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8Kultur
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US-Musiker gastiert am 24. November im Konzerthaus. Wien – Die Fans von Prince müssen sich noch ein bisschen gedulden, bis sie in den Besitz der begehrten Tickets für die Soloshow des US-Musikers am 24. November im Wiener Konzerthaus kommen: Der ursprünglich für heute Vormittag angesetzte Start des Vorverkaufs musste verschoben werden, wie der Veranstalter am Freitag mitteilte. Ein neuer Termin steht bis dato noch nicht fest. Der 57-jährige Prince hat vor wenigen Tagen eine Europatour angekündigt, bei der er dem Titel gemäß ganz auf Piano & A Microphone setzen möchte. Insgesamt soll die Konzertreise mehr als ein Dutzend Auftritte umfassen, wie der Musiker gegenüber El Pais verriet.
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6Etat
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Chefredakteur soll laut "NYT"-Bericht gehen. Washington – Wegen eines ungeprüften und unrichtigen Artikels über eine angebliche Gruppenvergewaltigung haben ehemalige Studenten der University of Virginia das US-Musikmagazin Rolling Stone wegen Diffamierung verklagt. Die New York Times am Mittwoch berichtet, die Ex-Studenten klagten mit der Begründung ein, der Magazinbericht, der sich später als falsch erwies, habe verheerende Auswirkungen auf sie. Laut New York Times wird Chefredakteur Will Dana, der den Artikel verantwortete, von seinem Posten zurücktreten. Einer der drei Kläger erklärte der Zeitung zufolge, Freunde und Angehörige hätten ihn aufgrund des Berichts im Rolling Stone als einen der vermeintlichen Vergewaltiger identifiziert. Bereits im Mai hatte die für die Belange der Studenten zuständige Dekanin das Magazin auf Schadenersatz in Höhe von 7,5 Millionen Dollar (6,8 Millionen Euro) wegen Rufmords verklagt. Der Artikel vom 19. November 2014 schilderte das angebliche Martyrium einer Studentin namens Jackie. Die junge Frau gab demnach an, im September 2012 von sieben Studenten im Haus der Verbindung Phi Kappa Psi brutal vergewaltigt worden zu sein. Der Artikel führte zu Protesten, zu polizeilichen Ermittlungen und sogar zu einer zeitweiligen Suspendierung der Verbindung an der Hochschule. Doch schnell kamen Zweifel an der Richtigkeit des Berichts auf. Im Dezember entschuldigte sich das Magazin deswegen und distanzierte sich von dem Bericht. Die Polizei kam im März zu dem Schluss, dass sich Jackies Schilderung nicht nachweisen lasse, und legte den Fall auf Eis. Im April veröffentlichte das Magazin auf seiner Internetseite einen ausführlichen Untersuchungsbericht der Journalistenschule an der New Yorker Columbia-Universität mit dem Titel Eine Vergewaltigung auf dem Campus – Was lief falsch? Darin werden der gesamten Rolling Stone-Redaktion Fehler beim Berichten, Redigieren, bei der redaktionellen Aufsicht und beim Faktencheck vorgeworfen. Das Magazin sei so erpicht darauf gewesen, ein erschütterndes Beispiel für sexuelle Gewalt zu schildern, dass grundlegende, routinemäßige Regeln der Berichterstattung nicht befolgt worden seien. So seien Beschuldigte oder vermeintliche Komplizen nicht befragt worden.
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7Wissenschaft
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NASA stellt 23-sekündige Animation aus Einzelaufnahmen zusammen – mit einem kleinen bisschen Schummelei. Washington – Am 14. Juli ist die NASA-Sonde New Horizons in rund 12.500 Kilometern Abstand am Pluto vorüber geflogen. Die Sonde machte zahllose Aufnahmen des Zwergplaneten, seines großen Monds Charon sowie der kleineren Trabanten. Während der nächste Datenschwung der Sonde im September veröffentlicht werden soll, hat die NASA aus den Aufnahmen eine 23-sekündige Animation des Vorbeiflugs zusammengestellt. Zu Beginn und Ende fokussiert die Kamera auf das gemeinsame Baryzentrum Plutos und seiner Monde, in der Phase der höchsten Annäherung ist sie auf den Zwergplaneten selbst gerichtet. Die Animation ist keine 1:1-Wiedergabe. Zu Beginn entspricht eine Sekunde 30 Stunden Aufnahmematerial, am Höhepunkt sind es nur 30 Minuten. Zu beachten ist weiters, dass Plutos kleine Monde fünffach vergrößert wurden, um sie ansatzweise sichtbar zu machen. So geht es weiter Vorbei ist die Mission von New Horizons indessen noch nicht, die Sonde fliegt weiter in den Kuipergürtel hinaus. Ihr nächstes Ziel wird voraussichtlich das transneptunische Objekt 2014 MU69 sein – soweit ein Vorschlag der Projektteams von New Horizons, der allerdings von der NASA erst noch offiziell abgesegnet werden muss. 2014 MU69 hat einen Durchmesser von nur 30 bis 45 Kilometern und wurde erst vor einem Jahr entdeckt. In ihrer Zusammensetzung sind Objekte dieser Kategorie Kometen ähnlich, auch wenn sie deutlich größere Ausmaße erreichen. Sie sind Relikte aus der Frühzeit des Sonnensystems und gelten als typische Beispiele dafür, wie das äußere Sonnensystem vor 4,6 Milliarden Jahren aussah. Aus solchen kleinen Himmelskörpern dürften sich größere wie Pluto und andere Zwergplaneten des Kuipergürtels gebildet haben. (red, 2. 9. 2015)
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5Inland
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Die Wechsel von Klug und Stöger und der Neueintritt von Hans Peter Doskozil wurden offiziell. Wien – Bundespräsident Heinz Fischer hat Dienstag Mittag die schon länger angekündigte Regierungsumbildung abgesegnet. Das Staatsoberhaupt gelobte den neuen Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) an und genehmigte die Ressortverschiebungen, die durch den Austritt von Sozialminister Hundstorfer aus der Regierung vorgenommen wurden. Demnach betreut der bisherige Infrastrukturminister Alois Stöger nunmehr das Ressort Soziales. Seinen Job übernimmt Gerald Klug, der bis dato dem Verteidigungsministerium vorstand. Hundstorfer, der nach sieben Jahren aus der Regierung ausscheidet, wird ja für die SPÖ bei der Bundespräsidentenwahl kandidieren. Die Chance auf einen vorzeitigen Einzug in die Hofburg ließ er am Dienstag aus. Hundstorfer blieb der Angelobung fern. Dies änderte aber nichts an den wohlwollenden Worten, mit denen er vom Bundespräsidenten bedacht wurde. Fischer lobte, dass Hundstorfer viel zur Entwicklung des Sozialstaats in Österreich beigetragen habe. Er habe seine sehr intensive Aufgabe zum Wohle der Republik wahrgenommen. Schon im Ministerrat war das Wirken des langjährigen Sozialministers mit Lob bedacht worden. Kanzler Werner Faymann (SPÖ) wies unter anderem auf Hundstorfers Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hin und lobte ihn unter anderem auch als Freund, auf den man sich verlassen kann. Der Präsidentschaftskandidat selbst meinte anlässlich seiner letzten Regierungssitzung, es habe sich um eine tolle Zeit gehandelt mit vielen Ups und Downs. Es sei aber auch viel weiter gegangen. Dabei seien auch Meilensteine wie das Pensionskonto gelungen. Nun gelte die Devise: Auf zu neuen Ufern. Im Gegensatz zu Hundstorfer hatte die Regierungsspitze den neuen Minister zur Angelobung in der Hofburg begleitet. Ferner konnte sich Doskozil über die Anwesenheit seiner Schwester und seines Bruders freuen. Auch Generalstabschef Othmar Commenda ließ sich die Angelobung nicht entgehen. Schließlich war auch der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl, dessen Büroleiter Doskozil einst war, in der Präsidentschaftskanzlei zur Stelle.
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3Wirtschaft
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Einige Streitigkeiten müssen ruhend gestellt werden, soll der Anleihenrückkauf klappen. Dafür könnte der Deal für die Gläubiger besser ausgehen als gedacht. Wien – Am 1. November ist es zu spät. Spätestens am 31. Oktober muss der von Bund, Land Kärnten und einem Teil der Heta-Gläubiger angepeilte Anleihenrückkauf durchs Land Kärnten abgewickelt sein – sonst heißt es für die Mitspieler in Österreichs teuerster Mensch-ärgere-Dich-nicht-Veranstaltung: zurück an den Start. Das erschließt sich aus dem Memorandum of Understanding (MoU), das Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) für den Bund und einer der Gläubigervertreter, Friedrich Munsberg, am Mittwoch als Erste unterzeichnet haben. Laut Unterschriftsfassung des 11-seitigen Papiers (ohne Anlagen) ist der Zeitplan eng: Am Donnerstag wurde eine Arbeitsgruppe etabliert, die offene Fragen klären soll; Mitte Juni muss der erste Entwurf zum Rückkaufoffert stehen, im Juli bekommen die MoU-Gläubiger (also jene, die die Absichtserklärung unterschreiben) Einsicht in die Entwürfe. Ab August wird es laut dem Papier dann ernsthaft ernst: Da müssen die Gläubiger ihre verbindlichen Zusagen für die Annahme des Anbots geben – das geschieht per Unterschrift unter das Support Undertaking. Kommt da nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit zustande, wird das Offert gleich gar nicht gemacht. Andernfalls wird es spätestens am 5. September veröffentlicht, samt den Details zu jener unverzinsten Anleihe des Kärntner-Ausgleichszahlungsfonds (KAF), für die der Bund haften wird. Spätestens am 31. Oktober muss die ganze Rückkaufangelegenheit dann erledigt und der Zerobond emittiert sein. Das Damoklesschwert der von Heta-Gläubigern angestrengten Gerichtsverfahren (in Frankfurt gehen Heta-Prozesse am 3. und 9. Juni weiter) soll so entschärft werden: Wer das MoU unterschreibt, muss binnen zehn Tagen, jedenfalls aber rechtzeitig vor der nächsten Verhandlung Ruhen des Verfahrens vereinbaren. Hier gilt die Bad Bank der Hypo Real Estate, FMS, als Stolperstein. Sie will die Klagen angeblich vorantreiben. Die Gläubiger wiederum, die beim Verfassungsgerichtshof Individualanträge zur Gesetzesprüfung eingebracht haben (es geht um die Anwendbarkeit des Bankenabwicklungs- und Sanierungsgesetzes, BaSAG, auf die Nicht-Bank Heta), sollen Schritte ... setzen, die eine Bearbeitung der Anträge ... bis zum 31. Oktober soweit möglich vermeiden, heißt es im MoU. Jene Gläubiger, die ihre Heta- in KAF-Anleihen tauschen (13,5 Jahre Laufzeit bzw. 54 Jahre bei nachrangigen Anleihen), könnten übrigens besser davonkommen, als bisher gedacht. Nach ersten Kalkulationen gehen Analysten davon aus, dass das Angebot von Bund und Kärnten über der bisher genannten 90 Prozent Forderungserfüllung liege. Im MoU werde betreffend Nullkuponanleihe eine für Österreichs Bonität zu hohe Verzinsung unterstellt, die sich an der Höhe des Interbanken-Satzes orientiere. Deshalb stiegen die Gläubiger besser, faktisch mit mindestens 92 Prozent, aus, heißt es. Streitigkeiten über die verbindliche Erklärung der Gläubiger müssen übrigens in Deutschland ausgefochten werden: Das Vertragswerk unterliegt deutschem Recht, allfällige Prozesse können nur in Frankfurt geführt werden. Die Nullkuponanleihe wird hingegen nach britischem Recht begeben. Damit wollen sich Gläubiger vor nachträglichen Eingriffen des KAF bzw. des Bundes schützen. Ähnliche Varianten kennt man von der Umschuldung Griechenlands. Während die Annahme des Angebots durch die Vorranggläubiger als wahrscheinlich gilt, müssen die Nachranginvestoren noch überzeugt werden. Sie erhalten ja lediglich 45 Prozent ihrer Forderungen zurück. Allerdings ist das Volumen dieser Gattung viel kleiner, und das spezifische Quorum mit 25 Prozent nicht allzu hoch. Hier könnte sich ein angeblicher Deal Schellings mit der Weltbank als nützlich erweisen. Das Institut hält 156 Mio. Euro an Heta-Bonds. Schelling hat die Zahlungen an die Weltbank kürzlich um 160 Mio. Euro über neun Jahre erhöht. Wenige glauben an einen Zufall.
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1Panorama
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Ein Fußballer soll im Streit seine Ex-Freundin auf der Straße gewürgt und verprügelt haben. Er ist teilgeständig, gibt ihr aber Mitschuld. Wien – Eines ist sicher: Keiner der anwesenden Fußballer im Verhandlungssaal 203 wird als Spieler an der Europameisterschaft in Frankreich teilnehmen. Weder Erstangeklagter Rene Swete, Tormann beim Bundesligisten Grödig, noch Richter Marc Farkas, Mittelstürmer in Oberwart, noch Staatsanwalt Bernhard Löw, Goalie bei einem kleinen Wiener Verein. Die größten Chancen, in Frankreich dabei zu sein, hat wohl noch Swetes Verteidiger, Rapid-Fan Werner Tomanek – zumindest wenn er ein Ticket für die Spiele gegen Ungarn, Island oder Portugal bekommt. Angeklagt ist Swete wegen Körperverletzung an seiner damaligen Freundin Denise A., die er auch mit dem Tod bedroht haben soll. Die sitzt allerdings ebenso als Angeklagte neben ihm, sie soll ihm im Zuge des Streits nämlich einen Faustschlag ins Gesicht verpasst haben. Verteidiger Tomanek ist in seinem Plädoyer wie so oft bodenständig. Er hat ja keine leichte Zeit seit gestern, spielt er darauf an, dass Grödig am Sonntag gegen Rapid 3:2 verloren hat, dass Swete in der 85. und der 91. Minute die entscheidenden Tore kassierte. Überhaupt: Es wor a schwere Partie und Frauen in Verbindung mit Alkohol können anstrengend sein, versucht er die Schuld Richtung Verletzter zu schieben. Das Verfahren bietet interessante Einblicke in den Profifußball. Am 17. Oktober spielte die Mannschaft des Erstangeklagten gegen die Wiener Austria – und verlor, da er ein sogenanntes Eiertor bekam. Dementsprechend gedämpft war seine Stimmung, als er anschließend mit seiner Freundin in ein Shisha-Lokal fuhr. Swete sagt zu Farkas, diese Person habe Launen gehabt, die ihn nicht interessiert hätten. A. schildert, der Fußballprofi sei frustriert gewesen, und sie habe ihn in Ruhe gelassen. Der Frust wurde offenbar in Alkohol ertränkt. Um zwei Uhr verließ das Paar die Lokalität, um auf der Straße zu streiten. Von hier an differieren die Versionen. Swete erzählt, er wollte mehrfach in ein Taxi steigen und alleine heimfahren, A. habe ihn daran gehindert. Der heftige Streit ging weiter, als die Dame ihm ansatzlos mit der Faust ins Gesicht geschlagen habe, wodurch er eine Augenprellung erlitt. Daraufhin habe er sie mehrmals weggestoßen. Vielleicht habe ich sie am Hals berührt, kann er sich ihre Verletzungen nur so erklären. Schlussendlich sei er dann alleine gefahren. Die Zweitangeklagte erzählt das anders, hat aber ein gewisses Problem. Zumindest ein Teil des Vorfalls wurde von einer Überwachungskamera gefilmt. Bevor sie das wusste, hatte sie der Polizei geschildert, sie sei zunächst gemeinsam mit Swete in ein Taxi gestiegen. Er hat mich mit den Füßen hinausgetreten und wurde selbst vom Lenker hinausgehauen. Anschließend sei es schon zu schweren Angriffen gekommen: Er habe sie gewürgt und ihr Faustschläge verpasst. In Notwehr habe sie einmal zugeschlagen. Als sie auf dem Boden gelegen sei, habe er sie an den Haaren hochgezogen und ins nächste Taxi gezerrt. In dem Video stellt sich die Sache etwas anders dar. Zu sehen ist, dass Swete offenbar mehrmals von dem Streit weggehen und in verschiedene Taxis einsteigen will, A. ihm aber immer wieder nachgeht und ihn weiter zur Rede stellt. Irgendwann ist auch zu sehen, dass sie Richtung Gesicht schlägt. Genauso ist allerdings aufgenommen, dass er sie des Öfteren wegstößt. Die von A. behaupteten Übergriffe sollen dann außerhalb des Bildausschnitts passiert sein. Bei der Polizei sagte die von Alfred Boran verteidigte Verletzte auch noch, sie sei anschließend heimgefahren. Nun sagt sie aus, sie habe ihren besten Freund angerufen, der in einem drei Kilometer entfernten Lokal war, sei zu ihm gefahren und habe ihm von dem Vorfall erzählt. Zumindest eine Stunde war sie dort, bis auf ihre beste Freundin sagen die anderen Gäste, sie hätten keine Verletzungen wahrgenommen. Ich hatte einen hochgeschlossenen Pulli an und mir extra die Haare vor das Gesicht gekämmt, begründet die 26-Jährige das. Grund, gleich zur Polizei zu gehen, sah sie keinen. Ich habe mit einer Entschuldigung gerechnet und dass am nächsten Tag wieder alles in Ordnung ist, sagt sie dazu. Swete entschuldigte sich nicht, als sie am nächsten Tag aufwachte, hatte sie massive Schluckbeschwerden und Schmerzen am ganzen Körper. Sie fuhr ins Spital, wo die Würgemale dokumentiert wurden, anschließend zur Polizei. Am Abend schickte ihr Ex-Freund noch ein langes Mail an einen ORF-Sportreporter, in dem ihre Version der Geschichte geschildert wurde. Die weiteren Verletzungen und blauen Flecken, die sie nun Farkas schildert, sind nicht von Ärzten dokumentiert. Aber ihr Ex-Freund sei generell wenig respektvoll Frauen gegenüber, und wenn er betrunken ist, ist er untragbar. Nach ihrer Darstellung war das fast jedes Wochenende der Fall. Insgesamt ist die Angelegenheit ein wenig unklar. Selbst Staatsanwalt Löw geht davon aus, dass die Wahrheit irgendwo in der Mitte liege, und kann sich eine Diversion für den Fußballer vorstellen, wenn er die Verantwortung für alle Verletzungen übernimmt. Das macht der Unbescholtene, daher wird er rechtskräftig nicht verurteilt, sondern muss 5.000 Euro an den Staat und 1.500 Euro an das Opfer zahlen. A. wird dagegen ebenso rechtskräftig freigesprochen, Farkas glaubt ihr, dass sie in Notwehr zugeschlagen habe. Der Ankläger hat in seinem Schlussvortrag auch noch einen wertvollen Rat parat. Es ist traurig, dass Fußballer a) Alkohol trinken, b) das in der Öffentlichkeit machen und drittens Konflikte nicht gewaltfrei gelöst werden können. Aber vielleicht spielt er deshalb nicht bei Bayern München, mutmaßt er.
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7Wissenschaft
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Flieger warten auf bessere Bedingungen – Soll ohne Treibstoff Welt umrunden. Shanghai/Bern/Tokio – Kurz nach der Fortsetzung seiner Weltumrundung setzte Schlechtwetter dem Flug des nur mit Sonnenkraft betriebenen Flugzeugs Solar Impulse 2 schon wieder ein Ende: Der Einsitzer werde bei der japanischen Stadt Nagoya zwischenlanden, teilten die Organisatoren am Montag mit. Das Wetter über dem Pazifik verschlechtert sich, erklärte Projektleiter Bertrand Piccard im Kurznachrichtendienst Twitter. Die Entscheidung zur unverzüglichen Landung in Nagoya sei gefallen, um dort auf bessere Bedingungen zu warten. Solar Impuls 2 war erst am Sonntag in China zur nächsten und schwierigsten Etappe seiner geplanten Erdumrundung aufgebrochen: Nach Plan sollte er den Pazifik in sechs Tagen überqueren und nach rund 8.500 Kilometern in Hawaii ankommen. Zuvor hatte der Schweizer Pilot Andre Borschberg bereits lange auf gutes Wetter warten müssen. Der sonnenbetriebene Einsitzer war Anfang März in Abu Dhabi gestartet. Über Oman ging es weiter nach Indien, Myanmar und China. In Nanjing, wo das Flugzeug Ende März landete, war eigentlich nur ein kurzer Zwischenstopp geplant. Letztendlich warteten Borschberg und sein Landsmann Bertrand Piccard dort aber fast zwei Monate auf geeignetes Wetter für den Flug nach Hawaii. Nach dem Flug über den Pazifik soll Solar Impulse 2 die USA überqueren. In insgesamt zwölf Etappen wollen Borschberg und Piccard die Erde ganz ohne Treibstoff umrunden. Dabei wechseln sie sich am Steuerknüppel ab. Angetrieben wird der 2,5 Tonnen schwere Flieger von mehr als 17.000 Solarzellen.
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7Wissenschaft
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Obwohl wir für sie ein exotischer Anblick sein müssen, lernen Braune Skuas sehr schnell, individuelle Unterschiede zwischen Menschen zu erkennen. Seoul – Von Rabenvögeln weiß man, dass sie einzelne Menschen voneinander unterscheiden können und dann ganz unterschiedlich auf diese reagieren. Sie können dieses sehr spezifische Wissen sogar an Artgenossen weitergeben, wie Beobachtungen zeigten. Wo es viele Menschen gibt – brave Fütterer ebenso wie solche, die lästige Vögel lieber verscheuchen -, ist dieses Differenzierungsvermögen sicher von Vorteil. Man kann es aber offenbar auch dort antreffen, wo die Begegnung mit einem Menschen nicht ganz so alltäglich ist: nämlich in der Antarktis. Das berichten südkoreanische Forscher im Fachmagazin Animal Cognition. In dem Fall handelt es sich nicht um Rabenvögel, sondern um Braune Skuas (Stercorarius antarcticus), großgewachsene Seevögel aus der Familie der Raubmöwen. Yeong-Deok Han von der Inha-Universität machte leidvolle Erfahrungen mit Skuas, nachdem er ihre Nester untersucht hatte, um festzuhalten, wie sich die Gelege entwickeln. Die Vögel hatten ihn danach offenbar als Angriffsziel auserkoren, während sie andere Forscher in Ruhe ließen. Es brachte ihm auch nichts, sich durch Kleidungswechsel zu tarnen. Daraufhin führten die Forscher eine Reihe von Experimenten durch. Sie ließen Kollegen paarweise in die Nähe einer kleinen Skuakolonie aus sieben Nestern: Jeweils einer, der schon mehrfach Nester untersucht hatte, plus ein Neutraler, der bislang keinen Kontakt zu den Tieren gehabt hatte. Gingen diese zwei vor den Nestern in entgegengesetzte Richtungen auseinander, verfolgten die aufgebrachten Vögel samt und sonders den bereits bekannten Eindringling, während sie den Neutralen in Frieden ließen. Won Young Lee vom koreanischen Polarforschungsinstitut betont, dass die Vögel über bemerkenswerte kognitive Fähigkeiten verfügen müssen. Sie sind ohne Kontakt zu Menschen aufgewachsen, da ihr Gebiet durch die Forschungsstation erst seit Kurzem von Menschen besiedelt ist. Drei bis vier unerwünschte Besuche am Nest reichen offenbar bereits aus, Individuen zu unterscheiden und sich dies auch zu merken.
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7Wissenschaft
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Biochemiker plädierte auf Fachtagung für separate Frauenlabors, weil "sie sich in dich verlieben, und wenn Du sie kritisierst, fangen sie an zu heulen". London - Der britische Medizin-Nobelpreisträger Tim Hunt (72) hat wegen sexistischer Äußerungen sein Amt als Honorarprofessor am University College London (UCL) niedergelegt. Hunt hatte auf einer Fachkonferenz am 9. Juni in Südkorea erklärt, Frauen sollten in separaten Labors tätig sein, weil sie Männern bei der Arbeit Probleme machen würden. Drei Dinge passieren, wenn sie (die Frauen, Anm. d. Redaktion) im Labor sind: Du verliebst Dich in sie, sie verlieben sich in Dich und wenn Du sie kritisierst, fangen sie an zu heulen, so der Wissenschafter. Die Äußerungen des Biochemikers stießen umgehend auf scharfe Kritik. Nobel scientist Tim Hunt FRS @royalsociety says at Korean women lunch “I’m a chauvinist and keep ‘girls’ single lab pic.twitter.com/Z9NhykaTPv Hunt entschuldigte sich später in einer Radiosendung der BBC und meinte, die Äußerungen seien großteils humoristisch gewesen. Ihm selbst sei es aber schon passiert, dass er sich beziehungsweise jemand sich in ihn im Labor verliebt habe, wodurch die Forschungsarbeit negativ beeinträchtigt worden sei. Die britische Gelehrtengesellschaft Royal Society, deren Mitglied Hunt seit 1991 ist, distanzierte sich von seinen Aussagen. Zu viele talentierte Personen können ihr wissenschaftliches Potential aufgrund ihres Geschlechts nicht voll entfalten, und die Gesellschaft (die Royal Society, Anm. d. Redaktion) ist dazu verpflichtet, diesen Missstand zu berichtigen. Auch von namhaften Wissenschaftern kamen umgehend Reaktionen. So sagte etwa Dorothy Bishop, Professorin für Neuropsychologische Entwicklung an der Universität Oxford, Hunts Kommentare rührten am Kern der Vorurteile über Frauen in der Wissenschaft. Dabei gehe es um die Auffassung, weibliche Forscher seien wegen zu großer Emotionalität nicht ernst zu nehmen und lenkten männliche Kollegen durch ihre sexuelle Anziehungskraft von der Arbeit ab. Am Donnerstag teilte dann das University College London den Rückzug des 72-Jährigen mit: Das UCL kann bestätigen, dass Sir Tim Hunt von seiner Stelle als Honorarprofessor (...) zurückgetreten ist, nachdem er sich auf der Weltkonferenz der Wissenschaftsjournalisten am 9. Juni über Frauen geäußert hatte. Hunt und zwei weitere Forscher hatten im Jahr 2001 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin für ihre Entdeckungen betreffend der Kontrolle des Zellzyklus erhalten.
