, Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 1998, N. 150 zu Art. 368 OR ; FRANÇOIS CHAIX, in: Commentaire romand, Code des obligations, Bd. I, 2. Aufl. 2012, N. 53 zu Art. 368 OR ). Der Kostenvorschuss ist daher ein vorweggenommener Aufwendungsersatz für die Kosten der Ersatzvornahme und somit eine weitere Änderung des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs (ALFRED KOLLER, Mängelbeseitigung durch Ersatzvornahme, in: Haftung für Werkmängel, 1998, S. 1 ff., 19; MARTHA NIQUILLE-EBERLE, Probleme rund um die Ersatzvornahme, insbesondere die Bevorschussung der Kosten, in: Neue und alte Fragen zum privaten Baurecht, 2004, S. 63 ff., 77 Rz. 22; GAUCH, a.a.O., S. 682 Rz. 1818).
3.3 Art. 366 Abs. 2 OR Art. 98 Abs. 3 OR Art. 368 OR Art. 368 OR Schreitet der Besteller zur Ersatzvornahme ohne Vorschuss, wozu er auch ohne richterliche Ermächtigung befugt ist BGE 141 III 257 S. 260 ( BGE 107 II 50 E. 3 S. 55 f.; BGE 136 III 273 E. 2.4 S. 276 mit Hinweis; a.A. GAUCH, a.a.O., S. 683 Rz. 1819 ff.) muss er nach getätigter Mängelbeseitigung im Rückerstattungsprozess gegen den Unternehmer sowohl den grundsätzlichen Anspruch auf Ersatzvornahme wie die Berechtigung des konkret getätigten Aufwands nachweisen. Klagt er aber zuerst auf Leistung eines Vorschusses und kommt es nach der Mängelbeseitigung zum Streit über die Kostenabrechnung, umfassen Vorschussprozess und Abrechnungsprozess in zwei Schritten denselben Inhalt, der im Rückerstattungsprozess in einem Schritt erfolgt. Daraus folgt, dass die Hauptfrage des Vorschussprozesses, das Bestehen des Anspruchs auf Ersatzvornahme und damit des Vorschussanspruchs, im Abrechnungsprozess nicht mehr in Frage gestellt werden kann (NIQUILLE-EBERLE, a.a.O., S. 95 f. Rz. 57). Die Höhe der Kosten ist dagegen nur insoweit Gegenstand des Vorschussprozesses, als darin in Bezug auf den Lebenssachverhalt, auf den sich das Vorschussbegehren stützt, definitiv über die Höhe des Vorschusses entschieden wird. Bezüglich der Höhe der tatsächlichen Kosten, die in diesem Zeitpunkt noch gar nicht aufgelaufen sind und für die am Ende Ersatz geschuldet ist, entfaltet das Urteil keine Rechtskraft (vgl. das analoge Problem bei der Ersatzvornahme nach Art. 343 Abs. 1 lit. e ZPO ). Daran ändert sich nichts, wenn die Abschätzung der mutmasslichen Kosten nicht auf blossen Offerten etc., sondern wie vorliegend auf Gutachten beruhte. Vorschüsse sind Akonto-Zahlungen, die definitionsgemäss unter dem Vorbehalt definitiver Kostenliquidierung geleistet werden. Das Kostenvorschussurteil schliesst demzufolge im Abrechnungsprozess weder die Rückforderung eines zu hohen Kostenvorschusses durch den Unternehmer noch die Nachforderung der noch nicht gedeckten Kosten durch den Besteller aus (ebenso: NIQUILLE-EBERLE, a.a.O., S. 98 Rz. 62; ROGER BRÄNDLI, Die Nachbesserung im Werkvertrag, 2007, S. 302 Rz. 936; JÜRG NIKLAUS, Das Recht auf Ersatzvornahme gemäss Art. 366 Abs. 2 OR, 1999, S. 133 Rz. 3.47. Vgl. aber ALFRED KOLLER, Berner Kommentar, 1998, N. 581 zu Art. 366 OR und GAUCH, a.a.O., S. 682 Rz. 1818, die beide nur die Rückerstattung des Überschusses erwähnen). Entgegen der Vorinstanz ist daher kein massgebliches Kriterium, dass im Kostenvorschussurteil lediglich eine Rückzahlungspflicht der Besteller für den nicht beanspruchten Teil der Bevorschussung festgehalten wurde, jedoch nicht umgekehrt eine Nachzahlungspflicht der Unternehmerin. Ebensowenig ist von Bedeutung, dass beim Vorschuss eine Reserve einberechnet wurde. Dass es zulässig ist, eine Reserve im Rahmen der Schätzung zu berücksichtigen, hängt vielmehr damit BGE 141 III 257 S. 261 zusammen, dass mit dem Kostenvorschussurteil rechtskräftig über den Anspruch auf Vorschuss entschieden und daher gestützt auf den bereits beurteilten Lebenssachverhalt eine erneute Einforderung eines weiteren Kostenvorschusses ausgeschlossen ist (NIQUILLE-EBERLE, a.a.O., S. 98 f. Rz. 63 f.; BRÄNDLI, a.a.O., S. 300 f. Rz. 933; a.A.: KOLLER, Berner Kommentar, a.a.O., N. 580 zu Art. 366 OR mit Hinweis auf deutsche Lehre und Rechtsprechung; NIKLAUS, a.a.O., S. 132 f. Rz. 3.44).
BGE 141 III 257 S. 260
Art. 343 Abs. 1 lit. e ZPO Art. 366 Abs. 2 OR Art. 366 OR BGE 141 III 257 S. 261
Art. 366 OR Die Vorinstanz begründete die von ihr angenommene Bindungswirkung des Kostenvorschussurteils vor allem damit, dass sie sich mit den einzelnen Positionen "im Detail befasst" habe. Sie stützt sich dabei auf die Formulierung in BGE 128 III 416 E. 4.2.2, dass "eine Nachforderung ausgeschlossen" sei, "wenn wie im vorliegenden Fall über den Umfang der Nachbesserungsarbeiten im Detail bereits entschieden wurde und insofern eine 'res iudicata' vorliegt". Diese Formulierung ist in der Tat missverständlich. Im Sachverhalt von BGE 128 III 416 war die Unternehmerin gemäss Werkvertrag verpflichtet, das Dach einer Industriehalle auf eine bestimmte Art zu beschichten, nämlich mit dem Produkt "F.". Das Dach erwies sich in der Folge als nicht dicht; eine Nachbesserung mit dem vertraglichen Produkt "F." war aber nicht mehr möglich. Umstritten war vor allem, ob die Bestellerin berechtigt war, die Reparaturen durch einen Dritten mit dem Produkt "G." durchführen zu lassen und dafür einen Kostenvorschuss zu verlangen. Das Bundesgericht stellte fest, dass die Bestellerin einen Nachbesserungsanspruch auf eine Neubeschichtung mit dem (erheblich teureren) Produkt "G." habe. Der rechtskräftig beurteilte Anspruch auf Ersatzvornahme beinhaltete also bereits die (umstrittene) Art der Sanierung. Mit der zitierten Formulierung wurde klargestellt, dass die Methode der Sanierung bei der Abrechnung der Kosten nicht mehr in Frage gestellt werden kann (ebenso: NIQUILLE-EBERLE, a.a.O., S. 96 ff. Rz. 60 ff. mit Hinweis auf entsprechende deutsche Lehre; BRÄNDLI, a.a.O., S. 301 Rz. 934). Beruht die Schätzung des Kostenvorschusses sodann auf detaillierten Abklärungen, z.B. einem entsprechenden Gutachten, begründet dies wie erwähnt zwar keine Bindungswirkung, jedoch können sich daraus erhöhte Substanziierungsanforderungen ergeben hinsichtlich der Begründung der Abweichung vom vorgeschossenen Betrag.
Die Vorinstanz ging somit zu Unrecht davon aus, eine Nachforderung sei zufolge Rechtskraft des Vorschussurteils grundsätzlich ausgeschlossen.
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Urteilskopf 141 III 262 37. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. GmbH gegen B. AG (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_184/2015 vom 11. August 2015 Regeste Art. 64 Abs. 1 lit. a und Art. 257 ZPO ; Mieterausweisung im summarischen Verfahren und Kündigungsschutz. Ein Begehren um Ausweisung eines Mieters im Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen nach Art. 257 ZPO ist grundsätzlich auch dann zulässig, wenn der Mieter die vorangehende Kündigung gerichtlich angefochten hat und dieses Verfahren hängig ist (E. 3). Erwägungen ab Seite 263 BGE 141 III 262 S. 263 Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Die Beschwerdeführerin (Mieterin) rügt eine Verletzung von Art. 64 Abs. 1 lit. a ZPO. Sie macht geltend, sie habe, nachdem die Beschwerdegegnerin (Vermieterin) das Mietverhältnis am 12. November 2014 (zum wiederholten Mal) ausserordentlich gekündigt habe, am 18. Dezember 2014 ein Kündigungsschutzbegehren bei der Schlichtungsbehörde Zürich eingereicht. Angesichts dieses rechtshängigen Verfahrens - so die Beschwerdeführerin - hätte das Handelsgericht auf das Ausweisungsbegehren der Beschwerdegegnerin vom 9. Januar 2015 nicht eintreten dürfen. 3.2 Das Bundesgericht ist in seiner mietrechtlichen Rechtsprechung wiederholt zumindest implizit davon ausgegangen, dass über ein Ausweisungsbegehren im summarischen Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen gemäss Art. 257 ZPO auch dann entschieden werden darf, wenn die vorangehende ausserordentliche Kündigung wegen Zahlungsrückstand ( Art. 257d OR ) vom Mieter gerichtlich angefochten wurde und das resultierende mietrechtliche Verfahren noch nicht rechtskräftig erledigt ist (siehe etwa die Urteile 4A_252/2014 vom 28. Mai 2014 E. 3 und 4; 4A_265/2013 vom 8. Juli 2013 E. 6; 4A_187/2012 vom 10. Mai 2012 E. 3; 4A_7/2012 vom 3. April 2012 E. 2; 4A_585/2011 vom 7. November 2011 E. 3; vgl. ferner Urteil 4A_68/2014 vom 16. Juni 2014 E. 4, nicht publ. in: BGE 140 III 315 ). Die entsprechende Möglichkeit wird auch von der herrschenden Lehre und in der kantonalen Gerichtspraxis bejaht, wobei teilweise ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass die Rechtshängigkeit des Kündigungsschutzbegehrens der Ausweisung wegen deren unterschiedlichen Streitgegenstandes nicht im Sinne von Art. 64 Abs. 1 lit. a ZPO entgegenstehe (siehe BOHNET/CONOD, La fin du bail et l'expulsion du locataire, in: 18 e Séminaire sur le droit du bail, Bohnet/Carron [Hrsg.], 2014, S. 116 Rz. 165; GASSER/RICKLI, Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], 2. Aufl. 2014, N. 11 zu Art. 257 ZPO ; HOFMANN, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 18a zu Art. 257 ZPO ; HOHL, Procédure civile, Bd. II, 2. Aufl. 2010, S. 261 f. Rz. 1439-1443; JENT-SØRENSEN, in: ZPO, Oberhammer/Domej/Haas [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 17 f. zu Art. 257 ZPO ; MEIER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2010, S. 373; STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2013, § 21 Rz. 56; SUTTER-SOMM/LÖTSCHER, in: Kommentar BGE 141 III 262 S. 264 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 38a zu Art. 257 ZPO ; TANNER, Die Ausweisung des Mieters im Rechtsschutz in klaren Fällen, ZZZ 2010 S. 315 f.; Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 1. Juli 2011, in: ZR 110/2011 Nr. 54 E. II./1-8; vgl. auch BISANG, Neue Zivilprozessordnung: Neuerungen im Schlichtungsverfahren bzw. Mietprozess unter besonderer Berücksichtigung der Ausweisung, MietRecht Aktuell 2010 S. 113 f.; GÖKSU, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], 2011, N. 15 zu Art. 257 ZPO ; SPICHTIN, Der Rechtsschutz in klaren Fällen nach Art. 257 ZPO, 2012, S. 135-137 Rz. 296; abweichend THANEI, Auswirkungen der neuen Schweizerischen Zivilprozessordnung auf die mietrechtlichen Verfahren, insbesondere auf das Schlichtungsverfahren, mp 2009 S. 195 f.; differenzierend LACHAT, Procédure civile en matière de baux et loyers, 2011, S. 168 f.). Diese Auffassung lässt sich denn auch auf die Entstehungsgeschichte von Art. 257 ZPO stützen, zeigen doch die Materialien, dass das Parlament die früher geltende Regel zur Koordination von Kündigungsanfechtung und Ausweisung mittels Kompetenzattraktion beim Ausweisungsrichter (aArt. 274g OR) im Rahmen des Erlasses der Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 ersatzlos aufhob, weil es der Ansicht war, dass das summarische Verfahren "in der Variante nach Art. 257 ZPO - und nur in dieser - für die Gewährung von raschem Rechtsschutz in Ausweisungssachen ausreiche" ( BGE 139 III 38 E. 2.5 mit Hinweisen). Dabei ging es offenbar davon aus, im Ausweisungsverfahren nach Art. 257 ZPO könne vorfrageweise über die Gültigkeit der Kündigung entschieden werden, weshalb - in liquiden Fällen - mittels Gutheissung des klägerischen Begehrens eine Verzögerung der Ausweisung durch Abwarten des mietrechtlichen Kündigungsschutzverfahrens vermieden werde (siehe zum Gesetzgebungsverfahren auch BISANG, a.a.O., S. 111 f.; SPICHTIN, a.a.O., S. 134 Rz. 294; jeweils mit Hinweisen auf die Ratsdebatten; vgl. ferner Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, BBl 2006 7352 zu Art. 253, wonach der Rechtsschutz in klaren Fällen etwa für die Ausweisung infolge ausserordentlicher Kündigung "spielen" werde, "so bei Zahlungsverzug [ Art. 257d OR ] und Konkurs [ Art. 266h OR ] einer Mieterin oder eines Pächters", wo sich die Sachlage durch Urkunden liquide beweisen lasse [Mahnungen, Fristansetzungen, Kündigungen] und die Erstreckung von Gesetzes wegen ausgeschlossen sei). BGE 141 III 262 S. 265 Soweit die Gültigkeit der Kündigung des Mietvertrages demzufolge im Ausweisungsverfahren als Vorfrage zu beurteilen ist, beziehen sich die Voraussetzungen von Art. 257 Abs. 1 ZPO auch darauf. Sind sie nicht erfüllt und kann der Rechtsschutz in klaren Fällen deshalb nicht gewährt werden, so hat das Gericht nach Art. 257 Abs. 3 ZPO auf das Gesuch nicht einzutreten. 3.3 Somit kann festgehalten werden, dass ein Begehren um Ausweisung eines Mieters im Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen nach Art. 257 ZPO grundsätzlich auch dann zulässig ist, wenn der Mieter die vorangehende Kündigung gerichtlich angefochten hat und dieses Verfahren hängig ist. Das angefochtene Urteil des Handelsgerichts ist insofern nicht zu beanstanden.
Urteilskopf
37. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. GmbH gegen B. AG (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_184/2015 vom 11. August 2015
Regeste Art. 64 Abs. 1 lit. a und Art. 257 ZPO ; Mieterausweisung im summarischen Verfahren und Kündigungsschutz. Ein Begehren um Ausweisung eines Mieters im Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen nach Art. 257 ZPO ist grundsätzlich auch dann zulässig, wenn der Mieter die vorangehende Kündigung gerichtlich angefochten hat und dieses Verfahren hängig ist (E. 3).
Regeste
Art. 64 Abs. 1 lit. a und Art. 257 ZPO ; Mieterausweisung im summarischen Verfahren und Kündigungsschutz. Ein Begehren um Ausweisung eines Mieters im Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen nach Art. 257 ZPO ist grundsätzlich auch dann zulässig, wenn der Mieter die vorangehende Kündigung gerichtlich angefochten hat und dieses Verfahren hängig ist (E. 3).
Art. 64 Abs. 1 lit. a und Art. 257 ZPO Ein Begehren um Ausweisung eines Mieters im Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen nach Art. 257 ZPO ist grundsätzlich auch dann zulässig, wenn der Mieter die vorangehende Kündigung gerichtlich angefochten hat und dieses Verfahren hängig ist (E. 3).
Art. 257 ZPO Erwägungen ab Seite 263
Erwägungen ab Seite 263 BGE 141 III 262 S. 263
BGE 141 III 262 S. 263
Aus den Erwägungen:
3.
3. 3.1 Die Beschwerdeführerin (Mieterin) rügt eine Verletzung von Art. 64 Abs. 1 lit. a ZPO. Sie macht geltend, sie habe, nachdem die Beschwerdegegnerin (Vermieterin) das Mietverhältnis am 12. November 2014 (zum wiederholten Mal) ausserordentlich gekündigt habe, am 18. Dezember 2014 ein Kündigungsschutzbegehren bei der Schlichtungsbehörde Zürich eingereicht. Angesichts dieses rechtshängigen Verfahrens - so die Beschwerdeführerin - hätte das Handelsgericht auf das Ausweisungsbegehren der Beschwerdegegnerin vom 9. Januar 2015 nicht eintreten dürfen.
3.1 Art. 64 Abs. 1 lit. a ZPO 3.2 Das Bundesgericht ist in seiner mietrechtlichen Rechtsprechung wiederholt zumindest implizit davon ausgegangen, dass über ein Ausweisungsbegehren im summarischen Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen gemäss Art. 257 ZPO auch dann entschieden werden darf, wenn die vorangehende ausserordentliche Kündigung wegen Zahlungsrückstand ( Art. 257d OR ) vom Mieter gerichtlich angefochten wurde und das resultierende mietrechtliche Verfahren noch nicht rechtskräftig erledigt ist (siehe etwa die Urteile 4A_252/2014 vom 28. Mai 2014 E. 3 und 4; 4A_265/2013 vom 8. Juli 2013 E. 6; 4A_187/2012 vom 10. Mai 2012 E. 3; 4A_7/2012 vom 3. April 2012 E. 2; 4A_585/2011 vom 7. November 2011 E. 3; vgl. ferner Urteil 4A_68/2014 vom 16. Juni 2014 E. 4, nicht publ. in: BGE 140 III 315 ). Die entsprechende Möglichkeit wird auch von der herrschenden Lehre und in der kantonalen Gerichtspraxis bejaht, wobei teilweise ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass die Rechtshängigkeit des Kündigungsschutzbegehrens der Ausweisung wegen deren unterschiedlichen Streitgegenstandes nicht im Sinne von Art. 64 Abs. 1 lit. a ZPO entgegenstehe (siehe BOHNET/CONOD, La fin du bail et l'expulsion du locataire, in: 18 e Séminaire sur le droit du bail, Bohnet/Carron [Hrsg.], 2014, S. 116 Rz. 165; GASSER/RICKLI, Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], 2. Aufl. 2014, N. 11 zu Art. 257 ZPO ; HOFMANN, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 18a zu Art. 257 ZPO ; HOHL, Procédure civile, Bd. II, 2. Aufl. 2010, S. 261 f. Rz. 1439-1443; JENT-SØRENSEN, in: ZPO, Oberhammer/Domej/Haas [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 17 f. zu Art. 257 ZPO ; MEIER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2010, S. 373; STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2013, § 21 Rz. 56; SUTTER-SOMM/LÖTSCHER, in: Kommentar BGE 141 III 262 S. 264 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 38a zu Art. 257 ZPO ; TANNER, Die Ausweisung des Mieters im Rechtsschutz in klaren Fällen, ZZZ 2010 S. 315 f.; Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 1. Juli 2011, in: ZR 110/2011 Nr. 54 E. II./1-8; vgl. auch BISANG, Neue Zivilprozessordnung: Neuerungen im Schlichtungsverfahren bzw. Mietprozess unter besonderer Berücksichtigung der Ausweisung, MietRecht Aktuell 2010 S. 113 f.; GÖKSU, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], 2011, N. 15 zu Art. 257 ZPO ; SPICHTIN, Der Rechtsschutz in klaren Fällen nach Art. 257 ZPO, 2012, S. 135-137 Rz. 296; abweichend THANEI, Auswirkungen der neuen Schweizerischen Zivilprozessordnung auf die mietrechtlichen Verfahren, insbesondere auf das Schlichtungsverfahren, mp 2009 S. 195 f.; differenzierend LACHAT, Procédure civile en matière de baux et loyers, 2011, S. 168 f.).
3.2 Art. 257 ZPO Art. 257d OR Art. 64 Abs. 1 lit. a ZPO Art. 257 ZPO Art. 257 ZPO Art. 257 ZPO BGE 141 III 262 S. 264
Art. 257 ZPO Art. 257 ZPO Art. 257 ZPO Diese Auffassung lässt sich denn auch auf die Entstehungsgeschichte von Art. 257 ZPO stützen, zeigen doch die Materialien, dass das Parlament die früher geltende Regel zur Koordination von Kündigungsanfechtung und Ausweisung mittels Kompetenzattraktion beim Ausweisungsrichter (aArt. 274g OR) im Rahmen des Erlasses der Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 ersatzlos aufhob, weil es der Ansicht war, dass das summarische Verfahren "in der Variante nach Art. 257 ZPO - und nur in dieser - für die Gewährung von raschem Rechtsschutz in Ausweisungssachen ausreiche" ( BGE 139 III 38 E. 2.5 mit Hinweisen). Dabei ging es offenbar davon aus, im Ausweisungsverfahren nach Art. 257 ZPO könne vorfrageweise über die Gültigkeit der Kündigung entschieden werden, weshalb - in liquiden Fällen - mittels Gutheissung des klägerischen Begehrens eine Verzögerung der Ausweisung durch Abwarten des mietrechtlichen Kündigungsschutzverfahrens vermieden werde (siehe zum Gesetzgebungsverfahren auch BISANG, a.a.O., S. 111 f.; SPICHTIN, a.a.O., S. 134 Rz. 294; jeweils mit Hinweisen auf die Ratsdebatten; vgl. ferner Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, BBl 2006 7352 zu Art. 253, wonach der Rechtsschutz in klaren Fällen etwa für die Ausweisung infolge ausserordentlicher Kündigung "spielen" werde, "so bei Zahlungsverzug [ Art. 257d OR ] und Konkurs [ Art. 266h OR ] einer Mieterin oder eines Pächters", wo sich die Sachlage durch Urkunden liquide beweisen lasse [Mahnungen, Fristansetzungen, Kündigungen] und die Erstreckung von Gesetzes wegen ausgeschlossen sei). BGE 141 III 262 S. 265
Art. 257 ZPO Art. 257 ZPO Art. 257 ZPO Art. 257d OR Art. 266h OR BGE 141 III 262 S. 265
Soweit die Gültigkeit der Kündigung des Mietvertrages demzufolge im Ausweisungsverfahren als Vorfrage zu beurteilen ist, beziehen sich die Voraussetzungen von Art. 257 Abs. 1 ZPO auch darauf. Sind sie nicht erfüllt und kann der Rechtsschutz in klaren Fällen deshalb nicht gewährt werden, so hat das Gericht nach Art. 257 Abs. 3 ZPO auf das Gesuch nicht einzutreten.
Art. 257 Abs. 1 ZPO Art. 257 Abs. 3 ZPO 3.3 Somit kann festgehalten werden, dass ein Begehren um Ausweisung eines Mieters im Verfahren um Rechtsschutz in klaren Fällen nach Art. 257 ZPO grundsätzlich auch dann zulässig ist, wenn der Mieter die vorangehende Kündigung gerichtlich angefochten hat und dieses Verfahren hängig ist. Das angefochtene Urteil des Handelsgerichts ist insofern nicht zu beanstanden.
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Urteilskopf 141 III 265 38. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. und B.A. gegen Staatliche Schlichtungsstelle für Mietstreitigkeiten (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_510/2014 vom 23. Juni 2015 Regeste Art. 128 und 206 ZPO ; Ordnungsbusse im Schlichtungsverfahren. Darf die Schlichtungsbehörde eine Partei für ihr Nichterscheinen zur Schlichtungsverhandlung gestützt auf Art. 128 ZPO mit Ordnungsbusse bestrafen? Vorliegend ist die Verhängung von Ordnungsbussen jedenfalls mangels vorgängiger Androhung unzulässig (E. 3-5). Sachverhalt ab Seite 265 BGE 141 III 265 S. 265 A. A.A. und B.A. (Beschwerdeführer) sind Vermieter einer Liegenschaft in Basel. Sie sind bzw. waren als Beklagte an mehreren - von verschiedenen Mietern dieser Liegenschaft eingeleiteten - Gerichtsverfahren beteiligt. In fünf Verfahren vor der Staatlichen Schlichtungsstelle für Mietstreitigkeiten blieben sie den auf den Vormittag BGE 141 III 265 S. 266 des 26. März 2014 angesetzten Schlichtungsverhandlungen fern. Mit separaten "Kosten-Verfügungen" vom gleichen Tag auferlegte die Schlichtungsstelle A.A. und B.A. "in Anwendung von Art. 128 der Schweizerischen Zivilprozessordnung" fünf Ordnungsbussen von je Fr. 200.- wegen Nichterscheinens zur Schlichtungsverhandlung. Diese fünf Verfügungen fochten A.A. und B.A. jeweils beim Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt an, das die Beschwerden am 15. Juli 2014 in einem einzigen Entscheid abwies. B. A.A. und B.A. erhoben dagegen Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht. Am 23. Juni 2015 führte das Bundesgericht eine öffentliche Urteilsberatung durch. Es heisst die Beschwerde gut und hebt den angefochtenen Entscheid auf. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Gemäss Art. 128 ZPO wird, wer im Verfahren vor Gericht den Anstand verletzt oder den Geschäftsgang stört, mit einem Verweis oder einer Ordnungsbusse bis zu 1000 Franken bestraft. Das Gericht kann zudem den Ausschluss von der Verhandlung anordnen (Abs. 1). Das Gericht kann zur Durchsetzung seiner Anordnungen die Polizei beiziehen (Abs. 2). Bei bös- oder mutwilliger Prozessführung können die Parteien und ihre Vertretungen mit einer Ordnungsbusse bis zu 2000 Franken und bei Wiederholung bis zu 5000 Franken bestraft werden (Abs. 3). 3.2 Dass die in Art. 128 ZPO vorgesehenen Disziplinarmassnahmen grundsätzlich auch von der Schlichtungsbehörde ergriffen werden dürfen, stellen die Beschwerdeführer zu Recht nicht in Frage. Die Anwendbarkeit der Bestimmung im Schlichtungsverfahren folgt bereits aus ihrer Stellung im 1. Kapitel (Prozessleitung) des 9. Titels (Prozessleitung, prozessuales Handeln und Fristen) des 1. Teils (Allgemeine Bestimmungen) der Zivilprozessordnung (vgl. zur Gesetzessystematik allgemein Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [nachfolgend:Botschaft ZPO], BBl2006 7240 Ziff. 3.1). Die entsprechende Disziplinarbefugnis der Schlichtungsbehörde wird denn auch von der Lehre befürwortet (so ausdrücklich DOLGE, in: Schlichtungsverfahren nach Schweizerischer Zivilprozessordnung, 2012, S. 51; vgl. ferner TAPPY/NOVIER, La procédure de conciliation et la médiation dans le Code de procédure civile suisse [...], in: Il BGE 141 III 265 S. 267 Codice di diritto processuale civile svizzero, Bernasconi und andere[Hrsg.], 2011, S. 107; für eine analoge Anwendung der Bestimmung HONEGGER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung[ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 2. Aufl. 2013,N. 3 zu Art. 206 ZPO ). Sie ist insbesondere auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil Art. 128 Abs. 1 ZPO bloss das Verfahren vor Gericht erwähnt, zumal der Wortlaut der Bestimmung soweit erkennbar nicht mit Blick auf ihren Geltungsbereich gewählt wurde, sondern zwecks Harmonisierung mit Art. 33 BGG, in dem vom "Verfahren vor dem Bundesgericht" die Rede ist (siehe Botschaft ZPO, a.a.O., 7246 [Ziff. 3.3] und 7306 zu Art. 126; vgl. auch Art. 60 VwVG [SR172.021]). Schliesslichentspricht es zweifellos einem praktischen Bedürfnis, dass der Schlichtungsbehörde nötigenfalls die erforderlichen disziplinarischen Mittel zur Verfügung stehen, um das Ziel einer einvernehmlichen Streitbeilegung in einem geordneten Verfahren verfolgen zu können, und zwar unabhängig davon, ob ihr gemäss Art. 212 ZPO Entscheidkompetenz zukommt. 4. 4.1 Die Beschwerdeführer rügen, im Gesetz sei nicht vorgesehen, dass das Nichterscheinen der beklagten Partei zur Schlichtungsverhandlung Sanktionen nach sich ziehen könne, namentlich weder in Art. 204 ZPO betreffend das persönliche Erscheinen der Parteien noch in Art. 206 Abs. 2 ZPO, der die Folgen des Ausbleibens der beklagten Partei regle. Der Gesetzgeber - so die Beschwerdeführer - habe mithin darauf verzichtet, das Nichterscheinen der beklagten Partei zu sanktionieren, und die Verhängung einer Ordnungsbusse sei aus diesem Grund unzulässig. 4.2 Dem Entscheidverfahren geht ein Schlichtungsversuch vor einer Schlichtungsbehörde voraus ( Art. 197 ZPO ). Die Parteien müssen persönlich zur Schlichtungsverhandlung erscheinen ( Art. 204 Abs. 1 ZPO ). Sie können sich von einer Rechtsbeiständin, einem Rechtsbeistand oder einer Vertrauensperson begleiten lassen ( Art. 204 Abs. 2 ZPO ). Nicht persönlich erscheinen muss und sich vertreten lassen kann, wer sich auf einen gesetzlich vorgesehenen Dispensationsgrund berufen kann, so namentlich, wer ausserkantonalen oder ausländischen Wohnsitz hat oder wegen Krankheit, Alter oder anderen wichtigen Gründen verhindert ist ( Art. 204 Abs. 3 lit. a und b ZPO ). Bei Säumnis der klagenden Partei gilt das Schlichtungsgesuch als zurückgezogen; das Verfahren wird als gegenstandslos abgeschrieben ( Art. 206 Abs. 1 ZPO ). Bei Säumnis der beklagten Partei verfährt BGE 141 III 265 S. 268 die Schlichtungsbehörde, wie wenn keine Einigung zu Stande gekommen wäre, das heisst gemäss den Artikeln 209-212 der Zivilprozessordnung ( Art. 206 Abs. 2 ZPO ). Sie hat somit die Klagebewilligung zu erteilen ( Art. 209 Abs. 1 ZPO ). In gewissen Fällen kann sie stattdessen den Parteien einen Urteilsvorschlag unterbreiten ( Art. 210 Abs. 1 ZPO ) oder auf Antrag der klagenden Partei die Streitigkeit entscheiden ( Art. 212 Abs. 1 ZPO ). 4.3 In der Literatur wird von einzelnen Autoren vertreten, das Nichterscheinen einer Partei im Schlichtungsverfahren könne nicht mit Ordnungsbusse gemäss Art. 128 ZPO geahndet werden, weil Art. 206 ZPO die Säumnisfolgen abschliessend regle (so STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2013, S. 368 § 20 Rz. 24; WYSS, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Baker & McKenzie [Hrsg.], 2010, N. 1 zu Art. 206 ZPO ). Dieser Auffassung ist nicht zu folgen: Wohl hält Art. 206 ZPO verbindlich fest, wie die Schlichtungsbehörde bei Säumnis einer Partei in prozessualer Hinsicht zu verfahren hat. Die Bestimmung regelt mithin ausdrücklich die Säumnisfolgen für dieses Verfahrensstadium, wie von Art. 147 Abs. 2 ZPO vorbehalten. Im Urteil 4C_1/2013 vom 23. Juni 2013 stellte das Bundesgericht in anderem Zusammenhang fest, die Zivilprozessordnung regle (in ihren Artikeln 204 und 206) die Pflicht zum Erscheinen zur Schlichtungsverhandlung und die Folgen der Nichtbeachtung - im Verhältnis zum kantonalen Recht - abschliessend (E. 4). Demgegenüber sind allfällige disziplinarische Folgen des Verhaltens der Parteien im Verfahren von vornherein nicht Gegenstand von Art. 206 ZPO. Disziplinarmassnahmen bleiben somit möglich, sofern eine gesetzliche Grundlage dafür besteht (in diesem Sinne - beide unter Hinweis auf Art. 128 ZPO - INFANGER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 16 zu Art. 206 ZPO ; MAAG, MietRecht aktuell 2014 S. 136 f.). Demnach ist jedenfalls aufgrund des Regelungsgehalts von Art. 206 ZPO nicht ausgeschlossen, dass die Schlichtungsbehörde das (unentschuldigte) Fernbleiben einer Partei von der Schlichtungsverhandlung disziplinarisch ahndet. 5. 5.1 Angesichts der Bedeutung der persönlichen Anwesenheit der Parteien für die Durchführung einer wirksamen Schlichtung (siehe dazu BGE 140 III 70 E. 4.3 S. 71 f. mit Hinweisen) scheint es denn auch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Schlichtungsbehörde BGE 141 III 265 S. 269 eine Partei, die der Schlichtungsverhandlung ohne Grund fernbleibt und damit nicht nur prozessual säumig ist, sondern gleichzeitig ihre Pflicht zum persönlichen Erscheinen nach Art. 204 Abs. 1 ZPO verletzt, gemäss Art. 128 Abs. 1 oder 3 ZPO bestraft. Dies gilt namentlich für die beklagte Partei, die ansonsten durch ihr Nichterscheinen den gesetzgeberischen Willen, dass ein Einigungsversuch stattfinden soll, sanktionslos vereiteln könnte (siehe INFANGER, in: Schlichtungsverfahren nach Schweizerischer Zivilprozessordnung, 2012, S. 107, mit dem Hinweis, die Säumnisfolgen des Schlichtungsverfahrens seien für die säumige beklagte Partei nicht griffig, "weshalb zur Disziplinierung unbedingt die Disziplinarbefugnisse nach Art. 128 ZPO ausgeschöpft werden müssen"). Eine disziplinarische Ahndung mit Ordnungsbusse setzt aber immerhin voraus, dass das Nichterscheinen zur Schlichtungsverfahren eine Störung des Geschäftsgangs gemäss Art. 128 Abs. 1 ZPO respektive eine bös- oder mutwillige Prozessführung nach Art. 128 Abs. 3 ZPO darstellt. Welche qualifizierenden Umstände hierfür erforderlich sind und unter welchen Voraussetzungen die Ausfällung einer Ordnungsbusse konkret gerechtfertigt ist, braucht an dieser Stelle indessen nicht weiter beurteilt zu werden (siehe aber DOLGE, a.a.O., S. 127, die annimmt, eine Ordnungsbusse wegen Störung des Geschäftsgangs gemäss Art. 128 Abs. 1 ZPO rechtfertige sich "nur ausnahmsweise", etwa wenn die Partei den Termin verschieben lasse, um dann gleichwohl unentschuldigt nicht zu erscheinen). 5.2 Denn nach den auch im Zivilverfahren geltenden Grundsätzen der Verhältnismässigkeit ( Art. 5 Abs. 2 BV ) und des Handelns nach Treu und Glauben ( Art. 5 Abs. 3 BV ; Art. 52 ZPO ) sowie mit Blick auf das rechtliche Gehör der Parteien ( Art. 29 Abs. 2 BV ) sind nicht nur prozessuale Säumnisfolgen (vgl. hierzu Art. 147 Abs. 3 ZPO ), sondern auch disziplinarische Massnahmen vor ihrer Anordnung - jedenfalls soweit möglich und zweckmässig - anzudrohen (vgl. etwa Art. 191 Abs. 2 ZPO ; hinsichtlich der Praxis des Bundesgerichts zu Art. 33 BGG : Urteile 5A_447/2012 vom 27. August 2012 E. 5; 5F_5/2010 vom 7. Juli 2010 E. 8). Dies gilt auch mit Bezug auf Art. 128 ZPO (so GASSER/RICKLI, Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO],Kurzkommentar, 2. Aufl. 2014, N. 2 zu Art. 128 ZPO ; WEBER, in: ZPO, Oberhammer/Domej/Haas [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 8 zuArt. 128 ZPO; differenzierend: AFFENTRANGER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Baker &McKenzie [Hrsg.], 2010, N. 11 zuArt. 128 ZPO). BGE 141 III 265 S. 270 5.3 Dass die Beschwerdeführer von der Schlichtungsstelle auf die disziplinarischen Konsequenzen ihres Nichterscheinens zu den Schlichtungsverhandlungen vom 26. März 2014 aufmerksam gemacht worden wären, geht aus den massgeblichen Sachverhaltsfeststellungen des angefochtenen Entscheids (vgl. Art. 105 Abs. 1 BGG ) nicht hervor. Im Gegenteil räumte die Schlichtungsstelle in ihrer Vernehmlassung vom 6. November 2014 selber ein, die Vorladung an die Parteien habe in der bis zum 21. Juli 2014 gebräuchlichen Fassung unter der Rubrik "Wichtige Hinweise" im hier interessierenden Punkt wie folgt gelautet: "Bei Nichterscheinen der beklagten Partei verfährt die Schlichtungsstelle, wie wenn keine Einigung zu Stande gekommen wäre." 5.4 Aufgrund dieser Formulierung mussten die Beschwerdeführer nicht damit rechnen, dass die Schlichtungsstelle sie für ihre Abwesenheit an den Schlichtungsverhandlungen jeweils mit einer Ordnungsbusse belegen würde, zumal sich diese Konsequenz auch aus dem Gesetz nicht ausdrücklich ergibt (siehe dazu E. 3 und 4). Die Verhängung von Ordnungsbussen war somit im vorliegenden Fall jedenfalls mangels vorgängiger Androhung unzulässig. Demnach kann offenbleiben, ob qualifizierende Umstände für eine ausnahmsweise Auferlegung von Ordnungsbussen vorlagen. Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt als begründet, unabhängig davon, dass die entsprechende Kritik im bundesgerichtlichen Verfahren erstmals erhoben wurde (vgl. Art. 57 ZPO ; Art. 106 Abs. 1 BGG ).
Urteilskopf
38. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. und B.A. gegen Staatliche Schlichtungsstelle für Mietstreitigkeiten (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_510/2014 vom 23. Juni 2015
Regeste Art. 128 und 206 ZPO ; Ordnungsbusse im Schlichtungsverfahren. Darf die Schlichtungsbehörde eine Partei für ihr Nichterscheinen zur Schlichtungsverhandlung gestützt auf Art. 128 ZPO mit Ordnungsbusse bestrafen? Vorliegend ist die Verhängung von Ordnungsbussen jedenfalls mangels vorgängiger Androhung unzulässig (E. 3-5).
Regeste
Art. 128 und 206 ZPO ; Ordnungsbusse im Schlichtungsverfahren. Darf die Schlichtungsbehörde eine Partei für ihr Nichterscheinen zur Schlichtungsverhandlung gestützt auf Art. 128 ZPO mit Ordnungsbusse bestrafen? Vorliegend ist die Verhängung von Ordnungsbussen jedenfalls mangels vorgängiger Androhung unzulässig (E. 3-5).
Art. 128 und 206 ZPO Darf die Schlichtungsbehörde eine Partei für ihr Nichterscheinen zur Schlichtungsverhandlung gestützt auf Art. 128 ZPO mit Ordnungsbusse bestrafen? Vorliegend ist die Verhängung von Ordnungsbussen jedenfalls mangels vorgängiger Androhung unzulässig (E. 3-5).
Art. 128 ZPO Sachverhalt ab Seite 265
Sachverhalt ab Seite 265 BGE 141 III 265 S. 265
BGE 141 III 265 S. 265
A. A.A. und B.A. (Beschwerdeführer) sind Vermieter einer Liegenschaft in Basel. Sie sind bzw. waren als Beklagte an mehreren - von verschiedenen Mietern dieser Liegenschaft eingeleiteten - Gerichtsverfahren beteiligt. In fünf Verfahren vor der Staatlichen Schlichtungsstelle für Mietstreitigkeiten blieben sie den auf den Vormittag BGE 141 III 265 S. 266 des 26. März 2014 angesetzten Schlichtungsverhandlungen fern. Mit separaten "Kosten-Verfügungen" vom gleichen Tag auferlegte die Schlichtungsstelle A.A. und B.A. "in Anwendung von Art. 128 der Schweizerischen Zivilprozessordnung" fünf Ordnungsbussen von je Fr. 200.- wegen Nichterscheinens zur Schlichtungsverhandlung.
A. BGE 141 III 265 S. 266
Diese fünf Verfügungen fochten A.A. und B.A. jeweils beim Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt an, das die Beschwerden am 15. Juli 2014 in einem einzigen Entscheid abwies.
B. A.A. und B.A. erhoben dagegen Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht. Am 23. Juni 2015 führte das Bundesgericht eine öffentliche Urteilsberatung durch. Es heisst die Beschwerde gut und hebt den angefochtenen Entscheid auf.
B. (Zusammenfassung)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
3.
3. 3.1 Gemäss Art. 128 ZPO wird, wer im Verfahren vor Gericht den Anstand verletzt oder den Geschäftsgang stört, mit einem Verweis oder einer Ordnungsbusse bis zu 1000 Franken bestraft. Das Gericht kann zudem den Ausschluss von der Verhandlung anordnen (Abs. 1). Das Gericht kann zur Durchsetzung seiner Anordnungen die Polizei beiziehen (Abs. 2). Bei bös- oder mutwilliger Prozessführung können die Parteien und ihre Vertretungen mit einer Ordnungsbusse bis zu 2000 Franken und bei Wiederholung bis zu 5000 Franken bestraft werden (Abs. 3).
3.1 Art. 128 ZPO 3.2 Dass die in Art. 128 ZPO vorgesehenen Disziplinarmassnahmen grundsätzlich auch von der Schlichtungsbehörde ergriffen werden dürfen, stellen die Beschwerdeführer zu Recht nicht in Frage. Die Anwendbarkeit der Bestimmung im Schlichtungsverfahren folgt bereits aus ihrer Stellung im 1. Kapitel (Prozessleitung) des 9. Titels (Prozessleitung, prozessuales Handeln und Fristen) des 1. Teils (Allgemeine Bestimmungen) der Zivilprozessordnung (vgl. zur Gesetzessystematik allgemein Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [nachfolgend:Botschaft ZPO], BBl2006 7240 Ziff. 3.1). Die entsprechende Disziplinarbefugnis der Schlichtungsbehörde wird denn auch von der Lehre befürwortet (so ausdrücklich DOLGE, in: Schlichtungsverfahren nach Schweizerischer Zivilprozessordnung, 2012, S. 51; vgl. ferner TAPPY/NOVIER, La procédure de conciliation et la médiation dans le Code de procédure civile suisse [...], in: Il BGE 141 III 265 S. 267 Codice di diritto processuale civile svizzero, Bernasconi und andere[Hrsg.], 2011, S. 107; für eine analoge Anwendung der Bestimmung HONEGGER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung[ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 2. Aufl. 2013,N. 3 zu Art. 206 ZPO ). Sie ist insbesondere auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil Art. 128 Abs. 1 ZPO bloss das Verfahren vor Gericht erwähnt, zumal der Wortlaut der Bestimmung soweit erkennbar nicht mit Blick auf ihren Geltungsbereich gewählt wurde, sondern zwecks Harmonisierung mit Art. 33 BGG, in dem vom "Verfahren vor dem Bundesgericht" die Rede ist (siehe Botschaft ZPO, a.a.O., 7246 [Ziff. 3.3] und 7306 zu Art. 126; vgl. auch Art. 60 VwVG [SR172.021]). Schliesslichentspricht es zweifellos einem praktischen Bedürfnis, dass der Schlichtungsbehörde nötigenfalls die erforderlichen disziplinarischen Mittel zur Verfügung stehen, um das Ziel einer einvernehmlichen Streitbeilegung in einem geordneten Verfahren verfolgen zu können, und zwar unabhängig davon, ob ihr gemäss Art. 212 ZPO Entscheidkompetenz zukommt.
3.2 Art. 128 ZPO BGE 141 III 265 S. 267
Art. 206 ZPO Art. 128 Abs. 1 ZPO Art. 33 BGG Art. 60 VwVG Art. 212 ZPO 4.
4. 4.1 Die Beschwerdeführer rügen, im Gesetz sei nicht vorgesehen, dass das Nichterscheinen der beklagten Partei zur Schlichtungsverhandlung Sanktionen nach sich ziehen könne, namentlich weder in Art. 204 ZPO betreffend das persönliche Erscheinen der Parteien noch in Art. 206 Abs. 2 ZPO, der die Folgen des Ausbleibens der beklagten Partei regle. Der Gesetzgeber - so die Beschwerdeführer - habe mithin darauf verzichtet, das Nichterscheinen der beklagten Partei zu sanktionieren, und die Verhängung einer Ordnungsbusse sei aus diesem Grund unzulässig.
4.1 Art. 204 ZPO Art. 206 Abs. 2 ZPO 4.2 Dem Entscheidverfahren geht ein Schlichtungsversuch vor einer Schlichtungsbehörde voraus ( Art. 197 ZPO ). Die Parteien müssen persönlich zur Schlichtungsverhandlung erscheinen ( Art. 204 Abs. 1 ZPO ). Sie können sich von einer Rechtsbeiständin, einem Rechtsbeistand oder einer Vertrauensperson begleiten lassen ( Art. 204 Abs. 2 ZPO ). Nicht persönlich erscheinen muss und sich vertreten lassen kann, wer sich auf einen gesetzlich vorgesehenen Dispensationsgrund berufen kann, so namentlich, wer ausserkantonalen oder ausländischen Wohnsitz hat oder wegen Krankheit, Alter oder anderen wichtigen Gründen verhindert ist ( Art. 204 Abs. 3 lit. a und b ZPO ).
4.2 Art. 197 ZPO Art. 204 Abs. 1 ZPO Art. 204 Abs. 2 ZPO Art. 204 Abs. 3 lit. a und b ZPO Bei Säumnis der klagenden Partei gilt das Schlichtungsgesuch als zurückgezogen; das Verfahren wird als gegenstandslos abgeschrieben ( Art. 206 Abs. 1 ZPO ). Bei Säumnis der beklagten Partei verfährt BGE 141 III 265 S. 268 die Schlichtungsbehörde, wie wenn keine Einigung zu Stande gekommen wäre, das heisst gemäss den Artikeln 209-212 der Zivilprozessordnung ( Art. 206 Abs. 2 ZPO ). Sie hat somit die Klagebewilligung zu erteilen ( Art. 209 Abs. 1 ZPO ). In gewissen Fällen kann sie stattdessen den Parteien einen Urteilsvorschlag unterbreiten ( Art. 210 Abs. 1 ZPO ) oder auf Antrag der klagenden Partei die Streitigkeit entscheiden ( Art. 212 Abs. 1 ZPO ).
Art. 206 Abs. 1 ZPO BGE 141 III 265 S. 268
Art. 206 Abs. 2 ZPO Art. 209 Abs. 1 ZPO Art. 210 Abs. 1 ZPO Art. 212 Abs. 1 ZPO 4.3 In der Literatur wird von einzelnen Autoren vertreten, das Nichterscheinen einer Partei im Schlichtungsverfahren könne nicht mit Ordnungsbusse gemäss Art. 128 ZPO geahndet werden, weil Art. 206 ZPO die Säumnisfolgen abschliessend regle (so STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2013, S. 368 § 20 Rz. 24; WYSS, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Baker & McKenzie [Hrsg.], 2010, N. 1 zu Art. 206 ZPO ).
4.3 Art. 128 ZPO Art. 206 ZPO Art. 206 ZPO Dieser Auffassung ist nicht zu folgen: Wohl hält Art. 206 ZPO verbindlich fest, wie die Schlichtungsbehörde bei Säumnis einer Partei in prozessualer Hinsicht zu verfahren hat. Die Bestimmung regelt mithin ausdrücklich die Säumnisfolgen für dieses Verfahrensstadium, wie von Art. 147 Abs. 2 ZPO vorbehalten. Im Urteil 4C_1/2013 vom 23. Juni 2013 stellte das Bundesgericht in anderem Zusammenhang fest, die Zivilprozessordnung regle (in ihren Artikeln 204 und 206) die Pflicht zum Erscheinen zur Schlichtungsverhandlung und die Folgen der Nichtbeachtung - im Verhältnis zum kantonalen Recht - abschliessend (E. 4).
Art. 206 ZPO Art. 147 Abs. 2 ZPO Demgegenüber sind allfällige disziplinarische Folgen des Verhaltens der Parteien im Verfahren von vornherein nicht Gegenstand von Art. 206 ZPO. Disziplinarmassnahmen bleiben somit möglich, sofern eine gesetzliche Grundlage dafür besteht (in diesem Sinne - beide unter Hinweis auf Art. 128 ZPO - INFANGER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 16 zu Art. 206 ZPO ; MAAG, MietRecht aktuell 2014 S. 136 f.). Demnach ist jedenfalls aufgrund des Regelungsgehalts von Art. 206 ZPO nicht ausgeschlossen, dass die Schlichtungsbehörde das (unentschuldigte) Fernbleiben einer Partei von der Schlichtungsverhandlung disziplinarisch ahndet.
Art. 206 ZPO Art. 128 ZPO Art. 206 ZPO Art. 206 ZPO 5.
5. 5.1 Angesichts der Bedeutung der persönlichen Anwesenheit der Parteien für die Durchführung einer wirksamen Schlichtung (siehe dazu BGE 140 III 70 E. 4.3 S. 71 f. mit Hinweisen) scheint es denn auch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Schlichtungsbehörde BGE 141 III 265 S. 269 eine Partei, die der Schlichtungsverhandlung ohne Grund fernbleibt und damit nicht nur prozessual säumig ist, sondern gleichzeitig ihre Pflicht zum persönlichen Erscheinen nach Art. 204 Abs. 1 ZPO verletzt, gemäss Art. 128 Abs. 1 oder 3 ZPO bestraft. Dies gilt namentlich für die beklagte Partei, die ansonsten durch ihr Nichterscheinen den gesetzgeberischen Willen, dass ein Einigungsversuch stattfinden soll, sanktionslos vereiteln könnte (siehe INFANGER, in: Schlichtungsverfahren nach Schweizerischer Zivilprozessordnung, 2012, S. 107, mit dem Hinweis, die Säumnisfolgen des Schlichtungsverfahrens seien für die säumige beklagte Partei nicht griffig, "weshalb zur Disziplinierung unbedingt die Disziplinarbefugnisse nach Art. 128 ZPO ausgeschöpft werden müssen").
5.1 BGE 141 III 265 S. 269
Art. 204 Abs. 1 ZPO Art. 128 Abs. 1 oder 3 ZPO Art. 128 ZPO Eine disziplinarische Ahndung mit Ordnungsbusse setzt aber immerhin voraus, dass das Nichterscheinen zur Schlichtungsverfahren eine Störung des Geschäftsgangs gemäss Art. 128 Abs. 1 ZPO respektive eine bös- oder mutwillige Prozessführung nach Art. 128 Abs. 3 ZPO darstellt. Welche qualifizierenden Umstände hierfür erforderlich sind und unter welchen Voraussetzungen die Ausfällung einer Ordnungsbusse konkret gerechtfertigt ist, braucht an dieser Stelle indessen nicht weiter beurteilt zu werden (siehe aber DOLGE, a.a.O., S. 127, die annimmt, eine Ordnungsbusse wegen Störung des Geschäftsgangs gemäss Art. 128 Abs. 1 ZPO rechtfertige sich "nur ausnahmsweise", etwa wenn die Partei den Termin verschieben lasse, um dann gleichwohl unentschuldigt nicht zu erscheinen).
Art. 128 Abs. 1 ZPO Art. 128 Abs. 3 ZPO Art. 128 Abs. 1 ZPO 5.2 Denn nach den auch im Zivilverfahren geltenden Grundsätzen der Verhältnismässigkeit ( Art. 5 Abs. 2 BV ) und des Handelns nach Treu und Glauben ( Art. 5 Abs. 3 BV ; Art. 52 ZPO ) sowie mit Blick auf das rechtliche Gehör der Parteien ( Art. 29 Abs. 2 BV ) sind nicht nur prozessuale Säumnisfolgen (vgl. hierzu Art. 147 Abs. 3 ZPO ), sondern auch disziplinarische Massnahmen vor ihrer Anordnung - jedenfalls soweit möglich und zweckmässig - anzudrohen (vgl. etwa Art. 191 Abs. 2 ZPO ; hinsichtlich der Praxis des Bundesgerichts zu Art. 33 BGG : Urteile 5A_447/2012 vom 27. August 2012 E. 5; 5F_5/2010 vom 7. Juli 2010 E. 8). Dies gilt auch mit Bezug auf Art. 128 ZPO (so GASSER/RICKLI, Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO],Kurzkommentar, 2. Aufl. 2014, N. 2 zu Art. 128 ZPO ; WEBER, in: ZPO, Oberhammer/Domej/Haas [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 8 zuArt. 128 ZPO; differenzierend: AFFENTRANGER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Baker &McKenzie [Hrsg.], 2010, N. 11 zuArt. 128 ZPO).
5.2 Art. 5 Abs. 2 BV Art. 5 Abs. 3 BV Art. 52 ZPO Art. 29 Abs. 2 BV Art. 147 Abs. 3 ZPO Art. 191 Abs. 2 ZPO Art. 33 BGG Art. 128 ZPO Art. 128 ZPO BGE 141 III 265 S. 270
BGE 141 III 265 S. 270
5.3 Dass die Beschwerdeführer von der Schlichtungsstelle auf die disziplinarischen Konsequenzen ihres Nichterscheinens zu den Schlichtungsverhandlungen vom 26. März 2014 aufmerksam gemacht worden wären, geht aus den massgeblichen Sachverhaltsfeststellungen des angefochtenen Entscheids (vgl. Art. 105 Abs. 1 BGG ) nicht hervor. Im Gegenteil räumte die Schlichtungsstelle in ihrer Vernehmlassung vom 6. November 2014 selber ein, die Vorladung an die Parteien habe in der bis zum 21. Juli 2014 gebräuchlichen Fassung unter der Rubrik "Wichtige Hinweise" im hier interessierenden Punkt wie folgt gelautet: "Bei Nichterscheinen der beklagten Partei verfährt die Schlichtungsstelle, wie wenn keine Einigung zu Stande gekommen wäre."
5.3 Art. 105 Abs. 1 BGG 5.4 Aufgrund dieser Formulierung mussten die Beschwerdeführer nicht damit rechnen, dass die Schlichtungsstelle sie für ihre Abwesenheit an den Schlichtungsverhandlungen jeweils mit einer Ordnungsbusse belegen würde, zumal sich diese Konsequenz auch aus dem Gesetz nicht ausdrücklich ergibt (siehe dazu E. 3 und 4). Die Verhängung von Ordnungsbussen war somit im vorliegenden Fall jedenfalls mangels vorgängiger Androhung unzulässig. Demnach kann offenbleiben, ob qualifizierende Umstände für eine ausnahmsweise Auferlegung von Ordnungsbussen vorlagen. Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt als begründet, unabhängig davon, dass die entsprechende Kritik im bundesgerichtlichen Verfahren erstmals erhoben wurde (vgl. Art. 57 ZPO ; Art. 106 Abs. 1 BGG ).
5.4 Art. 57 ZPO Art. 106 Abs. 1 BGG
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Urteilskopf 141 III 270 39. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A.A. et B.A. contre C.B. et consorts (recours en matière civile) 5A_878/2014 du 17 juin 2015 Regeste Art. 126 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. 321 Abs. 2 ZPO ; Beschwerdefrist gegen einen Sistierungsentscheid, fehlerhafte Belehrung über die Beschwerdefrist. Die Sistierungsentscheide im Sinne von Art. 126 Abs. 1 ZPO fallen unter die Kategorie der prozessleitenden Verfügungen und unterliegen der zehntägigen Beschwerdefrist von Art. 321 Abs. 2 ZPO. Das Vertrauen des anwaltlich vertretenen Beschwerdeführers in die fehlerhafte Belehrung über die Beschwerdefrist wird nicht geschützt, wenn eine systematische Lektüre des Gesetzes genügte, um den Fehler zu erkennen (E. 3.3). Sachverhalt ab Seite 271 BGE 141 III 270 S. 271 A. A.a Le 18 septembre 2007, le Président du Tribunal d'arrondissement de La Côte a prononcé la faillite de F. SA, avec effet au 1 er octobre 2007. Ce jugement a été confirmé par arrêt de la Cour des poursuites et faillites du Tribunal cantonal vaudois du 31 janvier 2008, la faillite prenant effet à cette date. A.A. et B.A. ont produit diverses créances dans la faillite, admises à l'état de collocation. Parmi les actifs de la société faillie, l'administration de la masse a inventorié les droits découlant d'une action révocatoire au sens des art. 285 ss LP dirigée contre C.B. et D.B. et portant sur le remboursement d'un prêt aux actionnaires à hauteur de 380'000 fr., ainsi que sur les droits de l'action en responsabilité selon les art. 752 ss CO à l'encontre de tous les responsables de la société, dont D.B. Le 29 janvier 2010, la masse en faillite de F. SA en liquidation a saisi le Juge de paix du district de Morges (ci-après: Juge de paix) d'une requête de conciliation dirigée contre C.B. et D.B. ainsi que d'une requête de conciliation dirigée contre E. Ltd et portant sur l'action révocatoire précitée. Par avis du 8 juillet 2010, le Juge de paix a pris acte de la cession des droits de la masse en faillite de F. SA en liquidation en faveur de A.A. et B.A. A.b Le 30 décembre 2010, A.A. et B.A. ont déposé devant le Juge de paix une requête de conciliation à l'encontre de C.B. et D.B. Acte de non-conciliation leur a été délivré le 13 avril 2011. Le 20 janvier 2011, A.A. et B.A. ont déposé devant la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois une demande à l'encontre de E. Ltd. Le BGE 141 III 270 S. 272 5 août 2011, ils ont adressé à celle-ci deux demandes à l'encontre de C.B. et D.B. La jonction de ces trois causes est intervenue par décision du juge instructeur du 10 juin 2013. A.c Le 18 octobre 2013, C.B., D.B. et E. Ltd ont déposé une requête en suspension de cause. Par jugement incident du 5 mars 2014, notifié aux parties le 22 mai 2014, le Juge instructeur de la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois a admis la requête incidente déposée le 18 octobre 2013 par C.B., D.B. et E. Ltd et a suspendu la cause jusqu'à droit connu sur l'instance pénale diligentée par le Procureur de l'arrondissement de La Côte dans la cause X. A.d Le 19 juin 2014, A.A. et B.A. ont interjeté recours contre ce jugement devant la Chambre des recours civile du Tribunal cantonal vaudois, concluant à ce qu'il soit modifié en ce sens que la requête incidente déposée le 18 octobre 2013 par C.B., D.B. et E. Ltd est rejetée. A.e Par arrêt du 31 juillet 2014, notifié aux parties le 7 octobre 2014, la Chambre des recours civile du Tribunal cantonal vaudois a déclaré le recours irrecevable pour cause de tardiveté. B. Par arrêt du 17 juin 2015, le Tribunal fédéral a rejeté, dans la mesure de sa recevabilité, le recours en matière civile interjeté par A.A. et B.A. contre cet arrêt, lesquels concluaient à son annulation et à ce que l'autorité précédente soit invitée à entrer en matière sur leur recours du 19 juin 2014 et à rendre un "jugement" sur recours. (résumé) Erwägungen Extrait des considérants : 3. 3.3 Dans le cas particulier, il convient d'examiner si, conseillés par un avocat, les recourants auraient dû comprendre à la seule lecture de la loi que le délai de recours contre une décision de suspension au sens de l' art. 126 al. 1 CPC était de dix jours en vertu de l' art. 321 al. 2 CPC. Il sera d'emblée relevé que la question de l'application de l' art. 405 al. 1 CPC au jugement incident du 5 mars 2014 ne saurait être discutée dans le cadre du présent recours faute d'épuisement du grief (cf. consid. 2.2 non publié). En effet, alors même que le jugement précité permettait de remettre en cause devant la cour cantonale l'application - prétendument erronée - du CPC à la voie de droit, les BGE 141 III 270 S. 273 recourants n'ont nullement soulevé cette question dans leur recours du 19 juin 2014. Au demeurant, la solution adoptée par les instances cantonales ne prête pas le flanc à la critique (cf. ATF 138 III 41 consid. 1.2.2 et les arrêts cités). Il s'ensuit que seule la question du délai applicable au recours est pertinente pour l'issue du litige. La cour cantonale a, à juste titre, retenu que les décisions de suspension, au sens de l' art. 126 al. 1 CPC, entrent dans la catégorie des ordonnances d'instruction ("prozessleitende Verfügung"; "disposizione ordinatoria processuale") et sont, partant, soumises au délai de recours de dix jours de l' art. 321 al. 2 CPC. Une telle solution résulte incontestablement de la jurisprudence (cf. ATF 138 III 705 consid. 2.1; dans la jurisprudence cantonale, parmi plusieurs: TC VD: arrêt du 9 mars 2012, in JdT 2012 III p. 132 cité par JEAN-LUC COLOMBINI, Condensé de la jurisprudence fédérale et vaudoise relative à l'appel et au recours en matière civile, JdT 2013 III p. 131 ss, 161; TC NE: ARMC.2014.38 du 7 août 2014 consid. 1a; TC JU: CC 20/2013 du 12 avril 2013; TC GR: ZK2 13 14 du 2 décembre 2012 consid. 3a; cf. ég. avant l'entrée en vigueur du CPC: arrêt 5A_276/2010 du 10 août 2010 consid. 2.2 et le commentaire de cet arrêt par MICHEL HEINZMANN, in DC 2010 p. 186). Le critère déterminant est toutefois exclusivement celui du texte légal, contrairement à ce que les juges précédents et les intimés semblent considérer. L'examen de la jurisprudence topique, quand bien même celle-ci serait "abondante" ou "publiée aux ATF, ainsi qu'au Journal des Tribunaux", n'a en effet aucune portée pour juger de la bonne foi du recourant (cf. consid. 3.2 non publié). L' art. 126 CPC se trouve au Chapitre 1 du Titre 9 du CPC relatif à la "conduite du procès " ("Prozessleitung"; "Direzione del processo") qui traite des "décisions d'instruction" ("prozessleitende Verfügungen"; "disposizioni ordinatorie") comme l' art. 124 al. 1 CPC l'indique expressément. Il ne fait donc aucun doute que l'"ordonnance de suspension" ("Sistierung"; "decisione di sospensione") visée par l' art. 126 al. 2 CPC ne peut être autre chose qu'une "ordonnance d'instruction" au sens de l' art. 321 al. 2 CPC. Il en résulte que la confiance que les recourants ont placée dans l'indication erronée du délai de recours donnée par le Juge instructeur de la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois n'a pas à être protégée, comme la cour cantonale l'a correctement constaté. Une lecture systématique de la loi suffisait en effet à déceler l'erreur commise par le premier juge. Il suit de là que le grief, infondé, doit être rejeté.
Urteilskopf
39. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A.A. et B.A. contre C.B. et consorts (recours en matière civile)
5A_878/2014 du 17 juin 2015
Regeste Art. 126 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. 321 Abs. 2 ZPO ; Beschwerdefrist gegen einen Sistierungsentscheid, fehlerhafte Belehrung über die Beschwerdefrist. Die Sistierungsentscheide im Sinne von Art. 126 Abs. 1 ZPO fallen unter die Kategorie der prozessleitenden Verfügungen und unterliegen der zehntägigen Beschwerdefrist von Art. 321 Abs. 2 ZPO. Das Vertrauen des anwaltlich vertretenen Beschwerdeführers in die fehlerhafte Belehrung über die Beschwerdefrist wird nicht geschützt, wenn eine systematische Lektüre des Gesetzes genügte, um den Fehler zu erkennen (E. 3.3).
Regeste
Art. 126 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. 321 Abs. 2 ZPO ; Beschwerdefrist gegen einen Sistierungsentscheid, fehlerhafte Belehrung über die Beschwerdefrist. Die Sistierungsentscheide im Sinne von Art. 126 Abs. 1 ZPO fallen unter die Kategorie der prozessleitenden Verfügungen und unterliegen der zehntägigen Beschwerdefrist von Art. 321 Abs. 2 ZPO. Das Vertrauen des anwaltlich vertretenen Beschwerdeführers in die fehlerhafte Belehrung über die Beschwerdefrist wird nicht geschützt, wenn eine systematische Lektüre des Gesetzes genügte, um den Fehler zu erkennen (E. 3.3).
Art. 126 Abs. 1 ZPO Art. 321 Abs. 2 ZPO Die Sistierungsentscheide im Sinne von Art. 126 Abs. 1 ZPO fallen unter die Kategorie der prozessleitenden Verfügungen und unterliegen der zehntägigen Beschwerdefrist von Art. 321 Abs. 2 ZPO. Das Vertrauen des anwaltlich vertretenen Beschwerdeführers in die fehlerhafte Belehrung über die Beschwerdefrist wird nicht geschützt, wenn eine systematische Lektüre des Gesetzes genügte, um den Fehler zu erkennen (E. 3.3).
Art. 126 Abs. 1 ZPO Art. 321 Abs. 2 ZPO Sachverhalt ab Seite 271
Sachverhalt ab Seite 271 BGE 141 III 270 S. 271
BGE 141 III 270 S. 271
A.
