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7Wissenschaft
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Der Ökonom Stefan Trappl verglich die jüngste Rezession mit jener der 1930er-Jahre. Sind Krisen in der Marktwirtschaft Ausnahmen oder doch die Regel? Seit Beginn der Finanzkrise um 2007 stellen sich Ökonomen diese Frage wieder häufiger. Auch Stefan Trappl hat sich mit dem Thema beschäftigt und Ende vergangenen Jahres darüber eine Dissertation an der Wiener Wirtschaftsuniversität (WU) vorgelegt. Der heutige Leiter des Bereichs Kapitalmärkte an der Fachhochschule Wien der Wiener Wirtschaftskammer verglich die jüngste Rezession mit der Great Depression der 1930er-Jahre. Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Krisen ist laut Trappl das produktive Krisenmanagement nach 2007: Die ersten sechs Monate sind in beiden Fällen sehr ähnlich verlaufen: Einbrüche der Industrieproduktion, Rückgang der Bruttoinlandsprodukte, steigende Arbeitslosenzahlen. Durch Investitionen der Politik und Geld von den Nationalbanken konnte man aber das Schlimmste verhindern. Wie sinnvoll Maßnahmen wie die Zinssenkung langfristig sind, müsse man noch abwarten. Aber von Arbeitslosenanteilen von bis zu 40 Prozent der Bevölkerung, die während der Great Depression auch in Österreich verzeichnet wurden, sei man weit entfernt. Das wesentliche Ergebnis von Trappls Untersuchung ist eine Gemeinsamkeit: Die Einkommenskonzentration vor beiden Krisen war besonders ausgeprägt. Vor 1929 fielen 18 Prozent des Gesamteinkommens auf ein Prozent der Bevölkerung. Ein ähnliches Bild sah man 2007. Die Folge: Insbesondere in den angloamerikanischen Ländern bezahlte die weniger verdienende Bevölkerung ihren Konsum mit Krediten, die nie bedient werden konnten. Diese Blase musste platzen. Eine wachsende Schere zwischen Arm und Reich hat sich in meiner Untersuchung als wesentliche Variable für die Prognose einer Krise herausgestellt, sagt Trappl. Dennoch wurde dieser Krisenindikator bisher weitgehend ignoriert, berichtet der gebürtige Zwettler: Die Einkommenskonzentration war lange Zeit ein Stiefkind der Ökonomie. Das hat man eher den Sozialwissenschaften überlassen. Seit der Krise sei das Thema wieder mehr in den wirtschaftswissenschaftlichen Fokus gerückt, jedoch gebe es noch sehr wenige statistische Belege. An das für seine Analyse notwendige Datenmaterial – insbesondere für die 1920er-Jahre – zu gelangen, war für Trappl, der an der WU Wirtschaftswissenschaften sowie Wirtschaft und Recht studiert hat, die größte Herausforderung. Das führte zu einer eher historischen Vorgehensweise: Diese Zahlen musste ich in verschiedenen Bibliotheken aus vielen staubigen Büchern zusammensuchen. Jedoch forschte Trappl nicht nur im stillen Kämmerlein, sondern vermittelte seine Erkenntnisse auch in der Lehre – an der Fachakademie der Wirtschaftskammer Wien, der FH Burgenland und an der Ecole de Commerce Européenne in Bordeaux. Sein Weg führte ihn auch in das Land, in dem beide Krisen ihren Ausgang genommen haben. In den USA unterrichtete Trappl an der Southern Utah University in Cedar City, wo er anfangs Unverständnis erntete: Die Einkommenskonzentration wird dort immer noch eher als Lohn für gerechte Arbeit denn als Problematik und somit volkswirtschaftlicher Gegenstand empfunden. Da gab es spannende Diskussionen.
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7Wissenschaft
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Schweizer Forscher untersuchten die Wirbel, die sich bei der Bewegung durchs Wasser bilden. Zürich – So mühelos ein Fisch durchs Wasser gleiten mag – für physikalische Berechnungen sind die komplizierten Wasserwirbel eine gewaltige Herausforderung. Schweizer Forschern ist dies nun gelungen, was beim Erforschen von Flugzeugtragflächen hilfreich sein könnte. Denn auch die Luftwirbel an den Tragflächen verhalten sich nach den äußerst komplizierten Gesetzen der Flüssigkeitsdynamik. Ihre Resultate haben die Forscher um Petros Koumoutsakos von der ETH Zürich dementsprechend auch im Fachjournal Chaos veröffentlicht. Bei getrennten Objekten – etwa einem Langläufer und seinen Stöcken – lassen sich die gegenseitig einwirkenden Kräfte relativ leicht berechnen, wie es in einer Mitteilung des Journals zur Studie heißt. Doch weil das Wasser um den Fisch kontinuierlich fließt, lässt sich viel schwieriger bestimmen, welche Teile des Wassers für die Fortbewegung relevant sind. Bei ihren Computermodellen haben sich die Forscher deshalb auf die Wirbel nahe an der Fischhaut konzentriert. Diese Wirbel spielen eine entscheidende Rolle für die Fortbewegung des Fischs, zitiert die Mitteilung Erstautor Florian Huhn von der ETH. Schon die Tatsache, dass sie rotieren, legt eine starke Wechselwirkung mit dem Fisch nahe. Das Team fand heraus, dass die Wirbel geschlossene Strukturen bilden, sogenannte Lagrange-kohärente Strukturen. Benannt nach Joseph-Louis Lagrange, einem Pionier der Flüssigkeitsdynamik aus dem 18. Jahrhundert, stellen sie eine Art unsichtbare Barrieren in Luft und Wasser dar – so etwas wie das Skelett von Flüssigkeiten. Diese Barrieren sind bei Meereswellen und Sedimentflüssen ebenso zu finden wie bei Hurrikanen oder Rauchringen. Sie strukturieren quasi das Chaos. Entsprechend suchten auch die Zürcher Forscher nach Stellen, wo das Wasser rings um den Fisch Wirbel bildete, die vom Rest des Wassers klar getrennt sind – also ebenfalls Lagrange-Strukturen. Sobald sie diese identifiziert hatten, konnten sie den Flüssigkeitsinhalt dieser Wirbel als Ganzes simulieren und ihren jeweiligen Beitrag zur Fortbewegung errechnen. Dies taten sie für zwei Arten des Schwimmens: das normale Schlängeln und die Fluchtbewegung, bei der sich der Fisch C-förmig krümmt und nach vorne schnellt. Das normale Schwimmen ließ sich fast ausschließlich durch die Übertragung von Impulsen zwischen dem Fisch und den separaten Wirbeln erklären. Beim C-Start jedoch spielte zusätzlich ein nicht-rotierender, von der Wirbelregion eingeschlossener Flüssigkeitsstrahl eine Rolle. Die Forscher glauben, dass ihre Berechnungsmethode auch für weitere Flüssigkeitsanalysen nützlich sein werden. Immer wenn ein Körper durch eine Flüssigkeit pflügt, sei es ein Vogel oder Fisch, ein Flugzeug oder Schiff, werden solche Wirbel gebildet, sagte Huhn. Mit unserer Methode lässt sich die Bildung dieser Wirbel verfolgen und verstehen, indem eine Flüssigkeit in separate Zonen unterteilt wird.
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3Wirtschaft
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Austria Glas Recycling appelliert an Bevölkerung, Glas zu Sammelstellen zu bringen. Wien – Rund um die Weihnachtszeit steigt das Müllaufkommen insgesamt. Bei den Recyclingfirmen herrscht Hochbetrieb. Der Austria Glas Recycling (AGR) zufolge steigt alleine die Altglasmenge rund um die bevorstehenden Feiertage um rund 30 Prozent. Zusätzliche Entleerungsfahrten seien eingeplant, teilte die AGR am Montag unter dem Appell an die Bevölkerung mit, leeres Glas zu den Sammelstellen zu bringen. Keinesfalls in den Glascontainer gehören jedoch etwa Trinkgläser, Punschhäferln, Christbaumkugeln oder Glasschmuck, kaputte Spiegel oder Vasen. Denn sie haben eine andere chemische Zusammensetzung wie Wein-, Sekt-, Essig- und Ölflaschen, Glaskonserven, Marmeladegläser oder Parfumflakons, die im Glascontainer richtig entsorgt sind.
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8Kultur
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Ja, wir haben es mit einer Völkerwanderung zu tun, meint der deutsche Philosophieprofessor Ferdinand Fellmann. STANDARD: Professor Fellmann, Sie haben zuletzt einen Aufsatz veröffentlicht, in dem Sie konstatieren, dass der Blick auf die Geschichte seit der postmodernen Wende vor allem aus der Perspektive der Betroffenen erfolge. Durch diese Subjektivierung der Geschichte sei etwas verlorengegangen. Was denn? Fellmann: Verlorengegangen ist die Distanz, die wir brauchen, um unsere gegenwärtige Lage realistisch einzuschätzen. Diese Distanz gewinnt man, wenn man sich an Ideen oder Werte hält, welche Epochen voneinander unterscheiden. Sicherlich kann es ergreifend sein, sich in den Standpunkt der Betroffenen zu versetzen, aber da bleibt man im Menschlich-Allzumenschlichen. Damit gelangt man nicht zu einem wirklichen Verständnis der Alterität, die vergangene Epochen von der Gegenwart trennt. Geschichtliche Wirklichkeit wird zur Fiktion. STANDARD: Sie heben hervor, dass die Subjektivierung der Geschichte mit dem Lebensgefühl des postmodernen Menschen einhergeht. Läuft es auf eine Dichotomisierung hinaus – Emotionalität vs. Vernunft, Relativismus vs. Eindeutigkeit, hedonistisch vs. nüchtern? Fellmann: Dichotomien sind so schlecht nicht wie ihr Ruf. Emotion und Intelligenz gehören im normalen Leben zusammen. Wenn aber das Emotionale zu dominant wird, ist es hilfreich, daran zu erinnern, dass man mit Affektprogrammen allein das kulturelle Leben nicht gestalten kann. Die Folgen für das gegenwärtige Geschichtsbewusstsein sind, dass es dieses gar nicht mehr gibt. Es gibt nur noch Gegenwartsbewusstsein, das in die Vergangenheit projiziert wird. Zeitgeschichte, Zeitzeugen und Autobiografien bestimmen unsere Erinnerungskultur. Der Unterschied zwischen Geschichts- und Gegenwartsbewusstsein entspricht jenem zwischen Erinnerung und Gedächtnis. Erinnerung setzt voraus, dass man selbst dabei war. Ich kann mich etwa daran erinnern, dass mir als Kind ein russischer Soldat Sonnenblumenkerne zu essen gegeben hat. Aber die erlebte Zeit entspricht nicht der geschichtlichen Zeit, die sich an den objektiven Daten orientiert. So der 8. Mai 1945, der Tag der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht, nach dem nichts mehr so war wie vorher. Die politische Bedeutung des polnischen Einmarsches in Schlesien nach der Kapitulation habe ich erst viel später von den Historikern gelernt. Das macht das historische Gedächtnis aus, das noch wirksam bleibt, wenn sich niemand mehr an die Erlebnisse erinnern kann. STANDARD: Im Deutschlandfunk haben Sie zuletzt die These aufgestellt, bei der Flüchtlingsbewegung handle es sich tatsächlich um eine neue Völkerwanderung. Was genau meinen Sie damit? Fellmann: Der Unterschied zwischen Flüchtlingsströmen und Völkerwanderung liegt nicht in der enormen Anzahl von Menschen, die nach Europa kommen, sondern in der Qualität der Bewegung. In Analogie zur Völkerwanderung in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten ist die gegenwärtige Wanderung dabei, die Gesellschaft nachhaltig zu verändern. Dass die Politiker das nicht anerkennen, hängt mit dem Mangel an historischem Bewusstsein zusammen. Unser Gegenwartsbewusstsein verzerrt unsere Wahrnehmung des Fremden. Wir verurteilen heftig fremdenfeindliche Ausschreitungen, und das mit Recht. Doch die meisten von uns wohnen und leben in Verhältnissen, in denen sie mit Ausländern nicht wirklich konfrontiert werden. Bei der Fremdeneuphorie der Intellektuellen ist viel falsches Bewusstsein im Spiel. Wir halten es für ein Zeichen der Toleranz, dass muslimische Mädchen in der Schule Kopftücher tragen dürfen, aber wenn unsere eigenen Töchter sich so anziehen müssten, bekämen wir es doch mit der Angst. STANDARD: Wenn es nun diese neuzeitliche Völkerwanderung gibt, was bedeutet das für uns Europäer? Fellmann: Meine Antwort lautet: Sein oder Nichtsein. Wir sprechen zwar von Integration, aber in Wahrheit bahnt sich eine Transformation unserer Kultur an, vor der wir panische Angst haben. Angst essen Seele auf gilt nun auch umgekehrt für uns. Wir werden mit Wertvorstellungen konfrontiert, die unserem Liberalismus widersprechen, etwa mit der konservativen Rolle der Frau in der Familie, um nur ein Beispiel zu nennen, das mit dem Islam zusammenhängt. Dem hat unser überzogener Individualismus und Subjektivismus wenig entgegenzusetzen. Die Säkularisierung und die Verwandlung von Gotteshäusern in Konsumtempel zeigen Parallelen zur Dekadenz der Oberschicht im Weströmischen Reich bei der ersten Völkerwanderung. Byzanz hingegen war durch seine gesellschaftlichen Strukturen resistenter. Ich will nicht so weit gehen, zu behaupten, dass unsere Gesellschaft dekadent ist, aber es gibt doch Alarmsignale. Abschied vom Prinzipiellen, grenzenlose Freiheit durch Selbstverwirklichung, Liebe als Beziehungskiste, das sind alles Symptome dafür, dass unsere Demokratie in ein spätkulturelles Stadium eingetreten ist. Spätkulturen aber sind kaum in der Lage, auf Dauer dem Druck standzuhalten, der von institutionell gestützten Lebensformen außereuropäischer Kulturen ausgeht. STANDARD: Welche Folgen sind zu erwarten? Fellmann: Um diese Frage zu beantworten, müsste ich Prophet sein. Der Prophet gilt bekanntlich im eigenen Lande nichts, und schon gar nichts, wenn er so alt und konservativ ist, wie ich es nun einmal bin. Aber die wirklich revolutionären Ideen stammen immer von den Alten, die über die bloße Erinnerung hinaus ein historisches Bewusstsein entwickelt haben. Aus dieser Position der Vernunft, die den Subjektivismus übersteigt, kann ich so viel voraussehen: Europa wird durch die Wanderung der Völker aus Afrika und aus dem Nahen Osten wie damals das Weströmische Reich durch die Germanen in seinem Selbstverständnis neu geordnet. Nur müssen unsere Eliten zunächst einmal die Lage erkennen und die Sache beim Namen nennen. Völkerwanderung ist keineswegs nur eine Frage der Nomenklatur. Aus der richtigen Benennung (Richtigstellung der Namen ist ein Prinzip des Konfuzianismus, den ich sehr schätze) folgt die Bereitschaft, die eigenen Wertvorstellungen zu überdenken und an veränderte Lebensbedingungen anzupassen. Das muss nicht der Untergang des Abendlandes sein. Eher seine Wiederauferstehung aus den Ruinen unseres Lebensgefühls individueller Selbstverwirklichung, die in Wirklichkeit eine Flucht vor der Verantwortung gegenüber der geschichtlichen Wirklichkeit ist.