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5Inland
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Der Bürgermeister baute seine absolute Mehrheit aus. Die Parallelen sind augenscheinlich. Beide ruhen auf bequemen absoluten Mehrheiten und gesichert an der politischen Spitze. Ihr Wahlvolk gibt ihnen nicht nur gerne seine Stimmen, sondern mag auch den Menschen hinter dem Amt. Und genau deswegen lassen sie im Wahlkampf gerne das eigene Gesicht plakatieren und die eigene Partei unter den Tisch fallen. Die ist ihnen dafür angesichts ihrer Wahlerfolge höchst dankbar. Matthias Stadler, Bürgermeister von St. Pölten, ist so etwas wie ein Erwin Pröll im Kleinen. Kaum verwunderlich, dass sie auch persönlich gut miteinander können, einander duzen und auch gern ein Achterl Wein miteinander trinken. Es ist Stadler, der bei der St. Pöltener Gemeinderatswahl am Sonntag 59 Prozent der Stimmen erreichte, nicht die SPÖ. Sogar der vielkritisierte Vergleich im Rechtsstreit um das Swap-Geschäft der Stadtgemeinde konnte Stadler nichts anhaben: Unter Stadler war die Stadt – noch vor der Weltwirtschaftskrise 2008 – eine hochspekulative Zinswette eingegangen. Einen jahrelangen Gerichtsprozess mit der Bank, die den Deal vermittelt hatte, legte Stadler einvernehmlich bei – und hielt die Details des angeblich millionenschweren Vergleichs, mitten im Wahlkampf, unter Verschluss. Die ÖVP aktivierte im Fall sogar die Staatsanwaltschaft. Genützt hat es ihr nicht: Sie verlor ein Mandat. Stadler gilt nicht als brillanter Redner, punktet aber, so ein Vertrauter, auf persönlicher Ebene – ein gewichtiger Vorteil in einer kleinen Stadt, in der Bürger mit dem Bürgermeister beim Einkauf am Markt plaudern können. Darin steckt auch die Herausforderung für Stadlers Rolle in der Landespolitik. Seit 2013 führt er neben der Landeshauptstadt auch die Landes-SPÖ an – und schlägt in seiner Doppelfunktion und mit gutem Draht zum Landeshauptmann Vorteile für seine Stadt heraus. Jenseits der Landeshauptstadt jedoch ist Stadler, der mit seiner Lebensgefährtin in St. Pölten wohnt, weitgehend unbekannt. In einem Landtagswahlkampf gegen Erwin Pröll würde der erfolgsverwöhnte Stadler wohl mit der schwarzen niederösterreichischen Realität konfrontiert. Ob Pröll 2018 selbst antritt oder schon seine Nachfolgerin Johanna Mikl-Leitner vorschickt, ist aber noch ungewiss. Gegen eine ÖVP ohne den Landesvater könnte die SPÖ Niederösterreich unter Matthias Stadler von einer politischen Statistin zumindest zur Nebendarstellerin avancieren.
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0Web
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In ehemaliger Bildschirmröhrenfabrik sollen nun Batterien für Elektroautos hergestellt werden. Der südkoreanische Elektronikkonzern Samsung will die Fertigung von Batterien nach Europa verlagern. Im ungarischen God plant das Unternehmen nun ein Batteriewerk in seinem ehemaligen Bildschirmröhrenwerk. Kürzlich war deswegen eine Samsung-Delegation in Ungarn, berichteten ungarische Medien am Donnerstag. Es gehe um Batterien für Elektroautos. In Ungarn haben zahlreiche große Autokonzerne Fertigungsstätten. Samsung SDI hat vergangenes Jahr das Batteriewerk von Magna Steyr in Zettling bei Graz gekauft.
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1Panorama
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32 konkrete Maßnahmen enthalten – Unterschlupf für LGBTI-Jugendliche in Albanien gefährdet. In einem so homophoben Land wie Bosnien-Herzegowina kommt es einer Revolution gleich: Der bosnische Ministerrat hat Anfang Mai den ersten Antidiskriminierungs-Aktionsplan angenommen. Zudem wurde ein Antidiskriminierungsbericht erstellt. Der Aktionsplan umfasst 32 Maßnahmen – so soll erstmals die sexuelle Orientierung von Staatsbürgern ins Antidiskriminierungsgesetz eingefügt werden. Richter, Staatsanwälte und Polizisten sollen geschult werden, und im Strafgesetz sollen Hassverbrechen – auch gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle (LGBTI) – verankert werden. Das Open Center in Sarajevo, das jahrelang für den Aktionsplan lobbyierte, ist stolz. Direktor Saša Gavrić freut sich, dass nun endlich ein staatlicher Rahmen geschaffen wurde, innerhalb dessen die Themen behandelt werden. Die Rechte von Schwulen, Lesben, bisexuellen, trans- und intersexuellen Menschen waren bisher institutionell ignoriert. Bis auf die von der EU aufgezwungenen Gesetze wie das Antidiskriminierungsgesetz gab es keine Programme oder Aktionspläne, die klare institutionelle Aktivitäten vorschreiben. Deshalb war es bisher nur die Zivilgesellschaft, die für die Anliegen der LGBTI-Community eintrat. Doch nun würden sich auf staatlicher Ebene eine Agentur und in den beiden bosnischen Landesteilen zwei Zentren mit Geschlechtergleichstellung auseinandersetzen. In Südosteuropa mit seinen konservativen Vorstellungen von Familie und Geschlechterrollen sind viele LGBTI einem Dauermobbing ausgesetzt. Schwule, lesbische und transsexuelle Jugendliche werden etwa in Albanien mitunter aus ihren Familien verstoßen und landen auf der Straße. Der britische Diplomat Michael Kane setzt sich seit Jahren für diese obdachlosen Jugendlichen ein. In Tirana hat er 2014 einen Schutzraum für sie geschaffen. Die Jugendlichen können bis zu sechs Monate in der Anlaufstelle verbringen und werden psychologisch betreut. Die Einrichtung Streha ist für die Jugendlichen geradezu überlebenswichtig, allerdings ist die Finanzierung nicht mehr gesichert. Die grüne Vizepräsidentin des Europaparlaments, Ulrike Lunacek, setzte sich vergangene Woche für den Fortbestand der Einrichtung ein.
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2International
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Richter zieht "Herr der Ringe"-Experten zur Klärung hinzu. Istanbul – Ein Arzt muss sich in der Türkei vor Gericht verantworten, weil er Präsident Recep Tayyip Erdoğan mit der Herr der Ringe-Figur Gollum verglichen hat. Nun will das Gericht Experten der Fantasy-Trilogie heranziehen, berichtete die Zeitung Milliyet am Mittwoch. Die Kenner der Bücher von J. R. R. Tolkien und der Verfilmungen sollen klären, ob es sich bei dem Vergleich von Erdoğan mit der dürren, fahlen und glubschäugigen Figur um eine Beleidigung handelt. Das Gericht der Provinz Aydin beauftragte zwei Wissenschaftler, zwei Psychologen und einen Filmexperten mit der Prüfung möglicher Ähnlichkeiten. Der Arzt Bilgin Ciftci hatte auf seinem Twitter-Konto nebeneinander Bilder von Gollum und Erdoğan veröffentlicht, auf denen der Präsident essend, staunend und überrascht zu sehen ist. Ciftci verlor deshalb bereits seinen Job im Krankenhaus und wurde im Oktober kurzzeitig festgenommen. In der Türkei müssen sich zunehmend Bürger unter dem Vorwurf der Beleidigung des Präsidenten vor Gericht verantworten. In dem Fall von Ciftci wollte sich der Richter nun aber nicht festlegen und vertagte den Fall bis zur Entscheidung der Experten auf Februar.
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7Wissenschaft
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Dominanz führt bei den Menschenaffen zu einem veränderten Erscheinungsbild – und erhöht den Fortpflanzungserfolg beträchtlich. München – Anders als bei den meisten Säugetieren gibt es bei männlichen Orang-Utans zwei unterschiedliche Erscheinungstypen: Einige entwickeln in ihren Gesichtern Backenwülste, andere nicht. Beide morphologischen Typen zeugen Nachkommen – die Frage stellt sich damit, welchen Vorteil es bringt, solche Wülste samt Kehlsack auszubilden, die auch mit einem größeren Körper und dominantem Verhalten – kurz gesagt: einem höheren Energieaufwand – verbunden sind. Dominante Männchen haben einen höheren Kalorienverbrauch, sind aufgrund ihrer Größe in ihrer Bewegung eingeschränkt und können bei Auseinandersetzungen mit dominanten Männchen benachbarter Gruppen sogar getötet werden, sagt Graham L. Banes vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Warum also sollte ein Männchen Backenwülste entwickeln, wenn es auch ohne sie Nachwuchs zeugen kann? Ein Forscherteam unter der Leitung von Banes und seiner Kollegin Linda Vigilant ist dieser Frage nachgegangen. Sie fanden heraus, dass die weniger Energieaufwand betreibenden Männchen sich zwar tatsächlich ebenfalls fortpflanzen können – aber lange nicht so oft wie ihre imposanteren Artgenossen. Die Forscher untersuchten im Speziellen den Fortpflanzungserfolg von Kusasi, einem ehemaligen dominanten Männchen in Camp Leakey im Tanjung Puting Nationalpark in Indonesien. Für den Vergleich mit der Fortpflanzungsrate nicht dominanter Männchen sammelten die Forscher Kotproben und führten Vaterschaftstests durch. Acht Jahre lang folgten die Forscher den Orang-Utans des Nationalparks mehrere Monate am Stück von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. Anschließend untersuchten die Forscher das in den Kotproben enthaltene Erbgut und identifizierten so 39 bekannte Tiere, darunter 12 Männchen. Vigilant: Anschließend verglichen wir Kusasis Fortpflanzungserfolg mit dem von Männchen ohne Backenwülste und stellten fest: zehn von 14 Orang-Utans, die in einem Zeitraum von mehr als zehn Jahren gezeugt wurden, waren Söhne und Töchter von Kusasi. Die Ergebnisse zeigen also, dass Kusasi als dominantes Männchen sehr viel mehr Nachkommen gezeugt hat als alle anderen Männchen. Dazu beigetragen haben möglicherweise seine Backenwülste, die auf weibliche Orang-Utans anziehend wirken. Wie erwartet hatten aber auch Männchen ohne Backenwülste einen gewissen Fortpflanzungserfolg. Interessant ist hier aber das Timing, sagt Banes. Andere Männchen zeugten Nachkommen in der Zeit unmittelbar vor oder gegen Ende von Kusasis Dominanzperiode, als die hierarchischen Verhältnisse im Gebiet unklar waren. Daraus folgern die Autoren, dass die Herausbildung von Backenwülsten eine bewährte evolutionäre Strategie ist: Der Fortpflanzungserfolg von dominanten Männchen mit Backenwülsten ist wesentlich höher als der von anderen Männchen. Für jene heißt es abwarten, bis sie in Zeiten unsicherer Rangverhältnisse ebenfalls zum Zuge kommen können. (red, 4. 9. 2015)
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0Web
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Technisches Mittel soll Einblendungen trotz Werbeblocker erlauben. Der ehemalige Google-Mitarbeiter Ben Barokas will mit seinem Startup gegen Adblocker ankämpfen. Dabei soll anfangs der Dialog und Verständnis im Zentrum stehen, sodass der Werbeblocker freiwillig deaktiviert wird. Ist dem nicht der Fall werden andere Geschütze aufgezogen und mit technischen Mitteln die Blockade umgangen. Wie diese Maßnahme aussehen soll, verrät Barakos noch nicht. Es wäre aber möglich auch langfristig die Oberhand beim stetigen Katz- und Maus-Spiel zwischen den Werbeblockern und Werbern zu behalten. Für den ehemaligen Google-Mitarbeiter ist das technische Unterbinden von Werbeeinblendungen Erpressung. Zuletzt sorgte Apple mit der Ankündigung für Aufsehen, künftig Werbeblocker am iPhone oder iPad zuzulassen. Mit iOS9 soll die Integration dieser ermöglicht werden. Drittentwickler können demnach Erweiterungen für den mobilen Browser Safari anbieten, die etwaige Inhalte blockieren können.
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5Inland
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Familienministerin Karmasin (ÖVP) und Regisseur Sicheritz über Bildung als Konsequenz von Geduld und korrupte Politiker. STANDARD: Frau Ministerin, haben Sie schon einmal die Serie Vorstadtweiber gesehen? Karmasin: Ich habe jede Folge gesehen, ich bin ein Fan. Nach anfänglicher Skepsis ist auch mein Mann nicht mehr davon gewichen. Zum Schluss haben sogar die Kinder mitgeschaut, was eine hohe Auszeichnung ist. Sicheritz: Es ist eine hohe Auszeichnung, das zu hören. Es wird auch meine Kollegin Sabine Derflinger, die die ersten Folgen inszeniert hat, und Programmdirektorin Kathrin Zechner, von der die Idee zum Ganzen stammt, sehr freuen. Karmasin: Es ist unterhaltsam, aber ich denke, die Serie hat auch einen tieferen Sinn. Wurde bei der Serie ein gesellschaftspolitischer Hintergrund verfolgt? Sicheritz: Ich mag mit einer Gegenfrage antworten. Gibt es irgendeine Geschichte, die keinen gesellschaftspolitischen Hintergrund hat? Karmasin: Die Frage war, ob Sie einen gewissen gesellschaftspolitischen Auftrag mit der Serie verfolgen? Sicheritz: Ich kann nur für mich sprechen. Ich habe es gerne, wenn man in meinen Filmen die Nachbarin oder sich selbst wiedererkennt. Und natürlich schimmert mein persönliches Moralgebäude durch. Wenn jemand etwas tut, was nicht in Ordnung ist, hätte ich gerne, dass es früher oder später dafür eine Strafe gibt. Karmasin: Auch eine soziale Strafe? Im Sinne von gesellschaftlicher Ächtung? Sicheritz: Das Schönste ist, wenn sich die Akteure selbst entlarven. Karmasin: Ich finde an der Serie spannend, dass Personen gezeigt werden, von denen man landläufig denkt, diese sind nachahmenswert und attraktiv. Die Frau in einer schönen Villa oder der erfolgreiche Politiker. Beim näheren Hinschauen merkt man, dass bei jedem Einzelnem der Hund drin ist, die Falschheit oder die Gemeinheit. Gesellschaftspolitisch finde ich interessant, dass diese vermeintlich attraktiven Lebenskonzepte in eine Sackgasse führen. Man sieht Frauen, die keine Ausbildung haben, vom Mann abhängig sind, aus sozialen Zwängen dort bleiben, wo sie sind, und ihre Sexualität nicht leben können. Die Serie verbreitet eine schöne Botschaft, nach dem Motto Bitte schauts doch zweimal hin. STANDARD: In der Serie kommt auch die Politik nicht besonders gut weg, Stichwort Korruption. Können solche Darstellungen zur Politikverdrossenheit beitragen? Karmasin: Dass Politiker grundsätzlich korrupt sind und eine eigene Agenda haben, das ist ebenfalls ein Stereotyp, das es leider auch in unserer Gesellschaft gibt und in dieser Serie nicht widerlegt wird. Sicheritz: Bislang nicht. Klischees kommen ja nicht von ungefähr. Karmasin: Diesen Politikertypus gibt es heute nicht mehr. Sicheritz: Ist das so? Karmasin: Zumindest gibt es diesen Politikertypus nicht mehr in der Regierung. Sicheritz: Es steht mir nicht zu, das zu beurteilen. Aber in mir entsteht der Verdacht, dass Sie in der Politik sind, weil Sie wirklich etwas verändern wollen. Stimmt das? Karmasin: Ja, ich meine es ernst, ich will etwas für die Familien in diesem Land verändern. Sicheritz: Ist dieser Zugang unter Politikern mehrheitsfähig? Karmasin: Lassen Sie es mich so sagen: Es gibt Verbündete. Sicheritz: Ich habe auch den Verdacht, dass der Anteil der Glücksritter – also Menschen, die fachlich nicht besonders sind, aber gute Netzwerke haben – in der heimischen Politik recht hoch ist. Karmasin: In der Politik geht es nicht nur um Sachkompetenz und um analytische Fähigkeiten. Es gibt ganz andere Qualitäten und Fähigkeiten, die man in der Politik haben muss, um Erfolg zu haben. STANDARD: Die da wären? Karmasin: Es gibt Mechanismen, die man als Außenstehende nicht für möglich hält. Und man benötigt sehr viel Geduld. Entscheidungen und Umsetzungen laufen oftmals langsam. Als Ministerin entscheidet man nur vermeintlich allein. In Wahrheit gibt es viele Stakeholder, deren Positionen mit berücksichtigt werden müssen. STANDARD: Viele meinen, dass die große Koalition das Land lähmt. Wie sehen Sie das? Würde in einer anderen Konstellation mehr weitergehen? Karmasin: Das kann ich nicht beurteilen. Dann würde es wohl andere Probleme geben. STANDARD: Frau Ministerin, würden Sie einer schwarz-blauen Regierung zur Verfügung stehen? Karmasin: Nein. Sicheritz: Wie geht man als Politikerin mit dem Gruppenzwang um, den es in der Parteipolitik ja zweifelsohne gibt? Karmasin: Das ist eine ambivalente Geschichte. Es ist klar, dass eine Partei mit einer einheitlichen Meinung auftreten muss. Für mich ist das vertretbar. Meine Meinung deckt sich zu 80 Prozent mit jener der ÖVP. Dennoch bin ich als Parteifreie von niemandem abhängig. STANDARD: Ist es in Ihrer Position einfacher, parteifrei zu sein? Karmasin: Manchmal denke ich mir, es wäre vielleicht leichter, nicht parteifrei zu sein. Im politischen Geschäft gibt es Lobbys und Bünde. Wenn man diese im Hintergrund hat, dann hat das durchaus Vorteile. STANDARD: Die Vorstadtweiber führen trotz aller Abgründe ein privilegiertes Leben. Besteht in Österreich in Hinblick auf Zukunftschancen ein gravierender Unterschied, ob man in finanziell bessergestellten Verhältnissen aufwächst oder eben nicht? Karmasin: Das besagen sämtliche Studien. Es geht nicht nur um Bildungschancen, sondern um tiefliegende psychologische Mechanismen, die in einem sozialen Umfeld gelernt oder genetisch übertragen werden. Geduld ist die ausschlaggebende Kompetenz. Diese Geduld ist in der Oberschicht vermutlich stärker ausgeprägt. STANDARD: Die Geduld der Eltern mit ihren Kindern? Karmasin: Ich meine, die Fähigkeit des Kindes, geduldig zu sein. Die Frage, ob ich es als Kind schaffe, meine Wünsche für eine spätere Belohnung zurückzustellen, ist entscheidend für den Bildungsweg und das Lebensglück des Kindes. Wer zum Beispiel eine Ausbildung abschließen will, braucht Geduld. Das ist ein starker psychologischer Faktor, der im Zusammenhang mit dem sozialen Umfeld steht. Bildung ist die Konsequenz dessen, dass Familien Belohnungsaufschub gelehrt haben. Sicheritz: Das setzt natürlich voraus, dass die Welt, in der man den Belohnungsaufschub lernt, zuverlässig ist. Irgendwann muss es sie dann geben, die Belohnung. Ich bin ein gutes Beispiel dafür. Ich bin ein Kreisky-Akademiker, ich wurde mit Bildungschancen belohnt. Wo ich herkomme, war es nicht vorgesehen, dass man an eine Universität geht. Das dürfte mittlerweile besser sein. STANDARD: Nach wie vor sind nur zehn Prozent der Studenten an den Universitäten sogenannte Arbeiterkinder. Sicheritz: Da sind wir noch nicht an dem Punkt, wo wir hinmüssen. Karmasin: Wie gesagt, es geht nicht nur um die Bildung der Eltern. Leider gibt es schlechte und verwahrloste Situationen, in denen Kinder aufwachsen. Deshalb ist auch der Kindergarten so wichtig. Was Frühkindpädagogik betrifft, sind wir im internationalen Vergleich schlecht aufgestellt. Wir arbeiten daran, aber leider dauert auch das sehr lange. Auch dort müssen Kinder Geduld lernen. Sicheritz: Geduld ist ein gutes Stichwort. Wie lange müssen Frauen, etwa meine Schauspielerinnen, noch warten, bis sie gleich viel bezahlt bekommen wie ihre männlichen Kollegen? Karmasin: Das ist eine multidimensionale Geschichte. Frauen gehen in Berufsfelder, die schlechter bezahlt sind, beziehungsweise werden diese Berufe schlechter bezahlt, weil dort überwiegend Frauen tätig sind. Sie machen weniger Überstunden. Zudem hat finanzielle Unabhängigkeit für Frauen noch immer nicht denselben Stellenwert wie für Männer. STANDARD: Für die Frauen oder für die Männer? Karmasin: Für die Frauen. Finanzielle Unabhängigkeit ist nicht die oberste Priorität für Frauen. STANDARD: Gibt es nicht gesellschaftliche Kräfte, die ein Interesse haben, dass diese Rollenbilder erhalten bleiben? Karmasin: Natürlich gibt es Männer, die es ganz gut finden, dass manche Bereiche ihnen allein bleiben. Es gehören zwei dazu. Die einen, die drücken, und die anderen, die es akzeptieren. Aber wie gesagt: Die finanzielle Unabhängigkeit hat für viele Frauen keine Priorität. Das Modell wird von Frauen und Männern getragen. Sicheritz: Wie viel Geduld müssen Frauen noch haben, bis sich etwas bewegt? Karmasin: Ich würde vorschlagen, dass Frauen bei Wahlen die Parteien danach bewerten, wie diese mit dieser Frage umgehen. STANDARD: Handelt die ÖVP im Sinne der Frauen? Karmasin: Es schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Das der Politikerin und das der Unternehmerin. Wir brauchen einen gesamtgesellschaftlichen Wandel, es braucht mehr Partnerschaftlichkeit im Alltag. STANDARD: Herr Sicheritz, die Vorstadtweiber machten von sich reden, weil der ORF eine Szene herausschneiden ließ – es ging um ein Wortspiel, in dem Strache als schwul bezeichnet wurde. Kommt Zensur öfters vor? Sicheritz: Bei den Produktionen, die mich der ORF machen lässt, kommt Zensur eigentlich nie vor. In besagter Szene wurde über Herrn Strache letztlich das Gegenteil behauptet. In der Rechtsabteilung des ORF ist dennoch jemand nervös geworden. Dass das Entfernen der Szene dann nicht ganz gelungen ist, finde ich hochkomödiantisch. Ich bin allerdings kein Freund der plumpen Polemik. Man kann Gesellschaftskritik auch betreiben, ohne Namen zu nennen. STANDARD: Herr Sicheritz, wenn Sie Regie führen könnten im Arbeitsalltag der Frau Ministerin, was würden Sie dann machen? Sicheritz: Zuerst müsste ich sie einmal lang beobachten, weil ich keine Ahnung habe vom Alltag einer Familienministerin. STANDARD: Frau Ministerin, könnten Sie einen Film drehen, wie würde dieser dann heißen? Karmasin: Tatsächlich denke ich über ein Buch nach. Es heißt Inside Politics.