A. A.a Le 18 septembre 2007, le Président du Tribunal d'arrondissement de La Côte a prononcé la faillite de F. SA, avec effet au 1 er octobre 2007. Ce jugement a été confirmé par arrêt de la Cour des poursuites et faillites du Tribunal cantonal vaudois du 31 janvier 2008, la faillite prenant effet à cette date.
A.a A.A. et B.A. ont produit diverses créances dans la faillite, admises à l'état de collocation.
Parmi les actifs de la société faillie, l'administration de la masse a inventorié les droits découlant d'une action révocatoire au sens des art. 285 ss LP dirigée contre C.B. et D.B. et portant sur le remboursement d'un prêt aux actionnaires à hauteur de 380'000 fr., ainsi que sur les droits de l'action en responsabilité selon les art. 752 ss CO à l'encontre de tous les responsables de la société, dont D.B. art. 285 ss LP art. 752 ss CO Le 29 janvier 2010, la masse en faillite de F. SA en liquidation a saisi le Juge de paix du district de Morges (ci-après: Juge de paix) d'une requête de conciliation dirigée contre C.B. et D.B. ainsi que d'une requête de conciliation dirigée contre E. Ltd et portant sur l'action révocatoire précitée.
Par avis du 8 juillet 2010, le Juge de paix a pris acte de la cession des droits de la masse en faillite de F. SA en liquidation en faveur de A.A. et B.A.
A.b Le 30 décembre 2010, A.A. et B.A. ont déposé devant le Juge de paix une requête de conciliation à l'encontre de C.B. et D.B. Acte de non-conciliation leur a été délivré le 13 avril 2011.
A.b Le 20 janvier 2011, A.A. et B.A. ont déposé devant la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois une demande à l'encontre de E. Ltd. Le BGE 141 III 270 S. 272 5 août 2011, ils ont adressé à celle-ci deux demandes à l'encontre de C.B. et D.B. La jonction de ces trois causes est intervenue par décision du juge instructeur du 10 juin 2013.
BGE 141 III 270 S. 272
A.c Le 18 octobre 2013, C.B., D.B. et E. Ltd ont déposé une requête en suspension de cause.
A.c Par jugement incident du 5 mars 2014, notifié aux parties le 22 mai 2014, le Juge instructeur de la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois a admis la requête incidente déposée le 18 octobre 2013 par C.B., D.B. et E. Ltd et a suspendu la cause jusqu'à droit connu sur l'instance pénale diligentée par le Procureur de l'arrondissement de La Côte dans la cause X.
A.d Le 19 juin 2014, A.A. et B.A. ont interjeté recours contre ce jugement devant la Chambre des recours civile du Tribunal cantonal vaudois, concluant à ce qu'il soit modifié en ce sens que la requête incidente déposée le 18 octobre 2013 par C.B., D.B. et E. Ltd est rejetée.
A.d A.e Par arrêt du 31 juillet 2014, notifié aux parties le 7 octobre 2014, la Chambre des recours civile du Tribunal cantonal vaudois a déclaré le recours irrecevable pour cause de tardiveté.
A.e B. Par arrêt du 17 juin 2015, le Tribunal fédéral a rejeté, dans la mesure de sa recevabilité, le recours en matière civile interjeté par A.A. et B.A. contre cet arrêt, lesquels concluaient à son annulation et à ce que l'autorité précédente soit invitée à entrer en matière sur leur recours du 19 juin 2014 et à rendre un "jugement" sur recours.
B. (résumé)
Erwägungen
Erwägungen Extrait des considérants :
3.
3. 3.3 Dans le cas particulier, il convient d'examiner si, conseillés par un avocat, les recourants auraient dû comprendre à la seule lecture de la loi que le délai de recours contre une décision de suspension au sens de l' art. 126 al. 1 CPC était de dix jours en vertu de l' art. 321 al. 2 CPC.
3.3 art. 126 al. 1 CPC art. 321 al. 2 CPC Il sera d'emblée relevé que la question de l'application de l' art. 405 al. 1 CPC au jugement incident du 5 mars 2014 ne saurait être discutée dans le cadre du présent recours faute d'épuisement du grief (cf. consid. 2.2 non publié). En effet, alors même que le jugement précité permettait de remettre en cause devant la cour cantonale l'application - prétendument erronée - du CPC à la voie de droit, les BGE 141 III 270 S. 273 recourants n'ont nullement soulevé cette question dans leur recours du 19 juin 2014. Au demeurant, la solution adoptée par les instances cantonales ne prête pas le flanc à la critique (cf. ATF 138 III 41 consid. 1.2.2 et les arrêts cités). Il s'ensuit que seule la question du délai applicable au recours est pertinente pour l'issue du litige. art. 405 al. 1 CPC BGE 141 III 270 S. 273
La cour cantonale a, à juste titre, retenu que les décisions de suspension, au sens de l' art. 126 al. 1 CPC, entrent dans la catégorie des ordonnances d'instruction ("prozessleitende Verfügung"; "disposizione ordinatoria processuale") et sont, partant, soumises au délai de recours de dix jours de l' art. 321 al. 2 CPC. Une telle solution résulte incontestablement de la jurisprudence (cf. ATF 138 III 705 consid. 2.1; dans la jurisprudence cantonale, parmi plusieurs: TC VD: arrêt du 9 mars 2012, in JdT 2012 III p. 132 cité par JEAN-LUC COLOMBINI, Condensé de la jurisprudence fédérale et vaudoise relative à l'appel et au recours en matière civile, JdT 2013 III p. 131 ss, 161; TC NE: ARMC.2014.38 du 7 août 2014 consid. 1a; TC JU: CC 20/2013 du 12 avril 2013; TC GR: ZK2 13 14 du 2 décembre 2012 consid. 3a; cf. ég. avant l'entrée en vigueur du CPC: arrêt 5A_276/2010 du 10 août 2010 consid. 2.2 et le commentaire de cet arrêt par MICHEL HEINZMANN, in DC 2010 p. 186). Le critère déterminant est toutefois exclusivement celui du texte légal, contrairement à ce que les juges précédents et les intimés semblent considérer. L'examen de la jurisprudence topique, quand bien même celle-ci serait "abondante" ou "publiée aux ATF, ainsi qu'au Journal des Tribunaux", n'a en effet aucune portée pour juger de la bonne foi du recourant (cf. consid. 3.2 non publié). art. 126 al. 1 CPC art. 321 al. 2 CPC L' art. 126 CPC se trouve au Chapitre 1 du Titre 9 du CPC relatif à la "conduite du procès " ("Prozessleitung"; "Direzione del processo") qui traite des "décisions d'instruction" ("prozessleitende Verfügungen"; "disposizioni ordinatorie") comme l' art. 124 al. 1 CPC l'indique expressément. Il ne fait donc aucun doute que l'"ordonnance de suspension" ("Sistierung"; "decisione di sospensione") visée par l' art. 126 al. 2 CPC ne peut être autre chose qu'une "ordonnance d'instruction" au sens de l' art. 321 al. 2 CPC. Il en résulte que la confiance que les recourants ont placée dans l'indication erronée du délai de recours donnée par le Juge instructeur de la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois n'a pas à être protégée, comme la cour cantonale l'a correctement constaté. Une lecture systématique de la loi suffisait en effet à déceler l'erreur commise par le premier juge. Il suit de là que le grief, infondé, doit être rejeté. art. 126 CPC art. 124 al. 1 CPC art. 126 al. 2 CPC art. 321 al. 2 CPC
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Urteilskopf 141 III 274 40. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B. (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_655/2014 vom 20. Mai 2015 Regeste Ernennung eines Schiedsgutachters. Unterschied zwischen einem Schiedsgericht und einem Schiedsgutachter (E. 2.4 und 2.5); Art. 356 ZPO bildet keine gesetzliche Grundlage für die richterliche Ernennung eines Schiedsgutachters (E. 2.5). Sachverhalt ab Seite 274 BGE 141 III 274 S. 274 A. A.a A. (Gesuchsgegner und Beschwerdeführer) und B. (Gesuchsteller und Beschwerdegegner) sind zu je 50 % an der C. AG und D. AG beteiligt. A.b Am 22. März 2005 schlossen die Parteien einen Aktionärsbindungsvertrag betreffend diese Gesellschaften. Darin vereinbarten sie unter anderem, dass die Parteien ab dem Jahr 2010 das Recht haben, den übrigen Aktionären ihre Aktien anzudienen. (...) In Ziffer 7 unter dem Titel "Andienungspflicht - Vorhand- oder Optionsrechte der Mitaktionäre" vereinbarten sie, dass eine Partei, die ihre Aktien ganz oder teilweise veräussern will, diese zunächst der anderen Partei anzubieten hat, die zur Übernahme der Aktien im Verhältnis zu ihrem bisherigen Aktienbesitz berechtigt ist (Ziffer 7.1). Ziffer 7.2 lautet wie folgt: "Die verkaufswillige und die kaufsberechtigte Partei verhandeln gemeinsam über den Verkaufspreis des angebotenen Aktienpaketes. Eine Einigung kommt nur zustande, wenn die Zustimmung aller Parteien dieses Vertrages vorliegt. Können sich die verkaufswilligen und die anderen Parteien innert zweier Monate ab Mitteilung der Verkaufsabsicht im Sinne von Ziffer 7.1 nicht über den Übernahmepreis einigen, kann die verkaufswillige Partei innert BGE 141 III 274 S. 275 eines weiteren Monats eine fachmännische Bewertung des inneren Wertes der Aktien durch eine unabhängige Treuhandstelle, welche Mitglied in einem anerkannten Berufsverband sein muss, verlangen. Können sich die Parteien über die Bestellung des Schiedsgutachters nicht einigen, erfolgt dessen Ernennung analog zu Art. 12 des Schweizerischen Konkordats über die Schiedsgerichtsbarkeit durch den Richter (...)." A.c Der Gesuchsteller diente dem Gesuchsgegner seine sämtlichen Aktien der beiden Gesellschaften an und legte ihm einen Bewertungsbericht der E. AG vor. Der Gesuchsgegner war mit der Übernahme der Aktien einverstanden, nicht aber mit deren Bewertung. (...) Die Parteien konnten sich darüber nicht einigen. B. Am 21. Oktober 2013 gelangte der Gesuchsteller an den Präsidenten des Obergerichts des Kantons Thurgau mit folgendem Begehren: "1. Es sei im Sinne von Ziffer 7.2 i.V.m. Ziffer 10.1 des Aktionärsbindungsvertrages vom 22. März 2005 eine unabhängige Treuhandstelle zu bestimmen, welche den inneren Wert der Aktien der D. AG und der C. AG per 30. September 2013 fachmännisch bewertet. 2. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Gesuchsgegners." Der Präsident des Obergerichts des Kantons Thurgau verfügte am 30. September 2014 was folgt: "1. Das Gesuch wird geschützt. 2. a) Im Sinn von Ziff. 7.2 des Aktionärbindungsvertrags der Parteien vom 22. März 2005 wird die Gesellschaft F. als Schiedsgutachterin bestimmt, welche den inneren Wert der Aktien der D. AG und der C. AG per 31. Dezember 2013 fachmännisch zu bewerten hat. (...)" C. Mit Beschwerde in Zivilsachen und eventualiter mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde beantragt der Gesuchsgegner dem Bundesgericht, der angefochtene Entscheid sei in dem Sinne abzuändern, dass auf das Gesuch vom 21. Oktober 2013 nicht eingetreten werde, eventualiter sei dieses Gesuch abzuweisen, subeventualiter sei das Gesuch in dem Sinne teilweise gutzuheissen, dass die Bewertung unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Kündigungen durch die G. AG und H. AG sowie der Einbrüche an Transportaufträgen seitens der I. AG, der J. AG und der K. SA im Sinne einer zukunftsgerichteten Bewertungsmethode zu erfolgen habe, subsubeventualiter seien die Verfahrenskosten hälftig zu teilen und subsubsubeventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. BGE 141 III 274 S. 276 Der Beschwerdegegner beantragt in seiner Vernehmlassung die Abweisung der Beschwerde, soweit Eintreten. (...) Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. (Auszug) Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Der Obergerichtspräsident hat das Gesuch des Beschwerdegegners um Einsetzung eines Schiedsgutachters gestützt auf Art. 356 Abs. 2 ZPO beurteilt bzw. seine Zuständigkeit aufgrund von Ziffer 7.2 des Aktionärsbindungsvertrages der Parteien bejaht. Der Beschwerdeführer bestreitet die sachliche Zuständigkeit des Obergerichtspräsidenten und beantragt primär sinngemäss die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die Feststellung, dass die Vorinstanz sachlich unzuständig sei und deshalb auf das Gesuch nicht hätte eintreten dürfen. 2.1 Der Beschwerdegegner strebt mit seinem Gesuch die Durchsetzung seines vertraglichen Anspruchs gemäss Ziffer 7.2 des Aktionärsbindungsvertrages an, wonach er eine fachmännische Bewertung des inneren Werts der Aktien durch eine unabhängige Treuhandstelle verlangen kann und dessen "Ernennung analog zu Art. 12 des Schweizerischen Konkordats über die Schiedsgerichtsbarkeit durch den Richter" erfolgt, sofern sich die Parteien über die Bestellung des Schiedsgutachters nicht einigen. Die Vorinstanz ist im angefochtenen Entscheid zutreffend davon ausgegangen, dass die Parteien in Ziffer 7.2 des Aktionärsbindungsvertrags ein Schiedsgutachten im Sinne von Art. 189 ZPO für den Fall vereinbart haben, dass sie sich über den Preis der Aktien nicht einigen können. Denn als Schiedsgutachtervertrag wird eine Vereinbarung bezeichnet, mit der ein Dritter beauftragt wird, für die Parteien eines Rechtsverhältnisses verbindlich bestimmte tatsächliche Feststellungen zu treffen oder bestimmte Rechtsfragen zu beantworten ( BGE 129 III 535 E. 2 S. 537; BGE 117 Ia 365 E. 5 und 6). Es wird im Übrigen von keiner Partei in Frage gestellt, dass die Form nach Art. 189 Abs. 2 ZPO eingehalten ist. 2.2 Die Parteien haben eine vertragliche Regelung für den Fall getroffen, dass sie sich über die Ernennung des Schiedsgutachters nicht einigen können. Sie haben vereinbart, dass "der Richter [...] analog zu Art. 12 des Schweizerischen Konkordats über die Schiedsgerichtsbarkeit" die Ernennung vornehmen solle. Art. 12 des im Zeitpunkt des Abschlusses des Aktionärsbindungsvertrags geltenden Konkordats vom 27. März 1969 über die BGE 141 III 274 S. 277 Schiedsgerichtsbarkeit (KSG; AS 1969 1093; mit Inkrafttreten der ZPO aufgehoben) bestimmte unter dem Marginale "Ernennung durch die richterliche Behörde": "Können die Parteien sich über die Bestellung des Einzelschiedsrichters nicht einigen oder bestellt eine Partei den oder die von ihr zu bezeichnenden Schiedsrichter nicht, oder einigen die Schiedsrichter sich nicht über die Wahl des Obmanns, so nimmt auf Antrag einer Partei die in Artikel 3 vorgesehene richterliche Behörde die Ernennung vor, sofern nicht die Schiedsabrede eine andere Stelle hierfür vorsieht." Art. 3 KSG unter dem Marginale "Zuständige richterliche Behörde am Sitz des Schiedsgerichtes" sah namentlich in lit. a vor, dass das obere ordentliche Zivilgericht des Kantons, in dem sich der Sitz des Schiedsgerichts befindet, die zuständige richterliche Behörde sei, welche die Schiedsrichter ernennt, wenn diese nicht von den Parteien oder einer von ihnen beauftragten Stelle bezeichnet worden sind. Die Vorinstanz hat diese vertragliche Vereinbarung im Ergebnis vertrauenstheoretisch zutreffend ausgelegt, wenn sie schloss, die Parteien hätten damit zur Bestellung des Schiedsgutachters das obere kantonale Gericht des Kantons Thurgau bestimmt. Denn die Behörde, die mit dem vertraglichen Verweis bezeichnet wird, ist nach Treu und Glauben ohne weiteres bestimmbar. Der Beschwerde ist keine Begründung zu entnehmen, weshalb die Parteien mit dem Verweis auf das für die Ernennung von Schiedsrichtern zuständige staatliche Gericht nicht sinngemäss das obere kantonale Gericht des Kantons zur Ernennung des Schiedsgutachters bestimmt haben sollten, dessen Gerichte sie in Ziffer 16.5 als Gerichtsstand bestimmten. Denn welche Bedeutung die Parteien dem Verweis auf Art. 12 und 3 KSG zugemessen haben sollten, wenn sie damit nicht die entsprechende Behörde für die Ernennung des Schiedsgutachters bezeichnen wollten, ist weder dargetan noch ersichtlich. Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Parteien in Ziffer 7.2 des Aktionärsbindungsvertrags das obere staatliche Gericht des Kantons Thurgau für die Ernennung eines Schiedsgutachters zuständig erklärt haben. 2.3 Der Beschwerdeführer bringt indessen zu Recht vor, dass die Parteien die sachliche Zuständigkeit der staatlichen Gerichte weder bestimmen noch abändern können, sofern das für die Gerichtsorganisation massgebende kantonale Recht ( Art. 3 und 4 ZPO ) diese Möglichkeit - im Rahmen der bundesrechtlich umschriebenen BGE 141 III 274 S. 278 Grenzen - nicht ausdrücklich einräumt ( BGE 138 III 471 E. 3.1 S. 477; Urteil 4A_488/2014 vom 20. Februar 2015 E. 3.2). Den Erwägungen des angefochtenen Entscheids ist jedoch nicht zu entnehmen, dass das hier massgebende Recht des Kantons Thurgau den Parteien eine entsprechende Wahlmöglichkeit einräumen würde. Die Vorinstanz hat vielmehr ausschliesslich gestützt auf bundesrechtliche Normen ihre Zuständigkeit bejaht und in dieser Hinsicht namentlich angenommen, ihre Zuständigkeit lasse sich auf die - analog anwendbare - Norm von Art. 356 Abs. 2 lit. a ZPO bzw. die entsprechende Norm des KSG stützen. Es ist daher zu prüfen, ob diese bundesrechtliche Norm die sachliche Zuständigkeit zur Ernennung von Schiedsgutachtern begründet. 2.4 Das Schiedsgutachten gemäss Art. 189 ZPO ist gesetzessystematisch bei den Beweismitteln ( Art. 168 ff. ZPO ) aufgeführt. Von den Gutachten sachverständiger Personen ( Art. 183-188 ZPO ) unterscheidet sich das Schiedsgutachten dadurch, dass die vom Gutachter für das Bestehen oder Fehlen bestimmter Tatsachen gezogenen Schlüsse unter den Voraussetzungen von Art. 189 Abs. 3 ZPO für das Gericht verbindlich sind. Während die Beweiswürdigung im Allgemeinen dem Gericht obliegt und Art. 157 ZPO ausdrücklich vorschreibt, dass das Gericht sich seine Überzeugung nach freier Würdigung der Beweise zu bilden hat, ist das Gericht an die vom Schiedsgutachter getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, soweit die Parteien die Feststellung einer bestimmten streitigen Tatsache und damit auch die Würdigung der zur Feststellung dieser Tatsache erheblichen Tatsachen einem Schiedsgutachter übertragen haben ( Art. 189 Abs. 3 ZPO ). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann daher die Einholung eines Schiedsgutachtens der vorsorglichen Beweisführung im Sinne von Art. 158 ZPO nicht gleichgestellt werden. Denn abgesehen davon, dass das staatliche Gericht - und nicht ein privater Schiedsgutachter - nach Art. 158 ZPO die beantragten Beweise abnimmt, umfasst die vorsorgliche Beweisführung im Unterschied zum Schiedsgutachten die Würdigung der abgenommenen Beweise gerade nicht (Urteil 4A_342/2014 von 17. Oktober 2014 E. 5.2). Verbindliche Tatsachenfeststellung nach Art. 189 ZPO setzt demgegenüber Beweiswürdigung durch den Schiedsgutachter voraus und entzieht diese insoweit dem staatlichen Gericht. 2.5 Die ZPO regelt im 3. Teil über die interne Schiedsgerichtsbarkeit die Verfahren vor Schiedsgerichten in der Schweiz, sofern nicht BGE 141 III 274 S. 279 die Bestimmungen des zwölften Kapitels des IPRG anwendbar sind ( Art. 353 Abs. 1 ZPO ). Ein Schiedsgericht kann für die Entscheidung einer bestimmten Streitigkeit eingesetzt werden (vgl. Art. 357 ZPO ); mit einem Schiedsurteil wird verbindlich über streitige Ansprüche der Parteien entschieden, während ein Schiedsgutachten nach dem klaren Wortlaut von Art. 189 Abs. 1 ZPO die Feststellung "streitiger Tatsachen" zum Gegenstand hat. Die systematische Einordnung im Rahmen der Beweismittel zeigt denn auch, dass es beim Schiedsgutachten vorab um Tatsachenfeststellung geht. Die Ernennung der Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter, die gemäss Art. 356 Abs. 2 ZPO der vom kantonalen Recht bestimmten zuständigen Behörde übertragen ist, kann insofern der Ernennung eines Schiedsgutachters nicht gleichgestellt werden. Die Parteien können im Rahmen privatautonomer Vereinbarung gemäss Art. 189 ZPO eine Person bestimmen, die sie mit der Ernennung des Schiedsgutachters für den Fall betrauen wollen, dass sie sich darauf nicht zu einigen vermögen. Aber wenn sie diese Person aufgrund ihrer Funktion bestimmen (z.B. den jeweiligen kantonalen Obergerichtspräsidenten), so bestimmen sie damit nicht die staatliche Justizbehörde, sondern eine Privatperson, die als solche - sofern sie dazu in der Lage und damit einverstanden ist - im privaten Auftragsverhältnis handelt. Die Intervention des staatlichen Gerichts gemäss Art. 356 ZPO ist auf die Tätigkeit im Rahmen der Schiedsgerichtsbarkeit beschränkt und umfasst die Ernennung von Gutachtern zur Feststellung von Tatsachen auch dann nicht, wenn die Parteien eine Vereinbarung zur Einholung eines Schiedsgutachtens getroffen haben. 2.6 Die sachliche Zuständigkeit der Vorinstanz als staatliche Gerichtsbehörde lässt sich folglich nicht auf Art. 356 ZPO stützen (so auch ANNETTE DOLGE, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 37 zu Art. 189 ZPO ["Art. 356 ist nicht anwendbar"]). Vielmehr gelten - wie der Beschwerdeführer zutreffend vorbringt - die allgemeinen Vorschriften zur sachlichen Zuständigkeit, wie sie im kantonalen Recht im Rahmen der Art. 3 und 4 ZPO festgelegt sind. Danach ist davon auszugehen, dass der Beschwerdegegner einen streitigen Anspruch über die Ernennung eines Schiedsgutachters gegen den Beschwerdeführer durchzusetzen sucht, wobei er sich auf eine privatautonome Vereinbarung gestützt auf Art. 189 ZPO beruft (vgl. auch BERNHARD BERGER, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. II, 2012, N. 9 zu Art. 189 ZPO ). Dafür sieht die ZPO weder eine einzige BGE 141 III 274 S. 280 kantonale Instanz vor, noch schreibt sie ausdrücklich ein bestimmtes Verfahren vor (vgl. auch THOMAS WEIBEL, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 8b zu Art. 189 ZPO ; HEINRICH ANDREAS MÜLLER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kommentar, Brunner und andere [Hrsg.], 2011, N. 27 und 45 zu Art. 189 ZPO ). Insbesondere ist die Ernennung eines Schiedsgutachters - im Unterschied etwa zur Bezeichnung einer sachverständigen Person zur Prüfung eines Werks ( Art. 250 lit. b Ziff. 4 ZPO ) - nicht ausdrücklich in das summarische Verfahren verwiesen. Immerhin gilt das summarische Verfahren für den Rechtsschutz in klaren Fällen (Art. 248 lit. b i.V.m. Art. 257 ZPO ). Wie es sich damit verhält, kann letztlich offenbleiben. Der Obergerichtspräsident hat seine Zuständigkeit in sinngemässer Anwendung von Art. 356 ZPO jedenfalls zu Unrecht bejaht.
Urteilskopf
40. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B. (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_655/2014 vom 20. Mai 2015
Regeste Ernennung eines Schiedsgutachters. Unterschied zwischen einem Schiedsgericht und einem Schiedsgutachter (E. 2.4 und 2.5); Art. 356 ZPO bildet keine gesetzliche Grundlage für die richterliche Ernennung eines Schiedsgutachters (E. 2.5).
Regeste
Ernennung eines Schiedsgutachters. Unterschied zwischen einem Schiedsgericht und einem Schiedsgutachter (E. 2.4 und 2.5); Art. 356 ZPO bildet keine gesetzliche Grundlage für die richterliche Ernennung eines Schiedsgutachters (E. 2.5).
Unterschied zwischen einem Schiedsgericht und einem Schiedsgutachter (E. 2.4 und 2.5); Art. 356 ZPO bildet keine gesetzliche Grundlage für die richterliche Ernennung eines Schiedsgutachters (E. 2.5).
Art. 356 ZPO Sachverhalt ab Seite 274
Sachverhalt ab Seite 274 BGE 141 III 274 S. 274
BGE 141 III 274 S. 274
A.
A. A.a A. (Gesuchsgegner und Beschwerdeführer) und B. (Gesuchsteller und Beschwerdegegner) sind zu je 50 % an der C. AG und D. AG beteiligt.
A.a A.b Am 22. März 2005 schlossen die Parteien einen Aktionärsbindungsvertrag betreffend diese Gesellschaften. Darin vereinbarten sie unter anderem, dass die Parteien ab dem Jahr 2010 das Recht haben, den übrigen Aktionären ihre Aktien anzudienen. (...) In Ziffer 7 unter dem Titel "Andienungspflicht - Vorhand- oder Optionsrechte der Mitaktionäre" vereinbarten sie, dass eine Partei, die ihre Aktien ganz oder teilweise veräussern will, diese zunächst der anderen Partei anzubieten hat, die zur Übernahme der Aktien im Verhältnis zu ihrem bisherigen Aktienbesitz berechtigt ist (Ziffer 7.1).
A.b Ziffer 7.2 lautet wie folgt:
"Die verkaufswillige und die kaufsberechtigte Partei verhandeln gemeinsam über den Verkaufspreis des angebotenen Aktienpaketes. Eine Einigung kommt nur zustande, wenn die Zustimmung aller Parteien dieses Vertrages vorliegt.
Können sich die verkaufswilligen und die anderen Parteien innert zweier Monate ab Mitteilung der Verkaufsabsicht im Sinne von Ziffer 7.1 nicht über den Übernahmepreis einigen, kann die verkaufswillige Partei innert BGE 141 III 274 S. 275 eines weiteren Monats eine fachmännische Bewertung des inneren Wertes der Aktien durch eine unabhängige Treuhandstelle, welche Mitglied in einem anerkannten Berufsverband sein muss, verlangen. Können sich die Parteien über die Bestellung des Schiedsgutachters nicht einigen, erfolgt dessen Ernennung analog zu Art. 12 des Schweizerischen Konkordats über die Schiedsgerichtsbarkeit durch den Richter (...)."
BGE 141 III 274 S. 275
A.c Der Gesuchsteller diente dem Gesuchsgegner seine sämtlichen Aktien der beiden Gesellschaften an und legte ihm einen Bewertungsbericht der E. AG vor. Der Gesuchsgegner war mit der Übernahme der Aktien einverstanden, nicht aber mit deren Bewertung. (...) Die Parteien konnten sich darüber nicht einigen.
A.c B. Am 21. Oktober 2013 gelangte der Gesuchsteller an den Präsidenten des Obergerichts des Kantons Thurgau mit folgendem Begehren:
B. "1. Es sei im Sinne von Ziffer 7.2 i.V.m. Ziffer 10.1 des Aktionärsbindungsvertrages vom 22. März 2005 eine unabhängige Treuhandstelle zu bestimmen, welche den inneren Wert der Aktien der D. AG und der C. AG per 30. September 2013 fachmännisch bewertet.
2. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Gesuchsgegners."
Der Präsident des Obergerichts des Kantons Thurgau verfügte am 30. September 2014 was folgt:
"1. Das Gesuch wird geschützt.
2. a) Im Sinn von Ziff. 7.2 des Aktionärbindungsvertrags der Parteien vom 22. März 2005 wird die Gesellschaft F. als Schiedsgutachterin bestimmt, welche den inneren Wert der Aktien der D. AG und der C. AG per 31. Dezember 2013 fachmännisch zu bewerten hat. (...)"
C. Mit Beschwerde in Zivilsachen und eventualiter mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde beantragt der Gesuchsgegner dem Bundesgericht, der angefochtene Entscheid sei in dem Sinne abzuändern, dass auf das Gesuch vom 21. Oktober 2013 nicht eingetreten werde, eventualiter sei dieses Gesuch abzuweisen, subeventualiter sei das Gesuch in dem Sinne teilweise gutzuheissen, dass die Bewertung unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Kündigungen durch die G. AG und H. AG sowie der Einbrüche an Transportaufträgen seitens der I. AG, der J. AG und der K. SA im Sinne einer zukunftsgerichteten Bewertungsmethode zu erfolgen habe, subsubeventualiter seien die Verfahrenskosten hälftig zu teilen und subsubsubeventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. BGE 141 III 274 S. 276
C. BGE 141 III 274 S. 276
Der Beschwerdegegner beantragt in seiner Vernehmlassung die Abweisung der Beschwerde, soweit Eintreten. (...)
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
(Auszug)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
2. Der Obergerichtspräsident hat das Gesuch des Beschwerdegegners um Einsetzung eines Schiedsgutachters gestützt auf Art. 356 Abs. 2 ZPO beurteilt bzw. seine Zuständigkeit aufgrund von Ziffer 7.2 des Aktionärsbindungsvertrages der Parteien bejaht. Der Beschwerdeführer bestreitet die sachliche Zuständigkeit des Obergerichtspräsidenten und beantragt primär sinngemäss die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die Feststellung, dass die Vorinstanz sachlich unzuständig sei und deshalb auf das Gesuch nicht hätte eintreten dürfen.
2. Art. 356 Abs. 2 ZPO 2.1 Der Beschwerdegegner strebt mit seinem Gesuch die Durchsetzung seines vertraglichen Anspruchs gemäss Ziffer 7.2 des Aktionärsbindungsvertrages an, wonach er eine fachmännische Bewertung des inneren Werts der Aktien durch eine unabhängige Treuhandstelle verlangen kann und dessen "Ernennung analog zu Art. 12 des Schweizerischen Konkordats über die Schiedsgerichtsbarkeit durch den Richter" erfolgt, sofern sich die Parteien über die Bestellung des Schiedsgutachters nicht einigen. Die Vorinstanz ist im angefochtenen Entscheid zutreffend davon ausgegangen, dass die Parteien in Ziffer 7.2 des Aktionärsbindungsvertrags ein Schiedsgutachten im Sinne von Art. 189 ZPO für den Fall vereinbart haben, dass sie sich über den Preis der Aktien nicht einigen können. Denn als Schiedsgutachtervertrag wird eine Vereinbarung bezeichnet, mit der ein Dritter beauftragt wird, für die Parteien eines Rechtsverhältnisses verbindlich bestimmte tatsächliche Feststellungen zu treffen oder bestimmte Rechtsfragen zu beantworten ( BGE 129 III 535 E. 2 S. 537; BGE 117 Ia 365 E. 5 und 6). Es wird im Übrigen von keiner Partei in Frage gestellt, dass die Form nach Art. 189 Abs. 2 ZPO eingehalten ist.
2.1 Art. 189 ZPO Art. 189 Abs. 2 ZPO 2.2 Die Parteien haben eine vertragliche Regelung für den Fall getroffen, dass sie sich über die Ernennung des Schiedsgutachters nicht einigen können. Sie haben vereinbart, dass "der Richter [...] analog zu Art. 12 des Schweizerischen Konkordats über die Schiedsgerichtsbarkeit" die Ernennung vornehmen solle.
2.2 Art. 12 des im Zeitpunkt des Abschlusses des Aktionärsbindungsvertrags geltenden Konkordats vom 27. März 1969 über die BGE 141 III 274 S. 277 Schiedsgerichtsbarkeit (KSG; AS 1969 1093; mit Inkrafttreten der ZPO aufgehoben) bestimmte unter dem Marginale "Ernennung durch die richterliche Behörde":
BGE 141 III 274 S. 277
"Können die Parteien sich über die Bestellung des Einzelschiedsrichters nicht einigen oder bestellt eine Partei den oder die von ihr zu bezeichnenden Schiedsrichter nicht, oder einigen die Schiedsrichter sich nicht über die Wahl des Obmanns, so nimmt auf Antrag einer Partei die in Artikel 3 vorgesehene richterliche Behörde die Ernennung vor, sofern nicht die Schiedsabrede eine andere Stelle hierfür vorsieht."
Art. 3 KSG unter dem Marginale "Zuständige richterliche Behörde am Sitz des Schiedsgerichtes" sah namentlich in lit. a vor, dass das obere ordentliche Zivilgericht des Kantons, in dem sich der Sitz des Schiedsgerichts befindet, die zuständige richterliche Behörde sei, welche die Schiedsrichter ernennt, wenn diese nicht von den Parteien oder einer von ihnen beauftragten Stelle bezeichnet worden sind.
Art. 3 KSG Die Vorinstanz hat diese vertragliche Vereinbarung im Ergebnis vertrauenstheoretisch zutreffend ausgelegt, wenn sie schloss, die Parteien hätten damit zur Bestellung des Schiedsgutachters das obere kantonale Gericht des Kantons Thurgau bestimmt. Denn die Behörde, die mit dem vertraglichen Verweis bezeichnet wird, ist nach Treu und Glauben ohne weiteres bestimmbar. Der Beschwerde ist keine Begründung zu entnehmen, weshalb die Parteien mit dem Verweis auf das für die Ernennung von Schiedsrichtern zuständige staatliche Gericht nicht sinngemäss das obere kantonale Gericht des Kantons zur Ernennung des Schiedsgutachters bestimmt haben sollten, dessen Gerichte sie in Ziffer 16.5 als Gerichtsstand bestimmten. Denn welche Bedeutung die Parteien dem Verweis auf Art. 12 und 3 KSG zugemessen haben sollten, wenn sie damit nicht die entsprechende Behörde für die Ernennung des Schiedsgutachters bezeichnen wollten, ist weder dargetan noch ersichtlich.
Art. 12 und 3 KSG Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Parteien in Ziffer 7.2 des Aktionärsbindungsvertrags das obere staatliche Gericht des Kantons Thurgau für die Ernennung eines Schiedsgutachters zuständig erklärt haben.
2.3 Der Beschwerdeführer bringt indessen zu Recht vor, dass die Parteien die sachliche Zuständigkeit der staatlichen Gerichte weder bestimmen noch abändern können, sofern das für die Gerichtsorganisation massgebende kantonale Recht ( Art. 3 und 4 ZPO ) diese Möglichkeit - im Rahmen der bundesrechtlich umschriebenen BGE 141 III 274 S. 278 Grenzen - nicht ausdrücklich einräumt ( BGE 138 III 471 E. 3.1 S. 477; Urteil 4A_488/2014 vom 20. Februar 2015 E. 3.2). Den Erwägungen des angefochtenen Entscheids ist jedoch nicht zu entnehmen, dass das hier massgebende Recht des Kantons Thurgau den Parteien eine entsprechende Wahlmöglichkeit einräumen würde. Die Vorinstanz hat vielmehr ausschliesslich gestützt auf bundesrechtliche Normen ihre Zuständigkeit bejaht und in dieser Hinsicht namentlich angenommen, ihre Zuständigkeit lasse sich auf die - analog anwendbare - Norm von Art. 356 Abs. 2 lit. a ZPO bzw. die entsprechende Norm des KSG stützen. Es ist daher zu prüfen, ob diese bundesrechtliche Norm die sachliche Zuständigkeit zur Ernennung von Schiedsgutachtern begründet.
2.3 Art. 3 und 4 ZPO BGE 141 III 274 S. 278
Art. 356 Abs. 2 lit. a ZPO 2.4 Das Schiedsgutachten gemäss Art. 189 ZPO ist gesetzessystematisch bei den Beweismitteln ( Art. 168 ff. ZPO ) aufgeführt. Von den Gutachten sachverständiger Personen ( Art. 183-188 ZPO ) unterscheidet sich das Schiedsgutachten dadurch, dass die vom Gutachter für das Bestehen oder Fehlen bestimmter Tatsachen gezogenen Schlüsse unter den Voraussetzungen von Art. 189 Abs. 3 ZPO für das Gericht verbindlich sind. Während die Beweiswürdigung im Allgemeinen dem Gericht obliegt und Art. 157 ZPO ausdrücklich vorschreibt, dass das Gericht sich seine Überzeugung nach freier Würdigung der Beweise zu bilden hat, ist das Gericht an die vom Schiedsgutachter getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, soweit die Parteien die Feststellung einer bestimmten streitigen Tatsache und damit auch die Würdigung der zur Feststellung dieser Tatsache erheblichen Tatsachen einem Schiedsgutachter übertragen haben ( Art. 189 Abs. 3 ZPO ).
2.4 Art. 189 ZPO Art. 168 ff. ZPO Art. 183-188 ZPO Art. 189 Abs. 3 ZPO Art. 157 ZPO Art. 189 Abs. 3 ZPO Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann daher die Einholung eines Schiedsgutachtens der vorsorglichen Beweisführung im Sinne von Art. 158 ZPO nicht gleichgestellt werden. Denn abgesehen davon, dass das staatliche Gericht - und nicht ein privater Schiedsgutachter - nach Art. 158 ZPO die beantragten Beweise abnimmt, umfasst die vorsorgliche Beweisführung im Unterschied zum Schiedsgutachten die Würdigung der abgenommenen Beweise gerade nicht (Urteil 4A_342/2014 von 17. Oktober 2014 E. 5.2). Verbindliche Tatsachenfeststellung nach Art. 189 ZPO setzt demgegenüber Beweiswürdigung durch den Schiedsgutachter voraus und entzieht diese insoweit dem staatlichen Gericht.
Art. 158 ZPO Art. 158 ZPO Art. 189 ZPO 2.5 Die ZPO regelt im 3. Teil über die interne Schiedsgerichtsbarkeit die Verfahren vor Schiedsgerichten in der Schweiz, sofern nicht BGE 141 III 274 S. 279 die Bestimmungen des zwölften Kapitels des IPRG anwendbar sind ( Art. 353 Abs. 1 ZPO ). Ein Schiedsgericht kann für die Entscheidung einer bestimmten Streitigkeit eingesetzt werden (vgl. Art. 357 ZPO ); mit einem Schiedsurteil wird verbindlich über streitige Ansprüche der Parteien entschieden, während ein Schiedsgutachten nach dem klaren Wortlaut von Art. 189 Abs. 1 ZPO die Feststellung "streitiger Tatsachen" zum Gegenstand hat. Die systematische Einordnung im Rahmen der Beweismittel zeigt denn auch, dass es beim Schiedsgutachten vorab um Tatsachenfeststellung geht. Die Ernennung der Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter, die gemäss Art. 356 Abs. 2 ZPO der vom kantonalen Recht bestimmten zuständigen Behörde übertragen ist, kann insofern der Ernennung eines Schiedsgutachters nicht gleichgestellt werden. Die Parteien können im Rahmen privatautonomer Vereinbarung gemäss Art. 189 ZPO eine Person bestimmen, die sie mit der Ernennung des Schiedsgutachters für den Fall betrauen wollen, dass sie sich darauf nicht zu einigen vermögen. Aber wenn sie diese Person aufgrund ihrer Funktion bestimmen (z.B. den jeweiligen kantonalen Obergerichtspräsidenten), so bestimmen sie damit nicht die staatliche Justizbehörde, sondern eine Privatperson, die als solche - sofern sie dazu in der Lage und damit einverstanden ist - im privaten Auftragsverhältnis handelt. Die Intervention des staatlichen Gerichts gemäss Art. 356 ZPO ist auf die Tätigkeit im Rahmen der Schiedsgerichtsbarkeit beschränkt und umfasst die Ernennung von Gutachtern zur Feststellung von Tatsachen auch dann nicht, wenn die Parteien eine Vereinbarung zur Einholung eines Schiedsgutachtens getroffen haben.
2.5 BGE 141 III 274 S. 279
Art. 353 Abs. 1 ZPO Art. 357 ZPO Art. 189 Abs. 1 ZPO Art. 356 Abs. 2 ZPO Art. 189 ZPO Art. 356 ZPO 2.6 Die sachliche Zuständigkeit der Vorinstanz als staatliche Gerichtsbehörde lässt sich folglich nicht auf Art. 356 ZPO stützen (so auch ANNETTE DOLGE, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 37 zu Art. 189 ZPO ["Art. 356 ist nicht anwendbar"]). Vielmehr gelten - wie der Beschwerdeführer zutreffend vorbringt - die allgemeinen Vorschriften zur sachlichen Zuständigkeit, wie sie im kantonalen Recht im Rahmen der Art. 3 und 4 ZPO festgelegt sind. Danach ist davon auszugehen, dass der Beschwerdegegner einen streitigen Anspruch über die Ernennung eines Schiedsgutachters gegen den Beschwerdeführer durchzusetzen sucht, wobei er sich auf eine privatautonome Vereinbarung gestützt auf Art. 189 ZPO beruft (vgl. auch BERNHARD BERGER, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. II, 2012, N. 9 zu Art. 189 ZPO ). Dafür sieht die ZPO weder eine einzige BGE 141 III 274 S. 280 kantonale Instanz vor, noch schreibt sie ausdrücklich ein bestimmtes Verfahren vor (vgl. auch THOMAS WEIBEL, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 8b zu Art. 189 ZPO ; HEINRICH ANDREAS MÜLLER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kommentar, Brunner und andere [Hrsg.], 2011, N. 27 und 45 zu Art. 189 ZPO ). Insbesondere ist die Ernennung eines Schiedsgutachters - im Unterschied etwa zur Bezeichnung einer sachverständigen Person zur Prüfung eines Werks ( Art. 250 lit. b Ziff. 4 ZPO ) - nicht ausdrücklich in das summarische Verfahren verwiesen. Immerhin gilt das summarische Verfahren für den Rechtsschutz in klaren Fällen (Art. 248 lit. b i.V.m. Art. 257 ZPO ). Wie es sich damit verhält, kann letztlich offenbleiben. Der Obergerichtspräsident hat seine Zuständigkeit in sinngemässer Anwendung von Art. 356 ZPO jedenfalls zu Unrecht bejaht.
2.6 Art. 356 ZPO Art. 189 ZPO Art. 3 und 4 ZPO Art. 189 ZPO Art. 189 ZPO BGE 141 III 274 S. 280
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Urteilskopf 141 III 281 41. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen Konkursmasse B. AG in Liquidation (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_552/2014 vom 22. Mai 2015 Regeste Art. 8a SchKG, Art. 160 ZPO ; Recht des Nichtgläubigers auf Einsicht in die Konkursakten. Der Umstand, dass die Konkursmasse einen Zivilprozess gegen einen Nichtgläubiger erhoben hat, vermag das für die Akteneinsicht gemäss Art. 8a SchKG erforderliche Interesse nicht zu begründen (E. 3). Sachverhalt ab Seite 281 BGE 141 III 281 S. 281 A. A.a Die A. AG ist die Revisionsstelle der B. AG. Am 29. April 2002 wurde über die B. AG der Konkurs eröffnet, und es wurde eine ausseramtliche (a.a.) Konkursverwaltung eingesetzt. Am 2. Oktober 2013 erhob die Konkursmasse B. AG in Liquidation gegen die A. AG Klage beim Handelsgericht des Kantons Zürich wegen Verantwortlichkeit (Revisionshaftung) im Umfang von rund 11 Mio. Fr. (mit Nachklagevorbehalt im Umfang von 114 Mio. Fr.). Wegen dieses Prozesses gelangte die A. AG am 28. November/3. Dezember 2013 an die Konkursmasse und verlangte Einsicht in die Konkursakten. Mit Verfügung vom 19. Dezember 2013 wies der a.a. Konkursverwalter das Gesuch um Einsicht ab. BGE 141 III 281 S. 282 A.b Gegen die Verfügung des a.a. Konkursverwalters gelangte die A. AG an das Bezirksgericht Bülach als untere Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen mit dem Antrag um Einsicht in die Konkursakten (Konkursprotokoll, Eingabeverzeichnis mit allen Eingaben, Kollokationsplan einschliesslich Neuauflage mit Nachträgen, Kollokationsverfügungen, Kollokations[quer]klagen und Erledigungen, Inventar mit Nachträgen, Hilfspersonenbericht und damaliger Vermögensstatus, Protokoll der Gläubigerversammlungen mit Beilagen, Gläubigerzirkulare mit Beilagen, Rechenschaftsberichte an das Konkursgericht, [Abschlags-]Verteilungslisten, spezielle Verfügungen und Details 1., 2. und 3. Klasse als Anhänge zu den Verteilungslisten, Unterlagen im Zusammenhang mit dem Abschluss des Vergleichs mit C. plc). A.c Mit Beschluss vom 12. Februar 2014 hiess die untere Aufsichtsbehörde die Beschwerde gut. Der a.a. Konkursverwalter wurde angewiesen, der Gesuchstellerin antragsgemäss Einsicht in die Konkursakten zu gewähren, unter Vorbehalt eines ausgewiesenen Geheimhaltungsinteresses der Konkursmasse oder von Drittpersonen. B. Gegen den Entscheid der unteren Aufsichtsbehörde erhob der a.a. Konkursverwalter für die Konkursmasse Beschwerde, welche das Obergericht des Kantons Zürich als obere kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs am 25. Juni 2014 guthiess. Der erstinstanzliche Entscheid wurde aufgehoben und die Verfügung des a.a. Konkursverwalters vom 19. Dezember 2013 - d.h. die Verweigerung der Einsicht in die Konkursakten - bestätigt. C. Mit Eingabe vom 7. Juli 2014 ist die A. AG mit Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht gelangt. Die Beschwerdeführerin verlangt die Aufhebung des Entscheides der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde. In der Sache beantragt sie Einsicht in die Konkursakten wie diese von der unteren Aufsichtsbehörde gewährt wurde. (...) Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. (Auszug) Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt das Gesuch der Beschwerdeführerin, Einsicht in die Konkursakten der Konkursmasse zu nehmen. Es steht fest, dass die Beschwerdeführerin keine Gläubigerin im betreffenden Konkurs ist. Sie ist indes Beklagte im BGE 141 III 281 S. 283 hängigen Verantwortlichkeitsprozess der Konkursmasse wegen Revisionshaftung. Grundsätzlich gilt, dass sich die Einsicht in bzw. die Herausgabe von Urkunden des öffentlichen Rechts nicht nach den Vorschriften der ZPO, sondern nach den massgeblichen öffentlichrechtlichen Vorschriften bestimmt (STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2013, § 18 Rz. 109). Streitfrage ist, ob die Beschwerdeführerin wegen dieses Zivilprozesses gestützt auf Art. 8a SchKG Einsicht in die Konkursakten - die Akten der Gegenpartei im hängigen Prozess - beanspruchen kann. 3.1 Gemäss Art. 8a SchKG kann jede Person, die ein Interesse glaubhaft macht, die Protokolle und Register der Betreibungs- und Konkursämter einsehen und sich Auszüge daraus geben lassen (Abs. 1). Das gilt auch gegenüber einer a.a. Konkursverwaltung ( Art. 241 SchKG ). Gegenstand, auf welches sich das Einsichtsgesuch der Beschwerdeführerin bezieht, sind unstrittig Verfahrensakten des Konkurses (vgl. Art. 8 ff. KOV [SR 281.32]; vgl. BGE 126 V 450 E. 2c S. 453). 3.2 Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, die Frage, ob trotz des hängigen Prozesses - neben der zivilprozessualen Editionspflicht - ein Einsichtsrecht gemäss Art. 8a SchKG bestehe, habe sich bereits unter der Herrschaft des kantonalen Zivilprozessrechts gestellt, trifft dies zweifellos zu. Damit ist indessen die Frage, ob bzw. inwieweit sich die beiden - zivilverfahrens- bzw. vollstreckungsrechtlichen - Institute überlagern, nicht beantwortet. Unbehelflich ist jedenfalls, wenn die Beschwerdeführerin meint, die Möglichkeit des Einsichtsrechts gemäss Art. 8a SchKG im hängigen Zivilprozess sei durch eine fehlende ausdrückliche Regelung (d.h. "Anwendungsbeschränkung") entschieden worden und der Gesetzgeber habe die Anwendbarkeit bejaht: Es bestehen keine Anhaltspunkte für ein qualifiziertes Schweigen (vgl. dazu BGE 115 II 97 E. 2b S. 99), d.h. für die Annahme, dass die ZPO die Frage der Anwendbarkeit von Art. 8a SchKG bewusst ungeregelt gelassen (und im Sinne von "Anwendbarkeit" entschieden) habe (vgl. Botschaft vom 28. Juni 2006 zur ZPO, BBl 2006 7221, 7316 Ziff. 5.10.2). Weiter wirft die Beschwerdeführerin der Vorinstanz eine unzulässige, vom Wortlaut von Art. 8a SchKG abweichende und zu restriktive Auslegung (bzw. teleologische Reduktion, vgl. dazu BGE 140 I 305 E. 6.2 S. 311) vor. Richtig an diesen Ausführungen ist jedenfalls der Ausgangspunkt, wonach sich die Gesetzesauslegung vom Gedanken leiten zu lassen hat, dass nicht schon der Wortlaut die Rechtsnorm darstellt, sondern erst BGE 141 III 281 S. 284 das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis aus der ratio legis ( BGE 128 I 34 E. 3b S. 40 f.). 3.3 Weder der Wortlaut von Art. 8a SchKG noch von anderen Bestimmungen des SchKG oder der ZPO schliessen die Anwendbarkeit des Rechts auf zwangsvollstreckungsrechtliche Akteneinsicht bei hängigem Prozess aus. Indessen kann nach Abs. 1 von Art. 8a SchKG nur jene Person, die ein Interesse glaubhaft macht, die Protokolle und Register der Betreibungs- und Konkursämter einsehen und sich Auszüge daraus geben lassen. Wer ein schützenswertes besonderes und gegenwärtiges Interesse hat, ist zur Einsicht berechtigt ( BGE 115 III 81 E. 2 S. 83; DALLÈVES, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 3 zu Art. 8a SchKG ; MÖCKLI, in: SchKG, 2. Aufl. 2014, N. 7 zu Art. 8a SchKG ). Ob und wie weit einem Interessenten Einsicht zu gewähren und welche Auskunft zu erteilen ist, muss von Fall zu Fall aufgrund des Interessennachweises entschieden werden ( BGE 135 III 503 E. 3 S. 504). Mit dem Erfordernis des schützenswerten Interesses hängt untrennbar die Frage zusammen, welchem Zweck das Einsichtsrecht in die Betreibungs- und Konkursakten gemäss Art. 8a SchKG dienen soll. 3.3.1 Das Betreibungsregister wird konsultiert, um u.a. die Kreditwürdigkeit vor Abschluss eines Vertrages zu beurteilen (vgl. Art. 8a Abs. 2 SchKG ; BGE 121 III 81 S. 4a S. 83); die Einsicht in das Betreibungsprotokoll wie betreffend Pfändung soll Schlüsse über die Verheimlichung von Vermögen und die Prüfung eines Konkursbegehrens ohne vorgängige Betreibung ( Art. 190 SchKG ) erlauben ( BGE 135 III 503 E. 3.5.4 S. 508; vgl. MUSTER, Les renseignements [article 8a LP], BlSchK 2014 S. 161). Nach der Praxis - welche die Beschwerdeführerin anruft - genügt die Tatsache, dass zwischen dem Gesuchsteller und der Person, in deren Akten Einsicht verlangt wird, "ein Prozess hängig" ist, um das Interesse darzutun ( BGE 105 III 38 E. 1 S. 39; BGE 115 III 81 E. 2 S. 84; vgl. auch BGE 58 III 118 S. 119 f.). Die massgebenden Urteile beziehen sich indes auf die Einsicht in das Betreibungsregister im Falle eines Prozesses zwischen dem Gesuchsteller und der betreffenden Person ("un poursuivi inscrit dans les registres"; GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. I, 1999, N. 10 zu Art. 8a SchKG, S. 113), währenddem sich hier die Gesuchstellerin (Beschwerdeführerin) und die Konkursmasse - die "Person, in deren Akten Einsicht BGE 141 III 281 S. 285 verlangt wird" - im Zivilprozess gegenüberstehen. Das Obergericht hat diesen Umstand als entscheiderheblich erachtet, weshalb der Zweck des Einsichtsrechts im Konkurs zu erörtern ist. 3.3.2 Ist der Konkurs einmal eröffnet, bezweckt das Einsichtsrecht, dass die Konkursgläubiger die Lage des Schuldners prüfen und im Konkursverfahren ihre Rechte wahrnehmen können ( BGE 93 III 4 E. 1 S. 7, E. 2c S. 10; vgl. PETER, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 2. Aufl. 2010, N. 1 zu Art. 8a SchKG ). Im Falle des Konkurses ist daher grundsätzlich jeder Konkursgläubiger zur Einsicht in die Konkursakten berechtigt ( BGE 93 III 4 E. 1 S. 6/7; BGE 126 V 450 E. 2c S. 453), wobei als Konkursgläubiger auch der Gesuchsteller gilt, der mit Kollokationsklage auf Zulassung klagt ( BGE 91 III 94 E. 2 S. 96). Die Rechtsprechung billigt der Einsicht in die Konkursakten noch eine weitere Funktion zu: Wer unabhängig von seiner Gläubigerstellung im Konkurs zu Schaden gekommen ist und den Ausfall gegenüber einem Dritten einklagen will, kann die Konkursakten einsehen, um Beweise gegen den Dritten zu sammeln ( BGE 93 III 4 E. 1 S. 7, E. 2d S. 10). 3.3.3 Vorliegend steht fest und ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin weder Konkursgläubigerin ist noch einen Schaden gegen einen Dritten einklagen will. Sie fällt unter "andere Dritte", für welche das Einsichtsrecht nicht a priori gegeben ist (vgl. MÖCKLI, a.a.O., N. 9 zu Art. 8a SchKG ). 3.4 Ob nach der Funktion des Einsichtsrechts in die Konkursakten - d.h. Bereitstellung der notwendigen Informationen für viele Beteiligte im Verfahren der Generalexekution - dennoch ein schützenswertes Interesse der Beschwerdeführerin vorliegt, wenn sie mit der Konkursmasse im Zivilprozess steht, ist im Folgenden zu prüfen. 3.4.1 Die erwähnte Rechtsprechung ( BGE 93 III 4 E. 1 S. 7, E. 2d S. 10), wonach ein Gesuchsteller, der unabhängig von der Gläubigerstellung den konkursbedingten Schaden gegenüber einem Dritten einklagen will, in die Konkursakten einsehen darf, um Beweise gegen den Dritten zu sammeln, ist auf Kritik gestossen. Anlass dafür gibt, dass die Beweislage des Klägers durch die Einsicht im Vergleich zu anderen Forderungsprozessen stark erleichtert wird, obschon seine Beweisnot nicht grösser scheint als sonst; die Privilegierung des im Konkurs zu Schaden gekommenen Klägers lasse sich deshalb nur schwer begründen (so HÄUSERMANN, Vertraulichkeit als BGE 141 III 281 S. 286 Schranke von Informationsansprüchen, 2009, S. 328/329; kritisch auch CAMPONOVO/MARENCO, Das Recht auf Akteneinsicht und Auskunft im Konkurs- und Nachlassverfahren, Der Schweizer Treuhänder [ST] 1995 S. 488 ff.). 3.4.2 Ob die Kritik an jener Rechtsprechung berechtigt ist, muss nicht näher erörtert werden. Die Überlegung macht jedoch deutlich, dass im Fall, in dem ein Gesuchsteller - wie hier die Beschwerdeführerin (d.h. ohne Gläubigerstellung und ohne gegen einen Dritten zu klagen) - der klagenden Konkursmasse im Zivilprozess gegenübersteht, die Privilegierung durch das Einsichtsrecht gemäss Art. 8a SchKG offensichtlich und unzumutbar wäre: Während für die Konkursmasse gegenüber der Beklagten (Beschwerdeführerin) die Editionsregeln der ZPO gelten, könnte diese als Gegenpartei ihre Unterlagen einsehen. Dass die Klägerin eine Konkursmasse ist, welche vor Gericht von der a.a. Konkursverwaltung vertreten wird ( Art. 240 SchKG ), ändert nichts daran, dass der gegen die Beschwerdeführerin erhobene Verantwortlichkeitsprozess ein gewöhnlicher Zivilprozess ist, mit welchem die Konkursmasse die Rechte der Schuldnerin geltend macht (vgl. KREN KOSTKIEWICZ, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, 2. Aufl. 2014, Rz. 1186; STOFFEL/CHABLOZ, Voies d'exécution, 2. Aufl. 2010, § 10 Rz. 2, 31). Die Konkursverwaltung wird dabei wie jede andere Partei behandelt (Botschaft zur ZPO, a.a.O., 7315 Ziff. 5.10.1). Darauf hat die Vorinstanz zu Recht hingewiesen. 3.4.3 Weiter ist unbestritten, dass das Institut der prozessualen Edition nicht als Instrument der Informationsbeschaffung dienen kann, sondern nach der ZPO ein Mittel der Beweiserhebung darstellt, was substantiierte Tatsachenbehauptungen voraussetzt (GÄUMANN/MARGHITOLA, Editionspflichten nach der eidgenössischen Zivilprozessordnung, Jusletter 14. November 2011 Rz. 7). Das ist auch der Beschwerdeführerin bewusst, wenn sie mit Bezug auf den hängigen Prozess ausführt, "der Editionsanspruch nach Art. 8a SchKG diene blossen Informationszwecken" bzw. "der Abklärung des Sachverhalts und der Aufstellung eigener Behauptungen". Im Zivilprozess können die Parteien jedoch selber darüber entscheiden, welche Belege und wann sie diese vorlegen und somit der Einsichtnahme der Gegenpartei aussetzen wollen, sofern kein diesbezügliches Editionsbegehren gestellt wird (vgl. allgemein SPÜHLER/DOLGE/GEHRI, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl. 2010, 10. Kap. Rz. 102). Dies hat die obere Aufsichtsbehörde zutreffend festgehalten, und in diesem Sinn lässt sich auch die Lehre verstehen, wonach für BGE 141 III 281 S. 287 Zivilprozesse nach ZPO die Mitwirkungspflicht gemäss Art. 160 ZPO massgebend sein soll (JEANDIN, in: CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, N. 5 zu Art. 160 ZPO : "prévaut pour toute procédure à laquelle s'applique le CPC"). Die obere Aufsichtsbehörde hat zu Recht gefolgert, dass in der vorliegenden Konstellation einzig die Regeln der ZPO betreffend die prozessuale Edition anwendbar sind. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern sich die Beschwerdeführerin für das Einsichtsrecht gemäss Art. 8a SchKG auf ein schützenswertes Interesse berufen könnte. Daran ändert nichts, dass die Vorinstanz die Frage des Interesses "dahingestellt" hat. Sie hat mit ihrer Begründung vielmehr zu Recht das schützenswerte Interesse zur Einsicht in die Konkursakten verneint. Die Anwendung von Art. 8a SchKG in der vorliegenden Konstellation würde zur Verwirklichung von Interessen führen, die dieses Institut nicht schützen will, sondern durch die Regeln der ZPO geschützt werden. Das Ergebnis der Vorinstanz ist nicht zu beanstanden und stellt keine Rechtsverletzung dar. 3.5 Was die Beschwerdeführerin ferner vorbringt, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. 3.5.1 Im Urteil 5A_83/2010 vom 11. März 2010 (E. 6.3) - auf welches die Beschwerdeführerin hinweist - hat das Bundesgericht das Einsichtsinteresse einer Gesuchstellerin bejaht, gegen welche die Gemeinschuldnerin einen ordentlichen Prozess eingeleitet hatte, der (nach Anerkennung des ausländischen Konkursdekretes der Klägerin) suspendiert war. Die Gewährung des Einsichtsrechts stützte sich allerdings nicht allein auf die Rechtsprechung nach BGE 105 III 38 ff., welche sich - wie erwähnt - auf die Einsicht in das Betreibungsregister im Falle eines Prozesses zwischen dem Gesuchsteller und der betreffenden Person bezieht. Ausgangspunkt der Erwägung im zitierten Urteil 5A_83/2010 ist das Einsichtsrecht der Konkursgläubiger, auf welches sich die Gesuchstellerin zwar nicht als Drittklassgläubigerin im IPRG-Konkurs berufen konnte. Als Gläubigerin im ausländischen Konkurs konnte sie indes grundsätzlich Verfahrensrechte im IPRG-Konkurs haben (vgl. Art. 171 IPRG [SR 291]; KAUFMANN-KOHLER/SCHÖLL, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 15 a.E. zu Art. 171 IPRG ). Eine weitere Erörterung dieses Urteils ist nicht nötig, da hier die Beschwerdeführerin ohne jede Gläubigereigenschaft ist. 3.5.2 Die kantonale Rechtsprechung verschiedener Aufsichtsbehörden, welche die Beschwerdeführerin zitiert, ist nicht genügend BGE 141 III 281 S. 288 aussagekräftig. Zum einen sind in jenen Fällen die Gesuchsteller auch Konkursgläubiger (wie in BlSchK 1974 S. 171, Ziff. 2 [Basel-Stadt]; BlSchK 1997 S. 147, Ziff. 3b [Bern]; BlSchK 2003 S. 263, Ziff. 1 [Zürich]). Zum anderen geht es um vorprozessuale Abklärungen (wie in BlSchK 2011 S. 53, Ziff. 3.3 [Basel-Landschaft]), über welche im vorliegenden Fall jedoch nicht zu entscheiden ist. Es bleibt anzufügen, dass auch die basel-landschaftliche Praxis davon ausgeht, dass (falls vorprozessual keine Einsicht in die Konkursakten gewährt würde) im Verantwortlichkeitsprozess zwischen dem Verwaltungsrat als Nichtgläubiger und der Konkursmasse die Konkursakten nach Zivilprozessrecht zu edieren sind (BlSchK 2011 S. 53, Ziff. 3.3). 3.6 Nach dem Dargelegten ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz das Gesuch der Beschwerdeführerin um Einsicht gemäss Art. 8a SchKG abgewiesen hat.
Urteilskopf
41. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen Konkursmasse B. AG in Liquidation (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_552/2014 vom 22. Mai 2015
Regeste Art. 8a SchKG, Art. 160 ZPO ; Recht des Nichtgläubigers auf Einsicht in die Konkursakten. Der Umstand, dass die Konkursmasse einen Zivilprozess gegen einen Nichtgläubiger erhoben hat, vermag das für die Akteneinsicht gemäss Art. 8a SchKG erforderliche Interesse nicht zu begründen (E. 3).
Regeste
Art. 8a SchKG, Art. 160 ZPO ; Recht des Nichtgläubigers auf Einsicht in die Konkursakten. Der Umstand, dass die Konkursmasse einen Zivilprozess gegen einen Nichtgläubiger erhoben hat, vermag das für die Akteneinsicht gemäss Art. 8a SchKG erforderliche Interesse nicht zu begründen (E. 3).
Art. 8a SchKG Art. 160 ZPO Der Umstand, dass die Konkursmasse einen Zivilprozess gegen einen Nichtgläubiger erhoben hat, vermag das für die Akteneinsicht gemäss Art. 8a SchKG erforderliche Interesse nicht zu begründen (E. 3).
Art. 8a SchKG Sachverhalt ab Seite 281
Sachverhalt ab Seite 281 BGE 141 III 281 S. 281
BGE 141 III 281 S. 281
A.
A. A.a Die A. AG ist die Revisionsstelle der B. AG. Am 29. April 2002 wurde über die B. AG der Konkurs eröffnet, und es wurde eine ausseramtliche (a.a.) Konkursverwaltung eingesetzt. Am 2. Oktober 2013 erhob die Konkursmasse B. AG in Liquidation gegen die A. AG Klage beim Handelsgericht des Kantons Zürich wegen Verantwortlichkeit (Revisionshaftung) im Umfang von rund 11 Mio. Fr. (mit Nachklagevorbehalt im Umfang von 114 Mio. Fr.). Wegen dieses Prozesses gelangte die A. AG am 28. November/3. Dezember 2013 an die Konkursmasse und verlangte Einsicht in die Konkursakten. Mit Verfügung vom 19. Dezember 2013 wies der a.a. Konkursverwalter das Gesuch um Einsicht ab. BGE 141 III 281 S. 282
A.a BGE 141 III 281 S. 282
A.b Gegen die Verfügung des a.a. Konkursverwalters gelangte die A. AG an das Bezirksgericht Bülach als untere Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen mit dem Antrag um Einsicht in die Konkursakten (Konkursprotokoll, Eingabeverzeichnis mit allen Eingaben, Kollokationsplan einschliesslich Neuauflage mit Nachträgen, Kollokationsverfügungen, Kollokations[quer]klagen und Erledigungen, Inventar mit Nachträgen, Hilfspersonenbericht und damaliger Vermögensstatus, Protokoll der Gläubigerversammlungen mit Beilagen, Gläubigerzirkulare mit Beilagen, Rechenschaftsberichte an das Konkursgericht, [Abschlags-]Verteilungslisten, spezielle Verfügungen und Details 1., 2. und 3. Klasse als Anhänge zu den Verteilungslisten, Unterlagen im Zusammenhang mit dem Abschluss des Vergleichs mit C. plc).