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8Kultur
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Herbert Fritsch wird nach seiner Karriere als Castorf-Schauspieler als Regisseur viel gefeiert. Mit Molières "Der eingebildete Kranke" gibt er am Samstag seinen lang erwarteten Burgtheater-Einstand. STANDARD: Was ist Bradypepsie? Fritsch: O Gott, da fängt schon das Hauptproblem an. Denn für mich ist nicht so sehr entscheidend, was ein Wort bedeutet, sondern vielmehr dessen Klang. Der vermittelt wesentlich mehr als das, was die Worte angeblich meinen. Deshalb inszeniere ich vor allem nach dem Klang, wie sich die Körper zu einem Klang bewegen. Was Bradypepsie genau ist, weiß ich jetzt gar nicht. Wohl so etwas Ähnliches wie Dyspepsie, Apepsie oder Hydropsie. STANDARD: Sämtliche Verdauungserkrankungen, an denen der eingebildete Kranke bei Molière zu leiden meint. Fritsch: Ja, genau, Wassersucht, Austrocknung, Durchfall usw. STANDARD: Molière, der sein Theater auch aus dem eigenen Spiel heraus entwickelte, passt sehr gut zu Ihrem Theaterverständnis. Warum hat es mit dem eingebildeten Kranken doch so lange gedauert? Fritsch: Um den eingebildeten Kranken habe ich einen großen Bogen gemacht – aus ganz persönlichen Gründen. Aber nachdem ich mit Joachim Meyerhoff in Hamburg Die Schule der Frauen gemacht habe, fasste ich Mut. STANDARD: Molières Truppe hat zu einer Zeit gespielt, als in Paris viele Ballhäuser in Theater umgewandelt wurden, auch das Palais Royale, in dem Le Malade imaginaire 1673 uraufgeführt wurde. Sehen Sie sich dieser Tradition des Feierlichen verpflichtet? Fritsch: Ich fühle mich jedenfalls von Molière vollkommen verstanden. Ich stehe aber sehr gern in der Tradition des Burgtheaters, Josef Kainz vergöttere ich. Das interessiert mich tausendmal mehr als viele moderne Sachen. Ich bin ein konservativer Regisseur. STANDARD: Gehen Sie an collagehafte Abende anders heran als an klassische Stücktexte? Fritsch: Nein, denn auch Abende mit Nummerncharakter, wie sie zum Beispiel in der Barockoper üblich waren, haben einen Bogen. Bei Molière ist das Stück ja auch zusammengesetzt aus einzelnen Uhrwerken. Lauter kleine Mechaniken, die ganz sauber funktionieren. So eine Komödienmaschine findet man in der zeitgenössischen Theaterliteratur kaum. Ich stehe aber voll ein für das So-tun-als-ob. Arm abhacken! Grimassen schneiden! Wir betrügen die Leute bis zum Gehtnichtmehr. STANDARD: Als Regisseur erspielen Sie mit dem Ensemble den Text. Einen Plan muss es aber geben. Fritsch: Es schwebte mir nichts vor. Ich wusste zu Beginn nur, dass ich Joachim Meyerhoff besetzen möchte. Erst die Schauspieler, die so nach und nach dazukommen, inspirieren mich und treiben alles weiter. Natürlich habe ich eine grundsätzliche Idee von Spielweisen. Ich bin ja nach wie vor nicht wirklich ein Regisseur, sondern ein Schauspieler. Und als solcher versuche ich die Spieler zu coachen. Ich habe also kein Konzept, in das ich Leute hineinzwänge. Ich will ermutigen zum Fratzenschneiden, zum Körperverrenken, um damit noch viel mehr zu erzählen. Es kommt doch immer auf das Dazwischen an. STANDARD: Können Sie dieses Dazwischen näher erklären? Fritsch: Die Commedia dellarte zum Beispiel: Ein Pärchen will zusammenkommen, der böse Onkel ist dagegen, dann kommen ein paar Hanswurste, machen Faxen, und am Ende können sie doch zusammen sein. Die Story ist immer simpel, aber das, was die Spieler dazwischen artistisch erzeugen, das sagt tausendmal mehr aus als die Worte im Text. Das Artistische ist für mich etwas sehr entscheidendes, die große Präzision, mit der Sachen stattfinden. Jede Szene muss ein Kunststück sein! Theater ist nicht der Ort der Dichterverehrung und Literaturzelebration. Theater entsteht im Theater, nicht am Schreibtisch. STANDARD: Ihr Theater wird oft als schrill oder überdreht beschrieben. Fühlen Sie sich zu eindimensional betrachtet? Fritsch: Ja, doch. Klamauk heißt es auch oft. Niemand würde Picassos Guernica als albern bezeichnen, auch wenn die einzelnen Figuren Witzfiguren sein könnten. Sie sagen dennoch etwas sehr Dramatisches aus. Ich denke, man könnte mit meinen Mitteln sicher auch eine Tragödie machen. Ich werde das eines Tages probieren. STANDARD: Sie mögen den Begriff Sprechtheater nicht. Wie werden Sie mit Moliére dagegen vorgehen? Fritsch: Bunt, laut und schnell. STANDARD: Sie schätzen das Pathos der Monologe von Alexander Moissi oder Josef Kainz und wollen keine Realitätsnähe auf der Bühne. Sind Sie gewissermaßen ein Befürworter des falschen Tons? Fritsch: Ja, in der Tat. Ich bin auch ein Befürworter von Bad Acting! Wenn das mit Selbstbewusstsein gemacht wird. Da steckt viel drin. Ich will diese ehrlichen Bilder brechen, sie zerreißen. Übrigens auch Fernsehbilder. Alle haben dort ein und dasselbe Gesicht, ein und dieselbe Pose; es gibt keinen Ausdruck mehr, keine Gestikulation. Wie langweilig! Wenn einer eine Grimasse schneidet, haben alle sofort Angst. Der Harlekin hat in manchen Masken an der Stirn noch die zwei Höcker, des Teufels Hörner. Früher musste der Teufelsdarsteller außerhalb des Friedhofs begraben werden, so viel Angst hatte man vor ihm. Das wirkt bis heute noch nach. Harlekins wurden hingerichtet für das, was sie gespielt, für die Freiheiten, die sie sich genommen haben. STANDARD: Was nimmt man von Ihrem Abend mit nach Hause? Fritsch: Das Theater macht uns nicht besser. Wir hätten genug Zeit gehabt, das Gegenteil zu beweisen. Ich finde es schön, dass das Theater verrucht, kriminell und bis zur Hysterie lustig sein kann. Es ist keine Universität, keine Schule, kein Krankenhaus, sondern ein kultischer Ort. Wir nehmen vom Theater keineswegs unser Päckchen schön mit nach Hause und sprechen dann nochmal darüber. Das ist völliger Blödsinn. Es muss nur eines: Spaß machen, ein Rausch sein.
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4Sport
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Die Regeln in Wolfsburg sind streng: "Das gibt eine Strafe". Wolfsburg – Fußball-Profi Nicklas Bendtner hat seinen Arbeitgeber VfL Wolfsburg mit einem Foto bei Instagram verärgert. Der Däne ist auf dem Bild mit einem Mercedes-Fahrzeug zu sehen. Dies kam beim VW-Club aus Wolfsburg nicht gut an. Das gibt eine Strafe, kündigte VfL-Geschäftsführer Klaus Allofs am Freitag an. Es war eine Sorglosigkeit. On my way to another session Ein von Nicklas Bendtner (@bendtner3) gepostetes Foto am 16. Feb 2016 um 13:17 Uhr Der Stürmer ist beim deutschen Bundesliga-Club schon mehrfach ins Fettnäpfchen getreten. Zuletzt stand er in Pflichtspielen gegen Ingolstadt und in der Champions League bei KAA Gent nicht im Kader. VfL-Trainer Dieter Hecking möchte über den früheren Arsenal-Angreifer nicht mehr reden. (APA; 19.2.2016)
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0Web
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Hersteller hoffen nach einem Umsatzeinbruch auf einen Schub für ihr Geschäft. Riesige Bildschirme mit Größen weit über einem Meter Diagonale, gebogene Displays und leuchtende Farben bis zum tiefsten Schwarz – die IFA in Berlin ist wieder traditionell die Bühne für die neuesten Flachbild-TV-Modelle. Die Hersteller hoffen nach einem Umsatzeinbruch um 16,5 Prozent auf 1,8 Mrd. Euro im ersten Halbjahr in Deutschland auf einen Schub für ihr Geschäft. Unter den Top-Geräten gehört die Bildschirmtechnologie Ultra-HD für besonders scharfe Bilder derzeit zum Standard. Doch auch an der nächsten Generation von Displays wird bereits intensiv gearbeitet. Organische Displays (OLED) werden ebenfalls auf der IFA zu sehen sein. Lange stand es in den Sternen, wann erste Fernseher in ausreichender Größe zur Marktreife kommen. Aber der südkoreanische Hersteller LG hat ehrgeizige Ziele. Mindestens 1,5 Millionen OLED-Fernseher will LG Electronics im kommenden Jahr in den Handel bringen. Das Unternehmen sieht in der Bildschirmtechnik die Zukunft und erhofft sich einen großen Schub für das Geschäft mit Displays. LG dürfte das einzige Unternehmen sein, das in Berlin große, serienreife Flachbildfernseher mit dieser Technologie zeigen wird. Die organischen LED-Displays ermöglichen es unter anderem, ein perfektes Schwarz wiederzugeben. Die Leuchtdioden benötigen keine zusätzliche Hintergrundbeleuchtung mehr, sodass die Farben deutlich brillanter – und zudem energiesparender – wiedergegeben werden können. Und die Dicke der Gehäuse orientiert sich im Prinzip nur noch daran, wie der Fernseher am besten einen guten Stand hat. Bisher war die Produktion von OLED-Displays vor allem in Größen, die für Fernseher benötigt werden, besonders aufwendig und teuer. Pioniere wie Sony hatten sich deshalb schon vor Jahren aus der Forschung zurückgezogen. Auch Samsung fuhr sein Engagement zunächst zurück und produziert zur Zeit nur OLED-Displays in kleinerem Format. Samsung sei zwar über alle Display-Größen hinweg gesehen einer der weltweit größten Hersteller von OLED-Bildschirmen, sagt Kai Hillebrandt, Manager der Unterhaltungselektroniksparte von Samsung Deutschland. Für das TV-Geschäft werde OLED aber auf der diesjährigen IFA kein Thema bei Samsung sein. Der Markt für Ultra-HD wachse derzeit sehr dynamisch. Das entscheidende Kriterium beim Kauf eines Fernsehers ist die Bildschirmqualität, sagte Hillebrandt. Wir brauchen nicht mehr, sondern schönere Pixel. Die hauseigene Technologie SUHD etwa optimiert in aktuellen Ultra-HD-Displays die Farbqualität. Dabei soll die Technik Nano Crystal für bessere Farben sorgen – und nun auch in Mittelklasse-Geräten zur Verfügung stehen. Mit neuen Streaming-Angeboten erhält Ultra-HD laut Hillebrand einen weiteren Schub. Bisher konnten zwar die Geräte entsprechende Inhalte darstellen, aber in Ultra-HD aufgenommene Filme gab es allenfalls über einige Demo-Kanäle. Die Fernsehanstalten haben gerade erst in teures Equipment für den Standard Full-HD investiert. Online-Anbieter wie Netflix dagegen bieten bereits heute zahlreiche Inhalte in Ultra-HD. Das Internet verändert alles, sagte vor einigen Wochen Noesjka van der Helm von Netflix. Der Fernsehzuschauer will heute selbst entscheiden, was er zu welcher Uhrzeit sieht, sagt Hillebrandt. Das Nutzerverhalten habe sich deutlich verändert. 42 Millionen Menschen in Deutschland nutzten heute schon Streaming-Dienste. Ein Viertel greife auch auf Portale mit Bezahl-Angeboten zu. Ein Internet-Anschluss am Fernsehgerät gehört denn auch quasi zur Standardausstattung der modernen Flachbildfernseher. Laut Gesellschaft für Unterhaltungselektronik gfu steht mit rund 18 Millionen verkauften Geräten inzwischen in 42 Prozent aller Haushalte in Deutschland mindestens ein sogenanntes Smart-TV. Rund 70 Prozent von ihnen sind auch tatsächlich ans Netz angeschlossen. Bei den Betriebssystemen gehen die Hersteller verschiedene Wege. Während Philips und inzwischen auch Sony Googles Android nutzen, setzt Samsung künftig auf das eigene Betriebssystem Tizen. Konkurrent LG aus Südkorea nutzt dagegen das einstige Smartphone-System WebOS des Taschencomputer-Pioniers Palm und Panasonic das System von Firefox. Ob sich bei so viel neuen Möglichkeiten und ultrascharfen Bildern auch die Verbraucher zum Kauf eines neuen Gerätes animieren lassen und der Branche wieder Aufschwung geben, bleibt abzuwarten. Der Fernseher sei in der Unterhaltungselektronik noch immer das meist genutzte Gerät, sagt Hans-Joachim Kamp, Aufsichtsratsvorsitzender der gfu. Und es seien heute dank der Möglichkeiten von Software-Updates über das Netz zukunftssichere Produkte. Da hat die Industrie kräftig dazugelernt.
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4Sport
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Titelverteidiger FC Sevilla gegen Donezk. Nyon – Liverpool trifft im Halbfinale der Europa League auf Villarreal, Titelverteidiger FC Sevilla bekommt es mit Schachtar Donezk zu tun. Das ergab die Auslosung am Freitag in Nyon. Die Reds treten zunächst in Spanien an, Sevilla bestreitet das Hinspiel ebenfalls auswärts. Spieltermine sind der 28. April und der 5. Mai, das Finale findet am 18. Mai in Basel statt. (APA, 15.4.2016) Europa League, Halbfinal-Auslosung: Schachtar Donezk – FC SevillaVillarreal – FC Liverpool Hinspiele am 28. April, Rückspiele am 5. Mai (jeweils 21.05 Uhr MEZ) Finale am 18. Mai in Basel
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4Sport
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Fettner, Poppinger, Kofler qualifizieren sich für Mittwoch-Konkurrenz. Trondheim – Österreichs Skisprung-Team wird am Mittwoch (17.00 Uhr) beim Weltcupbewerb in Trondheim mit allen fünf angereisten Adlern vertreten sein. Manuel Fettner (130,0 m) belegte am Dienstag in der Qualifikation Rang elf, Manuel Poppinger (128,0) wurde 15. und Andreas Kofler (123,0) kam als 24. unter die Top 40. Die qualifiziert gewesenen Stefan Kraft und Michael Hayböck verzichteten auf ein Antreten. Weitester der Qualifikation und auch Bester der Ausscheidung war Daiki Ito mit 135,5 m. Von den Vorqualifizierten sprangen allerdings der slowenische Weltcup-Leader Peter Prevc (142,0), der Norweger Johann Andre Forfang (140,0) und der japanische Altmeister Noriaki Kasai (137,0) weiter. Im Training war Kraft auf 137,0 und 136,0 m gekommen, Hayböck auf 134,5 und 132,0 m. Kraft war damit im ersten Durchgang der Weiteste, im zweiten war es der Deutsche Severin Freund mit 137,5 m.