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7Wissenschaft
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Halbzeit für die One-Year-Mission: Die Nasa hat zu diesem Anlass eine unterhaltsame Infografik zu Scott Kellys All-Aufenthalt veröffentlicht. Mithilfe einer bislang einzigartige Mission will die Nasa dem Traum von einer künftigen Marslandung einen Schritt näher kommen. Im Zentrum des Projektes stehen die beiden US-Amerikaner Scott Kelly und sein Zwillingsbruder Mark. Während Scott ein ganzes Jahr auf der Internationalen Raumstation ISS verbringt, bleibt Mark auf der Erde. Der Vergleich der beiden Astronauten mit derselben genetischen Ausstattung soll schließlich im Detail zeigen, was ein Langzeitaufenthalt im Weltraum mit dem menschlichen Körper anstellt. Mittlerweile ist Scott Kelly zur Hälfte durch mit seiner Rekordmission. Um die Halbzeit zu feiern, hat die Nasa nun eine Infografik veröffentlicht, die unterhaltsam darlegt, was Kelly da eigentlich auf sich genommen hat – und wie welche Pracht seine Körperausscheidungen am Nachthimmel entfalten können ... aber dazu weiter unten. Zunächst zu dem, was Kelly während seines 365-Tage-Dienstes in sich hinein schüttet: Insgesamt wird Kelly rund 730 Liter wieder aufbereitetes Wasser trinken – Wasser also, das ursprünglich Urin und Schweiß von ihm selbst und seinen Kollegen von der ISS war. Er wird fast 11.000 Sonnenaufgänge und -untergänge erleben und 1.043 Kilometer auf seinem Weltraum-Laufband zurücklegen. Um dem Abbau von Muskeln und Knochen entgegen zu wirken, wird Kelly außerdem mehr als 700 Stunden körperliches Training absolvieren. Auch die Strahlendosis, die Kelly abbekommt, ist nicht zu knapp: Wollte man sich auf der Erde derselben Menge an Strahlung aussetzen, müsste man 5.250 Mal die Strecke zwischen New York und Los Angeles im Flugzeug zurücklegen. Den buchstäblich funkelnden Höhepunkt der Grafik bildet allerdings die Information, die die Nasa zu Kellys Fäkalien verrät: Über 80 Kilogramm sollen nämlich davon binnen seines Allaufenthaltes anfallen – und diese werden schließlich abgeworfen und als leuchtende Sternschnuppen in der Atmosphäre verglühen. Ganz so spektakulär, wie das zunächst klingt, ist das allerdings nicht, denn genauso wurde immer schon mit den Körperausscheidungen und dem Abfall der ISS-Besatzung verfahren. Manchmal kann eine solche Weltraum-Müllentsorgung aber auch für ordentliches Hallo sorgen: 2009 etwa führte ein besonders großes Paket laut Augenzeugen zu einem mysteriösen Leuchten am Nachthimmel über den USA. --> Nasa: One-Year Mission (red, 19.9.2015)
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2International
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Mehr als 25 Wahllokale wegen Zusammenstößen geschlossen – Äußerst niedrige Wahlbeteiligung bei erstem Urnengang seit 2011. Port-au-Prince – Überschattet von einigen Zwischenfällen ist in Haiti mit fast vierjähriger Verzögerung ein neues Parlament gewählt worden. Wie die Polizei mitteilte, wurden am Sonntag in dem Karibikstaat 26 Wahllokale wegen gewaltsamer Zwischenfälle geschlossen. Außerdem öffneten einige Wahllokale mit deutlichen Verspätungen. Es wurde mit einer Wahlbeteiligung von gerade einmal 15 Prozent gerechnet. Die EU-Wahlbeobachtermission zog dennoch eine überwiegend positive Bilanz. 5,8 Millionen registrierte Wahlberechtigte waren am Sonntag aufgerufen, sämtliche Abgeordneten und zwei Drittel der Mitglieder des Senats neu zu bestimmen. Um die 139 Parlamentsposten bewarben sich 128 registrierte Parteien und mehr als 1800 Kandidaten. Laut Umfragen vor der Parlamentswahl wollten sich nur 15 Prozent der Stimmberechtigten an dem Urnengang beteiligen. Bis Ende des Jahres sollen in Haiti unter anderem noch Kommunal- und Präsidentschaftswahlen stattfinden. Nach Angaben politischer Parteien wurden zwei Menschen getötet. Die Vorsitzende der Partei Fusion, Edmonde Supplice Beauzile, verkündete am Montag den Tod des Sohnes eines ihrer Anhänger in der Stadt Savanette im Zentrum Haitis. Angaben zu den Umständen des Todes machte sie nicht. Die Ex-Senatorin und derzeitige Präsidentschaftskandidatin sagte weiter, dass überdies zwei ihrer Parteimitglieder verletzt worden seien. Die Partei des haitianischen Präsidenten Michel Martelly, PHTK, teilte derweil mit, dass einer ihrer Unterstützer im Norden Haitis erschossen worden sei. Die Polizei nannte keine konkreten Zahlen zu Opfern am Tag der Wahl. Sie teilte mit, es seien mehr als 130 Menschen festgenommen und 23 Waffen sichergestellt worden. Der Sprecher der nationalen Polizei, Frantz Lerebours, teilte am Nachmittag (Ortszeit) mit, landesweit seien 26 Wahllokale wegen gewaltsamer Zwischenfälle in den Wahllokalen oder ihrer Umgebung geschlossen worden. In Port-au-Prince waren bereits am Vormittag mindestens drei Wahllokale verwüstet worden. Im Departement Savanette im Zentrum des Landes seien drei Wahllokale in Brand gesteckt worden, erklärte die Chefin der Oppositionspartei Fusion, Edmonde Supplice Beauzile. Landesweit öffneten zahlreiche Wahllokale mit Verspätung. In Haiti hat jeder Kandidat das Recht, Beobachter in die Wahllokale seines Wahlkreises zu entsenden. Angesichts der Vielzahl der Kandidaten gab es allerdings vielerorts nicht genügend Platz für die Beobachter und daher Streit um die Ablösung der jeweiligen Beobachter. Wegen der Verzögerungen blieben einige Wahllokale ausnahmsweise länger geöffnet. Der Sprecher der Wahlkommission, Richardson Dumel, sagte, die Verzögerungen zu Beginn der Wahl würden im Laufe des Tages aufgeholt. Die Chefin der EU-Wahlbeobachtermission, Elena Valenciano, sagte AFP: Auch wenn es Zwischenfälle in einigen Wahllokalen gab, korrigieren die Probleme sich. Das Europaparlament erklärte mit Blick auf die sich abzeichnende extrem niedrige Wahlbeteiligung, nötig sei ein Appell an die Haitianer, ihr Wahlrecht auszuüben, um die Zukunft ihres Landes zu bestimmen. Wegen eines tiefen Zerwürfnis zwischen Haitis Staatschef Michel Martelly und der Opposition wurden seit 2011 keine Wahlen mehr abgehalten. Seit der Auflösung des Parlaments im Jänner gab es keine Volksvertretung. Der monatelange Wahlkampf war von Gewalt überschattet. Das Nationale Netzwerk für die Verteidigung der Menschenrechte (RNDDH) sprach von einem Klima des Terrors und listete in einem Bericht die schlimmsten Vorfälle auf. Darunter waren neun bewaffnete Zusammenstöße, fünf Morde und zwei versuchte Morde, sieben durch Schüsse, zwei durch Messerstiche und 17 durch Steinwürfe verletzte Menschen sowie zehn Prügelfälle. Haitis Wahlgesetz sieht vor, dass niemand Teilergebnisse von Wahlen publik machen darf, bevor nicht die Wahldokumente überprüft wurden und die Wahlkommission die Ergebnisse veröffentlicht hat. Erste Ergebnisse der Parlamentswahl werden demnach erst am 19. August bekanntgegeben, die Endergebnisse sollen am 8. September vorliegen. Haiti ist das ärmste Land Amerikas. Es leidet immer noch unter den Folgen des verheerenden Erdbebens vom Jänner 2010, durch das mehr als 250.000 Menschen ums Leben kamen und nachhaltige Zerstörungen an der Infrastruktur des Karibikstaates angerichtet wurde.
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1Panorama
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Kleinere Fraktionen in Wien protestieren gegen die Wahlordnungsnovelle, die nun in Begutachtung geht. Wien – Beim Stichwort Wahl dachten am Montag viele bestimmt nicht an die nächste Ärztekammerwahl, die 2017 ansteht. Doch das Ereignis beschäftigt Ärztevertreter dieser Tage – und dürfte noch für Diskussionen sorgen. Denn eine Änderung der Wahlordnung, die bei manch kleinerer Fraktion für Unmut sorgt, soll heute, Dienstag, in öffentliche Begutachtung gehen. Der Änderungsentwurf liegt dem STANDARD vor. Er wurde vom Gesundheitsministerium – nach Vorschlägen der Österreichischen Ärztekammer – ausgearbeitet. Unter anderem ist vorgesehen, dass jede Fraktion künftig eine Mindestkandidatenzahl aufstellen muss. In jedem der vier Wahlkörper ist daher eine Liste mit mindestens einem Drittel an Namen von wahlwerbenden Personen, wie ... Mandate zu vergeben sind, vorzulegen. Laut Erläuterungen seien durch das Ausscheiden von Kammerräten die Listen derzeit bald erschöpft. In der größten – der Wiener – Ärzteländerkammer gibt es insgesamt 90 Sitze, was von jeder Fraktion eine Liste mit mindestens 30 Namen erfordern würde. Derzeit lenkt eine Koalition aus 14 Fraktionen die Kammer. Den Präsidenten stellen die sozialdemokratischen Ärzte (16 Mandate). Sieben Fraktionen besetzen nur ein bis drei Plätze in der Kammer. Michael Lazansky von den Wiener Grünen Ärztinnen und Ärzten (sieben Mandate) kritisiert das Vorschreiben einer Mindestkandidatenzahl: Es benachteilige kleine Fraktionen. So sieht es auch Peter Wurnig von Kammerlight (sechs Mandate), der zu bedenken gibt: Kleinere Gruppen haben einiges geändert am Agieren der großen Gruppen, die vieles aus Interessengründen bisher nicht angerührt haben. Lazansky sagt, es habe bisher überhaupt keine Diskussionen über vakante Mandate oder derlei gegeben. Ihn wundere, warum das jetzt so kommen soll. Er befürchtet, dass – quasi als Entgegenkommen – die Zahl der Mandate in der Wiener Kammer insgesamt verkleinert werden könnte. Mandate würden dann aber teurer und für kleine Gruppierungen schwieriger zu bekommen. Der Präsident der Wiener Ärztekammer, Thomas Szekeres, sieht den Vorschlag emotionslos, ebenso wie die Frage, ob man die Größe der Wiener Kammer ändern solle. Szekeres gibt aber zu bedenken, dass eine Fraktion schon ein paar Kandidaten brauche: Findet man diese nicht, stellt sich die Frage, ob es Sinn macht, überhaupt anzutreten.
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2International
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Ex-Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen wirft Russland vor, die Situation in Syrien weiter zu komplizieren. STANDARD: Erstmals seit Beginn der russischen Luftangriffe wurden am Mittwoch syrische Regierungstruppen am Boden von der russischen Luftwaffe unterstützt. Und zwar nicht gegen den Islamischen Staat, sondern gegen andere Rebellengruppen. Rasmussen: Russland macht einen Fehler, wenn es das Assad-Regime unbedingt unterstützen und halten will. Denn Assad ist die Ursache des Problems und nicht die Lösung. Das russische Engagement macht die Situation in Syrien noch komplizierter, als sie ohnehin schon ist, und es wird den Konflikt nur verlängern. Solange Assad an der Macht ist, können Blutvergießen und Bürgerkrieg in Syrien nicht gestoppt werden. Das ist der Grund, warum die Mehrheit der Staaten und der Bevölkerung im Nahen Osten ihn loswerden will und eine Langzeitlösung in Syrien unter Beteiligung Assads nicht möglich ist. Das Assad-Regime hat den Islamischen Staat erst möglich gemacht. STANDARD: Ein derzeit unwahrscheinliches Szenario, aber was wäre, wenn Assad tatsächlich zurücktritt? Rasmussen: Es ist eine Sache, Assad loszuwerden, und eine andere, eine gute Alternative zu finden. Das ist ja das Dilemma. Sollten Extremisten an die Macht kommen, könnte Syrien in eine noch schlimmere Situation schlittern. Das ist auch der Grund, warum der Westen die sogenannten moderaten Rebellen unterstützt. Dass moderate Kräfte Assad ersetzen, scheint der einzig gangbare Weg zu sein. Nun aber bekämpft Russland auch die Moderaten. STANDARD: Die moderaten Rebellen befürchten, dass auch der Iran aufseiten Russlands in den Konflikt einsteigt. Eine begründete Angst? Rasmussen: Es besteht das Risiko. Fakt ist, dass man den Islamischen Staat nicht ohne Bodentruppen bekämpfen kann. Und wenn die Länder der Region und die westlichen Staaten diese Truppen nicht einsetzen wollen, dann besteht die Gefahr, dass die Russen dieses Vakuum füllen. STANDARD: Der Westen will jedenfalls keine Bodentruppen schicken, sondern sich weiter auf Luftangriffe beschränken. Rasmussen: Es wäre auch keine gute Idee, wenn der Westen mit Truppen einmarschiert. Die Staaten der Region sollten Truppen bereitstellen, eine Luftoffensive allein genügt nicht. Und da würde ich von vornherein niemanden ausschließen. Geeignete Kandidaten für diese Aufgabe wären sicher Saudi-Arabien, die Türkei und die Golfstaaten. Die US-geführte Koalition könnte sie weiter mit Luftschlägen unterstützen. Solange Russland allerdings Assad unterstützt, wird das schwierig. STANDARD: Die Türkei hat wiederholt Luftraumverletzungen durch russische Kampfjets gemeldet. Besteht die Gefahr der Eskalation zwischen Russland und dem Nato-Staat Türkei? Rasmussen: Das Risiko besteht. Der türkische Luftraum muss respektiert werden, und wir haben auch in der Vergangenheit schon gesehen, dass die Türkei nicht zögert, Flugzeuge zu beschießen, die in ihren Luftraum eindringen. Sollte die Türkei ein russisches Kampfflugzeug abschießen, wäre das eine klare Eskalation. Die Russen wissen das, und deshalb wurden sie auch von der Nato klar gewarnt. STANDARD: Erdogan verfolgt ja auch klar seine eigene Agenda und nutzt den Kampf gegen den Islamischen Staat, um gleichzeitig die PKK im Irak zu bekämpfen. Rasmussen: Ich bedauere sehr, dass die Friedensgespräche zwischen der türkischen Regierung und den Kurden nun auf Eis liegen. Ich hoffe, dass die Gespräche bald wiederaufgenommen werden. Aber augenscheinlich hat die Türkei legitime Sicherheitsbedenken. Wenn türkische Truppen von militanten PKK-Kämpfern angegriffen werden, muss sich die Türkei verteidigen. Und wir sollten nicht vergessen, dass die PKK eine terroristische Vereinigung ist. STANDARD: Sind Sie froh, in diesen Zeiten nicht mehr Nato-Generalsekretär zu sein? Rasmussen: Ich habe diesen Job sehr gerne gemacht. Ein Job mitten im Zentrum der Geschehnisse. Aber das Mandat dauert nun einmal nur fünf Jahre. Und ich kann mich auch jetzt nicht beklagen, nicht ausreichend beschäftigt zu sein.
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7Wissenschaft
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Archäologen rekonstruierten das Massaker an mindestens 26 Menschen vor rund 7.000 Jahren bei Frankfurt am Main. Mainz/Frankfurt am Main – Das Massengrab wurde bereits vor neun Jahren im hessischen Ort Schöneck-Kilianstädt entdeckt. Doch die Geschichte der 7.000 Jahre alten Gebeine, die von mindestens 26 Personen stammen, konnten Archäologen um Christian Meyer (Uni Mainz) erst jetzt im Fachblatt PNAS im Detail rekonstruieren – und diese Geschichte ist schauerlich. Wie die Forscher berichten, gab es keine erkennbaren Spuren für ein rituelles oder sonstwie würdevolles Begräbnis, weshalb sie von einem gewaltsamen Tod ausgehen. An vielen Schädeln und vor allem an den Waden- und Schienbeinen haben wir Frakturen gefunden, sagt Meyer. Diese Knochenbrüche müssen mit einer enormen Wucht entstanden sein. Selbst nach Jahrtausenden ließen sich diese Gewaltakte noch nachweisen – und das, obwohl die Knochen nicht sonderlich gut erhalten sind, wie der Forscher erläuterte. Wir wissen, dass viele der Menschen mit Steingeräten erschlagen wurden und wahrscheinlich an den Schädelverletzungen gestorben sind. Die Beinknochen wirkten systematisch zertrümmert. Das Resümee der Archäologen: Mindestens 26 Menschen wurden vermutlich gefoltert, erschlagen und dann in eine Grube geworfen. Auffallend sei, dass vor allem Männer und 12 bis 13 Kinder begraben waren. Die einzigen zwei Frauen schätzen die Forscher auf über 40 Jahre. Das kann bedeuten, dass die jungen Frauen von den Angreifern entführt wurden. Welche Motive die Angreifer hatten, darüber können die Forscher nur spekulieren. Sie gehen davon aus, dass bei dem Massaker eine gesamte Siedlung ausgelöscht wurde. Das sei kein einzigartiger Vorfall für die Zeit; neu sei aber seine Brutalität. Mit der Sesshaftigkeit gab es möglicherweise auch Konflikte um Gebiete, vermutet Meyer. Aus dem baden-württembergischen Talheim und Schletz bei Asparn an der Zaya in Niederösterreich sind ebenfalls Spuren jungsteinzeitlicher Massaker bekannt. Die drei Orte beweisen, dass es bereits vor 7.000 Jahren, also am Ende der Linearbandkeramik, kollektive Gewalt in großem Stil gab, sagte Meyer. Wahrscheinlich gibt es auch Zusammenhänge mit dem letztlichen Verschwinden dieser Kultur.
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7Wissenschaft
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Die Antwort: Nach beiden wurde diese Woche eine neuentdeckte Krebsart benannt. Berlin – Zugegeben, es wirkt manchmal etwas skurril, wenn Prominente unverhofft zum Namenspatron einer Tierart werden. Und wenn das betreffende Tier auch noch klischeehaften Zuschreibungen von schön oder edel widerspricht, dann scheint es sogar eine zweifelhafte Ehre zu sein. Aber für diejenigen Biologen, die eine solche Ehrung vergeben, ist es auch wirklich als solche gemeint. Andere Mittel stehen ihnen aufgrund ihres Forschungsgebiets eben nicht zur Verfügung. In zwei aktuellen Fällen geht es um Krebstiere: So wurde Edward Snowden nun zum Namenspatron einer Flusskrebsart. Und die Forscher um Christian Lukhaup von der Berliner Humboldt-Universität lassen keinen Zweifel daran, dass es ihnen mit ihrer Würdigung des amerikanischen Freiheitskämpfers ernst ist. Der farbenprächtige Krebs ist im zu Indonesien gehörenden Westneuguinea zuhause – und genau genommen kein völlig Unbekannter. Seit langem werden dort Flusskrebse verschiedener Arten in großer Zahl gefangen und als Aquarientiere bis nach Europa und Nordamerika exportiert. Sonderlich genau wird dabei nicht geschaut: So konnte erst Lukhaups Team einen Teil der Exportkrebse als Angehörige einer bislang noch nicht bestimmten Spezies identifizieren. Wesentlich kleiner ist das Tier, das von nun an Elton Johns Namen trägt. Leucothoe eltoni gehört zu den Flohkrebsen (Amphipoda), die im Schnitt ein paar Millimeter bis maximal zwei Zentimeter groß werden. James Thomas vom Halmos College of Natural Sciences and Oceanography stieß bei einem Tauchgang in indonesischen Gewässern auf das winzige Tier. Weil Thomas einerseits bei Laborarbeiten gerne Elton John hört und sich zudem durch den Körperfortsatz des Tiers an die Schuhe erinnert fühlte, die Elton John in der Verfilmung von Tommy trug, stand die Namenswahl bald fest. In diesem Fall ist es allerdings tatsächlich eine leicht zweifelhafte Ehrung: Leucothoe eltoni lebt im Körperinneren wirbelloser Tiere wie Schwämme oder Manteltiere und es ist unklar, ob er eher ein Symbiont oder ein Parasit ist. Zudem haben in der Zwischenzeit Biologen aus Honolulu gemeldet, dass die von Thomas identifizierte Art in hawaiianischen Gewässern aufgetaucht ist – vermutlich ist sie dort als blinder Passagier von Wirtstieren angekommen. Elton Johns tierisches Patenkind ist also auch noch ein Bioinvasor. (red, 30. 8. 2015)
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7Wissenschaft
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20 Jahre nach der Havarie des Forschungsschiffs lebt die Hoffnung auf ein Dasein als "Botschafter des Ozeans". Brest – Das legendäre Schiff Calypso des französischen Meeresforschers Jacques-Yves Cousteau soll wieder seetüchtig gemacht werden. Wir schätzen, dass es zwölf bis 18 Monate dauern wird, bis die Calypso wieder fahren kann, erklärte der Verein LEquipe Cousteau am 20. Jahrestag der Havarie der Calypso. Unser Ziel ist es, das Schiff komplett zu reparieren, damit es wieder zum Botschafter des Ozeans wird, wie es sein Kommandant wollte. Der 1997 verstorbene Cousteau hatte die Calypso Anfang der 1950er-Jahre gekauft. Vier Jahrzehnte lang unternahm er mit dem 42 Meter langen Schiff Fahrten über die Weltmeere und begeisterte mit seinen Filmen und Büchern über die Meereswelt ein Millionenpublikum. 1996 wurde die Calypso im Hafen von Singapur gerammt und dabei schwer beschädigt. Sie wurde behelfsmäßig wieder flottgemacht und nach Frankreich geschleppt. Seit 2007 befindet sie sich in der bretonischen Stadt Concarneau. Die Reparatur wurde 2009 wegen eines heftigen Streits zwischen dem Verein LÉquipe Cousteau, dem das Schiff gehört, und der Werft Piriou über Umfang und Kosten der Arbeiten unterbrochen. Die Auseinandersetzung wurde auch vor Gericht ausgetragen. Die Calypso soll nun binnen drei Monaten vermutlich mit einem Transportschiff aus dem Hafen von Concarneau gebracht und für die Reparatur in eine andere Werft gefahren werden. Die Equipe Cousteau erklärte, sie habe großzügige und sehr motivierte internationale Förderer für das Projekt gefunden.
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7Wissenschaft
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Der Steirer Günther Golob bereitet sich auf das Auswahlverfahren im Herbst vor und zeigt sich, anders als Experten, von der Ernsthaftigkeit des Projekts überzeugt. Graz – Die private niederländische Stiftung Mars One will nach eigenen Angaben in etwa zehn Jahren Menschen auf den Mars schicken. Der Steirer Günther Golob ist seit rund einem Jahr als einziger Österreicher unter den letzten 100 Kandidaten im Rennen um die Teilnahme an dem Vorhaben. Im September soll das Auswahlverfahren weitergehen. Unter Experten ist das Projekt umstritten, etliche Raumfahrtexperten halten es für einen reinen PR-Gag: Mars One, eine Stiftung des niederländischen Unternehmers Bas Lansdorp, verfüge weder über die nötige Erfahrung nochnötige Technik. Der in Graz lebende 40-jährige Golob, Vater dreier Kinder, ist von der Ernsthaftigkeit des Vorhabens dennoch überzeugt – und begeistert von der Vorstellung, selbst daran beteiligt zu sein: Es ist ein Kindheitstraum, auch ich habe als Bub davon geträumt, Astronaut zu werden. Jetzt könnte es bei mir Realität werden. Das werde sich allerdings frühestens in sechs Monaten entscheiden: Im September wird es ernst, so Golob. Dann sollen in dem Auswahlprozess aus den Top-100 jene 24 Kandidaten ausgewählt werden, die jeweils in Viererteams in Zweijahresabständen ab 2027 auf den Mars expediert werden sollen, um den Roten Planeten zu besiedeln. Golob wäre dann knapp 50 Jahre alt. Angst mache ihm dieses Abenteuer im fortgeschrittenen Alter nicht: Ich kann dann sicher noch 30 Jahre dort oben arbeiten und leben. Eigentlich hätte das Auswahlverfahren noch vor Jahresende 2015 fortgesetzt werden sollen, dann wurden die letzten Tests jedoch auf Herbst 2016 vertagt: Es ist verschoben worden. Man darf die Sache nicht zu überstürzt angehen, so Golob. Der Unternehmer, der zuletzt ein Kulturmagazin produziert hat, will die zusätzlichen Monate sinnvoll zur Vorbereitung für das Auswahlverfahren nutzen. Im April geht es in die chilenische Atacama-Wüste. Dort will Golob seinen Körper auf 5.000 Höhenmeter akklimatisieren und sich mental stärken. Begleitet wird er von einem Dokumentar-Regisseur. Ich würde mir auch noch gerne weitere Skills aneignen wie zum Beispiel einen Tauch- und Kletterkurs. Die sprachliche Gewandtheit sollte ebenfalls trainiert werden, denn Kommunikation ist schließlich alles. Aus diesem Grund habe er sich erst jüngst auch für ein mehrmonatiges Sozial-Projekt im Ausland beworben. Die letzte Auswahlrunde besteht nach Angaben von Mars One aus drei Teilen: Zuerst wird es eine gruppendynamische Challenge geben, wir haben Aufgaben in Teamarbeit unter Beobachtung von Psychologen zu bestehen. Es wird um Problemlösung und Organisationsfähigkeit gehen, erklärt Golob. Anschließend sollen die Kandidaten mehrere Tage in isolierten Gruppen auf ihr Lern- und Teamverhalten getestet werden. Anhand der sogenannten Mars Settler Suitability Interviews (MSSI) sollen in der dritten Woche die 24 am besten geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten für die Reise zum Mars gefunden werden. Und das alles natürlich keineswegs fernab der Öffentlichkeit – die Show muss schließlich weiter gehen.
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4Sport
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Kein Bewerb in Adelboden. Adelboden – Der Weltcup-Riesentorlauf der Herren in Adelboden ist Samstagfrüh wegen Nebels, anhaltenden Regens und zu weicher Piste abgesagt worden. Die Bemühungen der Gastgeber, die seit Wochen um dieses Rennen gekämpft haben, haben sich nicht bezahlt gemacht. Am Sonntag (10.30/13.30 Uhr) steht im Berner Oberland noch der Slalom auf dem Programm.
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7Wissenschaft
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Mehr Sterninseln als gedacht verfügen über ausgedehnte Halos aus kosmischer Strahlung und Magnetfeldern. Spiralgalaxien reichen bedeuten weiter in den intergalaktischen Raum hinaus, als man im sichtbaren Licht erkennen kann. Radioteleskopische Beobachtungen haben beispielsweise in der Vergangenheit gezeigt, dass kosmische Strahlung und Magnetfelder um einzelne Galaxien ausgedehnte Hüllen bilden. Internationale Astronomen haben nun im Rahmen des Forschungsprojektes CHANG-ES entdeckt, dass derartige Halos rund um Galaxienscheiben wesentlich häufiger vorkommen als ursprünglich gedacht. Das Astronomenteam hat Radiobeobachtungen mit dem Karl G. Jansky Very Large Array (VLA) in der Wüste von New Mexiko von 35 dieser Spiralgalaxien in Entfernungen bis zu 137 Millionen Lichtjahren durchgeführt. Zuvor war das Teleskop mit modernster digitale Empfängertechnik für mehr als 100 Millionen Dollar ausgerüstet worden. Wir wussten schon vorher von der Existenz von einigen dieser Halos, aber mit der vollen Leistungsstärke des VLA nach dem Upgrade, und mit der Anwendung neuartiger Bildverarbeitungstechniken können wir jetzt nachweisen, dass diese Halos bei Spiralgalaxien wesentlich häufiger zu finden sind als bis jetzt angenommen, sagt Judith Irwin von der Queens-Universität in Kingston/Kanada, die Leiterin des CHANG-ES-Projekts. Bei Spiralgalaxien wie unserer Milchstraße findet man den überwiegenden Anteil von Sternen sowie Gas und Staub in einer flachen rotierenden Scheibe mit Spiralarmen. Der größte Teil des sichtbaren Lichts wie auch der Radiowellen kommt aus dieser Scheibe. Erkenntnisse über den Bereich weit oberhalb und unterhalb der Scheibe waren bisher wegen nicht ausreichender Empfindlichkeit der Teleskope nur schwierig zu erhalten. Die Untersuchung der Halos von Galaxien mit Radioteleskopen gibt uns wertvolle Informationen über einen weiten Bereich unterschiedlicher Phänomene wie zum Beispiel die Sternentstehungsrate in der Galaxienscheibe, Winde von explodierenden Sternen sowie Ursprung und Eigenschaften der Magnetfelder von Galaxien, sagt Theresa Wiegert, ebenfalls von der Queens-Universität, die Erstautorin der Veröffentlichung im Astronomical Journal. Um abzuschätzen, welche Ausdehnung ein typischer Halo in einer Galaxie zeigt, haben die Forscher die Radiobilder von 30 Galaxien auf den gleichen Maßstab gebracht. Jayanne English von der University of Manitoba in Canada hat aus diesen Daten ein gemitteltes Galaxienbild erzeugt. Das Resultat, so Irwin, ist ein spektakuläres Bild, auf dem man sieht, dass kosmische Strahlung und Magnetfelder nicht nur die Galaxienscheibe durchdringen, sondern auch bis weit oberhalb und unterhalb der Scheibe hinausragen.Wir haben Radiohalos von individuellen Galaxien bereits seit einiger Zeit untersucht, erklärt Ralf-Jürgen Dettmar von der Ruhr-Universität in Bochum. Die CHANG-ES Stichprobe von Galaxien gibt uns jetzt einen statistischen Zugang zur Wechselwirkung zwischen Halos und Galaxienscheiben.