A.b A.c Mit Beschluss vom 12. Februar 2014 hiess die untere Aufsichtsbehörde die Beschwerde gut. Der a.a. Konkursverwalter wurde angewiesen, der Gesuchstellerin antragsgemäss Einsicht in die Konkursakten zu gewähren, unter Vorbehalt eines ausgewiesenen Geheimhaltungsinteresses der Konkursmasse oder von Drittpersonen.
A.c B. Gegen den Entscheid der unteren Aufsichtsbehörde erhob der a.a. Konkursverwalter für die Konkursmasse Beschwerde, welche das Obergericht des Kantons Zürich als obere kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs am 25. Juni 2014 guthiess. Der erstinstanzliche Entscheid wurde aufgehoben und die Verfügung des a.a. Konkursverwalters vom 19. Dezember 2013 - d.h. die Verweigerung der Einsicht in die Konkursakten - bestätigt.
B. C. Mit Eingabe vom 7. Juli 2014 ist die A. AG mit Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht gelangt. Die Beschwerdeführerin verlangt die Aufhebung des Entscheides der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde. In der Sache beantragt sie Einsicht in die Konkursakten wie diese von der unteren Aufsichtsbehörde gewährt wurde. (...)
C. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Auszug)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
3. Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt das Gesuch der Beschwerdeführerin, Einsicht in die Konkursakten der Konkursmasse zu nehmen. Es steht fest, dass die Beschwerdeführerin keine Gläubigerin im betreffenden Konkurs ist. Sie ist indes Beklagte im BGE 141 III 281 S. 283 hängigen Verantwortlichkeitsprozess der Konkursmasse wegen Revisionshaftung. Grundsätzlich gilt, dass sich die Einsicht in bzw. die Herausgabe von Urkunden des öffentlichen Rechts nicht nach den Vorschriften der ZPO, sondern nach den massgeblichen öffentlichrechtlichen Vorschriften bestimmt (STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2013, § 18 Rz. 109). Streitfrage ist, ob die Beschwerdeführerin wegen dieses Zivilprozesses gestützt auf Art. 8a SchKG Einsicht in die Konkursakten - die Akten der Gegenpartei im hängigen Prozess - beanspruchen kann.
3. BGE 141 III 281 S. 283
Art. 8a SchKG 3.1 Gemäss Art. 8a SchKG kann jede Person, die ein Interesse glaubhaft macht, die Protokolle und Register der Betreibungs- und Konkursämter einsehen und sich Auszüge daraus geben lassen (Abs. 1). Das gilt auch gegenüber einer a.a. Konkursverwaltung ( Art. 241 SchKG ). Gegenstand, auf welches sich das Einsichtsgesuch der Beschwerdeführerin bezieht, sind unstrittig Verfahrensakten des Konkurses (vgl. Art. 8 ff. KOV [SR 281.32]; vgl. BGE 126 V 450 E. 2c S. 453).
3.1 Art. 8a SchKG Art. 241 SchKG Art. 8 ff. KOV 3.2 Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, die Frage, ob trotz des hängigen Prozesses - neben der zivilprozessualen Editionspflicht - ein Einsichtsrecht gemäss Art. 8a SchKG bestehe, habe sich bereits unter der Herrschaft des kantonalen Zivilprozessrechts gestellt, trifft dies zweifellos zu. Damit ist indessen die Frage, ob bzw. inwieweit sich die beiden - zivilverfahrens- bzw. vollstreckungsrechtlichen - Institute überlagern, nicht beantwortet. Unbehelflich ist jedenfalls, wenn die Beschwerdeführerin meint, die Möglichkeit des Einsichtsrechts gemäss Art. 8a SchKG im hängigen Zivilprozess sei durch eine fehlende ausdrückliche Regelung (d.h. "Anwendungsbeschränkung") entschieden worden und der Gesetzgeber habe die Anwendbarkeit bejaht: Es bestehen keine Anhaltspunkte für ein qualifiziertes Schweigen (vgl. dazu BGE 115 II 97 E. 2b S. 99), d.h. für die Annahme, dass die ZPO die Frage der Anwendbarkeit von Art. 8a SchKG bewusst ungeregelt gelassen (und im Sinne von "Anwendbarkeit" entschieden) habe (vgl. Botschaft vom 28. Juni 2006 zur ZPO, BBl 2006 7221, 7316 Ziff. 5.10.2). Weiter wirft die Beschwerdeführerin der Vorinstanz eine unzulässige, vom Wortlaut von Art. 8a SchKG abweichende und zu restriktive Auslegung (bzw. teleologische Reduktion, vgl. dazu BGE 140 I 305 E. 6.2 S. 311) vor. Richtig an diesen Ausführungen ist jedenfalls der Ausgangspunkt, wonach sich die Gesetzesauslegung vom Gedanken leiten zu lassen hat, dass nicht schon der Wortlaut die Rechtsnorm darstellt, sondern erst BGE 141 III 281 S. 284 das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis aus der ratio legis ( BGE 128 I 34 E. 3b S. 40 f.).
3.2 Art. 8a SchKG Art. 8a SchKG Art. 8a SchKG Art. 8a SchKG BGE 141 III 281 S. 284
3.3 Weder der Wortlaut von Art. 8a SchKG noch von anderen Bestimmungen des SchKG oder der ZPO schliessen die Anwendbarkeit des Rechts auf zwangsvollstreckungsrechtliche Akteneinsicht bei hängigem Prozess aus. Indessen kann nach Abs. 1 von Art. 8a SchKG nur jene Person, die ein Interesse glaubhaft macht, die Protokolle und Register der Betreibungs- und Konkursämter einsehen und sich Auszüge daraus geben lassen. Wer ein schützenswertes besonderes und gegenwärtiges Interesse hat, ist zur Einsicht berechtigt ( BGE 115 III 81 E. 2 S. 83; DALLÈVES, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 3 zu Art. 8a SchKG ; MÖCKLI, in: SchKG, 2. Aufl. 2014, N. 7 zu Art. 8a SchKG ). Ob und wie weit einem Interessenten Einsicht zu gewähren und welche Auskunft zu erteilen ist, muss von Fall zu Fall aufgrund des Interessennachweises entschieden werden ( BGE 135 III 503 E. 3 S. 504). Mit dem Erfordernis des schützenswerten Interesses hängt untrennbar die Frage zusammen, welchem Zweck das Einsichtsrecht in die Betreibungs- und Konkursakten gemäss Art. 8a SchKG dienen soll.
3.3 Art. 8a SchKG Art. 8a SchKG Art. 8a SchKG Art. 8a SchKG Art. 8a SchKG 3.3.1 Das Betreibungsregister wird konsultiert, um u.a. die Kreditwürdigkeit vor Abschluss eines Vertrages zu beurteilen (vgl. Art. 8a Abs. 2 SchKG ; BGE 121 III 81 S. 4a S. 83); die Einsicht in das Betreibungsprotokoll wie betreffend Pfändung soll Schlüsse über die Verheimlichung von Vermögen und die Prüfung eines Konkursbegehrens ohne vorgängige Betreibung ( Art. 190 SchKG ) erlauben ( BGE 135 III 503 E. 3.5.4 S. 508; vgl. MUSTER, Les renseignements [article 8a LP], BlSchK 2014 S. 161). Nach der Praxis - welche die Beschwerdeführerin anruft - genügt die Tatsache, dass zwischen dem Gesuchsteller und der Person, in deren Akten Einsicht verlangt wird, "ein Prozess hängig" ist, um das Interesse darzutun ( BGE 105 III 38 E. 1 S. 39; BGE 115 III 81 E. 2 S. 84; vgl. auch BGE 58 III 118 S. 119 f.). Die massgebenden Urteile beziehen sich indes auf die Einsicht in das Betreibungsregister im Falle eines Prozesses zwischen dem Gesuchsteller und der betreffenden Person ("un poursuivi inscrit dans les registres"; GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Bd. I, 1999, N. 10 zu Art. 8a SchKG, S. 113), währenddem sich hier die Gesuchstellerin (Beschwerdeführerin) und die Konkursmasse - die "Person, in deren Akten Einsicht BGE 141 III 281 S. 285 verlangt wird" - im Zivilprozess gegenüberstehen. Das Obergericht hat diesen Umstand als entscheiderheblich erachtet, weshalb der Zweck des Einsichtsrechts im Konkurs zu erörtern ist.
3.3.1 Art. 8a Abs. 2 SchKG Art. 190 SchKG BGE 58 III 118 Art. 8a SchKG BGE 141 III 281 S. 285
3.3.2 Ist der Konkurs einmal eröffnet, bezweckt das Einsichtsrecht, dass die Konkursgläubiger die Lage des Schuldners prüfen und im Konkursverfahren ihre Rechte wahrnehmen können ( BGE 93 III 4 E. 1 S. 7, E. 2c S. 10; vgl. PETER, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 2. Aufl. 2010, N. 1 zu Art. 8a SchKG ). Im Falle des Konkurses ist daher grundsätzlich jeder Konkursgläubiger zur Einsicht in die Konkursakten berechtigt ( BGE 93 III 4 E. 1 S. 6/7; BGE 126 V 450 E. 2c S. 453), wobei als Konkursgläubiger auch der Gesuchsteller gilt, der mit Kollokationsklage auf Zulassung klagt ( BGE 91 III 94 E. 2 S. 96). Die Rechtsprechung billigt der Einsicht in die Konkursakten noch eine weitere Funktion zu: Wer unabhängig von seiner Gläubigerstellung im Konkurs zu Schaden gekommen ist und den Ausfall gegenüber einem Dritten einklagen will, kann die Konkursakten einsehen, um Beweise gegen den Dritten zu sammeln ( BGE 93 III 4 E. 1 S. 7, E. 2d S. 10).
3.3.2 Art. 8a SchKG 3.3.3 Vorliegend steht fest und ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin weder Konkursgläubigerin ist noch einen Schaden gegen einen Dritten einklagen will. Sie fällt unter "andere Dritte", für welche das Einsichtsrecht nicht a priori gegeben ist (vgl. MÖCKLI, a.a.O., N. 9 zu Art. 8a SchKG ).
3.3.3 Art. 8a SchKG 3.4 Ob nach der Funktion des Einsichtsrechts in die Konkursakten - d.h. Bereitstellung der notwendigen Informationen für viele Beteiligte im Verfahren der Generalexekution - dennoch ein schützenswertes Interesse der Beschwerdeführerin vorliegt, wenn sie mit der Konkursmasse im Zivilprozess steht, ist im Folgenden zu prüfen.
3.4 3.4.1 Die erwähnte Rechtsprechung ( BGE 93 III 4 E. 1 S. 7, E. 2d S. 10), wonach ein Gesuchsteller, der unabhängig von der Gläubigerstellung den konkursbedingten Schaden gegenüber einem Dritten einklagen will, in die Konkursakten einsehen darf, um Beweise gegen den Dritten zu sammeln, ist auf Kritik gestossen. Anlass dafür gibt, dass die Beweislage des Klägers durch die Einsicht im Vergleich zu anderen Forderungsprozessen stark erleichtert wird, obschon seine Beweisnot nicht grösser scheint als sonst; die Privilegierung des im Konkurs zu Schaden gekommenen Klägers lasse sich deshalb nur schwer begründen (so HÄUSERMANN, Vertraulichkeit als BGE 141 III 281 S. 286 Schranke von Informationsansprüchen, 2009, S. 328/329; kritisch auch CAMPONOVO/MARENCO, Das Recht auf Akteneinsicht und Auskunft im Konkurs- und Nachlassverfahren, Der Schweizer Treuhänder [ST] 1995 S. 488 ff.).
3.4.1 BGE 141 III 281 S. 286
3.4.2 Ob die Kritik an jener Rechtsprechung berechtigt ist, muss nicht näher erörtert werden. Die Überlegung macht jedoch deutlich, dass im Fall, in dem ein Gesuchsteller - wie hier die Beschwerdeführerin (d.h. ohne Gläubigerstellung und ohne gegen einen Dritten zu klagen) - der klagenden Konkursmasse im Zivilprozess gegenübersteht, die Privilegierung durch das Einsichtsrecht gemäss Art. 8a SchKG offensichtlich und unzumutbar wäre: Während für die Konkursmasse gegenüber der Beklagten (Beschwerdeführerin) die Editionsregeln der ZPO gelten, könnte diese als Gegenpartei ihre Unterlagen einsehen. Dass die Klägerin eine Konkursmasse ist, welche vor Gericht von der a.a. Konkursverwaltung vertreten wird ( Art. 240 SchKG ), ändert nichts daran, dass der gegen die Beschwerdeführerin erhobene Verantwortlichkeitsprozess ein gewöhnlicher Zivilprozess ist, mit welchem die Konkursmasse die Rechte der Schuldnerin geltend macht (vgl. KREN KOSTKIEWICZ, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, 2. Aufl. 2014, Rz. 1186; STOFFEL/CHABLOZ, Voies d'exécution, 2. Aufl. 2010, § 10 Rz. 2, 31). Die Konkursverwaltung wird dabei wie jede andere Partei behandelt (Botschaft zur ZPO, a.a.O., 7315 Ziff. 5.10.1). Darauf hat die Vorinstanz zu Recht hingewiesen.
3.4.2 Art. 8a SchKG Art. 240 SchKG 3.4.3 Weiter ist unbestritten, dass das Institut der prozessualen Edition nicht als Instrument der Informationsbeschaffung dienen kann, sondern nach der ZPO ein Mittel der Beweiserhebung darstellt, was substantiierte Tatsachenbehauptungen voraussetzt (GÄUMANN/MARGHITOLA, Editionspflichten nach der eidgenössischen Zivilprozessordnung, Jusletter 14. November 2011 Rz. 7). Das ist auch der Beschwerdeführerin bewusst, wenn sie mit Bezug auf den hängigen Prozess ausführt, "der Editionsanspruch nach Art. 8a SchKG diene blossen Informationszwecken" bzw. "der Abklärung des Sachverhalts und der Aufstellung eigener Behauptungen". Im Zivilprozess können die Parteien jedoch selber darüber entscheiden, welche Belege und wann sie diese vorlegen und somit der Einsichtnahme der Gegenpartei aussetzen wollen, sofern kein diesbezügliches Editionsbegehren gestellt wird (vgl. allgemein SPÜHLER/DOLGE/GEHRI, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl. 2010, 10. Kap. Rz. 102). Dies hat die obere Aufsichtsbehörde zutreffend festgehalten, und in diesem Sinn lässt sich auch die Lehre verstehen, wonach für BGE 141 III 281 S. 287 Zivilprozesse nach ZPO die Mitwirkungspflicht gemäss Art. 160 ZPO massgebend sein soll (JEANDIN, in: CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, N. 5 zu Art. 160 ZPO : "prévaut pour toute procédure à laquelle s'applique le CPC"). Die obere Aufsichtsbehörde hat zu Recht gefolgert, dass in der vorliegenden Konstellation einzig die Regeln der ZPO betreffend die prozessuale Edition anwendbar sind. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern sich die Beschwerdeführerin für das Einsichtsrecht gemäss Art. 8a SchKG auf ein schützenswertes Interesse berufen könnte. Daran ändert nichts, dass die Vorinstanz die Frage des Interesses "dahingestellt" hat. Sie hat mit ihrer Begründung vielmehr zu Recht das schützenswerte Interesse zur Einsicht in die Konkursakten verneint. Die Anwendung von Art. 8a SchKG in der vorliegenden Konstellation würde zur Verwirklichung von Interessen führen, die dieses Institut nicht schützen will, sondern durch die Regeln der ZPO geschützt werden. Das Ergebnis der Vorinstanz ist nicht zu beanstanden und stellt keine Rechtsverletzung dar.
3.4.3 Art. 8a SchKG BGE 141 III 281 S. 287
Art. 160 ZPO Art. 160 ZPO Art. 8a SchKG Art. 8a SchKG 3.5 Was die Beschwerdeführerin ferner vorbringt, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern.
3.5 3.5.1 Im Urteil 5A_83/2010 vom 11. März 2010 (E. 6.3) - auf welches die Beschwerdeführerin hinweist - hat das Bundesgericht das Einsichtsinteresse einer Gesuchstellerin bejaht, gegen welche die Gemeinschuldnerin einen ordentlichen Prozess eingeleitet hatte, der (nach Anerkennung des ausländischen Konkursdekretes der Klägerin) suspendiert war. Die Gewährung des Einsichtsrechts stützte sich allerdings nicht allein auf die Rechtsprechung nach BGE 105 III 38 ff., welche sich - wie erwähnt - auf die Einsicht in das Betreibungsregister im Falle eines Prozesses zwischen dem Gesuchsteller und der betreffenden Person bezieht. Ausgangspunkt der Erwägung im zitierten Urteil 5A_83/2010 ist das Einsichtsrecht der Konkursgläubiger, auf welches sich die Gesuchstellerin zwar nicht als Drittklassgläubigerin im IPRG-Konkurs berufen konnte. Als Gläubigerin im ausländischen Konkurs konnte sie indes grundsätzlich Verfahrensrechte im IPRG-Konkurs haben (vgl. Art. 171 IPRG [SR 291]; KAUFMANN-KOHLER/SCHÖLL, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 15 a.E. zu Art. 171 IPRG ). Eine weitere Erörterung dieses Urteils ist nicht nötig, da hier die Beschwerdeführerin ohne jede Gläubigereigenschaft ist.
3.5.1 Art. 171 IPRG Art. 171 IPRG 3.5.2 Die kantonale Rechtsprechung verschiedener Aufsichtsbehörden, welche die Beschwerdeführerin zitiert, ist nicht genügend BGE 141 III 281 S. 288 aussagekräftig. Zum einen sind in jenen Fällen die Gesuchsteller auch Konkursgläubiger (wie in BlSchK 1974 S. 171, Ziff. 2 [Basel-Stadt]; BlSchK 1997 S. 147, Ziff. 3b [Bern]; BlSchK 2003 S. 263, Ziff. 1 [Zürich]). Zum anderen geht es um vorprozessuale Abklärungen (wie in BlSchK 2011 S. 53, Ziff. 3.3 [Basel-Landschaft]), über welche im vorliegenden Fall jedoch nicht zu entscheiden ist. Es bleibt anzufügen, dass auch die basel-landschaftliche Praxis davon ausgeht, dass (falls vorprozessual keine Einsicht in die Konkursakten gewährt würde) im Verantwortlichkeitsprozess zwischen dem Verwaltungsrat als Nichtgläubiger und der Konkursmasse die Konkursakten nach Zivilprozessrecht zu edieren sind (BlSchK 2011 S. 53, Ziff. 3.3).
3.5.2 BGE 141 III 281 S. 288
3.6 Nach dem Dargelegten ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz das Gesuch der Beschwerdeführerin um Einsicht gemäss Art. 8a SchKG abgewiesen hat.
3.6 Art. 8a SchKG
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Urteilskopf 141 III 289 42. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B. AG (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_710/2014 vom 3. Juli 2015 Regeste Art. 32 Abs. 1 OR ; Anscheinsbevollmächtigung. Voraussetzungen einer stillschweigenden (internen) Anscheinsbevollmächtigung (E. 4). Sachverhalt ab Seite 289 BGE 141 III 289 S. 289 A. Am 4. Juli 2002 überquerte C. mit ihrem Fahrrad einen Bahnübergang der B. AG. Dabei wurde sie von einem Zug der B. AG erfasst und starb noch an der Unfallstelle an den erlittenen Verletzungen. C. hinterliess ihren Ehemann A. (Kläger, Beschwerdeführer) und drei gemeinsame Kinder. Für Forderungen aufgrund dieses Unfalls wurde A. und seinen Kindern namens der B. AG der Verzicht auf die Verjährungseinrede erklärt: Zuerst mit Schreiben vom 18. Juni 2004 durch D. (damaliger Leiter Betrieb und Verkauf der B. AG), befristet bis zum 3. Juli 2005; sodann am 19. April 2005 durch E. (Sachbearbeiterin in der Abteilung Betrieb), befristet bis zum 3. Juli 2006. Mit Zahlungsbefehl vom 26. Juni 2006 liessen A. und seine Kinder die B. AG über den Betrag von Fr. 5 Mio. nebst Zins betreiben. Am 15. März 2007 ersuchte A. das Friedensrichteramt N. um Einleitung des Vermittlungsverfahrens; er forderte von der B. AG Fr. 1'099'026.30 nebst Zins. Der Vermittlungsversuch vom 22. Juni 2007 scheiterte. Mit Zahlungsbefehl vom 12. März 2009 liessen A. und seine Kinder BGE 141 III 289 S. 290 die B. AG über den Betrag von Fr. 1'099'026.30 nebst Zins betreiben. Eine weitere Betreibung über denselben Betrag erfolgte mit Zahlungsbefehl vom 11. März 2011. B. Am 21. Dezember 2012 reichte A. beim Handelsgericht des Kantons Aargau Klage ein und beantragte, die B. AG sei zur Zahlung von Fr. 1'057'362.95 nebst Zins zu verurteilen. Nach Angabe des Klägers sind in diesem Betrag auch Ansprüche seiner Kinder enthalten. Die Beklagte brachte in ihrer Klageantwort vor, die Ansprüche des Klägers seien verjährt. Mit Verfügung vom 15. Juli 2013 beschränkte der (damalige) Präsident des Handelsgerichts des Kantons Aargau das Verfahren auf die Frage der Verjährung. Mit Urteil vom 30. Oktober 2014 wies das Handelsgericht des Kantons Aargau die Klage ab. Es kam zum Schluss, D. und E. wären zur Unterzeichnung einer Verjährungseinredeverzichtserklärung im Namen der B. AG nicht bevollmächtigt gewesen, weshalb weder die Erklärung vom 18. Juni 2004 noch diejenige vom 19. April 2005 rechtsverbindlich seien. Die eingeklagten Forderungen seien daher verjährt. C. Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 17. Dezember 2014 beantragt A. dem Bundesgericht, das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Aargau sei aufzuheben, die Verjährungseinrede der Beschwerdegegnerin sei abzuweisen und die Angelegenheit sei zur materiellen Prüfung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut. Es hebt das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Aargau vom 30. Oktober 2014 insoweit auf, als sich die Abweisung der Klage auf die Ansprüche des Beschwerdeführers bezieht. Das Bundesgericht weist die Sache an die Vorinstanz zurück, damit sie über die Ansprüche des Beschwerdeführers neu entscheide. Im Übrigen weist es die Beschwerde ab. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Der Beschwerdeführer rügt weiter, die Vorinstanz habe zu Unrecht eine Bevollmächtigung durch (interne) Duldungs- oder Anscheinsbevollmächtigung verneint. 4.1 Die Ermächtigung zur Stellvertretung i.S.v. Art. 32 Abs. 1 OR kann ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen. Eine stillschweigende (interne) Bevollmächtigung kann dabei auch aus Duldung oder Anschein beansprucht werden ( BGE 120 II 197 E. 2 S. 198 f. und BGE 141 III 289 S. 291 E. 3b S. 204). Eine (interne) Anscheinsbevollmächtigung liegt vor, wenn einerseits der Vertretene keine Kenntnis hat, dass ein anderer sich als sein Vertreter ausgibt, er bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit das Vertreterhandeln aber hätte erkennen müssen, und andererseits der Vertreter das Verhalten des Vertretenen nach Treu und Glauben als Bevollmächtigung auffassen darf (Urteil 4C.287/2002 vom 15. Dezember 2003 E. 4). Weiss der Vertretene, dass er gegen seinen Willen vertreten wird, schreitet aber trotzdem nicht gegen die unerbetene Vertretung ein, so liegt eine (interne) Duldungsbevollmächtigung vor (Urteil 5A_500/2010 vom 12. Oktober 2010 E. 6.2.2). 4.2 Die Vorinstanz hat ausgeführt, die Beschwerdegegnerin bzw. F. (Direktor der B. AG) habe keine Kenntnis von D.s Vertreterhandeln bei der Unterzeichnung der Verzichtserklärung vom 18. Juni 2004 gehabt. Einerseits habe F. ausgesagt, er habe erst im Jahr 2006 von der Erklärung erfahren. Andererseits habe auch D. selbst die Frage, ob er mit F. über die Verzichtserklärung gesprochen habe, mit "Eher nein" beantwortet. Aus denselben Gründen sei auch die von E. unterzeichnete Erklärung nicht rechtsverbindlich. D., E. und G. (Stellvertreter von D.) hätten aber alle ausgesagt, Einzelunterschriften seien bei der Beschwerdegegnerin üblich gewesen. F. habe dazu ausgesagt, er habe Einzelunterschriften nur bis zu einem bestimmten finanziellen Bedeutungsgrad von seinem Vorgänger übernommen. Er habe zwar gewusst, dass D. teilweise alleine unterzeichne, allerdings nur bezüglich "Sachen, die eben im täglichen operativen Geschäft schnell nötig" gewesen seien. In Bezug auf die Verjährungseinredeverzichtserklärung vom 18. Juni 2004 habe F. angegeben, von ihm aus gesehen sei klar, "dass hier eine Doppelunterschrift gemäss HR drauf sein müsste". Nach Auffassung des Handelsgerichts handle es sich bei dieser Erklärung unzweifelhaft um einen Fall mit grosser finanzieller Tragweite. Hinzu komme, dass es gemäss Aussage des Zeugen G. nur zwei bis drei Unfälle pro Jahr gegeben habe, die eine solche Verjährungseinredeverzichtserklärung notwendig gemacht hätten. Es habe sich mithin um einen ungewöhnlichen, das operative Tagesgeschäft sprengenden Vorfall gehandelt. D. habe daher selbst als Mitglied der Geschäftsleitung und Kollektivzeichnungsberechtigter nicht davon ausgehen können, die Beschwerdegegnerin bzw. F. hätte ihn zur Abgabe dieser Erklärung ermächtigen wollen. D. wäre verpflichtet gewesen, sich diesbezüglich bei der Geschäftsleitung (insb. F.) oder dem Verwaltungsrat entsprechend zu erkundigen. Das gelte auch für E., welche gemäss Handelsregistereintrag über kein Zeichnungsrecht verfügt habe. BGE 141 III 289 S. 292 4.3 In Bezug auf die (interne) Duldungsbevollmächtigung rügt der Beschwerdeführer eine willkürliche Beweiswürdigung. Die Feststellung der Vorinstanz, wonach die Beschwerdegegnerin keine Kenntnis von der Vertretung gehabt habe, sei abwegig und unlogisch. Wenn F. aussage, er habe sukzessive ab einem gewissen Bedeutungsgrad die Doppelunterschrift eingeführt, so heisse dies gleichzeitig, dass vorher keine Doppelunterschrift gelebt worden sei und die Beschwerdegegnerin von dieser Übung Kenntnis gehabt haben müsse. Aus diesen Aussagen lässt sich entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers keine willkürliche Beweiswürdigung der Vorinstanz ableiten. Das Bestehen einer Übung vermag alleine nicht zu beweisen, dass die Beschwerdegegnerin im konkreten Fall Kenntnis von der Vertretung hatte. Dies gilt umso mehr, als sowohl F. als auch D. ausgesagt haben, sie hätten nicht bzw. eher nicht über diese Verjährungseinredeverzichtserklärung gesprochen; auch E. hat ausgesagt, (nur) D. und dessen Stellvertreter G. hätten ihr die Kompetenz zur Unterzeichnung der Verjährungseinredeverzichtserklärung erteilt. Diese Aussagen stellt der Beschwerdeführer nicht in Frage. Die Rüge der willkürlichen Beweiswürdigung ist unbegründet. 4.4 4.4.1 In Bezug auf die (interne) Anscheinsbevollmächtigung bringt der Beschwerdeführer vor, bei den Verjährungseinredeverzichtserklärungen handle es sich nicht um Fälle "mit grosser finanzieller Tragweite" bzw. um "ungewöhnliche" Fälle. Nach den übereinstimmenden Aussagen der Mitarbeiter und der Zeugen G., D. und E. sei bei Verjährungsverzichten nie eine Zweitunterschrift eingeholt worden. Die Erklärungen seien allerdings mit dem Versicherungs-Verband Schweizerischer Transportunternehmungen (VVST) vorbesprochen worden. G. habe zudem ausgesagt, er habe oft mit solchen Erklärungen zu tun gehabt. Die befragten Mitarbeiter hätten genau gewusst, wie vorzugehen sei, nämlich mit dem VVST Kontakt aufzunehmen und dessen Anweisungen zu befolgen. Zudem sei eine Erklärung über den Verzicht auf die Verjährungseinrede ein Paradebeispiel für eine schnell vorzunehmende Handlung. Die Erklärung als solche habe dabei keine finanzielle Bedeutung, würde diese doch unpräjudiziell erfolgen. Es werde nur auf eine Einrede für eine bestimmte Zeit verzichtet. Die Verzichtserklärungen seien sodann im Interesse der Beschwerdegegnerin erfolgt; hätten die Mitarbeiter nicht auf die Einrede verzichtet, wäre eine Betreibung erfolgt, worauf der Beschwerdeführer in seiner vorinstanzlichen Stellungnahme zur Duplik hingewiesen habe. Die Beschwerdegegnerin habe ein finanzielles Interesse daran gehabt, Betreibungseinträge zu verhindern. BGE 141 III 289 S. 293 4.4.2 Für eine (interne) Anscheinsbevollmächtigung ist erstens erforderlich, dass der Vertretene bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit das Vertreterhandeln hätte erkennen müssen (vgl. E. 4.1). Der Direktor F. wusste nach eigenen Aussagen, dass D. teilweise alleine unterzeichnete. Zudem haben sowohl D. als auch E. und G. übereinstimmend ausgesagt, Einzelunterschriften seien bei der Beschwerdegegnerin üblich gewesen. Bei dieser Ausgangslage hätte die Beschwerdegegnerin entgegen der Ansicht der Vorinstanz bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit das Vertreterhandeln erkennen müssen. F. ging zwar davon aus, diese Praxis beschränke sich auf "Sachen, die (...) im täglichen operativen Geschäft schnell nötig" gewesen seien und Einzelunterschriften würden nur bis zu einem bestimmten finanziellen Bedeutungsgrad verwendet. Dem ist zu entgegnen, dass diese Umschreibung der Geschäfte, welche auch nach Ansicht von F. durch Einzelunterschrift hätten erledigt werden dürfen, sehr vage ist. So bringt der Beschwerdeführer zu Recht vor, dass auch Verjährungseinredeverzichtserklärungen unter Umständen schnell ausgestellt werden müssen. Zudem kann der Ansicht der Vorinstanz, wonach es sich bei einer solchen Erklärung unzweifelhaft um einen Fall mit grosser finanzieller Tragweite handle, nicht gefolgt werden. Der Verzicht auf die Einrede der Verjährung stellt - wie auch der Beschwerdeführer ausführt - noch keine Anerkennung der Forderung dar. Mit einer Verzichtserklärung geht mithin noch keine finanzielle Verpflichtung der Beschwerdegegnerin einher. Im Gegenteil dient eine solche Erklärung auch den Interessen der Beschwerdegegnerin: Hätte sie nicht auf die Verjährungseinrede verzichtet, so wäre der Beschwerdeführer gezwungen gewesen, die Verjährung etwa durch Betreibung oder (damals) durch ein Gesuch um Ladung zu einem amtlichen Sühneversuch zu unterbrechen, wie er dies in der Folge ja auch mehrfach getan hat. Für eine (interne) Anscheinsbevollmächtigung ist zweitens erforderlich, dass der Vertreter das Verhalten des Vertretenen nach Treu und Glauben als Bevollmächtigung auffassen darf (vgl. E. 4.1). D. und E. waren beide der Auffassung, sie seien beim Ausstellen der einzeln unterzeichneten Verjährungseinredeverzichtserklärungen korrekt vorgegangen. Auch hier ist entscheidend, dass es nach übereinstimmender Aussage dreier Personen üblich war, einzeln zu unterzeichnen. Sowohl D. als auch E. durften aufgrund dieser Praxis davon ausgehen, sie seien zu diesem Handeln bevollmächtigt. Wie ihr Vorgehen zeigt, wurde diese Praxis auch unter F. (zumindest teilweise) faktisch weitergeführt. Relevant ist auch hier, dass eine grosse BGE 141 III 289 S. 294 finanzielle Tragweite bei einem blossen Verzicht auf die Verjährungseinrede wie bereits ausgeführt zu verneinen ist. Sowohl D. als auch E. durften somit nach Treu und Glauben davon ausgehen, die (für bestimmte Geschäfte unbestrittenermassen geltende) Bevollmächtigung zur Einzelunterschrift gelte auch bei der Ausstellung von Verjährungseinredeverzichtserklärungen. 4.4.3 Damit hat die Vorinstanz Bundesrecht verletzt, indem sie eine (interne) Anscheinsbevollmächtigung von D. und E. verneint hat. Sowohl die von D. unterzeichnete Verjährungseinredeverzichtserklärung vom 18. Juni 2004 als auch die von E. unterzeichnete Erklärung vom 19. April 2005 binden mithin die Beschwerdegegnerin. Damit sind die Forderungen des Beschwerdeführers nicht verjährt.
Urteilskopf
42. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B. AG (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_710/2014 vom 3. Juli 2015
Regeste Art. 32 Abs. 1 OR ; Anscheinsbevollmächtigung. Voraussetzungen einer stillschweigenden (internen) Anscheinsbevollmächtigung (E. 4).
Regeste
Art. 32 Abs. 1 OR ; Anscheinsbevollmächtigung. Voraussetzungen einer stillschweigenden (internen) Anscheinsbevollmächtigung (E. 4).
Art. 32 Abs. 1 OR Voraussetzungen einer stillschweigenden (internen) Anscheinsbevollmächtigung (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 289
Sachverhalt ab Seite 289 BGE 141 III 289 S. 289
BGE 141 III 289 S. 289
A. Am 4. Juli 2002 überquerte C. mit ihrem Fahrrad einen Bahnübergang der B. AG. Dabei wurde sie von einem Zug der B. AG erfasst und starb noch an der Unfallstelle an den erlittenen Verletzungen. C. hinterliess ihren Ehemann A. (Kläger, Beschwerdeführer) und drei gemeinsame Kinder.
A. Für Forderungen aufgrund dieses Unfalls wurde A. und seinen Kindern namens der B. AG der Verzicht auf die Verjährungseinrede erklärt: Zuerst mit Schreiben vom 18. Juni 2004 durch D. (damaliger Leiter Betrieb und Verkauf der B. AG), befristet bis zum 3. Juli 2005; sodann am 19. April 2005 durch E. (Sachbearbeiterin in der Abteilung Betrieb), befristet bis zum 3. Juli 2006.
Mit Zahlungsbefehl vom 26. Juni 2006 liessen A. und seine Kinder die B. AG über den Betrag von Fr. 5 Mio. nebst Zins betreiben. Am 15. März 2007 ersuchte A. das Friedensrichteramt N. um Einleitung des Vermittlungsverfahrens; er forderte von der B. AG Fr. 1'099'026.30 nebst Zins. Der Vermittlungsversuch vom 22. Juni 2007 scheiterte. Mit Zahlungsbefehl vom 12. März 2009 liessen A. und seine Kinder BGE 141 III 289 S. 290 die B. AG über den Betrag von Fr. 1'099'026.30 nebst Zins betreiben. Eine weitere Betreibung über denselben Betrag erfolgte mit Zahlungsbefehl vom 11. März 2011.
BGE 141 III 289 S. 290
B. Am 21. Dezember 2012 reichte A. beim Handelsgericht des Kantons Aargau Klage ein und beantragte, die B. AG sei zur Zahlung von Fr. 1'057'362.95 nebst Zins zu verurteilen. Nach Angabe des Klägers sind in diesem Betrag auch Ansprüche seiner Kinder enthalten. Die Beklagte brachte in ihrer Klageantwort vor, die Ansprüche des Klägers seien verjährt.
B. Mit Verfügung vom 15. Juli 2013 beschränkte der (damalige) Präsident des Handelsgerichts des Kantons Aargau das Verfahren auf die Frage der Verjährung. Mit Urteil vom 30. Oktober 2014 wies das Handelsgericht des Kantons Aargau die Klage ab. Es kam zum Schluss, D. und E. wären zur Unterzeichnung einer Verjährungseinredeverzichtserklärung im Namen der B. AG nicht bevollmächtigt gewesen, weshalb weder die Erklärung vom 18. Juni 2004 noch diejenige vom 19. April 2005 rechtsverbindlich seien. Die eingeklagten Forderungen seien daher verjährt.
C. Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 17. Dezember 2014 beantragt A. dem Bundesgericht, das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Aargau sei aufzuheben, die Verjährungseinrede der Beschwerdegegnerin sei abzuweisen und die Angelegenheit sei zur materiellen Prüfung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
C. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut. Es hebt das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Aargau vom 30. Oktober 2014 insoweit auf, als sich die Abweisung der Klage auf die Ansprüche des Beschwerdeführers bezieht. Das Bundesgericht weist die Sache an die Vorinstanz zurück, damit sie über die Ansprüche des Beschwerdeführers neu entscheide. Im Übrigen weist es die Beschwerde ab.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
4. Der Beschwerdeführer rügt weiter, die Vorinstanz habe zu Unrecht eine Bevollmächtigung durch (interne) Duldungs- oder Anscheinsbevollmächtigung verneint.
4. 4.1 Die Ermächtigung zur Stellvertretung i.S.v. Art. 32 Abs. 1 OR kann ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen. Eine stillschweigende (interne) Bevollmächtigung kann dabei auch aus Duldung oder Anschein beansprucht werden ( BGE 120 II 197 E. 2 S. 198 f. und BGE 141 III 289 S. 291 E. 3b S. 204). Eine (interne) Anscheinsbevollmächtigung liegt vor, wenn einerseits der Vertretene keine Kenntnis hat, dass ein anderer sich als sein Vertreter ausgibt, er bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit das Vertreterhandeln aber hätte erkennen müssen, und andererseits der Vertreter das Verhalten des Vertretenen nach Treu und Glauben als Bevollmächtigung auffassen darf (Urteil 4C.287/2002 vom 15. Dezember 2003 E. 4). Weiss der Vertretene, dass er gegen seinen Willen vertreten wird, schreitet aber trotzdem nicht gegen die unerbetene Vertretung ein, so liegt eine (interne) Duldungsbevollmächtigung vor (Urteil 5A_500/2010 vom 12. Oktober 2010 E. 6.2.2).
4.1 Art. 32 Abs. 1 OR BGE 141 III 289 S. 291
4.2 Die Vorinstanz hat ausgeführt, die Beschwerdegegnerin bzw. F. (Direktor der B. AG) habe keine Kenntnis von D.s Vertreterhandeln bei der Unterzeichnung der Verzichtserklärung vom 18. Juni 2004 gehabt. Einerseits habe F. ausgesagt, er habe erst im Jahr 2006 von der Erklärung erfahren. Andererseits habe auch D. selbst die Frage, ob er mit F. über die Verzichtserklärung gesprochen habe, mit "Eher nein" beantwortet. Aus denselben Gründen sei auch die von E. unterzeichnete Erklärung nicht rechtsverbindlich. D., E. und G. (Stellvertreter von D.) hätten aber alle ausgesagt, Einzelunterschriften seien bei der Beschwerdegegnerin üblich gewesen. F. habe dazu ausgesagt, er habe Einzelunterschriften nur bis zu einem bestimmten finanziellen Bedeutungsgrad von seinem Vorgänger übernommen. Er habe zwar gewusst, dass D. teilweise alleine unterzeichne, allerdings nur bezüglich "Sachen, die eben im täglichen operativen Geschäft schnell nötig" gewesen seien. In Bezug auf die Verjährungseinredeverzichtserklärung vom 18. Juni 2004 habe F. angegeben, von ihm aus gesehen sei klar, "dass hier eine Doppelunterschrift gemäss HR drauf sein müsste". Nach Auffassung des Handelsgerichts handle es sich bei dieser Erklärung unzweifelhaft um einen Fall mit grosser finanzieller Tragweite. Hinzu komme, dass es gemäss Aussage des Zeugen G. nur zwei bis drei Unfälle pro Jahr gegeben habe, die eine solche Verjährungseinredeverzichtserklärung notwendig gemacht hätten. Es habe sich mithin um einen ungewöhnlichen, das operative Tagesgeschäft sprengenden Vorfall gehandelt. D. habe daher selbst als Mitglied der Geschäftsleitung und Kollektivzeichnungsberechtigter nicht davon ausgehen können, die Beschwerdegegnerin bzw. F. hätte ihn zur Abgabe dieser Erklärung ermächtigen wollen. D. wäre verpflichtet gewesen, sich diesbezüglich bei der Geschäftsleitung (insb. F.) oder dem Verwaltungsrat entsprechend zu erkundigen. Das gelte auch für E., welche gemäss Handelsregistereintrag über kein Zeichnungsrecht verfügt habe. BGE 141 III 289 S. 292
4.2 BGE 141 III 289 S. 292
4.3 In Bezug auf die (interne) Duldungsbevollmächtigung rügt der Beschwerdeführer eine willkürliche Beweiswürdigung. Die Feststellung der Vorinstanz, wonach die Beschwerdegegnerin keine Kenntnis von der Vertretung gehabt habe, sei abwegig und unlogisch. Wenn F. aussage, er habe sukzessive ab einem gewissen Bedeutungsgrad die Doppelunterschrift eingeführt, so heisse dies gleichzeitig, dass vorher keine Doppelunterschrift gelebt worden sei und die Beschwerdegegnerin von dieser Übung Kenntnis gehabt haben müsse.
4.3 Aus diesen Aussagen lässt sich entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers keine willkürliche Beweiswürdigung der Vorinstanz ableiten. Das Bestehen einer Übung vermag alleine nicht zu beweisen, dass die Beschwerdegegnerin im konkreten Fall Kenntnis von der Vertretung hatte. Dies gilt umso mehr, als sowohl F. als auch D. ausgesagt haben, sie hätten nicht bzw. eher nicht über diese Verjährungseinredeverzichtserklärung gesprochen; auch E. hat ausgesagt, (nur) D. und dessen Stellvertreter G. hätten ihr die Kompetenz zur Unterzeichnung der Verjährungseinredeverzichtserklärung erteilt. Diese Aussagen stellt der Beschwerdeführer nicht in Frage. Die Rüge der willkürlichen Beweiswürdigung ist unbegründet.
4.4
4.4 4.4.1 In Bezug auf die (interne) Anscheinsbevollmächtigung bringt der Beschwerdeführer vor, bei den Verjährungseinredeverzichtserklärungen handle es sich nicht um Fälle "mit grosser finanzieller Tragweite" bzw. um "ungewöhnliche" Fälle. Nach den übereinstimmenden Aussagen der Mitarbeiter und der Zeugen G., D. und E. sei bei Verjährungsverzichten nie eine Zweitunterschrift eingeholt worden. Die Erklärungen seien allerdings mit dem Versicherungs-Verband Schweizerischer Transportunternehmungen (VVST) vorbesprochen worden. G. habe zudem ausgesagt, er habe oft mit solchen Erklärungen zu tun gehabt. Die befragten Mitarbeiter hätten genau gewusst, wie vorzugehen sei, nämlich mit dem VVST Kontakt aufzunehmen und dessen Anweisungen zu befolgen. Zudem sei eine Erklärung über den Verzicht auf die Verjährungseinrede ein Paradebeispiel für eine schnell vorzunehmende Handlung. Die Erklärung als solche habe dabei keine finanzielle Bedeutung, würde diese doch unpräjudiziell erfolgen. Es werde nur auf eine Einrede für eine bestimmte Zeit verzichtet. Die Verzichtserklärungen seien sodann im Interesse der Beschwerdegegnerin erfolgt; hätten die Mitarbeiter nicht auf die Einrede verzichtet, wäre eine Betreibung erfolgt, worauf der Beschwerdeführer in seiner vorinstanzlichen Stellungnahme zur Duplik hingewiesen habe. Die Beschwerdegegnerin habe ein finanzielles Interesse daran gehabt, Betreibungseinträge zu verhindern. BGE 141 III 289 S. 293
4.4.1 BGE 141 III 289 S. 293
4.4.2 Für eine (interne) Anscheinsbevollmächtigung ist erstens erforderlich, dass der Vertretene bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit das Vertreterhandeln hätte erkennen müssen (vgl. E. 4.1). Der Direktor F. wusste nach eigenen Aussagen, dass D. teilweise alleine unterzeichnete. Zudem haben sowohl D. als auch E. und G. übereinstimmend ausgesagt, Einzelunterschriften seien bei der Beschwerdegegnerin üblich gewesen. Bei dieser Ausgangslage hätte die Beschwerdegegnerin entgegen der Ansicht der Vorinstanz bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit das Vertreterhandeln erkennen müssen. F. ging zwar davon aus, diese Praxis beschränke sich auf "Sachen, die (...) im täglichen operativen Geschäft schnell nötig" gewesen seien und Einzelunterschriften würden nur bis zu einem bestimmten finanziellen Bedeutungsgrad verwendet. Dem ist zu entgegnen, dass diese Umschreibung der Geschäfte, welche auch nach Ansicht von F. durch Einzelunterschrift hätten erledigt werden dürfen, sehr vage ist. So bringt der Beschwerdeführer zu Recht vor, dass auch Verjährungseinredeverzichtserklärungen unter Umständen schnell ausgestellt werden müssen. Zudem kann der Ansicht der Vorinstanz, wonach es sich bei einer solchen Erklärung unzweifelhaft um einen Fall mit grosser finanzieller Tragweite handle, nicht gefolgt werden. Der Verzicht auf die Einrede der Verjährung stellt - wie auch der Beschwerdeführer ausführt - noch keine Anerkennung der Forderung dar. Mit einer Verzichtserklärung geht mithin noch keine finanzielle Verpflichtung der Beschwerdegegnerin einher. Im Gegenteil dient eine solche Erklärung auch den Interessen der Beschwerdegegnerin: Hätte sie nicht auf die Verjährungseinrede verzichtet, so wäre der Beschwerdeführer gezwungen gewesen, die Verjährung etwa durch Betreibung oder (damals) durch ein Gesuch um Ladung zu einem amtlichen Sühneversuch zu unterbrechen, wie er dies in der Folge ja auch mehrfach getan hat.
4.4.2 Für eine (interne) Anscheinsbevollmächtigung ist zweitens erforderlich, dass der Vertreter das Verhalten des Vertretenen nach Treu und Glauben als Bevollmächtigung auffassen darf (vgl. E. 4.1). D. und E. waren beide der Auffassung, sie seien beim Ausstellen der einzeln unterzeichneten Verjährungseinredeverzichtserklärungen korrekt vorgegangen. Auch hier ist entscheidend, dass es nach übereinstimmender Aussage dreier Personen üblich war, einzeln zu unterzeichnen. Sowohl D. als auch E. durften aufgrund dieser Praxis davon ausgehen, sie seien zu diesem Handeln bevollmächtigt. Wie ihr Vorgehen zeigt, wurde diese Praxis auch unter F. (zumindest teilweise) faktisch weitergeführt. Relevant ist auch hier, dass eine grosse BGE 141 III 289 S. 294 finanzielle Tragweite bei einem blossen Verzicht auf die Verjährungseinrede wie bereits ausgeführt zu verneinen ist. Sowohl D. als auch E. durften somit nach Treu und Glauben davon ausgehen, die (für bestimmte Geschäfte unbestrittenermassen geltende) Bevollmächtigung zur Einzelunterschrift gelte auch bei der Ausstellung von Verjährungseinredeverzichtserklärungen.
BGE 141 III 289 S. 294
4.4.3 Damit hat die Vorinstanz Bundesrecht verletzt, indem sie eine (interne) Anscheinsbevollmächtigung von D. und E. verneint hat. Sowohl die von D. unterzeichnete Verjährungseinredeverzichtserklärung vom 18. Juni 2004 als auch die von E. unterzeichnete Erklärung vom 19. April 2005 binden mithin die Beschwerdegegnerin. Damit sind die Forderungen des Beschwerdeführers nicht verjährt.
4.4.3
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Urteilskopf
6. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. BUAK Bauarbeiter-Urlaubs- & Abfertigungskasse gegen A. AG (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_249/2014 vom 19. November 2014
Regeste Art. 80 Abs. 1 SchKG ; Art. 1 LugÜ ; Entsenderichtlinie (96/71/EG); Freizügigkeitsabkommen; Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. Kann definitive Rechtsöffnung gestützt auf ein österreichisches Urteil erteilt werden, in welchem eine Schweizer Gesellschaft zu Zahlungen an die österreichische Urlaubskasse für Bauarbeiter verpflichtet wurde? Begriff der Zivil- und Handelssache im Sinne von Art. 1 LugÜ und Abgrenzung von öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Anwendung auf den vorliegenden Fall (E. 3.1). Sachlicher Geltungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und Beurteilung, ob die Leistungen der österreichischen Urlaubskasse darunterfallen (E. 3.2.1-3.2.3). Bedeutung des Gleichbehandlungsgebots gemäss Art. 9 Abs. 1 des Anhangs I des Freizügigkeitsabkommens für die Vollstreckung (E. 3.2.4).
Regeste
Art. 80 Abs. 1 SchKG ; Art. 1 LugÜ ; Entsenderichtlinie (96/71/EG); Freizügigkeitsabkommen; Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. Kann definitive Rechtsöffnung gestützt auf ein österreichisches Urteil erteilt werden, in welchem eine Schweizer Gesellschaft zu Zahlungen an die österreichische Urlaubskasse für Bauarbeiter verpflichtet wurde? Begriff der Zivil- und Handelssache im Sinne von Art. 1 LugÜ und Abgrenzung von öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Anwendung auf den vorliegenden Fall (E. 3.1). Sachlicher Geltungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und Beurteilung, ob die Leistungen der österreichischen Urlaubskasse darunterfallen (E. 3.2.1-3.2.3). Bedeutung des Gleichbehandlungsgebots gemäss Art. 9 Abs. 1 des Anhangs I des Freizügigkeitsabkommens für die Vollstreckung (E. 3.2.4).
Art. 80 Abs. 1 SchKG Art. 1 LugÜ Begriff der Zivil- und Handelssache im Sinne von Art. 1 LugÜ und Abgrenzung von öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Anwendung auf den vorliegenden Fall (E. 3.1).
Art. 1 LugÜ Sachlicher Geltungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und Beurteilung, ob die Leistungen der österreichischen Urlaubskasse darunterfallen (E. 3.2.1-3.2.3). Bedeutung des Gleichbehandlungsgebots gemäss Art. 9 Abs. 1 des Anhangs I des Freizügigkeitsabkommens für die Vollstreckung (E. 3.2.4).
Sachverhalt ab Seite 29
Sachverhalt ab Seite 29 BGE 141 III 28 S. 29
BGE 141 III 28 S. 29
A. Die A. AG (Beschwerdegegnerin) war im ersten Halbjahr 2010 an einem Bauprojekt in U. (Österreich) beteiligt. Die BUAK Bauarbeiter-Urlaubs- & Abfertigungskasse (Kasse bzw. Beschwerdeführerin) verlangte von ihr in der Folge die Bezahlung von Lohnzuschlägen für das Urlaubsentgelt der Arbeitnehmer. Die Beschwerdegegnerin entrichtete die geforderten Lohnzuschläge nicht.
A. Die Beschwerdeführerin gelangte daraufhin an das Arbeits- und Sozialgericht Wien. Mit Urteil vom 21. September 2011 verpflichtete es die Beschwerdegegnerin, der Beschwerdeführerin EUR 10'548.18 zuzüglich Zins zu bezahlen und die Beschwerdeführerin mit EUR 3'369.80 zu entschädigen. Das Oberlandesgericht Wien gab in der Folge mit Urteil vom 27. März 2012 der von der Beschwerdegegnerin erhobenen Berufung nicht statt und verpflichtete sie zu einer Parteientschädigung von EUR 1'066.56. Am 11. Oktober 2012 bescheinigte das Arbeits- und Sozialgericht Wien die Vollstreckbarkeit seiner Entscheidung vom 21. September 2011.
Gestützt auf die beiden Urteile vom 21. September 2011 und 27. März 2012 setzte die Beschwerdeführerin mit Zahlungsbefehl Nr. x des Betreibungsamts V. vom 2. Januar 2013 Fr. 12'884.90 nebst 7 % Zins seit 26. August 2010, Fr. 243.05 (Zins bis 25. August 2010), Fr. 4'116.30 nebst 7 % Zins seit 21. September 2011, Fr. 1'302.85 nebst 7 % Zins seit 27. März 2012 sowie Fr. 500.- nebst 5 % Zins seit 17. Dezember 2012 in Betreibung. Die Beschwerdegegnerin erhob Rechtsvorschlag.
B. Am 3. April 2013 gelangte die Beschwerdeführerin an das Kreisgericht St. Gallen. Sie verlangte die Erteilung der definitiven BGE 141 III 28 S. 30 Rechtsöffnung für die in Betreibung gesetzten Beträge nebst Zins (mit Ausnahme der Position über Fr. 500.- nebst Zins) und zuzüglich der Zahlungsbefehlskosten. Das Kreisgericht wies das Begehren mit Entscheid vom 16. August 2013 ab.
B. BGE 141 III 28 S. 30
C. Gegen diesen Entscheid erhob die Beschwerdeführerin am 5. September 2013 Beschwerde an das Kantonsgericht St. Gallen. Sie beantragte die Erteilung der definitiven Rechtsöffnung. Mit Entscheid vom 19. Februar 2014 wies das Kantonsgericht die Beschwerde ab.
C. D. Am 26. März 2014 hat die Beschwerdeführerin Beschwerde in Zivilsachen, eventuell subsidiäre Verfassungsbeschwerde, an das Bundesgericht erhoben. Sie verlangt die Aufhebung des Entscheids des Kantonsgerichts und die Erteilung der definitiven Rechtsöffnung.
D. Die Beschwerdegegnerin beantragt in ihrer Vernehmlassung vom 21. Mai 2014, auf die Beschwerde nicht einzutreten und sie eventualiter abzuweisen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
2. Hintergrund des Streits sind die unterschiedlichen Regelungen in der Schweiz und in Österreich über die Ferienentschädigungen von Arbeitnehmern in der Baubranche. In beiden Ländern besteht Anspruch auf bezahlten Urlaub. In der Schweiz zahlt der Arbeitgeber den Ferienlohn im Rahmen der Lohnzahlungen direkt dem Arbeitnehmer aus ( Art. 329d OR ; vgl. BGE 132 III 172 E. 3.1 S. 174; BGE 129 III 493 E. 3 S. 495 ff.). Demgegenüber hat nach österreichischem Recht der Arbeitgeber die sog. "Zuschläge" an die Beschwerdeführerin abzuliefern, die das Urlaubsentgelt beim Ferienbezug an den Arbeitgeber zuhanden des Arbeitnehmers oder ausnahmsweise direkt an den Arbeitnehmer auszahlt (§§ 8 und 21a des österreichischen Bundesgesetzes betreffend den Urlaub und die Abfertigung für Arbeitnehmer in der Bauwirtschaft; Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz; BUAG). Bei entsandten Arbeitnehmern, um die es vorliegend geht, wird das Urlaubsentgelt direkt dem Arbeitnehmer ausbezahlt (§ 33f Abs. 3 BUAG). Nachdem die Beschwerdegegnerin die von ihr verlangten Zuschläge der Beschwerdeführerin nicht abgeliefert hat, hat Letztere diese erfolgreich vor den österreichischen Gerichten eingeklagt. BGE 141 III 28 S. 31
2. Art. 329d OR BGE 141 III 28 S. 31
Umstritten ist, ob die Beschwerdeführerin diese zu ihren Gunsten ausgefallenen österreichischen Urteile in der Schweiz auf dem Betreibungsweg vollstrecken lassen kann. Die Vorinstanz hat dies verneint mit der Begründung, die Forderung der Beschwerdeführerin sei öffentlich-rechtlicher Natur und falle deshalb nicht unter das LugÜ (SR 0.275.12). Auch die aufgrund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA; SR 0.142.112.681) anzuwendenden Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (SR 0.831.109.268.1) und (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (SR 0.831.109.268.11) kämen als Grundlage hiefür nicht in Betracht. Die Vollstreckbarkeit lasse sich schliesslich auch nicht auf einen "völkerrechtlichen Anspruch auf Gleichbehandlung" oder die Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. L 18 vom 21. Januar 1997 S. 1; nachfolgend: Entsenderichtlinie) abstützen.
3. Gemäss Art. 80 Abs. 1 SchKG kann der Gläubiger beim Richter die Aufhebung des Rechtsvorschlags (definitive Rechtsöffnung) verlangen, wenn seine Forderung auf einem vollstreckbaren gerichtlichen Entscheid beruht. Während ausländische Zivilentscheide in der Schweiz der Vollstreckung grundsätzlich zugänglich sind, da sie gestützt auf Staatsvertragsrecht (insbesondere Art. 32 ff. LugÜ ) und subsidiär gestützt auf Art. 25 ff. IPRG (SR 291) für vollstreckbar erklärt und hernach vollstreckt werden können, ist eine Vollstreckung ausländischer öffentlich-rechtlicher Forderungen in der Regel nicht möglich, da staatsvertragliche Bestimmungen, die dies vorsehen würden, nur ausnahmsweise bestehen (vgl. DANIEL STAEHELIN, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 2. Aufl. 2010, N. 59 ff. und 145 ff. zu Art. 80 SchKG ).
3. Art. 80 Abs. 1 SchKG Art. 32 ff. LugÜ Art. 25 ff. IPRG Art. 80 SchKG 3.1
3.1 3.1.1 Zunächst ist zu prüfen, ob die als Rechtsöffnungstitel vorgelegten Urteile gestützt auf das LugÜ in der Schweiz vollstreckt werden können. Dies würde voraussetzen, dass die als BGE 141 III 28 S. 32 Rechtsöffnungstitel vorgelegten Urteile eine Zivil- und Handelssache im Sinne von Art. 1 Ziff. 1 und Ziff. 2 LugÜ betreffen (ROLF SCHULER, in: Basler Kommentar, Lugano-Übereinkommen, 2011, N. 4 zu Art. 32 LugÜ ; vgl. BGE 140 III 320 E. 10 S. 334). Keine Zivil- und Handelssachen sind namentlich Steuer- und Zollsachen, verwaltungsrechtliche Angelegenheiten und Angelegenheiten der sozialen Sicherheit ( Art. 1 Ziff. 1 und Art. 1 Ziff. 2 lit. c LugÜ ). Der Begriff der "Zivil- und Handelssache" ist vertragsautonom und nicht nach einer der berührten nationalen Rechtsordnungen auszulegen ( BGE 124 III 436 E. 2c S. 439). Bei der Auslegung zu berücksichtigen ist die Rechtsprechung des EuGH zum Europäischen Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) und zur Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO), soweit sich ein entsprechender Entscheid des EuGH nicht massgeblich auf gemeinschaftsrechtliche Grundsätze stützt, die die Schweiz nicht mitträgt (Art. 1 Ziff. 1 des Protokolls Nr. 2 zum LugÜ; BGE 140 III 320 E. 6.1 S. 322; BGE 139 III 232 E. 2.2 S. 234; BGE 138 III 386 E. 2.6 S. 391 f.; BGE 135 III 185 E. 3.2 S. 189).
3.1.1 BGE 141 III 28 S. 32
Art. 1 Ziff. 1 und Ziff. 2 LugÜ Art. 32 LugÜ Art. 1 Ziff. 1 und Art. 1 Ziff. 2 lit. c LugÜ Der Begriff der "Zivil- und Handelssache" ist weit auszulegen ( BGE 124 III 382 E. 6e S. 397, BGE 124 III 436 E. 3a S. 440). Abzustellen ist auf materiellrechtliche Kriterien. Nicht entscheidend ist, ob eine der Parteien öffentlich-rechtlich konstituiert ist ( BGE 124 III 134 E. 2b/aa/bbb S. 139). Irrelevant ist ebenfalls, ob ein Zivil-, Straf- oder Verwaltungsgericht über den zu vollstreckenden Anspruch befunden hat (Urteil 5A_162/2009 vom 15. Mai 2009 E. 3.3). Gemäss der vom Bundesgericht übernommenen Rechtsprechung des EuGH ist das massgebliche Kriterium zur Abgrenzung von zivil- und öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, ob das streitige Rechtsverhältnis im Zusammenhang mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse steht. Demgegenüber ist selbst dann von einer Zivil- und Handelssache auszugehen, wenn Befugnisse zwar von einem Hoheitsträger wahrgenommen werden, diese aber nicht von den im Verhältnis zwischen Privatpersonen geltenden Regeln abweichen ( BGE 124 III 436 E. 3a S. 440 mit Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 21. April 1993 C-172/91 Sonntag, Slg. 1993 I-1963 Randnrn. 20 und 22).
3.1.2 Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ergibt sich Folgendes: Nicht entscheidend ist, dass die Beschwerdeführerin eine BGE 141 III 28 S. 33 Körperschaft des österreichischen öffentlichen Rechts ist (§ 14 Abs. 2 BUAG). Entscheidend ist vielmehr, ob die Beschwerdeführerin hoheitlich gehandelt hat, wobei massgeblich darauf abzustellen ist, ob sie Befugnisse wahrgenommen hat, die von den im Verhältnis zwischen Privatpersonen geltenden Regeln abweichen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Tätigkeit der Beschwerdeführerin grundsätzlich auf privatrechtliche Arbeitsverträge (§ 1 Abs. 1 BUAG) bezieht und den privatrechtlichen Anspruch der Arbeitnehmer auf Urlaub und Urlaubsentgelt zum Gegenstand hat (vgl. zur Qualifizierung dieser Ansprüche für den Bereich von EuGVVO/LugÜ KROPHOLLER/VON HEIN, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl. 2011, N. 39 zu Art. 1 EuGVO; THOMAS MÜLLER, in: Lugano-Übereinkommen [LugÜ], Dasser/Oberhammer [Hrsg.], 2. Aufl. 2011, N. 37 zu Art. 18 LugÜ ; vgl. jedoch § 8 Abs. 1 letzter Satz und § 33f Abs. 2 BUAG, wonach sich der Urlaubsentgeltsanspruch gegen die Kasse richtet). Die Beschwerdeführerin geht davon aus, dass dieser privatrechtliche Aspekt im Vordergrund steht und das LugÜ deshalb anzuwenden ist.