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7Wissenschaft
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Fairbanks – Bisher ging man davon aus, dass die eiszeitlichen Ureinwohner Nordamerikas primär Großwild jagten – ein Irrtum, wie aktuelle Funde zeigen: Im Fachblatt PNAS präsentierten US-Forscher nun Belege dafür, dass Menschen in Alaska bereits vor 11.500 Jahren im großen Stil nach Lachsen gefischt haben. AbstractPNAS: Early human use of anadromous salmon in North America at 11,500 y ago
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5Inland
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Michael Schickhofer wurde mit 94,8 Prozent zum neuen SPÖ-Landesvorsitzenden gewählt. Stillen Protest gab es bei der Faymann-Rede. Spielberg – Die Location für diesen Parteitag war mit einer Menge Power aufgeladen: PS-starke Formel-1-Boliden, hohe Geschwindigkeit, draufgängerische Kerle. Und als Kraftstoff der populärste Energydrink. Die Parteitagsregie der steirischen SPÖ hatte am Samstag den Red Bull-Ring in Spielberg für die Kür ihres neuen Vorsitzenden Michael Schickhofer gewählt. Die gewünschte Assoziation war klar: Der junge Nachfolger des ehemaligen Landeshauptmannes Franz Voves sollte in dem kraftstrotzenden Ambiente als energiegeladene Zukunftshoffnung präsentiert werden. Alle waren gekommen, bis auf einen: Franz Voves, der alte Parteivorsitzende und ehemalige Landeshauptmann. Kein Grußwort von ihm, nichts. Er wolle sich bis auf weiteres aus dem politischen Geschehen heraushalten, hatte er intern ausrichten lassen. Michael Schickhofer, der noch von Voves zum Nachfolger bestimmt worden ist, springt in jugendlicher Frische hinaus aufs Rednerpodium. Füreinander da sein, ruft der 36 Jahre alte Politiker – fast ein wenig bittend – gleich eingangs ins Publikum. Schickhofer stellt sich als Praktiker, als Umsetzer vor, der weniger vom Theoretisieren hält: Net gscheit reden, sondern tun, ist unsere Devise. Vor allem hier in der Obersteiermark, in der alten Industrieregion gelte es anzupacken und neue Arbeits- und Lehrplätze zu schaffen. In diesem Sinne seien Lehrlingsheime von gleicher Bedeutung wie das beste Studentenheim. Bei der Aufzählung der bisherigen politischen Aktivitäten in den Bezirken huscht einmal ganz kurz das Wort Voves über seine Lippen. Er wolle Danke an Franz Voves sagen. Die rund 400 Delegierten reagieren mit höflichem, aber verhaltenen Applaus. Damit ist das Kapitel Voves an diesem Parteitag abgehakt. Die steirische SPÖ wird wohl noch einige Therapiesitzungen einschieben müssen, um ihr noch sehr belastetes Verhältnis zu ihrem ehemaligen Vorsitzenden aufzuarbeiten. Denn dass Voves nach der Landtagswahl 2015 den Landeshauptmannsessel freiwillig an die ÖVP abgegeben hat, obwohl seine Partei stimmenstärkste Partei geblieben war, drückt nach wie vor schwer auf das Selbstbewusstsein der Partei, die seither im Bundesland wieder nur die undankbare Rolle als Juniorpartner spielen darf. Inhaltlich fährt Schickhofer den gleichen Kurs wie Voves seinerzeit: Gegen Reiche, für Umverteilung. Es zipft mich an, wie Konzerne mit der Marie abfahren. Die schicken das Geld um die Welt und es kommt steuerfrei zurück. Was macht Starbucks? Unsere Wirte haben dagegen keine Chance, die müssen ihren Kaffee versteuern, wettert Schickhofer, der schließlich von 94,8 Prozent, also 400 der 422 Delegierten zum neuen Vorsitzenden gewählt wird. Unerwähnt bleiben kann natürlich nicht das Thema Flüchtlinge. Immerhin verfügt die Steiermark mit dem Grenzübergang Spielfeld über einen Hotspot. Schickhofer wiederholt an die Adresse Werner Faymanns die Forderung, dass die Steiermark, dass die Weinberge nicht zur Pufferzone werden dürfen. Der angesprochene Kanzler, der mit Präsidentschaftskandidaten Rudi Hundstorfer nach Spielberg gekommen war, weiß natürlich um die nicht gerade leichte Aufgabe Schickhofers, die steirische Partei nach diesen Verwirrungen nach der Wahl zusammenzuhalten. Schickhofer habe die Partei in einer schwierigen Zeit übernommen. Am Wahlabend hätten ja noch viele gemeint, die SPÖ wird weiter den Landeshauptmann haben. Für ihn sei das alles nicht absehbar gewesen, wie die Verhandlungen in der Steiermark zwischen ÖVP und SPÖ abgelaufen sind. Gut, das Ergebnis sei jetzt ja bekannt und Schickhofer hat jetzt die Aufgabe, das herauszuholen, was wichtig ist: Geschlossenheit. Faymann: Ich weiß, wie schwierig es ist, die Partei zusammenzuführen und wie leicht, sie auseinander zu dividieren. Den Rest seiner Parteitagsgrußworte widmet Faymann der von ihm immer wieder propagierten Forderung nach Verteilungsgerechtigkeit. Er plädiert einmal mehr für einen starken Staat, für ein aktives Einmischen der Politik. Faymann: Die Erben können noch Generationen leben, ohne arbeiten zu müssen. Wir Sozialdemokraten stehen auf der anderen Seite. Auf jener, die Hilfe brauchen. Und dann folgt eine längere Huldigungsadresse an Rudolf Hundstorfer. Arbeitnehmer bräuchten keine arroganten Ratschläge, sondern Herz und Hirn für unser Land. Worüber eben ein Rudi Hundstorfer verfüge. Der frisch gekürte SPÖ-Präsidentschaftskandidat präsentiert sich schließlich schon ganz mit präsidialer Tonalität: Ich möchte mich als Bundespräsident auch in Europa um die Erhaltung der politischen Handlungsfähigkeit engagieren. Wollen wir eine Spaltung der Gesellschaft oder halten wir zusammen? Deshalb macht es einen Unterschied, wer Präsident ist. Ich bin für ein Miteinander, für eine offene Hofburg als Ort des Dialogs. Ich bin für eine politische Kultur, auf die Österreicher stolz sein können.
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4Sport
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Capitals siegten in Dornbirn. Wien – Die Black Wings Linz haben am Samstag ihre Favoritenrolle im Duell mit den Innsbrucker Haien souverän bestätigt. Die Linzer gewannen dank sieben Powerplay-Treffern mit 7:0 und bauten ihre Führung in der Erste Bank Eishockey-Liga vor Red Bull Salzburg auf vier Punkte aus. Weitere vier Punkte zurück liegt der Dornbirner EC nach einem 3:4 gegen die Vienna Capitals. Die Innsbrucker standen in Oberösterreich auf verlorenem Posten. Gegen das Team mit der besten Defensive und dem besten Powerplay der Liga leisteten sich die Haie zu viele Fouls (27 Minuten) und bekamen prompt die Rechnung präsentiert. Die erste Linie der Black Wings traf in Überzahl fast nach Belieben. Doppelschläge von Brett McLean (innerhalb von 39 Sekunden) und Andrew Kozek (innerhalb von 2:19 Minuten) sowie ein Treffer von Dan DaSilva sorgten schon bis zur 26. Minute für klare Fronten. Die Tiroler, die bei ihren Schüssen (insgesamt 42:30 für Linz) glücklos blieben, mussten mit der neunten Liga-Niederlage in Folge die Heimreise antreten. Dornbirn blieb hingegen erstmals nach zehn Matches ohne Punkt. Dreimal machten die Gastgeber einen Rückstand wett, auf das 4:3 durch Kurtis McLean (48.) fanden sie aber keine Antwort mehr. Die Capitals, die am Vortag in Innsbruck mit dem gleichen Resultat gewonnen hatten, sind Sechste, haben aber ein Spiel mehr (28) als die Konkurrenten ausgetragen. (APA, 5.12.2015) EHC Black Wings Linz – HC Innsbrucker Haie 7:0 (2:0,3:0,2:0)Keine Sorgen Eisarena, 4.865. Tore: B. McLean (11./PP2, 12./PP), Kozek (22/PP., 24./PP), DaSilva (27./PP), Ulmer (50./PP), Spannring (57./PP). Strafen: 13 bzw. 27 Dornbirner EV – Vienna Capitals 3:4 (1:2,2:1,0:1)Messestadion, 2.240. Tore: Petrik (5.), Macierzynski (28.), Greentree (36.) bzw. Gamache (3./PP), Sharp (20., 33./PP), K. McLean (49.). Strafen: 10 bzw. 12.
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7Wissenschaft
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Die österreichische Fußball-Nationalmannschaft hat eine Welle der Begeisterung entfacht. Forscher fragen, wer denn die Fans von heute sind und was sie bewegt. Wien – Sepp Herberger drückte es mit der von ihm gewohnten philosophischen Note aus: Die Leute gehen zum Fußball, weil sie nicht wissen, wie es ausgeht. Natürlich beschrieb der in den 1950er- und 1960er-Jahren höchst erfolgreiche Teamchef der deutschen Nationalmannschaft eine entscheidende Motivation für den Besuch des Spiels, die einzige ist es selbstverständlich nicht: Fußball setzt Emotionen frei, Fußball verbindet, Fußball bringt, wenn es um Vereinsspiele geht, auch eine Struktur in den Fan-Alltag: Jede Woche zum Spiel gehen und andere Fans treffen, das ist ein Fixpunkt in vielen Terminkalendern. Das alles ist längst gut erforscht, dennoch scheint es immer wieder neue Fragen zu geben, die das Interesse von Wissenschaftern wecken – etwa im Zusammenhang mit den jüngsten Erfolgen der österreichischen Nationalmannschaft und der dadurch entfachten Begeisterung. Fragen, die sich auf die Tribüne im Stadion konzentrieren. Sind die Emotionen der Fans im Stadion alle spontan oder choreographiert? fragt zum Beispiel der Soziologe Roman Horak. Er meint, dass man als Zuschauer von Spielen der Nationalmannschaft ein rot-weiß-rotes Fähnchen erhält, um im Verbund mit anderen Zuschauern als Fahnenmeer im Bedarfsfall Eindruck zu machen. Die Art des Jubels sei von oben verordnet, sagt der Wissenschafter, der an der Universität für angewandte Kunst und an der Uni Wien lehrt. Fans von Klubmannschaften hätten diese strukturierte Choreographie nicht nötig, sie würden sich selbst einiges einfallen lassen, was der Ethnologe Jochen Bonz von der Uni Innsbruck bestätigen kann. Er forschte unter den links orientierten Ultras von Werder Bremen oder Wacker Innsbruck. Man würde T-Shirts oder Fahnen selbst gestalten und einen Wettstreit abseits des Spielfelds bestreiten: Wer war der Kreativste von allen? Verordneter Jubel Die bei Spielen der Nationalmannschaft dagegen praktizierte Steuerung von Fanverhalten habe seine Wurzeln in US-amerikanischen Sportshows, sagt Horak. Bei Basketballspielen würde auf digitalen Anzeigen groß aufscheinen, welche Anfeuerungsrufe man sich von den Zuschauern gerade erwarte. Da steht dann Defense – und alle rufen Defense!. Aus der Fußballkultur kommt das nicht. Die Ethnologin Nina Szogs von der Universität Wien hat trotzdem Verständnis für vorgefertigte Fanchoreografien bei Spielen der österreichischen Nationalmannschaft. Das Verhältnis der Österreicher zu ihrer Nationalmannschaft war über viele Jahre von Resignation geprägt. Szogs hat in einem internationalen Team bis zum heurigen Jahr im EU-Projekt FREE (Football Research in an Enlarged Europe) gearbeitet. Dabei wurden Fankulturen während der Europameisterschaft 2012 in Polen und in der Ukraine und während der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien untersucht. Interessant sei dabei nicht zuletzt das Verhalten der österreichischen Zuschauer in Public-Viewing-Bereichen gewesen, und zwar gerade, weil die Nationalmannschaft in beiden Fällen nicht qualifiziert war. Szogs spricht von sekundärem Fantum. Spielerische Feindschaft Viele Österreicher waren dem Underdog beim jeweiligen Spiel zugeneigt. Mitunter habe man die jeweilig bevorzugte Mannschaft nach den Wurzeln der Väter oder Mütter gewählt – im Fall von Kroatien habe man das beobachten können. Wenn Deutschland spielte, waren viele Zuschauer für das jeweils andere Team. Diese spielerische Feindschaft sei im klassischen Fußballfan hierzulande tief verwurzelt, sagt Szogs. Interessant sei nun die Entwicklung einer neuen Fankultur mit den jüngsten Erfolgen der österreichischen Nationalmannschaft zu beobachten. Die neue Begeisterung hängt natürlich mit dem Erfolg zusammen. Im Klubfußball ist das anders: Da gehen eingefleischte Fans auch zum Spiel, wenn es einmal nicht so gut läuft. Man trifft sich also auch, um danach gemeinsam die Niederlage zu besprechen und sich vom Frust zu befreien. Partei ergreifen Fußball setzt Emotionen frei und verbindet Zuschauer zu Gemeinschaften, die es abseits des Sports vielleicht in dieser Form nicht gäbe. Nina Szogs spricht von gemeinsamen emotionalen Praktiken. Man lacht gemeinsam, jubelt, weint, ärgert sich, schweigt betroffen oder singt gemeinsam Lieder. Wie zuletzt in Schweden: Oh, wie ist das schön! Und man bekennt sich zu einer Gruppe: Wer Fußball schaut, muss Partei ergreifen, hat sinngemäß schon der Volkskundler Hermann Bausinger gesagt und damit in einfachen Worten klar gemacht, dass Fußball ein antagonistisches Spiel ist, wie es Jochen Bonz ausdrückt. Wer Partei ergreift, identifiziert sich logischerweise. In der modernen Gesellschaft braucht es durchaus solche Identifikationsmöglichkeiten. Die scheint es nun im österreichischen Nationalteam zu geben – ob sie nun David Alaba, Zlatko Junuzovic oder Marcel Koller heißen. Für Roman Horak ist die entscheidende Frage aber: Wer sind nun die Fans der österreichischen Nationalmannschaft? Sind es immer noch die Lederhosennationalisten früherer Jahre oder sind es Repräsentanten eines modernen Einwanderungslandes, wie man sie auch im Nationalteam dank Fußballern wie Junuzovic, Yasin Pehlivan oder Marko Arnautovic findet. Für Szogs sind Migranten im Publikum von Fußballspielen noch stark unterrepräsentiert. Das habe nicht zwingend etwas mit den finanziellen Mitteln zu tun. Die Schlussfolgerung, Migranten seien hauptsächlich in schlecht bezahlten Job und könnten sich daher Tickets oder gar Flüge zu Auswärtsspielen nicht leisten, sei zu kurz gegriffen und nicht ausschlaggebend für die geringe Anteilnahme am Fußball. Es hat bisher einfach an Identifikationsfiguren gefehlt, sagt sie. Für Horak bleibt aber die Frage zu klären, wie man diese Leitbilder in der Gesellschaft darstellt. Die Gefahr sei groß, dass man einen Junuzovic oder einen Dragovic als Onkel Tom missbraucht und sie denen gegenüberstellt, deren Integration in die Gesellschaft nicht ganz so leichtfällt, wie es bei Profifußballern der Fall ist.