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7Wissenschaft
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Vetmed-Forscher weisen erstmals Stechmückenhybrid nach, der Blut von Vögeln und Menschen saugt. Wien – Äußerlich unterscheidet sie sich nicht von ihren Artgenossen, den Gemeinen Stechmücken. Und doch könnte die Kreuzung zweier nordeuropäischer Hausgelsenformen, die Wiener Wissenschafter erstmals in Österreich nachgewiesen haben, dem Menschen gefährlicher werden als die gewöhnlichen lästigen Sauger. Der Hybrid saugt nämlich im Gegensatz zu den beiden Formen, aus denen er entstanden ist, Blut sowohl von Vögeln als auch von Menschen. Damit könnte er auch Krankheitserreger vom Vogel auf den Menschen übertragen, berichten die Forscher von der Veterinärmedizinischen Universität Wien im Fachjournal Parasites & Vectors. Insgesamt 1500 Hausgelsen fing ein Team vom Institut für Parasitologie der Vetmed im Osten Österreichs ein. Mehr als 90 Prozent davon waren Individuen der nordeuropäischen Gemeinen Stechmücke (Culex pipiens). Diese Art kommt in verschiedenen Ökoformen vor, die sich äußerlich nicht voneinander unterscheiden, im Verhalten aber sehr wohl. Zwei dieser Ökoformen sind in Ostösterreich heimisch. Carina Zittra und ihr Team haben nun auch eine Mischform der beiden entdeckt. Identifizieren lassen sich die verschiedenen Formen und ihr Hybrid nur über das Erbgut. Die häufigste in der Studie identifizierte Ökoform war Culex pipiens f. pipiens. Sie ernährt sich vorwiegend von Vogelblut, pflanzt sich in einem Hochzeitsschwarm fort, braucht vor der ersten Eiablage eine Blutmahlzeit als Proteinzufuhr und überwintert ruhend unter anderem in Kellern. Die zweite Ökoform, Culex pipiens f. molestus, bevorzugt hingegen das Blut von Säugetieren und Menschen. Sie pflanzt sich in Einzelpaarungen fort, braucht kein Blut für die Eiablage und kann in Wohnungen auch im Winter zustechen. Die Mischform, die wir nachweisen konnten, ist eine natürliche Kreuzung dieser beiden Hausmückenformen, sagt Zittra. Welche dieser unterschiedlichen Lebensweisen der Hybrid zeigt, bedürfe noch weiterer Studien. Die Forscher erwarten allerdings keine so eindeutige Blutpräferenz wie bei den beiden herkömmlichen Hausgelsenformen. Damit könnten die Hybride als sogenannte Brückenvektoren fungieren und Krankheitserreger wie das West-Nil-Virus von Vögeln auf Menschen übertragen. Diese Erreger werden unter anderem durch Zugvögel nach Österreich gebracht. Die Häufigkeit der Hybride sei allerdings aktuell sehr gering, von den 1500 gesammelten Exemplaren waren rund fünf Prozent Kreuzungen. Man darf das mögliche Vorkommen von Hybridformen bei zukünftigen Screenings jedoch nicht außer Acht lassen, vor allem weil sich die Hybride vermutlich fortpflanzen können, sagt Zittra. Alle Formen der Hausgelse brauchen zur Eiablage eine stehende Wasserstelle, wie zum Beispiel Blumen- oder Regenwasser, das sich etwa im Garten gesammelt hat. Die Forscher empfehlen daher, regelmäßig diese Reservoirs auszuleeren oder zu vermeiden, um den Gelsen keine Brutmöglichkeit zu geben. Von UV-Lampen auf der Terrasse halten die Wissenschafter nichts: Die Gemeine Stechmücke sucht sich ihre Opfer durch den Kohlendioxidausstoß beim Atmen, Körperwärme und den Schweiß. Lichtquellen locken sie nicht an, sie stechen uns ja auch nachts. Deswegen nützen auch UV-Lampen wenig, außer dass sie andere, nützliche Insekten anziehen, so Zittra.
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3D-Support für aktuelle Nvidia-Karten, Sicherheitsverbesserungen und neues Dateisystem. Mit Linux 4.6 hat Kernel-Maintainer Linus Torvalds eine neue Version der von ihm gemanageten Software veröffentlicht. Einmal mehr setzt sich diese aus einem Sammelsurium von Verbesserungen und Neuerungen aus unterschiedlichsten Bereichen zusammen. Einen wichtigen Bestandteil jeder Kernel-Release bilden Updates für die Unterstützung der Grafikchips der einzelnen Hersteller. Und hier ist auch die neue Version keine Ausnahme. Mithilfe der vor einigen Wochen veröffentlichten Firmware-Dateien von Nvidia gibt es nun auch im freien Nouveau-Treiber 3D-Hardwarebeschleunigung für die Geforce GTX-Karten der 900er-Serie. Mit Linux 4.5 wurde endlich ein freier 3D-Treiber für den Raspberry Pi aufgenommen, mit der neuen Release wird dieser nun noch mal überarbeitet, wovon die Performance merklich profitieren soll. Für aktuelle Intel-Grafikchips verspricht der Kernel 4.6 wiederum signifikante Stromsparverbesserungen. Sind hier doch jetzt Frame Buffer Compression und Panel Self Refresh von Haus aus aktiviert. Davon profitieren Intel-Chips ab der Haswell-Generation. Mit Linux 4.6 werden einige zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen aus externen Patchsets übernommen, die die Ausnutzung von Lücken schwerer machen soll. So wurden etwa Verbesserungen an der Address Space Layout Randomization (ASLR) vorgenommen, die das erfolgreiche Ausführen eines Exploits auf einem 32-Bit-System erheblich erschweren sollen. Mit OrangeFS bekommt der Linux-Kernel ein weiteres neues Dateisystem, das für große Storage-Lösungen gedacht ist. Es erlaubt unter anderem das Verteilen von Daten über mehrere File-Server. Der Kernel 4.6 beseitigt darüberhinaus einen besonders unangenehmen Bug, der bei manchen Lenovo-Laptops in den letzten Kernel-Versionen dazu führte, dass die thermische Regelung defekt war. Dadurch konnten die betroffenen Rechner – etwa x220 oder 240 – nie die volle Performance erreichen. Eine Reduktion des Stromverbrauchs verspricht ein verbessertes Power Management für SATA-Platten. Nun kann auch der zugehörige AHCI-Controller vollständig deaktiviert werden, wenn die Platten im Suspend sind. Zu den weiteren Neuerungen gehört die Unterstützung von 13 zusätzlichen ARM-Prozessoren, darunter der Snapdragon 820. Linux 4.6 steht wie gewohnt in Form des Source Codes auf der Seite des Projekts zum Download.
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Walser: schlechte Ergebnisse "Standortfrage oder Schultypenproblem". Wien – Die Grünen verlangen in einer parlamentarischen Anfrage Auskunft über die genauen Ergebnisse der Zentralmatura im Vorjahr. Die Ursachen für die teils gravierenden und unerwarteten Leistungsunterschiede zwischen Geschlechtern, Bundesländern und Schulformen müssten genau untersucht werden, so Bildungssprecher Harald Walser. Die wichtigste Frage lautet, ob schlechte Leistungen ein Problem einzelner Schulstandorte sind, oder ob ganze Schulformen systematisch schlechtere Ergebnisse liefern, betonte Walser. So sollen etwa (vierjährige) Oberstufenrealgymnasien schlechter abgeschnitten haben als achtjährige AHS-Langformen. Die AHS ist eine bundesweit nach gleichen Lehrplänen arbeitende und mit vergleichbaren Ressourcen ausgestattete Schulform. Sollten die Gründe standortbedingt sein, wie es zuletzt der Direktor des Bundesinstituts für Bildungsforschung (Bifie), Jürgen Horschinegg, dargelegt habe, müssten schulautonom Maßnahmen getroffen werden, so Walser: Das könnten Weiterbildungen für Lehrkräfte, aber auch die Einrichtung von Übergangsstufen für neue eintretende Schüler sein. Allerdings könnten die Aussagen des Bifie-Direktors nicht überprüft werden, weil die entsprechenden Daten zwar vorhanden, aber nicht zugänglich sind. In der Anfrage verlangt Walser unter anderem Auskunft über die genaue Verteilung der Ergebnisse auf den einzelnen Notenstufen in allen Fächern sowie die Resultate der Kompensationsprüfungen bei der Zentralmatura. Außerdem will er die Ergebnisse der Vorwissenschaftlichen Arbeiten und der mündlichen Matura wissen sowie Erklärungen für das unterschiedliche Abschneiden von Burschen und Mädchen in Mathematik und Englisch. (APA. 17.2.2016)
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Grüner Sicherheitssprecher wirft Außenminister Steinmeier und Innenminister de Maizière "politische Verantwortlichkeit" vor. Grünen-Abgeordneter Peter Pilz, der sich derzeit auf NSA-Tour durch Europa befindet, wird zwei Mitglieder der deutschen Regierung klagen. Betroffen sind Frank Walter Steinmeier, derzeit Außenminister, und Innenminister Thomas de Maizière. Pilz wirft ihnen vor, in früheren Funktionen von 2004 bis 2008 politisch und persönlich für die Spionage gegen 21 befreundete EU-Staaten im Rahmen der Operation Eikonal verantwortlich gewesen zu sein. Steinmeier war von 1999 bis 2005 Chef des deutschen Bundeskanzleramts und damit auch des Geheimdiensts BND, de Maizière übernahm seine Agenden von 2005 bis 2009 als Bundesminister für besondere Aufgaben. Im deutschen Kanzleramt sollen die Leiter der Abteilung 6 als Geheimdienstkoordinatioren die Aktionen des BND vorangetrieben haben. Verantwortlich für Spionage gegen Österreich sollen zwei Beamte namens August Hanning und Ernst Uhrlau gewesen sein. Österreicher und auch die Bewohner anderer von Eikonal betroffenen Staaten wie der Schweiz, Italien, Schweden oder Belgien waren nach Ansicht von Pilz nachrichtendienstliches Freiwild. Der BND habe unter anderem Telefonate von Millionen Menschen angezapft und an Computer des US-Geheimdiensts NSA weitergeleitet. Der grüne Sicherheitssprecher wird die österreichische Staatsanwaltschaft einschalten. Er sieht das Verhältnis zwischen Deutschland und Österreich durch die NSA-BND-Affäre beschädigt und betrachtet Steinmeier als mutmaßlich Beteiligten als ungeeignet, um in seiner Funktion als Außenminister das Vertrauen wiederherzustellen.
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Forscher bestimmten Alter von Tektiten aus verschiedenen Erdteilen und entdeckten Überraschendes. Heidelberg – Vor rund 790.000 Jahren sind auf der Erde offenbar gleich mehrere Asteroiden oder Kometen eingeschlagen – mit globalen Folgen. Das berichten Geowissenschafter der Universität Heidelberg im Fachblatt Geochimica et Cosmochimica Acta nach Sedimentanalysen rund um den Globus. Durch die Einschläge wurden demnach Staub und Gase in hohe Atmosphäre-Schichten geschleudert, wodurch die globale Sonneneinstrahlung zurückging und sich die Erde abkühlte. Den kosmischen Einschlägen auf die Spur kamen die Wissenschafter durch die Untersuchung sogenannter Tektite oder Gesteinsgläsern aus verschiedenen Erdteilen. Diese Gesteinsgläser entstanden bei Einschlägen, bei denen irdisches Material geschmolzen und teilweise tausende Kilometer weit fortgeschleudert wurde. Analysen zeigten, dass die Proben aus Asien, Australien, Kanada und Zentralamerika ein fast identisches Alter aufweisen, sich aber chemisch zum Teil deutlich unterscheiden. Dies deutet auf separate Einschläge hin, die aber etwa zur gleichen Zeit stattgefunden haben müssen. Datierungen zufolge muss es also vor rund 790.000 Jahren mehrere kosmische Einschläge gegeben haben. Zusätzlich zu den Ereignissen im asiatisch-australischen und im zentralamerikanischen Raum entstand durch einen kleineren Einschlag etwa zeitgleich der Darwin-Krater in Tasmanien. Die Verteilung der Tektite und die Größe des Streufeldes deuten darauf hin, dass der einschlagende Körper mindestens einen Kilometer groß war und bei seinem Einschlag innerhalb von Sekunden die ungeheure Energiemenge von etwa einer Million Megatonnen TNT freisetzte, sagt Winfried Schwarz, Erstautor der Studie. Die Einschläge hatten den Forschern zufolge gravierende Auswirkungen: Lokal gab es demnach Feuer und Erdbeben im Umkreis hunderter Kilometer um die Einschlagsorte, bei einem Einschlag in den Ozean außerdem hunderte Meter hohe Tsunamis. Auf globaler Ebene wurden Staub und Gase in hohe Schichten der Atmosphäre ausgeworfen, was zu einer Beeinträchtigung der Sonneneinstrahlung und entsprechenden Abkühlungseffekten führte. Zudem wurde die Biomasseproduktion beeinträchtigt. Allerdings zogen die Einschläge kein Massenaussterben nach sich – im Gegensatz zu dem Asteroideneinschlag von rund 65 Millionen Jahren, der maßgeblich zum Aussterben der Dinosaurier beitrug.
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7Wissenschaft
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Direktorin des Ägyptischen Museums in Berlin: "Ich weiß gar nicht, wo man bei den vielen 'hättes' und 'wäres' anfangen soll". Kairo/Berlin – Die Direktorin des Ägyptischen Museums in Berlin, Friederike Seyfried, hat die Euphorie um eine mögliche Entdeckung des Grabes der Pharaonengattin Nofretete in Ägypten gebremst. Die Theorie des britischen Archäologen Nicholas Reeves, die weltweit für Schlagzeilen gesorgt hat, sei zwar hochspannend, aber in Teilen noch spekulativ: Ich weiß gar nicht, wo man bei den vielen hättes und wäres anfangen soll. Reeves hatte mit einem Aufsatz über Linienstrukturen in zwei Wänden der 1922 entdeckten Grabkammer von Tutanchamun (um 1330 vor unserer Zeitrechnung) für Aufsehen gesorgt. Er glaubte in ihnen vermauerte Durchgänge zu erkennen. Dass es gerade das Grab von Nofretete sei, das sich hinter der Kammer verbergen soll, erklärt Reeves unter anderem mit der Verbindung zwischen ihr und Tutanchamun. Nofretete war dessen Stiefmutter und – in Reeves Theorie – gleichzeitig seine Vorgängerin als Pharaonin. Hohlräume hinter diesen Wänden hielten viele ihrer Kollegen und auch sie selbst für durchaus plausibel, sagte Seyfried. Doch nun müssten kürzlich gemachte Radarbilder erst einmal ausgewertet werden, um belastbare Informationen zu bekommen. Selbst wenn sich hinter der Wand der Grabkammer Tutanchamuns aber nur eine kleinere Kammer ohne Sarkophag verberge, wäre dies schon wirklich toll: Jede Entdeckung, die uns bei Tutanchamun weiterbringt, ist für uns als Wissenschafter von großer Bedeutung.
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7Wissenschaft
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US-Forscher glauben auf ein allgemeingültiges "Nicht-Gesicht" gestoßen zu sein, das Verneinung und Ablehnung begleitet. Columbus – Stirnrunzeln, zusammengepresste Lippen und ein hochgezogenes Kinn: Das sind laut einer Studie im Fachjournal Cognition die untrüglichen Zeichen dafür, dass unser Gegenüber etwas Negatives sagt. Und zwar, egal ob er oder sie Englisch, Spanisch, Mandarin oder Gebärdensprache spricht, wie die Ohio State University mitteilte. Die Universität spricht vom Not Face, dem Nicht-Gesicht. Um nach Gesichtsausdrücken mit universeller Bedeutung zu suchen, setzten die Forschenden um Aleix Martinez von der Ohio State University 158 Studierende vor eine Kamera und ließen sie Gespräche in ihrer Muttersprache mit jemandem hinter der Kamera führen. Die Gespräche fanden auf Englisch, Spanisch, Mandarin oder in amerikanischer Gebärdensprache statt. Die Wissenschafter suchten nach Gesichtsausdrücken, die als grammatikalische Marker fungieren, also die Bedeutung eines Satzes bestimmen. Ein solcher Marker ist zum Beispiel das Wort nicht im Satz Ich gehe nicht zur Party, denn diese Negation ändert die Bedeutung des Satzes komplett. Um die gewünschten Reaktionen auszulösen, befragten die Wissenschafter die Studierenden zu ihrer Meinung beispielsweise zu Aussagen wie Eine Studie hat gezeigt, dass Studiengebühren um 30 Prozent erhöht werden sollten. Die Probanden, die von einer solchen Maßnahme unmittelbar betroffen wären, drückten daraufhin erwartungsgemäß ihre Ablehnung aus. Die Forscher durchforsteten die Aufnahmen anschließend mittels eines Algorithmus Bild für Bild, um Muskelbewegungen zu identifizieren, die bei allen Probanden gleichermaßen mit Verneinung beziehungsweise Ablehnung einhergingen. Das Resultat war eine Mimik, die sie das Nicht-Gesicht tauften. Dabei stellten sie auch fest, dass sich die Gesichtsmuskeln in der gleichen Frequenz zum Nicht-Gesicht verziehen, in der wir auch sprechen. Wir nutzen den Gesichtsausdruck also instinktiv als Begleitung oder auch Teil der Sprache. Erstaunlicherweise nutzten einige der Probanden, die mit Gebärden sprachen, den Gesichtsausdruck als Ersatz für die Nicht-Geste oder ein Kopfschütteln. Damit dokumentierten die Wissenschafter erstmals eine dritte Vokabel für nicht in der amerikanischen Gebärdensprache, so die Mitteilung. Die Wissenschafter konzentrierten sich bei ihrer Suche nach universeller Mimik auf negative Gefühle, weil sie sich dabei die höchsten Erfolgschancen versprachen. Charles Darwin glaubte, dass die Fähigkeit Gefahr oder Aggression zu kommunizieren essenziell für das menschliche Überleben war – lange bevor unsere Vorfahren die Fähigkeit zu sprechen erlangten, so Martinez.
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Drei Saisonbilanzen und eine Jahresbilanz des Satire-Formats mit Thomas Maurer, Robert Palfrader und Florian Scheuba. Wien – Der ORF setzt das Satireformat Wir Staatskünstler 2016 fort. Vier Sendungen der von Thomas Maurer, Robert Palfrader und Florian Scheuba gespielten Staatskünstler sind demnach heuer auf ORF eins geplant, wie der öffentlich-rechtliche Sender am Donnerstag in einer Aussendung mitteilte. Drei Saisonbilanzen im April, Juni und Oktober sowie einer großen Jahresbilanz im Dezember wurden laut ORF für 2016 fixiert. Dabei sollen die Kabarett-Stars in gewohnter und gefürchteter Art und Weise einen satirischen Blicke auf das Zeitgeschehen werfen, hieß es weiter. 2015 gab es aus Kostengründen nur einen Staatskünstler-Jahresrückblick. Satirische Auseinandersetzung mit der Gesellschaft ist hohe Kunst. Sie bedeutet, über intelligente Unterhaltung einerseits zu lachen und andererseits aktuelle Ereignisse in einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Die Staatskünstler stehen für aktuelle, gesellschaftskritische und politische Satire. Im ORF Programm sind diese Inhalte für die Vielfalt unseres Angebots wichtig, wie auch für die kritische Betrachtung unserer Zeit, erklärte ORF-Fernsehdirektorin Kathrin Zechner.
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"Adblocker zu nutzen bedeutet nicht, dass man clever ist oder über dem System steht". Die Ankündigung von Youtube Red, einem kostenpflichtigem Abo-Dienst für die Videoplattform, hat zu gemischten Reaktionen geführt. Nutzer, die bereit sind, zehn Euro pro Monat zu zahlen, ersparen sich künftig Werbepausen, bekommen Zugriff auf künftig exklusive Inhalte und können auch Googles Musikstreaming-Dienst Play Music vollumfänglich verwenden. Kritik hagelte es unter anderem dafür, dass zahlreiche bekannte Kanalbetreiber praktisch zu einer Teilnahme am Youtube Red-Programm gezwungen werden, da ihre Videos sonst auf privat gestellt werden. Die positive Seite des neuen Abodienstes betont nun der Youtube-Star Pewdiepie – der gleichzeitig hart ins Gericht mit den Nutzern von Adblockern geht. In einem Blogpost schreibt er, dass die Anzahl seiner Nutzer, die die von Youtube eingespielte Werbung bei seinen Videos durch solche Software überspringen, stark gestiegen ist. Waren es einst 15 bis 20 Prozent der Besucher, sind es mittlerweile rund 40 Prozent – mit weiterer Zunahme sei zu rechnen. Persönlich finde ich es okay, wenn ihr Adblocker bei meinen Videos nutzt. Ich verstehe schon, Werbung ist nervig und ich bin nicht hier, mich darüber zu beschweren, zitiert MCV UK den Schweden, der mit bürgerlichem Namen Felix Kjellberg heißt. Doch der Anteil der Adblocknutzer übersetze sich direkt in Einnahmenentgang von 40 Prozent, was für kleine Kanäle vernichtende Auswirkung haben kann. Adblocker zu nutzen bedeutet nicht, dass man clever ist oder über dem System steht. Kjellberg, der über 40 Millionen Abonnenten hat, sieht Youtube Red als Reaktion gegen die zunehmende Verbreitung von Werbeblockern und dessen Folgen für das Geschäftsmodell der Plattform und ihrer Videomacher. Letztlich sind die Adblock-Nutzer also ursächlich dafür, dass der kostenpflichtige Dienst überhaupt entstanden ist. Allerdings hat auch der Youtube-Star, der unter dem Red-Label eine eigene Serie veröffentlichen wird, offene Fragen. Für ihn ist etwa unklar, wieviel von der Monatsgebühr tatsächlich bei den Youtubern landen wird und ob das Modell sich als vorteilhaft für kleinere Channels erweisen kann. Das sind alles wichtige Fragen, so Kjellberg abschließend, doch es ist wichtiger, dass wir verstehen lernen, was eigentlich das Kernproblem ist.
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Deutschland-Chef Kleber: Läden einzurichten war immer eine Option – Neuer Streikaufruf der Gewerkschaft Verdi. Der Internet-Handelsriese Amazon denkt nach den Worten seines Deutschland-Chefs Ralf Kleber über eine eigene Buchhandlung in Berlin nach. Läden einzurichten war immer eine Option. Berlin wäre ein Top-Kandidat für einen Amazon-Laden, sagte Kleber dem Tagesspiegel (Montagausgabe) laut Vorabmeldung. In keiner anderen deutschen Stadt haben wir in so vielen Bereichen investiert, sind wir so breit vertreten und haben wir so viel vor. Im vergangenen Monat hatte Amazon in Seattle im US-Bundesstaat Washington seine erste stationäre Buchhandlung eröffnet. Mit seiner Internet-Marktmacht gilt Amazon vielen als Bedrohung für den traditionellen Buchhandel. Zu den neuen Streikaufrufen der Gewerkschaft Verdi für die deutschen Logistik-Standorte des Konzerns sagte Kleber: Mal ehrlich: Wenn Glatteis ist, juckt uns das weit mehr, als wenn Verdi zum Arbeitskampf aufruft. Es habe noch kein Paket seinen Adressaten zu spät erreicht, weil gestreikt wurde.