3.1.2 BGE 141 III 28 S. 33
Art. 18 LugÜ Es ist nun jedoch zu beachten, dass vorliegend nicht ein Arbeitnehmer seinen Urlaubsentgeltsanspruch geltend macht, sondern die mit der Erhebung dieser Gelder und der Durchführung der damit zusammenhängenden Aufgaben betraute Beschwerdeführerin (§ 14 Abs. 1 BUAG) entsprechende Zahlungen von der Beschwerdegegnerin verlangt. Es geht vorliegend nicht um den Anspruch der Arbeitnehmer, sondern um die Art des Auftretens der Kasse gegenüber den Arbeitgebern bzw. gegenüber der Beschwerdegegnerin. Dem BUAG lässt sich dazu Folgendes entnehmen: Werden Arbeitnehmer ohne gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich von einem Arbeitgeber nach Österreich entsandt, so gelten im Vergleich zum Normalfall (d.h. zum binnen-österreichischen Fall) modifizierte Vorschriften (§§ 33d ff. BUAG). Gemäss § 33f i.V.m. § 21 Abs. 1 BUAG wird der Aufwand der Kasse an Urlaubsentgelten und der Aufwand an Verwaltungskosten durch die Entrichtung von Lohnzuschlägen bestritten. Somit enthält der Zuschlag nicht nur die Ansprüche des Arbeitnehmers auf Ferienlohn, sondern insbesondere auch den Verwaltungsaufwand der Beschwerdeführerin. Ob und in welchem Umfang in die Forderung der Kasse vorliegend auch die Nebenleistungen gemäss § 26 BUAG (auf das Urlaubsentgelt entfallende Sozialversicherungsbeiträge und lohnabhängige gesetzliche Abgaben und Beiträge) eingeflossen sind (§§ 33d ff. BUAG verweisen nicht direkt BGE 141 III 28 S. 34 auf § 26 BUAG) oder wie hoch der Anteil der Verwaltungskosten ausfällt, ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil nicht. Die Kasse hat vor Bundesgericht jedoch zugestanden, dass sie Steuern und Sozialversicherungsbeiträge erhebt. Demgegenüber finden ihre Ausführungen zur angeblich geringen Höhe der Verwaltungsbeiträge im angefochtenen Urteil keine Stütze, bleiben unbelegt und sind appellatorisch und deshalb nicht zu berücksichtigen ( Art. 105 Abs. 1 und Art. 97 Abs. 1 BGG ; BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246; BGE 137 II 353 E. 5.1 S. 356). Aus dem BUAG folgt sodann, dass die Höhe der Zuschläge auf Antrag der Körperschaften der Arbeitnehmer und Arbeitgeber durch Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales festgelegt wird (§ 21 Abs. 1 BUAG). Den Arbeitgeber treffen zahlreiche Verfahrenspflichten: Er hat von sich aus zahlreiche Angaben der Kasse zu melden, insbesondere Angaben über die Arbeitnehmer, ihren Lohn und die Art, die Dauer und den Ort ihres Einsatzes in Österreich (§ 33g Abs. 1 i.V.m. § 22 BUAG). Er muss der Kasse Einsicht in die Lohnaufzeichnungen und Geschäftsunterlagen und weitere Dokumente gewähren (§ 33h Abs. 1 i.V.m. §§ 23 und 23a Abs. 3 BUAG). Die Bediensteten der Kasse haben das Recht zu Baustellenkontrollen und zum Betreten der Aufenthaltsräume der Arbeitnehmer (§ 33h Abs. 1 i.V.m. § 23a BUAG). Den Arbeitgeber trifft eine umfassende Auskunftspflicht (§ 33h Abs. 1 i.V.m. §§ 23a Abs. 3 und 23b Abs. 2 und 3 BUAG). Zum Inkasso ist Folgendes zu beachten: Die Kasse schreibt dem Arbeitgeber aufgrund seiner Meldungen oder bei Nichteinhaltung der Meldepflicht aufgrund der letzten Meldung oder eigener Ermittlungen den Betrag vor, der als Summe der Zuschläge zu leisten ist (§ 33h Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 1 i.V.m. § 22 Abs. 5 BUAG). Mangels entsprechenden Verweises scheint der Arbeitgeber in Entsendungsfällen gegen diese "Vorschreibung" - anders als in binnen-österreichischen Fällen - keine Einwendungen an die Kasse erheben zu können (§ 25 Abs. 1b BUAG). Zahlt der Arbeitgeber nicht fristgerecht, hat die Kasse ihm eine Nachfrist von zwei Wochen anzusetzen, wobei ab dem Fälligkeitszeitpunkt Verzugszinsen von 7 % geschuldet sind (§ 33h Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 2 BUAG). Leistet er immer noch nicht, hat die Kasse die Zuschläge auf dem Gerichtsweg beim Arbeits- und Sozialgericht Wien einzuklagen, wobei die Kasse berechtigt ist, alle zur Einbringung der Leistungen erforderlichen und zweckmässigen Massnahmen zu treffen (§ 33h Abs. 2 und 3 BUAG). Demgegenüber reicht die Kompetenz der Kasse in binnen-österreichischen Fällen weiter, denn dort fertigt sie den Vollstreckungstitel in Form des sog. BGE 141 III 28 S. 35 "Rückstandsausweises" selber aus (§ 25 Abs. 3 BUAG) und es obliegt dem Arbeitgeber, bei der Bezirksverwaltungsbehörde dagegen Einspruch zu erheben (§ 25 Abs. 5 ff. BUAG). Bei Widerhandlungen gegen die Melde-, Offenlegungs- und Auskunftspflichten sowie gegen die Verpflichtung zur Bezahlung der Zuschläge drohen Geldstrafen (§ 32 BUAG), wobei mangels ausdrücklichen Verweises in §§ 33d ff. BUAG wiederum unklar ist, ob dies auch in Entsendefällen gilt.
BGE 141 III 28 S. 34
Art. 105 Abs. 1 und Art. 97 Abs. 1 BGG BGE 141 III 28 S. 35
Angesichts der geschilderten Aufgaben und Befugnisse der Kasse und den zahlreichen Pflichten, denen sich die Arbeitgeber zu unterziehen haben, erscheint das Verhältnis zwischen den Parteien als solches der Subordination. Arbeitgeber und die Kasse treten zu kaum einem Zeitpunkt als gleichrangige Rechtssubjekte auf. Im Gegensatz zu privaten Vereinbarungen unterwirft sich die Arbeitgeberin all ihren Pflichten und den Kontrollbefugnissen der Kasse nicht konsensual, sondern ist sie diesen von Gesetzes wegen unterstellt. Das einzige Element, das in Entsendefällen einen Anschein von Gleichrangigkeit erweckt, ist die Verweisung der Kasse auf den Klageweg, statt dass sie sich - wie in binnen-österreichischen Fällen - den Vollstreckungstitel selber verschaffen kann. Zwischen Privatpersonen besteht demgegenüber typischerweise kein solches Machtgefälle. Wenn im Vertrags- oder Gesellschaftsrecht vergleichbare Kontrollrechte und Meldepflichten bestehen, dann typischerweise nicht (direkt) von Gesetzes wegen, sondern aufgrund entsprechender Verträge oder aufgrund eines Beitritts zu einer Körperschaft, die entsprechende Befugnisse gegenüber ihren Mitgliedern beansprucht (vgl. zum Aspekt der Freiwilligkeit der Verpflichtung Urteil des EuGH vom 15. Mai 2003 C-266/01 Préservatrice foncière TIARD, Slg. 2003 I-4867 Randnrn. 33 f.). Die Beschwerdeführerin versucht in ihrer Beschwerde zwar den Eindruck zu erwecken, sie sei eine blosse Zahlstelle oder Durchgangsstation für die Begleichung einer privatrechtlichen Forderung. Ihre Aufgaben und Befugnisse gehen jedoch weit über dasjenige hinaus, was eine blosse Zahlstelle zu leisten hätte.
Aus den von der Beschwerdeführerin zitierten Belegen (einem Auszug aus dem Kommentar von MARTINEK und WIDORN zum BUAG, S. 59 f, und dem Urteil des OGH 8ObA 2/11v vom 25. Oktober 2011) lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen, geht es doch dort nicht um das Verhältnis zwischen der Kasse und dem Arbeitgeber, sondern primär um den Anspruch des Arbeitnehmers auf BGE 141 III 28 S. 36 Urlaubsentgelt und um die Anrechnung von Direktzahlungen, die der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer aufgrund einer anderen österreichischen Urlaubsgesetzgebung geleistet hat, auf den Urlaubsentgeltsanspruch gemäss BUAG. Nicht zu hören ist die Beschwerdeführerin mit ihrer Behauptung (wiederum unter Bezug auf das zitierte Urteil des OGH), wonach die Anrechnung von direkt den Arbeitnehmern ausgerichteten Ferienlöhnen auf die Zuschlagsforderung möglich gewesen wäre, was die zivilrechtliche Natur der Zuschlagsforderung untermauere. Dem ist entgegenzuhalten, dass das Sozial- und Arbeitsgericht eine Aufrechnung kategorisch abgelehnt hat (und nicht etwa nur wegen mangelnden Beweisanerbietens durch die Beschwerdegegnerin über ihre erbrachten Leistungen, wie die Beschwerdeführerin vorbringt) und eine Freistellung nur im Rahmen von § 33i Abs. 4 BUAG (vergleichbares Sozial- und Urlaubskassensystem im Sitzstaat des Arbeitgebers, also in der Schweiz) in Betracht gezogen hat, wobei die Voraussetzungen für eine solche Freistellung aber vorliegend nicht erfüllt seien. Die Beschwerdeführerin macht sodann geltend, sie diene den Interessen der Arbeitnehmer. Sie nehme ihnen das Risiko der Einbringlichmachung ihrer Urlaubsentgeltsansprüche ab und es bleibe ihnen erspart, diese gerichtlich gegen ihre Arbeitgeber durchzusetzen. Das Urlaubskassensystem solle sicherstellen, dass den entsandten Arbeitnehmern der Urlaub faktisch gewährt wird und sie ihr Urlaubsentgelt in der nach österreichischem Lohnniveau entsprechenden Höhe erhielten. Dies diene der Vermeidung von Sozialdumping. Somit stelle das Urlaubskassenverfahren bloss ein Instrument zur Absicherung zivilrechtlicher Ansprüche und zur Verhinderung von Sozialdumping dar. Diese Vorbringen sprechen allerdings nicht gegen die öffentlich-rechtliche Natur ihrer Forderung gegen die Arbeitgeber. Der Kampf gegen Sozialdumping und dafür, dass die Arbeitnehmer genügend Urlaub beziehen können, liegt im öffentlichen Interesse. Es ist dabei durchaus denkbar, dass der Staat die Durchsetzung von ursprünglich privatrechtlichen Forderungen in die eigene Hand nimmt und sich dabei hoheitlicher Mittel bedient, insbesondere um gewisse Schwächen der einen Vertragspartei zu kompensieren.
BGE 141 III 28 S. 36
Insgesamt erscheint das Handeln der Beschwerdeführerin gegenüber der Beschwerdegegnerin demnach als hoheitlich. Das Vorgehen der Beschwerdegegnerin stützt sich auf andere rechtliche Grundlagen als die zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber geltenden, und es weicht in den Modalitäten wesentlich von denjenigen ab, die bei einem Vorgehen des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber BGE 141 III 28 S. 37 gelten würden (vgl. Urteil des EuGH vom 15. Januar 2004 C-433/01 Blijdenstein, Slg. 2004 I-981 Randnr. 20 mit Hinweis). Bezeichnenderweise spricht auch das Arbeits- und Sozialgericht Wien davon, es gehe um öffentlich-rechtliche Forderungen (S. 4 des Urteils des Arbeits- und Sozialgerichts; vgl. auch § 28 Abs. 1 BUAG, wonach die Zuschläge gemäss § 21 BUAG als öffentliche Abgaben gelten, wobei §§ 33d ff. BUAG allerdings nicht auf diese Norm verweisen).
BGE 141 III 28 S. 37
Die Beschwerdeführerin leitet die zivilrechtliche Natur ihrer Forderung schliesslich aus der Richtlinie 96/71/EG (Entsenderichtlinie) ab (vgl. dazu BRITTA BONFRANCHI-GEB, Hintergrund und Tragweite der "Entsenderichtlinie" der Europäischen Union, recht 15/1997 S. 219 ff.). Das Freizügigkeitsabkommen nimmt auf diese Richtlinie in Art. 22 Abs. 2 von Anhang I (mit Verweis auf Art. 16 FZA ) Bezug (vgl. EPINEY/ZBINDEN, Arbeitnehmerentsendung undFreizügigkeitsabkommen Schweiz-EG, 2009, S. 44). Aus dieser Richtlinie lässt sich zwar das Bestreben ableiten, den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr zu fördern und sicherzustellen, dass entsandte Arbeitnehmer nicht schlechter gestellt sind als inländische Arbeitnehmer im Staat, in dem die Arbeitsleistung erbracht wird. Art. 3 Abs. 1 lit. b der Entsenderichtlinie nennt als Bereich, in dem eine Schlechterstellung untersagt ist, insbesondere den bezahlten Mindestjahresurlaub. Gemäss Darstellung der Beschwerdeführerin sollen §§ 33d ff. BUAG diese Richtlinie in Österreich umsetzen. Die Richtlinie bildet aber keine Grundlage, um den Begriff der Zivil- und Handelssache des LugÜ anders auszulegen oder die im BUAG vorgesehenen Instrumente der Rechtsdurchsetzung anders zu qualifizieren, als soeben dargestellt. Solches lässt sich entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin insbesondere weder aus Art. 5 der Richtlinie ableiten, wonach die Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass den Arbeitnehmern oder ihren Vertretern für die Durchsetzung der aus der Richtlinie folgenden Verpflichtungen geeignete Verfahren zur Verfügung stehen, noch aus Art. 6 der Richtlinie, wonach zur Durchsetzung des Rechts auf die in Art. 3 gewährleisteten Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen eine Klage in dem Mitgliedstaat erhoben werden kann, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer entsandt worden ist. Ob das Handeln der Kasse zivil- oder öffentlich-rechtlicher Natur ist, lässt sich der Entsenderichtlinie nicht entnehmen (zum Schlechterstellungsverbot unten E. 3.2.4). Nichts Abweichendes kann die Beschwerdeführerin aus den von ihr angeführten Urteilen des EuGH i.S. Finalarte (Urteil des EuGH vom 25. Oktober 2001 C-49/98 etc. Finalarte u.a., Slg. 2001 I-7831) und BGE 141 III 28 S. 38 Kommission gegen Deutschland (Urteil des EuGH vom 18. Juli 2007 C-490/04 Kommission gegen Deutschland, Slg. 2007 I-6095) entnehmen. Der EuGH hat sich im erstgenannten Urteil bloss zur Zulässigkeit des Urlaubskassensystems (konkret des deutschen) und den entsprechenden Vorbehalten unter dem Gesichtspunkt des EG-Vertrages geäussert, nicht aber zur Vollstreckbarkeit der Forderung der Kasse oder zur Qualifizierung ihrer Forderung. Auch das letztgenannte Urteil äussert sich dazu nicht.
Art. 16 FZA BGE 141 III 28 S. 38
3.1.3 Daraus folgt, dass die von der Beschwerdeführerin in Betreibung gesetzte Forderung öffentlich-rechtlicher Natur ist. Zu Recht hat es die Vorinstanz demnach abgelehnt, die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Urteile in der Schweiz gestützt auf das LugÜ für vollstreckbar zu erklären. Der von der Beschwerdeführerin am Rande angerufene Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Österreich vom 16. Dezember 1960 über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen (SR 0.276.191.632) führt, soweit er nach Inkrafttreten des LugÜ überhaupt noch anwendbar ist, zu keinem anderen Ergebnis.
3.1.3 3.2 Hilfsweise leitet die Beschwerdeführerin die Vollstreckbarkeit der von ihr erstrittenen Urteile aus dem Freizügigkeitsabkommen und der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ab.
3.2 3.2.1 Art. 8 FZA BGE 141 III 28 S. 39
3.2.2 Urlaubsleistungen sind in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 nicht aufgeführt. Die Aufzählung in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ist nach Lehre und Rechtsprechung abschliessend (Urteile des EuGH vom 11. Juli 1996 C-25/95 Otte, Slg. 1996 I-3745 Randnr. 22, und vom 5. März 1998 C-160/96 Molenaar, Slg. 1998 I-843 Randnr. 20 [zur Vorgängerverordnung (EWG)Nr. 1408/71]; MAXIMILIAN FUCHS, in: Europäisches Sozialrecht, 6. Aufl. 2013, N. 3 zu Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004; SCHRAMMEL/WINKLER, Europäisches Arbeits- und Sozialrecht, 2010, S. 243; ROLAND A. MÜLLER, Soziale Sicherheit einschliesslich Anpassungen des schweizerischen Rechts, in: Bilaterale Verträge I & II Schweiz-EU, 2007, Rz. 36). Allerdings hängt die Qualifikation einer Leistung als solche der sozialen Sicherheit im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 nicht von ihrer Bezeichnung, sondern von ihren wesentlichen Merkmalen ab, insbesondere von ihrem Zweck und den Voraussetzungen ihrer Gewährung. Die Leistung muss einen hinreichenden Bezug zu einem der ausdrücklich in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 aufgezählten Risiken aufweisen (Urteil des EuGH vom 11. Juli 1996 C-25/95 Otte, BGE 141 III 28 S. 40 Slg. 1996 I-3745 Randnrn. 21 f.; FUCHS, a.a.O., N. 7 zu Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004; SCHRAMMEL/WINKLER, a.a.O., S. 243).
3.2.2 BGE 141 III 28 S. 40
3.2.3 Die Vorinstanz hat das Vorliegen eines solchen Bezugs zu Recht verneint. Das Urlaubskassensystem dient dazu, den Arbeitnehmern die Durchsetzung eines privatrechtlichen Anspruchs gegen ihre Arbeitgeber (vgl. oben E. 3.1.2, 1. Absatz) zu erleichtern. Dies wird von der Beschwerdeführerin bestätigt und sie führt aus, dieses System solle sodann Sozialdumping verhindern (vgl. oben E. 3.1.2). Zwar sichert das Urlaubsentgelt, ähnlich wie die meisten der in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 aufgezählten Zweige der sozialen Sicherheit, die finanzielle Lage einer Person (und ihrer Angehörigen), die gerade keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Beim Urlaubsbezug handelt es sich allerdings um einen normalen, weitgehend planbaren und bloss kurzfristigen Unterbruch der Erwerbstätigkeit im Interesse der Arbeitnehmer, obschon sie an sich arbeitsfähig wären. Der Urlaubsbezug entspricht nicht dem Eintritt eines Risikos, der den in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 genannten vergleichbar wäre, denn diese treten grundsätzlich mehr oder weniger unvorhergesehen ein und/oder hindern den Betroffenen mehr oder weniger lange bzw. in mehr oder weniger grossem Ausmass tatsächlich an der Erwerbsarbeit. Gemäss Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 sind zwar auch Systeme betreffend die Verpflichtungen von Arbeitgebern erfasst. Durch diese Norm wird jedoch bloss klargestellt, dass die Systeme in verschiedener Art und Weise (insbesondere hinsichtlich der Art der Finanzierung) ausgestaltet sein können und dennoch unter die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 fallen. Diese Norm erweitert aber nicht den sachlichen Geltungsbereich der Verordnung (vgl. FUCHS, a.a.O., N. 30 zu Art. 3 der Verordnung [EG] Nr. 883/2004; Urteil des EuGHvom 3. Juni 1992 C-45/90 Paletta, Slg. 1992 I-3423 Randnrn. 13 ff.). Auch aus dem Aspekt des Sozialdumpings lässt sich nicht ableiten, dass es sich beim Urlaubskassensystem um einen Zweig der sozialen Sicherheit handelt. Der Kampf gegen Sozialdumping dient nicht der individuellen Absicherung der Arbeitnehmer gegen Risiken, sondern allgemein der Bewahrung des erreichten sozialstaatlichen und volkswirtschaftlichen Niveaus eines Landes. Nach Darstellung der Beschwerdeführerin ist das Urlaubskassensystem sodann in den Ländern der EU relativ stark verbreitet. Es ist mithin davon auszugehen, dass diese Systeme ausdrücklich erwähnt worden wären, wenn sie tatsächlich der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 hätten BGE 141 III 28 S. 41 unterstellt werden sollen. Die Vorinstanz hat sodann festgestellt, dass kein Staat und insbesondere auch nicht Österreich eine Erklärung gemäss Art. 9 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 abgegeben habe, wonach das Urlaubskassensystem des betreffenden Staates ein System bzw. eine Regelung nach Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 darstelle. Die Beschwerdeführerin widerspricht dem nicht. Auch aus den von ihr angerufenen Urteilen des EuGH i.S. Finalarte und Kommission gegen Deutschland kann sie im vorliegenden Zusammenhang nichts zu ihren Gunsten ableiten (vgl. oben E. 3.1.2 am Ende). Insbesondere lässt sich ihnen nicht entnehmen, dass die Forderung der Beschwerdeführerin die soziale Sicherheit im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 beschlägt.
3.2.3 BGE 141 III 28 S. 41
3.2.4 Schliesslich beruft sich die Beschwerdeführerin auf den Anspruch auf Gleichbehandlung gemäss Art. 9 Abs. 1 des Anhangs I des FZA.
3.2.4 Dies hat sie bereits vor Kantonsgericht getan. Sie rügt in diesem Zusammenhang eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ( Art. 29 Abs. 2 BV ), weil die Vorinstanz zu wenig begründet habe, weshalb ihr Vorbringen unbegründet sei. Nach konstanter Rechtsprechung hat das Gericht seinen Entscheid zwar zu begründen, doch ist nicht erforderlich, dass es sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt. Vielmehr kann es sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich der Betroffene über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann ( BGE 138 I 232 E. 5.1 S. 237; BGE 134 I 83 E. 4.1 S. 88; je mit Hinweisen). Das Kantonsgericht hat ausgeführt, Art. 9 Abs. 1 des Anhangs I zum FZA bilde keine Grundlage für die Vollstreckung, da es dazu einer ausdrücklichen staatsvertraglichen Grundlage bedürfte. Damit ist das Kantonsgericht seiner Begründungspflicht nachgekommen. Die Rüge der Beschwerdeführerin ist unbegründet.
Art. 29 Abs. 2 BV In der Sache sieht die Beschwerdeführerin Art. 9 Abs. 1 des Anhangs I zum FZA verletzt, wenn sie von der Beschwerdegegnerin die geschuldeten Beträge nicht erhältlich machen und ihren Arbeitnehmern nicht den Schutz des BUAG angedeihen lassen kann.
Gemäss Art. 9 Abs. 1 des Anhangs I zum FZA darf ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei ist, aufgrund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei BGE 141 III 28 S. 42 hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung etc., nicht anders behandelt werden als inländische Arbeitnehmer. Diese Bestimmung richtet sich damit in erster Linie an denjenigen Staat, in den die Arbeiter entsandt werden, und sie dient in erster Linie dem Schutz der Arbeitnehmer. Zur Anerkennung und Vollstreckbarkeit ausländischer öffentlich-rechtlicher Urteile im Entsendestaat, die sich gegen den Arbeitgeber richten, äussert sie sich jedoch nicht. Es mag sein, dass die Tätigkeit der Beschwerdeführerin erschwert wird, wenn sie die von ihr erstrittenen Urteile gegen Schweizer Arbeitgeber in der Schweiz nicht vollstrecken lassen kann. Dies ändert jedoch nichts daran, dass es für die Vollstreckung einer ausdrücklichen gesetzlichen bzw. staatsvertraglichen Grundlage bedürfte. Es ist nicht Aufgabe des Bundesgerichts, in diesem Bereich jenseits der Rechtsanwendung koordinierend einzugreifen (vgl. zum Koordinierungsbedarf im Zusammenhang unterschiedlicher Urlaubsregelungen bei Entsendung über die Landesgrenze Urteil des EuGH Kommission gegen Deutschland, Randnr. 53). Was schliesslich die Behauptung der Beschwerdeführerin betrifft, sie könne bei fehlender Vollstreckbarkeit in der Schweiz ihrer Aufgabe zum Schutz der Arbeitnehmer nicht nachkommen, ist auf Folgendes hinzuweisen: Bei österreichischen Arbeitnehmern scheint der Anspruch auf Urlaubsentgelt im Grundsatz gerade nicht von der faktischen Bezahlung der Zuschläge abzuhängen (§ 8 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 2 und § 4a Abs. 2 BUAG, § 8 Abs. 8 BUAG). Hingegen scheint gemäss § 33f Abs. 2 BUAG ein Anspruch auf Urlaubsentgelt bei entsandten Arbeitnehmern nur in dem Umfang zu entstehen, wie der Arbeitgeber tatsächlich Zuschläge entrichtet. Wenn hier also effektiv Unterschiede im Schutz der Arbeitnehmer bestehen sollten, die sich zulasten der aus der Schweiz entsandten Arbeitnehmer auswirken sollten, so lägen diese in der österreichischen Gesetzgebung begründet.
BGE 141 III 28 S. 42
3.3 Nach dem Gesagten bilden die von der Beschwerdeführerin angerufenen Normen keine Grundlage für die Vollstreckung der zu ihren Gunsten ausgefallenen österreichischen Urteile. Das Kantonsgericht hat die definitive Rechtsöffnung demnach zu Recht verweigert. Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann.
3.3
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Urteilskopf 141 III 294 43. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause A.X. et B.X. contre Z. (recours en matière civile) 4A_703/2014 du 25 juin 2015 Regeste Art. 60 und 59 Abs. 2 lit. b ZPO ; Zivilprozess; Prüfung der örtlichen Zuständigkeit von Amtes wegen durch den Richter mit Blick auf die Theorie der doppelrelevanten Tatsachen. Das Recht am Ort des angerufenen Gerichts (lex fori) bestimmt, ob der Richter verpflichtet ist, die für den Entscheid über die Zuständigkeit wesentlichen Tatsachen von Amtes wegen selbst zu erforschen, oder ob er von den Parteien verlangen kann oder muss, ihm die notwendigen Beweise zu liefern (E. 4). Rechtsprechungsgrundsätze, die bei der Anwendung der Theorie der doppelrelevanten Tatsachen massgebend sind (E. 5.1 und 5.2). Ausnahmen von der Theorie der doppelrelevanten Tatsachen (E. 5.3). Anforderungen, die der Kläger beim Vorbringen seiner Behauptungen und Ausführungen zur Begründung der Klage bezüglich der doppelrelevanten Tatsachen erfüllen muss, damit das angerufene Gericht sich für örtlich zuständig erklären kann (E. 6). Sachverhalt ab Seite 295 BGE 141 III 294 S. 295 A. Le 17 août 2007, C.X., née le 14 février 1944 et domiciliée à P. (VD), a signé, en Italie, sur le papier à en-tête de l'hôtel où elle séjournait, une reconnaissance de dette manuscrite, dont la teneur est la suivante: "RECONNAISSANCE DE DETTE Madame C.X. domiciliée à P., reconnaît devoir par la présente à Monsieur Z. domicilié à R. la somme de CHF 1'850'000 (un million huit cent cinquante mille francs suisses), montant payable d'ici au 30 septembre 2007 au plus tard. Ce montant est dû en raison de l'aide et de l'assistance qu'il m'a apportées au cours de ces cinq dernières années". En 2009, Z. a ouvert une action contre C.X. devant la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois, concluant au paiement de 1'850'000 fr. avec intérêts à 5 % l'an dès le 19 novembre 2008. C.X. est décédée le 4 septembre 2009. Pour mettre fin au litige pendant devant la Cour civile, Z. et les héritiers de C.X., soit ses frères A.X. et B.X., ont passé une convention extrajudiciaire le 19 mai 2010, convenant d'un montant transactionnel de 300'000 fr. à verser par la succession à Z., sans reconnaissance d'une quelconque obligation de part et d'autre, les parties se BGE 141 III 294 S. 296 donnant quittance pour solde de tous comptes et de toutes prétentions. Z. a, par la suite, contesté la validité de cette transaction. B. Le 12 décembre 2011, Z. a ouvert une action en paiement contre l'hoirie de feue C.X. devant la Chambre patrimoniale du canton de Vaud, concluant à ce qu'elle soit condamnée à lui payer les sommes de 1'550'000 fr. avec intérêts à 5 % l'an dès le 19 novembre 2008 et de 8'450 fr. avec intérêts à 5 % l'an dès le 27 août 2009. Le juge délégué de la Chambre patrimoniale a admis, le 6 février 2012, que les héritiers, soit A.X. et B.X., tous deux domiciliés en Suède, sont défendeurs à la procédure. Le 6 septembre 2012, les défendeurs ont formé une "requête incidente" tendant à faire prononcer l'irrecevabilité de l'action pour cause d'incompétence ratione loci. Invité à se prononcer sur cette exception, le demandeur a répondu, dans la partie "en droit" de sa détermination du 16 novembre 2012, que la reconnaissance de dette se fonde sur une convention orale, qui est un contrat de mandat, le montant étant dû en raison de l'aide et de l'assistance apportées à la défunte au cours des cinq dernières années, comme le texte de la reconnaissance de dette le précise, et que l'aide a été apportée par lui, domicilié en Suisse, à la défunte à son domicile de P., de sorte que la Chambre patrimoniale est compétente localement sur la base du lieu de l'exécution de ce contrat ( art. 31 CPC ). Par jugement incident du 13 juin 2013, la Chambre patrimoniale a déclaré recevable la demande de Z., admettant la compétence des juridictions suisses sur la base de l'art. 5 par. 1 let. b, 2 e tiret, de la Convention de Lugano révisée du 30 octobre 2007 (Convention de Lugano, CL; RS 0.275.12). Statuant par arrêt du 24 octobre 2014, la Cour d'appel civile du Tribunal cantonal vaudois a rejeté l'appel des défendeurs et confirmé le jugement de première instance. C. Les défendeurs exercent un recours en matière civile au Tribunal fédéral contre cet arrêt. Ils concluent à l'admission de leur recours et à la réforme de l'arrêt attaqué en ce sens que la demande est déclarée irrecevable. Subsidiairement, ils concluent à l'annulation de l'arrêt et au renvoi de la cause à la cour cantonale pour nouvelle décision dans le sens des considérants. Ils invoquent la violation de l' art. 55 BGE 141 III 294 S. 297 al. 1 CPC dans l'établissement des faits et l'absence d'allégation des faits déterminants, ce qui, selon eux, aurait dû conduire la cour cantonale à déclarer la demande irrecevable. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours. (résumé) Erwägungen Extrait des considérants: 4. La cause est de nature internationale, puisque les défendeurs sont domiciliés en Suède ( art. 1 al. 1 LDIP [RS 291] et art. 2 CPC ). En effet, selon la jurisprudence, une cause est de nature internationale lorsqu'elle a une connexité suffisante avec l'étranger, ce qui est toujours le cas lorsque l'une des parties possède son domicile ou son siège à l'étranger, peu importe que ce soit le demandeur ou le défendeur, et indépendamment de la nature de la cause (arrêt 4A_443/2014 du 2 février 2015 consid. 3.1; à propos de l'aLFors, cf. ATF 131 III 76 consid. 2.3; en matière d'arbitrage international, cf. l' art. 176 al. 1 LDIP ). Il n'est plus contesté que la Convention de Lugano révisée du 30 octobre 2007, entrée en vigueur pour la Suisse le 1 er janvier 2011 et pour la Suède le 1 er janvier 2010, est applicable en l'espèce. Et seul le for contractuel demeure litigieux. C'est la loi du for (lex fori) qui détermine si le juge doit établir d'office les faits pertinents pour l'appréciation de sa compétence ou s'il peut ou doit demander aux parties de lui fournir les preuves requises, les art. 25 et 26 CL ne contenant que quelques précisions quant à l'examen (d'office) de sa compétence par le juge ( ATF 139 III 278 consid. 4.2 et les références). 5. Avant d'examiner quelles sont les exigences d'allégation qui pèsent sur le demandeur, il s'impose de rappeler les principes jurisprudentiels développés sous le nom de "théorie de la double pertinence". 5.1 Les faits déterminants pour l'examen de la compétence sont soit des faits "simples", soit des faits "doublement pertinents" (arrêt 4A_28/2014 du 10 décembre 2014 consid. 4.2). Les faits sont simples ( einfachrelevante Tatsachen ) lorsqu'ils ne sont déterminants que pour la compétence. Ils doivent être prouvés au stade de l'examen de la compétence, lorsque la partie défenderesse soulève l'exception de déclinatoire en contestant les allégués du demandeur (arrêts 4A_28/2014 déjà cité, consid. 4.2.1; 4A_113/2014 du 15 juillet 2014 consid. 2.3, non publié in ATF 140 III 418 ; BGE 141 III 294 S. 298 ATF 137 III 32 consid. 2.3 p. 34 s.; ATF 134 III 27 consid. 6.2.1 p. 34 s.; ATF 133 III 295 consid. 6.2 p. 298 s.; ATF 122 III 249 consid. 3b/bb p. 252). Les faits sont doublement pertinents ou de double pertinence ( doppelrelevante Tatsachen ) lorsque les faits déterminants pour la compétence du tribunal sont également ceux qui sont déterminants pour le bien-fondé de l'action. C'est à ces faits que s'applique la théorie de la double pertinence. 5.2 Selon cette théorie, le juge saisi examine sa compétence sur la base des allégués, moyens et conclusions de la demande (der eingeklagte Anspruch und dessen Begründung), sans tenir compte des objections de la partie défenderesse ( ATF 136 III 486 consid. 4 p. 487; arrêt 4A_630/2011 du 7 mars 2012 consid. 2.2, non publié in ATF 138 III 166 ). L'administration des preuves sur les faits doublement pertinents est renvoyée à la phase du procès au cours de laquelle est examiné le bien-fondé de la prétention au fond. Tel est notamment le cas lorsque la compétence dépend de la nature de la prétention alléguée, par exemple lorsque le for a pour condition l'existence d'un acte illicite ou d'un contrat (arrêts 4A_28/2014 déjà cité, consid. 4.2.2; 4A_113/2014 déjà cité, consid. 2.3; ATF 137 III 32 consid. 2.3 p. 34; ATF 133 III 295 consid. 6.2 p. 298 s.; ATF 122 III 249 consid. 3b/bb p. 252). Autrement dit, au stade de l'examen et de la décision sur la compétence, phase qui a lieu d'entrée de cause (cf. art. 60 CPC ), les faits doublement pertinents n'ont pas à être prouvés; ils sont censés établis sur la base des allégués, moyens et conclusions du demandeur. Ainsi, le tribunal doit décider, en fonction des écritures du demandeur, si, par exemple, un acte illicite a été commis. - Si tel n'est pas le cas, les conditions permettant de fonder la compétence du tribunal saisi ne sont pas remplies et la demande doit être déclarée irrecevable. - Si tel est le cas, le tribunal saisi admet sa compétence. L'administration des moyens de preuve sur les faits doublement pertinents, soit sur l'acte illicite, aura lieu ultérieurement dans la phase du procès au fond, soit au cours des débats principaux. - S'il se révèle alors que le fait doublement pertinent n'est pas prouvé, par exemple qu'il n'y a pas eu d'acte illicite, le tribunal rejette la demande, par un jugement revêtu de l'autorité de la chose jugée. BGE 141 III 294 S. 299 - S'il se révèle que le fait doublement pertinent est prouvé, par exemple que l'acte illicite a eu lieu, le tribunal examine alors les autres conditions de la prétention au fond. En revanche, la localisation de l'acte illicite allégué, soit la question de savoir s'il a eu lieu en Suisse, est un fait simple, qui doit être prouvé au stade de l'examen de la compétence (cf. consid. 5.1. ci-dessus). En effet, la constatation portant sur le lieu où l'acte illicite a été commis est sans pertinence pour le bien-fondé de la prétention au fond (arrêt 4C.329/2005 du 5 mai 2006 consid. 2.2, non publié in ATF 132 III 579 ). Dans l'arrêt 4A_28/2014 du 10 décembre 2014, le Tribunal fédéral n'a pas entendu modifier ces principes qui sous-tendent la jurisprudence publiée, un changement de jurisprudence étant d'ailleurs soumis à des exigences strictes dont la réalisation n'y a pas été discutée (cf. ATF 136 III 6 consid. 3; ATF 140 II 334 consid. 6; arrêts 4A_546/2013 du 13 mars 2014 consid. 3; 5A_39/2014 du 12 mai 2014 consid. 3.2, non publié in ATF 140 III 167 ). Il y a lieu de corriger l'erreur (cf. ATF 134 III 354 consid. 1.4 et 1.5) qui s'est glissée dans cet arrêt lorsqu'il y est dit que le "renvoi de l'administration des preuves au fond ne signifie évidemment pas qu'un rejet pour défaut de compétence ne puisse plus être prononcé" et "que le juge statuera sur la compétence..." (cf. ANDREAS BUCHER, Vers l'implosion de la théorie des faits doublement pertinents, SJ 2015 II p. 67 ss). Certes, après l'administration des preuves sur les faits doublement pertinents, le tribunal peut se rendre compte que, contrairement à ce qu'il avait décidé d'entrée de cause dans sa décision admettant sa compétence, celle-ci n'est en réalité pas donnée. Toutefois, il ne peut et ne doit pas alors rendre un nouveau jugement sur sa compétence, puisqu'il ne saurait revenir sur la décision qu'il a prise d'entrée de cause à ce sujet; lorsque, par exemple, l'existence d'un acte illicite n'est pas établie, il doit rejeter la demande par un jugement au fond, lequel est revêtu de l'autorité de la chose jugée. Comme le relève BUCHER (op. cit., p. 72), "le défaut de la théorie... consiste en effet à autoriser le juge à constater sa compétence sans en vérifier toutes les conditions, et à renvoyer l'examen des faits doublement pertinents à la procédure au fond, sans tenir compte de l'incidence des mêmes faits sur l'application des règles de compétence". Cette théorie est néanmoins justifiée dans son résultat, dès lors que le demandeur qui choisit d'introduire son action à un for spécial n'a pas un intérêt à pouvoir, en cas d'échec, la porter ensuite au for ordinaire ou à un autre for BGE 141 III 294 S. 300 spécial (cf. en particulier ALEXANDER R. MARKUS, Internationales Zivilprozessrecht, 2014, ch. 597 p. 157). L'application de la théorie de la double pertinence n'est pas régie par la Convention de Lugano, mais par la loi du for ( ATF 134 III 27 consid. 6.2 et la référence). L'arrêt de la Cour de justice de l'Union européenne du 28 janvier 2015 dans l'affaire C-375/13 Harald Kolassa contre Barclays Bank plc (cité par BUCHER, op. cit., p. 76) ne dit pas autre chose. Selon cet arrêt (point 65), "il n'y a pas lieu de procéder à une administration détaillée de la preuve en ce qui concerne les éléments de fait litigieux qui sont pertinents à la fois pour la question de la compétence et pour l'existence du droit invoqué; il est toutefois loisible à la juridiction saisie d'examiner sa compétence internationale à la lumière de toutes les informations dont elle dispose, y compris, le cas échéant, les contestations émises par le défendeur". En d'autres termes, le juge national peut se baser sur les seuls allégués du demandeur, mais la Cour de justice n'interdit pas non plus au juge national de prendre en compte toutes les circonstances. En l'état, il n'y a pas lieu d'examiner plus avant les critiques de BUCHER à cet égard (op. cit., p. 75 et 76). 5.3 Il est fait exception à l'application de la théorie de la double pertinence en cas d'abus de droit de la part du demandeur, par exemple lorsque la demande est présentée sous une forme destinée à en déguiser la nature véritable ou lorsque les allégués sont manifestement faux. Dans ces situations d'abus, la partie adverse doit être protégée contre la tentative du demandeur de l'attraire au for de son choix ( ATF 137 III 32 consid. 2.3; ATF 136 III 486 consid. 4 p. 488 et les références; arrêts 4A_28/2014 déjà cité, consid. 4.2.2; 4A_31/2011 du 11 mars 2011 consid. 2; 4A_630/2011 déjà cité, consid. 2.2). La théorie de la double pertinence n'entre par ailleurs pas en ligne de compte lorsque la compétence d'un tribunal arbitral est contestée, car il est exclu de contraindre une partie à souffrir qu'un tel tribunal se prononce sur des droits et obligations litigieux s'ils ne sont pas couverts par une convention d'arbitrage valable. Ladite théorie n'est pas non plus applicable lorsque la question de l'immunité de juridiction est invoquée par un Etat (arrêt 4A_28/2014 consid. 4.2.2; ATF 131 III 153 consid. 5.1 p. 158; ATF 124 III 382 consid. 3b p. 387). 6. Il y a lieu d'examiner désormais quelles sont les exigences auxquelles le demandeur doit satisfaire dans la présentation de ses allégués et de ses moyens sur les faits doublement pertinents afin que, BGE 141 III 294 S. 301 dans sa décision rendue d'entrée de cause sur la compétence, le tribunal puisse admettre qu'il est compétent ratione loci. 6.1 En vertu de l' art. 60 CPC, le tribunal examine d'office si les conditions de recevabilité - dont fait partie la compétence à raison du lieu ( art. 59 al. 2 let. b CPC ) - sont remplies. On ne peut pas déduire de l'obligation imposée au tribunal par cette disposition qu'il doive rechercher lui-même les faits justifiant la recevabilité de la demande. L'examen d'office ne dispense pas les parties de collaborer à l'établissement des faits, en alléguant ceux qui sont pertinents et en indiquant les moyens de preuve propres à les établir (cf. ATF 139 III 278 consid. 4.3 p. 281 s.). Lorsque le demandeur choisit d'introduire son action à un for spécial, dont les conditions sont des faits doublement pertinents, le tribunal doit examiner d'office sa compétence d'entrée de cause, mais il le fait sur la base des seuls allégués et moyens du demandeur, sans tenir compte des contestations du défendeur et sans procéder à aucune administration de preuves. Il s'ensuit qu'il faut et qu'il suffit que le demandeur allègue correctement les faits doublement pertinents, c'est-à-dire de telle façon que leur contenu permette au tribunal d'apprécier sa compétence. Le tribunal doit en effet examiner si ces faits allégués (censés établis) sont concluants (schlüssig), c'est-à-dire s'ils permettent juridiquement d'en déduire le for invoqué par le demandeur ( ATF 137 III 32 consid. 2.2; MARKUS, op. cit., ch. 598 p. 157; URS H. HOFFMANN-NOWOTNY, Doppelrelevante Tatsachen in Zivilprozess und Schiedsverfahren, 2010, ch.100 ss). 6.2 Comme le relèvent les défendeurs recourants, il est vrai que le demandeur s'est contenté d'alléguer l'existence d'une reconnaissance de dette et de la produire, sans préciser la cause de sa créance. Il n'a pas formellement allégué ni dans la partie "en fait" de sa demande, ni dans la partie "en fait" de sa détermination du 16 novembre 2012, ni dans des allégués aux débats principaux du 23 mai 2013, les faits relatifs à la cause de l'obligation et au lieu d'exécution de l'obligation. Toutefois, dès lors que ces éléments ressortent de la partie "en droit" de sa détermination du 16 novembre 2012, c'est-à-dire de ses moyens au sens de la jurisprudence (cf. consid. 5.2 in initio ci-dessus), le tribunal pouvait en tenir compte en vertu de son devoir d'examen d'office. En conséquence, dès lors que la débitrice défunte était domiciliée à P. - ce qui n'est pas contesté - et qu'il ressort des allégués et des BGE 141 III 294 S. 302 moyens du demandeur que les soins ont été prodigués à celle-ci à son domicile, la Chambre patrimoniale pouvait considérer que ces derniers faits étaient censés établis et, partant, admettre sa compétence. Il en découle que les griefs des recourants de violation de la maxime des débats ( art. 55 al. 1 CPC ), de violation de l'obligation incombant au demandeur de motiver ses allégués et de violation de la maxime éventuelle sont infondés.
Urteilskopf
43. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause A.X. et B.X. contre Z. (recours en matière civile)
4A_703/2014 du 25 juin 2015
Regeste Art. 60 und 59 Abs. 2 lit. b ZPO ; Zivilprozess; Prüfung der örtlichen Zuständigkeit von Amtes wegen durch den Richter mit Blick auf die Theorie der doppelrelevanten Tatsachen. Das Recht am Ort des angerufenen Gerichts (lex fori) bestimmt, ob der Richter verpflichtet ist, die für den Entscheid über die Zuständigkeit wesentlichen Tatsachen von Amtes wegen selbst zu erforschen, oder ob er von den Parteien verlangen kann oder muss, ihm die notwendigen Beweise zu liefern (E. 4). Rechtsprechungsgrundsätze, die bei der Anwendung der Theorie der doppelrelevanten Tatsachen massgebend sind (E. 5.1 und 5.2). Ausnahmen von der Theorie der doppelrelevanten Tatsachen (E. 5.3). Anforderungen, die der Kläger beim Vorbringen seiner Behauptungen und Ausführungen zur Begründung der Klage bezüglich der doppelrelevanten Tatsachen erfüllen muss, damit das angerufene Gericht sich für örtlich zuständig erklären kann (E. 6).
Regeste
Art. 60 und 59 Abs. 2 lit. b ZPO ; Zivilprozess; Prüfung der örtlichen Zuständigkeit von Amtes wegen durch den Richter mit Blick auf die Theorie der doppelrelevanten Tatsachen. Das Recht am Ort des angerufenen Gerichts (lex fori) bestimmt, ob der Richter verpflichtet ist, die für den Entscheid über die Zuständigkeit wesentlichen Tatsachen von Amtes wegen selbst zu erforschen, oder ob er von den Parteien verlangen kann oder muss, ihm die notwendigen Beweise zu liefern (E. 4). Rechtsprechungsgrundsätze, die bei der Anwendung der Theorie der doppelrelevanten Tatsachen massgebend sind (E. 5.1 und 5.2). Ausnahmen von der Theorie der doppelrelevanten Tatsachen (E. 5.3). Anforderungen, die der Kläger beim Vorbringen seiner Behauptungen und Ausführungen zur Begründung der Klage bezüglich der doppelrelevanten Tatsachen erfüllen muss, damit das angerufene Gericht sich für örtlich zuständig erklären kann (E. 6).
Art. 60 und 59 Abs. 2 lit. b ZPO Das Recht am Ort des angerufenen Gerichts (lex fori) bestimmt, ob der Richter verpflichtet ist, die für den Entscheid über die Zuständigkeit wesentlichen Tatsachen von Amtes wegen selbst zu erforschen, oder ob er von den Parteien verlangen kann oder muss, ihm die notwendigen Beweise zu liefern (E. 4).
Rechtsprechungsgrundsätze, die bei der Anwendung der Theorie der doppelrelevanten Tatsachen massgebend sind (E. 5.1 und 5.2). Ausnahmen von der Theorie der doppelrelevanten Tatsachen (E. 5.3).
Anforderungen, die der Kläger beim Vorbringen seiner Behauptungen und Ausführungen zur Begründung der Klage bezüglich der doppelrelevanten Tatsachen erfüllen muss, damit das angerufene Gericht sich für örtlich zuständig erklären kann (E. 6).
Sachverhalt ab Seite 295
Sachverhalt ab Seite 295 BGE 141 III 294 S. 295
BGE 141 III 294 S. 295
A. Le 17 août 2007, C.X., née le 14 février 1944 et domiciliée à P. (VD), a signé, en Italie, sur le papier à en-tête de l'hôtel où elle séjournait, une reconnaissance de dette manuscrite, dont la teneur est la suivante:
A. "RECONNAISSANCE DE DETTE
Madame C.X. domiciliée à P., reconnaît devoir par la présente à Monsieur Z. domicilié à R. la somme de CHF 1'850'000 (un million huit cent cinquante mille francs suisses), montant payable d'ici au 30 septembre 2007 au plus tard.
Ce montant est dû en raison de l'aide et de l'assistance qu'il m'a apportées au cours de ces cinq dernières années".
En 2009, Z. a ouvert une action contre C.X. devant la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois, concluant au paiement de 1'850'000 fr. avec intérêts à 5 % l'an dès le 19 novembre 2008.
C.X. est décédée le 4 septembre 2009.
Pour mettre fin au litige pendant devant la Cour civile, Z. et les héritiers de C.X., soit ses frères A.X. et B.X., ont passé une convention extrajudiciaire le 19 mai 2010, convenant d'un montant transactionnel de 300'000 fr. à verser par la succession à Z., sans reconnaissance d'une quelconque obligation de part et d'autre, les parties se BGE 141 III 294 S. 296 donnant quittance pour solde de tous comptes et de toutes prétentions.
BGE 141 III 294 S. 296
Z. a, par la suite, contesté la validité de cette transaction.
B. Le 12 décembre 2011, Z. a ouvert une action en paiement contre l'hoirie de feue C.X. devant la Chambre patrimoniale du canton de Vaud, concluant à ce qu'elle soit condamnée à lui payer les sommes de 1'550'000 fr. avec intérêts à 5 % l'an dès le 19 novembre 2008 et de 8'450 fr. avec intérêts à 5 % l'an dès le 27 août 2009.
B. Le juge délégué de la Chambre patrimoniale a admis, le 6 février 2012, que les héritiers, soit A.X. et B.X., tous deux domiciliés en Suède, sont défendeurs à la procédure.
Le 6 septembre 2012, les défendeurs ont formé une "requête incidente" tendant à faire prononcer l'irrecevabilité de l'action pour cause d'incompétence ratione loci.
Invité à se prononcer sur cette exception, le demandeur a répondu, dans la partie "en droit" de sa détermination du 16 novembre 2012, que la reconnaissance de dette se fonde sur une convention orale, qui est un contrat de mandat, le montant étant dû en raison de l'aide et de l'assistance apportées à la défunte au cours des cinq dernières années, comme le texte de la reconnaissance de dette le précise, et que l'aide a été apportée par lui, domicilié en Suisse, à la défunte à son domicile de P., de sorte que la Chambre patrimoniale est compétente localement sur la base du lieu de l'exécution de ce contrat ( art. 31 CPC ). art. 31 CPC Par jugement incident du 13 juin 2013, la Chambre patrimoniale a déclaré recevable la demande de Z., admettant la compétence des juridictions suisses sur la base de l'art. 5 par. 1 let. b, 2 e tiret, de la Convention de Lugano révisée du 30 octobre 2007 (Convention de Lugano, CL; RS 0.275.12).
Statuant par arrêt du 24 octobre 2014, la Cour d'appel civile du Tribunal cantonal vaudois a rejeté l'appel des défendeurs et confirmé le jugement de première instance.
C. Les défendeurs exercent un recours en matière civile au Tribunal fédéral contre cet arrêt. Ils concluent à l'admission de leur recours et à la réforme de l'arrêt attaqué en ce sens que la demande est déclarée irrecevable. Subsidiairement, ils concluent à l'annulation de l'arrêt et au renvoi de la cause à la cour cantonale pour nouvelle décision dans le sens des considérants. Ils invoquent la violation de l' art. 55 BGE 141 III 294 S. 297 al. 1 CPC dans l'établissement des faits et l'absence d'allégation des faits déterminants, ce qui, selon eux, aurait dû conduire la cour cantonale à déclarer la demande irrecevable.
C. art. 55 BGE 141 III 294 S. 297 al. 1 CPC BGE 141 III 294 S. 297
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
(résumé)
Erwägungen
Erwägungen Extrait des considérants:
4. La cause est de nature internationale, puisque les défendeurs sont domiciliés en Suède ( art. 1 al. 1 LDIP [RS 291] et art. 2 CPC ). En effet, selon la jurisprudence, une cause est de nature internationale lorsqu'elle a une connexité suffisante avec l'étranger, ce qui est toujours le cas lorsque l'une des parties possède son domicile ou son siège à l'étranger, peu importe que ce soit le demandeur ou le défendeur, et indépendamment de la nature de la cause (arrêt 4A_443/2014 du 2 février 2015 consid. 3.1; à propos de l'aLFors, cf. ATF 131 III 76 consid. 2.3; en matière d'arbitrage international, cf. l' art. 176 al. 1 LDIP ).
4. art. 1 al. 1 LDIP art. 2 CPC art. 176 al. 1 LDIP Il n'est plus contesté que la Convention de Lugano révisée du 30 octobre 2007, entrée en vigueur pour la Suisse le 1 er janvier 2011 et pour la Suède le 1 er janvier 2010, est applicable en l'espèce. Et seul le for contractuel demeure litigieux.
C'est la loi du for (lex fori) qui détermine si le juge doit établir d'office les faits pertinents pour l'appréciation de sa compétence ou s'il peut ou doit demander aux parties de lui fournir les preuves requises, les art. 25 et 26 CL ne contenant que quelques précisions quant à l'examen (d'office) de sa compétence par le juge ( ATF 139 III 278 consid. 4.2 et les références). art. 25 et 26 CL 5. Avant d'examiner quelles sont les exigences d'allégation qui pèsent sur le demandeur, il s'impose de rappeler les principes jurisprudentiels développés sous le nom de "théorie de la double pertinence".
5. 5.1 Les faits déterminants pour l'examen de la compétence sont soit des faits "simples", soit des faits "doublement pertinents" (arrêt 4A_28/2014 du 10 décembre 2014 consid. 4.2).
5.1 Les faits sont simples ( einfachrelevante Tatsachen ) lorsqu'ils ne sont déterminants que pour la compétence. Ils doivent être prouvés au stade de l'examen de la compétence, lorsque la partie défenderesse soulève l'exception de déclinatoire en contestant les allégués du demandeur (arrêts 4A_28/2014 déjà cité, consid. 4.2.1; 4A_113/2014 du 15 juillet 2014 consid. 2.3, non publié in ATF 140 III 418 ; BGE 141 III 294 S. 298 ATF 137 III 32 consid. 2.3 p. 34 s.; ATF 134 III 27 consid. 6.2.1 p. 34 s.; ATF 133 III 295 consid. 6.2 p. 298 s.; ATF 122 III 249 consid. 3b/bb p. 252).
BGE 141 III 294 S. 298
Les faits sont doublement pertinents ou de double pertinence ( doppelrelevante Tatsachen ) lorsque les faits déterminants pour la compétence du tribunal sont également ceux qui sont déterminants pour le bien-fondé de l'action. C'est à ces faits que s'applique la théorie de la double pertinence.
5.2 Selon cette théorie, le juge saisi examine sa compétence sur la base des allégués, moyens et conclusions de la demande (der eingeklagte Anspruch und dessen Begründung), sans tenir compte des objections de la partie défenderesse ( ATF 136 III 486 consid. 4 p. 487; arrêt 4A_630/2011 du 7 mars 2012 consid. 2.2, non publié in ATF 138 III 166 ).
5.2 L'administration des preuves sur les faits doublement pertinents est renvoyée à la phase du procès au cours de laquelle est examiné le bien-fondé de la prétention au fond. Tel est notamment le cas lorsque la compétence dépend de la nature de la prétention alléguée, par exemple lorsque le for a pour condition l'existence d'un acte illicite ou d'un contrat (arrêts 4A_28/2014 déjà cité, consid. 4.2.2; 4A_113/2014 déjà cité, consid. 2.3; ATF 137 III 32 consid. 2.3 p. 34; ATF 133 III 295 consid. 6.2 p. 298 s.; ATF 122 III 249 consid. 3b/bb p. 252).
Autrement dit, au stade de l'examen et de la décision sur la compétence, phase qui a lieu d'entrée de cause (cf. art. 60 CPC ), les faits doublement pertinents n'ont pas à être prouvés; ils sont censés établis sur la base des allégués, moyens et conclusions du demandeur. art. 60 CPC Ainsi, le tribunal doit décider, en fonction des écritures du demandeur, si, par exemple, un acte illicite a été commis.
- Si tel n'est pas le cas, les conditions permettant de fonder la compétence du tribunal saisi ne sont pas remplies et la demande doit être déclarée irrecevable.
- Si tel est le cas, le tribunal saisi admet sa compétence. L'administration des moyens de preuve sur les faits doublement pertinents, soit sur l'acte illicite, aura lieu ultérieurement dans la phase du procès au fond, soit au cours des débats principaux.
- S'il se révèle alors que le fait doublement pertinent n'est pas prouvé, par exemple qu'il n'y a pas eu d'acte illicite, le tribunal rejette la demande, par un jugement revêtu de l'autorité de la chose jugée. BGE 141 III 294 S. 299
BGE 141 III 294 S. 299
- S'il se révèle que le fait doublement pertinent est prouvé, par exemple que l'acte illicite a eu lieu, le tribunal examine alors les autres conditions de la prétention au fond.
En revanche, la localisation de l'acte illicite allégué, soit la question de savoir s'il a eu lieu en Suisse, est un fait simple, qui doit être prouvé au stade de l'examen de la compétence (cf. consid. 5.1. ci-dessus). En effet, la constatation portant sur le lieu où l'acte illicite a été commis est sans pertinence pour le bien-fondé de la prétention au fond (arrêt 4C.329/2005 du 5 mai 2006 consid. 2.2, non publié in ATF 132 III 579 ).
Dans l'arrêt 4A_28/2014 du 10 décembre 2014, le Tribunal fédéral n'a pas entendu modifier ces principes qui sous-tendent la jurisprudence publiée, un changement de jurisprudence étant d'ailleurs soumis à des exigences strictes dont la réalisation n'y a pas été discutée (cf. ATF 136 III 6 consid. 3; ATF 140 II 334 consid. 6; arrêts 4A_546/2013 du 13 mars 2014 consid. 3; 5A_39/2014 du 12 mai 2014 consid. 3.2, non publié in ATF 140 III 167 ). Il y a lieu de corriger l'erreur (cf. ATF 134 III 354 consid. 1.4 et 1.5) qui s'est glissée dans cet arrêt lorsqu'il y est dit que le "renvoi de l'administration des preuves au fond ne signifie évidemment pas qu'un rejet pour défaut de compétence ne puisse plus être prononcé" et "que le juge statuera sur la compétence..." (cf. ANDREAS BUCHER, Vers l'implosion de la théorie des faits doublement pertinents, SJ 2015 II p. 67 ss). Certes, après l'administration des preuves sur les faits doublement pertinents, le tribunal peut se rendre compte que, contrairement à ce qu'il avait décidé d'entrée de cause dans sa décision admettant sa compétence, celle-ci n'est en réalité pas donnée. Toutefois, il ne peut et ne doit pas alors rendre un nouveau jugement sur sa compétence, puisqu'il ne saurait revenir sur la décision qu'il a prise d'entrée de cause à ce sujet; lorsque, par exemple, l'existence d'un acte illicite n'est pas établie, il doit rejeter la demande par un jugement au fond, lequel est revêtu de l'autorité de la chose jugée. Comme le relève BUCHER (op. cit., p. 72), "le défaut de la théorie... consiste en effet à autoriser le juge à constater sa compétence sans en vérifier toutes les conditions, et à renvoyer l'examen des faits doublement pertinents à la procédure au fond, sans tenir compte de l'incidence des mêmes faits sur l'application des règles de compétence". Cette théorie est néanmoins justifiée dans son résultat, dès lors que le demandeur qui choisit d'introduire son action à un for spécial n'a pas un intérêt à pouvoir, en cas d'échec, la porter ensuite au for ordinaire ou à un autre for BGE 141 III 294 S. 300 spécial (cf. en particulier ALEXANDER R. MARKUS, Internationales Zivilprozessrecht, 2014, ch. 597 p. 157).
BGE 141 III 294 S. 300
L'application de la théorie de la double pertinence n'est pas régie par la Convention de Lugano, mais par la loi du for ( ATF 134 III 27 consid. 6.2 et la référence). L'arrêt de la Cour de justice de l'Union européenne du 28 janvier 2015 dans l'affaire C-375/13 Harald Kolassa contre Barclays Bank plc (cité par BUCHER, op. cit., p. 76) ne dit pas autre chose. Selon cet arrêt (point 65), "il n'y a pas lieu de procéder à une administration détaillée de la preuve en ce qui concerne les éléments de fait litigieux qui sont pertinents à la fois pour la question de la compétence et pour l'existence du droit invoqué; il est toutefois loisible à la juridiction saisie d'examiner sa compétence internationale à la lumière de toutes les informations dont elle dispose, y compris, le cas échéant, les contestations émises par le défendeur". En d'autres termes, le juge national peut se baser sur les seuls allégués du demandeur, mais la Cour de justice n'interdit pas non plus au juge national de prendre en compte toutes les circonstances. En l'état, il n'y a pas lieu d'examiner plus avant les critiques de BUCHER à cet égard (op. cit., p. 75 et 76).
5.3 Il est fait exception à l'application de la théorie de la double pertinence en cas d'abus de droit de la part du demandeur, par exemple lorsque la demande est présentée sous une forme destinée à en déguiser la nature véritable ou lorsque les allégués sont manifestement faux. Dans ces situations d'abus, la partie adverse doit être protégée contre la tentative du demandeur de l'attraire au for de son choix ( ATF 137 III 32 consid. 2.3; ATF 136 III 486 consid. 4 p. 488 et les références; arrêts 4A_28/2014 déjà cité, consid. 4.2.2; 4A_31/2011 du 11 mars 2011 consid. 2; 4A_630/2011 déjà cité, consid. 2.2).
5.3 La théorie de la double pertinence n'entre par ailleurs pas en ligne de compte lorsque la compétence d'un tribunal arbitral est contestée, car il est exclu de contraindre une partie à souffrir qu'un tel tribunal se prononce sur des droits et obligations litigieux s'ils ne sont pas couverts par une convention d'arbitrage valable. Ladite théorie n'est pas non plus applicable lorsque la question de l'immunité de juridiction est invoquée par un Etat (arrêt 4A_28/2014 consid. 4.2.2; ATF 131 III 153 consid. 5.1 p. 158; ATF 124 III 382 consid. 3b p. 387).
6. Il y a lieu d'examiner désormais quelles sont les exigences auxquelles le demandeur doit satisfaire dans la présentation de ses allégués et de ses moyens sur les faits doublement pertinents afin que, BGE 141 III 294 S. 301 dans sa décision rendue d'entrée de cause sur la compétence, le tribunal puisse admettre qu'il est compétent ratione loci.
6. BGE 141 III 294 S. 301
6.1 En vertu de l' art. 60 CPC, le tribunal examine d'office si les conditions de recevabilité - dont fait partie la compétence à raison du lieu ( art. 59 al. 2 let. b CPC ) - sont remplies.
6.1 art. 60 CPC art. 59 al. 2 let. b CPC On ne peut pas déduire de l'obligation imposée au tribunal par cette disposition qu'il doive rechercher lui-même les faits justifiant la recevabilité de la demande. L'examen d'office ne dispense pas les parties de collaborer à l'établissement des faits, en alléguant ceux qui sont pertinents et en indiquant les moyens de preuve propres à les établir (cf. ATF 139 III 278 consid. 4.3 p. 281 s.).
Lorsque le demandeur choisit d'introduire son action à un for spécial, dont les conditions sont des faits doublement pertinents, le tribunal doit examiner d'office sa compétence d'entrée de cause, mais il le fait sur la base des seuls allégués et moyens du demandeur, sans tenir compte des contestations du défendeur et sans procéder à aucune administration de preuves. Il s'ensuit qu'il faut et qu'il suffit que le demandeur allègue correctement les faits doublement pertinents, c'est-à-dire de telle façon que leur contenu permette au tribunal d'apprécier sa compétence. Le tribunal doit en effet examiner si ces faits allégués (censés établis) sont concluants (schlüssig), c'est-à-dire s'ils permettent juridiquement d'en déduire le for invoqué par le demandeur ( ATF 137 III 32 consid. 2.2; MARKUS, op. cit., ch. 598 p. 157; URS H. HOFFMANN-NOWOTNY, Doppelrelevante Tatsachen in Zivilprozess und Schiedsverfahren, 2010, ch.100 ss).
6.2 Comme le relèvent les défendeurs recourants, il est vrai que le demandeur s'est contenté d'alléguer l'existence d'une reconnaissance de dette et de la produire, sans préciser la cause de sa créance. Il n'a pas formellement allégué ni dans la partie "en fait" de sa demande, ni dans la partie "en fait" de sa détermination du 16 novembre 2012, ni dans des allégués aux débats principaux du 23 mai 2013, les faits relatifs à la cause de l'obligation et au lieu d'exécution de l'obligation. Toutefois, dès lors que ces éléments ressortent de la partie "en droit" de sa détermination du 16 novembre 2012, c'est-à-dire de ses moyens au sens de la jurisprudence (cf. consid. 5.2 in initio ci-dessus), le tribunal pouvait en tenir compte en vertu de son devoir d'examen d'office.
6.2 En conséquence, dès lors que la débitrice défunte était domiciliée à P. - ce qui n'est pas contesté - et qu'il ressort des allégués et des BGE 141 III 294 S. 302 moyens du demandeur que les soins ont été prodigués à celle-ci à son domicile, la Chambre patrimoniale pouvait considérer que ces derniers faits étaient censés établis et, partant, admettre sa compétence.
BGE 141 III 294 S. 302
Il en découle que les griefs des recourants de violation de la maxime des débats ( art. 55 al. 1 CPC ), de violation de l'obligation incombant au demandeur de motiver ses allégués et de violation de la maxime éventuelle sont infondés. art. 55 al. 1 CPC
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Urteilskopf
44. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_793/2014 vom 18. Mai 2015
Regeste Art. 313 ZPO ; Anschlussberufung. Eine Partei, die teilweise Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil erhoben hat, kann zusätzlich Anschlussberufung erheben, wenn die Gegenpartei Berufung erhebt (E. 2).
Regeste
Art. 313 ZPO ; Anschlussberufung. Eine Partei, die teilweise Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil erhoben hat, kann zusätzlich Anschlussberufung erheben, wenn die Gegenpartei Berufung erhebt (E. 2).
Art. 313 ZPO Eine Partei, die teilweise Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil erhoben hat, kann zusätzlich Anschlussberufung erheben, wenn die Gegenpartei Berufung erhebt (E. 2).
Sachverhalt ab Seite 302
Sachverhalt ab Seite 302 BGE 141 III 302 S. 302
BGE 141 III 302 S. 302
A. A. und B. heirateten im Jahre 1990. Aus ihrer Ehe gingen zwei Kinder (geb. 1992 und 2005) hervor. Seit 1. April 2009 leben die Parteien getrennt. Das Getrenntleben wurde gerichtlich geregelt.
A. B. Am 4. November 2010 reichten die Parteien beim Bezirksgericht Baden einen gemeinsamen Scheidungsantrag ein. Zugleich ersuchte B. um unentgeltliche Rechtspflege. Am 12. November 2010 ersuchte A. ebenfalls um unentgeltliche Rechtspflege.
B. Am 13. Januar 2011 stellte B. Anträge zu den Scheidungsfolgen. Unter anderem verlangte er, A. zur Bezahlung eines angemessenen Prozesskostenvorschusses (mindestens Fr. 6'000.-) zu verpflichten und ihm eventualiter die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren. BGE 141 III 302 S. 303
BGE 141 III 302 S. 303
Am 29. April 2011 wies das Bezirksgericht das Gesuch von A. um unentgeltliche Rechtspflege ab, ebenso die Gesuche von B. um Prozesskostenvorschuss und um unentgeltliche Rechtspflege.
Am 11. Mai 2011 stellte A. Anträge zu den Scheidungsfolgen.
Am 21. August 2012 ersuchte B. (wiedererwägungsweise) um nochmalige Prüfung seiner Gesuche um Prozesskostenvorschuss sowie (eventualiter) unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
Mit Entscheid vom 12. Oktober 2012 schied das Bezirksgericht die Ehe und regelte die Scheidungsfolgen. Ausserdem änderte es die Verfügung vom 29. April 2011 ab und verpflichtete A., B. einen Prozesskostenvorschuss von Fr. 6'000.- zu bezahlen.