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Die menschliche Muttermilch ist mit mehr als 200 verschiedenen Zuckermolekülen die komplexeste Muttermilch aller Säugetiere. Zürich/Wien – Vor gut einem Jahr machte ein skurriler Trend bei Bodybuildern auch medial die Runde: Um Muskeln wachsen zu lassen, war plötzlich Muttermilch die angesagte Nahrungsergänzung. Bei Medizinern sorgte die Praxis für Kopfschütteln, auch deshalb, weil Muttermilch ein rares Gut ist: Ein Liter kostet in Österreich rund 70 Euro. Wie wichtig die kostbare Emulsion für Babys ist, zeigen die Schweizer Forscher Thierry Hennet und Lubor Borsig (Uni Zürich) in einem Überblicksartikel für das Fachblatt Trends in Biochemical Sciences. Eine der wichtigsten Erkenntnisse: Mit mehr als 200 verschiedenen Zuckermolekülen besitzen Menschen die komplexeste Muttermilch aller Säugetiere. In den ersten Tagen nach der Geburt diene die Muttermilch freilich weniger dazu, die Ernährung des Babys sicherzustellen. Stattdessen dürften die zahlreichen Zuckermoleküle gezielt die Besiedelung des bis dahin keimfreien Darms der Neugeborenen mit Bakterien anregen. Babys haben keine Maschinerie, um diese Zucker zu verdauen, die eigentlich für die Bakterien sind, so Hennet, der den Darm mit einem Saatboden vergleicht und die Muttermilch mit Dünger. Im Verlauf der Stillzeit ändert sich dann die Zusammensetzung der Zuckermoleküle in der Muttermilch. Damit verändert sich auch die Zusammensetzung des Mikrobioms. Die Bedeutung dieser Bakteriengemeinschaft im Darm wurde erst in den letzten Jahren so richtig klar: Sie ist nicht nur für die Darmgesundheit mitverantwortlich, sondern beeinflusst auch den Stoffwechsel und damit die Entstehung von Übergewicht oder Asthma. Zudem unterstützt Muttermilch die Entwicklung des kindlichen Immunsystems: Direkt nach der Geburt enthält sie einen besonders hohen Anteil an bioaktiven Proteinen, etwa Antikörper, Cytokine, Defensine oder Lactoferrin. Dieser Mix bremst das Wachstum von Krankheitserregern, bis das kindliche Immunsystem ab etwa einem Monat nach und nach selbst die Abwehr von Krankheitserregern übernimmt. Die Zahl der mütterlichen Antikörper in der Milch sinkt dann drastisch um etwa 90 Prozent. Seitdem es Milchersatznahrung gibt, sind das Stillen und Muttermilch Gegenstand ideologischer Auseinandersetzungen geworden: Trotz der überwiegend positiven Effekte der Muttermilch wachsen Babys auch ohne sie völlig gesund auf. Die Frage, wie lange gestillt werden soll, beantworten die Forscher salomonisch: Wir glauben, Familien sollten diese Entscheidung treffen, nicht Wissenschafter.
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Drei Komponenten sind notwendig, um die misstrauischen Tiere in trügerischer Sicherheit zu wiegen. Burnaby – Wanderratten (Rattus norvegicus) stehen nicht nur ganz oben auf der globalen Liste der Bioinvasoren und haben verheerende Auswirkungen auf die Ökosysteme, in die sie vom Menschen eingeschleppt wurden. Sie sind auch Ernteschädlinge, Krankheitsüberträger und lösen Allergien aus. Und zu allem Überfluss sind sie auch noch recht intelligent und verstehen es daher in ihrem – berechtigten – Misstrauen nur allzu oft, Fallen, die ihnen der Mensch stellt, zu vermeiden. Darum ist eine neue Form von Rattenfalle, die Forscher der kanadischen Simon Fraser University entwickelt haben, auch eine ziemlich aufwendige Konstruktion, die auf mehrere Komponenten setzt (ein Foto finden Sie hier). Dazu gehört zum einen die Erzeugung von Rattenbabylauten – ein spezieller Algorithmus wurde entwickelt, um diese in natürlich wirkenden Zufallsabständen zu produzieren. Zweite Komponente ist ein synthetisches Replikat des Sexualpheromons männlicher Ratten. Geräusche und Geruch sollen weibliche Ratten in die Falle locken, indem sie ihnen vorgaukeln, dass es dort aufgrund der vermeintlichen Anwesenheit von Artgenossen sicher sei. So sollen sie dazu gebracht werden, das in der Falle angebotene Futter zu fressen, wodurch ein tödlicher Schnappmechanismus ausgelöst wird. Auf Gift wird verzichtet – Giftfallen haben den Nachteil, dass die toten Ratten von Raubtieren angefressen werden, welche dann ebenfalls dem Gift zum Opfer fallen können. Der an dem Projekt beteiligte Biologe Gerhard Gries, der sich schon erfolgreich mit einer ähnlich gearteten Methode zur Bekämpfung von Bettwanzen beschäftigt hat, fasst es so zusammen: Wir beginnen Rattisch zu sprechen. Die Forscher haben mit einem kanadischen Industrieunternehmen kooperiert, das sich die Rechte für eine kommerzielle Anwendung der Rattenfalle gesichert hat – bei den Wanzenfallen ist eine solche bereits in Arbeit.
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Die zahllosen zurechtgeschliffenen Steine auf Rapa Nui dienten doch nicht als Spitzen der gefürchteten Kurzspeere, sondern wohl für friedliche Zwecke. Binghamton/Wien – Als holländische Seefahrer am Ostersonntag 1722 auf Rapa Nui landeten – weshalb die Insel Osterinsel heißt –, war es um die lokale Bevölkerung gar nicht gut bestellt. Die Bewohner hatten es aufgegeben, weitere Steinstatuen (die sogenannten Moai) aufzustellen, für die das isolierte Eiland zwischen Polynesien und Chile weltbekannt ist. Sie begannen sogar damit, die Statuen umzuwerfen und ihre Kultstätten zu zerstören. Weshalb es dazu kam, ist stark umstritten. Forscher wie Jared Diamond gehen davon aus, dass es zunächst zu einem ökologischen Kollaps kam und dann zu Stammeskriegen zwischen 1500 und 1700 – von Kevin Costner in Rapa Nui auch verfilmt. Ein Indiz für die Kriege waren die Funde unzähliger scharfer Objekte aus dem vulkanischen Gesteinsglas Obsidian. Sie wurden als Mataa bezeichnet und bisher als Spitzen für Kurzspeere interpretiert. Carl Lipo, Anthropologe der Uni Binghamton im US-Bundesstaat New York, spricht sich nun im Fachblatt Antiquity gegen diese Theorie aus. Er analysierte mit seinem Team die Gestalt der Obsidianobjekte und fand heraus, dass die Spitzen im Gegensatz zu anderen traditionellen Waffen nicht systematisch geformt waren. Sie dürften also eher nicht für den Kampf getaugt haben. Man könnte jemanden mit einem Mataa schneiden, aber die Verletzung wäre in keiner Weise tödlich, sagt Lipo. Wahrscheinlicher sei, dass die Inselbewohner sie zur Verarbeitung von Pflanzen oder für rituelle Aufgaben wie das Tätowieren nutzten.
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Warum die Tiere Laute ausstoßen und wer sie hören kann. Wien – Eigentlich unterscheidet sich Ultraschall nicht von dem Schall, den auch wir Menschen hören können – er wird nur in Frequenzen erzeugt, die außerhalb unserer Wahrnehmung liegen, also höher als 20.000 Hertz (unsere untere Schallschwelle liegt bei 20 Hertz). Fledermäuse und Delfine sind dafür bekannt, diesen Bereich für Orientierung und Kommunikation zu nutzen – doch auch die meisten Nager bedienen sich des Ultraschalls, wenn auch gewöhnlich nicht in so elaborierter Form wie Mäusemännchen. Erst vor rund zehn Jahren entdeckten kanadische Wissenschafter, dass manche Individuen des Richardson-Ziesels (Spermophilus richardsonii) sich eigenartig zu verhalten schienen: Bei Sichtung eines Feindes bewegten sie sich ganz so, als würden sie ihre üblichen, auch für Menschen deutlich hörbaren Warnrufe ausstoßen – klangen aber, als würden sie flüstern. Wie sich herausstellte, warnten sie ihre Artgenossen sehr wohl, allerdings mit rund 50.000 Hertz. Die anderen Tiere reagierten darauf mit erhöhter Wachsamkeit. Die kanadischen Ziesel sind aber auch im für uns hörbaren Bereich alles andere als schweigsam. Sie verfügen über ein großes Repertoire an Lauten, die sie in verschiedenen Kombinationen einsetzen. Dazu gehören Alarmsignale, die einen Bodenfeind ankündigen, und andere, die auf einen Angreifer aus der Luft aufmerksam machen. An sie kann im Bedarfsfall ein Laut angehängt werden, der sich wie das englische Wort Chuck anhört und die Dringlichkeit der Warnrufe erhöht. Warnrufe, die auch der Feind hören kann, haben allerdings den Nachteil, dass der Warner selbst damit auf sich aufmerksam macht und daher Gefahr läuft, der Gefahr als Erster zum Opfer zu fallen. Möglicherweise stellt Ultraschall daher eine Art Stealth-Modus der Akustik dar: Um die hohen Frequenzen wahrnehmen zu können, braucht es unter anderem eine komplexe Veränderung des Innenohrs. Viele Beutegreifer können sie daher nicht oder nur eingeschränkt hören, was dem Warnrufer einen wesentlichen Vorteil verschafft. Davon abgesehen, wird Ultraschall leicht von kleinen Objekten reflektiert und abgelenkt, wodurch seine Quelle schwer zu lokalisieren ist. Allerdings hat er nur eine recht kurze Reichweite, was einer der Gründe sein dürfte, dass Warnrufe nicht ausschließlich auf diesen Frequenzen erfolgen. Im Ultraschallbereich liegen auch die Rufe vieler Nagerjungen, so etwa bei diversen Mäuse- und Rattenarten: Sie alarmieren damit in unangenehmen oder beunruhigenden Situationen ihre Mütter. Die Neurotransmitter, die dabei bei Hausmäusen zum Einsatz kommen, ähneln übrigens stark jenen, die auch beim Menschen für Ängstlichkeit verantwortlich sind. Interessanterweise sind die Mäusekinder imstande, ihr Rufverhalten an die jeweilige Situation anzupassen: Kommt ein bis dahin isoliertes Junges kurz mit seiner Mutter in Kontakt und wird dann wieder von ihr getrennt, beginnt es deutlich intensiver zu rufen. Wird es jedoch mit einem unbekannten Männchen konfrontiert, stellt es das Rufen ein, und zwar mit gutem Grund: Fremde Mäuseriche sind die häufigste Todesursache von Nestlingen. Lautäußerungen treten jedoch nicht nur in bedrohlichen Zusammenhängen auf: Von heranwachsenden Wanderratten weiß man, dass sie Laute von rund 50.000 Hertz beim Spielen und Balgen erzeugen, oder auch wenn sie von Menschen gekitzelt werden. Erwachsene Ratten beiderlei Geschlechts geben beim Sex ebenso Ultraschallrufe von sich wie Goldhamster, Lemminge und viele Feldmäuse. Von den Ratten weiß man ja auch, dass diese Lautäußerungen eine Rolle dabei spielen, das Verhalten der Sexualpartner zu koordinieren. Unter Goldhamstern gilt ein ähnliches Prinzip: Weibchen verharren länger in Kopulationsstellung, wenn die Männchen Laute im Ultraschallbereich von sich geben. Übrigens gab es vor etwa neunzig Jahren ein Mäusemännchen in Detroit, das auch für uns Menschen hörbar sang. Der Hausbesitzer fing es ein und führte es einer ihm bekannten Musikerin vor, die sich jedoch unbeeindruckt zeigte: Die Töne schienen ihr nicht rein genug. Der Mäuserich wurde Wissenschaftern überantwortet, die ihn schließlich mit Labormäusen kreuzten, aber enttäuscht feststellen mussten, dass sich sein Talent nicht auf seine Nachkommenschaft übertrug.
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Neuartiger Schalter auf Nanometer-Skala von Forschern der TU Wien mitentwickelt. Wien – Einen Transistor, der aus einem einzigen Molekül besteht und mit nur einem Elektron schaltet, hat ein schweizerisch-österreichisches Forscherteam entwickelt. Es handelt sich um organische Designermoleküle mit eingebauten Metallatomen, berichten die Wissenschafter aktuell im Fachjournal Nature Nanotechnology. Transistoren, fundamentale Bauteile in der Elektronik, bestehen üblicherweise aus Siliziumkristallen, die mit anderen Atomsorten dotiert sind. Grundsätzlich funktionieren sie wie ein Schalter und können Strom zwischen zwei Elektroden fließen lassen oder nicht. Betätigt wird der Schalter durch eine Spannung an einer dritten Elektrode. Silizium-Transistoren haben deshalb drei Kontakte: Von einem kommt der Strom, im zweiten kann er abfließen und am dritten – dem sogenannten Gate – wird mittels der angelegten Spannung der Stromfluss ein- und ausgeschaltet. Anfang der 1970er-Jahre waren auf einem Chip ein paar Tausend Transistoren untergebracht. Durch die fortschreitende Miniaturisierung können heute auf einen Prozessor mehrere Milliarden Transistoren gepackt werden. Doch die Siliziumtechnologie stößt zunehmend an physikalische Grenzen. Bei extrem kleinen Kristallen hat man keine ausreichende Kontrolle mehr über die elektronischen Eigenschaften, sagt Robert Stadler vom Institut für Theoretische Physik der Technischen Universität (TU) Wien. Gemeinsam mit Wissenschaftern der Universität Zürich und des IBM Forschungslabors in Rüschlikon hat Stadler einen Transistor entwickelt, der auf grundlegend andere Weise funktioniert und nur aus einem einzigen Molekül besteht: Es handelt sich dabei um ein organometallisches Molekül, das Chemiker in Zürich entwickelt haben. In dessen Mitte haben sie ein Molybdän-Atom platziert. Wie ein Silizium-Transistor lässt sich so ein Molekül zwischen zwei verschiedenen Zuständen hin und her schalten. Die Leitfähigkeit der beiden Zustände unterscheidet sich dabei um das Tausendfache, ein so großer Faktor sei mit molekularen Transistoren bisher noch nie realisiert worden, so Stadler. Aufgrund des speziellen Designs und der Eigenschaften des molekularen Transistors sind auch nur zwei Goldkontakte notwendig, die die Wissenschafter an die zweieinhalb Nanometer langen Moleküle anbringen. Eine dritte Elektrode wie bisher ist nicht notwendig. Aufwendige Computersimulationen am Vienna Scientific Cluster (VSC), die von Stadler und Kollegen durchgeführt wurden, konnten die Vorgänge in dem Molekül auf quantenphysikalischer Ebene entschlüsseln. Es zeigte sich, dass ein einzelnes Elektron am Molybdän-Atom für die Schaltung verantwortlich ist. Noch eigne sich die Technologie nicht für den kommerziellen Einsatz, der Molekül-Transistor arbeite derzeit nur bei tiefen Temperaturen und im Ultrahochvakuum, so der Forscher. Bei IBM arbeite man aber schon an Konzepten, um mehrere solche Moleküle in Nanoporen auf einem Silizium-Chip aufzubringen, sodass sie unter gewöhnlichen Umgebungsbedingungen funktionieren.