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4Sport
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Der SC Wiener Neustadt hat sich vom großen österreichischen Fußball verabschiedet. Die Gefahr, überhaupt von der Bildfläche zu verschwinden, ist zumindest nicht gering - obwohl sich die Verantwortlichen stets redlich bemüht haben. Wiener Neustadt - Am Tag danach wurden in Wiener Neustadt in erster Linie Sitzungen abgehalten. Es wurden dabei kaum Tränen vergossen, keine Antidepressiva verabreicht, denn so überraschend ist der Abstieg aus der tipico Bundesliga ja nicht gewesen. Wir waren einfach zu schlecht, haben bereits an einem Plan B gearbeitet, sagte Manager Alexander Gruber dem Standard. Die Aufarbeitung wird sich noch ein Weilchen ziehen. Fix ist, dass in Wiener Neustadt weiterhin Fußball gespielt wird. Sechs Saisonen haben die Niederösterreicher das Oberhaus geschmückt. Aufgefallen sind sie selten. Es gelang trotz Bemühungen nicht, sich zu positionieren, eine Identität zu entwickeln. Der 34-jährige Gruber war über den gesamten Zeitraum, Epoche wäre eine Übertreibung, in leitender Funktion tätig. Der Fanzuspruch war immer gering, ich habe mir oft die Sinnfrage gestellt. Aber die Arbeit im Verein war und ist schön. Gruber war damit beschäftigt, das nötige Kleingeld aufzutreiben, er kam sich mitunter als Bittsteller vor. Es gab kaum Unterstützung durch die Politik. Bis 2009 hatte sich Frank Stronach halbherzig engagiert, damals betrug das Budget zehn Millionen Euro. Im Nachhinein war es eine Geldverschwendung. Viele Worte über Stronach zu verlieren, so Gruber, mache jetzt und generell wenig Sinn. Wir hatten zuletzt ein Budget von 4,2 Millionen. In den sechs Jahren haben wir die Lizenz immer in erster Instanz erhalten. Wir sind schuldenfrei, haben Rücklagen, das war schon sehr okay. Fakt sei aber, dass wir schlussendlich nicht erfolgreich waren. Das haben wir auch der Mannschaft gesagt. Brav trainieren ist zu wenig. Andere Absteiger schwadronieren vom sofortigen Wiederaufstieg, in diesem Fall sagt Gruber: Wir müssen uns in der Ersten Liga etablieren. Die Gefahr, durchgereicht zu werden, ist groß. Das Budget wird halbiert, der Kader umgebaut, immerhin bleiben die meisten Sponsoren erhalten. Natürlich zu reduzierten Bedingungen. Zwei Drittel der TV-Gelder sind weg, Aufsteiger Mattersburg hat quasi übernommen. Die nur ein paar Kilometer Luftlinie entfernten Burgenländer budgetieren übrigens mit acht Millionen. Wäre Gruber ein schlechter Mensch, würde ihn der Neid fressen. Die haben bessere Voraussetzungen, das ist zu akzeptieren. Wiener Neustadt dürfte nur ein Intermezzo im österreichischen Fußball gewesen sein. Wobei es durchaus Erfolge geben hat. Peter Stöger etablierte sich als wirklich guter Trainer, er wurde später mit der Austria Meister, wird nun in Köln gefeiert. Peter Schöttel war auch da, um später von Rapid gefeuert zu werden. Kicker wie Guido Burgstaller oder Alexander Grünwald haben sich in Wiener Neustadt entwickelt. Gruber: Wir wollten immer österreichischen Spielern eine Bühne geben. Leider konnten wir sie nicht binden. Der Abstieg birgt auch Einsparungspotenzial. Das Flutlicht muss nun nicht aufgehellt werden, die Tribünen dürfen bleiben, wie sie sind - renovierungsbedürftig. Ob Trainer Helgi Kolvidsson weitertut, wird sich weisen, sein Vertrag ist ausgelaufen. Sportmanager Günter Kreissl und auch Gruber warten ab. Es ist halt die Frage, ob man mit 50 Prozent weniger leben kann. Gescheitert sind wir alle gemeinsam.
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7Wissenschaft
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Preis als "Knowledge City" ging an die österreichische Bundeshauptstadt. Wien ist heuer im Mercer-Ranking zum sechsten Mal in Folge die Stadt mit der größten Lebensqualität geworden – nun ist die Bundeshauptstadt auch top als Wissensstadt. Zumindest gewann sie den internationalen Most Admired Knowledge Cities Award 2015 in der Kategorie Knowledge City-Region. Der Preis wird seit 2007 vom Think Tank World Capital Institute mit Sitz in Moterrey/Mexiko vergeben. In der Endrunde des Preises fanden sich Kopenhagen oder Brisbane. In den vergangenen Jahren haben zum Beispiel Boston (2013) und Ottawa (2014) gewonnen. Wien erhielt in allen Kategorien für den Award hohe Punkte, darunter fallen: Internationalität, Finanzkraft, Umwelt, Telekommunikation, Chancengerechtigkeit, Gesundheitssystem und Innovation. Es ging um historische Institutionen wie Universitäten oder Museen genauso wie um die geopolitische Lage einer Stadt mit großer Lebensqualität. Wien wurde heuer erstmals nominiert. Die Einreichung wurde von Andreas Brandner und Günter Koch von KMA Knowledge Management Austria, einem Wiener Kompetenzzentrum für Wissensmanagement und Wissensgesellschaft, initiiert.
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7Wissenschaft
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Was passiert, wenn sich eine traditionsreiche akademische Institution wie Harvard öffnet und Ideen wie Bürgerbeteiligung und die Bildung multidisziplinärer Arbeitsgruppen fördert? Die Krebsforscherin und Innovationsmanagerin Eva Guinan berichtet aus der Open-Innovation-Praxis der renommierten US-Universität. STANDARD: Wie kam Harvard zu der Entscheidung, Open-Innovation-Strategien zu verwenden? Eva Guinan: Harvard ist eine Universität mit 40.000 Menschen. Wir sind recht isoliert voneinander. Die Leute von der Medical School haben wenig mit jenen von der Law School zu tun. Wir hatten ein Programm des National Institute of Health (NIH), das uns unter anderem verpflichtete, in irgendeiner Form rauszugehen aus den eigenen Institutionen. Wir wollten mit Crowdsourcing-Techniken verschiedene Fakultäten zusammenbringen. Wäre es nicht großartig, wenn nicht nur Mediziner, sondern auch jemand, der sich mit öffentlichem Recht beschäftigt, über Diabetes nachdenkt? Wir wollten den Input unserer Wissenschafter und aller anderen Menschen an der Universität – etwa aus der Verwaltung. Und wir wollten den Rest der Welt außerhalb der Uni in unsere Fragestellungen involvieren. STANDARD: Warum wählte man gerade die Diabetesforschung für ein erstes Projekt? Guinan: Diabetes ist ein forderndes Forschungsproblem, das viel öffentliche Resonanz erfährt. In den USA ist es der Hauptgrund für Nierenversagen, was das Gesundheitssystem teuer kommt. Es ist ein Thema, zu dem die Menschen eine Beziehung haben, weil sie ein an Diabetes erkranktes Familienmitglied haben oder darüber in der Zeitung gelesen haben. Ein zweiter Grund war, dass das Forschungsfeld viele Aspekte vereint. Diagnostik, Genetik, rehabilitierende Medizin, Nieren- und Augenerkrankungen, von sozioökonomischen Auswirkungen bis zum Design von Hilfsmitteln für Menschen mit diabetesverursachten Behinderungen. Wir konnten viele Bereiche mit dem Konzept öffentlicher Ansprache zusammenführen. STANDARD: Wie war die Reaktion des wissenschaftlichen Personals? Gab es viel Widerstand? Guinan: Ja, den gab es. Man konnte drei Gruppen unterscheiden. Für die eine war es einfach eine weitere Initiative, die sie nicht kümmerte. Dann gab es jene, die begeistert waren. Und dann gab es eine ansehnliche Gruppe von Menschen, die sehr unglücklich damit war. Ihr Standpunkt war, dass sie ja selbst die Expertise in diesem Feld hatten. Sie fühlten sich abgewertet und missachtet. Was wir überhaupt nicht vorausgesehen hatten, waren Reaktionen, die etwa so lauteten: Ich mache seit zwanzig Jahren Gastroenterologie, also verschwende nicht meine Zeit. Wenn du ein Problem mit dem Margen-Darm-Trakt hast, dann ruf mich an. Es gab viele negative Schwingungen. STANDARD: Oft wird im Zusammenhang mit Open Innovation die Frage des intellektuellen Eigentums als Problem genannt. Haben Sie Erfahrungen damit? Guinan: Nicht bei diesem Projekt, bei dem es primär um Ideenfindung ging. Niemand musste Prozesse oder Experimente näher beschreiben. Wir griffen das Problem aber vornweg auf. Wir sagten den Menschen bei der Kontaktaufnahme, was mit dem intellektuellen Eigentum passiert: Alles, was ihr beitragt, ist öffentlich und Open Source. Wenn es diesbezüglich Vorbehalte gibt, solltet ihr vorsichtig sein. STANDARD: Wie wurde die Öffentlichkeit miteinbezogen? Guinan: Wir schrieben ein Preisgeld aus. Nach dem Evaluierungsprozess haben wir 30.000 Dollar auf zwölf Ideengeber aufgeteilt. Im Office of Science and Technology Policy im Weißen Haus wurde man auf das Projekt aufmerksam. Es gab einen Beitrag in einem Blog des Weißen Hauses. Bei der Zeremonie bekam jeder Gewinner die Gelegenheit, zu erklären, warum er sich mit dem Problem beschäftigt. Das war sehr bewegend. Eine junge Studentin sprach davon, dass die Forschung niederschwelliger werden müsse. Ein Verwaltungsbeschäftigter, der schon lange mit Diabetes lebte, meinte, er sei noch nie gefragt worden, was er verändern würde. Ein Endokrinologe sagte, dass seine Arbeit stark vom Zwang beeinflusst sei, eine Finanzierung aufzustellen. Hier durfte man aber wilde Ideen haben. Seine Forschung ging in eine neue Richtung, bei der traditionelle Geldgeber nie aufgesprungen wären. STANDARD: Wie wurden die Ideen in die Forschungsarbeit integriert? Guinan: Wir arbeiteten mit einer Foundation zusammen, die Diabetesforschung finanziert. Sie sagten: Wenn ihr etwas Neues bringt, haben wir Unterstützung dafür. Wir ließen die Ideen unserer Diabetescommunity sehr direkt in wissenschaftliche Ausschreibungen einfließen, die wir unter Diabetesforschern bewarben, aber auch bewusst in anderen Disziplinen. Wir suchten in unserer Fakultätsdatenbank nach Wissenschaftern, bei denen bestimmte Stichwörter auftauchten, gingen auf die Leute zu und sagten: Wir wissen, du forschst nicht an Diabetes, aber wir glauben, dass du etwas machst, das für die Diabetesforschung nützlich sein könnte. Zum Schluss haben wir sieben Projekte finanziert, fünf davon von Forschern, die niemals davor zum Thema Diabetes gearbeitet hatten. STANDARD: Was ist aus den Projekten geworden? Guinan: Die sieben Gruppen trafen sich alle paar Monate und diskutierten ihre Arbeit in einer sehr intensiven Art. Es entwickelten sich neue Beziehungen, neue Projekte, neue Technologien. In einem Fall wurde eine Technik zum Erkennen von Infektionen entwickelt. Denn es gibt Hypothesen, wonach Diabetes als Teil einer abnormen Immunantwort durch virale Infektionen entstehen kann. Wir haben die Diabetesforschung nicht revolutioniert, aber wir haben neue Leute ins Spiel gebracht und etwas Neues auf den Weg gebracht. Es gab auch neuerliche Grants auf Basis der Arbeiten. STANDARD: Wurde diese Art, an Projekte heranzugehen, in anderen Bereichen der Universität aufgegriffen? Guinan: In vielen Bereichen werden solche Ideen ausprobiert. Die Bewegung ist breiter als unsere Initiative. Sogar im Undergraduate-Bereich werden etwa Hackathons veranstaltet. Wir haben mit der Business School eng zusammengearbeitet und verfolgen den Ansatz natürlich auch selbst weiter. In einer Reihe von Projekten beschäftigen wir uns damit, wie man multidisziplinäre Teams managt. Wenn man Menschen ersucht, sich in neuen Bereichen, mit neuen Kollegen zu engagieren, gibt es keine gemeinsame Geschichte. Die Labore sind nicht auf die neuen Arbeitsweisen abgestimmt. STANDARD: Inwiefern ist das wichtig? Guinan: Man wird bezahlt, um etwa Forschung im Bereich der internen Medizin zu betreiben. Das Netzwerk an Geldgebern, Kollegen und Vorgesetzten ist darauf ausgerichtet. Plötzlich bekommt ein junger Kollege einen Grant für Wundheilung. Was macht man mit dem? Passt er überhaupt noch in das Labor? Das System funktioniert nicht auf diese Art. Ein sensationelles Ergebnis zu produzieren ist einfacher, als eine grundsätzlich neue Arbeitsweise in einer starren Institution wie der Medizin zu implementieren. STANDARD: Muss sich also das System ändern? Guinan: Man muss die Möglichkeiten für Veränderung schaffen. Unsere Teams, die sich erst seit kurzem kannten, taten sich zuerst sehr schwer mit ihrer Arbeit. Jetzt nutzen wir Programmmanagementtechniken, um ihnen zu helfen, besser zusammenzuarbeiten und am Punkt zu bleiben, so dass sie auch bei nachfolgenden Finanzierungsrunden erfolgreich sind. Wir hatten keine Ahnung, dass solche Unterstützung notwendig sein würde. Wenn ein Projekt dann aber erfolgreich ist, wird es auch vom System begrüßt.
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Eddie Tipton soll in mindestens sechs Fällen Zahlen manipuliert haben, so die Staatsanwaltschaft. Ein Mitarbeiter der US-amerikanischen Multi-State Lottery Association soll in mindestens sechs Fällen die Auslosung der Zahlen manipuliert haben. Eddie Tipton war als Sicherheitsdirektor des Glücksspielkonzerns tätig, was ihm exklusiven Zugriff auf die Auslosungsmechanismen brachte. Er soll dort selbst programmierte Software zur Manipulation der Ziehung installiert haben, sagen US-Behörden. Tatsächlich gibt es Aufnahmen von Tipton, die ihn als Käufer des Gewinnerloses bei einem 16,5 Millionen Dollar-Jackpot ausweisen. Tipton soll außerdem einem engen Freund und seinem eigenen Bruder zu Lottogewinnen verholfen haben. Über die genaue Methode zur Manipulation der Ziehung ist nur wenig bekannt, die Staatsanwaltschaft will allerdings neue Beweise gefunden haben. Die Maschine soll immer dann vorhersehbare Zahlen ausgespuckt haben, wenn sie einen Sicherheitscheck durch Tipton unterlaufen hatte.
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7Wissenschaft
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Alpakas sind sehr beliebt als Lieferant von Naturfasern und in der Therapie. Eine Paste sichert ihr Überleben in Europa trotz parasitärer Erkrankung.. Wien – Laien könnten sie eventuell für Verwandte von Schafen halten, denen die Evolution besonders lange Hälse mitgegeben hat. Und tatsächlich haben Alpakas, die vor allem in Südamerika leben, manches mit den hier ansässigen Wiederkäuern gemeinsam – sie werden jedenfalls geschoren, ihr recht wuscheliger, dichter Haarwuchs ist begehrt, weil man daraus hochpreisige Wolle machen kann. Die Tiere sind deshalb längst in Europa heimisch geworden – wie auch die größeren Lamas. Allerdings nicht in freier Wildbahn, sondern in Zoos und in den Gehegen von Züchtern, die die Alpakas verkaufen, vermieten oder eben nur ihre Haare feilbieten. Mittlerweile gibt es in Österreich offiziell etwa 3000 Alpakas und Lamas, die beide zur Gattung der Neuweltkameliden zählen. Experten glauben aber, dass es gut doppelt so viele sind. Man muss nämlich nur melden, wenn man Alpakas hält, nicht, wie viele in einer nächsten Generation durch Züchtung auf die Welt kommen, sagt Agnes Dadak von der Vetmed-Uni Wien. Sie wird im Rahmen des Forschungsfestes der Wiener Wirschaftsagentur (12. und 13. 9.) zwei Alpakas eines Züchters zeigen. Die Pharmakologin hat vor mittlerweile zwei Jahren gemeinsam mit Sonja Franz von der Klinischen Abteilung für Wiederkäuermedizin der Vetmed-Uni Wien eine Lösung für ein Problem entwickelt, das für die Tiere aufgrund des ungewohnten europäischen Umfelds lebensbedrohlich sein kann: Sie werden vom kleinen Leberegel befallen (Dicrocoelium dendriticum), den es in Südamerika nicht gibt. Und gegen den hierzulande schon lange ansässige Wiederkäuer wie Schafe im Laufe der Evolution eine Überlebensstrategie entwickelt haben. Unbehandelt verlieren die Alpakas die Fresslust, magern ab und verenden. Das Problem war nicht, ein passendes Medikament zu finden, sondern dass Medikamente, die bei Rind und Pferd wirksam sind, umgewidmet und den Patienten in den richtigen Mengen eingeflößt werden müssen. Alpakas müssten eine recht hohe Dosis davon schlucken. Einige Hundert Milliliter, wie Dadak erzählt. Das können die Tiere nicht aufnehmen und spucken es aus. Die Wissenschafterinnen haben darauf geachtet, was die Tiere fressen. Daraufhin wurde eine für Alpakas schmackhafte Paste entwickelt, in die das Medikament hochkonzentriert eingearbeitet ist. Die Anwendung verlief bisher erfolgreich. Wenn man die Erkrankung rechtzeitig erkennt, dann ist eine erfolgreiche Therapie möglich. Erkennen kann man sie allerdings nur, indem man die Alpakas abgreift – ungeschorenen Tieren sieht man eine Abmagerung nicht an – und ihren Kot darauf untersucht, ob darin Eier des Egels zu finden sind. Unmöglich scheint es, den Parasiten selbst unschädlich zu machen, ehe er die Tiere befällt. Der kleine Leberegel hat drei Wirte: Er beginnt in der Schnecke, die den Kot der Alpakas frisst. In der Schnecke entwickeln sich die Egeleier weiter, und diese Stadien werden in Schleimballen ausgeschieden, die wiederum von Ameisen gefressen werden, die dann im Magen der Alpakas landen. Ein Abtasten der Tiere sollte kein Problem sein: Sie gelten als stoisch. Wie sie sich im Umgang mit Menschen verhalten, hängt vom Züchter ab. Wenn sie spucken, dann fühlen sie sich bedroht – oder wollen innerhalb ihrer Herde eine Rangordnung herstellen. Das machen Lamas nicht anders. Und weil sie so viel Ruhe ausstrahlen, werden sie auch in tiergestützter Therapie verwendet. Der bekannteste österreichische Alpaka-Züchter ist der Physiker und Kabarettist Heinz Oberhummer. Er schwärmt bei jeder sich bietenden Gelegenheit von den Tieren und nicht zuletzt von einem Bakterium, das in ihrem Kot zu finden ist. Dieses Bakterium (Deinococcus radiodurans), sagt Oberhummer, widersteht der tausendfachen radioaktiven Strahlung, wo sonst alle anderen Lebewesen tot wären. Es wird deshalb auch Conan-Bakterium genannt – nach dem von Arnold Schwarzenegger dargestellten Filmhelden Conan der Barbar (1982), der mehrfach dem sicheren Tod entrinnen konnte. Diese Eigenschaft haben sich US-Informatiker bereits in einem Experiment zunutze gemacht: Sie übersetzten das Lied Its a Small World in einen genetischen Code und schleusten ihn in die DNA des Bakteriums ein. Der Liedtext konnte später wieder herausgelesen werden. Das erweckt sicher Fantasien über eine mögliche Anwendung.
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1Panorama
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Zahl der Strafanzeigen stieg um 33 Prozent, Zahl der Asylanträge allerdings um 150 Prozent. Wien – Über ganze 230 Seiten erstreckt sich die Antwort von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) auf eine parlamentarische Anfrage des Team Stronach. Die detaillierte Auswertung der Strafanzeigen gegen Asylwerber differenziert nicht nur das Aufenthaltsbundesland und die Nationalität der Tatverdächtigen, sondern sogar ihr jeweiliges Alter und die Art des vorgeworfenen Delikts. Zudem wurden die Zahlen auf das Gesamtjahr 2014 beziehungsweise auf die ersten acht Monate des Jahres 2015 heruntergebrochen. Da es sich um eine Anzeigenstatistik handelt, lassen sich trotzdem noch keine Aussagen über eingeleitete Gerichtsverfahren oder gar die Schuld oder Unschuld der Verdächtigen treffen. In einer Aussendung kommentiert der Parlamentsklub des Team Stronach die Zahlen dennoch mit einer recht endgültigen Formulierung: Die Zahl der kriminellen Handlungen von Asylwerbern steigt von einem hohen Niveau noch weiter an. Nach 9.513 angezeigten Delikten im Jahr 2014 lag ihre Zahl zwischen Jänner und August 2015 bei 8.484 Fällen. Das entspricht in absoluten Zahlen einem markanten Anstieg: 2014 wurden pro Monat 792,75 Delikte gemeldet, 2015 waren es bis Ende August monatlich 1060,5 Verdachtsfälle. Es wurde ein Drittel mehr an Anzeigen registriert. Wirklich aussagekräftig würden diese Zahlen aber erst, wenn man sie in Relation zur Grundgesamtheit der potenziellen Täter setzt – in diesem Fall müsste die Bezugsgröße alle in Österreich aufhältigen Asylwerber umfassen. Deren konkrete Zahl lässt sich im Monatsvergleich allerdings nicht seriös beziffern, da sie einerseits durch Neuanträge und andererseits durch positive oder negative Erledigungen täglich schwankt. Näherungsweise können die Delikte immerhin den Asylanträgen in den entsprechenden Zeiträumen gegenübergestellt werden. Und dieses Verhältnis zeichnet ein gänzlich anderes Bild: Während 2014 monatlich noch 2.335 Asylansuchen gestellt wurden, waren es in den ersten acht Monaten des heurigen Jahres mit 5.768 pro Monat bereits mehr als das Zweieinhalbfache. Die Zahl der Asylwerber stieg also von 2014 auf 2015 um knapp 150 Prozent, die Zahl der mutmaßlichen Delikte durch Asylwerber wuchs aber nicht wie zu erwarten im selben Ausmaß an, sondern nur um etwas mehr als 33 Prozent.
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7Wissenschaft
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Schweizer Forscher kamen in Modellrechnungen zum Schluss, dass zu viel Wasser schlecht für die Entwicklung von Leben sein kann. Bern – Bei einigen Monden in unserem Sonnensystem wird angenommen, dass sie unter ihrer Oberfläche über Ozeane aus flüssigem Wasser verfügen. Und dann ist da natürlich noch die Erde, deren Oberfläche zu zwei Dritteln von Wasser bedeckt ist. In anderen Sternsystemen könnte es aber in deren jeweiliger habitabler Zone sogar wahre Ozeanplaneten geben, die von einem tiefen globalen Ozean dominiert werden. Für Astrobiologen wären das Hoffnungsträger erster Güte, denn flüssiges Wasser ist eine potenziell lebensfreundliche Umgebung. Die Universität Bern relativiert solche Hoffnungen nun. Forscher der Universität haben Modellrechnungen angestellt, welche Auswirkungen ein planetenweiter Ozean hätte. Ihren Ergebnissen nach wären sie ungünstiger als gedacht: Sie würden dazu neigen, sowohl Erwärmungs- als auch Abkühlungstrends immer mehr zu verstärken, es fehle ein stabilisierender Ausgleich wie bei der Erde. Auf den ersten Blick bieten Ozeanplaneten also sehr lebensfreundliche Bedingungen, ließ sich Erstautor Daniel Kitzmann vom Berner Center for Space and Habitability (CSH) zitieren. Doch die große Wassermenge hat auch einen stark negativen Einfluss auf das Klima eines Ozeanplaneten, wie sein Team nun in den Monthly Notices of the Royal Astronomical Society berichtet. Die Forscher erstellten Modelle vom Austausch von Kohlendioxid zwischen dem Ozean und der Atmosphäre solcher Planeten. CO2 stammt aus dem Gestein und hat über den Treibhauseffekt einen großen Einfluss auf die Oberflächentemperatur des Planeten. Auf der Erde reguliert die chemische Verwitterung von Gestein den CO2-Gehalt der Atmosphäre. Im Gegensatz zu einem solchen gesteinsbasierten Carbonat-Silikat-Zyklus weisen Ozeanplaneten einen wasserbasierten CO2-Zyklus auf, und das hat Folgen. Bedeckt viel Wasser den Planeten, steigt der Druck am Grund des Ozeans so stark an, dass das Wasser dort in Form von exotischem Hochdruckeis (sogenanntem Eis VII und Eis VI) vorkommt. Es hat eine derart hohe Dichte, dass es sich auf dem Meeresboden ablagert. Dort bildet es eine Barriere zwischen dem Gestein auf dem Meeresgrund und dem Wasser darüber – und unterbindet so den Austausch von CO2 zwischen dem planetaren Gesteinsmantel und dem Ozean. Da auf Ozeanplaneten nur Wasser mit der Atmosphäre in Kontakt kommt, bestimmt die Löslichkeit von CO2 in Wasser den CO2-Gehalt in der Atmosphäre. Dieser Prozess ist stark temperaturabhängig: Kühlt sich die Atmosphäre ab, nimmt das Wasser mehr CO2 auf, der Treibhauseffekt reduziert sich und das Klima kühlt sich weiter ab. Umgekehrt würde eine Erwärmung zu einer verstärkten Freisetzung von CO2 führen und den Treibhauseffekt fortlaufend ankurbeln. Dieser destabilisierende CO2-Zyklus führt laut Kitzmann zu einer wesentlich kleineren habitablen Zone als ursprünglich vermutet – und somit zu einer kleineren Wahrscheinlichkeit, dort Leben zu finden. Kitzmann fasst es kurz und knapp zusammen: Zu viel Wasser ist schlecht fürs Leben. (APA/red, 30. 8. 2015)
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4Sport
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Blues ziehen mit 5:1-Sieg souverän ins FA-Cup Viertelfinale. London – Der FC Chelsea hat eine B-Mannschaft von Manchester City überrannt und ist ganz souverän ins Viertelfinale des FA-Cups eingezogen. Die Blues gewannen an der heimischen Stamford Bridge mit 5:1 (1:1) gegen City, das nur drei Tage vor dem Achtelfinal-Hinspiel der Champions League bei Dynamo Kiew am Mittwoch nahezu ohne Stammspieler angetreten war. Diego Costa (35.), Willian (48.), Gary Cahill (53.), Eden Hazard (67.) und Bertrand Traore (89.) trafen für Chelsea. Für ManCity, bei dem in den Abwehrspielern Martin Demichelis und Alesandar Kolarov sowie Mittelfeldmann Fernando lediglich drei Leistungsträger mitwirkten, war David Faupala (37.) zum 1:1 erfolgreich.