C. Gegen diesen Entscheid erhoben am 19. November 2012 sowohl B. wie auch A. Berufung an das Obergericht des Kantons Aargau. B. wandte sich einzig gegen die ihm auferlegte güterrechtliche Ausgleichszahlung. Zudem verlangte er einen Prozesskostenvorschuss von Fr. 16'043.- und eventualiter die Gewährung unentgeltlicher Rechtspflege und Verbeiständung für das Berufungsverfahren. A. wandte sich gegen die erstinstanzliche Unterhaltsregelung. Sie ersuchte um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung für das Berufungsverfahren.
C. Das Obergericht verwies B. für den Prozesskostenvorschuss an das Bezirksgericht, welches das Gesuch am 10. April 2013 abwies.
Am 17. Juni 2013 erstattete A. die Berufungsantwort und erhob zugleich Anschlussberufung. Mit der Anschlussberufung verlangte sie die Aufhebung des bezirksgerichtlichen Urteils hinsichtlich der ihr auferlegten Pflicht zur Zahlung eines Prozesskostenvorschusses an B.
Am 17. Juni 2013 beantragte B. die Abweisung der Berufung von A. Am 21. August 2013 beantragte er zudem, auf die Anschlussberufung nicht einzutreten und sie allenfalls abzuweisen.
Mit Verfügungen vom 15. Oktober 2013 wies das Obergericht die Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ab.
Mit Entscheid vom 20. August 2014 trat das Obergericht auf die Anschlussberufung von A. nicht ein. Die Berufung von B. wies es ab und diejenige von A. ebenfalls, soweit darauf einzutreten war.
D. Am 13. Oktober 2014 hat A. (Beschwerdeführerin) Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht erhoben. Sie wendet sich BGE 141 III 302 S. 304 wiederum gegen die Unterhaltsregelung. Ausserdem verlangt sie, die Anordnung des Bezirksgerichts aufzuheben, mit der sie zur Zahlung eines Prozesskostenvorschusses an B. (Beschwerdegegner) verpflichtet worden ist, und die Sache insoweit allenfalls an das Obergericht zurückzuweisen.
D. BGE 141 III 302 S. 304
Das Obergericht hat auf Vernehmlassung verzichtet. B. ersucht um Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut und weist die Sache zur Beurteilung der Anschlussberufung an das Obergericht zurück.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
2. Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, dass das Obergericht auf ihre Anschlussberufung hätte eintreten müssen.
2. 2.1 Für das Obergericht ist einerseits bereits im Grundsatz ausgeschlossen, dass eine Partei, die selbständig Berufung erhoben hat, eine Anschlussberufung an die Berufung der Gegenpartei erheben kann. Dies entspreche der früheren aargauischen ZPO (Zivilrechtspflegegesetz vom 18. Dezember 1984 [Zivilprozessordnung, ZPO/AG; ehemals SAR 221.100]) und der Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Berufung gemäss dem früheren OG (unter Hinweis auf Urteil 4C.276/2001 vom 26. März 2002 E. 1), woran sich mit der schweizerischen ZPO nichts geändert habe. Andererseits sei es jedenfalls unzulässig, mit der Anschlussberufung die eigene Hauptberufung zu verbessern. Die Beschwerdeführerin habe jedoch bereits in ihrer Hauptberufung den Prozesskostenvorschussentscheid des Bezirksgerichts bemängelt, einen diesbezüglichen Antrag aber erst mit der Anschlussberufung gestellt.
2.1 2.2 Art. 313 Abs. 1 ZPO bestimmt, dass die Gegenpartei in ihrer Berufungsantwort Anschlussberufung erheben kann. Die Anschlussberufung ist das Rechtsmittel, mit dem der Berufungsbeklagte in einem vom Berufungskläger bereits eingeleiteten Berufungsverfahren beantragt, dass der angefochtene Entscheid zuungunsten des Berufungsklägers abgeändert wird. Die Anschlussberufung ist nicht auf den Gegenstand der Berufung beschränkt und kann sich demnach auf einen beliebigen, mit diesem nicht notwendig in Zusammenhang stehenden Teil des Urteils beziehen ( BGE 138 III 788 E. 4.4 S. 790 f.). Sie hat jedoch keine selbstständige Wirkung: Zieht die Gegenpartei BGE 141 III 302 S. 305 (der Berufungskläger) die Berufung zurück, fällt die Anschlussberufung dahin. Die Anschlussberufung ist deshalb ein Verteidigungs- oder Gegenangriffsmittel bzw. eine Option zum Gegenangriff der berufungsbeklagten Partei (Urteil 4A_241/2014 vom 21. November 2014 E. 2.2; Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], BBl 2006 7374 Ziff. 5.23.1 zu Art. 309 und 310 des Entwurfs).
2.2 Art. 313 Abs. 1 ZPO BGE 141 III 302 S. 305
2.3 Die ZPO äussert sich nicht ausdrücklich dazu, ob diejenige Partei, die selber Berufung erhoben hat, auf die Berufung der Gegenpartei mit einer Anschlussberufung reagieren kann. Das Bundesgericht hat die Frage unlängst noch offenlassen können (Urteil 4A_241/2014 vom 21. November 2014 E. 2.3 und 2.4). Sie ist nunmehr zu klären. Die Materialien sind dazu - soweit ersichtlich - unergiebig (vgl. immerhin BENEDIKT SEILER, Die Berufung nach ZPO, 2013, Rz. 1448 i.f. mit Hinweis auf befürwortende Äusserungen in der Expertenkommission).
2.3 In der Lehre ist die Frage umstritten: Ein Teil der Autoren ist (unter Bezugnahme auf die ehemaligen kantonalen Zivilprozessordnungen sowie die kantonale Praxis) der Ansicht, dass eine Anschlussmöglichkeit in diesen Fällen zu bejahen ist. Eine Anschlussberufung sei trotz der Erhebung einer selbstständigen Berufung zulässig, da die betreffende Partei mit einer Hauptberufung der Gegenpartei konfrontiert wird, deren Anträge sie im Zeitpunkt der Abfassung ihrer eigenen Hauptberufungsanträge noch nicht habe kennen können. Entsprechend sei die Partei auch nicht in der Lage, durch Rückzug ihrer eigenen Hauptberufung die Hauptberufung der Gegenpartei zu Fall zu bringen, und habe daher den Verlust ihres Teilerfolges vor erster Instanz zu befürchten. Die Partei sei Hauptberufungskläger und Hauptberufungsbeklagter, was sie zur Anschlussberufung legitimiere. Die Tatsache der Erhebung einer eigenen Hauptberufung bringe (nur) zum Ausdruck, dass eine Partei mit dem erstinstanzlichen Entscheid nicht einverstanden sei; gerade deshalb sollte eine Hauptberufung führende Partei nicht schlechter gestellt werden, als eine Partei, welche überhaupt keine eigene Hauptberufung ergriffen habe und mit dem erstinstanzlichen Entscheid grundsätzlich einverstanden gewesen wäre. Es entspreche denn auch einem praktischen Bedürfnis, auf eine Hauptberufung der Gegenpartei adäquat reagieren zu können, was denn auch der Zweck des Instituts der Anschlussberufung überhaupt sei. Welcher Art dieses Bedürfnis sei, zeige sich jedoch erst nach Zustellung der Hauptberufung der BGE 141 III 302 S. 306 Gegenpartei, weshalb es einem berechtigten Parteiinteresse entspreche, im Rahmen der Berufungsantwort auf die Hauptberufung der Gegenpartei noch weitere Anträge zu stellen, welche über die Anträge in der (bereits erklärten) eigenen Hauptberufung hinausgehen (REETZ/HILBER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 14 zu Art. 313 ZPO ; IVO W. HUNGERBÜHLER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], 2011, N. 7 zu Art. 313 ZPO ; SEILER, a.a.O., Rz. 1426, 1448 f.; BEAT MATHYS, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Baker & McKenzie [Hrsg.], 2010, N. 6 zu Art. 313 ZPO ; KARL SPÜHLER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 12 zu Art. 313 ZPO ; OLIVER M. KUNZ, in: ZPO-Rechtsmittel, Berufung und Beschwerde, Kommentar zu den Art. 308-327a ZPO, 2013, N. 17 zu Art. 313 ZPO ; VALENTIN RÉTORNAZ, L'appel et le recours, in: Procédure civile suisse, Les grands thèmes pour le praticien, Bohnet [Hrsg.], 2010, Rz. 188; zum früheren kantonalen Recht bejahend FRANK/STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 1997, N. 3 zu § 266 ZPO /ZH; LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, Kommentar zur Zivilprozessordnung des Kantons St. Gallen, 1999, N. 1c zu Art. 232 ZPO /SG). Nicht zulässig sei es jedoch, einer unzureichend begründeten selbstständigen Berufung unter dem Vorwand einer Anschlussberufung eine verbesserte Begründung nachzuschieben (HUNGERBÜHLER, a.a.O., N. 7 zu Art. 313 ZPO ). Einschränkend wird auch geltend gemacht, dass Raum für eine Anschlussberufung nur bestehe, wenn sich die Hauptberufungen auf unterschiedliche Teile des Entscheiddispositivs beziehen. Wenn eine Partei mit der Hauptberufung hingegen die Erhöhung des von der Vorinstanz Zugesprochenen verlange und die Gegenpartei mit Hauptberufung die Abweisung der Klage, dann bestehe kein Raum für eine Anschlussberufung (SEILER, a.a.O., Rz. 1448). Demgegenüber vertritt MARTIN H. STERCHI die Meinung, eine zusätzliche Anschlussberufung des Berufungsklägers zur Unterstützung oder Erweiterung der eigenen Hauptberufung bleibe unzulässig, wie dies bereits nach verbreiteter bisheriger Auffassung zu den kantonalen Zivilprozessordnungen sowie der bundesgerichtlichen Praxis der Fall gewesen sei, da dies auf eine nachträgliche Erweiterung der Berufungsanträge hinauslaufen würde (unter anderem mit Hinweis auf Urteil 4C.276/2001 vom 26. März 2002 E. 1; LEUCH/MARBACH/KELLERHALS/STERCHI, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, BGE 141 III 302 S. 307 5. Aufl. 2000, N. 3b zu Art. 340 ZPO /BE; JEAN-FRANÇOIS POUDRET, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, 1990, N. 2.2.1 zu Art. 59 und 61 OG, zur früheren bundesrechtlichen Berufung; ablehnend im Übrigen auch die frühere Aargauer Praxis, vgl. dazu BÜHLER/EDELMANN/KILLER, Kommentar zur aargauischen Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 1998, N. 3 zu § 325 ZPO /AG, die dies allerdings bedauern). Obwohl die ZPO diese Frage nicht explizit regle - so Sterchi weiter -, ergebe sich kein Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber von der bisherigen Praxis habe abweichen und die Anschlussmöglichkeiten habe erweitern wollen. Im Interesse der Klarheit und der Verfahrensbeschleunigung gelte somit der Grundsatz, dass die Partei, die Berufung einlege, sich von Anfang an abschliessend und verbindlich festlegen müsse, welche Änderungen gegenüber dem erstinstanzlichen Entscheid sie vor oberer Instanz verlange. Hingegen scheine es zulässig, die eigene Hauptberufung nach Kenntnisnahme der gegnerischen Hauptberufung in eine Anschlussberufung umzuwandeln, da dies eine teilweise Rücknahme der eigenen Position bedeute, auch wenn die Anschlussberufung als solche nicht auf den Gegenstand der eigenen Hauptberufung beschränkt sei. Letztere gelte somit als zurückgezogen (MARTIN H. STERCHI, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, N. 4 f. zu Art. 313 ZPO ). Das Bundesgericht hat im Rahmen der ehemaligen bundesrechtlichen Berufung die Anschlussberufung einer Partei, die bereits selber Berufung erhoben hatte, für unzulässig erklärt, da dies auf eine Erstreckung der Berufungsfrist hinauslaufen würde (Urteil 4C.276/2001 vom 26. März 2002 E. 1) bzw. weil eine Partei das Recht zur Weiterziehung nicht zweimal ausüben könne ( BGE 62 II 46 E. 1).
BGE 141 III 302 S. 306
Art. 313 ZPO Art. 313 ZPO Art. 313 ZPO Art. 313 ZPO Art. 308-327a ZPO Art. 313 ZPO § 266 ZPO Art. 232 ZPO Art. 313 ZPO BGE 141 III 302 S. 307
Art. 340 ZPO Art. 59 und 61 OG § 325 ZPO Art. 313 ZPO BGE 62 II 46 2.4 Aus dem Gesagten ergibt sich Folgendes: Der Wortlaut von Art. 313 ZPO steht einer Anschlussberufung nach erfolgter eigener Hauptberufung nicht entgegen. Die früheren Prozessordnungen auf kantonaler und Bundesebene kannten verschiedene Lösungen. Entgegen dem von STERCHI und auch von der Vorinstanz eingenommenen Standpunkt kann deshalb nicht davon gesprochen werden, dass der Gesetzgeber in diesem Bereich nichts ändern wollte, zumal sich den Materialien keine Hinweise entnehmen lassen, welche der bisherigen Lösungen der eidgenössischen ZPO allenfalls als Vorbild gedient hätten.
2.4 Art. 313 ZPO Im Vordergrund muss deshalb eine an Sinn und Zweck der Anschlussberufung orientierte Auslegung stehen. Dabei vermögen die von den Befürwortern der Zulassung einer Anschlussberufung angeführten BGE 141 III 302 S. 308 Gründe zu überzeugen. Die Anschlussberufung ist - wie bereits gesagt (E. 2.2) - ein Verteidigungs- bzw. Gegenangriffsmittel einer Partei, die sich mit einer Hauptberufung der Gegenpartei konfrontiert sieht. Es ist nicht ersichtlich, weshalb eine Partei, die noch keine eigene Hauptberufung erhoben hat, sich dieses Mittels bedienen können soll, eine Partei, die dies getan hat, jedoch nicht. Es besteht kein zwingender Anlass, dass eine Partei nur die eine oder die andere Art der Anfechtung wählen kann und eine Kumulation ausgeschlossen sein soll (so noch BGE 62 II 46 E. 1), wobei die Partei darüber zu einem Zeitpunkt zu entscheiden hätte, in dem sie noch nicht wissen kann, ob und inwiefern die Gegenseite das Urteil anfechten wird. Dies liefe auf die Einführung eines aleatorischen Elements hinaus. Zwar wohnen allen Prozessen gewisse aleatorische Elemente inne, doch besteht kein Grund, ein solches ohne Not einzuführen.
BGE 141 III 302 S. 308
BGE 62 II 46 Die Möglichkeit zur Kumulation rechtfertigt sich des Weiteren dadurch, dass Hauptberufung und Anschlussberufung nicht dieselben Ziele verfolgen und sich in ihren Wirkungen unterscheiden: Die Hauptberufung zielt direkt gegen den angefochtenen Entscheid; die Anschlussberufung zielt gegen die Hauptberufung der anderen Partei, wobei die Anfechtung des erstinstanzlichen Entscheids Mittel zu diesem Zweck darstellt (vgl. oben E. 2.2). Während die Partei mit einer Hauptberufung kundtut, dass sie in der einen oder anderen Weise mit dem angefochtenen Entscheid nicht einverstanden ist, so tut sie dies mit der Anschlussberufung nicht direkt, sondern nur in Abhängigkeit von der Hauptberufung der Gegenpartei. Durch den Verzicht auf die Hauptberufung in einem bestimmten Punkt hat sie zu erkennen gegeben, dass sie sich insoweit mit dem angefochtenen Entscheid abfinden könnte. Auch wenn sie allenfalls damit nicht völlig einverstanden ist, kann sie beispielsweise auf eine Berufung in einem bestimmten Punkt verzichten, um eine weitere Verlängerung des Prozesses zu verhindern oder weitere Kosten zu vermeiden. Eine Stellungnahme, wie sie auf eine allfällige Hauptberufung der Gegenpartei reagieren würde, ist damit jedoch nicht verbunden. Vielmehr können die Motive, die sie zum (teilweisen) Verzicht auf die Hauptberufung bewogen haben, angesichts der gegnerischen Hauptberufung ihre Bedeutung verloren haben (vgl. BGE 138 III 788 E. 4.4 S. 790 f.). Darüber, wie auf die Hauptberufung zu reagieren ist (ob mit blosser Berufungsantwort oder mit Anschlussberufung), kann - wie bereits gesagt - die Partei erst entscheiden, wenn die Gegenpartei tatsächlich Hauptberufung erhoben hat. Es besteht BGE 141 III 302 S. 309 kein Grund, einer Partei diese differenzierte Reaktionsmöglichkeit bloss deswegen vorzuenthalten, weil sie sich mit dem angefochtenen Entscheid ursprünglich - beim Entscheid über die eigene Hauptberufung - nicht komplett, sondern bloss teilweise abgefunden hat. Den genannten unterschiedlichen Zielsetzungen entsprechen unterschiedliche Wirkungen von Haupt- und Anschlussberufung: Die Anschlussberufung ist von der Hauptberufung der Gegenseite abhängig. Sie fällt dahin, wenn die Gegenseite ihre Hauptberufung zurückzieht ( Art. 313 Abs. 2 lit. c ZPO ; BGE 138 III 788 E. 4 S. 789 ff.). Die Anschlussberufung hat damit ihren Hauptzweck erfüllt, so viel Druck auf die Gegenseite aufzubauen, dass das angefochtene Urteil im fraglichen Punkt unverändert bleibt. Auch anderweitig bleibt die Anschlussberufung vom Schicksal der Hauptberufung abhängig ( Art. 313 Abs. 2 lit. a und b ZPO ; vgl. dazu etwa STERCHI, a.a.O., N. 18 f. zu Art. 313 ZPO ). Auch wenn eine Partei bereits Berufung erhoben hat, kann sie je nach den Umständen ein Interesse daran haben, durch eine Anschlussberufung entsprechend Druck auf die Gegenpartei aufzubauen, damit diese ihre eigene Hauptberufung zurückzieht. Aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen und Funktionsweisen von Haupt- und Anschlussberufung kann somit nicht gesagt werden, die Erhebung einer Anschlussberufung in einem Fall wie dem vorliegenden laufe auf eine blosse Verbesserung der Hauptberufung bzw. eine Verlängerung der Berufungsfrist hinaus (vgl. BGE 138 III 788 E. 4.4 S. 791 und sogleich E. 2.5).
BGE 141 III 302 S. 309
Art. 313 Abs. 2 lit. c ZPO Art. 313 Abs. 2 lit. a und b ZPO Art. 313 ZPO In der Zulassung der Anschlussberufung nach eigener Hauptberufung liegt keine Ungleichbehandlung der Parteien, wie die Vorinstanz befürchtet: Beiden Parteien, die Hauptberufung erhoben haben, steht es grundsätzlich frei, je Anschlussberufung zu erheben. Beide Parteien können sich damit grundsätzlich in der gleichen Weise und gleich oft äussern, wobei die Möglichkeit zur Anschlussberufung unter der Bedingung der Erhebung einer Hauptberufung durch die Gegenseite steht. Mit der vorliegenden Lösung haben beide Parteien die jeweils gleichen Handlungsmöglichkeiten: In einem ersten Schritt kann jede über die selbständige Anfechtung des erstinstanzlichen Urteils befinden, und sodann - wenn die Gegenseite Berufung erhoben hat - in einem zweiten Schritt über ihre Reaktion auf die gegnerische Berufung. Die Vorinstanz sieht die Ungleichbehandlung allerdings darin, dass in einer Konstellation wie der vorliegenden die anschlussberufungsbeklagte Seite auf die Anschlussberufung der Gegenseite hin keine eigene Anschlussberufung erheben kann (im BGE 141 III 302 S. 310 Anschluss an BGE 62 II 46 E. 1 S. 47 f.). Diese Auffassung basiert auf der Prämisse, dass die Anschlussberufung eine Verbesserung der Hauptberufung darstellt. Wie soeben gezeigt, trifft dies jedoch nicht zu. Es ist sodann zwar richtig, dass der Hauptberufungskläger, nachdem er von der Anschlussberufung der Gegenseite erfahren hat, nach Fristablauf nicht mehr mit einer Ausweitung seiner Hauptberufung oder mit einer Anschlussberufung auf die Anschlussberufung reagieren kann (vgl. dazu REETZ/HILBER, a.a.O., N. 13 zu Art. 313 ZPO ). Dies stellt jedoch keine Ungleichbehandlung der Parteien dar, sondern dient der klaren Trennung der Funktionen von Haupt- und Anschlussberufung. Beide Rechtsmittel können grundsätzlich nur je einmal erhoben werden. Dieser Beschränkung kommt prozessökonomische Funktion zu, indem ein ausufernder Schriftenwechsel mit der Möglichkeit zur immer weitergehenden Ausdehnung der Anträge, die zudem in einem komplizierten Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen, verhindert wird. Dieser Beschränkung müssen sich die Parteien bewusst sein: Wer Hauptberufung führt, muss von Anfang an damit rechnen, dass die Gegenseite Anschlussberufung führen könnte und dass er selber bei Eintreten dieses Falles nicht durch eine Ausweitung der Hauptberufungsanträge reagieren kann (sondern nur und allenfalls selber Anschlussberufung erheben kann, wenn die Gegenseite zuvor Berufung erhoben hat).
BGE 141 III 302 S. 310
BGE 62 II 46 Art. 313 ZPO Dass die Verfahren durch die Zulassung der Anschlussberufung nach Erhebung einer eigenen Hauptberufung unnötig kompliziert würden, ist nicht zu befürchten. Die oberen kantonalen Gerichte sehen sich dadurch - bei zwei Beteiligten - maximal zwei Haupt- und zwei Anschlussberufungen gegenüber.
2.5 Die Vorinstanz hat der Beschwerdeführerin allerdings vorgehalten, mit ihrer Anschlussberufung ihre Berufung zu verbessern, was unzulässig sei.
2.5 Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Anschlussberufung beantragt, die ihr vom Bezirksgericht auferlegte Verpflichtung zur Zahlung eines Prozesskostenvorschusses aufzuheben. Tatsächlich hat sie sich bereits in der Berufung zu diesem Punkt geäussert und das erstinstanzliche Urteil kritisiert. Allerdings stehen ihre Äusserungen im Zusammenhang mit ihrem Antrag auf Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das Berufungsverfahren. Angesichts dessen, dass sie sich in diesem Rahmen zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen äussern musste, ist es nachvollziehbar, dass sie BGE 141 III 302 S. 311 dabei auch die entsprechenden vorinstanzlichen Erwägungen zum Prozesskostenvorschuss angreift und die Gründe des Bezirksgerichts zu widerlegen versucht, weshalb sie zur Leistung eines solchen in der Lage sein soll. Dass sie diesen Punkt mit der Berufung hätte selbständig anfechten wollen und sie bloss vergessen hätte, den entsprechenden Antrag zu stellen, kann daraus nicht abgeleitet werden. Es braucht deshalb nicht entschieden zu werden, wie die Sache zu beurteilen wäre, wenn aus ihrem Verhalten tatsächlich ein solches Versäumnis abgeleitet werden müsste. Jedenfalls könnte sie diesfalls den nachgeholten Antrag höchstens als solchen auf der Stufe der Anschlussberufung gelten lassen, nicht aber effektiv die Hauptberufung verbessern. Wie es sich verhielte, wenn in einer Anschlussberufung ein bereits in der eigenen Hauptberufung enthaltener Antrag wieder aufgegriffen und verstärkt werden würde, braucht an dieser Stelle ebenfalls nicht entschieden zu werden.
BGE 141 III 302 S. 311
2.6 Aus dem Gesagten folgt, dass die Beschwerde in diesem Punkt begründet ist und die Sache an das Obergericht zur weiteren Beurteilung der Anschlussberufung zurückgewiesen werden muss. Das Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführerin an der Beurteilung ihrer Anschlussbeschwerde ist nicht dadurch entfallen, dass das Obergericht die Beschwerde des Beschwerdegegners abgewiesen hat. Es liegt keiner der Fälle gemäss Art. 313 Abs. 2 ZPO für das Dahinfallen der Anschlussberufung vor. Die oberen Gerichte müssen eine Anschlussberufung auch dann beurteilen, wenn sie in der Urteilsberatung zum Schluss kommen, dass sie die Hauptberufung, auf die sich die Anschlussberufung bezieht, abweisen wollen (zur "Verselbständigung" der Anschlussberufung vgl. Urteil 4A_333/2014 vom 23. Juli 2014 E. 2.3).
2.6 Art. 313 Abs. 2 ZPO
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Urteilskopf
45. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement gegen A.B. und Mitb. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_748/2014 vom 21. Mai 2015
Regeste Art. 8 EMRK ; Art. 2, 3 und 7 KRK ; Art. 119 Abs. 2 lit. d BV ; Art. 27 Abs. 1 und Art. 32 IPRG ; Eintragung ausländischer Entscheidungen und Urkunden in das Zivilstandsregister; Anerkennung eines Leihmutterschaftsurteils. Ein kalifornisches Vaterschaftsurteil, welches das mittels Leihmutterschaft begründete Kindesverhältnis zu eingetragenen Partnern feststellt, kann bei Umgehung des schweizerischen Leihmutterschaftsverbotes nur mit Bezug zum genetischen Elternteil anerkannt werden (E. 3-8).
Regeste
Art. 8 EMRK ; Art. 2, 3 und 7 KRK ; Art. 119 Abs. 2 lit. d BV ; Art. 27 Abs. 1 und Art. 32 IPRG ; Eintragung ausländischer Entscheidungen und Urkunden in das Zivilstandsregister; Anerkennung eines Leihmutterschaftsurteils. Ein kalifornisches Vaterschaftsurteil, welches das mittels Leihmutterschaft begründete Kindesverhältnis zu eingetragenen Partnern feststellt, kann bei Umgehung des schweizerischen Leihmutterschaftsverbotes nur mit Bezug zum genetischen Elternteil anerkannt werden (E. 3-8).
Art. 8 EMRK Art. 2, 3 und 7 KRK Art. 119 Abs. 2 lit. d BV Art. 27 Abs. 1 und Art. 32 IPRG Ein kalifornisches Vaterschaftsurteil, welches das mittels Leihmutterschaft begründete Kindesverhältnis zu eingetragenen Partnern feststellt, kann bei Umgehung des schweizerischen Leihmutterschaftsverbotes nur mit Bezug zum genetischen Elternteil anerkannt werden (E. 3-8).
Sachverhalt ab Seite 312
Sachverhalt ab Seite 312 BGE 141 III 312 S. 312
BGE 141 III 312 S. 312
A.
A. A.a D.B. wurde am 11. April 2011 in Bakersfield, Kalifornien/USA, als Staatsangehöriger der USA geboren. Im Auszug aus dem BGE 141 III 312 S. 313 Geburtsregister (Certification of vital record) des County of Kern, Kalifornien, vom 13. April 2011 sind A.B. (geb. 1976) und C.E. (geb. 1973) als Eltern eingetragen. A.B. und C.E., nunmehr C.B., sind Schweizer Bürger (von Kirchberg/SG bzw. Uznach/SG); sie haben Wohnsitz in der Schweiz und leben seit dem 11. Februar 2011 in eingetragener Partnerschaft. D. lebt seit Geburt mit ihnen zusammen.
A.a BGE 141 III 312 S. 313
A.b A.c Mit Vaterschaftsurteil (Judgment of Paternity) vom 24. Februar 2011 entschied der Superior Court of the State of California for the County of Kern unter Hinweis auf verschiedene Erklärungen der Partner B. und Ehegatten G. sowie auf weitere Dokumente das Folgende: A.B. werde aufgrund der Beweisunterlagen zum genetischen und leiblichen Vater des ungeborenen Kindes erklärt; C.E.-B. [sic] werde zum vermuteten leiblichen zweiten Vater des ungeborenen Kindes erklärt; F.G. sei nicht die biologische Mutter und ihr Ehemann H.G. nicht der biologische oder anders gesetzlich anerkannte Vater des ungeborenen Kindes und beide hätten auf alle elterlichen Rechte und Pflichten verzichtet; das volle und alleinige Sorgerecht und die finanzielle Verantwortung für das noch ungeborene Kind werde nach der Entbindung A.B. und C.E.-B. übertragen; in der Geburtsurkunde seien die gesetzlichen Namen und Informationen von A.B. und C.E.-B. einzutragen.
A.c B.
B. B.a Das Amt für Bürgerrecht und Zivilstand des Kantons St. Gallen wies den Antrag von A.B. und C.B. um Anerkennung des ausländischen Gerichtsentscheides und der gestützt darauf ergangenen Geburtsurkunde zur Eintragung in das Personenstandsregister am 21. März 2012 ab. Auf Rekurs hin wies das Departement des Innern des Kantons St. Gallen am 10. Juli 2013 das Amt an, A.B. und C.B. als Väter von D. im Register einzutragen.
B.a B.b Gegen den Rekursentscheid des kantonalen Departements gelangte das Bundesamt für Justiz (BJ), handelnd für das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), an das BGE 141 III 312 S. 314 Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen. Mit Urteil vom 19. August 2014 erachtete das Verwaltungsgericht die Beschwerde im Wesentlichen als unbegründet. C.B. wurde damit als zweiter rechtlicher Elternteil anerkannt. Geschützt wurden lediglich die Begehren, wonach das ausländische Urteil im Dispositiv sowie Abstammungsdaten des Kindes im Register zu erwähnen seien. Das Verwaltungsgericht ergänzte (in Ziff. 2) das Dispositiv des Rekursentscheides wie folgt:
B.b BGE 141 III 312 S. 314
"a. Das Gerichtsurteil vom 24. Februar 2011 des Superior Court of the State of California for the County of Kern und die kalifornische Geburtsurkunde vom 13. April 2011 werden anerkannt. b. Das Amt für Bürgerrecht und Zivilstand wird angewiesen, zusätzlich zum Kindesverhältnis gemäss Geburtsurkunde folgende Angaben zur Abstammung von D.B. einzutragen:
- Genetischer Vater: A.B.
- Genetische Mutter: anonyme Eizellenspenderin
- Geburtsmutter: F.G. (samt Hinweis auf Geburtsdatum, Geburtsort und Wohnsitz gemäss Gerichtsurteil vom 24. Februar 2011 des Superior Court of the State of California for the County of Kern)."
C. Mit Eingabe vom 25. September 2014 ist das BJ, handelnd für das EJPD, an das Bundesgericht gelangt. Es beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 19. August 2014 sei aufzuheben. In der Sache stellt das BJ den Antrag, das Gesuch um Anerkennung der kalifornischen Geburtsurkunde abzuweisen. Das Gesuch um Anerkennung des Urteils des kalifornischen Superior Court betreffend das Kindesverhältnis von D. zu C.B. (d.h. dem nichtgenetischen Vater, Beschwerdegegner 2) sei abzuweisen; im Übrigen sei das Gesuch um Anerkennung gutzuheissen (d.h. die Anerkennung zu bestätigen). Weiter sei der Eintrag im Personenstandsregister in bestimmter (näher bezeichneter) Weise zu ergänzen.
C. Die Beschwerdegegner sowie das Verwaltungsgericht beantragen die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Die Rechtsvertreterin des Kindes schliesst ebenfalls auf Abweisung der Beschwerde.
Über die vorliegende Beschwerde wurde an der öffentlichen Sitzung vom 21. Mai 2015 entschieden.
In dahingehender Gutheissung der Beschwerde und Aufhebung des angefochtenen Urteils anerkennt das Bundesgericht das Urteil und den Auszug aus dem Geburtsregister von Kalifornien nur insoweit, BGE 141 III 312 S. 315 als damit ein Kindesverhältnis zwischen D. und A.B. (Beschwerdegegner 1) festgestellt wird, und weist das verfügende Amt an, gewisse Angaben zur Abstammung von D. einzutragen.
BGE 141 III 312 S. 315
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
3. Anlass zur vorliegenden Beschwerde gibt die Eintragung eines Gerichtsentscheides und einer Geburtsurkunde aus Kalifornien in das Personenstandsregister, welche das durch Leihmutterschaft entstandene Kindesverhältnis von D. zu den Beschwerdegegnern zum Gegenstand hat. Für die Registereintragung im internationalen Verhältnis ist das IPRG (SR 291) massgebend. Die Eintragung einer ausländischen Entscheidung oder Urkunde über den Zivilstand wird von der kantonalen Aufsichtsbehörde bewilligt, wenn die Voraussetzungen gemäss Art. 25 ff. IPRG erfüllt sind ( Art. 32 Abs. 2 IPRG ).
3. Art. 25 ff. IPRG Art. 32 Abs. 2 IPRG 3.1 Die Aufsichtsbehörde prüft gemäss Art. 32 Abs. 1 IPRG das ausländische Dokument in formeller (registertechnischer) und materieller Hinsicht auf seine Eintragbarkeit. Materiell geht es dabei um die in den Art. 25 ff. IPRG genannten Voraussetzungen (VOLKEN, in: Zürcher Kommentar zum IPRG, 2. Aufl. 2004, N. 18 zu Art. 32 IPRG ). Wenn das BJ zunächst die Nichteintragung der kalifornischen Geburtsurkunde mit dem Argument verlangt, sie sei falsch, weil nicht die gebärende Frau aufgeführt sei, geht ihr Vorbringen fehl. Damit wird die materielle Richtigkeit der Geburtsurkunde mit Blick auf das dort aufgeführte Kindesverhältnis (zu den Beschwerdegegnern) in Frage gestellt, welches sich auf das kalifornische Gerichtsurteil stützt und dessen Anerkennung ebenfalls Beschwerdegegenstand ist. Soweit der Antrag des BJ darauf hinausläuft, dass bei einer ausländischen Geburtsurkunde mit zwei Männern als Vätern immer eine entsprechende materiellrechtliche Grundlage vorgelegt werden müsse, ist dies richtig und im konkreten Fall auch geschehen.
3.1 Art. 32 Abs. 1 IPRG Art. 25 ff. IPRG Art. 32 IPRG 3.2 Voraussetzung zur Anerkennung ist, dass die Zuständigkeit der ausländischen Behörden durch eine Bestimmung des IPRG begründet ist ( Art. 25 lit. a und Art. 26 lit. a IPRG ). Mit dem Vaterschaftsurteil (Judgment of Paternity) vom 24. Februar 2011 hat der Superior Court of the State of California for the County of Kern in einem (gemäss Section 7633 Uniform Parentage Act, "Determination of Father and Child Relationship") vor Geburt des Kindes eingeleiteten Verfahren über die Vaterschaft entschieden. Ausländische Entscheidungen betreffend die Feststellung (oder Anfechtung) des BGE 141 III 312 S. 316 Kindesverhältnisses werden gemäss Art. 70 IPRG in der Schweiz anerkannt. Diese Regel über die indirekte Zuständigkeit erfasst alle - auch dem inländischen Recht nicht bekannte - Entscheidungen, die im Ausland über die Feststellung (oder Beseitigung) eines Kindesverhältnisses ergehen können (SIEHR, in: Zürcher Kommentar zum IPRG, 2. Aufl. 2004, N. 13 zu Art. 70 IPRG ; KREN KOSTKIEWICZ, Grundriss des schweizerischen Internationalen Privatrechts, 2012, Rz. 1261 ff.). Darunter fällt auch - wie hier - ein im Zeitpunkt der Geburt entstehender Status im Zusammenhang mit Leihmutterschaft (vgl. SIEHR, a.a.O., N. 1, 8 und 10 zu Art. 66 IPRG ).
3.2 Art. 25 lit. a und Art. 26 lit. a IPRG BGE 141 III 312 S. 316
Art. 70 IPRG Art. 70 IPRG Art. 66 IPRG 3.3 Ausländische Entscheidungen betreffend die Feststellung (oder Anfechtung) des Kindesverhältnisses werden gemäss Art. 70 IPRG anerkannt, wenn sie im Staat des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes, in dessen Heimatstaat oder im Wohnsitz- oder im Heimatstaat der Mutter oder des Vaters ergangen sind. Die USA sind weder Wohnsitz- noch Heimatstaat der Beschwerdegegner. Hingegen bezieht sich das Urteil vom 24. Februar 2011 auf die Feststellung der Vaterschaft für das Kind mit Geburtstermin vom 11. April 2011 und Geburtsort in den USA (Wohnsitz der Leihmutter). Der im Zeitpunkt des Erlasses des Urteils bereits anstehende Erwerb der amerikanischen Staatsangehörigkeit ex lege (vgl. 8 U.S. Code § 1401 lit. a) erlaubt, die indirekte Zuständigkeit an den Heimatstaat von D. zu knüpfen (analog BGE 116 II 202 E. 2e S. 206, betreffend unmittelbar beabsichtigter Wohnsitznahme). Die Zuständigkeit der kalifornischen Gerichte und Behörden ist grundsätzlich gegeben. Die mögliche Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der Leihmutter (wie das BJ meint) oder den bevorstehenden schlichten Aufenthalt des Kindes braucht hier nicht erörtert zu werden.
3.3 Art. 70 IPRG 3.4 Das in Kalifornien ausgesprochene Vaterschaftsurteil bzw. die dort ausgestellte Geburtsurkunde sind unstrittig endgültig (Art. 25 lit. b IRPG). Im Folgenden bleibt zu prüfen, ob der Anerkennung ein Verweigerungsgrund im Sinne von Art. 27 IPRG entgegensteht ( Art. 25 lit. c IPRG ). Dabei ist zu klären, was relevantes Schutzobjekt des schweizerischen Ordre public ist (E. 4) und ob der Einsatz des Ordre public im konkreten Fall gerechtfertigt (E. 5) und völkerrechtskonform ist (E. 6).
3.4 Art. 27 IPRG Art. 25 lit. c IPRG 4. Gemäss Art. 27 Abs. 1 IPRG wird eine im Ausland ergangene Entscheidung in der Schweiz nicht anerkannt, wenn die Anerkennung mit dem schweizerischen Ordre public offensichtlich unvereinbar wäre. BGE 141 III 312 S. 317
4. Art. 27 Abs. 1 IPRG BGE 141 III 312 S. 317
4.1 Nicht jeder Verstoss gegen das Rechtsempfinden, die Wertvorstellungen oder zwingendes Recht rechtfertigt den Eingriff mit dem Ordre public. Für die Verletzung ist vielmehr erforderlich, dass die Anerkennung und Vollstreckung des ausländischen Entscheides in der Schweiz mit den hiesigen rechtlichen und ethischen Werturteilen schlechthin unvereinbar wäre. Ob der Ordre public verletzt ist, beurteilt sich nicht abstrakt. Entscheidend sind die Auswirkungen der Anerkennung und Vollstreckung im Einzelfall. Die Anwendung des Ordre public-Vorbehalts ist im Rahmen der Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Urteils nach dem Wortlaut des Gesetzes ("offensichtlich") restriktiv anzuwenden, denn mit der Weigerung der Anerkennung werden hinkende Rechtsverhältnisse geschaffen ( BGE 103 Ib 69 E. 3b S. 73; BGE 126 III 101 E. 3b S. 107, BGE 126 III 327 E. 2b S. 330; BGE 131 III 182 E. 4.1 S. 185; SCHWANDER, Einführung in das internationale Privatrecht, Bd. I: Allgemeiner Teil, 3. Aufl. 2000, Rz. 484, 712; KNOEPFLER/SCHWEIZER/OTHENIN-GIRARD, Droit international privé suisse, 3. Aufl. 2005, Rz. 353; BUCHER/BONOMI, Droit international privé, 3. Aufl. 2013, Rz. 275 f.). In diesem Sinn wird zur Vermeidung hinkender Rechtsverhältnisse das Eingreifen des Ordre public-Vorbehaltes umso mehr eine Ausnahme bleiben, je loser die Beziehungen zur Schweiz sind und je länger der Zeitraum zwischen der Ausfertigung der Urkunde oder dem Entscheid und der Prüfung ist (OTHENIN-GIRARD, L'inscription des décisions et des actes étrangers à l'état civil [art. 32 LDIP et 137 OEC], ZZW 1998 S. 167 f., mit Hinweisen; vgl. BGE 126 III 101 E. 3b S. 107 f.).
4.1 4.2 Das kalifornische Urteil weicht von der schweizerischen Rechtsordnung ab. Nach dem ZGB entsteht das Kindesverhältnis zwischen dem Kind und der Mutter mit der Geburt; die Statusbeziehung besteht einzig zur austragenden Mutter ( Art. 252 Abs. 1 ZGB ). Das Erfordernis der Eindeutigkeit der Mutterschaft bei der Geburt kommt im Satz mater semper certa est zum Ausdruck. Sodann kann die austragende Mutter nicht vor der Geburt wirksam auf ihre Rechte mit Bezug auf das Kind verzichten (vgl. Art. 265b Abs. 1 ZGB ). Diese Grundsätze gelten auch in der Fortpflanzungsmedizin (vgl. Botschaft vom 26. Juni 1996 über die Volksinitiative "zum Schutz des Menschen vor Manipulationen in der Fortpflanzungstechnologie [Initiative für menschenwürdige Fortpflanzung, FMF]" und zu einem Bundesgesetz über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung [Fortpflanzungsmedizingesetz, FMedG], BBl 1996 III 205, 254Ziff. 322.12): Die Ei- und Embryonenspende und alle Arten der BGE 141 III 312 S. 318 Leihmutterschaft sind unzulässig ( Art. 119 Abs. 2 lit. d BV ; Art. 4 des Bundesgesetzes vom 18. Dezember 1998 über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung [FMedG; SR 810.11]).
4.2 Art. 252 Abs. 1 ZGB Art. 265b Abs. 1 ZGB BGE 141 III 312 S. 318
Art. 119 Abs. 2 lit. d BV 4.2.1 Unter Leihmutterschaft wird verstanden, dass eine Frau, die dazu bereit ist, durch ein Fortpflanzungsverfahren ein Kind empfängt, es austrägt und nach der Geburt Dritten auf Dauer überlässt; diese Praktik ist verboten ( Art. 2 lit. k FMedG ). Das Verbot der Leihmutterschaft wird mit dem Schutz der Frau vor Instrumentalisierung und mit dem Schutz des Kindeswohls begründet (Art. 7 bzw. Art. 11 Abs. 1 BV und Art. 3 des Übereinkommens vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes [UN-Kinderrechtekonvention, KRK; SR 0.107]; vgl. REUSSER/SCHWEIZER, in: Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, 3. Aufl. 2014, N. 44 f. zu Art. 119 BV ). Die biologische (austragende) Mutter soll nicht dem Konflikt zwischen der psychischen Bindung an ihr Kind und der Zusage gegenüber den Wunscheltern ausgesetzt werden und das Kind ist davor zu schützen, dass es zur Ware degradiert wird, die man bei Dritten bestellen könne (Botschaft zum FMedG, BBl 1996 III 205, 279 Ziff. 324.203).
4.2.1 Art. 2 lit. k FMedG Art. 11 Abs. 1 BV Art. 119 BV 4.2.2 Damit zwei homosexuelle Männer zu einem Kind kommen könnten, müsste die Leihmutterschaft erlaubt sein. Indessen verbietet die Verfassung ausdrücklich alle Arten von Leihmutterschaften (Botschaft vom 29. November 2002 zum Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare, BBl 2003 1288, 1324 Ziff. 1.7.8). Das Verbot der Leihmutterschaft gilt unabhängig vom Zivilstand; die gesetzliche Nichtzulassung für eingetragene Partner hält nur fest, was aufgrund von Art. 119 BV bereits gilt ( Art. 28 des Bundesgesetzes vom 18. Juni 2004 über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare [PartG; SR 211.231] ).
4.2.2 Art. 119 BV Art. 28 des Bundesgesetzes vom 18. Juni 2004 über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare [PartG; SR 211.231] 4.2.3 Mit Bezug auf das Verbot der Eizellenspende wurde mit einer Parlamentarischen Initiative (12.487 Neirynck) die Revision des FMedG verlangt, um die Eizellenspende zuzulassen; der Initiative wurde Folge gegeben. Hingegen steht eine Änderung oder Lockerung des Verbotes der Leihmutterschaft nicht zur Diskussion. Der Bundesrat hat am 5. November 2014 in Beantwortung einer entsprechenden Interpellation (14.3742 J. Fehr) abgelehnt, die Möglichkeit der Lockerung des Leihmutterschaftsverbotes zu prüfen, und dieses Geschäft ist im Parlament erledigt. Daraus ist abzuleiten, dass das auf Verfassungsstufe verankerte Verbot der Leihmutterschaft auch heute als Grundüberzeugung der hiesigen Rechtsanschauung zu BGE 141 III 312 S. 319 gelten hat. Das Verbot der Leihmutterschaft in Art. 119 Abs. 2 lit. d BV und Art. 4 FMedG bezieht sich indes auf Vorgänge in der Schweiz, weshalb es für sich genommen noch keinen zwingenden Hinderungsgrund bildet, ein im Ausland gesetzeskonform begründetes Kindesverhältnis anzuerkennen. Die Umstände im Einzelfall können jedoch für eine Verletzung des Ordre public und damit gegen eine Anerkennung eines solchen Kindesverhältnisses sprechen (Bericht zur Leihmutterschaft, Bericht des Bundesrates vom 29. November 2013 in Beantwortung des Postulates 12.3917, Ziff. 3.5, S. 39).
4.2.3 BGE 141 III 312 S. 319
Art. 119 Abs. 2 lit. d BV Art. 4 FMedG 4.2.4 Falls im Ausland die Elternschaft der sog. Wunscheltern anerkannt ist, die Leihmutter und Eizellenspenderin dort auf alle Rechte verzichtet und keine Pflichten gegenüber dem Kind haben, kann die Nichtanerkennung in der Schweiz zur Elternlosigkeit eines Kindes führen, wenn die Adoption im Inland scheitert oder nicht möglich ist (RUMO-JUNGO, Kindesverhältnisse im Zeitalter vielfältiger Familienformen und medizinisch unterstützter Fortpflanzung, FamPra.ch 2014 S. 849). Nach der Lehre kann diese Situation Grundrechte des Kindes verletzen, welche - als grundlegende Werturteile des inländischen Rechts - zum Schutzobjekt des schweizerischen Ordre public gehören: Mit Art. 11 BV geniesst das Kindeswohl Verfassungsrang, und es gilt in der Schweiz als oberste Maxime des Kindesrechts in einem umfassenden Sinne ( BGE 132 III 359 E. 4.2.2 S. 373; BGE 129 III 250 E. 3.4.2 S. 255); damit werden die mit der KRK garantierten Rechte verankert ( BGE 126 II 377 E. 5d S. 391).
4.2.4 Art. 11 BV 4.3 In der Lehre ist die Auffassung verbreitet, dass im Ausland geschaffene kindesrechtliche Statusverhältnisse in der Schweiz unter bestimmten Voraussetzungen anerkannt werden können (u.a. GUILLOD/HELLE, Les voyages forment la jeunesse ou Tourisme et procréation médicalement assistée, in: Mélanges en l'honneur de François Knoepfler, 2005, S. 446 f.; RUMO-JUNGO, a.a.O., S. 849 ff.; BREITSCHMID, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. I, 5. Aufl. 2014, N. 6b vor Art. 264-269c ZGB ; BÜCHLER, Rechtsprechungsbericht, FamPra.ch 2014 S. 1069 ff.; HOTZ, Zwischen Informed Consent und Verbot: Wertungswidersprüche in der Reproduktionsmedizin, recht 2014 S. 31; vgl. bereits VISCHER, in: Status und Wirkung aus der Sicht des schweizerischen IPR, in: Festschrift Müller-Freienfels, 1986, S. 678/679). Kritisch äussert sich hingegen HAUSHEER (Normen mit Verfassungsrang als prägende Gestaltungsfaktoren des Familienlebens bzw. des Familienrechts, ZBJV 2015 S. 335 ff. sowie Fn. 30). Abgelehnt wird die Anerkennung in der ausländischen Lehre von FABRE-MAGNAN (Les trois niveaux d'appréciation de l'intérêt de BGE 141 III 312 S. 320 l'enfant, A propos de la gestation pour autrui, Recueil Dalloz 4/2015 S. 224 ff.).
4.3 Art. 264-269c ZGB BGE 141 III 312 S. 320
4.4 In den Ländern, die ein Leihmutterschaftsverbot kennen, geht die Rechtsprechung mit der Frage der Anerkennung von im Ausland durchgeführten Leihmutterschaften und dort gültig entstandenen Kindesverhältnissen unterschiedlich um. In Deutschland wurde in einem Fall - mit analogem Sachverhalt wie vorliegend - die Vereinbarkeit mit dem Ordre public u.a. mit dem Hinweis darauf bejaht, dass ein eingetragener Partner nach nationalem Recht ein Kind adoptieren kann, das der andere Lebenspartner bereits adoptiert hat (Sukzessivadoption; Bundesgerichtshof, Beschluss XII ZB 463/13 vom 10. Dezember 2014). In Spanien wurde die Anerkennung eines kalifornischen Leihmutterschaftsurteils hingegen verneint, indessen berücksichtigt, dass das Kind nach nationalem Recht die Möglichkeit hat, durch Adoption eine rechtliche Verbindung zu beiden (männlichen) Elternteilen herzustellen (FULCHIRON/GUILARTE MARTÍN-CALERO, L'Ordre public international à l'épreuve des droits de l'enfant: non à la GPA international, oui à l'intégration de l'enfant dans sa famille, A propos de la décision [245/2012] du Tribunal supremo espagnol du 6 février 2014, Revue critique de droit international privé [Rev. crit. DIP] 2014 S. 531 ff., 556). In Italien wurde in einem Fall, in dem die Wunscheltern mit dem Kind genetisch nicht verwandt waren, die Anerkennung einer ukrainischen Geburtsurkunde versagt (Corte suprema di cassazione, Urteil Nr. 24001/14 vom 11. November 2014), und in Frankreich gilt die Umgehung des Leihmutterschaftsverbotes bis anhin als Ordre public-widrig (Cour de cassation, Urteil Nr. 281 vom 19. März 2014 [13-50. 005]). Urteile dieser beiden Länder haben dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Gelegenheit zu Stellungnahmen gegeben, worauf zurückzukommen ist.
4.4 4.5 Im Rahmen der Haager Konferenz für internationales Privatrecht sind erst die Grundlagenarbeiten aufgenommen worden, welche im Bereich der Leihmutterschaft internationale Rechtssicherheit für den Status des Kindes und für Leihmutterschaftsverträge schaffen sollen (vgl. LAGARDE, Die Leihmutterschaft: Probleme des Sach- und des Kollisionsrechts, Zeitschrift für Europäisches Privatrecht [ZeuP] 2015 S. 240).
4.5 5. BGE 141 III 312 S. 321
5.1 Aus dem Vaterschaftsurteil (Judgment of Paternity) vom 24. Februar 2011 geht unstrittig hervor, dass der Beschwerdegegner 1 genetischer Vater des ungeborenen Kindes und F.G. nicht die genetische Mutter ist und dass die genetische Mutter (Eizellenspenderin) nicht bekannt ist. Weiter steht fest, dass H.G., der Ehemann der Leihmutter, nicht der biologische oder gesetzlich anerkannte Vater des ungeborenen Kindes ist und die Ehegatten G. (vor der Geburt) rechtswirksam auf alle elterlichen Rechte und Pflichten verzichtet haben. Nach dem Sachverhalt im angefochtenen Urteil haben die Ehegatten G. am 9. April 2012 (ein Jahr nach der Geburt von D.) wiederholt, auf alle elterlichen Rechte zu verzichten, und ist am 26. Februar 2013 die genetische Vaterschaft des Beschwerdegegners 1 durch Gutachten in der Schweiz bestätigt worden. Beide Beschwerdegegner werden zu rechtlichen Vätern des Kindes erklärt.
5.1 5.2 Vorab ist festzuhalten, dass das kalifornische Urteil nicht deshalb Ordre public-widrig ist, weil es ein Kindesverhältnis zu zwei miteinander rechtlich verbundenen Männern herstellt. So ist eine im Ausland ausgesprochene Stiefkindadoption eingetragener Partner grundsätzlich anerkennbar und verstösst nicht per se gegen den schweizerischen Ordre public (Botschaft zum PartG, BBl 2003 1288, 1359 Ziff. 2.5.17; vgl. u.a. BOPP, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 3. Aufl. 2013, N. 10 zu Art. 65a IPRG ; DE LUZE/PAGE/STOUDMANN, Droit de la famille, Code annoté, 2013, Ziff. 1.4 zu Art. 28 PartG ; BUCHER, in: Commentaire romand, Loi sur le droit international privé [...], 2011, N. 9 zu Art. 78 IPRG ; St. Gallische Gerichts- und Verwaltungspraxis 2009 Nr. 101 S. 249 ff.). Zudem liegt der Vorschlag des Bundesrates, die Stiefkindadoption für eingetragene Partner einzuführen, bereits vor (Botschaft vom 28. November 2014 zur Änderung des ZGB [Adoption], BBl 2015 877, 910 Ziff. 2.3.3.4, 925 Ziff. 3.1, sowie E- Art. 264c ZGB ). Ein Ordre public-Verstoss allein aufgrund des Zivilstandes und der Lebensform lässt sich gerade wegen des zugrunde liegenden parlamentarischen Vorstosses (Motion 11.4046) nicht begründen (URWYLER/HAUSER, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 3. Aufl. 2013, N. 17 zu Art. 78 IPRG ). BGE 141 III 312 S. 322
5.2 Art. 65a IPRG Art. 28 PartG Art. 78 IPRG Art. 264c ZGB Art. 78 IPRG BGE 141 III 312 S. 322
5.3 Die Art und Weise der Entstehung des Kindesverhältnisses im konkreten Einzelfall kann nicht ausser Acht gelassen werden.
5.3 5.3.1 Art. 2 lit. k FMedG 5.3.2 Im Bereich des internationalen Privatrechts besteht gesetzlich viel Gestaltungsfreiheit (wie durch Wahl von Forum und Recht) und längst nicht alle rechtsgestaltenden Handlungen sind rechtlich relevante "Gesetzesumgehungen" (vgl. KREN KOSTKIEWICZ, a.a.O., Rz. 976 ff., 983 ff.). Wenn indes die Beschwerdegegner - als schweizerische Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Schweiz, ohne weiteren Bezug zu Kalifornien - die Leihmutterschaft gerade zur Vermeidung des schweizerischen Verbotes in Kalifornien durchgeführt haben, stellt ihr Vorgehen eine rechtlich relevante Rechtsumgehung dar. Grund dafür ist, dass die Rechtsordnung offensichtlich um die von ihr beabsichtigte Wirkung ihrer Vorschriften gebracht werden soll (vgl. SCHNITZER, Handbuch des internationalen Privatrechts, Bd. I, 1957, S. 250), wobei diese Vorschriften vor der Verletzung der Moral, das öffentliche Interesse und die Menschenwürde schützen sollen (vgl. PERRIN, La fraude à la loi et l'ordre public en droit privé, in: Mélanges Pierre Engel, 1989, S. 260 f., 265). Die engen Beziehungen der Beteiligten zur Schweiz (Wohnsitz und Staatsangehörigkeit), die losen Beziehungen zu den USA (neben der Staatsangehörigkeit des Kindes die Leihmutter, die das Kind dort weder rechtlich hat noch haben will, und die anonyme Eizellenspenderin) und der noch nicht lange Zeitraum zwischen der Entscheidung und Geburtsurkunde (im Jahre 2011) und der Anerkennungsprüfung stehen dem Einsatz des Ordre public-Vorbehaltes nicht entgegen. BGE 141 III 312 S. 323
5.3.2 BGE 141 III 312 S. 323
5.3.3 Am Ordre public-Verstoss zufolge Rechtsumgehung im dargelegten Sinn vermag nichts zu ändern, dass das Kind am Vorgehen seiner Wunscheltern kein Vorwurf trifft. Wohl ist möglich, dass die Anerkennung eines ausländischen Leihmutterschaftsurteils im Interesse des Kindes ist. Ebenso gut ist denkbar, dass sich ein Leihmutterschaftskind später als Objekt des - durch das Recht verbotenen - Vorgehens sieht. In diesem Fall würde ihm die Gültigerklärung der Verbotsüberschreitung jedes Recht absprechen, sich als Opfer zu fühlen (FABRE-MAGNAN, a.a.O., S. 226). Sicher ist jedenfalls, dass der Schutz des Kindes davor, zur Ware degradiert zu werden, die man bei Dritten bestellen kann, aber auch der Schutz der Leihmutter vor der Kommerzialisierung ihres Körpers, bedeutungslos wären, wenn die Rechtsumgehung der Wunscheltern nachträglich gültig erklärt würde. Die Verneinung der Ordre public-Widrigkeit würde die rechtsanwendenden Behörden zwingen, ein durch Rechtsumgehung erreichtes Kindesverhältnis als fait accompli zu akzeptieren, womit der Fortpflanzungstourismus gefördert würde und das inländische Leihmutterschaftsverbot weitgehend wirkungslos wäre (vgl. FABRE-MAGNAN, a.a.O., S. 226).
5.3.3 5.3.4 Das BJ erblickt in der Tatsache der Anonymität der Eizellenspenderin einen Grund, welcher der Anerkennung des kalifornischen Urteils entgegensteht, ebenso im Umstand, dass die kalifornischen Behörden keine Prüfung der Eignung der Eltern vorgenommen hätten. Diese Einwände sind nicht ausschlaggebend. Damit wird lediglich die Auseinandersetzung darüber eröffnet, welche Kriterien (wie Eignungsprüfung der Wunscheltern, Nichtanonymität der Eizellenspenderin, vgl. auch z.B. gerichtliches Verfahren, Abklärung der Einwilligung der Leihmutter sowie deren Lebensumstände etc.) erfüllt sein müssten, damit eine im Ausland erfolgte Leihmutterschaft akzeptabel und ein entsprechendes Kindesverhältnis anerkennbar wären. Dem steht hier entgegen, dass die Rechtsumgehung zum Ordre public-Verstoss führt und sich daran nichts ändert, ob das Kind aufgrund einer Leihmutterschaft in einem Land mit allfälligen "Minimalstandards" entstanden ist. Ob dem Kind grundsätzlich die Folgen auferlegt werden können, wenn sich seine Wunscheltern für eine "nicht akzeptable" Leihmutterschaft entscheiden, ist daher nicht zu erörtern. Im vorliegenden Fall bleibt es dabei, dass das kalifornische Vaterschaftsurteil insoweit mit dem Ordre public nicht vereinbar ist.
5.3.4 6. Zu prüfen ist im Folgenden, ob und inwieweit die aus der EMRK und KRK fliessenden Rechtspositionen des Kindes den aus der BGE 141 III 312 S. 324 Rechtsumgehung abgeleiteten Ordre public-Verstoss (E. 5.3) zurückzudrängen vermögen bzw. die Anerkennung des Kindesverhältnisses zu den Beschwerdegegnern gebieten.
6. BGE 141 III 312 S. 324
6.1 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in den Urteilen Nr. 65192/11 Mennesson gegen Frankreich und Nr. 65941/11 Labassée gegen Frankreich, je vom 26. Juni 2014, zur Anerkennung von im Ausland durch Leihmutterschaft hergestellten Kindesverhältnissen Stellung genommen, wenn im Anerkennungsstaat ein Leihmutterschaftsverbot gilt. Dabei ging es um Kinder, welche in den USA von einer Leihmutter zur Welt gebracht wurden und bei denen in Frankreich die Anerkennung des im Ausland begründeten Kindesverhältnisses, aber auch die Anerkennung der Vaterschaft oder die Herstellung eines Kindesverhältnisses auf dem Wege der Adoption verweigert wurde, obwohl jeweils der Ehemann des französischen Wunschelternpaares der genetische Vater war. Die Kinder waren in beiden Fällen zwischenzeitlich rund 13- bzw. 14-jährig, so dass längst eine feste sozialpsychische Beziehung, aber nach wie vor kein rechtliches Eltern-Kind-Verhältnis bestand, weil Frankreich auch die Anerkennung durch den Vater sowie die Adoption nicht zuliess. Der EGMR entschied, dass die aus Art. 8 EMRK fliessenden Rechte der Eltern nicht verletzt seien, weil sie ja faktisch ein Familienleben mit den bei ihnen lebenden Kindern hätten. Indes ging der Gerichtshof von einer Verletzung der Rechte der Kinder aus. Es wurde als unhaltbar erachtet, dass die Kinder kein rechtliches Kindesverhältnis zum genetischen Vater herstellen konnten (Urteile Mennesson, § 100, bzw. Labassée, § 79). Hingegen ist von der jeweiligen Ehefrau des genetischen Vaters, die in beiden Fällen ebenfalls als Beschwerdeführerin auftrat und die Anerkennung des in den USA zu ihr begründeten Kindesverhältnisses verlangte, nicht weiter die Rede. Der EGMR erachtete somit die Menschenrechte der Kinder durch Anerkennung bzw. Herstellung eines Kindesverhältnisses zu ihrem genetischen Vater in Frankreich als hinlänglich gewahrt. Sodann hat der EGMR in seinem Urteil Nr. 25358/12 Paradiso und Campanelli gegen Italien vom 27. Januar 2015 im Zusammenhang mit vermeintlichen Eltern, die aber zufolge eines Fehlers in der Klinik keinen genetischen Bezug zum Kind hatten, festgehalten, dass die mit dem Ordre public begründete Verweigerung der Anerkennung des durch Leihmutterschaft hergestellten Kindesverhältnisses keine décision déraisonnable sei (Urteil Paradiso, § 77). Einzig in der sofortigen Wegnahme und Fremdplatzierung des BGE 141 III 312 S. 325 Kindes hat der Gerichtshof eine Verletzung des Familienlebens erblickt (§ 80 ff.), ohne eine Pflicht auf Rückgabe des Kindes auszusprechen (Urteil Paradiso, §§ 80 ff., 88).
6.1 Art. 8 EMRK BGE 141 III 312 S. 325
6.2 Aus der Rechtsprechung des EGMR ist zu schliessen, dass es unter dem Blickwinkel von Art. 8 EMRK nicht zulässig ist, ein Kindesverhältnis mit genetischem Bezug zwischen Kind und Elternteil aus Ordre public-Gründen nicht anzuerkennen. Zu Recht ist demnach unstrittig, dass die Anerkennung der vom kalifornischen Gericht ausgesprochenen Feststellung der Vaterschaft des Beschwerdegegners 1 bzw. des genetischen Vaters zu D. mit dem schweizerischen Ordre public vereinbar ist. Der Eintragung dieses Kindesverhältnisses im schweizerischen Personenstandsregister steht zu Recht nichts im Wege.
6.2 Art. 8 EMRK 6.3 Hingegen lässt es sich nach der Strassburger Rechtsprechung mit den Garantien der EMRK vereinbaren, wenn ein durch Leihmutterschaft begründetes Kindesverhältnis zu einem Elternteil ohne genetischen Bezug aus Ordre public-Gründen nicht anerkannt wird (vgl. FULCHIRON/BIDAUD-GARON, A propos de la filiation des enfants nés par GPA, au lendemain des arrêts Labassée, Mennesson et Campanelli-Paradiso de la Cour européenne des droits de l'homme, Rev. crit. DIP 2015 S. 6, 20 f.; kritisch MARGUÉNAUD, Revue trimestrielle de droit civil [RTDCiv.] 2014 S. 839). Die Verweigerung der Anerkennung der vom kalifornischen Gericht ausgesprochenen Feststellung der Vaterschaft des Beschwerdegegners 2, bzw. des nichtgenetischen Vaters zu D. aus Ordre public-Gründen ist EMRK-konform.
6.3 6.4 Trotz Nichtanerkennung des Kindesverhältnisses zum Beschwerdegegner 2 ist der rechtliche Status von D. durch die schweizerische Rechtsordnung im Lichte der EMRK und KRK - wie sich aus dem Folgenden ergibt - hinreichend geschützt.
6.4 6.4.1 D. lebt seit jeher zusammen mit den Beschwerdegegnern, so dass sie eine Familiengemeinschaft bilden, die unter dem Schutz von Art. 8 EMRK steht (Urteil Paradiso und Campanelli, §§ 69, 80; vgl. bereits BGE 135 I 143 E. 3.2 S. 149). Insoweit hat die Ordre public-Widrigkeit infolge Rechtsumgehung zurückzutreten (selbst wenn keine genetische Verbindung besteht). Die Entfernung des Kindes aus dem familiären Umfeld wäre - wie allgemein - nur im Falle einer Gefährdung gerechtfertigt. Insoweit sind die aus Art. 8 EMRK fliessenden Rechte von D. ohne weiteres gewährleistet. Nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet (entgegen den BGE 141 III 312 S. 326 Ausführungen der Vorinstanz) die Frage, ob die konkrete Betreuungssituation dem Kindeswohl entspricht.
6.4.1 Art. 8 EMRK Art. 8 EMRK BGE 141 III 312 S. 326
6.4.2 De lege lata sind Personen, die in eingetragener Partnerschaft leben, zur Stiefkindadoption nicht zugelassen ( Art. 28 PartG ), weshalb D. vom Beschwerdegegner 2 nicht adoptiert werden kann. Die Leihmutter ist nach dem kalifornischen Urteil nie rechtliche Mutter geworden, was sie in der Folge bestätigt hat. Die Verweigerung der Anerkennung der Feststellung des Kindesverhältnisses zum Beschwerdegegner 2 erlaubt den schweizerischen Behörden nicht ohne weiteres, ersatzweise die Leihmutter als rechtliche Mutter zu betrachten (vgl. BÜCHLER/BERTSCHI, Gewünschtes Kind, geliehene Mutter, zurückgewiesene Eltern?, FamPra.ch 2013 S. 55). In Kalifornien kann die Leihmutter - wegen der entgegenstehenden dortigen Gerichtsentscheidung - ohnehin nicht zweiter Elternteil von D. sein; zudem will sie überhaupt nicht dessen Mutter sein. Bei blosser Teilanerkennung des kalifornischen Urteils ist daher die Rechtslage eines rechtlichen "Ein-Eltern-Kindes" näher zu erörtern.