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Aus Syrien kommen täglich neue Kriegsflüchtlinge, aber auch jene in den "Warteräumen ", besonders in der Türkei, wollen weiter, um ein neues Leben im Westen zu beginnen. Eine irakische Facebook-Kampagne – mit bisher überschaubarer Anhängerschaft, aber man weiß, wie schnell sich das ändern kann – mit dem Namen Ich wandere nicht aus zeigt, wie komplex die Verhältnisse sind, die nun endgültig aus dem Nahen Osten zu uns übergeschwappt sind. Im Bericht von Al-Arabiya über Ich wandere nicht aus wird ein junger Mann in Nasiriya im Südirak vorgestellt: Er weiß von der Kampagne, bleibt jedoch dabei, dass er lieber heute als morgen gehen würde. Er könne aber seinen alten Vater nicht allein lassen. Auch wenn die Lage in Nasiriya keineswegs automatisch auf jene anderer Flüchtlinge aus dem Irak oder anderswoher, die jetzt in Europa ankommen, übertragbar ist: Die Geschichte ist wohl auch ein Hinweis darauf, dass wir es zurzeit mit zwei unterschiedlichen Flüchtlingspopulationen zu tun haben: Menschen, die gehen müssen, um ihr nacktes Leben zu retten, und Menschen, die gehen, weil ihnen ihre Heimat keinerlei Hoffnung mehr gibt. Und ein anderer Aspekt dieser Geschichte beantwortet eben gleich auch die Frage, was denn das Bleiben für manche so unerträglich macht, selbst in Gegenden, wo gerade kein Krieg ist: Geht man auf die Facebook-Seite der Kampagne, dann wird man sie mit Zeichen und Bildern schiitischer Frömmigkeit garniert finden. Ein Sunnit, der diese Seite sieht, oder auch einfach ein irakischer Mensch, der in einer Welt ohne konfessionelle Kategorien oder religiöse Dominanz leben will, wird das als folgende Botschaft lesen: Die religiösen Schiiten werden aufgerufen zu bleiben – um das Land endgültig zu übernehmen. Wenn der Islamische Staat, der andere Landesteile mit Krieg überzogen hat, einmal besiegt sein wird, ist noch lange nicht wieder alles gut im Irak. Syrien, woher die meisten Flüchtlinge kommen – auch wenn man sich im Klaren darüber sein sollte, dass sich auch andere Araber in Syrer verwandeln -, ist großflächig von Kampfhandlungen betroffen. Seit 2011 musste etwa die Hälfte der Bevölkerung ihre Wohnorte verlassen. Dass der Strom nach Europa in den vergangenen Wochen so angeschwollen ist, hat gleich mehrere Gründe. Da gibt es tatsächlich eine Zunahme der Kämpfe zwischen dem Assad-Regime beziehungsweise dessen Hilfstruppen (vor allem der libanesischen Hisbollah) und verschiedenen Rebellengruppen: Beim Krieg aus der Luft nimmt das Regime keinerlei Rücksicht auf Zivilisten, aus manchen Gebieten, auch bei Damaskus, fliehen die Menschen vor allem vor den Bombardements. Dazu kommen die Blockade, die Aushungerung, die Krankheiten: Not, Elend, Tod. Und neuer Schrecken ist noch zu erwarten wie etwa die große Schlacht um Aleppo. Aber das ist nicht der einzige Krieg, bei uns noch stärker wahrgenommen werden ja die stetigen Vorstöße des Islamischen Staats (IS) – in die von den Kurden gehaltenen Gebiete im Norden, zurzeit auch im Nordwesten bei Idlib, aber auch im Südwesten bei Deraa. Der IS tritt oft als Profiteur der Kämpfe zwischen Regime und Nusra-Front auf, der Filiale von Al-Kaida in Syrien. Die Kämpfe zwischen IS und Nusra nehmen im Moment wieder zu. Das heißt ganz konkret: In Syrien findet zurzeit gleich auch noch der große Kampf um die Führung des internationalen Jihadismus statt. Und dann gibt es noch den dritten Krieg: die Luftschläge der US-geführten internationalen Allianz gegen den IS, die sich ständig ausweiten – nun wird sich auch Frankreich beteiligen, das bisher nur im Irak Einsätze flog. Die Menschen fliehen nicht nur vor dem IS, sondern auch vor dem Luftkrieg gegen den IS. Doch nicht alle Flüchtlinge kommen direkt aus den Kampfgebieten, viele haben Syrien schon vor Monaten oder sogar Jahren verlassen, um den Krieg in den Nachbarländern – Türkei, Libanon, Jordanien, um die am meisten belasteten zu nennen – abzuwarten. Doch das Ende ist nicht nur nicht abzusehen, neue Flüchtlingsströme rücken ständig nach. Dass sich ihnen vermehrt syrische Mittelstandsfamilien anschließen, also Menschen, die Vermögen zurücklassen, verstärkt die Hoffnungslosigkeit aller: Niemand erwartet, dass in Syrien in absehbarer Zeit annähernd Normalität zurückkehrt. Ganz im Gegenteil, soeben tauchen wieder neue Akteure – etwa Russland – am Rande des Schlachtfelds auf. Die Syrer, aber auch die Iraker geben ihre Heimat auf, nicht nur physisch. 2003, nach dem Sturz Saddam Husseins, und noch einmal 2011 durch den Ausbruch des Arabischen Frühlings, gab es Hoffnung, dass die Region Anschluss finden könnte – in politischer, wirtschaftlicher, sozialer Hinsicht. Diese Hoffnung ist für die mittelbare Zukunft zerstört. In den Kriegsjahren im Irak ab etwa 2005 war zu beobachten, dass Leute weggingen, sich jedoch die Option für eine Rückkehr offenhielten: Oft deklarierten sie ihre Flucht nicht einmal, schon allein deshalb, damit niemand ihr zurückgelassenes Eigentum als frei ansehen konnte. Heute – hört man, quantifizieren lässt sich das natürlich noch nicht – schließen mehr Flüchtlinge völlig mit ihrer Vergangenheit ab. Was sie haben, wird verkauft – da werden jetzt wieder ein paar Gesellschaftssektoren sehr reich -, auch um die immer teureren Schlepperhonorare bezahlen zu können. Sie sehen Europa nicht als Warteraum, sie kommen, um zu bleiben. Und es sind nicht die Schlechtesten. Was nichts daran ändert, dass auch die Angry Young Men des Nahen und Mittleren Ostens im Strom mitwandern: Modernisierungsverlierer in ihren eigenen Ländern, durch lange Kriege Entwurzelte und Entkulturalisierte, die ihre Frustration – und den ihnen eingebläuten prämodernen Islam – mitbringen und, wenn sie ihrer Wut Ausdruck verleihen, als sozial nicht kompatibel angesehen werden. Um sie besser zu verstehen, müsste man sich nicht nur die aktuellen Ursachen der Flucht, sondern jene für die Konflikte ansehen: natürlich die hausgemachten, aber auch jene angefangen vom Klimawandel über die Folgen der neoliberalen Wirtschaft bis zu den regional- und geopolitischen Machtspielen.
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Astronomen registrieren energiereichste Lichtstrahlung, die je an einem Stern gemessen wurde. München – Von einem astronomischen Rekord berichtet das Max-Planck-Institut für Physik: Der Krebspulsar, ein rasend schnell rotierender Neutronenstern im gut 6.000 Lichtjahre entfernten Krebsnebel, sendet die energiereichste Lichtstrahlung aus, die je an einem Stern gemessen wurde. Der Krebspulsar ist der Überrest einer Supernova-Explosion, die im Jahr 1054 beobachtet werden konnte. Der daraus hervorgangene Neutronenstern hat aufgrund seiner extremen Verdichtung einen Durchmesser von nur ungefähr 10 Kilometern. Er rotiert etwa 30 Mal pro Sekunde um die eigene Achse und sendet dabei wie ein Leuchtturm Lichtpulse aus, die sich über das gesamte elektromagnetische Spektrum erstecken – von langen Radiowellen über sichtbares Licht bis hin zu kurzwelligen, energiereichen Gammastrahlen. Im Fachmagazin Astronomy and Astrophysics berichtet ein Forschungsteam am MAGIC-Teleskop auf der Insel La Palma, wie es Photonen entdeckte, deren Energie um ein Vielfaches höher liegt als bisher beobachtet. Bis vor wenigen Jahren ging man davon aus, dass die höchste Energie am Krebspulsar bei 6 GeV (Gigalektronenvolt) liege. Im Jahr 2008 registrierte das MAGIC-Teleskop dann ein Energiespektrum von über 25 GeV. 2012 übertrumpfte das Observatorium sein eigenes Ergebnis mit Messungen von 400 GeV. Inzwischen hat MAGIC Gammastrahlen bis zu 1,5 TeV (Teraelektronenvolt) gemessen. Allerdings können die Forscher noch nicht erklären, wie die geladenen Teilchen auf die extrem hohen Energien beschleunigt werden. Bei der Erzeugung energiereicher Teilchen spielt das für Neutronensterne enorm starke Magnetfeld eine zentrale Rolle, das seinerseits extrem starke elektrische Felder erzeugt, sagt Razmik Mirzoyan, Sprecher des MAGIC-Kollaboration und Projektleiter am Max-Planck-Institut für Physik. In der magnetisch geladenen, komplexen Atmosphäre des Neutronensterns werden Elektronen und ihre Antiteilchen, die Positronen, auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt, bevor sie zerstrahlen. Damit lassen sich Gammastrahlenergien bis zu wenigen Gigaelektronenvolt als Synchrotron- und Krümmungsstrahlung erklären. Für die jetzt beobachteten Gammapulse von über 1,5 TeV muss es aber einen anderen Mechanismus geben. Wir können extrem energiereiche Gammastrahlen nur dann beobachten, wenn es diesen Elektronen irgendwie gelingt, der komplexen Topologie des Magnetfeldes am Neutronenstern zu entkommen und sich im elektrischen Feld zu beschleunigen, erläutert Mirzoyan. Dann bilden sie zusammen mit den energieschwächeren Radiowellen und Röntgenstrahlen den Lichtkegel des Pulsars. Für die Flucht der Gammastrahlen kommt ein indirekter Weg in Frage: Dabei werden nicht die direkt vom Pulsar ausgehenden Elektronen und Positronen gestreut, sondern ihre beschleunigten Abkömmlinge der zweiten oder dritten Generation. Diese entstehen am äußersten Rand des Magnetfeldes in etwa 1.500 Kilometern Höhe. Energiereiche geladene Teilchen wechselwirken hier mit UV- und Röntgenstrahlen sowie mit dem Magnetfeld. Anschließend übertragen die sekundären Teilchen ihre Energie auf niedrigenergetische Photonen und machen sie damit zu energiereichen Gammaquanten, die das Magnetfeld verlassen. Diese Energieübertragung bezeichne Astronomen als inversen Compton-Mechanismus. Durch diesen Effekt könnten sich Gammaphotonen auch im Pulsarwind, weit vom Pulsar entfernt, bilden, wo die beschleunigte Teilchen ebenfalls auf Röntgenstrahlen treffen können. Allerdings kommt die extreme Gammastrahlung exakt zur gleichen Zeit am MAGIC-Teleskop an wie energieärmere Radiowellen oder Röntgenstrahlen, von denen man weiß, dass sie im Inneren des Magnetfelds entstehen. Das würde bedeuten, dass die gesamte Strahlung in einer relativ kleinen Region am Rand des Magnetfeldes produziert wird oder die energiereiche Gammastrahlung eine Art Erinnerung an Strahlung niedrigerer Energie behält. Zum heutigen Zeitpunkt kann man annehmen, dass der inverse Compton-Mechanismus die Existenz derart energiereicher Gammastrahlen am Pulsar erklären kann. Langfristig brauchen wir aber neue, detaillierte theoretische Modelle, die das Phänomen beschreiben, so Mirzoyan abschließend.
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Trotz Geheimhaltung: 14. ähnlicher Zwischenfall in einem Monat. Stockholm – Schweden bekommt sein Problem mit mutmaßlichen Brandanschlägen auf geplante Flüchtlingsquartiere nicht in den Griff. In Forshaga (Provinz Värmland) brannte in der Nacht ein leeres Bürogebäude bis auf die Grundmauern nieder, das in der Vorwoche als mögliche Flüchtlingsunterkunft inspiziert worden war. Laut Informationen von Polizei und Feuerwehr war noch keine Entscheidung darüber getroffen, ob das leer stehende Gebäude inklusive Lagerbereich als Unterbringung für Flüchtlinge adaptiert werden sollte. Die erste Beurteilung von vergangener Woche sei aber positiv ausgefallen, so ein Sprecher laut der schwedischen Nachrichtenagentur TT. Die Polizei geht von Brandstiftung aus. Bei dem vermuteten Anschlag handelt es sich um den 14. Vorfall dieser Art innerhalb eines Monats in Schweden. Die Einwandererbehörde hatte angesichts der Serie, die großteils geplante, aber auch bereits bewohnte Unterkünfte zum Ziel hatte, vergangene Woche die Geheimhaltung von geplanten Standorten verfügt. Schweden, das zu den beliebtesten Zielländern von Flüchtenden in Europa gehört, sieht sich am Rande seiner Aufnahmefähigkeit.