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7Wissenschaft
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Forscher haben in einem kroatischen Höhlensystem eine neue Hundertfüßerart entdeckt. Weil sie in 1.100 Metern Tiefe lebt, wurde sie nach dem Gott der Unterwelt benannt. Sofia – Der Velebit (in etwa Großes Wesen) ist ein Gebirgszug nahe der kroatischen Küste. Das immerhin bis über 1700 Metern aufragende Karstgebirge ist von tiefen Höhlen durchzogen, die als Hotspot der Artenvielfalt gelten: Zahlreiche bisher unbekannte Tierarten sind in dem Höhlensystem bereits entdeckt worden. Nun sind Wissenschafter in 1100 Metern Tiefe abermals fündig geworden. Ein internationales Forscherteam um Pavel Stoev vom Naturhistorischen Museum in Sofia hat in drei Höhlen eine neue Hundertfüßerart entdeckt. Wie die Wissenschafter im Fachblatt ZooKeys berichten, gaben sie der neuen Spezies den Namen Geophilus hadesi – nach Hades, dem Gott der Unterwelt in der griechischen Mythologie. Giftdrüsen und Klauen Die neue Art von Hundertfüßer, die wiederum eine eigene Klasse der Tausendfüßer bilden, hat Giftdrüsen im Maul und kräftige Klauen zum Fassen der Beute. Geophilus hadesi gehört damit zu den Top-Räubern der Höhle, so die Forscher – und außerdem zu den Tiefenrekordhaltern unter den Landlebewesen. Es gab im Übrigen noch einen weiteren Grund, warum die neue Spezies so heißt, wie sie heißt: Sie weist Ähnlichkeiten mit einer anderen, in der Nähe entdeckten Hundertfüßerart auf, die nach Persephone benannt wurde, der griechischen Göttin der Unterwelt. (tasch, 1.7.2015)
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7Wissenschaft
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Nach neun Monaten Wartezeit geht es endlich wieder los: Das Solarflugzeug startet zur neunten Etappe der geplanten Erdumrundung. Honolulu – Die Erdumrundung des Schweizer Solarflugzeugs Solar Impulse 2 geht weiter: Am Donnerstag um 17 Uhr MESZ soll es in Hawaii abheben und Kurs auf Kalifornien nehmen. Dies teilte das Team um die Piloten Bertrand Piccard (58) und Andre Borschberg (63) kurzfristig mit. Für die neunte Etappe auf der geplanten Erdumrundung werden 62 Flugstunden angesetzt. Nach dem Nonstop-Flug mit Piccard am Steuer soll Solar Impulse 2 am Wochenende im nordkalifornischen Mountain View landen. Nach neunmonatiger Pause hatte das Team vorige Woche bekannt gegeben, dass es nun nach einem günstigen Wetterfenster für den Weiterflug Ausschau halte. Wegen beschädigter Batterien war im Juli 2015 die Fortsetzung der Weltumrundung nicht wie zunächst erhofft um Wochen, sondern letztlich um neun Monate verschoben worden. In den vergangenen Wochen war das Flugzeug zu insgesamt 13 Testflügen gestartet, um das Kühlsystem für die Batterien zu überprüfen. Er freue sich darauf, die Pazifiküberquerung zu vollenden, schrieb Piccard auf Twitter. Er habe dafür trainiert, auf dem Soloflug in dem kleinen Cockpit mit 20-minütigen Schlafpausen auszukommen. Piccard und Borschberg wechseln sich bei den Flugetappen ab. Borschberg hatte im vorigen Juli einen Rekord für den längsten Soloflug aufgestellt, als er in fünf Tagen und fünf Nächten fast 8.300 Kilometer ohne Zwischenstopps von Japan nach Hawaii unterwegs war. Mit der Weltumrundung soll für den verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien geworben werden. Die einsitzige Karbonfaser-Maschine hat eine Spannweite von 72 Metern. Mehr als 17.000 Solarzellen auf den Tragflächen zapfen die Energie für die vier Elektromotoren ab. Solar Impulse 2 war im März 2015 im Golfemirat Abu Dhabi zu seiner Erdumrundung gestartet und über Indien, den Himalaya und China geflogen. Nach Kalifornien soll es noch zwei Landungen in den USA geben, bevor es dann nach Europa und wieder zurück nach Abu Dhabi geht. Der Flugplan hängt allerdings stark von den Wetterbedingungen ab.
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7Wissenschaft
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Historische Begegnung am Rande des Sonnensystems: Heute flog die NASA-Sonde am fernen Zwergplaneten vorüber. Washington/Wien – Es ist vollbracht – zumindest theoretisch: Sofern es keine unvorhergesehen Zwischenfälle gegeben hat, ist die NASA-Sonde New Horizons um 13:50 Uhr MESZ in rund 12.000 Kilometer Abstand am Pluto vorüber geflogen. Ob das Manöver tatsächlich geklappt hat, bleibt abzuwarten, denn die Funksignale der Sonde benötigen mehr als vier Stunden, um die Erde zu erreichen. Inzwischen hat die US-Raumfahrtorganisation das bislang schärfste Bild von dem Zwergplaneten veröffentlicht. Ehe die anderen Daten zur Erde gelangen, wird noch einige Zeit vergehen, wie Nasa-Forscher Alan Stern ankündigte: Wir können jetzt einen 16 Monate langen Datenwasserfall erwarten. Rehabilitation nach Degradierung Schon jetzt hat die Mission für eine kleine Rehabilitation des fernen Winzlings gesorgt: Pluto ist doch größer als gedacht und hat nun nach neuesten Berechnungen einen Durchmesser von 2370 Kilometern. Pluto ist damit wieder etwas größer als Eris und damit wieder das größte bekannte Objekt im Kuipergürtel. Als die NASA-Sonde New Horizons im Jänner 2006 von Cape Canaveral in Florida aus startete, war Pluto noch ein Planet, nämlich der kleinste und fernste unseres Sonnensystems. Sieben Monate später degradierte die Internationale Astronomische Union nach heftigen Diskussionen den fernen Winzling zum Zwergplaneten, weil er den neuen Kriterien nicht mehr entsprach: Pluto war von nun an für einen richtigen Planeten vor allem zu klein und seine Monde zu groß. Diese kleine Demütigung kann der Bedeutung der Mission, die am Dienstag nach neuneinhalb Jahren auf ihren Höhepunkt zusteuert, keinen Abbruch tun: Das vergleichsweise intime Rendezvous der Sonde mit dem Zwergplaneten – der engste Abstand beim Vorbeiflug betrug gerade einmal rund 12.000 Kilometer – gilt als Meilenstein der Raumfahrtgeschichte. Für diese einzigartige Begegnung hat New Horizons in neuneinhalb Jahren rund fünf Milliarden Kilometer zurückgelegt und ist an Mars, Saturn, Uranus, Jupiter und Neptun vorbeigeflogen – und das alles in Rekordgeschwindigkeit: Mit rund 50.000 Kilometern pro Stunde ist die 500 Kilogramm schwere und klaviergroße Sonde die schnellste, die je von der Erde aus losgeschickt wurde. Dieses enorme Tempo ist auch dafür verantwortlich, dass die Begegnung nach der langen Anreise eher kurz ausfiel: Nur etwa zwei Tage hat die Sonde während des Vorbeiflugs Zeit, um mit ihren insgesamt sieben wissenschaftlichen Instrumenten gute Fotos und Messungen von Pluto zu machen. Die Geschwindigkeit macht die Sonde freilich auch sehr anfällig für Störungen: Ein Zusammenstoß mit einem Objekt von der Größe eines Reiskorns würde dem Vorhaben mit einem Mal den Garaus machen. Bisher haben Astronomen nur ein vergleichsweise bescheidenes Wissen über Pluto. Wie es auf ihm aussieht, wie er einst entstand oder warum sein Mond Charon mit ihm fast eine Art Doppelplanet bildet – über all dies gibt es bisher nur Spekulationen. Denn der Zwergplanet und seine fünf Monde sind schlicht zu klein und zu weit entfernt – selbst für die stärksten Teleskope. Die jüngsten, noch recht verschwommenen Fotos, die New Horizons lieferte, haben eher neue Fragen aufgeworfen als Antworten geliefert. Zunächst waren es vier dunkle Flecken mit einem Durchmesser von je rund 450 Kilometern, die einige Rätsel aufgaben. Und zuletzt zeigte sich Alan Stern, wissenschaftlicher Leiter der Mission, höchst erstaunt darüber, dass Pluto und Charon, der von New Horizons nach Pluto als Nächstes angesteuert wird, allem Anschein nach völlig unterschiedlich aufgebaut sind.
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6Etat
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Erstaufnahmelager im Lokalaugenschein: In Traiskirchen muss eine Schwangere im Freien schlafen, in Krumpendorf spielen Asylwerber Fußball. 21.05 Uhr, ORF 2. Wien – Wer in Traiskirchen über die Situation der Flüchtlinge berichten will, muss zum Zaun. Drinnen stehen Asylwerber und beanworten Fragen von Journalisten draußen, denen der Zutritt zum Lager verwehrt ist. Drinnen steht Ali F. 10.000 Dollar zahlte der junge Afghane einem Schlepper, der ihn und seiner Frau Shirin nach Österreich brachte. Große Strecken mussten die beiden zu Fuß zurücklegen, bevor sie nach Traiskirchen kamen. Einen Platz zum Schlafen hatten hier weder er noch Shirin, obwohl sie im neunten Monat schwanger war. Das Baby kam im Spital in Mödling zur Welt. Inzwischen ist die Familie in Unterwaltersdorf: Wenn ich gewusst hätte, dass es hier so ist, wären wir nicht hergekommen, sagt F. Nur bis zum Zaun kam auch Nina Horowitz für den Schauplatz, Donnerstag, 21.05 Uhr auf ORF 2. Gemeinsam mit Christine Grabner zeigt sie Bilder der Erstaufnahmelager im niederösterreichischen Traiskirchen und im Kärntner Krumpendorf. Nicht frei zugänglich Die Idee haben die Reporterinnen am 9. Juli: Beamte des Innenministeriums führen Medienarbeiter durch das ansonsten für Journalisten nicht frei zugängliche Lager. Zu sehen bekommen sie leere Räume: „Wir konnten uns kein eigenes Bild machen“, sagt Horowitz. Im Hof seien Flüchtlinge dann auf sie zu gekommen und hätten erzählt – von den verdreckten Toiletten, von Duschen ohne Vorhänge, von fehlenden Schlafplätzen. Als wäre man nicht in Österreich, beschreibt Horowitz die Situation in Traiskirchen. Die meisten Asylwerber wollen nicht erkannt werden. Sie haben Angst, dass das für ihr Asylverfahren schlecht sein könnte. Oder dass es für ihre Familien im Kriegsgebiet gefährlich wird, wenn die falschen Menschen sie im Fernsehen oder im Internet sehen. Horowitz bringt Ärzte und Therapeuten zum Zaun, etwa Georg Psota vom psychosozialen Dienst: Mit Österreichern würde man so nie umgehen. Die Kinderärztin Nicole Grois warnt: Wenn eine Masernwelle ausbricht, gibt es hier große Probleme. Während des Interviews wird sie zu Hilfe gerufen: Ein Kind drinnen hat Fieber, dehydriert wahrscheinlich aufgrund der großen Hitze noch vor wenigen Tagen. Die Ärztin kann nicht helfen: Sie ist auf der anderen Seite des Zauns und darf nicht rein. Beklemmend geht es weiter: Im Traiskirchner Schwimmbad fühlen sich Stammgäste gestört, weil nach 17 Uhr viele Flüchtlinge kommen, wenn der Eintritt nur noch 1,50 kostet. Und im Stift Melk erklärt ein Pater wortreich, warum das Stift keine Flüchtlinge aufnehmen kann. Der Traiskirchner Siegfried Voith erklärt, warum der Ort eine Schande ist und er sich im Stich gelassen fühlt. Die Stimmung ist aufgeladen. Anders in Krumpendorf: Seit Juli sind 240 junge Männer am Wörthersee in Zelten untergebracht. Die Krumpendorfer fühlten sich vom Innenministerium überrumpelt. An den Flüchtlingen lassen sie ihren Groll aber nicht aus, sondern kümmern sich, stellen Freizeitmöglichkeiten zur Verfügung, etwa einen Fußballplatz: Zum Aggressionsabbau, sagt der Obmann. Das Leben im Lager sei nicht einfach. In Krumpendorf traf Grabner Walaa aus Syrien. Der 26-jährige Tänzer bekam die Chance, in einem Klagenfurter Studio zu tanzen. Er fand Freunde, doch dann musste er wieder weg. Nach Thalgau in Salzburg, wieder in ein Notquartier. Walaa ist traurig – und trotzdem dankbar, weil er in Sicherheit ist. Sobald der Krieg vorbei ist, will er wieder heim. Die Kärntner Landesreferentin für Flüchtlingsfragen, Barbara Payer, zeigt die Mühen der Ebene. Payer prüft die Unterkünfte: Wenn 20 pro Woche angeboten werden, ist sie froh, wenn eines den bürokratischen Anforderungen entspricht. Niemand hat mit den hohen Antragzahlen gerechnet, sagt Payer. Auch in dieser Nacht müssen in Traiskirchen tausende Menschen unter freiem Himmel schlafen.
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5Inland
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Vorläufiges Endergebnis mit Mandatsverteilung.
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7Wissenschaft
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Bewaffnete Konflikte und Bürgerkriege hinterlassen Spuren in der Atmosphäre: Stickoxidemissionen sinken etwa in Regionen, aus denen viele Menschen geflohen sind. Mainz – In bewaffneten Konflikten verlieren zahllose Menschen wenn nicht ihr Leben, dann zumindest ihre Existenz. Kriege und Krisen bringen auch das Wirtschaftsleben zum Erliegen. Millionen Menschen etwa in Syrien und Irak sind zu Flüchtlingen geworden. Die Schicksale dieser Menschen, aber auch wirtschaftliche Krisen hinterlassen in der Atmosphäre genauso Spuren wie mancherorts Maßnahmen, die Luftqualität zu verbessern. Die Veränderungen in der Atmosphäre untersuchte nun ein Team um Jos Lelieveld vom Max-Planck-Institut für Chemie im Fachblatt Science Advances. Messungen zeigen, wie stark die Luft durch das gesundheits- und umweltschädliche Stickstoffdioxid belastet werden. Die Forscher analysierten Daten, die der Aura-Satellit der NASA von 2005 bis 2014 in einigen Mittelmeerstaaten und im Nahen Osten gemessen und täglich zur Erde geschickt hat. Demnach sind die Stickstoffdioxidemissionen von 2005 bis 2010 in nahezu allen bewohnten Gebieten des Nahen Ostens deutlich anstiegen. Dagegen sanken sie zwischen 2010 und 2014 vielerorts ab: in Israel, Syrien und im Iran, in und um Kairo, Bagdad und Riad, und auch in den für den Ölexport so wichtigen Häfen am persischen Golf. Im Libanon, in Teilen des Iraks und Jordanien stiegen die Stickoxidwerte im gleichen Zeitraum aber weiter an. Die Ursachen für die verminderten beziehungsweise erhöhten Werte sind sehr unterschiedlich: Während in Israel und im Saudi-Arabischen Riad strengere Umweltgesetze zur Reduktion der Stickoxidemissionen führten, geht die Verminderung in anderen Gebieten einher mit politischen und wirtschaftlichen Konflikten, Kriegen und Flüchtlingsströmen. Es ist sehr tragisch, dass die beobachteten Negativtrends der Stickoxidemissionen zum Teil mit humanitären Katastrophen einhergehen, sagt Lelieveld. Dies wird besonders am Beispiel Syriens deutlich. Seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs 2011 sanken die Stickoxidwerte über Damaskus und Aleppo um 40 bis 50 Prozent. Laut Angaben der Vereinten Nationen sind mehr als 11 Millionen Syrer auf der Flucht. Vier Millionen davon flohen bereits aus ihrem Land, unter anderem in den benachbarten Libanon, in dem die Emissionswerte allein in 2014 um 20 bis 30 Prozent anstiegen. Im Irak zeigt sich ein wesentlich kompliziertes Bild der Emissionen: Nach der Invasion durch die USA und Großbritannien im Jahr 2003 stieg der Energieverbrauch des Landes um vier bis fünf Prozent, das Bruttoinlandsprodukt sogar um sechs bis sieben Prozent pro Jahr an. Parallel dazu stiegen die Stickoxidemissionen von 2005 bis 2014 im kurdischen Norden und im Süden des Iraks kontinuierlich an. In Kerbala, einer vorwiegend von Schiiten bewohnten Stadt südlich von Bagdad, sogar um etwa zehn Prozent pro Jahr. Anders sieht es in und um Bagdad sowie in den zeitweise von der Terrormiliz Islamischer Staat eroberten Gebieten im Zentrum des Landes aus: Hier sanken die Stickoxidemissionen zwischen 2010 und 2014 deutlich. Für die drastischen Veränderungen der Stickoxidemissionen im Iran machen die Forscher die Sanktionen verantwortlich, die die Vereinten Nationen im Jahr 2010 deutlich verstärkten. Dadurch sank 2013 und 2014 nicht nur das zuvor hohe Bruttoinlandsprodukt um sechs Prozent, auch die Emissionswerte lagen 2014 deutlich niedriger als noch im Jahr 2010. Sichtbar wird auch, dass die Emissionen des iranischen Schiffsverkehrs, der wichtig ist für den Erdöltransport, deutlich sanken. Wir haben anhand der Satellitenmessungen gesehen, dass die Wirtschaftssanktionen im Iran seit 2010 große Wirkung hatten, so Lelieveld. Seine Team will nun beobachten, wie sich die Emissionswerte im Iran künftig entwickeln, wenn die UN-Sanktionen aufgehoben werden. Auch die Wirtschaftskrise in Griechenland lässt sich in den Stickoxidemissionen ablesen. So sanken die Emissionen seit 2008 um 40 Prozent. Im gleichen Zeitraum fiel das Bruttoinlandsprodukt um fünf Prozent pro Jahr. Dass die Stickstoffdioxidemission in vielen Ländern stark mit der Wirtschaftsleistung zusammenhängt, ist nicht sehr überraschend. Denn Stickoxide entstehen zwar auch auf natürliche Weise, werden aber in erster Linie bei der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas durch Industrie und Verkehr freigesetzt. Vor allem Stickstoffdioxid kann Erkrankungen der Atemwege hervorrufen. Generell tragen Stickoxide maßgeblich zur Bildung von Ozon und Feinstaub in der Troposphäre bei und spielen eine Rolle beim Klimawandel. Stickoxidemissionswerte fließen in globale Luftqualitäts- und Klimamodelle ein, sagt Lelieveld. Bisher werden Stickoxidwerte zumeist langfristig aus dem wirtschaftlichen Status eines Landes beziehungsweise seinen Kohlendioxidemissionen vorhergesagt. So geht beispielsweise ein Szenario (RCP8,5) im Bericht des Weltklimarates IPCC davon aus, dass die Stickoxidemissionen im Nahen Osten zwischen 2005 und 2030 um zwei Prozent pro Jahr ansteigen. Die aktuelle Studie der Mainzer Forscher zeigt nun, dass solche pauschalen Prognosen nicht mehr zutreffen, wenn in Ländern Krisen ausbrechen oder, im besseren Fall, Gesetze zur Reinhaltung der Luft erfolgreich sind.
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7Wissenschaft
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Das Metallurgie-Kompetenzzentrum K1-Met will den Spagat zwischen Industrieinteressen und Forschung schaffen. Linz/Wien – Wie nahe muss, soll und darf die Wissenschaft an der Wirtschaft dran sein? Bei dem auf Metallurgie und umwelttechnische Verfahren spezialisierten Kompetenzzentrum K1-Met ist diese Frage ins Programm geschrieben. Wir müssen von unserer Ausrichtung her den Spagat zwischen den Interessen der Industrie und jenen der Universitäten schaffen, sagt Geschäftsführer Thomas Bürgler. Einerseits sollen in den vier Forschungsbereichen Ergebnisse erzielt werden, die direkt in den Produktionsprozess der Unternehmen der Stahlbranche einfließen. Andererseits werden auch Projekte durchgeführt, die noch weit von einer praktischen Anwendung entfernt sind. Es geht um die alte Frage, was sinnvoller ist: grundlagenlose Zweckforschung oder zwecklose Grundlagenforschung, sagt Bürgler. Die vier Forschungsbereiche von K1-Met sind Rohstoff und Recycling, Hochtemperatur-Metallurgie, Prozess- und Energieoptimierung sowie Modellierung und Simulation. Ein Kernthema ist die Verbesserung der Stahlproduktion hinsichtlich des Energieverbrauchs und des Klimaschutzes – schließlich ist die globale Stahlproduktion für rund sieben Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Hauptsitz des Forschungsunternehmens ist Linz, eine Niederlassung besteht in Leoben; rund 30 Mitarbeiter sind für die GmbH tätig. Je 35 Prozent an dem Kompetenzzentrum halten Voestalpine Stahl und die Montanuniversität Leoben, 20 Prozent die Linzer Primetals Technologies und zehn Prozent die Johannes-Kepler-Universität Linz. Eine überschaubare Anzahl an Eigentümern zu haben ist zwar hinsichtlich der Budgeterstellung und der Abläufe ein Vorteil, birgt aber auch gewisse Probleme. Seitens der Fördergeber und auch seitens der Universitäten wird bisweilen kritisiert, dass wir von der Voest dominiert werden, sagt Thomas Bürgler – er selbst ist Forschungsleiter der Voestalpine. Dieser Verdacht soll damit zerstreut werden, dass es einen zweiten Geschäftsführer gibt: Johannes Schenk, Professor am Lehrstuhl für Eisen- und Stahlmetallurgie der Montan-Uni, hat bei K1-Met die Funktion des wissenschaftlichen Leiters, während Bürgler in technisch-wirtschaftlichen Angelegenheiten die Oberhand hat. Profitieren sollen von der Forschungstätigkeit aber auch andere Unternehmen wie RHI und die Universitäten selbst – die personelle Verzahnung ist dabei durchaus gegeben; wissenschaftliche Mitarbeiter der Uni sind bei Projekten des Kompetenzzentrums tätig. Die Leiter der einzelnen Forschungsareale sind allerdings direkt beim Kompetenzzentrum angestellt, um die Unabhängigkeit gegenüber den Eigentümern aus Wissenschaft und Wirtschaft zu garantieren. K1-Met verfügt selbst über keine eigenen Labore, sondern nutzt jene der Unternehmen und der Universitäten. Die ersten Forschungsprojekte des im Vorjahr gegründeten Kompetenzzentrums werden bereits diesen Sommer abgeschlossen sein, bis 2019 stehen insgesamt 22 Millionen Euro an Forschungsgeldern zur Verfügung. Danach erfolgt eine erste Evaluierung. Fällt sie positiv aus, ist eine zweite Förderphase bis 2023 möglich. Dann werden wir uns etwas von der Metallurgie wegbewegen, sagt Bürgler – es soll unter anderem um den Einsatz von Wasserstoff in der Produktion gehen. Das Netzwerk der Partner aus Industrie und Wissenschaft soll bis dahin ausgebaut werden, um die Verbindungen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu festigen.
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8Kultur
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Lenny Abrahamsons Filmdrama erkundet eine Mutter-Sohn-Beziehung unter den erschwerten Bedingungen der Gefangenschaft. Hauptdarstellerin Brie Larson wurde für ihre Darstellung mit einem Oscar ausgezeichnet. Wien – Die Welt reicht nur so weit, wie man sehen kann. Für den fünfjährigen Jack (Jacob Tremblay) und seine Mutter Joy (Brie Larson) beschränkt sie sich auf wenige Quadratmeter. Ein Fenster geht oben hinaus. An einem so eng bemessenen Ort sind selbst ein Stuhl, ein Herd, das Klo oder ein Waschbecken nicht nur Dinge mit Funktionen, sondern verfügen über Persönlichkeit. Guten Morgen, Pflanze! Was außerhalb der vier Wände liegt, ist für den kleinen Buben nicht existent. Unwirklich wie alles, was er aus dem Fernseher kennt. Lenny Abrahamsons Room beschreibt kein theoretisches Szenario, wie man nach dieser Beschreibung vielleicht meinen könnte, sondern ein Gewaltverbrechen, das an den Fall F. denken lässt. Nach dem Bestseller der Kanadierin Emma Donoghue, die ihr Buch selbst adaptiert hat, lotet der Film das Miteinander einer Mutter und eines Kindes in einer Ausnahmesituation aus. Dei beiden formen eine Einheit auf allerengstem Raum. Dass sie überhaupt weiterleben können und so etwas wie einen Alltag haben, liegt daran, dass sie füreinander die ganze Welt bedeuten. Jack hat niemals einen anderen Ort gesehen, so viel wird im Film schon zu dem Zeitpunkt klar, als es um seine Geburtstagsfeier geht. Warum dem so ist, erzählt der irische Filmemacher jedoch nicht als Thriller, der spannungsvoll zu einer Offenbarung strebt, sondern als entrückte, schiefe Normalität innerhalb eines Albtraumsettings. Der Täter lässt in Room nicht lange auf sich warten. Jede Nacht besucht er seine kleine Familie. Dann muss Jack in den Schrank und sieht von dort nur Schemen durch die Jalousien. Während das Buch über die Sprache eine subjektive Wahrnehmung ausgestalten kann – es ist als Ich-Erzählung des Buben verfasst -, muss der Film notgedrungen eine objektivere Position einnehmen. Die Verschiebung ist auch im Vergleich zu Markus Schleinzers Michael aufschlussreich, der sich nüchtern-protokollarisch des Verhältnisses von Entführer und Opfer annahm. In Room liegt der Angelpunkt dagegen eindeutig im emotionellen Bereich: in einer alles Böse überstrahlenden Innigkeit, die auch durch gelegentliche Verzweiflungs- und Wutanfälle nicht erschüttert werden kann. Die äußere Bedrohung hat das Band zwischen den beiden nur noch gefestigt. Die Musik ist an manchen Stellen mit ihrem Nachdruck schon zu viel. Abrahamsons Ausrichtung verlegt den Akzent auf den schauspielerische Bereich, dem sein Film Kraft und Dringlichkeit verdankt. Brie Larson hat schon in dem US-Independent-Film Short Term 12 in der Rolle einer Sozialarbeiterin gezeigt, dass sie sich auf kämpferische Charaktere versteht. Als Ma erklimmt sie nun noch größere Höhen an Intensität, ohne in den stilleren Momenten zu enttäuschen – es ist eine Arbeitsrolle, die für Auszeichnungen wie den Oscar wie gemacht erscheint. Besonders faszinierend ist es jedoch, dem jungen Jacob Tremblay zuzusehen, wie er sich an die plötzliche Verwandlung seiner vertrauten Umwelt anpasst. Room spielt nämlich nicht nur in einem einzigen Raum, sondern lebt wesentlich davon, zwei sehr unterschiedliche Teile aufeinander zu beziehen. Der Clou daran ist, dass keine Freiheit grenzenlos ist: Sie weist das Erfordernis menschlichen Austauschs auf, eine Herausforderung, die man erst bewältigen muss. Zu zweit, so seltsam das sein mag, war es für Jack und Joy einfacher, da sie weniger Menschen beurteilt haben. Abrahamson macht dieses Gefälle auch visuell deutlich: Das Gefängnis filmt er in Breitwandbildern, in denen der Raum zwischen den Körpern ganz flach wird. Die Außenwelt dagegen wirkt viel zu groß. Eine zu hell ausgeleuchtete Welt, in der man fast schon zu viel sehen kann.