6.4.2 Art. 28 PartG 6.4.3 D. hat aufgrund des im kalifornischen Urteil festgestellten und anerkannten Kindesverhältnisses zum Beschwerdegegner 1 das Schweizer Bürgerrecht erworben (Art. 1 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 29. September 1952 über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts [BüG; SR 141.0]; ferner Art. 271 ZGB ); dem Kind drohtkeine Staatenlosigkeit, abgesehen davon, dass es auch die Staatsangehörigkeit des Geburtsstaates erworben hat. Als Kind von Beschwerdegegner 1 (als Schweizer Bürger) wird es im Personenstandsregister erfasst ( Art. 23 Abs. 2 lit. a ZStV [SR 211.112.2]).Sodann trägt D. aufgrund des anerkannten Kindesverhältnisses zum Beschwerdegegner 1 dessen Namen (vgl. Art. 37 Abs. 1 IPRG ; Art. 270a Abs. 1 ZGB ) und steht jedenfalls in dessen elterlichen Sorge (vgl. Art. 85 Abs. 4 IPRG ; Art. 298a ZGB ). Im Falle der Verhinderung des Beschwerdegegners 1, seines rechtlichen Vaters, ist D. nicht ohne rechtliche Beziehung zu Beschwerdegegner 2: Art. 27 Abs. 1 PartG verleiht dem eingetragenen Partner zwar keine Elternrechte, jedoch gewisse Betreuungsrechte und -pflichten, wenn es die Umstände erfordern (vgl. BOOS/BÜCHLER, in: FamKomm Eingetragene Partnerschaft, 2007, N. 15 ff. zu Art. 27 PartG ). Der dargestellte rechtliche Status von D. gewährleistet demnach das Kindeswohl ( Art. 11 BV, Art. 3 KRK ) sowie die Rechte aus Art. 7 KRK (Name, Staatsangehörigkeit, Registrierung). Mit Blick auf seinen zweiten Heimatstaat entsteht zwar ein hinkendes Rechtsverhältnis, was eine Rechtsunsicherheit über die eigene Identität darstellen kann BGE 141 III 312 S. 327 (Urteil Mennesson, § 96), im konkreten Fall sind die aus Art. 8 Abs. 1 EMRK fliessenden Rechte indes nicht übermässig beeinträchtigt.
6.4.3 Art. 271 ZGB Art. 23 Abs. 2 lit. a ZStV Art. 37 Abs. 1 IPRG Art. 270a Abs. 1 ZGB Art. 85 Abs. 4 IPRG Art. 298a ZGB Art. 27 Abs. 1 PartG Art. 27 PartG Art. 11 BV Art. 3 KRK Art. 7 KRK BGE 141 III 312 S. 327
Art. 8 Abs. 1 EMRK 6.4.4 Die jüngsten Empfehlungen des UNO-Kinderrechtsausschusses führen zu keinem anderen Ergebnis. Der Ausschuss hat der Schweiz empfohlen, sicherzustellen, dass das Leihmutterschaftskind während der Zeit zwischen seiner Ankunft in der Schweiz und der formellen Adoption nicht staatenlos ist und keine Diskriminierung ( Art. 2 KRK ) zu gewärtigen hat (Committee on the Rights of the Child, Concluding Observations on the combined second to fourth periodic reports of Switzerland, CRC/C/CHE/CO/2-4, vom 4. Februar 2015, Ziff. 46 und 47). Das soll mit der vom Bundesrat vorgelegten, bereits erwähnten Botschaft vom 28. November 2014 zur Änderung des ZGB [Adoption] geschehen (BBl 2015 877, 909 f. Ziff. 2.3.3.4). Mit der vorgeschlagenen Stiefkindadoption könnte das kindesrechtliche Statusverhältnis zwischen D. und dem Beschwerdegegner 2 grundsätzlich hergestellt werden (vgl. BBl 2015 877, 909 Ziff. 2.3.3.3, vgl. ferner FULCHIRON/BIDAUD-GARON, a.a.O., S. 36 ff.).
6.4.4 Art. 2 KRK 7. Nach dem Dargelegten ergibt sich, dass die vollumfängliche Anerkennung des Vaterschaftsurteils (Judgment of Paternity) vom 24. Februar 2011 des kalifornischen Superior Court in der Schweiz zufolge Ordre public-Verstosses nicht möglich ist. Die Rüge des BJ wegen Verletzung des Ordre public betreffend die Anerkennung ausländischer Entscheidungen (Art. 32 Abs. 1 i.V.m. Art. 25 ff. IPRG ) ist begründet, soweit mit dem kalifornischen Urteil ein Kindesverhältnis zwischen D. und dem Beschwerdegegner 2, dem nichtgenetischen Elternteil, festgestellt wird. Das Gleiche - d.h. teilweise Verweigerung der Anerkennung - gilt für den sich auf das Vaterschaftsurteil stützenden kalifornischen Auszug aus dem Geburtsregister (Certification of vital record) vom 13. April 2011.
7. Art. 25 ff. IPRG Ob und unter welchen Voraussetzungen eine andere Beurteilung angebracht ist, wenn keine gegen den Ordre public verstossende Rechtsumgehung der Wunscheltern vorliegt oder wenn die Leihmutter genetische Mutter oder kein Wunschelternteil mit dem Leihmutterschaftskind genetisch verwandt ist, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.
8. Zum Personenstand, welcher zu beurkunden ist, gehört die personen- und familienrechtliche Stellung einer Person wie u.a. die Abstammung ( Art. 39 Abs. 2 Ziff. 2 ZGB ). Das BJ leitet aus dem Anspruch des Kindes auf Kenntnis der eigenen Herkunft verschiedene BGE 141 III 312 S. 328 Anträge zur Beurkundung des vorliegenden Kindesverhältnisses im Personenstandsregister ab. Die Begehren sind unbegründet.
8. Art. 39 Abs. 2 Ziff. 2 ZGB BGE 141 III 312 S. 328
8.1 Das Verwaltungsgericht hat die Anweisung - wie dargelegt insoweit zu Recht - bestätigt, das Kindesverhältnis gemäss kalifornischer Geburtsurkunde des Beschwerdegegners 1 als Vater von D. einzutragen. Weiter wurde angeordnet, die "Geburtsmutter: F.G." (samt Hinweis auf Geburtsdatum, Geburtsort und Wohnsitz gemäss Vaterschaftsurteil) und die "Genetische Mutter: anonyme Eizellenspenderin" einzutragen. Das entspricht den Begehren des BJ (Ziff. 4e: Eintragung des Kindesverhältnisses zu Beschwerdegegner 1; Ziff. 4b: Anmerkung von F.G. als Leihmutter; Ziff. 4c: Anmerkung der anonymen Eizellenspende). Insoweit ist nicht ersichtlich, dass das angefochtene Urteil aufgehoben oder geändert werden sollte.
8.1 8.2 Weiter verlangt das BJ die Erfassung von H.G. zufolge ursprünglicher Abstammung (Ziff. 4a), ebenso deren Aufhebung (Ziff. 4d), da er im Zeitpunkt der Geburt des Kindes rechtlicher Vater von D. gewesen sei. Dafür gibt es keinen ersichtlichen Grund, denn nach dem Vaterschaftsurteil ist das Kindesverhältnis zu den Beschwerdegegnern im Zeitpunkt der Geburt von D. entstanden. Ein Kindesverhältnis von D. zum Ehemann der Leihmutter hat sich nach dem kalifornischen Urteil nie verwirklicht; daran ändert auch die Nichtanerkennung des Kindesverhältnisses zum Beschwerdegegner 2 nichts. Sodann ist F.G. als Leihmutter bereits eingetragen.
8.2
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Urteilskopf
46. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. und B.A. gegen Departement Volkswirtschaft und Inneres des Kantons Aargau (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_443/2014 vom 14. September 2015
Regeste Art. 8 EMRK ; Art. 2, 3 und 7 KRK ; Art. 119 Abs. 2 lit. d BV ; Art. 4 FMedG ; Art. 27 Abs. 1, Art. 32 und 70 IPRG ; Art. 45 Abs. 2 Ziff. 4 und Art. 252 Abs. 1 ZGB ; Art. 7 und 8 ZStV ; Anerkennung und Eintragung ausländischer Geburtsurkunden ins Personenstandsregister bei Leihmutterschaft; Ordre public. Eine kalifornische Geburtsurkunde kann nicht anerkannt werden, wenn die verurkundeten Kindesverhältnisse zu genetisch nicht verwandten Eltern in Umgehung des schweizerischen Leihmutterschaftsverbotes entstanden sind (E. 2-8).
Regeste
Art. 8 EMRK ; Art. 2, 3 und 7 KRK ; Art. 119 Abs. 2 lit. d BV ; Art. 4 FMedG ; Art. 27 Abs. 1, Art. 32 und 70 IPRG ; Art. 45 Abs. 2 Ziff. 4 und Art. 252 Abs. 1 ZGB ; Art. 7 und 8 ZStV ; Anerkennung und Eintragung ausländischer Geburtsurkunden ins Personenstandsregister bei Leihmutterschaft; Ordre public. Eine kalifornische Geburtsurkunde kann nicht anerkannt werden, wenn die verurkundeten Kindesverhältnisse zu genetisch nicht verwandten Eltern in Umgehung des schweizerischen Leihmutterschaftsverbotes entstanden sind (E. 2-8).
Art. 8 EMRK Art. 2, 3 und 7 KRK Art. 119 Abs. 2 lit. d BV Art. 4 FMedG Art. 32 und 70 IPRG Art. 45 Abs. 2 Ziff. 4 und Art. 252 Abs. 1 ZGB Art. 7 und 8 ZStV Eine kalifornische Geburtsurkunde kann nicht anerkannt werden, wenn die verurkundeten Kindesverhältnisse zu genetisch nicht verwandten Eltern in Umgehung des schweizerischen Leihmutterschaftsverbotes entstanden sind (E. 2-8).
Sachverhalt ab Seite 329
Sachverhalt ab Seite 329 BGE 141 III 328 S. 329
BGE 141 III 328 S. 329
A. Am 17. Mai 2012 wurden im C. Medical Center, U., California, die Zwillinge D.A. und E.A. geboren. In den von Dr. F., MD, Health Officer, unterzeichneten kalifornischen Geburtsurkunden (Certificate of live birth) vom 31. Mai 2012 sind B.A. (Mutter) und A.A. (Vater) als die Eltern der beiden Kinder aufgeführt.
A. B. Gestützt auf die Geburtsurkunden verlangten B.A. und A.A. beim Zivilstandsamt W. die Eintragung der beiden Kinder ins Personenstandsregister. Aufgrund von Zweifeln an der Elternschaft stellte die Abteilung Register und Personenstand des Departementes Volkswirtschaft und Inneres des Kantons Aargau verschiedene Fragen und verlangte zusätzliche Unterlagen.
B. Angesichts der weitgehend verweigerten Kooperation und der Vielzahl von dringenden Verdachtsmomenten, dass die Kinder nicht von B.A. zur Welt gebracht wurden (fehlende Plausibilisierung, weshalb die Kinder einer über 50-jährigen Mutter mit Schweizer Wohnsitz in den USA geboren sein sollen, zumal in einem Gliedstaat mit sehr liberaler Praxis bezüglich Leihmutterschaft; "WT/WB"-Einreisestempel vom 16. Mai 2012 [Vortag der Geburt] im Pass von A.A. mit Aufenthaltsberechtigung von maximal 90 Tagen im Rahmen des "Visa Waver Program"; angegebene Aufenthaltsadresse in unmittelbarer Nähe des Spitals; keine Eintragung einer Einreise in die USA im Pass von B.A.), wies das Departement mit Verfügung vom 15. Oktober 2013 die Anerkennung und Eintragung der beiden Kinder im schweizerischen Personenstandsregister ab mit der Begründung, dass BGE 141 III 328 S. 330 die Leihmutterschaft in der Schweiz verboten sei und die Anerkennung betreffender Geburten aus dem Ausland dem schweizerischen Ordre public widerspreche.
BGE 141 III 328 S. 330
Dagegen erhoben A.A. und B.A. am 6. November 2013 unter sinngemässer Bestreitung eines Leihmutterschaftsverhältnisses Beschwerde beim Obergericht des Kantons Aargau. Am 10. Februar 2014 nahmen sie schliesslich unter Einreichung der gehörigen Unterlagen Stellung zum umfangreichen Fragenkatalog, welcher ihnen mit instruktionsrichterlicher Verfügung zugestellt worden war. Mit Entscheid vom 3. März 2014 wies das Obergericht die Beschwerde nach eingehender Prüfung der Situation ab, in erster Linie ebenfalls unter Verweisung auf den Ordre public.
C. Gegen diesen Entscheid haben A.A. und B.A. am 26. Mai 2014 eine Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Sie verlangen im Wesentlichen die Eintragung der am 17. Mai 2012 in den USA geborenen Zwillinge D.A. und E.A. im schweizerischen Personenstandsregister. Mit Präsidialverfügung vom 13. Juni 2014 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung erteilt, jedoch das Gesuch um vorsorgliche Eintragung abgewiesen. Mit Vernehmlassung vom 6. Februar 2015 schloss das Departement Volkswirtschaft und Inneres auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
C. (Zusammenfassung)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
2. Aufgrund der Beantwortung des umfangreichen obergerichtlichen Fragenkataloges und der gestützt hierauf erfolgten Einreichung der gehörigen Dokumente hat das Obergericht den folgenden, für das Bundesgericht verbindlichen Sachverhalt festgestellt:
2. Der genetische Vater der Kinder ist ein anonymer Samenspender. Die genetische Mutter der Kinder ist eine anonyme Eizellenspenderin. Die biologische Mutter der Kinder (sog. Leihmutter) ist G.G. Mit Urteil des Superior Court of California, V., vom 16. Februar 2012, bei welchem die Beschwerdeführer als Gesuchsteller sowie G.G. und ihr Ehemann H.G. als Gesuchsgegner aufgeführt sind, wird mit Bezug auf Kinder, welche zwischen dem 12. September 2011 und dem 12. Juni 2012 von G.G. zur Welt gebracht werden, verfügt, dass nicht sie deren Mutter ist, sondern die Beschwerdeführer "legal and natural father" sowie "legal and natural mother" sind. Weiter wird BGE 141 III 328 S. 331 die ausschliessliche finanzielle Verantwortlichkeit sowie die ausschliessliche gesetzliche und tatsächliche Obhut über diese Kinder den Beschwerdeführern zugewiesen. Sodann werden dem Geburtsspital Anweisungen zum Ausfüllen der Geburtsurkunden erteilt. Insbesondere wird angeordnet, dass die Personalien der Beschwerdeführer an den in den Geburtsurkunden für die Angaben über Vater und Mutter der Kinder vorgesehenen Stellen einzutragen sind. Schliesslich wird festgehalten, dass die Embryonen aus Spermien und Eizellen von anonymen Spendern ("anonymous donor's sperm" und "anonymous donor's ova") geschaffen wurden.
BGE 141 III 328 S. 331
Das Obergericht hat erwogen, dass dies der Rechtslage in Kalifornien entspreche. Die Anerkennung eines Kindesverhältnisses zu den Wunscheltern sei durch kalifornische Gerichte jedenfalls dann unbestritten, wenn wie vorliegend die Leihmutter nicht die genetische Mutter des Kindes sei. Die Wunscheltern erhielten üblicherweise eine Geburtsurkunde, in welcher sie bereits als Vater und Mutter eingetragen seien. Vor diesem Hintergrund bestehe kein Zweifel an der Echtheit der Geburtsurkunden und ebenso wenig daran, dass die Beschwerdeführer nach kalifornischem Recht als Eltern der beiden Kinder gälten.
In Bezug auf die Anerkennung und Eintragung hat das Obergericht zuerst die Bedeutung und Funktion des schweizerischen Personenstandsregisters dargestellt. Sodann hat es festgehalten, dass die Anerkennung ausländischer Urkunden und Entscheide zu verweigern sei, wenn sie offensichtlich dem schweizerischen Ordre public widersprächen. Diesbezüglich hat es erwogen, dass das Vorgehen der Beschwerdeführer der Umgehung des in der Schweiz auf Verfassungs- und Gesetzesstufe verankerten Verbotes der Leihmutterschaft gedient habe. Im Bericht des Bundesrates zur Leihmutterschaft werde allerdings festgehalten, dass die Anerkennung eines im Ausland durch ein fortpflanzungsmedizinisches Verfahren gezeugten Kindes nicht zwangsläufig gegen den Ordre public verstosse. Erfordere das Kindeswohl eine Anerkennung, müsse diese möglich sein; hingegen könne die Berücksichtigung des Kindeswohls auch dazu führen, dass die Anerkennung eines Kindesverhältnisses zu verweigern sei. An diese Meinungsäusserung anknüpfend hat das Obergericht weiter erwogen, dass das von den Beschwerdeführern im Rechtsmittelverfahren vorgelegte Urteil des kalifornischen Gerichts, mit welchem ihr Kindesverhältnis zu den von der Leihmutter G.G. geborenen Kindern angeordnet werde, drei Monate vor der Geburt der Kinder BGE 141 III 328 S. 332 ergangen sei und keine Hinweise darauf enthalte, dass eine Prüfung der Erziehungseignung oder eine anderweitige Abklärung des Kindeswohls vorgenommen worden wäre; von den Beschwerdeführern werde denn auch nichts dergleichen behauptet. Die gerichtliche Feststellung der Elternschaft, wie sie von den kalifornischen Gerichten praktiziert werde, weise insofern keine Nähe zum Adoptionsverfahren auf. Eine Nichtanerkennung des Kindesverhältnisses könne allerdings weder an der bereits eingetretenen Beeinträchtigung der Persönlichkeit der Leihmutter noch an der bereits eingetretenen Vereitelung des verfassungsmässigen Anspruches der Kinder auf Kenntnis ihrer Abstammung etwas ändern; zudem würden die Kinder in der Schweiz vorerst elternlos dastehen. Dennoch widerspreche es der grundlegenden schweizerischen Rechts- und Sittenauffassung in unerträglicher Weise, wenn durch Richterspruch ein rechtliches Kindesverhältnis begründet werde, ohne dass je ansatzweise eine Prüfung des Kindeswohls vorgenommen worden sei und überdies auch keine nachgeburtliche Zustimmung der biologischen Mutter vorliege bzw. möglich gewesen sei. Insbesondere könne nicht mit übergeordneten Interessen des Kindes argumentiert werden, wenn diese noch gar nie abgeklärt worden seien, weil mit der Leihmutterschaft im Ausland auch die Schutzmechanismen des Adoptionsrechts umgangen worden seien.
BGE 141 III 328 S. 332
3. Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung von Art. 2, 7 und 16 des Übereinkommens vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtekonvention, KRK; SR 0.107) sowie von Art. 13, 14, 29, 35 und 36 BV. Sodann machen sie eine Verletzung von Art. 32 IPRG (SR 291) sowie von Art. 7 und 8 der Zivilstandsverordnung vom 28. April 2004 (ZStV; SR 211.112.2) geltend, wobei sie diesbezüglich teilweise auch Willkür behaupten. Ferner rügen sie eine Verletzung der "Pflicht zur Ermittlung des Sachverhaltes" und eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Wegen der formellen Natur des rechtlichen Gehörs ist darüber vorweg zu befinden; Gleiches gilt für die Kritik an der Sachverhaltsermittlung, auf welcher die rechtlichen Erwägungen aufbauen.
3. Art. 32 IPRG Art. 7 und 8 der Zivilstandsverordnung vom 28. April 2004 (ZStV; SR 211.112.2) 3.1 Die Gehörsverletzung erblicken die Beschwerdeführer darin, dass das Obergericht ihnen vorgehalten habe, über die Samen- und Eizellenspender sei nichts bekannt, was den Anspruch des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung vereitle, es aber gleichzeitig unterlassen habe, mit dem amerikanischen Gericht Kontakt aufzunehmen; wahrscheinlich würden sich dort weitere Akten finden lassen, wobei BGE 141 III 328 S. 333 sie selbst nicht an diese Dokumente gelangen könnten. Im Übrigen habe das Obergericht das kalifornische Recht zu wenig abgeklärt, wenn es ausführe, die Leihmutterschaft beruhe nicht auf Gesetz, sondern auf der dortigen Rechtsprechung.
3.1 BGE 141 III 328 S. 333
3.2 Abgesehen davon, dass es an den Beschwerdeführern ist, die gesuchsbegründenden Tatsachen darzutun, ist in diesem Zusammenhang keine Relevanz für die entscheidrelevanten Streitfragen ersichtlich (vgl. E. 6.4-6.6). Im angefochtenen Entscheid wird erwogen, dass vollendete Tatsachen vorlägen und weder die anonyme Samen- und Eizellenspende noch das Austragen der Kinder durch eine Leihmutter rückgängig gemacht werden könne. Sodann geht der angefochtene Entscheid davon aus, dass das Kindesverhältnis zu den Beschwerdeführern nach kalifornischem Recht rechtsgültig errichtet und Geburtsurkunden eingereicht worden sind, an deren Echtheit keine Zweifel bestehen. Zu entscheiden bleibt deshalb einzig die Frage, ob das nach dem Recht am Geburtsort gültig errichtete Kindesverhältnis in der Schweiz anerkannt werden kann.
3.2 3.3 Sinngemäss machen die Beschwerdeführer auch eine Gehörsverletzung dahingehend geltend, dass das Obergericht unterstelle, es habe nie eine Prüfung des Kindeswohls stattgefunden, ohne dies durch Edition sämtlicher amerikanischer Verfahrensakten verifiziert zu haben. Diese Gehörsrüge geht fehl, möchten doch die Beschwerdeführer dem Obergericht auch hier eine von Amtes wegen durchzuführende Nachforschungs- und Beweispflicht für Anerkennungsvoraussetzungen auferlegen. Das Obergericht hat ausgeführt, aus den Akten, insbesondere aus dem kalifornischen Gerichtsentscheid, welcher im Übrigen drei Monate vor der Geburt ergangen sei, seien weder eine Prüfung der Eignung der Wunscheltern noch Überlegungen zum Kindeswohl ersichtlich. Dass eine solche Prüfung stattgefunden hätte, haben die Beschwerdeführer entgegen ihrer jetzigen Behauptung im kantonalen Verfahren nie geltend gemacht und sie lassen es auch vorliegend bei einer abstrakten Behauptung ohne jeden näheren Hinweis bewenden. Eine Gehörsverletzung ist vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich. Ebenso wenig ist ersichtlich, inwiefern in diesem Zusammenhang eine Verletzung von Art. 7 KRK vorliegen soll. Im Übrigen wäre eine allfällig erfolgte Prüfung für das Ergebnis des vorliegenden Entscheides auch nicht ausschlaggebend (vgl. E. 6.6).
3.3 Art. 7 KRK 3.4 Das Subeventualbegehren, welches eine Rückweisung der Sache zur Vornahme betreffender Abklärungen verlangt, ist nach dem BGE 141 III 328 S. 334 Gesagten wegen fehlender Relevanz abzuweisen. Soweit entsprechende Abklärungen direkt durch das Bundesgericht verlangt werden, scheitert dies zusätzlich auch am Novenverbot ( Art. 99 Abs. 1 BGG ) und ebenfalls daran, dass das Bundesgericht an den kantonal festgestellten Sachverhalt gebunden ist ( Art. 105 Abs. 1 BGG ) und grundsätzlich keine eigenen Beweiserhebungen durchführt (Urteile 5A_674/2011 vom 31. Oktober 2011 E. 2.6, nicht publ. in: BGE 137 III 529 ; 2C_347/2012 vom 28. März 2013 E. 3.2, nicht publ. in: BGE 139 II 185 ).
3.4 BGE 141 III 328 S. 334
Art. 99 Abs. 1 BGG Art. 105 Abs. 1 BGG 4. In der Sache machen die Beschwerdeführer in genereller Hinsicht geltend, generalpräventive Überlegungen dürften keine Rolle spielen, es gehe allein um die Kinder und man dürfe diese nicht für etwas bestrafen, was in der Schweiz allenfalls verboten sein möge, denn dies würde gegen Art. 2 Abs. 2 KRK verstossen. Mit der Verweigerung der Anerkennung werde eine hinkende Rechtslage erzeugt, indem die Kinder in der Schweiz, anders als in ihrem Heimatland, keine Eltern hätten, obwohl sie doch keine Findelkinder seien. Dies verletze Art. 13 und 14 BV, zumal die Grundrechte gemäss Art. 36 BV in der gesamten Rechtsordnung zum Ausdruck kommen müssten und gestützt auf Art. 7 KRK ein Recht auf Eintragung im Personenstandsregister bestehe. Sowohl sie (die Beschwerdeführer) als auch die Kinder würden durch die staatlichen Organe willkürlich und treuwidrig behandelt, was gegen Art. 9 BV verstosse; zudem sei ihre Privatsphäre zu beachten.
4. Art. 2 Abs. 2 KRK Art. 13 und 14 BV Art. 36 BV Art. 7 KRK Art. 9 BV In konkreter Hinsicht machen die Beschwerdeführer sodann geltend, aus Sicht der Zivilstandsverordnung sei egal, wer das Kind geboren habe. Zivilstandsrechtlich könnten die amerikanischen Geburtsurkunden deshalb problemlos anerkannt werden, zumal die obergerichtliche Ansicht falsch sei, dass mit den Geburtsdaten auch verurkundet werde, wer das Kind geboren habe. Solches gehe aus der Zivilstandsverordnung nicht hervor und erst die Auslegung von Art. 252 ZGB führe zu diesem falschen Schluss. Sodann machen die Beschwerdeführer geltend, dass keine gesetzliche Grundlage bestehe, um ihnen die Elternrechte zu entziehen. In Frage käme einzig eine auf Art. 311 ZGB gestützte Kindesschutzmassnahme, was aber voraussetze, dass sie sich nicht ernstlich um die Kinder gekümmert oder ihre Pflichten gröblich verletzt hätten. Davon könne keine Rede sein und es sei deshalb willkürlich, wenn den Kindern eine Vormundin bestellt worden sei. BGE 141 III 328 S. 335
Art. 252 ZGB Art. 311 ZGB BGE 141 III 328 S. 335
4.1 Verlangt wird die Anerkennung der kalifornischen Geburtsurkunden für die am 17. Mai 2012 in Kalifornien zur Welt gebrachten Kinder D.A. und E.A. sowie die Eintragung dieser Geburten im schweizerischen Personenstandsregister. Die beiden Geburtsurkunden beruhen auf dem kalifornischen Urteil vom 16. Februar 2012 und setzen die damit gerichtlich getroffenen Anordnungen betreffend die Verurkundung der anstehenden Geburten um.
4.1 4.2 Das auf Art. 39 ZGB sowie Art. 6a Abs. 2 und Art. 7 ZStV basierende Personenstandsregister dient der Beurkundung der Zivilstandsereignisse und Zivilstandstatsachen sowie der Erfassung der Gemeindebürgerrechte. Die Aufnahme einer Person in das Personenstandsregister erfolgt mit der Beurkundung ihrer Geburt ( Art. 15a Abs. 1 ZStV ).
4.2 Art. 39 ZGB Art. 6a Abs. 2 und Art. 7 ZStV Art. 15a Abs. 1 ZStV Die im Ausland erfolgte Geburt einer Person, die das Schweizer Bürgerrecht durch Abstammung erwirbt, wird - unter der Voraussetzung, dass die Person, welche das Schweizer Bürgerrecht vermittelt, im Personenstandsregister geführt wird (vgl. Art. 1 des Bürgerrechtsgesetzes vom 29. September 1952 [BüG; SR 141.0]) - auf Verfügung der kantonalen Aufsichtsbehörde nachbeurkundet ( Art. 45 Abs. 2 Ziff. 4 ZGB ). Mit der Nachbeurkundung der Geburt wird die betroffene Person in das Personenstandsregister aufgenommen. Dabei wird auch das bei der Geburt durch Gesetz entstandene oder durch Rechtsakt begründete Kindesverhältnis beurkundet ( Art. 8 lit. o Ziff. 1 ZStV ; SIEGENTHALER, Das Personenstandsregister, 2013, Rz. 82), indem die Datensätze der betroffenen Personen im Personenstandsregister miteinander verknüpft werden ( Art. 15 Abs. 4 ZStV ).
Art. 45 Abs. 2 Ziff. 4 ZGB Art. 8 lit. o Ziff. 1 ZStV Art. 15 Abs. 4 ZStV Die kantonale Aufsichtsbehörde stützt sich bei ihrem Entscheid auf die ausländische Geburtsurkunde, welche als archivierungspflichtiger Beleg für die Nachbeurkundung beizubringen ist (SIEGENTHALER, a.a.O., Rz. 190). Sie überprüft dabei die ausländische Urkunde in formeller (registertechnischer) sowie materieller Hinsicht auf ihre Eintragbarkeit und trifft über die Eintragung in die Zivilstandsregister eine Verfügung ( Art. 32 Abs. 1 IPRG ). Die Eintragung wird bewilligt, wenn die Voraussetzungen der Art. 25-27 IPRG erfüllt sind ( Art. 32 Abs. 2 IPRG ).
Art. 32 Abs. 1 IPRG Art. 25-27 IPRG Art. 32 Abs. 2 IPRG 4.3 Voraussetzung zur Anerkennung ist, dass die Zuständigkeit der ausländischen Behörden durch eine Bestimmung des IPRG begründet ist ( Art. 25 lit. a, Art. 26 lit. a IPRG ). Die Geburtsurkunden basieren auf dem Urteil des Superior Court of the State of California, BGE 141 III 328 S. 336 V., mit welchem dieser am 16. Februar 2012 in einem vor Geburt der Kinder eingeleiteten Verfahren über die Elternschaft entschieden hat. Ausländische Entscheidungen betreffend die Feststellung des Kindesverhältnisses werden gemäss Art. 70 IPRG in der Schweiz anerkannt. Diese Regel über die indirekte Zuständigkeit erfasst alle - auch dem inländischen Recht nicht bekannte - Entscheidungen, die im Ausland über die Feststellung eines Kindesverhältnisses ergehen können (SIEHR, in: Zürcher Kommentar zum IPRG, 2. Aufl. 2004, N. 13 zu Art. 70 IPRG ; KREN KOSTKIEWICZ, Grundriss des schweizerischen Internationalen Privatrechts, 2012, Rz. 1261 ff.). Darunter fällt auch ein im Zeitpunkt der Geburt entstehender Status im Zusammenhang mit Leihmutterschaft (vgl. SIEHR, a.a.O., N. 1, 8 und 10 zu Art. 66 IPRG ).
4.3 Art. 25 lit. a, Art. 26 lit. a IPRG BGE 141 III 328 S. 336
Art. 70 IPRG Art. 70 IPRG Art. 66 IPRG Ausländische Entscheidungen betreffend die Feststellung des Kindesverhältnisses werden gemäss Art. 70 IPRG anerkannt, wenn sie im Staat des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes, in dessen Heimatstaat oder im Wohnsitz- oder im Heimatstaat der Mutter oder des Vaters ergangen sind. Die USA sind weder Wohnsitz- noch Heimatstaat der Beschwerdeführer. Hingegen bezieht sich das Urteil vom 16. Februar 2012 auf die Feststellung der Elternschaft für die Zwillinge D.A. und E.A. mit Geburtsort in den USA. Der im Zeitpunkt des Erlasses des Urteils bereits anstehende Erwerb der amerikanischen Staatsangehörigkeit ex lege (vgl. 8 U.S. Code § 1401 lit. a) erlaubt, die indirekte Zuständigkeit an den Heimatstaat von D.A. und E.A. zu knüpfen (analog BGE 116 II 202 E. 2e S. 206 betreffend unmittelbar beabsichtigter Wohnsitznahme). Die Zuständigkeit der kalifornischen Gerichte und Behörden war somit grundsätzlich gegeben. Ferner sind das kalifornische Urteil sowie die dort ausgestellten Geburtsurkunden unstrittig endgültig (Art. 25 lit. b IRPG).
Art. 70 IPRG 4.4 Ausgehend von seinen Sachverhaltsfeststellungen, wonach für die beiden Kinder authentische Geburtsurkunden vorgelegt wurden, in welchen die Beschwerdeführer als Eltern bezeichnet sind, die Kinder indes von einer Leihmutter (biologische Mutter) zur Welt gebracht wurden und die Eizelle wie auch der Samen von nicht näher bekannten Dritten (genetische Eltern) stammen, so dass die Beschwerdeführer weder biologische noch genetische, sondern sog. "soziale Eltern" bzw. "Wunscheltern" sind, ist das Obergericht in rechtlicher Hinsicht zutreffend davon ausgegangen, die entscheidende Frage sei, ob die Anerkennung der kalifornischen Geburtsurkunden und die Eintragung im schweizerischen Personenstandsregister gegen den BGE 141 III 328 S. 337 materiellen Ordre public verstossen ( Art. 27 Abs. 1 IPRG ) und deshalb zu verweigern seien ( Art. 32 Abs. 2 IPRG ).
4.4 BGE 141 III 328 S. 337
Art. 27 Abs. 1 IPRG Art. 32 Abs. 2 IPRG An der Sache vorbei geht dabei die Behauptung der Beschwerdeführer, aus Sicht der Zivilstandsverordnung sei egal, wer das Kind geboren habe. Die Zivilstandsverordnung betrifft die Beurkundung des Personenstandes, d.h. u.a. die familienrechtliche Stellung einer Person ( Art. 39 Abs. 2 Ziff. 2 ZGB ). Nach der Konzeption des ZGB entsteht das Kindesverhältnis zwischen dem Kind und der Mutter mit der Geburt ( Art. 252 Abs. 1 ZGB ). Indem das ZGB die gebärende Frau zur rechtlichen Mutter erklärt, stellt es für die Entstehung des Kindesverhältnisses auf den biologischen Vorgang des Gebärens ab. Gleichzeitig wird damit der Grundsatz mater semper certa est befolgt (vgl. SCHWENZER, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. I, 5. Aufl. 2014, N. 9 zu Art. 252 ZGB ; COTTIER, Elternschaft im Zeitalter der globalisierten Biotechnologie: Leihmutterschaft, Eizell- und Embryonenspende im Rechtsvergleich, in: Siebte Schweizer Familienrecht§Tage, 2014, S. 28; GUILLOD/HELLE, Les voyages forment la jeunesse ou Tourisme et procréation médicalement assistée, in: Mélanges en l'honneur de François Knoepfler, 2005, S. 440). Der zivilrechtliche Grundsatz, wonach der Vorgang des Gebärens für die Entstehung des Kindsverhältnisses zur Mutter massgeblich ist, wird auch bei der Regelung der Fortpflanzungsmedizin durchwegs beachtet, wobei es sich um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers handelt.
Art. 39 Abs. 2 Ziff. 2 ZGB Art. 252 Abs. 1 ZGB Art. 252 ZGB Darauf wird noch im Einzelnen zurückzukommen sein (vgl. E. 5.2). Vorliegend ist relevant, dass aufgrund des Gesagten zu klären ist, was das relevante Schutzobjekt des schweizerischen Ordre public ist (dazu E. 5), und ob der Einsatz des Ordre public im konkreten Fall gerechtfertigt (dazu E. 6) sowie völkerrechtskonform ist (dazu E. 7).
5. Gemäss Art. 27 Abs. 1 IPRG wird eine im Ausland ergangene Entscheidung in der Schweiz nicht anerkannt, wenn die Anerkennung mit dem schweizerischen Ordre public offensichtlich unvereinbar wäre.
5. Art. 27 Abs. 1 IPRG 5.1 Nicht jeder Verstoss gegen das Rechtsempfinden, die Wertvorstellungen oder zwingendes Recht rechtfertigt den Eingriff mit dem Ordre public. Für die Verletzung ist vielmehr erforderlich, dass die Anerkennung und Vollstreckung des ausländischen Entscheides bzw. die Anerkennung und Eintragung der ausländischen Geburtsurkunde in der Schweiz mit den hiesigen rechtlichen und ethischen BGE 141 III 328 S. 338 Werturteilen schlechthin unvereinbar wäre. Ob der Ordre public verletzt ist, beurteilt sich nicht abstrakt. Entscheidend sind die Auswirkungen der Anerkennung im Einzelfall. Die Anwendung des Ordre public-Vorbehalts ist im Rahmen der Anerkennung nach dem Wortlaut des Gesetzes ("offensichtlich") restriktiv anzuwenden, denn mit der Weigerung der Anerkennung werden hinkende Rechtsverhältnisse geschaffen ( BGE 103 Ib 69 E. 3b S. 73; BGE 126 III 101 E. 3b S. 107, BGE 126 III 327 E. 2b S. 330; BGE 131 III 182 E. 4.1 S. 185; SCHWANDER, Einführung in das internationale Privatrecht, Bd. I: Allgemeiner Teil, 3. Aufl. 2000, Rz. 484, 712; KNOEPFLER/SCHWEIZER/OTHENIN-GIRARD, Droit international privé suisse, 3. Aufl. 2005, Rz. 353; BUCHER/BONOMI, Droit international privé, 3. Aufl. 2013, Rz. 275 f.). In diesem Sinn wird zur Vermeidung hinkender Rechtsverhältnisse das Eingreifen des Ordre public-Vorbehaltes umso mehr eine Ausnahme bleiben, je loser die Beziehungen zur Schweiz sind und je länger der Zeitraum zwischen der Ausfertigung der Urkunde oder dem Entscheid und der Prüfung ist (OTHENIN-GIRARD, L'inscription des décisions et des actes étrangers à l'état civil [art. 32 LDIP et 137 OEC], ZZW 1998 S. 167 f.; vgl. BGE 126 III 101 E. 3b S. 107 f.).
5.1 BGE 141 III 328 S. 338
5.2 Das kalifornische Urteil und die darauf beruhenden Geburtsurkunden weichen von der schweizerischen Rechtsordnung ab. Wie gesagt entsteht das Kindesverhältnis zwischen dem Kind und der Mutter nach der Konzeption des ZGB mit der Geburt. Die Statusbeziehung besteht einzig zur austragenden Mutter ( Art. 252 Abs. 1 ZGB ) und diese kann nicht pränatal auf ihre Rechte mit Bezug auf das Kind verzichten (vgl. Art. 265b Abs. 1 ZGB ); sie könnte es selbst dann nicht, wenn sie als Leihmutter eine nicht mit ihr genetisch verwandte Frucht austrägt. Diese Grundsätze kommen in der Schweiz auch im Bereich der Fortpflanzungsmedizin zur Geltung. Bereits auf Verfassungsstufe sind das Verbot der Embryonenspende und das Verbot aller Arten von Leihmutterschaft verankert ( Art. 119 Abs. 2 lit. d BV ). Im Fortpflanzungsmedizingesetz vom 18. Dezember 1998 (FMedG; SR 810.11) werden die verfassungsrechtlichen Vorgaben konkretisiert. Während bei Ehepaaren die Samenspende erlaubt ist ( Art. 3 Abs. 3 FMedG ), sind die Ei- und Embryonenspende sowie die Leihmutterschaft unzulässig ( Art. 4 FMedG ). Darunter versteht das Gesetz, dass eine Frau, die dazu bereit ist, durch ein Fortpflanzungsverfahren ein Kind empfängt, es austrägt und nach der Geburt Dritten auf Dauer überlässt ( Art. 2 lit. k FMedG ). Der zivilrechtliche Grundsatz, wonach der Vorgang des Gebärens für die Entstehung des BGE 141 III 328 S. 339 Kindsverhältnisses zur Mutter massgeblich ist, soll kraft der verschiedenen Verbote auch bei der Regelung der Fortpflanzungsmedizin Nachachtung erhalten. Dabei handelt es sich um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers; der Bundesrat führte in der Botschaft zum FMedG aus, die medizinisch unterstützte Fortpflanzung dürfe nicht zu Familienverhältnissen führen, die von dem abweichen, was auf natürlichem Weg möglich sei, weshalb die gebärende Frau rechtlich als Mutter angesehen werden müsse, während die Spaltung der Vaterschaft durchaus auch bei natürlicher Zeugung insofern vorkommen könne, als der Ehemann der gebärenden Frau, welcher rechtlich als Vater des Kindes gelte, nicht zwingend der genetische Vater sein müsse (vgl. BBl 1996 III 254 f. Ziff. 322.12).
5.2 Art. 252 Abs. 1 ZGB Art. 265b Abs. 1 ZGB Art. 119 Abs. 2 lit. d BV Art. 3 Abs. 3 FMedG Art. 4 FMedG Art. 2 lit. k FMedG BGE 141 III 328 S. 339
Das Verbot der Leihmutterschaft wurde in der Botschaft mit dem Schutz der Frau vor Instrumentalisierung und mit dem Schutz des Kindeswohls begründet (vgl. Botschaft, BBl 1996 III 254). Die biologische Mutter dürfe nicht dem Konflikt zwischen der psychischen Bindung an ihr Kind und der Zusage gegenüber den Wunscheltern ausgesetzt werden und das Kind sei davor zu schützen, dass es zur Ware degradiert werde, die man bei Dritten bestellen könne (Botschaft, BBl 1996 III 279 Ziff. 324.203).
5.3 In Bezug auf das Verbot der Eizellenspende wurde mit einer Parlamentarischen Initiative (12.487 Neirynck) die Revision des FMedG verlangt, um die Eizellenspende zuzulassen; der Initiative wurde Folge gegeben. Hingegen steht eine Änderung oder Lockerung des Verbotes der Leihmutterschaft nicht zur Diskussion. Der Bundesrat hat am 5. November 2014 in Beantwortung einer entsprechenden Interpellation (14.3742 J. Fehr) abgelehnt, die Möglichkeit der Lockerung des Leihmutterschaftsverbotes zu prüfen, und dieses Geschäft ist im Parlament erledigt.
5.3 Daraus ist abzuleiten, dass das auf Verfassungsstufe verankerte Verbot der Leihmutterschaft auch heute als Grundüberzeugung der hiesigen Rechtsanschauung zu gelten hat. Das Verbot der Leihmutterschaft in Art. 119 Abs. 2 lit. d BV und Art. 4 FMedG bezieht sich indes auf Vorgänge in der Schweiz, weshalb es für sich genommen noch keinen zwingenden Hinderungsgrund bildet, ein im Ausland gesetzeskonform begründetes Kindesverhältnis anzuerkennen. Die Umstände im Einzelfall können jedoch für eine Verletzung des Ordre public und damit gegen eine Anerkennung eines solchen Kindesverhältnisses sprechen (vgl. Bericht zur Leihmutterschaft, Bericht BGE 141 III 328 S. 340 des Bundesrates vom 29. November 2013 in Beantwortung des Postulates 12.3917, Ziff. 3.5 S. 39).
Art. 119 Abs. 2 lit. d BV Art. 4 FMedG BGE 141 III 328 S. 340
5.4 Falls im Ausland die Elternschaft der Wunscheltern anerkannt ist und die Leihmutter sowie die genetischen Eltern dort auf alle Rechte verzichtet und keine Pflichten gegenüber dem Kind haben, kann die Nichtanerkennung in der Schweiz zur Elternlosigkeit eines Kindes führen, wenn die Adoption im Inland scheitert oder nicht möglich ist (RUMO-JUNGO, Kindesverhältnisse im Zeitalter vielfältiger Familienformen und medizinisch unterstützter Fortpflanzung, FamPra.ch 2014 S. 849). Nach der Lehre kann diese Situation Grundrechte des Kindes verletzen, welche - als grundlegende Werturteile des inländischen Rechts - zum Schutzobjekt des schweizerischen Ordre public gehören. Mit Art. 11 BV geniesst das Kindeswohl Verfassungsrang, und es gilt in der Schweiz als oberste Maxime des Kindesrechts in einem umfassenden Sinne ( BGE 132 III 359 E. 4.2.2 S. 373; BGE 129 III 250 E. 3.4.2 S. 255); damit werden die mit der KRK garantierten Rechte verankert ( BGE 126 II 377 E. 5d S. 391).
5.4 Art. 11 BV 5.5 In der Lehre ist die Auffassung verbreitet, dass im Ausland geschaffene kindesrechtliche Statusverhältnisse in der Schweiz unter bestimmten Voraussetzungen anerkannt werden können (u.a. GUILLOD/HELLE, a.a.O., S. 446 f.; RUMO-JUNGO, a.a.O., S. 849 ff.; BREITSCHMID, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. I, 5. Aufl. 2014, N. 6b vor Art. 264-269c ZGB ; BÜCHLER, FamPra.ch 2014 S. 1069 ff.; HOTZ, Zwischen Informed Consent und Verbot: Wertungswidersprüche in der Reproduktionsmedizin, recht 2014 S. 31; vgl. bereits VISCHER, in: Status und Wirkung aus der Sicht des schweizerischen IPR, 1986, S. 678/679). Ähnliches wird in Ländern mit vergleichbarer Gesetzeslage wie Deutschland und Österreich vertreten, jedenfalls soweit es sich um genetische Eltern handelt (z.B. CLAUDIA MAYER, Sachwidrige Differenzierungen in internationalen Leihmutterschaftsfällen, Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts [IPRax] 2014 S. 59; BRIGITTA LURGER, Das österreichische IPR bei Leihmutterschaft im Ausland, IPRax 2013 S. 287). Kritisch äussert sich hingegen HAUSHEER (Normen mit Verfassungsrang als prägende Gestaltungsfaktoren des Familienlebens bzw. des Familienrechts, ZBJV 151/2015 S. 335 ff. sowie Fn. 30). Teilweise wird die Anerkennung auch abgelehnt (SIEGENTHALER, a.a.O., Rz. 386; für Frankreich: FABRE-MAGNAN, Les trois niveaux d'appreciation de l'intérêt de l'enfant, A propos de la gestation pour autrui, in: Recueil Dalloz 191/2015 S. 224 ff.). BGE 141 III 328 S. 341
5.5 Art. 264-269c ZGB BGE 141 III 328 S. 341
5.6 Das Bundesgericht hat mit BGE 141 III 312 erstmals Stellung zur Frage der Anerkennung eines ausländischen Leihmutterschaftsurteils genommen. Es ist zum Ergebnis gelangt, dass ein kalifornisches Vaterschaftsurteil, welches das mittels Leihmutterschaft begründete Kindesverhältnis zu eingetragenen Partnern feststellt, nur mit Bezug auf den genetisch verwandten Elternteil anerkannt werden kann.
5.6 In diesem Urteil findet sich in E. 4.4 eine Darstellung, wie die obersten Gerichte in weiteren Ländern, die ein Leihmutterschaftsverbot kennen, mit der vorliegend erörterten Problematik umgehen. Darauf kann verwiesen werden, unter ergänzendem Hinweis auf die zwischenzeitlich ergangenen weiteren Urteile des französischen Kassationshofes, mit welchem dieser die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) berücksichtigt hat (Cour de cassation, Urteile Nr. 619 und 620 vom 3. Juli 2015 [14-21.323, 15-50.002]). Auf die Rechtsprechung des EGMR wird in E. 7.1 und 7.2 zurückzukommen sein.
6. 6.1 Mit dem kalifornischen Urteil vom 16. Februar 2012 wurde angeordnet, dass die Beschwerdeführer "legal and natural father" sowie "legal and natural mother" der Kinder sind, welche zwischen dem 12. September 2011 und dem 12. Juni 2012 von G.G. - d.h. von der Leihmutter - zur Welt gebracht werden. Entsprechend dieser gerichtlichen Anordnung wurden die Geburtsurkunden (Certificate of live birth) für die am 17. Mai 2012 von G.G. zur Welt gebrachten Zwillinge ausgefüllt. Ferner geht aus dem Urteil vom 16. Februar 2012 hervor, dass die Embryonen aus Spermien und Eizellen von anonymen Spendern geschaffen wurden.
6.1 Mithin steht fest, dass die Beschwerdeführer nicht die genetischen Eltern sind und die Beschwerdeführerin auch nicht die biologische (gebärende) Mutter der Zwillinge war. Die Beschwerdeführer sind aber im Geburtsstaat die rechtlichen Eltern, und zwar originär qua Geburt, wie dies in Kalifornien aufgrund gefestigter Rechtsprechung Praxis ist (vgl. COTTIER, a.a.O., S. 32). Ferner wurde ihnen im Urteil vom 16. Februar 2012 auch die finanzielle Verantwortung und die Obhut für D.A. und E.A. zugewiesen. BGE 141 III 328 S. 342
BGE 141 III 328 S. 342
6.2 Ob die Transkribierung der mit dem kalifornischen Urteil geschaffenen und durch die darauf beruhenden Geburtsurkunden ausgewiesenen Kindesverhältnisse in das schweizerische Personenstandsregister möglich ist oder ob sie am Ordre public scheitert, lässt sich nicht abstrakt sagen. Zwar darf das Verbot der Leihmutterschaft, welches auf Verfassungsstufe verankert und auch heute nicht umstritten ist (vgl. E. 5.2 und 5.3), als schweizerische Grundüberzeugung gelten. Indes bezieht sich das in Art. 119 Abs. 2 lit. d BV und Art. 4 FMedG verankerte Verbot nach dem in E. 5.3 Gesagten auf Vorgänge in der Schweiz und kann deshalb für sich genommen noch keinen zwingenden Hinderungsgrund dafür bilden, ein im Ausland durch Leihmutterschaft gesetzeskonform begründetes Kindesverhältnis anzuerkennen. Vielmehr sind die Umstände des Einzelfalles massgeblich. Namentlich sind bei der Transkription ausländischer Personenstandsakte die Intensität des Binnenbezuges und der Zeitablauf mitzuberücksichtigen (vgl. in E. 5.1 zitierte Autoren). Ein äusserlich identisches Rechtsverhältnis (hier: Kindesverhältnis mit Eltern, zu denen weder ein genetischer noch ein biologischer Bezug besteht), kann und muss je nach den konkreten Umständen, welche zu diesem Ergebnis geführt haben, unter dem Aspekt des Ordre public eine unterschiedliche Würdigung erfahren. Auf die konkreten Umstände des vorliegenden Einzelfalls ist im Folgenden näher einzugehen.
6.2 Art. 119 Abs. 2 lit. d BV Art. 4 FMedG 6.3 BGE 141 III 328 S. 343
Art. 252 Abs. 1 ZGB Art. 252 ZGB Art. 255 Abs. 1 ZGB 6.4 Im Bereich des internationalen Privatrechts besteht gesetzlich viel Gestaltungsfreiheit (wie durch Wahl von Forum und Recht) und längst nicht alle rechtsgestaltenden Handlungen sind rechtlich relevante "Gesetzesumgehungen" (vgl. KREN KOSTKIEWICZ, a.a.O., Rz. 976 ff., 983 ff.). Vorliegend ist die Rechtsumgehung jedoch offensichtlich: Die Beschwerdeführer sind schweizerische bzw. deutsche Staatsangehörige, sie hatten und haben ununterbrochen Wohnsitz in der Schweiz und auch ihre Ehe weist keinen Berührungspunkt mit den USA auf. Der primäre Bezug zu den USA ist das Faktum der Rechtsumgehung, welche schliesslich auch den dortigen Geburtsort der Kinder determiniert hat. Das Vorgehen der Beschwerdeführer ist dadurch geprägt, dass es in der Vermeidung eines in der Schweiz als fundamental angesehenen Verbotes besteht und sich auch darin erschöpft. Es stellt deshalb eine rechtlich relevante Gesetzesumgehung dar; die Rechtsordnung soll offensichtlich um die von ihr beabsichtigte Wirkung ihrer Vorschriften gebracht werden (vgl. SCHNITZER, Handbuch des internationalen Privatrechts, Bd. I, 1957, S. 250), wobei diese Vorschriften vor der Verletzung der Moral, das öffentliche Interesse und die Menschenwürde schützen sollen (vgl. PERRIN, La fraude à la loi et ordre public en droit privé, in: Mélanges Pierre Engel, 1989, S. 260 f., 265). Indem die Beschwerdeführer die biologischen Vorgänge in einen Rechtsraum verlegt haben, welcher die von ihnen gewünschten rechtlichen Wirkungen zulässt, ohne selbst Bezugspunkte zum betreffenden Territorium zu haben (der Beschwerdeführer reiste einen Tag vor der Geburt in die USA ein, die Beschwerdeführerin setzte nie einen Fuss in die USA), sie aber letztlich nur oder jedenfalls insbesondere rechtliche Wirkungen in der Schweiz beabsichtigen, ist der Binnenbezug prädominant. Zwar besteht aufgrund der dort erfolgten Geburten der Kinder ein Bezugspunkt zu den USA, aber dieser (einzige) Berührungspunkt ist wie gesagt gerade inhärenter Teil der Rechtsumgehung. Überdies hatten die Beschwerdeführer in den USA kein gelebtes Verhältnis zu den Kindern; der Wunschvater reiste mit ihnen nach Erledigung der Formalitäten in die Schweiz und die Beschwerdeführer beantragten umgehend die Transkribierung ins schweizerische Personenstandsregister. Es besteht mithin auch eine BGE 141 III 328 S. 344 unmittelbare zeitliche Nähe zwischen den Geburten und dem Begehren um Transkribierung der Kindesverhältnisse in das schweizerische Personenstandsregister.
6.4 BGE 141 III 328 S. 344
6.5 Bei dieser Ausgangslage verstösst die Transkribierung der zum Zweck der Umgehung des schweizerischen Leihmutterschaftsverbotes in den USA qua Geburt begründeten Kindesverhältnisse in das schweizerische Personenstandsregister gegen den Ordre public.
6.5 6.6 Selbst wenn man die Ordre public-Widrigkeit zufolge Rechtsumgehung des Leihmutterschaftsverbotes verneinen würde, änderte dies nichts am vorstehenden Ergebnis, dass eine Anerkennung der Kindesverhältnisse in der vorliegenden Konstellation mit dem Ordre public nicht vereinbar ist:
6.6 Bei der Begründung eines Kindesverhältnisses zu Wunscheltern, welche weder einen genetischen noch einen biologischen Bezug zum Kind haben, besteht eine funktionale Nähe zum Adoptionsrecht. Zwar ist die vorliegend praktizierte Rechtsumgehung viel umfassender, weil sie auch die Entstehung des Kindes betrifft. In der Auswirkung wurde aber, wie dies bei der Adoption regelmässig der Fall ist, ein Kindesverhältnis zu nicht genetisch verwandten Kindern hergestellt.
Sowohl das nationale Adoptionsrecht als für internationale Belange auch das Haager Adoptionsübereinkommen vom 29. Mai 1993 (HAÜ; SR 0.211.221.311) sowie das Bundesgesetz vom 1. Januar 2013 zum Haager Adoptionsübereinkommen und über Massnahmen zum Schutz des Kindes bei internationalen Adoptionen (BG-HAÜ; SR 211.221. 31) stellen eine Reihe von Schutznormen zugunsten des Kindes auf (vgl. Art. 264 ZGB ; Art. 5 AdoV [SR 211.221.36]; Art. 4, 5, 15, 16 und 17 HAÜ; Art. 9 BG-HAÜ ). Wesentlicher gemeinsamer Nenner dieser Schutzbestimmungen ist, dass eine Adoption nicht ohne vorgängige Prüfung der Eignung der Adoptiveltern und des Kindeswohls stattfinden darf.
Art. 264 ZGB Art. 5 AdoV Art. 9 BG-HAÜ Dieses Erfordernis ist zentral und eine auf Art. 78 Abs. 1 IPRG gestützte Anerkennung einer im Ausland erfolgten Adoption - für welche es im Übrigen eines dortigen Wohnsitzes der adoptierenden Personen bedarf - ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung Ordre public-widrig, wenn der Heimatstaat die massgeblichen Verhältnisse und die Eignung der Adoptiveltern nicht abgeklärt (Urteil 5A.10/1992 vom 20. Januar 1993 E. 5b) oder soweit sich die begründende Behörde bei einer Adoption nicht ausschliesslich am BGE 141 III 328 S. 345 Kindeswohl orientiert hat (Urteile 5A_604/2009 vom 9. November 2009 E. 2.2.2.2; 5A_15/2011 vom 20. Juni 2011 E. 4), sondern adoptionsfremde Motive wie sozial- oder aufenthaltsrechtliche Vorteile im Vordergrund standen (Urteil 5A.20/2005 vom 21. Dezember 2005 E. 3.3). Analoge Schutzgedanken zugunsten des Kindes finden sich im Übrigen auch in der schweizerischen Gesetzgebung über die Fortpflanzungsmedizin (vgl. namentlich Art. 3 und 6 FMedG ).
Art. 78 Abs. 1 IPRG BGE 141 III 328 S. 345
Art. 3 und 6 FMedG Das kalifornische Urteil stellt kein Adoptionsurteil dar und in den Geburtsurkunden wird kein Adoptivvorgang festgehalten, weshalb sich die Anerkennung vorliegend auf Art. 32 und 70 IPRG, nicht auf Art. 78 IPRG stützt. Im Zusammenhang mit der Frage der Ordre public-Widrigkeit wäre aber im vorliegenden Fall wertungsmässig der Gedanke zu übertragen, dass dem Ergebnis der kalifornischen Statusakte bei Wunscheltern ohne jeglichen genetischen oder biologischen Bezug zum Kind eine funktionale Nähe zur Adoption innewohnt und in jenem Rechtsbereich die Anerkennung Ordre public-widrig ist, wenn keine Abklärung der Verhältnisse und keine Eignungsprüfung stattgefunden hat.
Art. 32 und 70 IPRG Art. 78 IPRG 6.7 An der Ordre public-Widrigkeit zufolge Rechtsumgehung vermag schliesslich nichts zu ändern, dass sich die Beschwerdeführer auf die Interessen der Zwillinge berufen. Diesbezüglich ist zunächst zu bemerken, dass die Kinder selbst nicht als Beschwerdeführer auftreten und die Eltern auch nicht deren gesetzliche Vertreter sein können, solange die Kindesverhältnisse in der Schweiz nicht anerkannt sind. Dennoch kann die Optik des Kindes nicht gänzlich ausgeblendet werden, wenn die Transkribierung der Kindesverhältnisse Streitgegenstand ist und es um die Frage geht, ob der anbegehrten registerrechtlichen Operation der Ordre public entgegensteht.
6.7 Die Anerkennung der in Kalifornien begründeten Kindesverhältnisse kann vorliegend insofern im Interesse der beiden Zwillinge sein, als alle anderen beteiligten Personen in Kalifornien unwiderruflich auf jegliche Elternrechte verzichtet haben und deshalb die Kinder in der Schweiz rechtlich bis auf weiteres elternlos sind und vorerst auch nicht das Schweizer Bürgerrecht erlangen. Es ist aber ebenso gut denkbar, dass sich Leihmutterschaftskinder später als Objekt des - durch das Recht verbotenen - Vorgehens sehen. In diesem Fall würde ihnen die Gültigerklärung der Verbotsüberschreitung jedes Recht absprechen, sich als Opfer zu fühlen (FABRE-MAGNAN, a.a.O., S. 226).
BGE 141 III 328 S. 346
Aufgrund des Gesagten hat der angefochtene Entscheid entgegen der Behauptung der Beschwerdeführer nicht bloss eine Generalprävention, sondern insbesondere auch eine Spezialprävention im Auge. Soweit die Beschwerdeführer diesbezüglich anführen, sie würden inzwischen seit mehreren Jahren vorbildlich für die Kinder sorgen, so machen sie - abgesehen davon, dass es um ein registerrechtliches Verfahren geht - einen erst während des Rechtsmittelverfahrens eingetretenen Sachverhalt geltend und nimmt das Bundesgericht keine eigene Sachverhaltsermittlung vor (vgl. dazu E. 3.4).
BGE 141 III 328 S. 347
Zu diesen spezialpräventiven Überlegungen gesellen sich wie gesagt auch generalpräventive. Der Schutz des Kindes davor, zur Ware degradiert zu werden, die man bei Dritten bestellen kann, aber auch der Schutz der Leihmutter vor der Kommerzialisierung ihres Körpers wären bedeutungslos, wenn die Rechtsumgehung der Wunscheltern nachträglich gültig erklärt würde. Die Verneinung der Ordre public-Widrigkeit in einer Situation wie der vorliegenden würde die rechtsanwendenden Behörden zwingen, das durch Rechtsumgehung erreichte Kindesverhältnis zum nicht genetisch verwandten Kind als fait accompli zu akzeptieren, womit der Fortpflanzungstourismus gefördert würde und das inländische Leihmutterschaftsverbot weitgehend wirkungslos wäre (vgl. FABRE-MAGNAN, a.a.O., S. 226).
7. Zu prüfen ist abschliessend, ob und inwieweit aus der Bundesverfassung, der EMRK und der KRK fliessende Rechtspositionen den aus der Rechtsumgehung abgeleiteten Ordre public-Verstoss zurückzudrängen vermögen bzw. die Anerkennung der Kindesverhältnisse gebieten.
7. 7.1 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in den am 26. Juni 2014 gefällten Urteilen Nr. 65192/11 Mennesson gegen Frankreich und Nr. 65941/11 Labassée gegen Frankreich zur Anerkennung von im Ausland durch Leihmutterschaft hergestellten Kindesverhältnissen Stellung genommen. In beiden Fällen ging es um Kinder, welche in den USA von einer Leihmutter zur Welt gebracht wurden und bei denen in Frankreich die Anerkennung des im BGE 141 III 328 S. 348 Ausland begründeten Kindesverhältnisses, aber auch die Anerkennung der Vaterschaft oder die Herstellung eines Kindesverhältnisses auf dem Wege der Adoption verweigert wurde, obwohl jeweils der Ehemann des französischen Wunschelternpaares der genetische Vater war. Die Kinder waren in beiden Fällen zwischenzeitlich rund 13- bzw. 14-jährig, so dass längst eine feste sozialpsychische Beziehung, aber nach wie vor kein rechtliches Eltern-Kind-Verhältnis bestand, weil Frankreich auch die Anerkennung durch den Vater sowie die Adoption nicht zuliess.
7.1 BGE 141 III 328 S. 348
Der EGMR entschied, dass die aus Art. 8 EMRK fliessenden Rechte der Eltern nicht verletzt seien, weil sie ja faktisch ein Familienleben mit den bei ihnen lebenden Kindern hätten (Urteile Mennesson, §§ 87 ff. bzw. Labassée, §§ 66 ff.). Indes ging der Gerichtshof von einer Verletzung der Rechte der Kinder aus, welche ebenfalls als Beschwerdeführer auftraten. Es wurde als unhaltbar erachtet, dass diese kein rechtliches Kindesverhältnis zum genetischen Vater herstellen konnten (Urteile Mennesson, § 100 bzw. Labassée, § 79). Sie würden sich in Bezug auf den Erwerb der französischen Staatsbürgerschaft in Unsicherheit befinden, obwohl ihr genetischer Vater französischer Staatsbürger sei, weil sie nach französischem Recht kein Kindesverhältnis und mithin auch keine gesetzliche Erbberechtigung im Verhältnis zu ihrem genetischen Vater haben könnten; diese tatsächliche Situation sei insofern mit dem Kindeswohl unvereinbar, als der Vater der genetische Erzeuger sei und weder eine Vaterschaftsanerkennung noch eine Adoption möglich sei (Urteile Mennesson, §§ 96 ff. bzw. Labassée, §§ 75 ff.).
Art. 8 EMRK Für den EGMR war somit entscheidend, dass aus der Perspektive der Kinder - welche im vorliegenden Verfahren nicht Beschwerdeführer sind (vgl. dazu E. 6.7) - eine Verletzung von Art. 8 EMRK gegeben ist, wenn sie trotz langjährig gelebtem Verhältnis zum genetisch verwandten Elternteil (in beiden Fällen der Vater) kein rechtliches Kindesverhältnis herstellen können, weder durch Anerkennung des im Ausland begründeten Rechtsverhältnisses noch durch Adoption oder Anerkennung der Vaterschaft im Anerkennungsstaat. Hingegen hat der EGMR in Bezug auf den nicht genetisch verwandten Elternteil, welcher in jenen Verfahren ebenfalls Verfahrenspartei war (in beiden Fällen die Wunschmutter), auch aus der Perspektive des Kindes keine Verletzung von Art. 8 EMRK gesehen, wenn der Anerkennungsstaat ein rechtliches Kindesverhältnis nicht zulässt. BGE 141 III 328 S. 349
Art. 8 EMRK Art. 8 EMRK BGE 141 III 328 S. 349
7.2 Sodann hat der EGMR mit Urteil Nr. 25358/12 Paradiso und Campanelli gegen Italien vom 27. Januar 2015 im Zusammenhang mit vermeintlichen Eltern, die aber zufolge eines Fehlers in der Klinik keinen genetischen Bezug zum Kind hatten, festgehalten, dass die mit dem Ordre public begründete Verweigerung der Anerkennung des durch Leihmutterschaft hergestellten Kindesverhältnisses keine décision déraisonnable sei (Urteil Paradiso, § 77). Einzig in der sofortigen Wegnahme und Fremdplatzierung des Kindes hat der Gerichtshof eine Verletzung des Familienlebens erblickt (Urteil Paradiso, §§ 80 ff.), ohne jedoch eine Pflicht zur Rückgabe des Kindes auszusprechen (Urteil Paradiso, §§ 80 ff., 88).