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Auswirkungen auf den Menschen blieben bei Studie allerdings noch ausgeklammert. Zürich – Wissenschafter der ETH Zürich und eines Forschungskonsortiums in Jena D haben aus Genen von drei verschiedenen Organismen 30 Gene gefunden, die am körperlichen Altern beteiligt sind. Die Beeinflussung eines einzigen dieser Gene verlängert die Lebensdauer von Versuchstieren. Um die für das Altern entscheidenden Gene aufzuspüren, haben die Forscher rund 40.000 Gene des Fadenwurms C.elegans, des Zebrafisches und der Maus durchforstet. Dabei wollten sie herausfinden, welche Gene bei allen drei Organismen in den jeweils vergleichbaren Altersstadien in identischer Weise reguliert werden – also entweder altersabhängig hoch- oder herunterreguliert werden. Als Maß für die Gen-Aktivität stellten die Forschenden die Menge an Boten-RNS-Molekülen fest, die in den Zellen dieser Tiere zu finden waren, wie die ETH in einer Mitteilung vom Dienstag schreibt. Die Boten-RNS ist die Abschrift eines Gens und der Bauplan eines Proteins. Beim Screening stellten sie fest, dass die drei Organismen lediglich 30 Gene gemeinsam haben, die den Alterungsprozess maßgeblich beeinflussen. Als besonders einflussreich stellte sich das bcat-1-Gen heraus. Wurde die Wirkung dieses Gens blockiert, nahm die mittlere Lebensspanne des Fadenwurms um bis zu 25 Prozent zu. Hemmten die Forschenden die Genaktivität von bcat-1, reicherten sich diese verzweigten Aminosäuren im Gewebe an. Dies habe eine molekulare Signalkaskade in Gang gesetzt, die beim Fadenwurm die Langlebigkeit bewirkt habe, heißt es in der Mitteilung. Darüber hinaus habe sich die Zeitspanne verlängert, in der die Würmer vital geblieben seien. Als Maß für die Vitalität stellten die Forscher die Anreicherung von altersbedingten Pigmenten fest, die Geschwindigkeit, mit der sich die Tiere fortbewegten, und wie oft sich ein Wurm erfolgreich fortpflanzte. All diese Parameter hätten sich verbessert, wenn die Aktivität des bcat-1-Gens gehemmt worden sei. Michael Ristow, koordinierender Autor der Studie und Professor für Energiestoffwechsel an der ETH Zürich, ist überzeugt, dass der gleiche Mechanismus auch beim Menschen abläuft. Es seien ausschließlich die Gene gesucht worden, die evolutionär konserviert seien und deshalb in allen Organismen vorkommen, auch beim Menschen. Die Auswirkungen auf den Menschen haben die Forschenden allerdings noch ausgeklammert. Eine Folgestudie sei jedoch bereits in Planung, schreibt die ETH. Aus offensichtlichen Gründen könne jedoch die Lebenserwartung beim Menschen nicht gemessen werden. Geplant sei stattdessen, diverse Gesundheitsparameter wie Cholesterin oder den Blutzuckerspiegel in die Untersuchungen einzubeziehen, um Anhaltspunkte für den Gesundheitsstatus der Probanden zu erhalten. Ritow weist darauf hin, dass die mehrfach verzweigten Aminosäuren bereits heute bei Leberschäden therapeutisch eingesetzt und auch der Sportlernahrung beigefügt werden. Das Thema sei jedoch nicht, dass Menschen noch älter werden, sondern länger gesund bleiben. Die Untersuchung liefere wichtige Anhaltspunkte dafür, wie der Alterungsprozess beeinflusst und Erkrankungen im Alter wie etwa Diabetes oder Bluthochdruck verhindert werden könnten. Im Hinblick auf die ungünstige Demografie und die stetig steigende Lebenserwartung sei es wichtig, die Phase gesunden Lebens auszudehnen und nicht, ein noch höheres, aber von chronischen Krankheiten geprägtes Lebensalter zu erreichen, findet Ristow. Mit solch präventiven Maßnahmen könne ein älterer Mensch seine Lebensqualität erheblich steigern und gleichzeitig könnten die medizinischen Versorgungskosten um mehr als die Hälfte reduziert werden.
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Essen – MRT-Scans gelten wegen des geringen Strahlenrisikos als unbedenklich. Problematisch jedoch könnten Kontrastmittel sein: Das darin enthaltene giftige Metall Gadolinium kann sich im Hirngewebe ablagern. Der Berufsverband Deutscher Nuklearmediziner warnt daher vor Mehrfachuntersuchungen. Ob Gesundheitsschäden zu befürchten sind, ist noch nicht erforscht.
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Die Open-Access-Bewegung verspricht freien Zugang zu Forschungsergebnissen – Kritiker orten eine Zwangsverpflichtung. Wien – Die wissenschaftliche Grundlagenforschung ist bestimmt von einem Paradoxon: Obwohl sie zu einem großen Teil durch öffentliche Gelder finanziert wird, ist nur ein kleiner Teil ihrer Ergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich. Dahinter stehen nicht etwa Forscher, die bevorzugen, ihre Ergebnisse geheim zu halten, oder Unis, die das Wissen zu Geld machen wollen, sondern die enorme Marktkonzentration bei den Wissenschaftsverlagen: Wie eine Studie im Juni zeigte, publizieren aktuell gerade einmal fünf Konzerne mehr als die Hälfte aller Fachartikel. Und ein Gutteil der dort erschienenen Publikationen ist nicht frei zugänglich. Das Interesse der Verlage, die Artikel kostenpflichtig zu vertreiben, spießt sich mit dem öffentlichen Interesse eines freien Zugangs zu Forschungsergebnissen. Open-Access-Journale wie BioMed Central (BMC) oder Public Library of Science (PLoS) bringen die Verlage in Bedrängnis, die ihre Publikationen nicht frei zugänglich machen. Aktuell liefern sich die niederländischen Universitäten einen Kampf mit dem niederländischen Verlagsriesen Elsevier – inklusive Streikdrohung (der STANDARD berichtete): Allen Universitätsangestellten soll es bald verboten sein, für die Zeitschriften des Verlagshauses redaktionell oder rezensierend tätig zu sein. Der Hintergrund: Während die Vereinigung der niederländischen Unis mit Springer und Wiley entsprechende Vereinbarungen erreichen konnte, um ihre Publikationen gegen Bezahlung frei zugänglich zu machen, blieb eine Annäherung mit Elsevier bislang aus. Der österreichische Wissenschaftsfonds FWF unterstützt die Position der niederländischen Universität zu Open Access. Vor allem Grundlagenforschung wird aus öffentlichen Mitteln finanziert, sagt Falk Reckling, Open-Access-Experte des FWF. Daher besteht aus unserer Sicht ein moralischer und ökonomischer Anspruch, dass die Ergebnisse, die aus von uns geförderten Forschungen hervorgehen, der Öffentlichkeit frei zugänglich sind. Der FWF verpflichtet alle seine Projektnehmer dazu, ihre Ergebnisse frei zugänglich im Netz zu publizieren. Ausgehend von diesem Wissenschaftsverständnis verwundert es nicht, dass der Wissenschaftsfonds bereits 2003 zu den ersten Unterzeichnern der Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen gehörte. Erklärungen reichen aber nicht. Der Open-Access-Ansatz bedingt, dass die dafür notwendigen Technologien implementiert werden. Deshalb hat das Wissenschaftsministerium im vergangenen Jahr das Projekt E-Infrastructures Austria gestartet, das den Aufbau von adäquaten digitalen Archivstrukturen zum Ziel hat. Für den Open-Access-Ansatz braucht es entsprechende Archivierungssysteme, wie die US-amerikanische Plattform arXiv.org zeigt: Seit 1991 bietet der Dokumentenserver der Cornell University Vorabdrucke wissenschaftlicher Artikel an. Im Jahr 2014 waren es über eine Million – Tendenz stark steigend: Laut den Archivbetreibern werden inzwischen monatlich über 8000 Artikel eingereicht. Bernhard Haslhofer, Informatiker vom Austrian Institute of Technology (AIT) in Wien, war zwei Jahre in Cornell tätig und hat dabei auch die Arbeit der Kollegen von arXiv.org beobachtet. Wie der Datenwissenschafter berichtet, beschäftigt man sich dort nicht nur mit der Archivierung, sondern geht auch der Frage nach, warum der Übergang zur digitalen Publikation in bestimmten Disziplinen weitaus länger dauert als zum Beispiel in der digitalaffinen Informatik. Das hängt stark ab von der Kultur, die in einer wissenschaftlichen Disziplin herrscht. Daher ist es ganz wichtig, dass man bei Open Access berücksichtigt, dass man einzelne Kulturen nicht sofort verändern kann, sagt Haslhofer. Wie die Zukunft aussehen könnte, zeigt die Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft: Sie erscheint seit einiger Zeit über Open Access. Zwar steht nun weniger Geld zur Verfügung – das habe aber wiederum Vorteile, wie Herausgeber Thomas König sagt: Da die Kosten für Druck und Vertrieb wegfallen, verwenden wir von unserem geringeren Budget jetzt anteilsmäßig mehr Geld für die Qualitätssicherung. Auch dem in den letzten Jahren immer wieder in die Kritik geratenen Peer-Review-Begutachtungssystem soll mit Open Access Beine gemacht werden, sagt Peter Kraker vom Kompetenzzentrum für wissensbasierte Anwendungen und Systeme (Know Center) an der TU Graz: Wenn ich heute einen Aufsatz zur Bewertung bekomme, muss ich dem Autor relativ viel glauben, da von zugrunde liegenden Daten oft nicht viel verfügbar ist. Mit einem Open Peer Review hätten wir die Möglichkeit, eher in einen Dialog zu treten. Er stützt sich dabei nicht nur auf praktische Erfahrungen, sondern auch auf seine Forschungen zur wissenschaftlichen Publikationskultur im Netz. Das Lied von der schönen neuen Open-Access-Welt wird aber nicht überall gesungen. Auffällig ist, dass man dort Kritik an diesem Zugang zu hören bekommt, wo man traditionell wie fachlich dem Informationsträger Buch nähersteht. Einer der prominentesten deutschen Kritiker der Open- Access-Bewegung ist der Heidelberger Literaturwissenschafter Roland Reuß. Ihn stört vor allem, dass Open Access auf dem Weg zu einer Zwangsverpflichtung für alle Forscher sei: Das widerspricht allen geltenden Regeln des Urheberrechts und der Publikationsfreiheit. Und ein solcher schwerwiegender Eingriff muss besser begründet werden, als damit, dass Wissenschafter Eigentum des Staates seien. Dass man versuche, das Monopol der großen Wissenschaftsverlage zu brechen, hält der Kafka-Experte für ein legitimes Anliegen, jedoch sei Open Access nicht das richtige Mittel zu diesem Zweck: Dafür gibt es das Kartellrecht – da muss man nicht an der Urheberrechtsschraube drehen. Zuspruch bekommt Reuß aus Konstanz von Uwe Jochum. Der renommierte Bibliothekswissenschafter verweist darauf, dass die vielerorts gelobte Kosteneinsparung durch die digitale Archivierung zweifelhaft sei, weil häufig die Folgekosten der Serverarchitektur nicht berücksichtigt werden. Jochum: Was in das digitale Flussbett eingespeist wird, ist von Anfang an ein Pflegefall. Keinerlei digitale Daten überleben eine kritische Grenze von drei bis fünf Jahren, wenn sie nicht permanent überprüft werden. Die Kosten dafür werden erheblich unterschätzt. Der Buchforscher bleibt gegenüber Open Access äußerst skeptisch und schwört weiterhin auf seinen Untersuchungsgegenstand: Gegenüber dem instabilen Medium Internet haben wir schon einen über Jahrtausende bewährten physisch stabilen Datenträger. Er nennt sich Buch.
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6Etat
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Panorama: Badefreuden | Nachtzug nach Lissabon | The Descendants | Looper | Die Jury | Schrei nach Freiheit | Sine Nombre – mit Videos. 7.30 MUSIKSCHWERPUNKTDays of Rock Aufzeichnungen von Live-Konzerten verschiedener Rockbands. Darunter um 9.30 Uhr Dire Straits, um 14.55 Uhr Slash, um 17.40 Uhr Muse und um 0.15 Uhr Iron Maiden. Bis 23.05, ORF 3 13.05 MAGAZINPanorama: Badefreuden 1) 1982 war die Aufregung gewaltig, als die Damen ab nun – amtlich von der Bäderverwaltung genehmigt – oben ohne in der Sonne schwitzen durften. 2) Bevor der Traumjob Wirklichkeit war, wurde es ernst: Nicht jeder bestand die harte Aufnahmeprüfung zum Bademeister und Bassin-Aufseher. 3) Das Wiener Strandbad Gänsehäufel bildet ein eigenes Universum unter den Bädern der Stadt. Bis 13.30, ORF 2 20.00 THEMENABENDOktoskop: Werkschau Iris Blauensteiner Die Filmemacherin ist zu Gast im Studio bei Lukas Maurer. Mit dabei hat sie ihre Filme Doublage, Und eine von ihnen singt sowie den Kurzspielfilm Schwitzen, der die letzten Tage der Freundschaft zweier Mädchen zeigt. Bis 22.30, Okto 20.15 REISENachtzug nach Lissabon (Night Train to Lisbon, CH/D/PT 2013, Billie August) Der geschiedene Gymnasiallehrer Raimund Gregorius (Jeremy Irons) unterrichtet Latein und alte Sprachen in Bern. Eines Morgens rettet er auf dem Weg zur Schule eine junge Portugiesin, die von einer Brücke ins Wasser springen will. Als sie kurz darauf verschwindet, hinterlässt sie ein Buch des portugiesischen Autors Amadeu de Prado. Zwischen den Blättern entdeckt er eine Zugfahrkarte nach Lissabon – kurzerhand beschließt er, sich nach Lissabon zu begeben. Der Film besticht vor allem durch die Leistung seiner Darsteller. Bis 22.25, ATV 20.15 SELBSTFINDUNGThe Descendants – Familie und andere Angelegenheiten (The Descendants, USA 2011, Alexander Payne) Großartig adaptiertes Drehbuch, dass mit einem Oscar ausgezeichnet wurde: Familienvater Matt King (George Clooney) erfährt, dass seine im Koma liegende Frau vor ihrem Unfall eine Affäre hatte, und bemerkt, dass er vom Leben seiner Töchter bislang kaum etwas mitbekommen hat. Matt beschließt, dem Nebenbuhler einen Besuch abzustatten. Bis 22.00, ORF 1 20.15 ZEITREISELooper (USA/VRC 2012, Rian Johnson) 2040 arbeitet Joe (Joseph Gordon-Levitt) erfolgreich als ein sogenannter Looper – ein Attentäter, dessen Auftrag es ist, per Zeitreise aus dem Jahre 2070 zurückgeschickte Menschen zu töten. Verbrecherorganisationen nutzen diese illegale Methode immer wieder, um ihre Opfer in die Vergangenheit zurückzuschicken, damit die Looper sie gegen einen horrenden Batzen Geld töten und damit sie die Existenz der Betroffenen gänzlich auslöschen. Regisseur Johnson schafft es, das alte Thema Zeitreisen neu zu beleben. Bis 22.25, RTL 20.15 RASSISMUSDie Jury (A Time to Kill, USA 1996, Joel Schumacher) In einer amerikanischen Kleinstadt wird ein zehnjähriges farbiges Mädchen von zwei rassistischen Halbstarken vergewaltigt. Der Vater des Opfers, der Arbeiter Carl Lee Hailey Samuel L. Jackson), übt Selbstjustiz und erschießt die beiden Täter im Gerichtsgebäude. Unterstützt von der begabten Jurastudentin Ellen (Sandra Bullock), übernimmt der junge und noch unerfahrene Anwalt Jake Brigance (Matthew McConaughey) Haileys Verteidigung. Geschickt konstruierte Geschichte. Bis 23.05, Puls 4 20.15 APARTHEIDSchrei nach Freiheit (Cry Freedom, UK 1987, Richard Attenborough) Chefredakteur Donald Woods (Kevin Kline) berichtet im Südafrika der 70er zunächst kritisch über Steve Biko (Denzel Washington), ändert jedoch nach einem Treffen seine Meinung über den schwarzen Anti-Apartheid-Kämpfer. Woods sieht nun deutlicher die un zumutbaren Lebensumstände für die schwarze Bevölkerung. Großartige Leistung von Denzel Washington. Bis 22.50, Arte 0.05 FLUCHTSine Nombre (Mex/USA 2009, Cary Fukunaga) Willy (Edgar Flores) ist Mitglied einer Gang, die brutalen Regeln folgt. Als herauskommt, dass er sich regelmäßig mit seiner Freundin außerhalb des Bandenterritoriums trifft, wird diese getötet. Willy tötet seinen Bandenchef, als dieser sich an der jungen Sayra (Paulina Gaitán) aus Honduras vergehen will. Sayra nähert sich auf der Flucht nach Amerika ihrem Retter. Brillantes Regiedebüt Fuku nagas. Bis 1.38, ARD