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7Wissenschaft
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Die Uni Salzburg hat das Ehrendoktorat, das sie dem großen Verhaltensforscher 1983 verliehen hatte, wieder aberkannt. Über die Begründung lässt sich trefflich streiten. Wien – Es war das letzte von insgesamt zehn Ehrendoktoraten, die Konrad Lorenz bis zu seinem Tod im Jahr 1989 erhalten hatte. Zuvor war der große Verhaltensforscher immerhin auch schon von den Universitäten Leeds (1962), Basel (1966), Yale (1967), Oxford (1968), Loyola/Chicago (1970), Durham (1972), Birmingham (1974), der katholischen Universität Mailand (1981) und der Veterinärmedizinischen Universität Wien (1980) mit einem Doctor honoris causa geehrt worden. 1983 kam auch noch das Ehrendoktorat der Universität Salzburg dazu. Bis dahin hatte der weltberühmte Forscher zahllose andere, darunter einige der allerhöchsten wissenschaftlichen Auszeichnungen erhalten: Lorenz war unter anderem auswärtiges Mitglied der Royal Society (seit 1964), der National Academy of Sciences der USA (seit 1966) und Nobelpreisträger für Medizin des Jahres 1973. Kurzum: Es gibt kaum einen anderen österreichischen Wissenschafter nach 1945, dem zeit seines Lebens mehr und wichtigere Ehrungen zuteil wurden und der international bekannter gewesen wäre als Lorenz. Fast 27 Jahre nach seinem Tod und 32 Jahre, nachdem man ihm diese Auszeichnung zuerkannt hatte, ist Lorenz nun also eines von zehn Ehrendoktoraten – ausgerechnet sein letztes – los. Was ist die Begründung der Uni Salzburg für diesen etwas überraschenden Schritt? Und welche Folgen hat er? Schließlich gibt es auch noch etliche Institute und Schulen in Österreich und Deutschland, die den Namen des lange unumstrittenen, heute aber umso umstritteneren Wissenschafters im Titel führen. Grundlage der Aberkennung ist § 85 der Satzung der Universität Salzburg: Verliehene Ehrungen können widerrufen werden, wenn sich die Geehrten durch ihr späteres Verhalten als der Ehrung unwürdig erweisen oder wenn sich nachträglich ergibt, dass die Ehrung erschlichen worden ist. Von einer Erschleichung sei in jenen Fällen auszugehen, in denen die aktive Beteiligung an verbrecherischen Handlungen oder die aktive Mitgestaltung oder Verbreitung nationalsozialistischer Ideologie – insbesondere rassistischen und/oder imperialistischen Inhalts – verschwiegen wurde. Im Fall von Konrad Lorenz wie auch des Juristen und SS-Mitglieds Wolfgang Hefermehl scheint dieser Tatbestand für Senat und Rektorat der Uni Salzburg ganz eindeutig gegeben zu sein. Denn anders ist es nicht erklärlich, dass die Aberkennung des Ehrendoktorats erfolgte, ohne dass die beauftragte Studie des Zeithistorikers Alexander Pinwinkler bereits offiziell abgeschlossen, geschweige denn publiziert worden wäre. Im Wesentlichen stützt man sich bei Lorenz Erschleichung auf zwei Punkte: zum einen auf Zitate aus einer Publikation von Lorenz aus dem Jahr 1940 (Durch Domestikation verursachte Störungen arteigenen Verhaltens), die spätestens seit den frühen 1970er-Jahren nicht nur in der Fachöffentlichkeit bekannt ist. Und zum anderen auf sein Parteieintrittsgesuch aus dem Jahr 1938, das erst 2001 auftauchte und das Benedikt Föger und ich erstmals veröffentlichten, ehe wir im gleichen Jahr auch noch die erste buchlange Studie über Konrad Lorenz und den Nationalsozialismus veröffentlichten (Die andere Seite des Spiegels, Czernin-Verlag). Belegen die beiden angeführten Textpassagen tatsächlich, dass sich Lorenz die aktive Beteiligung an verbrecherischen Handlungen oder die aktive Mitgestaltung oder Verbreitung nationalsozialistischer Ideologie – insbesondere rassistischen und/oder imperialistischen Inhalts – zuschulden kommen ließ? Nun, im Parteiantrag schrieb er immerhin, unter Wissenschaftlern und vor allem Studenten eine wirklich erfolgreiche Werbetätigkeit entfaltet zu haben; schon lange vor dem Umbruch war es mir gelungen, sozialistischen Studenten die biologische Unmöglichkeit des Marxismus zu beweisen und sie zum Nationalsozialismus zu bekehren ... Schließlich darf ich wohl sagen, daß meine ganze wissenschaftliche Lebensarbeit, in der stammesgeschichtliche, rassenkundliche und sozialpsychologische Fragen im Vordergrund stehen, im Dienste nationalsozialistischen Denkens steht. Das Problem ist nur, dass Lorenz in diesem Antrittsgesuch nicht nur übertrieben, sondern in Wahrheit gelogen hat, dass sich die Balken biegen: Die Werbetätigkeit bis dahin war in jedem Fall bescheiden, da er erst ab 1937 an der Universität Wien offiziell lehren durfte. (Seine Habilitation war übrigens vom NS-Sympathisanten Othenio Abel lange hintertrieben worden.) Mehr als eine Handvoll Studenten hatte Lorenz bis zum Anschluss und seinem Parteieintritt gewiss nicht. Und ob er die Studierenden bis dahin mit NS-Ideologie überzeugt hat, darf bezweifelt werden, zumal die ersten Publikationen mit einschlägigen NS-Anpassungen (davon gab es insgesamt fünf) erst 1939 erschienen. Zur Kontextualisierung dieses Parteieintrittsgesuchs muss aber auch hinzugefügt werden, dass Lorenz als junger aufstrebender Biologe und Darwin-Anhänger im Austrofaschismus nicht die geringste Chance auf eine Karriere hatte: In der katholisch-autoritären Ideologie des Ständestaats war kein Platz für Vertreter der Evolutionstheorie, die Biologie wurde gekürzt, wo immer es möglich war (etwa im Medizinstudium); Unterstützung für seine Arbeiten erhielt Lorenz hingegen aus Nazi-Deutschland, wo die Biologie gefördert wurde. Aus zwei umstrittenen Texten (beide publiziert 1940) kann man aufgrund ihrer Terminologie eine aktive Mitgestaltung oder Verbreitung nationalsozialistischer Ideologie zweifelsfrei herauslesen. Ob sie allerdings im engeren Sinn rassistisch sind, darüber lässt sich streiten. Lorenz Argumentation geht nicht von einer Unterscheidbarkeit oder gar unterschiedlicher Wertigkeit verschiedener Rassen aus, und auch antisemitische Passagen wird man in seinen Arbeiten nicht finden. Lorenz argumentiert mehr oder weniger klassisch eugenisch – das aber in aller Deutlichkeit, indem er etwa eine noch schärfere Ausmerzung ethisch Minderwertiger empfahl. Eugenische Maßnahmen wie die (Zwangs-)Sterilisierung Behinderter wurden in den 1930er-Jahren freilich nicht nur in Nazi-Deutschland praktiziert, sondern in etlichen anderen Ländern. Womöglich stärker belastende Fakten sind in der vorliegenden Entscheidungsgrundlage nicht angeführt, und etliche Fragen über Lorenz NS-Vergangenheit liegen nach wie vor im Dunkeln: Der Verhaltensforscher war nachweislich Mitglied des Rassenbiologischen Amts, das etwa auch Lorenz Nobelpreis-Ko-Laureat Karl von Frisch 1936 lobte. Was diese Mitgliedschaft im Fall von Lorenz konkret bedeutete, ist unklar. Außerdem war er im Sommer 1942 Mitarbeiter einer völkerpsychologischen Studie über 877 deutschpolnische Mischlinge und Polen aus Posen. Was mit den Probanden nach der Studie geschah, ist nicht gesichert. Und man weiß auch nicht im Detail, was Lorenz – nachdem er zur Heerespsychologie abkommandiert worden war – als Militärpsychiater in Posen zwischen 1942 und 1944 genau getan hat und was er dort zu verantworten hatte. Auch in diesen Fall sind die konkreten Schicksale der von ihm behandelten Kriegsneurotiker (noch) unbekannt. All das und auch seine NSDAP-Mitgliedschaft hat Konrad Lorenz bis zu seinem Tod lange erfolgreich verschwiegen und verdrängt. Als er sich in seinen letzten Lebensmonaten in einer Fragment gebliebenen Autobiografie diesen dunklen Seiten seines Lebens stellen wollte, war es bereits zu spät. Und so steht sein Fall in gewisser Weise auch beispielhaft für den österreichischen Umgang mit der NS-Vergangenheit, auch und zumal in universitären Kreisen: Aufgrund der schlampigen Entnazifizierung hat man sich allzu lange nicht mit der NS-Vergangenheit und der Zeit davor befasst – weder im Fall von einzelnen Wissenschaftern wie auch von Institutionen. Und jetzt, mehr als 70 Jahre danach, scheint das Pendel in die Gegenrichtung auszuschlagen: Vor lauter versäumter Aufarbeitung hat man nur mehr die NS-Geschichte im Blick – und läuft dabei Gefahr, die wissenschaftlichen Verdienste großer Forscher aus den Augen zu verlieren. Im Fall von Lorenz gingen diese Verdienste weit über die Wissenschaft hinaus: Er war nicht nur weltberühmter Naturforscher, sondern auch bedeutender Natur- und Umweltschützer – ohne ihn würde vermutlich Zwentendorf in Betrieb sein und Hainburg wäre gebaut worden. Er war aber eben auch einige Jahre seines Lebens Nationalsozialist, Parteimitglied und mehr als nur bloßer Mitläufer – ohne dass er eine wichtige Rolle bei der Formulierung oder der Verbreitung von NS-Ideologie gespielt hat. Die Universität Salzburg hat sich entschieden, die Verstrickung in die NS-Ideologie bei ihren Ehrendoktoraten neu zu bewerten, wohl auch als Konzession an die politische Korrektheit, die in den letzten Jahren gerade an den Universitäten fröhliche Urständ feiert. Das ist durchaus legitim, aber es überrascht doch, da die wesentlichen Fakten zu Lorenz NS-Verstrickungen seit zumindest 14 Jahren auf dem Tisch liegen. Wenn die strengen Maßstäbe der Uni Salzburg allerdings Schule machen würden, dann müssten konsequenter Weise nicht nur Lorenz zahllose Ehrendoktorate und Ehrungen im In- und Ausland aberkannt und Institute umbenannt werden. Nach diesen strengen Maßstäben müssten ab sofort nämlich dutzende Ehrendoktorate, die an Österreichs Unis nach 1945 vergeben wurden – von vielen anderen hohen wissenschaftlichen Ehrungen ganz zu schweigen –, eine Neubewertung erfahren und gestrichen werden.
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7Wissenschaft
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"Meisterspion" plauderte 1981 vor DDR-Staatssicherheit über seine Spionagetätigkeit für die Sowjetunion in London. London – Die BBC hat ein Video des berühmten Doppelagenten Kim Philby enthüllt, in dem dieser im Jahr 1981 vor Mitgliedern der DDR-Staatssicherheit einen Vortrag über seine Spionagetätigkeit hält. Sie alle haben sicherlich Geschichten über die mythische Effizienz des (britischen Auslandsgeheimdiensts) SIS gehört, einer sehr, sehr gefährlichen Organisation, sagt Philby in dem von der BBC im Stasi-Archiv entdeckten Video. Nun, zu Kriegszeiten war er das keineswegs. Über Jahre hinweg habe er jeden Abend sein Büro in London mit einem dicken Koffer voller von ihm selbst geschriebener Berichte und Dokumente aus den Archiven verlassen, fährt Philby in dem Vortrag fort. Üblicherweise habe er die Unterlagen abends seinem sowjetischen Kontakt übergeben. Dieser habe sie abfotografiert und früh am nächsten Morgen zurückgegeben. Er selbst habe sie dann an ihren ursprünglichen Platz zurückgebracht. Philby, der sowohl für die Briten als auch für die Sowjets arbeitete, war ab 1944 Chef der britischen antisowjetischen Spionageabteilung im britischen Geheimdienst MI6. 1949 wurde er zum Verbindungsoffizier des britischen Geheimdiensts zur CIA in Washington bestellt. 1963 setzte sich Philby in die Sowjetunion ab, nachdem er verdächtigt wurde, nach Guy Burgess und Donald McLean der dritte vom sowjetischen Geheimdienst an der Universität Cambridge rekrutierte Maulwurf innerhalb des britischen Secret Intelligence Service (SIS) zu sein. Von da an lebte er bis zu seinem Tod im Jahr 1988 in Moskau. Zu seiner Tätigkeit für die Sowjetunion erklärte Philby, er habe Informationen geliefert, die es dem sowjetischen Verbündeten Großbritanniens erlaubt hätten, den Kampf gegen Hitlerdeutschland zu gewinnen.
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5Inland
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Häupl: Keine "politische Trompete" Straches in die Hofburg. Wien – Altkanzler Franz Vranitzky (SPÖ) wird das Personenkomitee für SPÖ-Bundespräsidentschaftskandidat Rudolf Hundstorfer leiten. Das gab er bei einer Veranstaltung Donnerstagabend bekannt. Begründet wurde von ihm die Initiative damit, dass der früherer ÖGB-Präsident und Sozialminister sein Leben lang für sozialen Zusammenhalt gestanden sei und an Europa glaube. Präsentiert wurde Vranitzky als Hauptproponent im Rahmen einer Veranstaltung des Vereins Idee, der schon die Wiederwahl Michael Häupls als Wiener Bürgermeister unterstützt hatte. Der Stadtchef selbst zeigte sich dabei optimistisch, nach dem Halten des Bürgermeisteramtes in der Bundeshauptstadt auch bei der Hofburgwahl einen Sieg des SPÖ-Kandidaten zu erreichen. Es gelte zu verhindern, das die politische Trompete von FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache in die Präsidentschaftskanzlei einziehe. Dass ihm stark daran gelegen ist, freiheitliche Erfolge zu verhindern, machte auch Vranitzky klar. Der Erfolg Häupls sei ein zeithistorisches Ergebnis gewesen, da damit dieser schreckliche Populist Strache abgewehrt worden sei. Mit Hundstorfer in der Hofburg würde jedenfalls verhindert, dass das Verbot der Wiederbetätigung gelockert würde. FPÖ-Kandidat Norbert Hofer hatte ja vor einigen Jahren das Verbotsgesetz infrage gestellt, die Position allerdings zuletzt deutlich revidiert. Hundstorfer zeigte sich in seiner Dankesrede optimistisch, aber nicht überheblich was seine Wahlchancen angeht. Populismus werde er sachlich entgegentreten. Die Mitglieder des Personenkomitees wurden am Donnerstag noch nicht präsentiert. Fix ist bereits, dass die frühere Staatssekretärin und Siemens-Managerin Brigitte Ederer Vranitzky bei seiner Arbeit unterstützen wird. Dieser versicherte, bereits eine ansehnliche Anzahl an Unterstützern für das Komitee gefunden zu haben. Alle Anwesenden forderte er auf, sich an der Initiative zu beteiligen. Zu den Gästen des Events gehörten zahlreiche ehemalige Größen der Sozialdemokratie, unter anderem der früherer Verkehrsminister und gescheiterte Hofburgkandidat Rudolf Streicher sowie Ex-Innenminister Karl Blecha, der noch immer den SPÖ-Pensionistenverband leitet.
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2International
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Granaten schlugen in der Nähe der Universität ein. Damaskus – Bei einem Granatenangriff auf Syriens Regimehochburg Latakia sind nach Regierungsangaben mindestens zwölf Menschen ums Leben gekommen. 57 Menschen seien verletzt worden, als zwei Geschosse in der Nähe der Tischrin-Universität eingeschlagen seien, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Sana am Dienstag. Bilder des Staatsfernsehen zeigten zerstörte und brennende Autos. Sana machte Terroristen für den Beschuss verantwortlich. Die am Mittelmeer gelegene Stadt Latakia ist bisher vom Bürgerkrieg weitestgehend verschont geblieben. Sie gilt neben Damaskus als wichtigste Bastion des Regimes. Russlands Luftwaffe nutzt Latakia als Basis für Angriffe in Syrien. Nordöstlich der Stadt versuchen Rebellen bisher erfolglos, in das Küstengebiet vorzustoßen.
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7Wissenschaft
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Ein aktuelles Buch zeigt am Beispiel des frühen 19. Jahrhunderts, wie tiefgreifend ein Klimawandel in alle Bereiche menschlicher Gesellschaften hineinwirkt. Der April des Jahres 1815 muss im globalgeschichtlichen Kalender knallrot angestrichen werden, wenn es nach dem deutschen Klimahistoriker Wolfgang Behringer geht. Seine These: Binnen weniger Wochen veränderte eine singuläre Naturkatastrophe gewaltigen Ausmaßes nicht nur das Klima, sondern gar den Lauf der Welt – obwohl es zunächst niemand realisierte. Denn so grenzenlos die Folgen dieses Ereignisses waren, so regional begrenzt war ihr Ursprung. Dieser lag auf Sumbawa, einer östlich von Java gelegenen indonesischen Insel, die den Stratovulkan Tambora beherbergt – zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit 4300 Metern eine der höchsten Erhebungen des indonesischen Archipels. Wie man heute weiß, brach der Tambora im April 1815 mit einer Intensität aus, die in der überlieferten Geschichte der Menschheit ohne Beispiel ist. Die explosiven Eruptionen waren mehr als 2000 Kilometer weit zu hören – und halbierten den Vulkan beinahe. Auf Sumbawa und der Nachbarinsel Lombok kamen mindestens 71.000 Menschen ums Leben. Doch die tatsächliche Zahl der Opfer dieser Katastrophe lässt sich nicht einmal ansatzweise beziffern. Sie beträgt mit Sicherheit ein Vielfaches davon. Was nämlich auf den Ausbruch des Tambora folgte, war ein Jahr extremer Klimaschwankungen: Das durch die Eruptionen emporgeschleuderte Material aus Gas- und Schwebepartikeln, verbreitet und verteilt durch Höhenwinde, verminderte die Sonneneinstrahlung und bewirkte fast weltweit eine plötzliche Abkühlung. Der Winter 1815/16 war einer der kältesten des zweiten Jahrtausends. In Europa und Nordamerika erlebte man in der Folge das Jahr ohne Sommer, zum Teil schneite es im Juli oder regnete über Monate hinweg. In weiten Teilen Asiens verursachten verheerende Niederschläge Überflutungen, die Cholera brach aus, die Tuberkulose grassierte. Mancherorts herrschte wiederum extreme Dürre. Da wie dort kam es zu Missernten, Massensterben von Nutztieren und 1817 zur schlimmsten Hungersnot des 19. Jahrhunderts. Russland hingegen profitierte vom veränderten Klima und verzeichnete dank steigender Getreideexporte und Einwanderung einen wirtschaftlichen Aufschwung. Enorme Migrationsbewegungen, soziale Revolten und politische Umbrüche kennzeichneten die folgenden Jahre. Der Ausbruch des Tambora war der Beginn eines Experiments, an dem die ganze Menschheit unfreiwillig teilgenommen hat. Die Reaktionen darauf geben ein Beispiel dafür, wie Gesellschaften und einzelne Menschen auf Klimawandel reagieren, welche Risiken dabei entstehen und welche Chancen damit verbunden sein können, schreibt Behringer im Buch Tambora und das Jahr ohne Sommer. Wie der Forscher der Universität des Saarlandes detailliert nachzeichnet, blieb kein Erdteil von direkten oder indirekten Auswirkungen der Tamborakrise verschont. Indem er gesicherte klimahistorische Fakten und zeitgenössische Quellen mit sozialen und weltpolitischen Entwicklungen der Folgezeit in Verbindung bringt, rückt er den Vulkanausbruch aber aus dem naturgeschichtlichen Blickfeld direkt ins Zentrum der Weltgeschichte. Wo das Klima sich zum Schlechteren wandelte, wirkte es demnach wie ein Katalysator vorhandener Tendenzen: In Europa nahmen schwere soziale Unruhen und politische Massendemonstrationen zu, es kam zu Attentaten und zu Pogromen gegen Juden. In Südafrika wurden angebliche Hexen als Schuldige an Ernteausfällen verfolgt. Das zaristische Russland suchte wiederum die Migration für seine imperialistischen Ziele zu nutzen und seinen Einfluss in der Schwarzmeerregion auszudehnen. Die Krise entfaltete aber auch eine enorme erfinderische und innovative Kraft: Behringer stellt neue Ansätze, die Natur besser einzuschätzen und zu zähmen, ebenfalls in einen Ereigniszusammenhang, etwa das Aufkommen der Meteorologie und die zunehmende Durchführung von Flussbegradigungen. Dem Buch mangelt es nicht an interessanten Episoden aus unterschiedlichsten kulturellen, gesellschaftspolitischen und wissenschaftlichen Bereichen. Mitunter bleibt es jedoch bei einer Aneinanderreihung, die etwas krampfhaft zu einer Ereigniskette geschmiedet wurde. Das birgt, zugunsten eines gelungenen Spannungsbogens, die Gefahr argumentativer Monokausalität. In jedem Fall führt Behringers Perspektive aber anschaulich vor Augen, wie komplex das Weltklima in sämtliche Bereiche der menschlichen Lebenswelt hineinwirkt. Damals wie heute.
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7Wissenschaft
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Britische Wissenschafter haben analysiert, ob Pflanzenproben in naturhistorischen Museen auch die richtigen Namen tragen. Die Ergebnisse sind erschreckend. Oxford/Wien – Um die Verteilung von bestimmten Tier- oder Pflanzenarten rund um den Globus zu analysieren, greifen Biodiversitätsforscher gerne auf naturhistorische Sammlungen zurück. Bei solchen Analysen gelingt es immer wieder, neue Arten zu entdecken. So konnten britische Forscher erst kürzlich im Londoner Natural History Museum eine neue Art von Fledermäusen, konkret: der Hufeisennasen, identifizieren. Das Exemplar lagerte seit drei Jahrzehnten in Alkohol eingelegt im Museum. Damit sind wir aber auch schon bei einem Problem angelangt, dessen Ausmaße einigermaßen dramatisch sein dürften: Britische Forscher kommen im Fachblatt Current Biology und in zeitgleichen Studien in weiteren Fachmagazinen zum Schluss, dass bis zu 50 Prozent aller Sammlungsobjekte in naturhistorischen Museen die falsche Bezeichnung tragen könnten. Die Wissenschafter um Robert Scotland vom Institut für Pflanzenforschung an der Universität Oxford konzentrierten sich bei ihren Analysen auf Herbarien und andere Sammlungen von Pflanzen insbesondere aus den Tropen. Eine Teilstudie widmete sich 4500 Exemplaren eines afrikanischen Ingwergewächses der Gattung Afromamu, die erst im Vorjahr in einer Monografie detailliert dargestellt wurde. Nicht weiter überraschend wurden 58 Prozent der Objekte zuvor falsch bezeichnet. Eine zweite Studie untersuchte am Beispiel einer Familie von asiatischen Regenwaldbäumen, wie Belegexemplare von derselben Pflanze in verschiedenen Sammlungen benannt werden. Immerhin 29 Prozent der Duplikate trugen in zwei oder mehr Museen unterschiedliche Namen, von denen zumindest einer falsch sein musste. Schließlich analysierten die Forscher auch noch knapp 50.000 Objekte aus der Gattung Ipomoea (zu der unter anderem auch die Süßkartoffel gehört), die in die Global-Biodiversity-Information-Facility-Datenbank hochgeladen wurden. 40 Prozent davon trugen veraltete Namen, weitere 27 Prozent waren inkorrekt oder ungültig. Die Gründe für diese erstaunlich zahlreichen Fehler sind mannigfaltig. Ein Hauptproblem dürfte sein, dass die Forscher in den Museen mit dem Klassifizieren kaum nachkommen: Mehr als die Hälfte der neuen tropischen Pflanzenarten wurden erst entdeckt. Wie aber sieht es beim Rest der 1,8 Millionen verschiedenen Arten aus, die bestimmt wurden und in Museen lagern? Mehr als die Hälfte davon sind Insekten. Die Forscher gehen davon aus, dass dort der Anteil der falschen Bezeichnungen noch viel höher ist.