7.2 Aus § 77 des Urteils Paradiso ergibt sich unmittelbar, dass eine mit dem Ordre public begründete Verweigerung der Anerkennung eines durch Leihmutterschaft hergestellten Kindesverhältnisses zu Elternteilen ohne genetischen Bezug vor Art. 8 EMRK standhält (vgl. auch FULCHIRON/BIDAUD-GARON, A propos de la filiation des enfants nés par GPA, au lendemain des arrêts Labassée, Mennesson et Campanelli-Paradiso de la Cour européenne des droits de l'homme, Revue critique de droit international privé 2015 S. 6, 20 f.; kritisch MARGUÉNAUD, Revue trimestrielle de droit civil [RTDCiv.] 2014 S. 839). Einzig in der sofortigen Wegnahme des Kindes im Anerkennungsstaat würde eine Konventionsverletzung liegen, weil auch das faktische Familienverhältnis von Art. 8 EMRK geschützt ist (Urteil Paradiso und Campanelli, §§ 69, 80; vgl. bereits BGE 135 I 143 E. 3.2 S. 149).
Art. 8 EMRK Art. 8 EMRK Ausgehend von den drei Entscheidungen des EGMR ist vorliegend keine Konventionsverletzung gegeben. Weder besteht ein genetischer Bezug zwischen den Kindern und einem Elternteil, noch wurde eine sofortige Wegnahme verfügt. Im Übrigen besteht mit der Adoption eine Möglichkeit, in der Schweiz rechtliche Kindesverhältnisse herzustellen.
7.3 Die von den Beschwerdeführern als verletzt gerügten Art. 13 und 14 BV verschaffen keine weitergehenden als die von Art. 8 EMRK garantierten Rechte. Ebenso wenig ist ersichtlich, inwiefern die staatlichen Organe mit der angesichts der konkreten Situation verweigerten Transkribierung willkürlich gehandelt und damit gegen Art. 9 BV verstossen hätten.
7.3 Art. 13 und 14 BV Art. 8 EMRK Art. 9 BV Ferner stösst die Kritik der Beschwerdeführer, es würden ihnen in Verletzung von Art. 311 ZGB Elternrechte entzogen, ins Leere, denn BGE 141 III 328 S. 350 mangels Anerkennung der kalifornischen Geburtsurkunden und Eintragung im schweizerischen Personenstandsregister gelten die Beschwerdeführer in der Schweiz nicht als die rechtlichen Eltern der Kinder.
Art. 311 ZGB BGE 141 III 328 S. 350
7.4 Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführer sind schliesslich keine aus der KRK fliessenden Ansprüche und Rechte der Kinder verletzt, auf welche sich ohnehin nur diese selbst berufen könnten (vgl. E. 6.7).
7.4 Zunächst bedeutet es keine Diskriminierung im Sinn von Art. 2 Abs. 1 KRK, wenn die nicht auf genetischer Verwandtschaft beruhenden Kindesverhältnisse infolge der Umgehung des Leihmutterschaftsverbotes nicht transkribiert werden. Die spezifischen Pflichten der Vertragsstaaten im Zusammenhang mit dem Personenstand ergeben sich sodann aus Art. 7 KRK, welcher vorliegend nicht verletzt ist. Beide Kinder wurden unverzüglich nach ihrer Geburt in ein Register eingetragen, nämlich in Kalifornien, und sie erhielten auch ab Geburt eine Staatsbürgerschaft. Aus Art. 7 KRK ergibt sich keine Verpflichtung, dass andere Staaten das auf der erwähnten Registrierung basierende Kindesverhältnis vorbehaltlos und insbesondere auch bei einem Widerspruch mit dem eigenen Ordre public anerkennen. Was sodann das in Art. 7 Abs. 1 KRK angesprochene Recht der Kinder anbelangt, soweit möglich die Eltern zu kennen und von ihnen betreut zu werden, so steht dessen Umsetzung in der Verantwortung des Geburtsstaates, welcher vorliegend aufgrund seiner Rechtsprechung zulässt, dass die genetischen Eltern anonym bleiben und diese sowie auch die biologische (gebärende) Mutter und deren Ehemann rechtsgültig auf sämtliche Elternrechte verzichten können. Insofern könnten die Beschwerdeführer mit den Kindern in jenem Land leben, mit dessen Hilfe sie die Kindesverhältnisse hergestellt haben und in welchem sie als rechtliche Eltern gelten. Die der vorliegenden Entscheidung zugrunde liegende Problematik rührt daher, dass die Beschwerdeführer die biologischen Vorgänge in ein anderes Land verlagert haben, jedoch nicht bereit sind, ihr Familienleben dort zu führen.
Art. 2 Abs. 1 KRK Art. 7 KRK Art. 7 KRK Art. 7 Abs. 1 KRK Was schliesslich das gemäss Art. 3 Abs. 1 KRK in allen Verfahren vorrangig zu beachtende Kindeswohl anbelangt, so wird dieses im Rahmen des nunmehr folgenden Adoptionsverfahrens zu beachten sein. Es ist im Übrigen im Interesse der Kinder, dass in diesem Verfahren insbesondere die zu ihrem Wohl aufgestellten Schutznormen BGE 141 III 328 S. 351 zum Tragen kommen und auch die Eignung der zukünftigen rechtlichen Eltern geprüft wird.
Art. 3 Abs. 1 KRK BGE 141 III 328 S. 351
7.5 Die jüngsten Empfehlungen des UNO-Kinderrechtsausschusses führen zu keinem anderen Ergebnis. Der Ausschuss hat der Schweiz empfohlen, sicherzustellen, dass das Leihmutterschaftskind während der Zeit zwischen seiner Ankunft in der Schweiz und der formellen Adoption nicht staatenlos ist und keine Diskriminierung ( Art. 2 KRK ) zu gewärtigen hat (Committee on the Rights of the Child, Concluding Observations on the combined second to fourth periodic reports of Switzerland, CRC/C/CHE/CO/2-4, vom 4. Februar 2015, Ziff. 46 und 47). Dies ist gemäss den vorstehenden und nachfolgenden Ausführungen garantiert.
7.5 Art. 2 KRK 7.6 Insgesamt ergibt sich, dass der statusrechtliche Zustand für die Kinder momentan nicht abschliessend geregelt ist und ein hinkendes Rechtsverhältnis besteht. Die Rechtsunsicherheit kann jedoch durch ein inländisches Adoptionsverfahren beseitigt werden und die im Rahmen dieses Verfahrens zu tätigenden Abklärungen sind im Interesse der Kinder. Im Übrigen ist ihr Aufenthalt in der Schweiz bis zum Zeitpunkt, in welchem sie durch Adoption rechtliche Eltern in der Schweiz haben werden, nicht gefährdet. Es wurde ihnen auch von Anfang an ein Vormund bestellt, welcher sie rechtlich vertritt und für die nötigen rechtlichen Schritte sowie allgemein für ihren Schutz besorgt ist. Vor diesem Hintergrund vermag die Tatsache, dass vorübergehend in der Schweiz kein rechtliches Kindesverhältnis besteht, den gemäss den Ausführungen in E. 6 gebotenen Einsatz des Ordre public-Vorbehaltes nicht zurückzudrängen (siehe E. 7 Ingress).
7.6 8. Art. 27 Abs. 1 IPRG Art. 32 Abs. 2 IPRG Wie bei einer divergierenden Situation (z.B. bei Zuzug von Eltern, die Wohnsitz in einem Staat hatten, welcher die Leihmutterschaft zulässt) oder wie bei einer vergleichbaren Situation, aber zukünftig anderen schweizerischen Gesetzeslage zu entscheiden wäre, ist nicht im Rahmen des vorliegenden Entscheides zu diskutieren.
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Urteilskopf 141 III 353 47. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Innerschwyz gegen A. (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_388/2015 vom 7. September 2015 Regeste Erwachsenenschutz; Entscheid der kantonalen Beschwerdeinstanz; Legitimation zur Beschwerde in Zivilsachen; Art. 76 Abs. 1 lit. a und b BGG. Zur Beschwerdebefugnis der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde in ihrer Eigenschaft als verfügende Behörde (E. 4 und 5). Sachverhalt ab Seite 353 BGE 141 III 353 S. 353 A. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Innerschwyz (KESB) hob die gegenüber A. verfügte Massnahme des Erwachsenenschutzes auf. Das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz gab der Beschwerde des Betroffenen statt, hob den angefochtenen Beschluss auf und wies die Sache zu neuem Entscheid im Sinn der Erwägungen an die KESB zurück. B. Die KESB (Beschwerdeführerin) hat gegen den vorgenannten Entscheid des Verwaltungsgerichts beim Bundesgericht Beschwerde erhoben. Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein. (Zusammenfassung) BGE 141 III 353 S. 354 Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. 4.1 Unter Berufung auf Art. 76 Abs. 1 lit. a BGG macht die Beschwerdeführerin geltend, nach der Botschaft komme ihr nur grundsätzlich keine Parteistellung zu. Eine Ausnahme sei namentlich dann gerechtfertigt, wenn - wie hier - im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nur eine Partei auftrete. Nur mit ihrer Zulassung als Partei könne dem Verfahrensgrundsatz nachgelebt werden, wonach jeder Entscheid einem zweistufigen Beschwerdeverfahren zugänglich sein müsse. Da sie den Schutz und die Wahrung der Interessen von schutzbedürftigen Menschen verfolge und ihre Entscheide regelmässig Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen darstellten, sei es elementar, dass diese Entscheide einem zweistufigen Instanzenzug offenstünden. 4.2 Im Rubrum der Vorinstanz wird die Beschwerdeführerin unter der Rubrik "Parteien" als "Vorinstanz" bezeichnet. Die Beschwerdeführerin ist in Art. 450 Abs. 2 ZGB, der die Beschwerdeberechtigung im kantonalen Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz regelt, weder ausdrücklich als Partei aufgeführt, noch lässt sich diese Eigenschaft aus den Materialien ableiten. Aus der Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Änderung des ZGB (Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht; BBl 2006 7001 ff., 7086 zu Art. 450d) ergibt sich vielmehr, dass sie grundsätzlich am Verfahren nicht teilnimmt (vgl. BGE 140 III 385 E. 4.2 S. 389). Nach der Lehre kommt der KESB im Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz grundsätzlich keine Parteistellung zu (DANIEL STECK, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. I, 5. Aufl. 2014, N. 31c zu Art. 450 ZGB ). Die Tatsache, dass eine Behörde im Beschwerdeverfahren zur Vernehmlassung eingeladen wird, begründet keine Parteistellung im Sinn von Art. 450 Abs. 2 ZGB (vgl. Urteil 5A_979/2013 vom 28. März 2014 E. 6, in: FamPra.ch 2014 S. 767/773 f.). Das Bundesgericht betrachtet die verfügende Behörde im Verfahren der Beschwerde in Zivilsachen mit öffentlich-rechtlichem Einschlag (insbesondere Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6 BGG) nicht als Partei, sondern führt sie im Rubrum unter der Rubrik "Verfahrensbeteiligte" auf, ohne sie als Beschwerdegegnerin zu bezeichnen. Eine entsprechende Verfassung des Rubrums im kantonalen Verfahren wäre angebracht gewesen. Als Ausnahme vom genannten Grundsatz erachtet der zitierte Autor die Fälle, in denen die mit der Sache befasste BGE 141 III 353 S. 355 Erwachsenenschutzbehörde die Frage ihrer Zuständigkeit der gerichtlichen Beschwerdeinstanz unterbreitet, wenn im Meinungsaustausch keine Einigung erzielt werden kann ( Art. 444 Abs. 4 ZGB ). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier indes nicht vor, und es kann somit offenbleiben, ob dieser Lehrmeinung gefolgt werden kann. 4.3 Zwar ist der Beschwerdeführerin darin beizupflichten, dass sie die Wahrung der Interessen der schutzbedürftigen Personen verfolgt und ihr Entscheid in die Rechtsstellung der Betroffenen eingreifen kann. Diese Argumentation ändert aber nichts an der Tatsache, dass sie im konkreten Fall als verfügende Behörde amtete. Der Umstand, dass im angefochtenen Entscheid des Verwaltungsgerichts im Ergebnis nur eine Partei, nämlich die betroffene Person, aufgeführt ist, vermag aber eine Parteistellung der Beschwerdeführerin mangels ausdrücklicher Gesetzesvorschrift nicht zu begründen. Im Übrigen verfügt die betroffene Person über einen Instanzenzug bis ans Bundesgericht (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6 BGG). Im Lichte von Art. 76 Abs. 1 lit. a BGG ist die Beschwerdeführerin somit nicht zur Beschwerde legitimiert. 5. 5.1 Nicht anders verhält es sich unter dem Blickwinkel von Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG. In diesem Zusammenhang macht die Beschwerdeführerin zusammengefasst geltend, die korrekte Rechtsanwendung gehöre zu ihrer im Gesetz vorgesehenen Aufgabe. Sie verfüge deshalb über ein schützenswertes Interesse an der Beschwerdeführung. Zudem gehöre sie nicht zum Gemeinwesen. 5.2 Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine kantonale Behörde (§ 5 Abs. 1 des kantonalen Einführungsgesetzes vom 14. September 1978 zum schweizerischen Zivilgesetzbuch [SRSZ 210. 100]). Die Beschwerdeberechtigung gemäss Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG entspricht Art. 89 Abs. 1 BGG, weshalb die Rechtsprechung zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beigezogen werden kann ( BGE 141 II 161 E. 2.1; BGE 140 I 90 E. 1 S. 92; BGE 140 III 644 E. 3.2 S. 648; Urteil 2C_115/2015 vom 6. Februar 2015 E. 3.2). Wie Art. 89 Abs. 1 BGG ist Art. 76 Abs. 1 BGG in erster Linie auf Personen des Privatrechts zugeschnitten. Doch kann sich auch das Gemeinwesen darauf berufen, falls es durch einen angefochtenen Entscheid gleich oder ähnlich wie ein Privater oder aber in spezifischer, schutzwürdiger Weise in der Wahrnehmung einer hoheitlichen Aufgabe betroffen wird, namentlich wenn einem Entscheid BGE 141 III 353 S. 356 präjudizielle Bedeutung für die öffentliche Aufgabenerfüllung zukommt. Die Beschwerdebefugnis zur Durchsetzung hoheitlicher Anliegen setzt eine erhebliche Betroffenheit in wichtigen öffentlichen Interessen voraus. Das Interesse an der richtigen Rechtsanwendung verschafft keine Beschwerdeberechtigung im Rahmen der Beschwerdelegitimation gemäss Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG. Gestützt auf die allgemeine Legitimationsklausel sind Gemeinwesen nur restriktiv zur Beschwerdeführung zuzulassen. Insbesondere ist die verfügende Behörde, deren Entscheid im Rechtsmittelverfahren ganz oder teilweise abgeändert wurde, nicht berechtigt, den Rechtsmittelentscheid an das Bundesgericht zu ziehen ( BGE 140 V 321 E. 2.1.1 S. 323). Entgegen ihren Ausführungen ist die Beschwerdeführerin mithin als verfügende Behörde weder durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt, noch kommt ihr ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung zu.
Urteilskopf
47. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Innerschwyz gegen A. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_388/2015 vom 7. September 2015
Regeste Erwachsenenschutz; Entscheid der kantonalen Beschwerdeinstanz; Legitimation zur Beschwerde in Zivilsachen; Art. 76 Abs. 1 lit. a und b BGG. Zur Beschwerdebefugnis der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde in ihrer Eigenschaft als verfügende Behörde (E. 4 und 5).
Regeste
Erwachsenenschutz; Entscheid der kantonalen Beschwerdeinstanz; Legitimation zur Beschwerde in Zivilsachen; Art. 76 Abs. 1 lit. a und b BGG. Zur Beschwerdebefugnis der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde in ihrer Eigenschaft als verfügende Behörde (E. 4 und 5).
Art. 76 Abs. 1 lit. a und b BGG Zur Beschwerdebefugnis der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde in ihrer Eigenschaft als verfügende Behörde (E. 4 und 5).
Sachverhalt ab Seite 353
Sachverhalt ab Seite 353 BGE 141 III 353 S. 353
BGE 141 III 353 S. 353
A. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Innerschwyz (KESB) hob die gegenüber A. verfügte Massnahme des Erwachsenenschutzes auf. Das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz gab der Beschwerde des Betroffenen statt, hob den angefochtenen Beschluss auf und wies die Sache zu neuem Entscheid im Sinn der Erwägungen an die KESB zurück.
A. B. Die KESB (Beschwerdeführerin) hat gegen den vorgenannten Entscheid des Verwaltungsgerichts beim Bundesgericht Beschwerde erhoben. Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein.
B. (Zusammenfassung) BGE 141 III 353 S. 354
BGE 141 III 353 S. 354
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
4.
4. 4.1 Unter Berufung auf Art. 76 Abs. 1 lit. a BGG macht die Beschwerdeführerin geltend, nach der Botschaft komme ihr nur grundsätzlich keine Parteistellung zu. Eine Ausnahme sei namentlich dann gerechtfertigt, wenn - wie hier - im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nur eine Partei auftrete. Nur mit ihrer Zulassung als Partei könne dem Verfahrensgrundsatz nachgelebt werden, wonach jeder Entscheid einem zweistufigen Beschwerdeverfahren zugänglich sein müsse. Da sie den Schutz und die Wahrung der Interessen von schutzbedürftigen Menschen verfolge und ihre Entscheide regelmässig Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen darstellten, sei es elementar, dass diese Entscheide einem zweistufigen Instanzenzug offenstünden.
4.1 Art. 76 Abs. 1 lit. a BGG 4.2 Im Rubrum der Vorinstanz wird die Beschwerdeführerin unter der Rubrik "Parteien" als "Vorinstanz" bezeichnet. Die Beschwerdeführerin ist in Art. 450 Abs. 2 ZGB, der die Beschwerdeberechtigung im kantonalen Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz regelt, weder ausdrücklich als Partei aufgeführt, noch lässt sich diese Eigenschaft aus den Materialien ableiten. Aus der Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Änderung des ZGB (Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht; BBl 2006 7001 ff., 7086 zu Art. 450d) ergibt sich vielmehr, dass sie grundsätzlich am Verfahren nicht teilnimmt (vgl. BGE 140 III 385 E. 4.2 S. 389). Nach der Lehre kommt der KESB im Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz grundsätzlich keine Parteistellung zu (DANIEL STECK, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. I, 5. Aufl. 2014, N. 31c zu Art. 450 ZGB ). Die Tatsache, dass eine Behörde im Beschwerdeverfahren zur Vernehmlassung eingeladen wird, begründet keine Parteistellung im Sinn von Art. 450 Abs. 2 ZGB (vgl. Urteil 5A_979/2013 vom 28. März 2014 E. 6, in: FamPra.ch 2014 S. 767/773 f.). Das Bundesgericht betrachtet die verfügende Behörde im Verfahren der Beschwerde in Zivilsachen mit öffentlich-rechtlichem Einschlag (insbesondere Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6 BGG) nicht als Partei, sondern führt sie im Rubrum unter der Rubrik "Verfahrensbeteiligte" auf, ohne sie als Beschwerdegegnerin zu bezeichnen. Eine entsprechende Verfassung des Rubrums im kantonalen Verfahren wäre angebracht gewesen. Als Ausnahme vom genannten Grundsatz erachtet der zitierte Autor die Fälle, in denen die mit der Sache befasste BGE 141 III 353 S. 355 Erwachsenenschutzbehörde die Frage ihrer Zuständigkeit der gerichtlichen Beschwerdeinstanz unterbreitet, wenn im Meinungsaustausch keine Einigung erzielt werden kann ( Art. 444 Abs. 4 ZGB ). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier indes nicht vor, und es kann somit offenbleiben, ob dieser Lehrmeinung gefolgt werden kann.
4.2 Art. 450 Abs. 2 ZGB Art. 450 ZGB Art. 450 Abs. 2 ZGB BGE 141 III 353 S. 355
Art. 444 Abs. 4 ZGB 4.3 Zwar ist der Beschwerdeführerin darin beizupflichten, dass sie die Wahrung der Interessen der schutzbedürftigen Personen verfolgt und ihr Entscheid in die Rechtsstellung der Betroffenen eingreifen kann. Diese Argumentation ändert aber nichts an der Tatsache, dass sie im konkreten Fall als verfügende Behörde amtete. Der Umstand, dass im angefochtenen Entscheid des Verwaltungsgerichts im Ergebnis nur eine Partei, nämlich die betroffene Person, aufgeführt ist, vermag aber eine Parteistellung der Beschwerdeführerin mangels ausdrücklicher Gesetzesvorschrift nicht zu begründen. Im Übrigen verfügt die betroffene Person über einen Instanzenzug bis ans Bundesgericht (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6 BGG). Im Lichte von Art. 76 Abs. 1 lit. a BGG ist die Beschwerdeführerin somit nicht zur Beschwerde legitimiert.
4.3 Art. 76 Abs. 1 lit. a BGG 5.
5. 5.1 Nicht anders verhält es sich unter dem Blickwinkel von Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG. In diesem Zusammenhang macht die Beschwerdeführerin zusammengefasst geltend, die korrekte Rechtsanwendung gehöre zu ihrer im Gesetz vorgesehenen Aufgabe. Sie verfüge deshalb über ein schützenswertes Interesse an der Beschwerdeführung. Zudem gehöre sie nicht zum Gemeinwesen.
5.1 Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG 5.2 Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine kantonale Behörde (§ 5 Abs. 1 des kantonalen Einführungsgesetzes vom 14. September 1978 zum schweizerischen Zivilgesetzbuch [SRSZ 210. 100]). Die Beschwerdeberechtigung gemäss Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG entspricht Art. 89 Abs. 1 BGG, weshalb die Rechtsprechung zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beigezogen werden kann ( BGE 141 II 161 E. 2.1; BGE 140 I 90 E. 1 S. 92; BGE 140 III 644 E. 3.2 S. 648; Urteil 2C_115/2015 vom 6. Februar 2015 E. 3.2). Wie Art. 89 Abs. 1 BGG ist Art. 76 Abs. 1 BGG in erster Linie auf Personen des Privatrechts zugeschnitten. Doch kann sich auch das Gemeinwesen darauf berufen, falls es durch einen angefochtenen Entscheid gleich oder ähnlich wie ein Privater oder aber in spezifischer, schutzwürdiger Weise in der Wahrnehmung einer hoheitlichen Aufgabe betroffen wird, namentlich wenn einem Entscheid BGE 141 III 353 S. 356 präjudizielle Bedeutung für die öffentliche Aufgabenerfüllung zukommt. Die Beschwerdebefugnis zur Durchsetzung hoheitlicher Anliegen setzt eine erhebliche Betroffenheit in wichtigen öffentlichen Interessen voraus. Das Interesse an der richtigen Rechtsanwendung verschafft keine Beschwerdeberechtigung im Rahmen der Beschwerdelegitimation gemäss Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG. Gestützt auf die allgemeine Legitimationsklausel sind Gemeinwesen nur restriktiv zur Beschwerdeführung zuzulassen. Insbesondere ist die verfügende Behörde, deren Entscheid im Rechtsmittelverfahren ganz oder teilweise abgeändert wurde, nicht berechtigt, den Rechtsmittelentscheid an das Bundesgericht zu ziehen ( BGE 140 V 321 E. 2.1.1 S. 323). Entgegen ihren Ausführungen ist die Beschwerdeführerin mithin als verfügende Behörde weder durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt, noch kommt ihr ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung zu.
5.2 Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG Art. 89 Abs. 1 BGG Art. 89 Abs. 1 BGG Art. 76 Abs. 1 BGG BGE 141 III 353 S. 356
Art. 76 Abs. 1 lit. b BGG
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Urteilskopf 141 III 357 48. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. und B.A. gegen Stockwerkeigentümer-Gemeinschaft C. (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_407/2015 vom 27. August 2015 Regeste Art. 647c-647e i.V.m. Art. 712g Abs. 1 ZGB ; bauliche Massnahmen an gemeinschaftlichen Teilen im Partikularinteresse einzelner Stockwerkeigentümer. Liegt eine bauliche Massnahme an einem gemeinschaftlichen Teil im ausschliesslichen Interesse eines oder weniger Stockwerkeigentümer, ist sie aus der Optik der Gemeinschaft als luxuriös anzusehen (E. 3). Sachverhalt ab Seite 357 BGE 141 III 357 S. 357 A. Die Liegenschaft x, die heute der Stockwerkeigentümer-Gemeinschaft C. gehört, wurde im Jahr 1967 gebaut. Im Jahr 1995 wurde sie zu Stockwerkeigentum aufgeteilt. A.A. und B.A. sind seit dem Jahr 1999 Stockwerkeigentümer der Attikawohnung. Die Liegenschaft weist Flachdächer auf. Seit Erstellung des Gebäudes diente ein Teil des Flachdaches der Unterliegerwohnung als mit Platten belegte Terrasse der Attikawohnung (rund 20 m 2 ); die Terrasse war mit Blumentrögen vom Rest des lediglich bekiesten Flachdaches abgegrenzt (rund 100 m 2 ). Dies blieb bei der Begründung des BGE 141 III 357 S. 358 Stockwerkeigentums im Jahr 1995 baulich unverändert; jedoch wurde der Attikawohnung das ganze Flachdach der Unterliegerwohnung zu Sondernutzungsrecht zugewiesen. Im Zusammenhang mit der Gesamtsanierung der Liegenschaft stellten A.A. und B.A. den Antrag, dass die ganze ihnen zu Sondernutzungsrecht zugewiesene Fläche mit Platten belegt und so zu einer begehbaren Terrasse umgestaltet werde, was die Mehrheit der Stockwerkeigentümer ablehnte. B. Mit Gesuch um Anordnung baulicher Massnahmen verlangten A.A. und B.A., es sei ein durchgehend begehbarer Plattenbelag zu verlegen samt erforderlicher Ergänzungen bzw. Anpassungen der Unterkonstruktion (Splittbett etc.) auf der Dachfläche, welche der Attikawohnung vorgelagert ist. Mit Urteil vom 3. Dezember 2014 wies das Bezirksgericht Meilen das Gesuch ab. Die hiergegen erhobene Berufung wies das Obergericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 24. März 2015 ab. C. Gegen dieses Urteil haben A.A. und B.A. am 13. Mai 2015 eine Beschwerde erhoben. Sie verlangen dessen Aufhebung und die Anordnung der vorgenannten baulichen Massnahmen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Das Bezirksgericht wies das Gesuch ab, weil der Begründungsakt von einem "alleinigen Benützungsrecht gemäss Reglement" spreche und die Begehbarkeit der Dachfläche nach Auslegung des Reglementes nicht bezweckt worden sei. Das Obergericht befand, der Prozess drehe sich vielmehr um die Frage, ob die beantragten baulichen Massnahmen notwendig im Sinn von Art. 647 Abs. 2 Ziff. 1 ZGB seien. Dabei müssten die Fragen der Begehbarkeit der Dachfläche und der Notwendigkeit der Plattenverlegung auseinandergehalten werden. Bei der beantragten Anordnung handle es sich um eine Leistungsklage; die Feststellung des Umfangs der Begehbarkeit der Dachfläche sei nicht Verfahrensgegenstand, auch nicht vorfrageweise, denn selbst bei Bejahung der Begehbarkeit zufolge dahingehender Auslegung des Reglements würde dies nicht bedeuten, dass hierfür ein Plattenbelag notwendig wäre. BGE 141 III 357 S. 359 Das Obergericht erwog weiter, bei notwendigen baulichen Massnahmen gehe es um die Erhaltung des durch die bestehende Bausubstanz definierten Wertes. Die Beschwerdeführer würden nicht dartun, dass ohne die Verlegung der Platten die bestehende Bausubstanz beeinträchtigt oder zumindest gefährdet wäre. Bei der Errichtung der Liegenschaft sei nur ein Teil der Dachfläche mit Platten belegt worden. Daraus sei die durch die Bausubstanz definierte Gebrauchsfähigkeit ersichtlich und die bauliche Massnahme müsse daher auf den Erhalt der Gebrauchsfähigkeit des bereits mit Platten versehenen Abschnitts abzielen. Die anbegehrte bauliche Massnahme könne mithin nicht als notwendig im Sinn des Gesetzes qualifiziert werden. Schliesslich befand das Obergericht, entgegen der Behauptung der Beschwerdeführer ergebe sich auch aus der Bau- und Zonenordnung der Gemeinde U., wonach Flachdächer grösser als 30 m 2 zu begrünen seien, soweit sie nicht als begehbare Terrassen benutzt würden, kein Anspruch auf das Verlegen von Platten auf der gesamten Dachfläche. Ebenso wenig verfange die Argumentation, eine Beschwerung mittels Platten sei notwenig, weil das Geländer instabil sei; die Montage bzw. Stabilität des Geländers sei nicht Verfahrensgegenstand. Die Plattenverlegung lasse sich nicht klar den nützlichen Massnahmen im Sinn von Art. 647d Abs. 1 ZGB oder den luxuriösen Massnahmen gemäss Art. 647e Abs. 1 ZGB zuordnen; jedenfalls aber sei sie insgesamt nicht notwenig und könne deshalb nicht gegen den Mehrheitsbeschluss durchgesetzt werden. 3. Die Beschwerdeführer machen eine Notwendigkeit geltend, dass sie endlich in die Lage versetzt würden, das ihrer Stockwerkeinheit zugewiesene Sondernutzungsrecht in vollem Umfang ausüben zu können. Einzig mit einem Plattenbelag könne das Dach begangen werden; die Kiesbedeckung im strittigen Bereich genüge hierfür nicht. 3.1 In diesem Zusammenhang rügen die Beschwerdeführer eine falsche Anwendung von Art. 647 Abs. 2 Ziff. 1 und Art. 647c ZGB. Das Obergericht sei fälschlicherweise davon ausgegangen, dass es bei Art. 647c ZGB nur um die Erhaltung des Wertes und der Gebrauchsfähigkeit der bestehenden Bausubstanz gehe; indes seien nach der Rechtsprechung auch Neubauten bzw. neue Anlagen unter die Art. 647c-647e ZGB zu subsumieren. Folglich würden auch solche Bauten darunter fallen, welche notwendig seien, um die Gebrauchsfähigkeit gemäss festgelegter ursprünglicher Zweckbestimmung zu erlangen. Die ursprüngliche Zweckbestimmung könne ohne weiteres BGE 141 III 357 S. 360 von der bestehenden Bausubstanz abweichen; dies sei vorliegend der Fall, indem ihnen an der gesamten Dachterrasse ein Sondernutzungsrecht zugewiesen worden sei. Für die Ausübung dieses Sondernutzungsrechts sei die Verlegung von Platten auf der ganzen Fläche notwendig, denn nur so werde die ihnen zu Sondernutzung zugewiesene Gesamtfläche überhaupt begehbar. Der Kern der Problematik ist vorliegend nicht die Frage der Neubaute, sondern dass die Beschwerdeführer ihr bauliches Partikularinteresse demjenigen der Gemeinschaft gleichsetzen. Dies wird im Folgenden zu erörtern sein. 3.2 Die Bestimmungen von Art. 647 ff. ZGB finden gemäss Art. 712g Abs. 1 ZGB insbesondere auf das Stockwerkeigentum Anwendung, welches gesetzlich als besondere Form des Miteigentums ausgestaltet ist ( BGE 119 II 404 E. 4 S. 407). Soweit für eine notwendige bauliche Massnahme im Sinn von Art. 647c ZGB kein Mehrheitsbeschluss zustande kommt, kann jeder Miteigentümer/Stockwerkeigentümer gestützt auf Art. 647 Abs. 2 Ziff. 1 ZGB vor Gericht verlangen, dass die für die Erhaltung des Wertes und der Gebrauchsfähigkeit der Sache notwendigen Verwaltungshandlungen durchgeführt werden, denn zu diesen gehören insbesondere auch bauliche Massnahmen (vgl. BRUNNER/WICHTERMANN, Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. II, 5. Aufl. 2015, N. 51 zu Art. 647 ZGB ). Mit "Sache" im Sinn der Bestimmungen von Art. 647 ff. ZGB ist stets die gemeinschaftliche Sache gemeint; im Zusammenhang mit dem Stockwerkeigentum geht es um die Bauteile, welche nicht zu Sonderrecht im Sinn von Art. 712b ZGB ausgeschieden, sondern gemeinschaftlich sind ( BGE 130 III 441 E. 3.4 S. 448; BGE 136 III 261 E. 2.1 S. 263; MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar, 2. Aufl. 1982, N. 8 und 17 zu Art. 647c ZGB ). Dächer betreffen die Konstruktion und das äussere Ansehen der Liegenschaft, weshalb sie (nicht sonderrechtsfähige) gemeinschaftliche Bauteile sind ( Art. 712b Abs. 2 Ziff. 2 ZGB ); sie bleiben auch dann gemeinschaftlich, wenn daran ein Sondernutzungsrecht besteht (Urteil 5A_116/2011 vom 14. März 2011 E. 5; WERMELINGER, Zürcher Kommentar, 2010, N. 165 zu Art. 712a und N. 127 zu Art. 712b ZGB ). So verhält es sich auch vorliegend; die Beschwerdeführer haben kein Sonderrecht, sondern vielmehr ein Sondernutzungsrecht an der Dachterrasse. Die bauliche Verwaltungsbefugnis steht, weil es sich um einen gemeinschaftlichen Bauteil handelt, unbekümmert BGE 141 III 357 S. 361 um das Sondernutzungsrecht der Gemeinschaft zu (vgl. TURNHERR, Bauliche Massnahmen bei Mit- und Stockwerkeigentum, 2010, S. 106 oben) und bauliche Massnahmen unterliegen mithin den Vorschriften von Art. 647 ff. ZGB ( BGE 136 III 261 E. 2.2 S. 263; WERMELINGER, a.a.O., N. 165 zu Art. 712a ZGB ). 3.3 Soweit die Beschwerdeführer eine Notwendigkeit des Verlegens von Platten aus ihrem Sondernutzungsrecht ableiten - sie machen ferner geltend, die Notwendigkeit ergebe sich auch aus den kommunalen Bauvorschriften (dazu nicht publ. E. 4) sowie aus technischen Gründen (dazu nicht publ. E. 5) -, geht es um die Einordnung der Konstellation, dass die anbegehrte bauliche Massnahme ausschliesslich im Interesse der Beschwerdeführer als Stockwerkeigentümer der Attikawohnung liegt, sie die Massnahme aber auf Kosten der Gemeinschaft vornehmen lassen möchten. Notwendig im Sinn von Art. 647 Abs. 2 Ziff. 1 und Art. 647c ZGB kann eine bauliche Massnahme bei Stockwerkeigentum nach dem Gesagten nur dann sein, wenn es um die Erhaltung des Wertes und der Gebrauchsfähigkeit der gemeinschaftlichen Bauteile geht, vorliegend beispielsweise um die Dichtigkeit eines Flachdaches, woran alle Stockwerkeigentümer gleichermassen ein Interesse haben. Gleiches gilt für nützliche Massnahmen im Sinn von Art. 647d ZGB, wie sie vorliegend etwa in einer besseren Isolation des Flachdaches bestehen könnten, an welcher ebenfalls ein gemeinsames Interesse aller Stockwerkeigentümer zu bejahen wäre, weil sich damit die Heizkosten senken lassen. Die Frage der Notwendigkeit oder Nützlichkeit bestimmt sich mithin immer aus der Sicht der Gemeinschaft (vgl. BGE 135 III 212 E. 3.2 S. 219 unten). Steht die bauliche Massnahme hingegen im ausschliesslichen Individualinteresse eines oder weniger Stockwerkeigentümer, so ist sie aus der Optik der Gemeinschaft als luxuriös anzusehen ( BGE 136 III 261 E. 2.2 S. 264; BGE 130 III 441 E. 3.5 S. 449 e contrario; BRUNNER/WICHTERMANN, a.a.O., N. 3 zu Art. 647d ZGB ; ausführlich zum Thema sodann TURNHERR, a.a.O., S. 104 ff., welcher allerdings für eine nur analoge Anwendung von Art. 647d und 647e ZGB plädiert, insb. S. 111 ff.; zur Kostentragung vgl. auch WERMELINGER, a.a.O., N. 207 der Vorbemerkungen zu Art. 712a-712t ZGB [Kosten eines Terrassenbelages gehen zu Lasten des betreffenden Stockwerkeigentümers] sowie N. 167 zu Art. 712a ZGB [Kosten der baulichen Massnahme gehen nicht zu Lasten der Gemeinschaft, wenn diese keinen Vorteil hat]). BGE 141 III 357 S. 362 Im erwähnten BGE 136 III 261 ging es um ein Restaurant (als Stockwerkeinheit), welches die davor befindliche Terrasse benutzte, ohne hierfür über ein Sondernutzungsrecht zu verfügen, und dessen Eigentümer sich gegen die von der Mehrheit beschlossenen baulichen Massnahmen (Aufstellen von Blumentrögen) zur Wehr setzte, weil er dadurch zwei Tische weniger aufstellen konnte. In BGE 130 III 441 ging es bei einer Apartanlage um die Erstellung eines ausschliesslich vom Hotelbetrieb (als Stockwerkeinheit) gewünschten und finanzierten Wellnessbetriebes, gegen welchen sich einzelne Stockwerkeigentümer von Apartwohnungen wandten. Das Bundesgericht erwog, dass die Wellnessanlage aus der Sicht der Gemeinschaft insofern als nützliche bauliche Massnahme zu betrachten sei, als sie auch den Wohnungseigentümern offenstehe und die Steigerung der Attraktivität des Hotels nach allgemeiner Erfahrung zu einer besseren Auslastung der als Apartwohnungen ausgestalteten Stockwerkeinheiten und damit zu einer Verbesserung der Wirtschaftlichkeit bzw. Bewirtschaftungsmöglichkeit - und damit verbunden zweifellos auch zu einer Wertsteigerung - der Wohnungen führe. Einzig im nicht publizierten Urteil 5C.110/2001 vom 15. Oktober 2001 wurde in Bezug auf das Anheben des Gartensitzplatzes einer Parterre-Wohnung auf das Niveau des Balkons von einer nützlichen Massnahme ausgegangen, obwohl diese ausschliesslich im Interesse des betreffenden Stockwerkeigentümers lag. Die hierzu angeführte Begründung - die Erhöhung des Wertes der Parterre-Wohnung führe insofern auch zu einer Erhöhung des Wertes der Gesamtliegenschaft, als sich deren Wert aus einer Addition der Werte der einzelnen Stockwerkeinheiten ergebe (E. 5c) - lässt sich nicht halten, denn nach Begründung von Stockwerkeinheiten bilden diese und nicht mehr das Stammgrundstück die Objekte des Rechtsverkehrs (Art. 655 Abs. 2 Ziff. 4, Art. 712c Abs. 1 und 2, Art. 943 Abs. 1 Ziff. 4 ZGB ), so dass die anderen Stockwerkeigentümer von der Wertsteigerung einer Einheit nicht profitieren; im Übrigen entspricht die Addition der Verkehrswerte der einzelnen Stockwerkeinheiten auch in den wenigsten Fällen dem Verkehrswert, welchen das Gesamtobjekt aufweisen würde, wenn es einem einzigen Eigentümer gehören würde. 3.4 Vorliegend ist das Verlegen von Platten auf der gesamten Sondernutzungsfläche aus Sicht der Beschwerdeführer unzweifelhaft nützlich, weil die Massnahme die Nutzungsmöglichkeiten steigert und die Nutzung bequemer macht, indem das Begehen der Terrasse und namentlich das Aufstellen von Möbeln erleichtert wird. Indes BGE 141 III 357 S. 363 ist nicht ersichtlich, inwiefern ein Interesse der Gemeinschaft an einer besseren Nutzungsmöglichkeit der Eigentümer der Attikawohnung bestehen soll, zumal die Dachfläche nur von dieser Wohnung aus zugänglich ist. Weil die Fläche von unten bzw. von anderen Wohnungen her nicht einsehbar ist, ergibt sich ferner auch - abgesehen davon, dass es hier ohnehin nicht um eine Notwendigkeit gehen könnte - kein ästhetisches Interesse der Gemeinschaft. Die im ausschliesslichen Partikularinteresse der Beschwerdeführer als Stockwerkeigentümer der Attikawohnung stehende bauliche Massnahme muss nach dem Gesagten in Bezug auf die Gemeinschaft als luxuriös im Sinn von Art. 647e ZGB gelten. Folglich kann die vorliegend anbegehrte bauliche Massnahme keine notwendige Verwaltungshandlung im Sinn von Art. 647 Abs. 2 Ziff. 1 ZGB darstellen, soweit der Anspruch aus dem Sondernutzungsrecht abgeleitet wird.
Urteilskopf
48. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. und B.A. gegen Stockwerkeigentümer-Gemeinschaft C. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_407/2015 vom 27. August 2015
Regeste Art. 647c-647e i.V.m. Art. 712g Abs. 1 ZGB ; bauliche Massnahmen an gemeinschaftlichen Teilen im Partikularinteresse einzelner Stockwerkeigentümer. Liegt eine bauliche Massnahme an einem gemeinschaftlichen Teil im ausschliesslichen Interesse eines oder weniger Stockwerkeigentümer, ist sie aus der Optik der Gemeinschaft als luxuriös anzusehen (E. 3).
Regeste
Art. 647c-647e i.V.m. Art. 712g Abs. 1 ZGB ; bauliche Massnahmen an gemeinschaftlichen Teilen im Partikularinteresse einzelner Stockwerkeigentümer. Liegt eine bauliche Massnahme an einem gemeinschaftlichen Teil im ausschliesslichen Interesse eines oder weniger Stockwerkeigentümer, ist sie aus der Optik der Gemeinschaft als luxuriös anzusehen (E. 3).
Art. 712g Abs. 1 ZGB Liegt eine bauliche Massnahme an einem gemeinschaftlichen Teil im ausschliesslichen Interesse eines oder weniger Stockwerkeigentümer, ist sie aus der Optik der Gemeinschaft als luxuriös anzusehen (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 357
Sachverhalt ab Seite 357 BGE 141 III 357 S. 357
BGE 141 III 357 S. 357
A. Die Liegenschaft x, die heute der Stockwerkeigentümer-Gemeinschaft C. gehört, wurde im Jahr 1967 gebaut. Im Jahr 1995 wurde sie zu Stockwerkeigentum aufgeteilt. A.A. und B.A. sind seit dem Jahr 1999 Stockwerkeigentümer der Attikawohnung.
A. Die Liegenschaft weist Flachdächer auf. Seit Erstellung des Gebäudes diente ein Teil des Flachdaches der Unterliegerwohnung als mit Platten belegte Terrasse der Attikawohnung (rund 20 m 2 ); die Terrasse war mit Blumentrögen vom Rest des lediglich bekiesten Flachdaches abgegrenzt (rund 100 m 2 ). Dies blieb bei der Begründung des BGE 141 III 357 S. 358 Stockwerkeigentums im Jahr 1995 baulich unverändert; jedoch wurde der Attikawohnung das ganze Flachdach der Unterliegerwohnung zu Sondernutzungsrecht zugewiesen.
BGE 141 III 357 S. 358
Im Zusammenhang mit der Gesamtsanierung der Liegenschaft stellten A.A. und B.A. den Antrag, dass die ganze ihnen zu Sondernutzungsrecht zugewiesene Fläche mit Platten belegt und so zu einer begehbaren Terrasse umgestaltet werde, was die Mehrheit der Stockwerkeigentümer ablehnte.
B. Mit Gesuch um Anordnung baulicher Massnahmen verlangten A.A. und B.A., es sei ein durchgehend begehbarer Plattenbelag zu verlegen samt erforderlicher Ergänzungen bzw. Anpassungen der Unterkonstruktion (Splittbett etc.) auf der Dachfläche, welche der Attikawohnung vorgelagert ist.
B. Mit Urteil vom 3. Dezember 2014 wies das Bezirksgericht Meilen das Gesuch ab.
Die hiergegen erhobene Berufung wies das Obergericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 24. März 2015 ab.
C. Gegen dieses Urteil haben A.A. und B.A. am 13. Mai 2015 eine Beschwerde erhoben. Sie verlangen dessen Aufhebung und die Anordnung der vorgenannten baulichen Massnahmen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
C. (Zusammenfassung)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
2. Das Bezirksgericht wies das Gesuch ab, weil der Begründungsakt von einem "alleinigen Benützungsrecht gemäss Reglement" spreche und die Begehbarkeit der Dachfläche nach Auslegung des Reglementes nicht bezweckt worden sei.
2. Das Obergericht befand, der Prozess drehe sich vielmehr um die Frage, ob die beantragten baulichen Massnahmen notwendig im Sinn von Art. 647 Abs. 2 Ziff. 1 ZGB seien. Dabei müssten die Fragen der Begehbarkeit der Dachfläche und der Notwendigkeit der Plattenverlegung auseinandergehalten werden. Bei der beantragten Anordnung handle es sich um eine Leistungsklage; die Feststellung des Umfangs der Begehbarkeit der Dachfläche sei nicht Verfahrensgegenstand, auch nicht vorfrageweise, denn selbst bei Bejahung der Begehbarkeit zufolge dahingehender Auslegung des Reglements würde dies nicht bedeuten, dass hierfür ein Plattenbelag notwendig wäre. BGE 141 III 357 S. 359
Art. 647 Abs. 2 Ziff. 1 ZGB BGE 141 III 357 S. 359
Das Obergericht erwog weiter, bei notwendigen baulichen Massnahmen gehe es um die Erhaltung des durch die bestehende Bausubstanz definierten Wertes. Die Beschwerdeführer würden nicht dartun, dass ohne die Verlegung der Platten die bestehende Bausubstanz beeinträchtigt oder zumindest gefährdet wäre. Bei der Errichtung der Liegenschaft sei nur ein Teil der Dachfläche mit Platten belegt worden. Daraus sei die durch die Bausubstanz definierte Gebrauchsfähigkeit ersichtlich und die bauliche Massnahme müsse daher auf den Erhalt der Gebrauchsfähigkeit des bereits mit Platten versehenen Abschnitts abzielen. Die anbegehrte bauliche Massnahme könne mithin nicht als notwendig im Sinn des Gesetzes qualifiziert werden.
Schliesslich befand das Obergericht, entgegen der Behauptung der Beschwerdeführer ergebe sich auch aus der Bau- und Zonenordnung der Gemeinde U., wonach Flachdächer grösser als 30 m 2 zu begrünen seien, soweit sie nicht als begehbare Terrassen benutzt würden, kein Anspruch auf das Verlegen von Platten auf der gesamten Dachfläche. Ebenso wenig verfange die Argumentation, eine Beschwerung mittels Platten sei notwenig, weil das Geländer instabil sei; die Montage bzw. Stabilität des Geländers sei nicht Verfahrensgegenstand. Die Plattenverlegung lasse sich nicht klar den nützlichen Massnahmen im Sinn von Art. 647d Abs. 1 ZGB oder den luxuriösen Massnahmen gemäss Art. 647e Abs. 1 ZGB zuordnen; jedenfalls aber sei sie insgesamt nicht notwenig und könne deshalb nicht gegen den Mehrheitsbeschluss durchgesetzt werden.
Art. 647d Abs. 1 ZGB Art. 647e Abs. 1 ZGB 3. Die Beschwerdeführer machen eine Notwendigkeit geltend, dass sie endlich in die Lage versetzt würden, das ihrer Stockwerkeinheit zugewiesene Sondernutzungsrecht in vollem Umfang ausüben zu können. Einzig mit einem Plattenbelag könne das Dach begangen werden; die Kiesbedeckung im strittigen Bereich genüge hierfür nicht.
3. 3.1 In diesem Zusammenhang rügen die Beschwerdeführer eine falsche Anwendung von Art. 647 Abs. 2 Ziff. 1 und Art. 647c ZGB. Das Obergericht sei fälschlicherweise davon ausgegangen, dass es bei Art. 647c ZGB nur um die Erhaltung des Wertes und der Gebrauchsfähigkeit der bestehenden Bausubstanz gehe; indes seien nach der Rechtsprechung auch Neubauten bzw. neue Anlagen unter die Art. 647c-647e ZGB zu subsumieren. Folglich würden auch solche Bauten darunter fallen, welche notwendig seien, um die Gebrauchsfähigkeit gemäss festgelegter ursprünglicher Zweckbestimmung zu erlangen. Die ursprüngliche Zweckbestimmung könne ohne weiteres BGE 141 III 357 S. 360 von der bestehenden Bausubstanz abweichen; dies sei vorliegend der Fall, indem ihnen an der gesamten Dachterrasse ein Sondernutzungsrecht zugewiesen worden sei. Für die Ausübung dieses Sondernutzungsrechts sei die Verlegung von Platten auf der ganzen Fläche notwendig, denn nur so werde die ihnen zu Sondernutzung zugewiesene Gesamtfläche überhaupt begehbar.
3.1 Art. 647 Abs. 2 Ziff. 1 und Art. 647c ZGB Art. 647c ZGB Art. 647c-647e ZGB BGE 141 III 357 S. 360
Der Kern der Problematik ist vorliegend nicht die Frage der Neubaute, sondern dass die Beschwerdeführer ihr bauliches Partikularinteresse demjenigen der Gemeinschaft gleichsetzen. Dies wird im Folgenden zu erörtern sein.
3.2 Die Bestimmungen von Art. 647 ff. ZGB finden gemäss Art. 712g Abs. 1 ZGB insbesondere auf das Stockwerkeigentum Anwendung, welches gesetzlich als besondere Form des Miteigentums ausgestaltet ist ( BGE 119 II 404 E. 4 S. 407). Soweit für eine notwendige bauliche Massnahme im Sinn von Art. 647c ZGB kein Mehrheitsbeschluss zustande kommt, kann jeder Miteigentümer/Stockwerkeigentümer gestützt auf Art. 647 Abs. 2 Ziff. 1 ZGB vor Gericht verlangen, dass die für die Erhaltung des Wertes und der Gebrauchsfähigkeit der Sache notwendigen Verwaltungshandlungen durchgeführt werden, denn zu diesen gehören insbesondere auch bauliche Massnahmen (vgl. BRUNNER/WICHTERMANN, Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. II, 5. Aufl. 2015, N. 51 zu Art. 647 ZGB ).
3.2 Art. 647 ff. ZGB Art. 712g Abs. 1 ZGB Art. 647c ZGB Art. 647 Abs. 2 Ziff. 1 ZGB Art. 647 ZGB Mit "Sache" im Sinn der Bestimmungen von Art. 647 ff. ZGB ist stets die gemeinschaftliche Sache gemeint; im Zusammenhang mit dem Stockwerkeigentum geht es um die Bauteile, welche nicht zu Sonderrecht im Sinn von Art. 712b ZGB ausgeschieden, sondern gemeinschaftlich sind ( BGE 130 III 441 E. 3.4 S. 448; BGE 136 III 261 E. 2.1 S. 263; MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar, 2. Aufl. 1982, N. 8 und 17 zu Art. 647c ZGB ).
Art. 647 ff. ZGB Art. 712b ZGB Art. 647c ZGB Dächer betreffen die Konstruktion und das äussere Ansehen der Liegenschaft, weshalb sie (nicht sonderrechtsfähige) gemeinschaftliche Bauteile sind ( Art. 712b Abs. 2 Ziff. 2 ZGB ); sie bleiben auch dann gemeinschaftlich, wenn daran ein Sondernutzungsrecht besteht (Urteil 5A_116/2011 vom 14. März 2011 E. 5; WERMELINGER, Zürcher Kommentar, 2010, N. 165 zu Art. 712a und N. 127 zu Art. 712b ZGB ). So verhält es sich auch vorliegend; die Beschwerdeführer haben kein Sonderrecht, sondern vielmehr ein Sondernutzungsrecht an der Dachterrasse. Die bauliche Verwaltungsbefugnis steht, weil es sich um einen gemeinschaftlichen Bauteil handelt, unbekümmert BGE 141 III 357 S. 361 um das Sondernutzungsrecht der Gemeinschaft zu (vgl. TURNHERR, Bauliche Massnahmen bei Mit- und Stockwerkeigentum, 2010, S. 106 oben) und bauliche Massnahmen unterliegen mithin den Vorschriften von Art. 647 ff. ZGB ( BGE 136 III 261 E. 2.2 S. 263; WERMELINGER, a.a.O., N. 165 zu Art. 712a ZGB ).
Art. 712b Abs. 2 Ziff. 2 ZGB Art. 712b ZGB BGE 141 III 357 S. 361
Art. 647 ff. ZGB Art. 712a ZGB 3.3 Soweit die Beschwerdeführer eine Notwendigkeit des Verlegens von Platten aus ihrem Sondernutzungsrecht ableiten - sie machen ferner geltend, die Notwendigkeit ergebe sich auch aus den kommunalen Bauvorschriften (dazu nicht publ. E. 4) sowie aus technischen Gründen (dazu nicht publ. E. 5) -, geht es um die Einordnung der Konstellation, dass die anbegehrte bauliche Massnahme ausschliesslich im Interesse der Beschwerdeführer als Stockwerkeigentümer der Attikawohnung liegt, sie die Massnahme aber auf Kosten der Gemeinschaft vornehmen lassen möchten.
3.3 Notwendig im Sinn von Art. 647 Abs. 2 Ziff. 1 und Art. 647c ZGB kann eine bauliche Massnahme bei Stockwerkeigentum nach dem Gesagten nur dann sein, wenn es um die Erhaltung des Wertes und der Gebrauchsfähigkeit der gemeinschaftlichen Bauteile geht, vorliegend beispielsweise um die Dichtigkeit eines Flachdaches, woran alle Stockwerkeigentümer gleichermassen ein Interesse haben. Gleiches gilt für nützliche Massnahmen im Sinn von Art. 647d ZGB, wie sie vorliegend etwa in einer besseren Isolation des Flachdaches bestehen könnten, an welcher ebenfalls ein gemeinsames Interesse aller Stockwerkeigentümer zu bejahen wäre, weil sich damit die Heizkosten senken lassen. Die Frage der Notwendigkeit oder Nützlichkeit bestimmt sich mithin immer aus der Sicht der Gemeinschaft (vgl. BGE 135 III 212 E. 3.2 S. 219 unten). Steht die bauliche Massnahme hingegen im ausschliesslichen Individualinteresse eines oder weniger Stockwerkeigentümer, so ist sie aus der Optik der Gemeinschaft als luxuriös anzusehen ( BGE 136 III 261 E. 2.2 S. 264; BGE 130 III 441 E. 3.5 S. 449 e contrario; BRUNNER/WICHTERMANN, a.a.O., N. 3 zu Art. 647d ZGB ; ausführlich zum Thema sodann TURNHERR, a.a.O., S. 104 ff., welcher allerdings für eine nur analoge Anwendung von Art. 647d und 647e ZGB plädiert, insb. S. 111 ff.; zur Kostentragung vgl. auch WERMELINGER, a.a.O., N. 207 der Vorbemerkungen zu Art. 712a-712t ZGB [Kosten eines Terrassenbelages gehen zu Lasten des betreffenden Stockwerkeigentümers] sowie N. 167 zu Art. 712a ZGB [Kosten der baulichen Massnahme gehen nicht zu Lasten der Gemeinschaft, wenn diese keinen Vorteil hat]). BGE 141 III 357 S. 362
Art. 647 Abs. 2 Ziff. 1 und Art. 647c ZGB Art. 647d ZGB Art. 647d ZGB Art. 647d und 647e ZGB Art. 712a-712t ZGB Art. 712a ZGB BGE 141 III 357 S. 362
Im erwähnten BGE 136 III 261 ging es um ein Restaurant (als Stockwerkeinheit), welches die davor befindliche Terrasse benutzte, ohne hierfür über ein Sondernutzungsrecht zu verfügen, und dessen Eigentümer sich gegen die von der Mehrheit beschlossenen baulichen Massnahmen (Aufstellen von Blumentrögen) zur Wehr setzte, weil er dadurch zwei Tische weniger aufstellen konnte. In BGE 130 III 441 ging es bei einer Apartanlage um die Erstellung eines ausschliesslich vom Hotelbetrieb (als Stockwerkeinheit) gewünschten und finanzierten Wellnessbetriebes, gegen welchen sich einzelne Stockwerkeigentümer von Apartwohnungen wandten. Das Bundesgericht erwog, dass die Wellnessanlage aus der Sicht der Gemeinschaft insofern als nützliche bauliche Massnahme zu betrachten sei, als sie auch den Wohnungseigentümern offenstehe und die Steigerung der Attraktivität des Hotels nach allgemeiner Erfahrung zu einer besseren Auslastung der als Apartwohnungen ausgestalteten Stockwerkeinheiten und damit zu einer Verbesserung der Wirtschaftlichkeit bzw. Bewirtschaftungsmöglichkeit - und damit verbunden zweifellos auch zu einer Wertsteigerung - der Wohnungen führe.
Einzig im nicht publizierten Urteil 5C.110/2001 vom 15. Oktober 2001 wurde in Bezug auf das Anheben des Gartensitzplatzes einer Parterre-Wohnung auf das Niveau des Balkons von einer nützlichen Massnahme ausgegangen, obwohl diese ausschliesslich im Interesse des betreffenden Stockwerkeigentümers lag. Die hierzu angeführte Begründung - die Erhöhung des Wertes der Parterre-Wohnung führe insofern auch zu einer Erhöhung des Wertes der Gesamtliegenschaft, als sich deren Wert aus einer Addition der Werte der einzelnen Stockwerkeinheiten ergebe (E. 5c) - lässt sich nicht halten, denn nach Begründung von Stockwerkeinheiten bilden diese und nicht mehr das Stammgrundstück die Objekte des Rechtsverkehrs (Art. 655 Abs. 2 Ziff. 4, Art. 712c Abs. 1 und 2, Art. 943 Abs. 1 Ziff. 4 ZGB ), so dass die anderen Stockwerkeigentümer von der Wertsteigerung einer Einheit nicht profitieren; im Übrigen entspricht die Addition der Verkehrswerte der einzelnen Stockwerkeinheiten auch in den wenigsten Fällen dem Verkehrswert, welchen das Gesamtobjekt aufweisen würde, wenn es einem einzigen Eigentümer gehören würde.
Art. 943 Abs. 1 Ziff. 4 ZGB 3.4 Vorliegend ist das Verlegen von Platten auf der gesamten Sondernutzungsfläche aus Sicht der Beschwerdeführer unzweifelhaft nützlich, weil die Massnahme die Nutzungsmöglichkeiten steigert und die Nutzung bequemer macht, indem das Begehen der Terrasse und namentlich das Aufstellen von Möbeln erleichtert wird. Indes BGE 141 III 357 S. 363 ist nicht ersichtlich, inwiefern ein Interesse der Gemeinschaft an einer besseren Nutzungsmöglichkeit der Eigentümer der Attikawohnung bestehen soll, zumal die Dachfläche nur von dieser Wohnung aus zugänglich ist. Weil die Fläche von unten bzw. von anderen Wohnungen her nicht einsehbar ist, ergibt sich ferner auch - abgesehen davon, dass es hier ohnehin nicht um eine Notwendigkeit gehen könnte - kein ästhetisches Interesse der Gemeinschaft.
3.4 BGE 141 III 357 S. 363
Die im ausschliesslichen Partikularinteresse der Beschwerdeführer als Stockwerkeigentümer der Attikawohnung stehende bauliche Massnahme muss nach dem Gesagten in Bezug auf die Gemeinschaft als luxuriös im Sinn von Art. 647e ZGB gelten. Folglich kann die vorliegend anbegehrte bauliche Massnahme keine notwendige Verwaltungshandlung im Sinn von Art. 647 Abs. 2 Ziff. 1 ZGB darstellen, soweit der Anspruch aus dem Sondernutzungsrecht abgeleitet wird.
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Urteilskopf
49. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B. (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_137/2015 vom 19. August 2015
Regeste Vertragliche Haftung des Arztes. Inhalt und Umfang der ärztlichen Dokumentationspflicht (E. 5).
Regeste
Vertragliche Haftung des Arztes. Inhalt und Umfang der ärztlichen Dokumentationspflicht (E. 5).
Inhalt und Umfang der ärztlichen Dokumentationspflicht (E. 5).
Sachverhalt ab Seite 363
Sachverhalt ab Seite 363 BGE 141 III 363 S. 363
BGE 141 III 363 S. 363
A. B. (Klägerin, Beschwerdegegnerin) wurde im Rahmen ihrer Schwangerschaft und nach der Geburt der Tochter vom Gynäkologen A. (Beklagter, Beschwerdeführer) betreut. Im Verlaufe des Geburtsvorgangs nahm der Beklagte bei der Klägerin einen medianen BGE 141 III 363 S. 364 Dammschnitt (mediane Episiotomie) vor und beendete die Geburt mittels Saugglocke (sog. Vakuumextraktion). Bei der Geburt kam es zu einem Dammriss, der vom Beklagten unmittelbar nach der Geburt genäht wurde.
A. BGE 141 III 363 S. 364
Die Klägerin wirft dem Beklagten vor, er habe durch unsorgfältige Vorgehensweise während und nach der Geburt bei ihr einen Sphinkterriss (Riss des Schliessmuskels im Anus) und dadurch eine heute nach wie vor bestehende Stuhlinkontinenz verursacht.
B.
B. B.a Mit Klage vom 28. November 2005 beim Bezirksgericht Zürich beantragte die Klägerin, der Beklagte sei zur Zahlung einer Genugtuung von Fr. 100'000.- nebst Zins zu 5 % seit dem 23. Juni 1993 zu verpflichten. Im Rahmen eines umfassenden Beweisverfahrens holte das Bezirksgericht unter anderem ein interdisziplinäres (chirurgisches und gynäkologisches) Gutachten ein.
B.a Mit Urteil vom 21. Oktober 2014 schützte das Bezirksgericht die Klage teilweise und verpflichtete den Beklagten zur Zahlung einer Genugtuung von Fr. 60'000.- nebst Zins.
B.b Das Obergericht des Kantons Zürich wies mit Urteil vom 23. Januar 2015 die vom Beklagten gegen das bezirksgerichtliche Urteil erhobene Berufung ab und bestätigte den angefochtenen Entscheid.
B.b Es erwog insbesondere, der Beklagte sei verpflichtet gewesen, nach der Geburt eine Rektaluntersuchung durchzuführen; eine solche sei jedoch nicht dokumentiert. Aus dem Fehlen der Dokumentation dürfe nicht zu Lasten der Klägerin davon ausgegangen werden, der Beklagte habe eine solche Untersuchung vorgenommen; vielmehr müsse angenommen werden, er habe die Klägerin nach der Geburt rektal nicht untersucht und deshalb den höhergradigen Dammriss nicht erkannt, womit ihm eine Sorgfaltspflichtverletzung vorzuwerfen sei.
C. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt der Beschwerdeführer dem Bundesgericht, es sei das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 23. Januar 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Eventualiter sei die Sache zur weiteren Abklärung des Sachverhalts an die Vorinstanz zurückzuweisen.
C. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, es hebt das angefochtene Urteil auf und weist die Klage ab.
(Zusammenfassung) BGE 141 III 363 S. 365
BGE 141 III 363 S. 365
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
5. Unbestrittenermassen wurde eine Rektaluntersuchung nach der Geburt nicht dokumentiert. Der Beschwerdeführer bestreitet eine Pflicht zur Dokumentation dieses Vorgangs und wirft der Vorinstanz vor, sie sei zu Unrecht gestützt auf eine angebliche Dokumentationspflichtverletzung davon ausgegangen, er habe die Beschwerdegegnerin rektal nicht untersucht.