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7Wissenschaft
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Automatische Gesichtserkennung soll helfen, potenzielle Terroristen frühzeitig zu erkennen. US-Behörden testen bereits eine Software, die Überwachungsfotos mit Datenbanken abgleicht. Washington/Wien – Nach den Terroranschlägen in Brüssel vor zwei Wochen kursierte in den Medien ein Fahndungsfoto. Es zeigte – etwas verpixelt – die Attentäter am Flughafen mit drei Kofferwagen. Zwei der Täter waren dunkel gekleidet, der dritte trug eine helle Jacke und Hut. Die beiden Ersteren waren binnen eines Tages identifiziert, der dritte Mann wird bekanntlich noch gesucht. Fakt ist: Alle drei Täter waren polizeibekannt. Man hätte also wissen können, dass sich mutmaßliche Terroristen in einem öffentlichen Gebäude aufhalten. Geht es nach den Sicherheitsbehörden, sollen an neuralgischen Punkten der Infrastruktur wie Flughäfen, Bahnhöfen oder öffentlichen Plätzen künftig Gesichtserkennungssysteme etabliert werden, die Aufnahmen aller Personen machen und mit einer Datenbank abgleichen. Wäre eine solche Technik in Brüssel zum Einsatz gekommen, hätte das System Alarm geschlagen und die Sicherheitskräfte am Flughafen gewarnt. Achtung, verdächtige Person hält sich in Sektor X auf. Die US-Grenzschutzbehörde U.S. Customs and Border Protection hat im Rahmen eines Pilotprojekts erfolgreich ein Gesichtserkennungssystem getestet. Die Technik ist seit einigen Wochen am John F. Kennedy Airport in New York in Betrieb und soll langfristig an allen US-Flughäfen implementiert werden. Reisende müssen bei der Sicherheitskontrolle ihr Gesicht frontal von einer Kamera fotografieren lassen, die ihr Objektiv je nach Größe der Person justiert. Eine Software vermisst dann verschiedene Punkte im Gesicht und gleicht die biometrischen Merkmale mit einer Datenbank ab. Stimmen die Merkmale mit dem Ausweis überein, darf die Person weiterreisen. Bisher ist es ja bei der Einreise in die USA schon so, dass man sich mit Fingerabdrücken und Foto registrieren muss. Diese Gesichtsscans sind aber nur die Vorstufe, eine Folie, auf der dann später Abgleiche erfolgen – also im Grunde genau das, was eine Überwachungskamera auch macht. Damit wird eine Datenbank gespeist. Das Neue an der Technik ist, dass der Abgleich unmittelbar erfolgt und man sich nicht mehr mit seinem Pass, sondern mit seinen biometrischen Daten ausweist. Das Problem ist, dass Terroristen ihr Konterfei nicht freiwillig in eine Kamera halten. Sie versuchen, nicht auf dem Radar der Sicherheitsbehörden aufzutauchen. Auf Überwachungskameras sind sie nur kurz und meistens nur von der Seite zu erkennen. Das US-Militär hat deshalb bereits 2014 eine hochauflösende High-Speed-Kamera getestet, die in der Lage ist, ein Gesichtsbild auch aus schrägem Winkel zu machen. Das System wurde entwickelt, um Täter in einem Auto zu identifizieren. Es könnte aber auch an Zufahrtsstraßen von Flughäfen installiert werden. Der hochauflösende Scan kann gedreht und gekippt werden, sagte John Boyd, Direktor der Firma Defense Biometrics and Forensics, damals. Hätte die Technik die Anschläge womöglich verhindern können? Anil K. Jain, Professor für Computerwissenschaft und Informatik an der Michigan State University, ist einer der weltweit führenden Experten auf dem Gebiet der Gesichtserkennung. Er war Berater der indischen Regierung beim Aufbau des Projekts Aadhaar, bei dem jeder der 1,2 Milliarden Bewohner aufgrund seiner personenbezogenen Daten und biometrischen Merkmale (Gesichtsbild, Fingerabdrücke und Iris) eine zwölfstellige Nummer zugewiesen bekommt. Um Gesichtserkennungssysteme einzusetzen, muss man erst einmal wissen, wer der Verdächtige auf der Überwachungskamera ist. Lässt die Person ein Paket zurück, oder verhält sie sich merkwürdig? Das geschieht bis jetzt im Fall einer Attacke im Nachhinein durch manuelles Auswerten des Videos. Wir können das nicht automatisch tun, sagt Jain. Zudem müsste die Person in einer Datenbank gespeichert und in Echtzeit gefunden werden. Auch das sei nur sehr begrenzt möglich. Wo kein Foto gespeichert ist, kann logischerweise auch kein Abgleich erfolgen. Der Verdächtige hat vielleicht keine Vorstrafen, also müssten die Polizeibehörden Zugang zu diversen Datenbanken haben, auch nichtkrimineller Natur, sagt Jain. Das Department of Homeland Security und das FBI pflegen schon länger biometrische Datenbanken mit Gesichtsscans und Fingerabdrücken. Die Biometrically Enabled Watchlist (BEWL) des US-Verteidigungsministeriums enthält 200.000 Einträge von Verdächtigen im Irak und in Afghanistan. Das ist eine ordentliche Grundlage, doch wenn man bedenkt, dass auf Facebook täglich 350 Millionen Fotos hochgeladen werden, nimmt sich die Datenbasis doch eher gering aus. Das Problem ist, dass die Bildqualität von Überwachungskameras meist zu wünschen übrig lässt und der Einzelne nicht zweifelsfrei zu erkennen ist. Wenn das Gesicht von einem Schal camoufliert wird, der Verdächtige eine Sonnenbrille trägt oder die Lichtverhältnisse schlecht sind, kann der Beamte den Verdächtigen nicht finden, erklärt Jain. Facebook hat im vergangenen Jahr einen Algorithmus entwickelt, der Menschen auf Fotos auch dann identifizieren können soll, wenn ihr Gesicht nicht eindeutig zu sehen ist – anhand ihrer Frisur, Kleidung, Figur und Körperhaltung. Das könnte auch für die Ermittler ein interessantes Werkzeug sein. Das Department of Homeland Security forscht derzeit unter Hochdruck an hochauflösenden Videokameras, die Personen aus bis zu zehn Metern Entfernung anhand eines Irisscans erkennen. Diese biometrischen Merkmale sind so einzigartig wie ein Fingerabdruck. Ein Mitarbeiter der Behörde sagte dem Portal Defense One: Wenn jemand die Fluggastbrücke am Airport heruntergeht, können wir sagen: Diese Person wurde authentifiziert, sie darf in die Fast-Track-Lane rechts gehen. Diese Person nicht, sie muss zum Screening-Test nach links. Verdächtige nach links, Rechtschaffene nach rechts. Solche groben Raster führen in der Praxis allerdings schnell zu Diskriminierung und Racial Profiling. Das Problem, das Datenschützer stets monieren, ist, dass biometrische Daten des Gesichts oder der Iris – mithin sehr sensible Daten – ohne Wissen und Einverständnis des Betroffenen erfasst werden. Man kann sein Gesicht nicht löschen. Werden die Daten gehackt, können sie in vielerlei Hinsicht missbraucht werden. Wenn nun an immer mehr Flughäfen Gesichtserkennung eingeführt wird, gibt es ein systemimmanentes Erfordernis, auch immer mehr Überwachungskameras zu installieren, um die Software mit entsprechenden Daten zu füttern, ein Teufelskreis. Hätte ein Kameranetzwerk, das die Terroristen im Taxi auf dem Weg zum Flughafen erkannt hätte, Leben gerettet? Vielleicht. Doch der Konflikt zwischen dem Versprechen nach mehr Sicherheit und omnipräsenter Überwachung im öffentlichen Leben bleibt ungelöst.
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7Wissenschaft
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Das Molekül 3-Nitrooxypropanol hemmt Mikroorganismen und inaktiviert ein Enzym, das für die Methanbildung zuständig ist. Marburg – Im Pansen von Wiederkäuern entstehen durch Methangärung große Mengen des Treibhausgases Methan, die gasförmig ausgestoßen werden. Vor allem die Massenhaltung von Rindern zur Fleisch- und Milchproduktion trägt so zur globalen Erwärmung bei. Wie seit einiger Zeit bekannt ist, senkt die Gabe eines bestimmten Moleküls den Methanausstoß von Wiederkäuern. Nun haben Forscher den Mechanismus dahinter entschlüsselt. Das Molekül 3-Nitrooxypropanol (3-NOP) wirke direkt auf die Mikroorganismen, die im Verdauungstrakt der Tiere Methan bilden, wie die Wissenschafter um Rudolf Thauer vom Marburger Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in PNAS berichten. 3-NOP, das dem Tierfutter zugesetzt werden kann, hemmt die Mikroorganismen und inaktiviert ein Enzym, das für die Methanbildung zuständig ist. Das Methan wird bei Wiederkäuern zu mehr als 90 Prozent durch Rülpsen freigesetzt, so Thauer. Durch die Verbindung und ihre Wirkungsweise müssen die Tiere letztlich weniger rülpsen. Weltweit versuchen Thauer zufolge viele Unternehmen und Forschungsprojekte den Methanausstoß durch Wiederkäuer zu reduzieren. Weil es ein Klimagas ist und weil dadurch eine gewisse Energiemenge des Futters verschwendet wird. Ein Teil der Kalorien verschwindet als Methan und steht der Kuh nicht mehr zur Verfügung. Man könne die Methanbildung der Mikroorganismen zwar nicht zu 100 Prozent abschalten, aber halbieren, ohne einen nachweislich negativen Einfluss auf die Tiere zu nehmen. Nach Angaben des Tiermediziners Gerhard Breves, der nicht an der Studie beteiligt war, gibt es bereits seit Jahrzehnten Versuche, die Methanbildung bei Wiederkäuern zu hemmen. Das war aus verschiedenen Gründen bisher aber wenig erfolgreich, sagte der Leiter des Physiologisches Instituts an der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Das nun vorgestellte Ergebnis der Studie könne er nicht bewerten. Wichtig ist aber immer bei der Zugabe solcher Substanzen, dass ein Weg gefunden wird, den Wasserstoff zu eliminieren, der sich im Vormagensystem von Wiederkäuern ansammelt. Die Methanbildung sei ein biochemischer Weg, der dazu diene, den Wasserstoff zu eliminieren. Sonst könnte sich dieser anreichern – mit negativer Rückkopplung auf die Mikroorganismen.
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7Wissenschaft
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Genomweite Assoziationsstudie offenbart eine, wenn auch bescheidene, genetische Komponente für den Zeitpunkt des ersten Geschlechtsverkehrs. Cambridge/Wien – Wann Mädchen und Buben in die Pubertät kommen, wird zum einen von den Genen gesteuert, aber auch von der Umwelt mitbestimmt. Anders ist es nicht erklärbar, dass sich der Beginn der Pubertät stark verschob – von 18 Jahren 1880 auf etwa 12,5 Jahre 1980. Noch stärker von Umweltfaktoren (wie Gruppendruck, Religion oder Onlinepornos) geprägt ist das Alter beim ersten Sex. Zurzeit liegt es im Schnitt bei rund 16 Jahren. Doch bedeutet das umgekehrt, dass es für den Zeitpunkt des ersten Mals gar keine genetischen Faktoren gibt, die mitspielen? Eine Forschergruppe um Ken Ong und John Perry (Uni Cambridge) wollte es genau wissen und ist dieser Frage in einer aufwendigen Studie nachgegangen. Das internationale Team führte eine genomweite Assoziationsstudie unter 125.000 Briten durch und fand 38 Genvarianten, die mit dem Alter beim ersten Sex zu tun haben, wie sie im Fachblatt Nature Genetics schreiben. Damit nicht genug, haben sie die Ergebnisse anhand der Genome von 240.000 Isländern und 20.000 US-Amerikanerinnen bestätigt. Unter dem Strich dürften sowohl das Alter beim ersten Sex wie auch das beim ersten Kind eine – wenn auch bescheidene – genetische Komponente haben. Einige der entdeckten Genvarianten liegen bei Genabschnitten, die mit Risikoverhalten, wechselhafter Stimmung und Hirnentwicklung assoziiert werden.
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7Wissenschaft
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Staatspreis Innovation 2016: DER STANDARD stellt in den nächsten Wochen einige nominierte Projekte vor. Wien – Die rasche Verbreitung von Touchdisplays hat die Interaktion mit Computern revolutioniert. Wo es aber unpraktisch ist, den Bildschirm für die Steuerung der abgebildeten Inhalte zu berühren, können berührungslose Gesten eine sinnvolle Alternative sein. Chirurgen können im Operationssaal auf diese Art ihre bildgebenden Systeme bedienen, bei industriellen Steuerungen bewahrt ein Gesten-Interface die Bildschirme davor, verschmutzt zu werden. Mit Bildtelefonie und Telekonferenzsystemen kann intuitiv interagiert werden, und Smartphones können mit dieser Technik im Gegensatz zu Touchdisplays sogar unter Wasser bedient werden – zumindest sofern sie wasserdicht sind. Der steirische Halbleiterhersteller ams AG ist einer der Entwickler von Sensorchips, die eine derartige Eingabe möglich machen. Mit einem Projekt, das Hard- und Software für die Erkennung 13 unterschiedlicher Gesten aus acht Richtungen in einem Bauteil vereint, zählt das Unternehmen zu den Nominierten für den Staatspreis Innovation 2016, der vom Wirtschaftsministerium am 29. März vergeben und von der Förderbank Austria Wirtschaftsservice abgewickelt wird. Bisher waren die meisten optischen Sensoren auf vier Gesten beschränkt. Unsere größte Innovation ist, dass wir den Sensor empfindlicher und genauer gemacht haben, erklärt Mario Manninger, Senior Director Engineering bei der ams AG. Hard- und Software seien darauf ausgerichtet, nicht nur Gesten für rauf, runter, links und rechts, sondern auch diagonale Richtungen, seitliches Annähern sowie das Zufahren und Entfernen auf den Bildschirm – etwa für eine Zoomfunktion, für das Vergrößern und Verkleinern von Inhalten – zu erkennen. Zusätzlich zu den Gesten erkennt der Chip Farb- und Helligkeitsveränderungen in seiner Umgebung. Das beinhaltet viele zusätzliche Anwendungsmöglichkeiten, so der Entwickler. Smartphones und andere tragbare Geräte können ihre Bildschirmhelligkeit exakter anpassen, bei Telefonaten das Display deaktivieren oder sogar Objekte erkennen. Die Chips vereinen sowohl Farb- als auch Näherungssensoren. Die Farbsensoren messen neben den genauen RGB-Inhalten auch Helligkeit und Farbtemperatur. Die Näherungssensoren bestehen aus drei Pixeln, die in verschiedene Richtungen ausgerichtet sind. Eine Infrarotdiode sendet Licht aus, das etwa von der Hand, die die Eingabe durchführt, reflektiert wird. Das zurückkommende Licht wird erkannt und in typischen Anwendungsfällen 250-mal pro Sekunde ausgewertet, erläutert Manninger. Die Entfernung, auf die die Sensoren Gesten erfassen, hänge davon ab, wie der Chip verbaut und wie er von einer Software gesteuert werde, so der Entwickler. Bei großen Monitoren werden die Gesten gewöhnlich weiter weg ausgeführt, bei kleineren näher. Im Normalfall ist die Technik darauf ausgerichet, dass die Gesten etwa zehn bis zwölf Zentimeter vor dem Sensor ausgeführt werden. Relevant für mobile Anwendungen ist die Chipgröße: Das Besondere ist, dass er mit Ausmaßen von vier mal zwei Millimetern und einer Höhe von 1,35 Millimetern sehr klein ist und wenig Energie benötigt, hebt der Entwickler hervor. Das macht den Bauteil, in dem etwa eineinhalb Jahre Entwicklungszeit stecken, gerade auch für Smartphonebauer attraktiv: Verwendet werde der Chip laut Manninger etwa bereits in den High-End-Modellen von Samsung.