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1Panorama
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Nur Kärnten und Tirol noch schlechter. Bregenz – Außer Niederösterreich und Salzburg erfüllt derzeit kein Bundesland die Asylquote bei den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF). Nach wie vor leben über 1.000 junge Flüchtlinge im Traiskirchner Erstaufnahmezentrum. In Vorarlberg fehlten 113 Plätze und erfülle damit die Quote nur zu knapp 60 Prozent, geht aus einem Bericht der Montagsausgabe der Vorarlberger Nachrichten (VN) hervor. Schlechter bei der Unterbringung von unbegleiteten jugendlichen Asylwerbern seien damit nur die Bundesländer Kärnten (rund 51 Prozent) und Tirol (rund 56 Prozent). Selbst Salzburg erfülle die Quote nur, weil dort rund 200 Jugendliche in einer Kaserne untergebracht seien, kritisierte der Vorarlberger Kinder- und Jugendanwalt Michael Rauch. Rauch sparte auch nicht mit Kritik an der Vorarlberger Landesregierung. Man könne sich nicht medial stets als Quotenerfüller präsentieren, wenn wir bei den UMF nur bei 60 Prozent liegen, so Rauch. Laut Landesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne) werde Österreichs westlichstes Bundesland bereits im Frühjahr die Quote wieder erfüllen. Wiesflecker konterte auch damit, dass man noch im Dezember knapp 90 Prozent der vorgeschriebenen Anzahl untergebracht hätte. Es seien mit 1. Jänner aber gleich 50 Jugendliche volljährig geworden, wodurch wir stark zurückgefallen sind. Flüchtlingskoordinator Christian Konrad regte im VN-Gespräch an, die Vorschriften bei der Quartierssuche für jugendliche Flüchtlinge noch einmal zu überdenken. Bei der Bauordnung oder Richtlinien zur Barrierefreiheit wären Lockerungen denkbar, so Konrad. Die Betreuungsstandards dürften hingegen keinesfalls gesenkt werden.
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5Inland
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Wiesenthals Enkelin versucht die Familiengeschichte des Shoah-Rechercheurs zu erforschen. Wien – Ein einsames Gefühl sei es, keine Familie zu haben, sagt Racheli Kreisberg-Greenblatt – umso mehr, wenn diese Familie einmal groß und verzweigt gewesen war, bevor ihre Mitglieder ermordet oder jene, die überlebten, in alle Welt versprengt wurden. Simon Wiesenthal, der große Rechercheur der NS-Verbrechen, war diesbezüglich einer von vielen. Nachdem man uns alle ausgemordet hat, haben wir niemanden, schreibt er in einem Brief im Jahr 1963 über seine Verwandtschaft. Wiesenthals Enkelin, die in Israel lebende Racheli Kreisberg-Greenblatt, machte es sich zur Aufgabe, nachzuforschen, wer sie waren, die vielen Opfer der Wiesenthal-Familie – und ob es nicht doch noch weitere Überlebende gibt. Die Ergebnisse stellte sie im Rahmen eines Vortrags im Jüdischen Museum Wien, veranstaltet vom Wiener Wiesenthal-Institut für Holocaust-Studien (VWI), am Montag in Wien vor. Ausgangspunkt ihrer Recherche war die Zahl 89: So viele Familienmitglieder väter- und mütterlicherseits habe Wiesenthal im Holocaust verloren, so steht es in allen Biografien geschrieben. Doch wer war wie auf diese Zahl gekommen? Mir hat mein Großvater nie gesagt, dass es genau 89 Opfer waren, und wenn ich ihn fragte, erhielt ich keine Antwort, sagt Kreisberg-Greenblatt, die 38 Jahre alt war, als Simon Wiesenthal 2005 im Alter von 96 Jahren verstarb. Wiesenthal, der sein Leben lang Namen recherchiert hatte, war in seiner eigenen Familie nicht weit gekommen. Alle, die meinen Großvater kannten, wussten, was für ein enormes Gedächtnis er hatte, sagt seine Enkelin. Umso erstaunlicher war es, wie wenig ich vorfand, sagt sie, und zeigt auf einen ausgedünnten Stammbaum. Seit sie mit ihrer Recherche begann, sind viele Äste hinzugekommen. Es war wie bei vielen Nachkommen von Shoah-Überlebenden eine äußerst schwierige Recherche: Im Holocaust wurde vieles von dem, was Ahnenforschern üblicherweise an Quellenmaterial zur Verfügung steht, verwüstet – also Briefe, Grabsteine, Urkunden der jüdischen Gemeinden, Fotos. Kreisberg-Greenblatt, die im Hauptberuf Biotechnologin ist und in Israel ein Reiseveranstalterunternehmen managt, klammerte sich an Postkarten und Briefe ihres Großvaters, Korrespondenzen aus den frühen Nachkriegsjahren und aus den 1960ern, um erste Rechercheschritte zu tun. Er sei 1908 im galizischen Buczacz geboren, schreibt Wiesenthal in einem Brief im Jänner 1961, er erwähnt darin auch den Geburtsort seiner Eltern. Die Enkelin lässt sich dort Heiratsurkunden ausheben. Sie stößt so auf eingeheiratete Familiennamen, recherchiert sie in der für viele Überlebende unersetzlichen Datenbank des Holocaust-Memorial-Zentrums Yad Vashem in Jerusalem und kittet in mühsamer Kleinstarbeit diverse Löcher in der Genealogie. Bis dato hat Kreisberg-Greenblatt 42 Namen ermordeter Familienmitglieder herausgefunden. Für sachdienliche Hinweise ist sie weiterhin dankbar. Einblicke in das Wirken Simon Wiesenthals und seine Sichtweise der offiziellen Vergangenheitspolitik der Stadt Wien eröffnen auch die Ausstellung Wiesenthal in Wien, die anlässlich des zehnten Todestages im vergangenen September eröffnet wurde und noch bis 8. Mai im Museum Judenplatz zu sehen ist.
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7Wissenschaft
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Museum an ehemaliger Frontlinie zwischen Italien und Österreich-Ungarn in Fels und Eis errichtet. Rom – Im Marmolada-Massiv im Herzen der Dolomiten, wird am Samstag das Museum des Ersten Weltkrieges eingeweiht. Es handelt sich um das höchstgelegene Museum Europas, das sich genau auf der Kriegsfront des Ersten Weltkrieges zwischen Italien und Österreich-Ungarn befindet. Hier wurden in den Jahren zwischen 1915 und 1918 über 15.000 Soldaten getötet. In der Bergstation der Seilbahn Serauta ist auf 3.000 Metern Meereshöhe das Museum eingerichtet worden. In den renovierten Ausstellungsräumen wird der Krieg aus Sicht des Soldaten gezeigt. Auf 300 Quadratmetern Fläche wird im Detail die Geschichte des Krieges in Fels und Eis in zwölf Abteilungen dargestellt. Das Museum wurde konzipiert, um die Grausamkeit und Sinnlosigkeit des Krieges zu bezeugen und Frieden und Brüderschaft der Völker zu zelebrieren, berichtete die Koordinatorin des Projekts, Giuliana Boscheri. Die erschütternde Darstellung der rauen Wirklichkeit der Kampfhandlungen im Hochgebirge in diesem Museum ist gleichzeitig ein Aufruf zum Frieden und zur Freundschaft zwischen allen Völkern. Aus den großen Fenstern des Museums kann der Besucher die Stellungen der Italiener und der österreichisch-ungarischen Soldaten betrachten. Die gesamte Gegend steht unter Denkmalschutz. Das Museum erzählt auch vom Leben in der Eisstadt, so bezeichnet von den 300 Kaiserschützen, die dort lebten. Dabei handelt es sich um eine große, mit allen notwendigen Einrichtungen, Magazinen und Unterständen ausgestattete Kaserne. Die Eisstadt war ins Gletschereis gegraben und verfügte über zehn Kilometer Verbindungsstollen zwischen den Höhlen. In diesen Kavernen befanden sich die verschiedenen Holzbaracken, die als Mensa, Unterstände oder Krankenstube dienten. Ausgestellt sind auch verschiedene Fundstücke, die während der Gletscherschmelze wieder ans Licht kamen. Ein Film aus jener Zeit ist im Videosaal der Endpunkt eines ergreifenden Rundgangs. Die Erläuterungen im Museum sind auf Italienisch und Deutsch. Entworfen wurde das Museum von der Architektin Claudine Holstein vom Südtiroler Büro G22 Projects GmbH. Es kann während der Betriebszeit der Seilbahn von Anfang Dezember bis nach Ostern und von Juni bis September besichtigt werden. Der Eintritt ist frei. (APA/red, 27.6. 2015)
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7Wissenschaft
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Zunehmend wärmere Winter erhöhen den Überwinterungserfolg nicht heimischer Schädlinge. Graz – Nicht heimische Tier- und Pflanzenarten dürften durch den Klimawandel profitieren und sich künftig dauerhaft in unseren Breiten etablieren. Wiener Forscher haben für drei Schädlingsarten Modelle erstellt, um ihren Überwinterungserfolg – und damit ein wichtiges Kriterium für die Heimischwerdung – abzuschätzen. Zwei auf den ersten Blick unabhängige Faktoren sollten laut Andreas Kahrer von der AGES (Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) in Wien gemeinsam betrachtet werden: Nicht heimische Schadinsekten werden immer wieder nach Europa eingeschleppt. Und die mittleren Temperaturen sind in Europa während der vergangenen 100 Jahre um bis zu zwei Grad Celsius angestiegen und dürften künftig je nach Modell noch zwischen einem und drei Grad Celsius ansteigen, wie Kahrer am Rande des Österreichischen Klimatages in Graz sagte. Er stellte sich gemeinsam mit Helfried Scheifinger von der ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik) die Frage, ob dadurch nicht schon in naher Zukunft eingeschleppte Insekten in europäischen Regionen heimisch werden – und damit möglicherweise die Landwirtschaft in Gefahr bringen könnten. Mithilfe aktueller Klimadaten und prognostizierter Klimaszenarien wurde so der potenzielle Ansiedelungserfolg des Baumwollkapselwurm (Helicoverpa armigera), der aus Südamerika stammenden Tomatenminiermotte (Tuta absoluta) und dem aus Indien stammenden Khapra-Käfer (Trogoderma granarium) untersucht. Gemessen wurde der mögliche Ansiedelungserfolg dieser Schädlinge an ihrem Überwinterungserfolg. Dieser stelle eine erste notwendige Voraussetzung dar, um sich in einem neuen Gebiet zu etablieren. Die Ergebnisse der aus prognostizierten Klimadaten erstellten Modellierung der Überwinterungserfolge waren laut Scheifinger prägnant: Im Fall des Baumwollkapselwurms, dessen Raupen auch Gemüse und Blumen befallen, und des Khapra-Käfers könnten demnach bis Ende dieses Jahrhunderts die Gebiete, in denen die Insekten gut überwintern könnten, stark anwachsen. Dann würden große Gebiete in Mitteleuropa zur Überwinterung beider Arten ohne jegliche klimabedingte Sterblichkeit geeignet sein, so Scheifinger. Im Fall der Tomatenminiermotte würde sich der Zuwachs möglicher Überwinterungsgebiete auch gegen Ende des 21. Jahrhunderts jedoch weiterhin auf Südwesteuropa und den Mittelmeerraum beschränken. An der AGES wurde im Labor in mehrjährigen Experimenten die maximale Überlebensdauer der Insekten bei unterschiedlichen Frostgraden erhoben. Zuletzt wurden daraus die stündlichen Kältestresswerte und der Gesamtkältestress der Insekten errechnet. Daraus ließ sich dann die Gesamtmortalität für die jeweilige Insektenpopulation ermitteln, sagte Kahrer. Bisher war eine Berechnung der Mortalität unter fluktuierenden Temperaturen nicht möglich gewesen – erst unsere neuartige Berechnungsweise erwies sich als zielführend, so der Forscher.
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0Web
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Limitiertes Modell des NES-Ablegers Analog Nt kommt mit Cartridge von "The Legend of Zelda". Zu Ehren des Rollenspiels The Legend of Zelda bringt der Retrokonsolenhersteller Analogue Interactive eine vergoldete Variante des Systems Analogue Nt heraus, eine Abwandlung von Nintendos erster Konsole NES, die die Originalspiele auf modernen Fernsehern per HDMI ausgeben kann. Das vergoldete Modell schlägt mit nicht weniger als 4.999 Dollar zu Buche und wird lediglich zehnmal gerfertigt. Dazu beigelegt wird eine Original-Cartridge von The Legend of Zelda, die damals gold gefärbt erschien. Ein weiteres Schmankerl birgt die Unterseite des goldenen Analogue Nt. Diese ist komplett transparent gehalten, damit man sich das Innenleben der Konsole ansehen kann. Bestellanfragen für das Luxusspielgerät werden lediglich per Email angenommen.
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Gewinn je Aktie soll heuer um 10 Prozent steigen – Umsatzplus von 5 Prozent angepeilt. Großaufträge von Apple und dem Fahrdienst Uber sollen den Gewinn des Navigationssysteme-Anbieters TomTom heuer anschieben. Die Niederländer rechnen mit einem Plus von 10 Prozent beim Ergebnis je Aktie. Beim Umsatz steuert TomTom ein Plus von 5 Prozent an, wie das Unternehmen am Dienstag weiter mitteilte. Anleger hatten offenbar noch mehr erwartet: Die Aktie brach in Amsterdam um gut sechs Prozent ein. Im vergangenen Jahr waren die Einnahmen um 6 Prozent auf mehr als 1 Mrd. Euro gestiegen. Im Schlussquartal lag das Plus sogar bei 9 Prozent. Der bereinigte Gewinn sank 2015 dagegen um 18 Prozent auf knapp 50 Mio. Euro. TomTom machte unter anderem gestiegene Investitionen für den Rückgang verantwortlich. Der Navi-Anbieter setzt insbesondere auf das Geschäft mit selbstfahrenden Autos und arbeitet mit Volkswagen und Bosch zusammen. Der Konkurrent des Kartendienstes Here, der den deutschen Autobauern Daimler, BMW und Audi gehört, setzte sich im November auch beim Fahrdienst Uber durch und wird dessen Fahrer über mehrere Jahre mit digitalen Karten und Verkehrsdaten versorgen.
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Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung.
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7Wissenschaft
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Spezialkamera am Dach des NHM installiert – Pilotprojekt für österreichweites Netzwerk. Wien – Mit einer Spezialkamera am Dach will das Naturhistorische Museum (NHM) Wien den Fall von Meteoren verfolgen. Längerfristiges Ziel sei es, mit einem möglichst dichten Kameranetzwerk in Österreich das Herkunftsgebiet von Sternschnuppen und Feuerbällen zu bestimmen und vielleicht auch frisch gefallene Meteoriten zu finden, sagte NHM-Direktor Christian Köberl am Montag bei der Präsentation der Kamera. Bei Meteoren handelt es sich um Material, das mit 20 bis 30 Kilometer pro Sekunde in die Erdatmosphäre eindringt und dort verglüht. Bestehen diese nur aus Staubteilchen, sieht man eine Sternschnuppe, bei größeren Brocken ist ein heller Feuerball zu sehen. Die Objekte ionisieren bei ihrem Fall die Luft, wodurch die Leuchtspur entsteht. Wenn ein größerer Brocken nicht gänzlich verglüht, sondern Teile davon am Boden landen, spricht man von Meteoriten. Und davon gibt es in Österreich ein klares Defizit, sagte Köberl. Nach Schätzungen fallen durchschnittlich pro Jahr zwei Meteoriten auf österreichisches Staatsgebiet. In den vergangenen 250 Jahren wurden jedoch nur sieben gefunden. Von vier dieser Meteoriten wurde auch ihr Fall beobachtet, die restlichen wurden zufällig erst Jahre nach dem Fall entdeckt. Grund dafür sei, dass sich die Landschaft hierzulande mit Bergen und Wäldern nicht sehr gut für die Meteoritensuche eigne. Dabei seien Meteoriten Zeitzeugen aus der Entstehung des Sonnensystems und der Erde, so Köberl, der als Geochemiker Spezialist für Einschläge von Meteoriten und Asteroiden ist. Meist stammen die Meteore aus dem Asteroidengürtel, es gibt aber auch solche vom Mars und vom Mond. Für die Herkunftsbestimmung von Meteoren bzw. Meteoriten muss ihre Bahn durch die Erdatmosphäre rechnerisch rekonstruiert werden. Das geht umso genauer, je mehr Bilder von einer Sternschnuppe oder Feuerball aus unterschiedlichen Positionen vorhanden sind. So kann man auch Gebiete eingrenzen, in denen nicht gänzlich verglühte Teile auf der Erde niedergegangen sein könnten, und die Suche am Boden aufnehmen. Das würde den Forschern frisches Material, das noch nicht durch irdische Spuren kontaminiert ist, liefern. Mit einer Kamera alleine kann man also noch nicht viel erreichen. Sollte das Projekt aber erfolgreich sein, wollen sich die Wissenschafter bemühen, ein flächendeckendes Netzwerk in Österreich aufzubauen. Rund ein Dutzend der 180-Grad-Weitwinkelkameras mit Kosten von jeweils 1.500 bis 2.000 Euro wären dafür notwendig. Mit der Testinstallation beteiligt sich das NHM an dem französischen Forschungsprojekt FRIPON (Fireball Recovery and InterPlanetary Observation Network), in dessen Rahmen rund 100 Kameras in Frankreich installiert werden. So wie die Wiener Kamera sind diese mit dem Internet verbunden, die Auswertung – etwa ob es sich um ein Flugzeug oder eine uninteressante Sternschnuppe handelt, erfolgt automatisch. Ähnliche Netzwerke in Australien, Kanada oder den USA hätten bisher zum Auffinden von mehr als einem Dutzend Meteoriten geführt, heißt es seitens des NHM. Köberl räumt ein, dass die Lichtverschmutzung über Wien so wie in allen Städten ein Problem für die Kamera sei. Man sei aber ohnedies primär an den ganz hellen Feuerbällen interessiert, und diese könne man manchmal sogar am Tag sehen.
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7Wissenschaft
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Aaskäferweibchen produzieren ein Antiaphrodisiakum, um Männchen während der anstrengenden Phase der Larvenaufzucht abzutörnen. Ulm/Wien – Der Schwarzhörnige Totengräber (Nicrophorus vespilloides) ist kein Protagonist eines Horrorfilms, sondern ein Aaskäfer. Ein Blick auf sein Brutverhalten lässt keine Fragen offen, wie er zu diesem Namen kam: Entdecken die Käfer den Kadaver eines kleinen Wirbeltiers, bearbeiten sie diesen so lange, bis nur noch ein formloses Etwas übrigbleibt. Zeitgleich wird die Erde unter dem Kadaver weggescharrt und das tote Tier in einer stabilen Kammer vergraben – fertig ist die Brutstätte samt üppiger Kinderkost. In diesem Grab kommt es zu Paarung, Eiablage, Geburt und schließlich auch zur Aufzucht der Jungen. Totengräber sind fürsorgliche Eltern: Sowohl Weibchen als auch Männchen sind stark in die Brutpflege involviert und füttern ihre Larven mit vorverdauter Nahrung, bis diese selbstständig sind. Wie man sich vorstellen kann, ist das für die Eltern ziemlich anstrengend. In diesen intensiven Phasen auch noch weitere Eier abzulegen oder aber sich gegen Annäherungsversuche eines zudringlichen Männchens wehren zu müssen würde die Weibchen wertvolle Energie kosten. Biologen um Katharina Engel (Uni Ulm) fanden nun heraus, welche evolutionären Mechanismen die Käfer deshalb entwickelten: Mithilfe eines Hormons wird die Reproduktionsfähigkeit der Weibchen nach einer Eiablage exakt so lange gehemmt, bis die Larven selbstständig werden. Gleichzeitig entdeckten die Forscher aber auch ein an das Hormon gekoppeltes flüchtiges Pheromon, das den Männchen die Nichtbereitschaft zur Fortpflanzung signalisiert, und zwar mit großer Wirkung: Um den Effekt zu überprüfen, brachten die Biologen unbeteiligte Käfermännchen mit dem Pheromon in Kontakt. Und tatsächlich verging ihnen bei diesem Duft ganz schnell die Lust auf Sex, sagt Koautor Joachim Ruther (Uni Regensburg). Zudem wird das Antiaphrodisiakum nur zielgerichtet produziert: Fehlen Männchen bei der Aufzucht, wird es gar nicht erst gebildet.
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5Inland
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Die ÖVP denkt laut über Verschärfungen für Arbeitslose nach: Ein 47-jähriger Wiener Akademiker sucht seit vier Jahren verzweifelt einen Job. Wien – So richtig kann es Christoph Grünberger* noch immer nicht fassen, dass er bereits seit 2011 auf Jobsuche ist. Um Gottes willen, ich habe vier Jahre meines Lebens verloren, sagt der 47-Jährige. Schön langsam fürchte ich, überhaupt keinen Job mehr zu finden. Den STANDARD empfängt er in seiner Wohnung im 22. Wiener Gemeindebezirk. Sie ist mit rund 70 Quadratmetern zwar nicht sehr groß, aber immerhin sein Eigen (auch wenn der Kredit noch 20 Jahre läuft). Grünberger ist stolz auf sein Heim. Es ist modisch eingerichtet, die Nachbarschaft ist international, die Uno-City nur wenige Gehminuten entfernt. Mit jedem weiteren Tag in der Arbeitslosigkeit steigt aber die Angst, alles zu verlieren. ÖVP drängt auf strengere Regeln Der Wiener ist einer von derzeit 376.522 Jobsuchenden. Seit einem STANDARD-Inter- view mit Finanzminister Hans Jörg Schelling diskutieren ÖVP-Politiker landauf, landab darüber, ob Arbeitslose in Österreich zu viele Jobangebote ablehnen, die Notstandshilfe zu lange gewährt wird, die Mindestsicherung streng genug kontrolliert wird und ob nicht nach deutschem Hartz-IV-Vorbild mehr Druck auf Arbeitslose ausgeübt werden sollte, öfters schlechtbezahlte Teilzeitjobs anzunehmen. Meist geht es in den Debatten um Niedrigqualifizierte, um die Baubranche, den Tourismus oder um Menschen kurz vor der Pension, die nicht mehr nachgefragt werden. Arbeitslosigkeit ist aber längst auch in der Mittelschicht, im mittleren Erwerbsalter, angekommen. Grünberger kann einen tadellosen Lebenslauf vorweisen. Nach der HTL-Matura arbeitete er zwei Jahre in einer Bank, übernahm danach einen Verwaltungsjob bei der Stadt Wien, inskribierte parallel an der Wirtschaftsuni (WU) und wechselte schließlich zu einer namhaften Fluglinie, wo er 14 Jahre lang in verschiedenen Abteilungen tätig war (zuletzt im Bereich Customer Relations). Dann brachen allerdings auch in der Flugindustrie die harten Zeiten an. Grünberger nahm das Angebot eines Golden Handshake an, sah die Chance, endlich das Studium abzuschließen, und wollte danach neu durchstarten. Das BWL-Diplom hat er längst in der Tasche, allein, der neue Job lässt auf sich warten. Ich habe 600 bis 650 Bewerbungen verschickt. Ich weiß nicht, was ich noch tun soll, klagt der Donaustädter heute. Die psychische Belastung wird mit jeder Absage größer. Wenn ständig vorgefertigte Larifari-Antwortmails zurückkommen, kriegt man irgendwann einen Komplex. Eigentlich bräuchte ich keinen AMS-Berater, sondern einen Psychiater. Auch die schöne Wohnung ist kein Trost mehr: Wenn du täglich hier sitzt, ist das auch wie ein Gefängnis. Was soll aus mir werden? Dazu kommen die Zukunftsängste: Was soll aus mir werden? Die Lebenshaltungskosten steigen wie verrückt. Ich wollte zwar nie reich werden, aber mir eine ordentliche Pension und einen Lebensstandard erarbeiten, der meiner Ausbildung entspricht. Jetzt sieht es zappenduster aus. Seinen Lebensstil musste Grünberger natürlich einschränken. Urlaub und auswärts essen sind weitgehend gestrichen, ebenso Weihnachtsgeschenke. Einkaufen geht er zum nahegelegenen Sozialmarkt. Wenn etwas kaputt wird, habe ich ein echtes Problem. Die monatliche Notstandshilfe, die er vom AMS bekommt, beträgt 890 Euro. Allein seine Fixkosten liegen aber bei 800 Euro. Wenn nicht die sparsam lebenden Eltern 300 bis 500 Euro im Monat zuschießen würden, könnte ich den Wohnkredit schon längst nicht mehr bedienen. Nicht unter 1000 Euro netto Aufgegeben hat er aber noch nicht. Ein bis zwei Bewerbungen pro Woche verschickt er noch immer – für Jobs in den Bereichen Controlling, Verkauf, Personalmanagement, Recruiting. An überhöhten Gehaltsvorstellungen könne es nicht liegen, ist der Akademiker überzeugt. Ich habe mich schon für alles Mögliche beworben, so es nicht unter 1000 Euro netto war. Nur von Teilzeitstellen, die von der ÖVP gerne propagiert werden, hält er nichts. Diese Leute wissen wirklich nicht, wovon sie sprechen. Was mache ich mit einem Job, der mir 500 oder 600 Euro bringt? Davon kann ich ja nicht leben. Habe ich dafür studiert und zwei Ausbildungen gemacht? Auch mit dem AMS machte der Wiener nicht die allerbesten Erfahrungen. Trotz Uni-Abschluss wurde er in Kurse wie So bewerbe ich mich richtig und Fit für den Job geschickt, wo man lernt, wie man richtig in den PC einsteigt. Sein persönliches Negativhighlight: ein Seminar Alter als Vorteil am Arbeitsmarkt, bei dem der Vortragende gleich zu Beginn klarstellte, dass Alter in der momentanen Situation überhaupt kein Vorteil am Arbeitsmarkt ist. Paradoxerweise will er trotz allem nicht, dass ihn das AMS in Ruhe lässt. Sonst fühlt man sich komplett alleingelassen. Arbeit bekam Grünberger seit 2011 nur einmal für kurze Zeit. Vier Monate lang war er im Vorjahr als Controller beschäftigt. Sein Arbeitgeber bekam dafür vom AMS drei Monate lang eine Eingliederungsbeihilfe. Als die Förderung ausgelaufen war, begannen die Probleme. Seither werde der Job alle drei bis vier Monate ausgeschrieben. Grünbergers Bilanz nach vier Jahren Suche: Die Arbeitgeber haben durch die vielen Arbeitslosen einen wahnsinnigen Machtgewinn. Eine Personalchefin erklärte ihm beim Vorstellungsgespräch: Ich werde Sie eher nicht nehmen. Ich kann ja aus dem Vollen schöpfen. (Günther Oswald, 8.8.2015) *Name von der Redaktion geändert
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