5. 5.1 Der Umfang der Dokumentationspflicht ergibt sich aus ihrem Zweck. Die Lehre verweist - zumeist ohne Differenzierung - auf folgende Zwecke: Die Dokumentation solle die korrekte Behandlung sicherstellen, namentlich auch bei der Behandlung durch mehrere Personen oder bei Arztwechsel. Mit ihr erfülle der Arzt seine auftragsrechtliche Rechenschaftspflicht ( Art. 400 Abs. 1 OR ) und schliesslich diene sie auch der Beweissicherung (LANDOLT/HERZOG- ZWITTER, Arzthaftungsrecht, 2015, Rz. 1061; WALTER FELLMANN, Arzt und das Rechtsverhältnis zum Patienten, in: Arztrecht in der Praxis, Kuhn/Poledna [Hrsg.], 2. Aufl. 2007, S. 136 f.; HAUSHEER/ JAUN, Unsorgfältige ärztliche Behandlung - Arzthaftung, in: Haftung und Versicherung, Weber/Münch [Hrsg.], 2. Aufl. 2015, Rz. 19.107 ff. S. 936 f.; LAURA JETZER, Die ärztliche Dokumentationspflicht und der Beweis des Behandlungsfehlers, ZBJV 148/2012 S. 311; MARKUS SCHMID, Dokumentationspflichten der Medizinalpersonen - Umfang und Folgen ihrer Verletzung, HAVE 4/2009 S. 354; vgl. auch Urteil 9C_567/2007 vom 25. September 2008 E. 4.2). Indessen ist von Bedeutung, ob man diesen Zwecken - namentlich dem medizinischen der Sicherstellung einer ordnungsgemässen Behandlung und dem prozessualen der Beweissicherung - den gleichen Stellenwert einräumt. Geht man davon aus, der Zweck der Dokumentation sei vorrangig die Behandlungssicherheit, bestimmt sich das, was aufzuzeichnen ist, nach medizinischen Kriterien, weshalb das Unterbleiben medizinisch nicht relevanter Aufzeichnungen in juristischen Auseinandersetzungen keine beweisrechtlichen Nachteile für den Arzt zur Folge haben kann (zutreffend: SUSANNE BOLLINGER HAMMERLE, Die vertragliche Haftung des Arztes für Schäden bei der Geburt, 2004, S. 156). In diesem Fall dient die Dokumentation zwar auch der Beweissicherung, diese ist aber eine Folge daraus und nicht der primäre Zweck. Erachtet man die Beweissicherung dagegen als selbständigen Zweck, kann sich daraus ein weiterer Umfang der Dokumentationspflicht ergeben. BGE 141 III 363 S. 366
5.1 Art. 400 Abs. 1 OR BGE 141 III 363 S. 366
Die Lehre - mangels schweizerischer Rechtsprechung oft unter Hinweise auf deutsche Judikate - konkretisiert den Umfang der Dokumentationspflicht wie folgt: Aufzeichnungspflichtig seien aus medizinischer Sicht die für die ärztliche Behandlung wesentlichen medizinischen Fakten (LANDOLT/HERZOG-ZWITTER, a.a.O., Rz. 1064; URSINA PALLY, Arzthaftung mit den Schwerpunkten Schwangerschaftsbetreuung und Geburtshilfe, 2007, S. 259 f. und bei Fn. 1706). Nur erhebliche Tatsachen seien zu vermerken. "Gewöhnliche bzw. übliche Massnahmen" seien nicht zwingend zu dokumentieren. Nicht dokumentationspflichtig seien "medizinische Selbstverständlichkeiten". "Reine Routinemassnahmen" seien nicht zu dokumentieren (LANDOLT/HERZOG-ZWITTER, a.a.O., Rz. 1066; vgl. auch JETZER, a.a.O., S. 313).
Diese Umschreibungen basieren auf dem Verständnis, dass das medizinisch Notwendige zu dokumentieren ist, d.h. dass die Dokumentationspflicht primär der Erfüllung des Behandlungsauftrags dient, und sie folgen insofern der höchstrichterlichen deutschen Rechtsprechung, die zwar eine strenge Dokumentation verlangt, jedoch ausgerichtet auf medizinische Üblichkeit und Erforderlichkeit und nicht zum Zweck, dem Patienten die Beweisführung zu sichern (GERHARD H. SCHLUND, in: Handbuch des Arztrechts, Laufs/Kern [Hrsg.], 4. Aufl., München 2010, § 55 Rz. 9 S. 688 f.; GOTTFRIED BAUMGÄRTEL, Die Beweisvereitelung im Zivilprozess, in: Festschrift für Winfried Kralik, Verfahrensrecht - Privatrecht, Wien 1986, S. 69; ANTOINE ROGGO, Aufklärung des Patienten, 2002, S. 209; Urteil des BGH vom 6. Juli 1999 E. II.2a., in: Versicherungsrecht [VersR] 30/1999 S. 1283: "[...] den Zweck der Dokumentationspflicht, die der Sicherung wesentlicher medizinischer Daten und Fakten für den Behandlungsverlauf dient und deshalb nach ihrem Zweck nicht auf die Sicherung von Beweisen für einen späteren Haftungsprozess des Patienten gerichtet ist. Deshalb ist [...] eine Dokumentation, die aus medizinischer Sicht nicht erforderlich ist, auch aus Rechtsgründen nicht geboten", mit Hinweisen; unter Bezugnahme auf diesen Entscheid auch das Urteil des OLG Oldenburg vom 30. Januar 2008 E. 3a, in: VersR 15/2008 S. 692).
Geht man von diesem Verständnis der Dokumentationspflicht aus, ergibt sich im Hinblick auf die vorliegend relevante Frage, dass Kontrolluntersuchungen dann nicht dokumentationspflichtig sind, wenn es medizinisch üblich ist, bei Ausbleiben eines positiven Befundes keine Aufzeichnungen vorzunehmen. Diesfalls kann aus einer BGE 141 III 363 S. 367 fehlenden Dokumentation nicht auf das Unterbliebensein entsprechender Untersuchungen geschlossen werden (so explizit: Urteil des BGH vom 23. März 1993 E. 1a, in: VersR 20/1993, S. 837; SCHLUND, a.a.O., § 111 Rz. 8 S. 1290).
BGE 141 III 363 S. 367
5.2 Das Bundesgericht hat sich zu Inhalt und Umfang der Dokumentationspflicht noch nicht im Einzelnen geäussert. In dem von der Vorinstanz und den Parteien angerufenen Urteil 4C.378/1999 vom 23. November 2004 stellte es fest, die Beweislast für das Vorliegen eines Behandlungsfehlers und der damit ursächlich zusammenhängenden Schädigung obliege der Patientin. Es würden jedoch Beweiserleichterungen zugestanden, insbesondere bei fehlender oder mangelhafter Dokumentation durch den Arzt. Im dort beurteilten Fall wurde das Regelbeweismass herabgesetzt, weil den operierenden Chirurgen Dokumentationsmängel vorzuwerfen waren, nämlich ein lückenhafter und irreführender Operationsbericht sowie die Beseitigung von Operationsvideos. Selbst wenn das Verhalten der für den Beklagten handelnden Personen nicht als eigentliche Beweisvereitelung qualifiziert werden könnte, so der Entscheid weiter, liege jedenfalls ein von deren Seite verschuldeter Dokumentationsmangel vor, der eine Herabsetzung des Beweismasses rechtfertige (zit. Urteil 4C.378/1999 E. 3.2 und 6.3 a.E.). Zum (notwendigen) Inhalt der Dokumentation führte das Bundesgericht aus, um ihren Zweck zu erfüllen, müsse die Krankengeschichte vollständig sein. Sie dürfe keine Lücken aufweisen und müsse so abgefasst sein, dass über die wirklichen Geschehnisse informiert und Irreführungen oder Missverständnisse vermieden werden. Konkret war umstritten, ob überhaupt eine Verpflichtung zur Aufnahme eines Operationsvideos bestand, d.h. ob solche von der Dokumentationspflicht erfasst werden. Das Bundesgericht bezeichnete die Auffassung des Beklagten, der diesen Umfang der Dokumentationspflicht bestritt, als fraglich, "angesichts der Feststellung des gerichtlichen Experten, dass die Dokumentation dieses Eingriffs mittels Videoaufnahme allgemein üblich ist" (zit. Urteil 4C.378/1999 E. 3.3).
5.2 In seiner Besprechung dieses Entscheids wies TREZZINI darauf hin, dass eine eigentliche Beweisvereitelung im prozessrechtlichen Sinn voraussetzt, dass einerseits eine gesetzliche oder vertragliche Pflicht zur Bewahrung des betreffenden Beweismittels besteht und dass andererseits die Bedeutung für den zukünftigen Prozess erkennbar sei (FRANCESCO TREZZINI, Nota FT - "caso del trimestre", SZZP 2/2005 S. 168 unter Hinweis auf BAUMGÄRTEL, a.a.O., S. 71). Das BGE 141 III 363 S. 368 Bundesgericht habe aber mit der oben zitierten Formulierung in E. 6.3 auf das zweite Kriterium, die Erkennbarkeit der Beweiseignung für den künftigen Prozess verzichtet und eine Beweiserleichterung bereits wegen der objektiven Verletzung der (medizinisch notwendigen) Dokumentation bejaht. Damit betont TREZZINI zu Recht die Unterscheidung zwischen der prozessrechtlich begründeten Beweisvereitelung und der materiell-rechtlichen Dokumentationspflicht als auftragsrechtlicher Nebenpflicht. Vertragsrechtlich lässt sich nicht spezifisch für den Behandlungsauftrag des Arztes eine Beweissicherungspflicht gleichsam als Nebenpflicht der Behandlungspflicht begründen, die über die zur Behandlung erforderlichen Aufzeichnungen hinausgehen würde (a.M. wohl WALTER FELLMANN, Berner Kommentar, 1992, N. 453 i.V.m. N. 455 zu Art. 398 OR, v.a. N. 455: "gehört zur Rechenschaftsablegung [...] die lückenlose Aufklärungüber die Hintergründe und die möglichen Ursachen eines Schadens"; derselbe, Arzt und das Rechtsverhältnis zum Patienten, a.a.O., S. 136 ff.). Dass die (als Nebenpflicht) geschuldete medizinisch begründete Dokumentationspflicht im Ergebnis auch der Beweissicherung dient, ändert nichts daran.
BGE 141 III 363 S. 368
Art. 398 OR 5.3 Massgeblich ist somit, ob die Dokumentation der Rektaluntersuchung im Jahr 1993 aus medizinischen Gründen notwendig und üblich war. Diesbezüglich hielt die Vorinstanz fest, gemäss dem Gutachten gehöre die Rektaluntersuchung zur Standarduntersuchung. Der Gutachter habe auch festgestellt, dass sie vorliegend im Partogramm nicht dokumentiert sei, jedoch: "Insgesamt sei es nicht absolut üblich und gefordert, dass diese Rektaluntersuchung dokumentiert werde". War die Dokumentation der Rektaluntersuchung nach den Feststellungen im angefochtenen Entscheid aus medizinischen Gründen nicht notwendig und üblich, kann mit deren Fehlen nicht eine Beweiserleichterung begründet und der Nachweis einer Sorgfaltspflichtverletzung wegen nicht durchgeführter Rektaluntersuchung als erbracht erachtet werden.
5.3
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Urteilskopf 141 III 369 50. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen B. (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_997/2014 vom 27. August 2015 Regeste Art. 99 und 118 Abs. 2 ZPO ; Sicherheitsleistung für die Parteientschädigung; teilweise Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Es ist von Bundesrechts wegen nicht ausgeschlossen, die teilweise mittellose Partei zwar im Sinne von Art. 118 Abs. 1 lit. a ZPO von Vorschuss- und Sicherheitsleistungen zu befreien, ihr aber keinen unentgeltlichen Rechtsbeistand zu bewilligen. Unzulässig ist es demgegenüber, der teilweise mittellosen Partei die unentgeltliche Rechtspflege für die Sicherstellung der Parteikosten der Gegenpartei vollumfänglich zu gewähren, auf der Leistung des Vorschusses für die Gerichtskosten jedoch zu bestehen (E. 4). Sachverhalt ab Seite 370 BGE 141 III 369 S. 370 A. A.a B. reichte am 28. Dezember 2012 beim Bezirksgericht Rheinfelden Klage auf Bestreitung neuen Vermögens gemäss Art. 265a Abs. 4 SchKG ein. Beklagte in diesem Verfahren ist die A. AG. Mit Verfügung vom 10. April 2013 bewilligte das Bezirksgericht B. die unentgeltliche Rechtspflege. Am 6. Mai 2013 setzte es lic. iur. C. als unentgeltlichen Rechtsbeistand ein. A.b Mit Eingabe vom 11. Juni 2013 unterbreitete die A. AG dem Bezirksgericht namentlich das Gesuch, B. zu verpflichten, für ihre Parteikosten eine angemessene Sicherheit zu leisten. Am 8. Juli 2013 beantragte die A. AG zudem, B. die unentgeltliche Rechtspflege nicht zu gewähren. Mit Verfügung vom 18. November 2013 bewilligte das Bezirksgericht B. weiterhin die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. Gleichzeitig wies es das Sicherstellungsgesuch der A. AG ab. B. B.a Die A. AG erhob am 6. Dezember 2013 Beschwerde an das Obergericht des Kantons Aargau und verlangte die Aufhebung der Verfügung vom 18. November 2013. Das Gesuch von B. um unentgeltliche Rechtspflege sei abzuweisen und dieser zu verpflichten, ihr für die nach gerichtlichem Ermessen festzusetzende Parteientschädigung Sicherheit zu leisten. B.b Mit Entscheid vom 20. Januar 2014 trat das Obergericht auf die Beschwerde mangels Bezifferung des Sicherstellungsbegehrens nicht ein. Dagegen gelangte die A. AG mit Beschwerde in Zivilsachen vom 12. Februar 2014 an das Bundesgericht, welches den Entscheid des Obergerichts mit Urteil vom 10. Juli 2014 aufhob und die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurückwies ( BGE 140 III 444 ). B.c B. beantragte mit rechtzeitiger Beschwerdeantwort vom 26. September 2014, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Mit Entscheid vom 28. Oktober 2014 bestätigte das Obergericht die gewährte unentgeltliche Rechtspflege für das erstinstanzliche Verfahren teilweise in dem Sinne, dass B. von der Pflicht zur Leistung des Gerichtskostenvorschusses und der Sicherheit für eine allfällige Parteientschädigung befreit blieb. Hingegen entzog es ihm die unentgeltliche Rechtspflege für die Gerichts- und eigenen Parteikosten mit Wirkung ex tunc. C. Mit Eingabe vom 17. Dezember 2014 ist die A. AG an das Bundesgericht gelangt. Die Beschwerdeführerin beantragt, den BGE 141 III 369 S. 371 Entscheid des Obergerichts mit Bezug auf die Befreiung von der Pflicht zur Leistung der Sicherheit für die Parteientschädigung aufzuheben. B. (Beschwerdegegner) sei zu verpflichten, für die nach gerichtlichem Ermessen festzusetzende Parteientschädigung samt Auslagen, mindestens in der Höhe der Grundentschädigung von Fr. 10'515.30.- gemäss dem Dekret über die Entschädigung der Anwälte des Kantons Aargau, Sicherheit zu leisten. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Anlass zur Beschwerde gibt die teilweise Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege an den Beschwerdegegner im Sinne einer Befreiung von Vorschuss- und Sicherheitsleistungen ( Art. 118 Abs. 1 lit. a ZPO ) und - damit verbunden - die Abweisung des Begehrens der Beschwerdeführerin um Sicherstellung der allfälligen Parteientschädigung nach Art. 99 ZPO. 4.1 Eine Person hat gemäss Art. 117 ZPO Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (lit. a) und ihr Begehren nicht aussichtslos erscheint (lit. b). Sofern es zur Wahrung der Rechte notwendig ist, besteht darüber hinaus ein Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand ( Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO ). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Art. 29 Abs. 3 BV, die auch für die Auslegung von Art. 117 lit. a ZPO zu berücksichtigen ist (vgl. zur Frage der Aussichtslosigkeit: BGE 139 III 475 E. 2.2 S. 476; BGE 138 III 217 E. 2.2.4 S. 218), gilt eine Person dann als bedürftig, wenn sie die Kosten eines Prozesses nicht aufzubringen vermag, ohne jene Mittel anzugreifen, die für die Deckung des eigenen notwendigen Lebensunterhalts und desjenigen ihrer Familie erforderlich sind ( BGE 128 I 225 E. 2.5.1 S. 232; BGE 127 I 202 E. 3b S. 205 mit Hinweisen). Für die Beurteilung der prozessualen Bedürftigkeit ist die gesamte wirtschaftliche Situation der gesuchstellenden Partei zu würdigen, wobei nicht schematisch auf das betreibungsrechtliche Existenzminimum abzustellen, sondern den individuellen Umständen Rechnung zu tragen ist. Der Teil der finanziellen Mittel, der das zur Deckung der persönlichen Bedürfnisse Notwendige übersteigt, muss mit den für den konkreten Fall zu erwartenden BGE 141 III 369 S. 372 Gerichts- und Anwaltskosten verglichen werden; dabei sollte es der monatliche Überschuss der gesuchstellenden Partei ermöglichen, die Prozesskosten bei weniger aufwändigen Prozessen innert eines Jahres, bei anderen innert zweier Jahre zu tilgen (zum Ganzen BGE 135 I 221 E. 5.1 S. 223 f., in: Pra 2010 Nr. 25 S. 171 mit Hinweisen). Zudem muss es der monatliche Überschuss der gesuchstellenden Partei erlauben, die anfallenden Gerichts- und Anwaltskostenvorschüsse innert absehbarer Zeit zu leisten und gegebenenfalls - wenn, wie hier, ein entsprechendes Begehren gestellt wurde - zusätzlich die Parteikosten der Gegenpartei sicherzustellen (vgl. BGE 109 Ia 5 E. 3a S. 9 mit Hinweisen; BGE 118 Ia 369 E. 4a S. 370 f.; LUKAS HUBER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kommentar, Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], 2011, N. 17 zu Art. 117 ZPO ). 4.2 Gemäss Art. 118 Abs. 2 ZPO kann die unentgeltliche Rechtspflege auch bloss teilweise gewährt werden. Kann eine Partei die Prozesskosten teilweise selber aufbringen, ist ihr die unentgeltliche Rechtspflege nur im nicht selber finanzierbaren Umfang zu gewähren (Bericht zum Vorentwurf der Expertenkommission, Juni 2003, S. 61 zu Art. 106 ZPO ; Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO] [nachfolgend: Botschaft ZPO], BBl 2006 7221 ff., 7302 Ziff. 5.84 zu Art. 116 des Entwurfs). Umstritten ist vorliegend die konkrete Ausgestaltung dieser Teilgewährung. 4.3 4.3.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, die vorinstanzliche Ausgestaltung der Teilgewährung verletze Art. 118 Abs. 1 lit. a-c ZPO und Art. 118 Abs. 2 ZPO. Zur Begründung führt sie aus, die Vorinstanz habe Art. 118 Abs. 1 lit. a-c ZPO in rechtlich zu beanstandender Weise nur selektiv angewendet, obwohl die entsprechende ZPO-Bestimmung dies nicht vorsehe. Zwar sei die Teilgewährung in Art. 118 Abs. 2 ZPO explizit erwähnt, diese teilweise Gewährung beziehe sich jedoch nicht auf die unterschiedlichen Positionen von Art. 118 Abs. 1 lit. a-c ZPO, sondern nur auf die betragsmässige Höhe. Die Befreiung lediglich von einzelnen Positionen innerhalb von Art. 118 Abs. 1 ZPO sei, so die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf eine Lehrmeinung (STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2013, § 16 Rz. 59), von vornherein unzulässig. Der Umstand, dass im Gesetzestext von Art. 118 Abs. 1 ZPO zwischen den einzelnen Buchstaben keine Verbindungswörter wie "und/oder" verwendet würden, zeige deutlich auf, dass BGE 141 III 369 S. 373 es Meinung des Gesetzgebers gewesen sei, dass eine Partei bei Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege von allen Punkten (lit. a und b) befreit werde, bzw. sofern notwendig einen unentgeltlichen Rechtsbeistand zugesprochen (lit. c) erhalte. Das Gericht könne folglich auch bei der Ausgestaltung der Teilgewährung nicht einfach frei zwischen den Varianten von Art. 118 Abs. 1 lit. a-c ZPO wählen. Die gegenteilige Auffassung führe zum völlig stossenden Ergebnis, dass das Gericht - wie im vorliegenden Fall - die unentgeltliche Rechtspflege im Sinne von Art. 118 Abs. 1 lit. b und c ZPO verweigern, jedoch zum Nachteil der Gegenpartei im Sinne von Art. 118 Abs. 1 lit. a ZPO vollumfänglich gewähren könne. Sofern die unentgeltliche Rechtspflege nur teilweise gewährt werden könne, so sei zumindest anteilsmässig Sicherheit zu leisten. 4.3.2 Soweit die Beschwerdeführerin die Auffassung vertritt, der Wortlaut und die Systematik des Gesetzes spreche gegen die Möglichkeit des Gerichts, die unentgeltliche Rechtspflege auf einzelne der im Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege enthaltenen Teilansprüche (Befreiung von Vorschuss- und Sicherheitsleistungen [ Art. 118 Abs. 1 lit. a ZPO ], Befreiung von den Gerichtskosten [ Art. 118 Abs. 1 lit. b ZPO ] und Bestellung eines Rechtsbeistandes [ Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO ]) zu begrenzen, vermag dies nicht zu überzeugen. Wenn das Gesetz in Art. 118 Abs. 2 ZPO allgemein davon spricht, dass die unentgeltliche Rechtspflege teilweise gewährt werden kann, so liegt im Gegenteil der Schluss nahe, dass das Gericht bei nur teilweise vorhandenen Mitteln auch die Möglichkeit haben soll, die unentgeltliche Rechtspflege lediglich für eine oder zwei der drei gesetzlich vorgesehenen Teilansprüche (lit. a, b, c) zu gewähren (in diesem Sinne auch FRANCESCO TREZZINI, in: Commentario al Codice di diritto processuale civile svizzero [...], 2011, S. 477 f. zu Art. 118 ZPO, der einzig die Möglichkeit von zusätzlichen Beschränkungen innerhalb der einzelnen Teilansprüche hinterfragt). Die unentgeltliche Rechtspflege kann somit namentlich auch nur die Befreiung von Kostenvorschüssen für die Gerichtskosten beinhalten (vgl. aber E. 4.3.3 sogleich) oder sich allein auf die Gewährung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes beziehen. Diese Auffassung entspricht auch der herrschenden Lehre (ALFRED BÜHLER, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. I, 2012, N. 122 zu Art. 118 ZPO ; ISAAK MEIER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2010, S. 423; HUBER, a.a.O., N. 21 zu Art. 118 ZPO ). BGE 141 III 369 S. 374 4.3.3 Sehr umstritten sind die Gestaltungsmöglichkeiten der bloss teilweisen Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege in der Lehre allerdings dann, wenn - wie hier - zusätzlich eine Sicherheitsleistung für eine allfällige Parteientschädigung zur Debatte steht. Einige Autoren erachten es in diesem Fall als unzulässig, die unentgeltliche Rechtspflege nur für die Sicherstellung der Parteikosten der Gegenpartei zu gewähren, für die Gerichtskosten und Kosten der unentgeltlichen Verbeiständung hingegen zu verweigern (BÜHLER, a.a.O., N. 123 zu Art. 118 und N. 125a zu Art. 119 ZPO ; DANIEL WUFFLI, Die unentgeltliche Rechtspflege in der Schweizerischen Zivilprozessordnung, 2015, Rz. 588 S. 249; FRANK EMMEL, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 14 zu Art. 118 ZPO ; STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, a.a.O., § 16 Rz. 59). Zur Begründung wird angeführt, dass sich die unentgeltliche Rechtspflege nicht einseitig und unter Schonung der Staatskasse zu Lasten der Gegenpartei auswirken dürfe. Demgegenüber vertritt TAPPY ohne nähere Begründung die Ansicht, das Gericht könne auch einzig von der Sicherheitsleistung für eine allfällige Parteientschädigung befreien (DENIS TAPPY, in: CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, N. 24 zu Art. 118 ZPO ). Nach einer vermittelnden Ansicht soll immerhin die Möglichkeit ausgeschlossen sein, den Gerichtskostenvorschuss ( Art. 98 ZPO ) voll zu fordern, die Kaution ( Art. 99 ZPO ) hingegen zu erlassen (INGRID JENT-SØRENSEN, in: ZPO, Oberhammer/Domej/Haas [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 13 zu Art. 118 ZPO ; GASSER/RICKLI, Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], 2. Aufl. 2014, N. 5 zu Art. 118 ZPO ; HUBER, a.a.O., N. 21 zu Art. 118 ZPO ). Die letztgenannte Auffassung überzeugt und ist mit Art. 118 ZPO vereinbar. In der Tat schiene es nicht sachgerecht, wenn die Vorschusszahlung einer teilweise unentgeltlich prozessführenden Partei, trotz Vorliegens eines Kautionsgrundes bzw. eines darauf gestützten Sicherstellungsbegehrens, nur für die Gerichtskosten, nicht aber auch für die Parteientschädigung der Gegenpartei verwendet würde. Eine dergestalt selektive Beschränkung des Teilanspruchs von Art. 118 Abs. 1 lit. a ZPO auf die Befreiung von der Sicherheitsleistung würde sich auch vom Wortlaut der auszulegenden Norm entfernen, der Vorschuss- und Sicherheitsleistungen auf die gleiche Stufe stellt. Hingegen lässt sich dem Gesetz kein Verbot entnehmen, die teilweise mittellose Partei zwar von der Bevorschussung der Gerichtskosten und der Sicherstellung der Parteikosten der BGE 141 III 369 S. 375 Gegenpartei zu befreien, ihr aber keinen unentgeltlichen Rechtsbeistand zu bewilligen. Dem von einem Teil der Lehre dagegen ins Feld geführten Grundsatz der Verfahrensfairness ( Art. 29 Abs. 1 BV ) ist diesfalls Genüge getan, da mangels Einforderung eines Gerichtskostenvorschusses gegebenenfalls auch der Staat einen Ausfall erleiden kann. Etwas Gegenteiliges lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen (vgl. Botschaft ZPO, a.a.O., S. 7302). Zwar betrifft eine solche Befreiung neben dem Staat auch die Gegenpartei, die durch die Kaution für ihre allfällige Parteientschädigung sichergestellt worden wäre. Allein dies steht einer derartigen Ausgestaltung der Teilgewährung jedoch nicht entgegen. Mutet das Gesetz es der Gegenpartei einer gänzlich mittellosen und daher unter (vollständiger) unentgeltlicher Rechtspflege prozessierenden Partei zu, den Prozess ohne Sicherung zu führen, so ist nicht ersichtlich, weshalb dies der Gegenpartei einer zwar nicht gänzlich mittellosen, aber doch zur Bezahlung von Vorschuss- und Sicherheitsleistungen binnen nützlicher Frist unfähigen Partei nicht zuzumuten sein soll. In beiden Fällen ist der Verlust des Schutzes vor dem Insolvenzrisiko der grundsätzlich kautionspflichtigen Partei als Konsequenz ihres Anspruchs auf Zugang zum Gericht und auf Wahrung ihrer Parteirechte in Kauf zu nehmen (vgl. zum Zweck der unentgeltlichen Rechtspflege auch BGE 135 I 1 E. 7.1 S. 2; BGE 131 I 350 E. 3.1 S. 355 und ALFRED BÜHLER, Unentgeltliche Rechtspflege - Voraussetzungen, neue und alte Probleme, Defizite, in: Haftpflichtprozess 2015, 2015, S. 89 f.). Im Rahmen dieser Grundsätze verbleibt dem Gericht bei der Ausgestaltung der Teilgewährung im konkreten Einzelfall ein weiter Spielraum des Ermessens. 4.3.4 Die Beschwerdeführerin argumentiert, die Befreiung des Beschwerdegegners von der Sicherstellung der allfälligen Parteientschädigung erweise sich vorliegend deshalb als bundesrechtswidrig, weil er gemäss Feststellung der Vorinstanz einen monatlichen Freibetrag von Fr. 941.60 erziele, der es ihm erlaube, die auf Fr. 10'515.30 festzusetzende Parteikostensicherheit innert eines Jahres ratenweise zu bezahlen. Die Vorinstanz habe das ihr diesbezüglich zustehende Ermessen gar nicht ausgeübt. Die Einwände sind unbehelflich. Die Vorinstanz hat dem monatlichen Nettoeinkommen des Beschwerdegegners von Fr. 5'823.30 den prozessualen Notbedarf von Fr. 4'881.70 gegenübergestellt und so eine verfügbare Quote von Fr. 941.60 ermittelt. Auszugehen ist gemäss der unbestritten gebliebenen vorinstanzlichen Prognose sodann BGE 141 III 369 S. 376 von mutmasslichen Gerichts- und eigenen Anwaltskosten des Beschwerdegegners von rund Fr. 20'000.-. Die Beschwerdeführerin lässt ausser Acht, dass nach der - wie vorstehend gezeigt (vgl. E. 4.3.3) grundsätzlich nicht zu beanstandenden - Verweigerung der unentgeltlichen Verbeiständung, der Beschwerdegegner aus seinem Einkommensüberschuss von monatlich Fr. 941.60 bereits seine eigenen Vertreterkosten (vorschussweise) zu finanzieren hat. Wie er unter diesen Umständen innert nützlicher Frist auch noch einen Gerichtskostenvorschuss bzw. die von der Beschwerdeführerin verlangte Sicherheit für eine allfällige Parteientschädigung leisten könnte, ist mithin weder dargetan noch ersichtlich, woran der pauschale Hinweis auf die Möglichkeit von Ratenzahlungen nichts zu ändern vermag. Die Vorinstanz hat folglich ihr Ermessen pflichtgemäss ausgeübt und den ihr zustehenden Spielraum nicht überschritten, wenn sie dem Beschwerdegegner für die nicht aussichtslose Streitsache die unentgeltliche Rechtspflege im Sinne einer Befreiung von Vorschuss- und Sicherheitsleistungen ( Art. 118 Abs. 1 lit. a ZPO ) gewährt und gleichzeitig von der Auferlegung von Ratenzahlungen abgesehen hat.
Urteilskopf
50. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen B. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_997/2014 vom 27. August 2015
Regeste Art. 99 und 118 Abs. 2 ZPO ; Sicherheitsleistung für die Parteientschädigung; teilweise Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Es ist von Bundesrechts wegen nicht ausgeschlossen, die teilweise mittellose Partei zwar im Sinne von Art. 118 Abs. 1 lit. a ZPO von Vorschuss- und Sicherheitsleistungen zu befreien, ihr aber keinen unentgeltlichen Rechtsbeistand zu bewilligen. Unzulässig ist es demgegenüber, der teilweise mittellosen Partei die unentgeltliche Rechtspflege für die Sicherstellung der Parteikosten der Gegenpartei vollumfänglich zu gewähren, auf der Leistung des Vorschusses für die Gerichtskosten jedoch zu bestehen (E. 4).
Regeste
Art. 99 und 118 Abs. 2 ZPO ; Sicherheitsleistung für die Parteientschädigung; teilweise Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Es ist von Bundesrechts wegen nicht ausgeschlossen, die teilweise mittellose Partei zwar im Sinne von Art. 118 Abs. 1 lit. a ZPO von Vorschuss- und Sicherheitsleistungen zu befreien, ihr aber keinen unentgeltlichen Rechtsbeistand zu bewilligen. Unzulässig ist es demgegenüber, der teilweise mittellosen Partei die unentgeltliche Rechtspflege für die Sicherstellung der Parteikosten der Gegenpartei vollumfänglich zu gewähren, auf der Leistung des Vorschusses für die Gerichtskosten jedoch zu bestehen (E. 4).
Art. 99 und 118 Abs. 2 ZPO Es ist von Bundesrechts wegen nicht ausgeschlossen, die teilweise mittellose Partei zwar im Sinne von Art. 118 Abs. 1 lit. a ZPO von Vorschuss- und Sicherheitsleistungen zu befreien, ihr aber keinen unentgeltlichen Rechtsbeistand zu bewilligen. Unzulässig ist es demgegenüber, der teilweise mittellosen Partei die unentgeltliche Rechtspflege für die Sicherstellung der Parteikosten der Gegenpartei vollumfänglich zu gewähren, auf der Leistung des Vorschusses für die Gerichtskosten jedoch zu bestehen (E. 4).
Art. 118 Abs. 1 lit. a ZPO Sachverhalt ab Seite 370
Sachverhalt ab Seite 370 BGE 141 III 369 S. 370
BGE 141 III 369 S. 370
A.
A. A.a B. reichte am 28. Dezember 2012 beim Bezirksgericht Rheinfelden Klage auf Bestreitung neuen Vermögens gemäss Art. 265a Abs. 4 SchKG ein. Beklagte in diesem Verfahren ist die A. AG. Mit Verfügung vom 10. April 2013 bewilligte das Bezirksgericht B. die unentgeltliche Rechtspflege. Am 6. Mai 2013 setzte es lic. iur. C. als unentgeltlichen Rechtsbeistand ein.
A.a Art. 265a Abs. 4 SchKG A.b Mit Eingabe vom 11. Juni 2013 unterbreitete die A. AG dem Bezirksgericht namentlich das Gesuch, B. zu verpflichten, für ihre Parteikosten eine angemessene Sicherheit zu leisten. Am 8. Juli 2013 beantragte die A. AG zudem, B. die unentgeltliche Rechtspflege nicht zu gewähren. Mit Verfügung vom 18. November 2013 bewilligte das Bezirksgericht B. weiterhin die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. Gleichzeitig wies es das Sicherstellungsgesuch der A. AG ab.
A.b B.
B. B.a Die A. AG erhob am 6. Dezember 2013 Beschwerde an das Obergericht des Kantons Aargau und verlangte die Aufhebung der Verfügung vom 18. November 2013. Das Gesuch von B. um unentgeltliche Rechtspflege sei abzuweisen und dieser zu verpflichten, ihr für die nach gerichtlichem Ermessen festzusetzende Parteientschädigung Sicherheit zu leisten.
B.a B.b Mit Entscheid vom 20. Januar 2014 trat das Obergericht auf die Beschwerde mangels Bezifferung des Sicherstellungsbegehrens nicht ein. Dagegen gelangte die A. AG mit Beschwerde in Zivilsachen vom 12. Februar 2014 an das Bundesgericht, welches den Entscheid des Obergerichts mit Urteil vom 10. Juli 2014 aufhob und die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurückwies ( BGE 140 III 444 ).
B.b B.c B. beantragte mit rechtzeitiger Beschwerdeantwort vom 26. September 2014, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Mit Entscheid vom 28. Oktober 2014 bestätigte das Obergericht die gewährte unentgeltliche Rechtspflege für das erstinstanzliche Verfahren teilweise in dem Sinne, dass B. von der Pflicht zur Leistung des Gerichtskostenvorschusses und der Sicherheit für eine allfällige Parteientschädigung befreit blieb. Hingegen entzog es ihm die unentgeltliche Rechtspflege für die Gerichts- und eigenen Parteikosten mit Wirkung ex tunc.
B.c C. Mit Eingabe vom 17. Dezember 2014 ist die A. AG an das Bundesgericht gelangt. Die Beschwerdeführerin beantragt, den BGE 141 III 369 S. 371 Entscheid des Obergerichts mit Bezug auf die Befreiung von der Pflicht zur Leistung der Sicherheit für die Parteientschädigung aufzuheben. B. (Beschwerdegegner) sei zu verpflichten, für die nach gerichtlichem Ermessen festzusetzende Parteientschädigung samt Auslagen, mindestens in der Höhe der Grundentschädigung von Fr. 10'515.30.- gemäss dem Dekret über die Entschädigung der Anwälte des Kantons Aargau, Sicherheit zu leisten.
C. BGE 141 III 369 S. 371
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
4. Anlass zur Beschwerde gibt die teilweise Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege an den Beschwerdegegner im Sinne einer Befreiung von Vorschuss- und Sicherheitsleistungen ( Art. 118 Abs. 1 lit. a ZPO ) und - damit verbunden - die Abweisung des Begehrens der Beschwerdeführerin um Sicherstellung der allfälligen Parteientschädigung nach Art. 99 ZPO.
4. Art. 118 Abs. 1 lit. a ZPO Art. 99 ZPO 4.1 Eine Person hat gemäss Art. 117 ZPO Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (lit. a) und ihr Begehren nicht aussichtslos erscheint (lit. b). Sofern es zur Wahrung der Rechte notwendig ist, besteht darüber hinaus ein Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand ( Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO ).
4.1 Art. 117 ZPO Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Art. 29 Abs. 3 BV, die auch für die Auslegung von Art. 117 lit. a ZPO zu berücksichtigen ist (vgl. zur Frage der Aussichtslosigkeit: BGE 139 III 475 E. 2.2 S. 476; BGE 138 III 217 E. 2.2.4 S. 218), gilt eine Person dann als bedürftig, wenn sie die Kosten eines Prozesses nicht aufzubringen vermag, ohne jene Mittel anzugreifen, die für die Deckung des eigenen notwendigen Lebensunterhalts und desjenigen ihrer Familie erforderlich sind ( BGE 128 I 225 E. 2.5.1 S. 232; BGE 127 I 202 E. 3b S. 205 mit Hinweisen). Für die Beurteilung der prozessualen Bedürftigkeit ist die gesamte wirtschaftliche Situation der gesuchstellenden Partei zu würdigen, wobei nicht schematisch auf das betreibungsrechtliche Existenzminimum abzustellen, sondern den individuellen Umständen Rechnung zu tragen ist. Der Teil der finanziellen Mittel, der das zur Deckung der persönlichen Bedürfnisse Notwendige übersteigt, muss mit den für den konkreten Fall zu erwartenden BGE 141 III 369 S. 372 Gerichts- und Anwaltskosten verglichen werden; dabei sollte es der monatliche Überschuss der gesuchstellenden Partei ermöglichen, die Prozesskosten bei weniger aufwändigen Prozessen innert eines Jahres, bei anderen innert zweier Jahre zu tilgen (zum Ganzen BGE 135 I 221 E. 5.1 S. 223 f., in: Pra 2010 Nr. 25 S. 171 mit Hinweisen). Zudem muss es der monatliche Überschuss der gesuchstellenden Partei erlauben, die anfallenden Gerichts- und Anwaltskostenvorschüsse innert absehbarer Zeit zu leisten und gegebenenfalls - wenn, wie hier, ein entsprechendes Begehren gestellt wurde - zusätzlich die Parteikosten der Gegenpartei sicherzustellen (vgl. BGE 109 Ia 5 E. 3a S. 9 mit Hinweisen; BGE 118 Ia 369 E. 4a S. 370 f.; LUKAS HUBER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kommentar, Brunner/Gasser/Schwander [Hrsg.], 2011, N. 17 zu Art. 117 ZPO ).
Art. 29 Abs. 3 BV Art. 117 lit. a ZPO BGE 141 III 369 S. 372
Art. 117 ZPO 4.2 Gemäss Art. 118 Abs. 2 ZPO kann die unentgeltliche Rechtspflege auch bloss teilweise gewährt werden. Kann eine Partei die Prozesskosten teilweise selber aufbringen, ist ihr die unentgeltliche Rechtspflege nur im nicht selber finanzierbaren Umfang zu gewähren (Bericht zum Vorentwurf der Expertenkommission, Juni 2003, S. 61 zu Art. 106 ZPO ; Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO] [nachfolgend: Botschaft ZPO], BBl 2006 7221 ff., 7302 Ziff. 5.84 zu Art. 116 des Entwurfs). Umstritten ist vorliegend die konkrete Ausgestaltung dieser Teilgewährung.
4.2 Art. 118 Abs. 2 ZPO Art. 106 ZPO 4.3
4.3 4.3.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, die vorinstanzliche Ausgestaltung der Teilgewährung verletze Art. 118 Abs. 1 lit. a-c ZPO und Art. 118 Abs. 2 ZPO. Zur Begründung führt sie aus, die Vorinstanz habe Art. 118 Abs. 1 lit. a-c ZPO in rechtlich zu beanstandender Weise nur selektiv angewendet, obwohl die entsprechende ZPO-Bestimmung dies nicht vorsehe. Zwar sei die Teilgewährung in Art. 118 Abs. 2 ZPO explizit erwähnt, diese teilweise Gewährung beziehe sich jedoch nicht auf die unterschiedlichen Positionen von Art. 118 Abs. 1 lit. a-c ZPO, sondern nur auf die betragsmässige Höhe. Die Befreiung lediglich von einzelnen Positionen innerhalb von Art. 118 Abs. 1 ZPO sei, so die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf eine Lehrmeinung (STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2013, § 16 Rz. 59), von vornherein unzulässig. Der Umstand, dass im Gesetzestext von Art. 118 Abs. 1 ZPO zwischen den einzelnen Buchstaben keine Verbindungswörter wie "und/oder" verwendet würden, zeige deutlich auf, dass BGE 141 III 369 S. 373 es Meinung des Gesetzgebers gewesen sei, dass eine Partei bei Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege von allen Punkten (lit. a und b) befreit werde, bzw. sofern notwendig einen unentgeltlichen Rechtsbeistand zugesprochen (lit. c) erhalte. Das Gericht könne folglich auch bei der Ausgestaltung der Teilgewährung nicht einfach frei zwischen den Varianten von Art. 118 Abs. 1 lit. a-c ZPO wählen. Die gegenteilige Auffassung führe zum völlig stossenden Ergebnis, dass das Gericht - wie im vorliegenden Fall - die unentgeltliche Rechtspflege im Sinne von Art. 118 Abs. 1 lit. b und c ZPO verweigern, jedoch zum Nachteil der Gegenpartei im Sinne von Art. 118 Abs. 1 lit. a ZPO vollumfänglich gewähren könne. Sofern die unentgeltliche Rechtspflege nur teilweise gewährt werden könne, so sei zumindest anteilsmässig Sicherheit zu leisten.
4.3.1 Art. 118 Abs. 1 lit. a-c ZPO Art. 118 Abs. 2 ZPO Art. 118 Abs. 1 lit. a-c ZPO Art. 118 Abs. 2 ZPO Art. 118 Abs. 1 lit. a-c ZPO Art. 118 Abs. 1 ZPO Art. 118 Abs. 1 ZPO BGE 141 III 369 S. 373
Art. 118 Abs. 1 lit. a-c ZPO Art. 118 Abs. 1 lit. b und c ZPO Art. 118 Abs. 1 lit. a ZPO 4.3.2 Soweit die Beschwerdeführerin die Auffassung vertritt, der Wortlaut und die Systematik des Gesetzes spreche gegen die Möglichkeit des Gerichts, die unentgeltliche Rechtspflege auf einzelne der im Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege enthaltenen Teilansprüche (Befreiung von Vorschuss- und Sicherheitsleistungen [ Art. 118 Abs. 1 lit. a ZPO ], Befreiung von den Gerichtskosten [ Art. 118 Abs. 1 lit. b ZPO ] und Bestellung eines Rechtsbeistandes [ Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO ]) zu begrenzen, vermag dies nicht zu überzeugen. Wenn das Gesetz in Art. 118 Abs. 2 ZPO allgemein davon spricht, dass die unentgeltliche Rechtspflege teilweise gewährt werden kann, so liegt im Gegenteil der Schluss nahe, dass das Gericht bei nur teilweise vorhandenen Mitteln auch die Möglichkeit haben soll, die unentgeltliche Rechtspflege lediglich für eine oder zwei der drei gesetzlich vorgesehenen Teilansprüche (lit. a, b, c) zu gewähren (in diesem Sinne auch FRANCESCO TREZZINI, in: Commentario al Codice di diritto processuale civile svizzero [...], 2011, S. 477 f. zu Art. 118 ZPO, der einzig die Möglichkeit von zusätzlichen Beschränkungen innerhalb der einzelnen Teilansprüche hinterfragt). Die unentgeltliche Rechtspflege kann somit namentlich auch nur die Befreiung von Kostenvorschüssen für die Gerichtskosten beinhalten (vgl. aber E. 4.3.3 sogleich) oder sich allein auf die Gewährung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes beziehen. Diese Auffassung entspricht auch der herrschenden Lehre (ALFRED BÜHLER, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. I, 2012, N. 122 zu Art. 118 ZPO ; ISAAK MEIER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2010, S. 423; HUBER, a.a.O., N. 21 zu Art. 118 ZPO ). BGE 141 III 369 S. 374
4.3.2 Art. 118 Abs. 1 lit. a ZPO Art. 118 Abs. 1 lit. b ZPO Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO Art. 118 Abs. 2 ZPO Art. 118 ZPO Art. 118 ZPO Art. 118 ZPO BGE 141 III 369 S. 374
4.3.3 Sehr umstritten sind die Gestaltungsmöglichkeiten der bloss teilweisen Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege in der Lehre allerdings dann, wenn - wie hier - zusätzlich eine Sicherheitsleistung für eine allfällige Parteientschädigung zur Debatte steht. Einige Autoren erachten es in diesem Fall als unzulässig, die unentgeltliche Rechtspflege nur für die Sicherstellung der Parteikosten der Gegenpartei zu gewähren, für die Gerichtskosten und Kosten der unentgeltlichen Verbeiständung hingegen zu verweigern (BÜHLER, a.a.O., N. 123 zu Art. 118 und N. 125a zu Art. 119 ZPO ; DANIEL WUFFLI, Die unentgeltliche Rechtspflege in der Schweizerischen Zivilprozessordnung, 2015, Rz. 588 S. 249; FRANK EMMEL, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 14 zu Art. 118 ZPO ; STAEHELIN/STAEHELIN/GROLIMUND, a.a.O., § 16 Rz. 59). Zur Begründung wird angeführt, dass sich die unentgeltliche Rechtspflege nicht einseitig und unter Schonung der Staatskasse zu Lasten der Gegenpartei auswirken dürfe. Demgegenüber vertritt TAPPY ohne nähere Begründung die Ansicht, das Gericht könne auch einzig von der Sicherheitsleistung für eine allfällige Parteientschädigung befreien (DENIS TAPPY, in: CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, N. 24 zu Art. 118 ZPO ). Nach einer vermittelnden Ansicht soll immerhin die Möglichkeit ausgeschlossen sein, den Gerichtskostenvorschuss ( Art. 98 ZPO ) voll zu fordern, die Kaution ( Art. 99 ZPO ) hingegen zu erlassen (INGRID JENT-SØRENSEN, in: ZPO, Oberhammer/Domej/Haas [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 13 zu Art. 118 ZPO ; GASSER/RICKLI, Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], 2. Aufl. 2014, N. 5 zu Art. 118 ZPO ; HUBER, a.a.O., N. 21 zu Art. 118 ZPO ).
4.3.3 Art. 119 ZPO Art. 118 ZPO Art. 118 ZPO Art. 98 ZPO Art. 99 ZPO Art. 118 ZPO Art. 118 ZPO Art. 118 ZPO Die letztgenannte Auffassung überzeugt und ist mit Art. 118 ZPO vereinbar. In der Tat schiene es nicht sachgerecht, wenn die Vorschusszahlung einer teilweise unentgeltlich prozessführenden Partei, trotz Vorliegens eines Kautionsgrundes bzw. eines darauf gestützten Sicherstellungsbegehrens, nur für die Gerichtskosten, nicht aber auch für die Parteientschädigung der Gegenpartei verwendet würde. Eine dergestalt selektive Beschränkung des Teilanspruchs von Art. 118 Abs. 1 lit. a ZPO auf die Befreiung von der Sicherheitsleistung würde sich auch vom Wortlaut der auszulegenden Norm entfernen, der Vorschuss- und Sicherheitsleistungen auf die gleiche Stufe stellt. Hingegen lässt sich dem Gesetz kein Verbot entnehmen, die teilweise mittellose Partei zwar von der Bevorschussung der Gerichtskosten und der Sicherstellung der Parteikosten der BGE 141 III 369 S. 375 Gegenpartei zu befreien, ihr aber keinen unentgeltlichen Rechtsbeistand zu bewilligen. Dem von einem Teil der Lehre dagegen ins Feld geführten Grundsatz der Verfahrensfairness ( Art. 29 Abs. 1 BV ) ist diesfalls Genüge getan, da mangels Einforderung eines Gerichtskostenvorschusses gegebenenfalls auch der Staat einen Ausfall erleiden kann. Etwas Gegenteiliges lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen (vgl. Botschaft ZPO, a.a.O., S. 7302). Zwar betrifft eine solche Befreiung neben dem Staat auch die Gegenpartei, die durch die Kaution für ihre allfällige Parteientschädigung sichergestellt worden wäre. Allein dies steht einer derartigen Ausgestaltung der Teilgewährung jedoch nicht entgegen. Mutet das Gesetz es der Gegenpartei einer gänzlich mittellosen und daher unter (vollständiger) unentgeltlicher Rechtspflege prozessierenden Partei zu, den Prozess ohne Sicherung zu führen, so ist nicht ersichtlich, weshalb dies der Gegenpartei einer zwar nicht gänzlich mittellosen, aber doch zur Bezahlung von Vorschuss- und Sicherheitsleistungen binnen nützlicher Frist unfähigen Partei nicht zuzumuten sein soll. In beiden Fällen ist der Verlust des Schutzes vor dem Insolvenzrisiko der grundsätzlich kautionspflichtigen Partei als Konsequenz ihres Anspruchs auf Zugang zum Gericht und auf Wahrung ihrer Parteirechte in Kauf zu nehmen (vgl. zum Zweck der unentgeltlichen Rechtspflege auch BGE 135 I 1 E. 7.1 S. 2; BGE 131 I 350 E. 3.1 S. 355 und ALFRED BÜHLER, Unentgeltliche Rechtspflege - Voraussetzungen, neue und alte Probleme, Defizite, in: Haftpflichtprozess 2015, 2015, S. 89 f.). Im Rahmen dieser Grundsätze verbleibt dem Gericht bei der Ausgestaltung der Teilgewährung im konkreten Einzelfall ein weiter Spielraum des Ermessens.
Art. 118 ZPO Art. 118 Abs. 1 lit. a ZPO BGE 141 III 369 S. 375
Art. 29 Abs. 1 BV 4.3.4 Die Beschwerdeführerin argumentiert, die Befreiung des Beschwerdegegners von der Sicherstellung der allfälligen Parteientschädigung erweise sich vorliegend deshalb als bundesrechtswidrig, weil er gemäss Feststellung der Vorinstanz einen monatlichen Freibetrag von Fr. 941.60 erziele, der es ihm erlaube, die auf Fr. 10'515.30 festzusetzende Parteikostensicherheit innert eines Jahres ratenweise zu bezahlen. Die Vorinstanz habe das ihr diesbezüglich zustehende Ermessen gar nicht ausgeübt.
4.3.4 Die Einwände sind unbehelflich. Die Vorinstanz hat dem monatlichen Nettoeinkommen des Beschwerdegegners von Fr. 5'823.30 den prozessualen Notbedarf von Fr. 4'881.70 gegenübergestellt und so eine verfügbare Quote von Fr. 941.60 ermittelt. Auszugehen ist gemäss der unbestritten gebliebenen vorinstanzlichen Prognose sodann BGE 141 III 369 S. 376 von mutmasslichen Gerichts- und eigenen Anwaltskosten des Beschwerdegegners von rund Fr. 20'000.-. Die Beschwerdeführerin lässt ausser Acht, dass nach der - wie vorstehend gezeigt (vgl. E. 4.3.3) grundsätzlich nicht zu beanstandenden - Verweigerung der unentgeltlichen Verbeiständung, der Beschwerdegegner aus seinem Einkommensüberschuss von monatlich Fr. 941.60 bereits seine eigenen Vertreterkosten (vorschussweise) zu finanzieren hat. Wie er unter diesen Umständen innert nützlicher Frist auch noch einen Gerichtskostenvorschuss bzw. die von der Beschwerdeführerin verlangte Sicherheit für eine allfällige Parteientschädigung leisten könnte, ist mithin weder dargetan noch ersichtlich, woran der pauschale Hinweis auf die Möglichkeit von Ratenzahlungen nichts zu ändern vermag. Die Vorinstanz hat folglich ihr Ermessen pflichtgemäss ausgeübt und den ihr zustehenden Spielraum nicht überschritten, wenn sie dem Beschwerdegegner für die nicht aussichtslose Streitsache die unentgeltliche Rechtspflege im Sinne einer Befreiung von Vorschuss- und Sicherheitsleistungen ( Art. 118 Abs. 1 lit. a ZPO ) gewährt und gleichzeitig von der Auferlegung von Ratenzahlungen abgesehen hat.
BGE 141 III 369 S. 376
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Urteilskopf
51. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.A. gegen B.A. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_274/2015 vom 25. August 2015
Regeste Art. 276 Abs. 1 und 2 ZPO i.V.m. Art. 179 Abs. 1 ZGB, Abänderung vorsorglicher Massnahmen im Scheidungsverfahren, Rechtskraft von Entscheiden über vorsorgliche Massnahmen; Art. 65 und 241 Abs. 2 ZPO, Anwendbarkeit auf vorsorgliche Massnahmen. Rechtskraft von Entscheiden über vorsorgliche Massnahmen im Scheidungsverfahren. Rückzug und Neueinreichung eines Gesuchs um Abänderung vorsorglicher Massnahmen; Rechtsfolgen des Rückzugs im Lichte von Art. 65 und 241 Abs. 2 ZPO (E. 3.3 und 3.4).
Regeste
Art. 276 Abs. 1 und 2 ZPO i.V.m. Art. 179 Abs. 1 ZGB, Abänderung vorsorglicher Massnahmen im Scheidungsverfahren, Rechtskraft von Entscheiden über vorsorgliche Massnahmen; Art. 65 und 241 Abs. 2 ZPO, Anwendbarkeit auf vorsorgliche Massnahmen. Rechtskraft von Entscheiden über vorsorgliche Massnahmen im Scheidungsverfahren. Rückzug und Neueinreichung eines Gesuchs um Abänderung vorsorglicher Massnahmen; Rechtsfolgen des Rückzugs im Lichte von Art. 65 und 241 Abs. 2 ZPO (E. 3.3 und 3.4).
Art. 276 Abs. 1 und 2 ZPO Art. 179 Abs. 1 ZGB Art. 65 und 241 Abs. 2 ZPO Rechtskraft von Entscheiden über vorsorgliche Massnahmen im Scheidungsverfahren.
Rückzug und Neueinreichung eines Gesuchs um Abänderung vorsorglicher Massnahmen; Rechtsfolgen des Rückzugs im Lichte von Art. 65 und 241 Abs. 2 ZPO (E. 3.3 und 3.4).
Art. 65 und 241 Abs. 2 ZPO Sachverhalt ab Seite 377
Sachverhalt ab Seite 377 BGE 141 III 376 S. 377
BGE 141 III 376 S. 377
A. A.A. (Beschwerdeführer) und B.A. (Beschwerdegegnerin) heirateten am 9. Januar 1981. Mit Eheschutzentscheid des Bezirksgerichts Schwyz vom 3. Februar 2009 wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, der Beschwerdegegnerin rückwirkend per 4. Juli 2007 monatliche Unterhaltsbeiträge von Fr. 9'000.- (an die Ehefrau persönlich) und Fr. 4'000.- (für die damals noch nicht volljährige Tochter) zu bezahlen.
A. B. Seit Ende 2009 ist zwischen den Parteien das Scheidungsverfahren hängig. Am 19. Januar 2010 ersuchte der Beschwerdeführer um Abänderung der im Scheidungsverfahren als vorsorgliche Massnahmen weitergeltenden Eheschutzmassnahmen. Das Bezirksgericht Schwyz wies das Begehren mit Entscheid vom 2. Juli 2010 ab. Am 10. November 2010 reichte der Beschwerdeführer ein zweites Abänderungsgesuch ein, zog dieses aber am 14. Juli 2011 zurück. Das Bezirksgericht Schwyz schrieb das eingeleitete Abänderungsverfahren mit Verfügung vom 18. Juli 2011 "infolge Rückzug des Begehrens als gegenstandslos" ab.
B. C. Mit Eingabe vom 25. Juni 2013 ersuchte der Beschwerdeführer erneut um Abänderung der Massnahmen, die in der Verfügung des Bezirksgerichts Schwyz vom 3. Februar 2009 angeordnet worden waren. Er beantragte, seine Unterhaltspflicht sei rückwirkend auf den 10. November 2010 angemessen herabzusetzen. Eventualiter sei die Unterhaltspflicht rückwirkend ab Gesuchseinreichung, subeventualiter "umgehend" herabzusetzen. Mit Entscheid vom 3. Juli 2014 wies das Bezirksgericht das Änderungsgesuch ab. Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung wies das Kantonsgericht Schwyz mit Entscheid vom 3. März 2015 ebenfalls ab, soweit es darauf eintrat. Zur Begründung führte es an, dass einer Abänderung der Unterhaltsbeiträge eine res iudicata in Form des Abschreibungsentscheids vom 18. Juli 2011 entgegenstehe, denn der Beschwerdeführer mache im Wesentlichen die selben Veränderungen geltend wie im zurückgezogenen Gesuch vom 10. November 2010. BGE 141 III 376 S. 378 Weiter bestätigte das Kantonsgericht ausdrücklich den Entscheid des Bezirksgerichts vom 3. Juli 2014.
C. BGE 141 III 376 S. 378
D. Gegen das Urteil vom 3. März 2015 gelangt der Beschwerdeführer mit Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht. Er beantragt, die Sache sei zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
D. (Zusammenfassung)
Erwägungen
Erwägungen Aus den Erwägungen:
3.
3. 3.3 Im Scheidungsverfahren trifft das Gericht die nötigen vorsorglichen Massnahmen, wobei die Bestimmungen über die Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft sinngemäss anwendbar sind ( Art. 276 Abs. 1 ZPO ). Massnahmen, die das Eheschutzgericht angeordnet hat, dauern weiter ( Art. 276 Abs. 2 Satz 1 ZPO ).
3.3 Art. 276 Abs. 1 ZPO Art. 276 Abs. 2 Satz 1 ZPO 3.3.1 Eine Abänderung vorsorglicher Massnahmen im Scheidungsverfahren setzt eine Veränderung der Verhältnisse voraus ( Art. 276 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. 179 Abs. 1 ZGB ). Verlangt ist dabei eine wesentliche und dauernde Veränderung. Eine Abänderung ist ferner angebracht, wenn die tatsächlichen Umstände, die dem Massnahmeentscheid zu Grunde lagen, sich nachträglich als unrichtig erwiesen haben oder wenn sich der Entscheid nachträglich im Ergebnis als nicht gerechtfertigt herausstellt, weil dem Massnahmegericht die Tatsachen nicht zuverlässig bekannt waren. Andernfalls steht die formelle Rechtskraft des Eheschutz- bzw. des Präliminarentscheids einer Abänderung entgegen. Eine Abänderung ist ferner ausgeschlossen, wenn die Sachlage durch eigenmächtiges, widerrechtliches, mithin rechtsmissbräuchliches Verhalten herbeigeführt worden ist (Urteile 5A_117/2010 vom 5. März 2010 E. 3.3, in: FamPra.ch 2010 S. 705; 5P.473/2006 vom 19. Dezember 2006 E. 3 mit zahlreichen Hinweisen, in: FamPra.ch 2007 S. 373). Veränderungen, die bereits zum Zeitpunkt des zu Grunde liegenden Urteils voraussehbar waren und im Voraus bei der Festsetzung des abzuändernden Unterhaltsbeitrages berücksichtigt worden sind, können keinen Abänderungsgrund bilden (vgl. zum nachehelichen Unterhalt BGE 138 III 289 E. 11.1.1 S. 292; BGE 131 III 189 E. 2.7.4 S. 199; zur Abänderung von vorsorglichen Massnahmen im Scheidungsverfahren Urteil 5A_597/2013 vom 4. März 2014 E. 3.4, in: FamPra.ch 2014 S. 725).
3.3.1 Art. 276 Abs. 1 ZPO Art. 179 Abs. 1 ZGB Vorliegend bestreitet der Beschwerdeführer nicht, dass er im jetzigen Verfahren dieselbe Veränderung gelten machen will wie bereits BGE 141 III 376 S. 379 im Gesuch vom 10. November 2010. Anders als die Vorinstanz ist er aber der Ansicht, dass der Rückzug des ersten Gesuchs einer Überprüfung heute nicht entgegenstehe.
BGE 141 III 376 S. 379
3.3.2 Der ZPO lässt sich keine Regelung entnehmen, welche sich explizit zu den Rechtsfolgen des Rückzugs eines Gesuchs um vorsorgliche Massnahmen äussert.
3.3.2 Wer eine Klage beim zum Entscheid zuständigen Gericht zurückzieht, kann gegen die gleiche Partei über den gleichen Streitgegenstand keinen zweiten Prozess mehr führen, sofern das Gericht die Klage der beklagten Partei bereits zugestellt hat und diese dem Rückzug nicht zustimmt ( Art. 65 ZPO ). Mit Zustellung der Klageschrift an den Beklagten tritt demnach die sog. Fortführungslast als prozessuale Obliegenheit ein, d.h. der Kläger ist an seinen Prozess gebunden. Zieht er die Klage nach diesem Zeitpunkt zurück, geht er seines materiell-rechtlichen Anspruches endgültig verlustig (Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, BBl 2006 7221 ff., 7278 zu Art. 63; SUTTER-SOMM/HEDINGER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, 2. Aufl. 2013, N. 6 und 13 zu Art. 65 ZPO ; ISABELLE BERGER-STEINER, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. I, 2012, N. 3 f. zu Art. 65 ZPO ). Die Bestimmung zu den Folgen des Klagerückzugs steht in den Allgemeinen Bestimmungen der ZPO. Sie ist demnach gemäss Art. 1 lit. a und b ZPO grundsätzlich auf sämtliche streitigen Zivilsachen sowie auf die gerichtlichen Anordnungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit anwendbar, mithin auch im Summarverfahren (ANDREAS GÜNGERICH, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, Bd. II, 2012, N. 16 der Vorbemerkungen zu Art. 248-270 ZPO ; STEPHAN MAZAN, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2013, N. 4 der Vorbemerkungen zu Art. 248-256 ZPO ).
Art. 65 ZPO Art. 65 ZPO Art. 65 ZPO Art. 1 lit. a und b ZPO Art. 248-270 ZPO Art. 248-256 ZPO Art. 65 ZPO Art. 65 ZPO BGE 141 III 376 S. 380
Art. 65 ZPO Art. 65 ZPO Art. 65 ZGB Art. 65 ZPO Art. 252 Abs. 2 ZPO Art. 256 ZPO Art. 65 ZPO Art. 65 ZPO Art. 65 ZPO Art. 65 ZPO 3.3.3 Art. 241 Abs. 2 ZPO Art. 219 ZPO Art. 241 Abs. 2 ZPO Art. 219 ZPO Art. 241 ZPO Art. 241 ZPO BGE 141 III 376 S. 381
3.3.4 Allgemein gilt im Zivilprozess der Grundsatz, wonach Summarentscheide grundsätzlich den ordentlichen Entscheiden hinsichtlich Rechtskraft gleichgestellt sind, d.h. dass sie mit Ablauf der Rechtsmittelfrist formell rechtskräftig und damit - unter Vorbehalt einer Revision nach Art. 328 ff. ZPO - unwiderrufbar werden ( BGE 141 III 43 E. 2.5.2 S. 46 mit Hinweisen). Für Summarentscheide betreffend freiwillige Gerichtsbarkeit ( Art. 256 Abs. 2 ZPO ) und vorsorgliche Massnahmen ( Art. 268 Abs. 1 ZPO ) sieht die ZPO allerdings die Möglichkeit einer nachträglichen Aufhebung oder Abänderung vor ( BGE 141 III 43 E. 2.5.2 S. 46). Dennoch kommt auch Entscheiden über vorsorgliche Massnahmen eine beschränkte Rechtskraft zu. Sie können zwar für die Zukunft abgeändert werden, eine rückwirkende Abänderung oder Aufhebung bedarf aber gemäss älterer bundesgerichtlicher Rechtsprechung - bei gegebenen Voraussetzungen - einer Aufhebung der (materiellen) Rechtskraft durch ein Revisionsverfahren. Davon abgesehen werden vorsorgliche Unterhaltsbeiträge zur Regelung der ehelichen Rechte und Pflichten während des Scheidungsverfahrens definitiv zugesprochen und können weder durch ein weiteres Massnahmeverfahren noch durch das Scheidungsurteil selbst rückwirkend aufgehoben werden ( BGE 127 III 496 E. 3b/bb S. 502; vgl. hierzu auch den Kommentar von CHRISTOPH LEUENBERGER, ZBJV 138/2002 S. 557 ff., 567). Die neuere Rechtsprechung spricht explizit nur noch von formeller, aber nicht materieller Rechtskraft ( BGE 138 III 382 E. 3.2.1 S. 385 betreffend Arrestentscheid als vorsorgliche Massnahme; BGE 133 II 393 E. 5.1 S. 396 betreffend Eheschutz). Auch hier wird indes festgehalten, dass einem neuen Gesuch der Einwand der res iudicata entgegensteht, wenn es auf dem völlig gleichen Sachverhalt beruht wie ein früheres Begehren ( BGE 138 III 382 E. 3.2.2 S. 385 mit Hinweisen; vgl. sodann auch BGE 139 III 126 E. 3.1 ff. S. 128 ff. zur negativen und positiven Wirkung der materiellen Rechtskraft und der Identität von Streitgegenständen).
3.3.4 Art. 328 ff. ZPO Art. 256 Abs. 2 ZPO Art. 268 Abs. 1 ZPO 3.4 Zusammengefasst und angewendet auf vorsorgliche Massnahmen im Scheidungsverfahren gilt, was folgt: Dem Entscheid betreffend vorsorgliche Massnahmen im Scheidungsverfahren kommt nicht dieselbe Rechtskraftwirkung zu wie einem im ordentlichen BGE 141 III 376 S. 382 (Klage-)Verfahren ergangenen Urteil. Dies findet namentlich darin Niederschlag, dass der Massnahmeentscheid erstens im Falle einer Veränderung der Verhältnisse einer Anpassung zugänglich ist und dass dieser zweitens das Scheidungsverfahren, in welchem die Massnahmen angeordnet wurden, resp. das Endurteil nicht präjudiziert. In diesen Schranken kommt einem Entscheid über vorsorgliche Massnahmen indes Bindungswirkung zu und muss ein Rückzug eines Abänderungsgesuchs einer Abweisung gleichgestellt werden. Ein neues Abänderungsgesuch ist bei dieser Ausgangslage nur unter der Voraussetzung veränderter Verhältnisse zulässig. Der Beschwerdeführer kann mithin nicht heute darauf zurückkommen, wenn er 2011 mittels vorbehaltlosem Rückzug und ohne Zustimmung der Gegenpartei auf eine Prüfung der veränderten Verhältnisse verzichtete. Der angefochtene Entscheid hält vor der Verfassung stand. (...)
3.4 BGE 141 III 376 S. 382
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