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4Sport
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Liverpool muss nach der Halbfinalniederlage bei Villarreal im Rückspiel "alles nach vorne werfen". Wien – Liverpool hofft in der Europa League erneut auf die Magie an der heimischen Anfield Road. Beim 0:1 im Halbfinal-Hinspiel in Villarreal kassierten die Reds am Donnerstagabend einen späten Rückschlag im Rennen um ihre erste Europacup-Finalteilnahme seit fast zehn Jahren. Trainer Jürgen Klopp bemühte sich danach demonstrativ, Zuversicht auszustrahlen. Als alle um mich gefeiert haben, dachte ich mir, es ist noch nicht vorbei. Ihr müsst erst nach Anfield kommen. Wir werden bereit sein, sagte der Deutsche nach der ersten Niederlage der Engländer im 13. Spiel des laufenden Bewerbs. Sein Team werde alles nach vorne werfen, kündigte Klopp offensive Liverpooler an. Im schlimmsten Fall werde man mit wehenden Fahnen ausscheiden. Spätes Gegentor Mit dem Gegentreffer in der 92. Minute durch Adrian Lopez war Klopp naturgemäß alles andere als glücklich. Seine Mannschaft verlor dabei die defensive Ordnung und verspielte damit eine bessere Ausgangslage vor dem Rückspiel am kommenden Donnerstag. Kritik musste sich jedoch auch Klopp gefallen lassen. Englische Kommentatoren warfen ihm den Verzicht auf Daniel Sturridge vor. Liverpool hatte offensiv wenig zu bieten, dennoch beendete der englische Teamstürmer das Spiel auf der Ersatzbank. Zwei Wochen nach dem dramatischen Sieg im Viertelfinal-Rückspiel gegen Dortmund erlebte Liverpool damit seinerseits einen Last-Minute-Rückschlag. Die Reds waren in einem europäischen Finale zuletzt 2007 Milan unterlegen. Villarreal hofft hingegen im vierten Versuch auf den erstmaligen Einzug in ein Europacup-Endspiel. Einzige Niederlage gegen Rapid Rapids ehemaliger Gruppengegner kassierte in der Europa League erst eine Niederlage – zum Auftakt mit einem 1:2 in Wien. Zu Hause stehen für den Verein aus der 50.000-Einwohner-Kleinstadt nun in sieben Spielen sieben Siege zu Buche. Verdientermaßen, wie Trainer Marcelinho meinte. Wir haben Liverpool nicht geschlagen, weil wir Glück hatten, betonte der 50-Jährige. Das gute Resultat sei aber noch nicht viel wert: Wir werden sehen, ob es reicht. In der Europa League könnte es wie in der Champions League am Ende jedenfalls auf ein rein spanisches Finale hinauslaufen. Auch der FC Sevilla verschaffte sich eine gute Ausgangslage vor der Entscheidung um das Ticket für das Endspiel in Basel am 18. Mai. Dank eines Elfer-Tores von Kevin Gameiro in der 82. Minute rang der Europa-League-Sieger der vergangenen beiden Jahre Schachtar Donezk auswärts ein 2:2 ab.
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3Wirtschaft
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Die Zahlungsmoral der Österreicher ist ingesamt hoch, am wenigsten offene Rechnungen haben die Burgenländer. Wien – Die Zahlungsmoral der Österreicher ist hoch und hat sich im Vergleich zum Vorjahr weiter verbessert. Der Anteil der österreichischen Bevölkerung mit offenen Rechnungen ist um 15 Prozent gesunken. Glaubt man einer Studie der Wirtschaftsauskunftei CRIF, sind die Burgenländer besonders tüchtig. Im Bundesländervergleich haben hier die wenigsten Personen offene Forderungen. In Wien ist der Bevölkerungsanteil mit offenen Rechnungen doppelt so hoch wie im Burgenland. Die zweitbeste Zahlungsmoral hinter dem Burgenland gibt es demnach in Tirol, gefolgt von Niederösterreich, Oberösterreich und Vorarlberg. Salzburg, Kärnten und die Steiermark teilen sich den vorletzten Platz. Einen wesentlichen Unterschied bei der Zahlungsmoral spielt das Geschlecht. So ist die durchschnittliche Forderungshöhe von rund 405 Euro bei Männern um knapp ein Drittel höher als die bei Frauen mit 304 Euro. (red, 12.8.2015)
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7Wissenschaft
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Exoplanet Janssen liegt rund 40 Lichtjahren entfernt – Leben ist dort eher nicht zu erwarten. London – Astronomen ist es erstmals gelungen, unterschiedliche Gase in der Atmosphäre einer Supererde zu identifizieren. Die Gashülle des fernen Exoplaneten Janssen enthält demnach Wasserstoff, Helium und das hochgiftige Cyanwasserstoff, aber kein Wasser. Leben nach unseren Maßstäben wäre damit auf dieser Welt ziemlich ausgeschlossen. Diese Ergebnisse liefern einen ersten Einblick in die Atmosphäre einer Supererde, betont Giovanna Tinetti vom University College London (UCL), Koautorin der im Astrophysical Journal erschienen Studie. Supererden gelten als häufigster Exoplanetentyp in der Milchstraße. Es handelt sich dabei um Objekte, deren Größe und Masse zwischen Erde und Uranus angesiedelt ist. Die jetzt untersuchte Supererde trägt die Katalognummer 55 Cancri e, erhielt aber im Rahmen eines Wettbewerbs der Internationalen Astronomischen Union im Dezember des Vorjahres den Namen Janssen nach dem niederländischen Optiker Zacharias Janssen aus dem 17. Jahrhundert. Janssen ist 2004 gesichtet worden und gilt als die erste entdeckte Supererde um einen Hauptreihenstern. Janssen umkreist neben mindestens vier weiteren Exoplaneten Komponente A eines Doppelsternsystems im Sternbild Krebs in rund 40 Lichtjahren Entfernung. Der Exoplanet hat etwa den doppelten Durchmesser und die achtfache Masse unserer Erde. Allerdings umrundet Janssen seinen Heimatstern so nah, dass ein Jahr dort nur 18 Stunden dauert. Auf der Planetenoberfläche wird es durch die Nähe zum Stern geschätzte 2.000 Grad Celsius heiß. Nicht nur durch die Hitze ist Leben auf dem Planeten nach unseren Maßstäben ausgeschlossen. Mit dem Hubble-Weltraumteleskop gelang es dem Team um Hauptautor Angelos Tsiaras vom UCL jetzt, den chemischen Fingerabdruck der Atmosphärengase des Exoplaneten zu analysieren. Neben Wasserstoff und Helium, die der Planet offensichtlich aus seiner Entstehungszeit behalten hat, fanden die Forscher dabei auch Spuren von Cyanwasserstoff (HCN), die allerdings durch weitere Untersuchungen noch bestätigt werden müssen. Cyanwasserstoff oder Blausäure ist hochgiftig, also ist es vielleicht kein Planet, auf dem ich gerne leben würde, sagte UCL-Wissenschafter Jonathan Tennyson aus dem Team. Janssen ist zwar die erste Supererde, nicht aber der erste Exoplanet, bei dem die Atmosphäre analysiert wurde. Andere Forscher haben bei verschiedenen Gasriesen bereits Atmosphärenbestandteile identifiziert, darunter auch Wasser. Das Hubble-Teleskop hat nach UCL-Angaben bereits die Lufthüllen zweier anderer Supererden ins Visier genommen. Dabei hätten sich jedoch keine chemischen Bestandteile identifizieren lassen.
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4Sport
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Barcelona, die Bayern, Olympiakos und der FC Porto könnten in dieser Runde den Aufstieg fixieren. Andere Teams hoffen auch noch. Der FC Barcelona, Bayern München, Olympiakos Piräus und der FC Porto haben am Dienstag die Chance, sich aus eigener Kraft für das Achtelfinale der Fußball-Champions-League zu qualifizieren. Diese Teams würden Real Madrid, Manchester City und Zenit St. Petersburg folgen, die als einzige Mannschaften schon zwei Runden vor Ende der Gruppenphase den Aufstieg fix in der Tasche haben. Barcelona (10 Punkte) hat im Gruppe-E-Schlager die zweitplatzierte AS Roma (5) zu Gast und geht ohne Druck in die Partie. Schon ein Punktgewinn würde den Katalanen den zwölften Achtelfinaleinzug in Folge und auch den Gruppensieg sichern. Das Selbstvertrauen könnte beim Titelverteidiger nach dem 4:0-Kantersieg im Clasico bei Real am Samstag nicht größer sein. Zudem ist Superstar Lionel Messi bereit für seinen ersten Startelfeinsatz nach rund zweimonatiger Verletzungspause. Gegen Real hatte er bereits ab der 56. Minute sein Comeback nach überstandener Knieverletzung gegeben. Wir wissen alle, wie wichtig Lionel Messi für unsere Mannschaft ist. Gott sei Dank ist er zurück, sagte Mittelfeldkollege Ivan Rakitic. Doch auch ohne dem Argentinier lief es für Spaniens Tabellenführer zuletzt mit vier Zu-Null-Pflichtspielsiegen nach Wunsch. Großen Anteil daran hatten Luis Suarez und Neymar, die in den jüngsten sieben Ligaspielen 19 Tore beisteuerten und den Messi-Ausfall gut kaschierten. Die Römer verpatzten ihre Generalprobe, fielen national nach einem 2:2 bei Nachzügler Bologna auf Rang vier zurück. Es wird ein ganz anderes Spiel am Dienstag, wir müssen uns ganz klar steigern, weiß Abwehrspieler Maicon. Hoffnung macht den Italienern das erste direkte Duell, da hatten sie Barca aufgrund eines sehenswerten Treffers von Alessandro Florenzi aus 50 Metern ein 1:1 abgetrotzt. Bayer Leverkusen (4) hofft auf Barca-Schützenhilfe und will mit einem Sieg bei BATE Borisow (3) an den Römern vorbei auf Rang zwei ziehen. Unser großer Traum ist, ins Achtelfinale einzuziehen. Mit zwei Siegen würden wir es sicher schaffen, deshalb fahren wir nach Borisow, um Maximales herauszuholen, sagte Bayer-Coach Roger Schmidt. Das Hinspiel gegen die Weißrussen haben die Deutschen klar 4:1 gewonnen. Borisow will aber genauso die Chance auf Platz zwei nützen. Wir müssen höllisch aufpassen, entgegnete deshalb auch Sportchef Rudi Völler all jenen, die die Krise nach dem überzeugenden 3:1-Bundesligasieg bei Eintracht Frankfurt überwunden glauben: In Borissow wird es noch schwerer, weil BATE selbst noch Dritter werden kann und in seinem kleinen Stadion mit toller Stimmung sehr stark ist. Das Weiterkommen in der Champions League ist aber ausgesprochen schwierig. Bayer braucht in Weißrussland einen Sieg, und dann zum Gruppen-Finale gegen Barcelona – das beim 4:0 bei Real Madrid soeben seine beeindruckende Form unter Beweis gestellt hat – noch einen. Die Formulierung der Ziele fiel daher sehr unterschiedlich aus. Wir wollen uns die Chance bewahren, auch nach Weihnachten noch Champions League zu spielen, sagte Trainer Roger Schmidt. Wir wollen gewinnen, um unsere kleine Chance zu erhalten, betonte Völler. In der Gruppe F haben die Bayern und Piräus (je 9) in München den ersten Matchball, bei einem Remis sind beide durch. David Alaba dürfte die Partie aufgrund einer Kapselverletzung im linken Sprunggelenk wohl verpassen. Arsenal muss die Pflicht gegen Dinamo Zagreb (je 3) in London erfüllen und auf einen Sieg der Bayern hoffen, um in der letzten Runde ein Finale gegen Piräus zu bekommen. Es besteht eine kleine, aber reelle Möglichkeit. Wenn die Bayern so spielen, wie sie im Rückspiel gegen uns agiert haben, werden sie Olympiakos schlagen, hat Arsenal-Trainer Arsene Wenger den 16. Aufstieg in die K.o.-Phase hintereinander noch nicht abgeschrieben. Wir haben den Anspruch, dass wir das Spiel gewinnen und Erster in der Gruppe werden, sagte Bayern-Goalie Manuel Neuer. Dass München zum zwölften Mal hintereinander in die K.o.-Phase einziehen wird, steht für ihn außer Frage. Das Selbstvertrauen sei derzeit groß. Es gibt einen großen Konkurrenzkampf, jeder will spielen. Wir haben eine gute Konstellation, deshalb werden wir auch nicht nachlassen. Der in der Liga enttäuschende Londoner Lokalrivale Chelsea (7) hat deutlich bessere Karten. Die Truppe von Coach Jose Mourinho ist in der Gruppe G Zweiter und hat das von der Papierform leichte Auswärtsspiel beim punktlosen Schlusslicht Maccabi Tel Aviv vor sich. In der Liga gab es zuletzt mit dem 1:0 gegen Norwich endlich wieder einmal einen Sieg. Hoffentlich war das der Start einer Siegesserie, sagte Offensivspieler Eden Hazard. Im Parallelspiel will Leader Porto (10) zu Hause gegen Dynamo Kiew (5) mit ÖFB-Verteidiger Aleksandar Dragovic den Sack zumachen, wofür schon ein Punkt genügt. In der Gruppe H hat Zenit St. Petersburg (12) die Hausaufgaben schon erledigt. Mit einem Punkt zu Hause gegen Verfolger Valencia (6) wäre Russlands bisher noch makelloser Meister auch von Platz eins nicht mehr zu verdrängen. Schlusslicht Olympique Lyon (1) und Gent (4) brauchen im direkten Duell in Frankreich unbedingt einen vollen Erfolg. Bei einem Lyon-Sieg könnte Valencia mit einem eigenen Erfolg vorzeitig den Aufstieg fixieren.
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3Wirtschaft
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Fachmagazin berichtet von entsprechenden Plänen. Chicago – Nach Airbus will nun offenbar auch der Erzrivale Boeing Flugzeuge in China zusammenbauen. Wie das Fachblatt Aviation Week berichtet, plant der US-Konzern die Endmontage von einigen Modellen der 737-Reihe in einen neuem Werk in der Volksrepublik. Das Vorhaben solle noch in diesem Monat anlässlich des ersten Staatsbesuchs von Chinas Präsident Xi Jinping in den USA bekanntgegeben werden, schreibt das Magazin. Die Unternehmensführung von Boeing wollte sich dazu nicht konkret äußern. Im US-Bundesstaat Washington, wo ein Großteil der Boeing-Produktion beheimatet ist, stieß der Bericht auf überraschte Reaktionen. Sowohl das Büro des Gouverneurs als auch Vertreter des Branchenverbandes und der Mechanikergewerkschaft äußerten, von derartigen Plänen nichts zu wissen. Die Gewerkschaft zeigte sich zugleich besorgt, dass durch ein solches Projekt Arbeitsplätze verloren gehen könnten. Boeing hatte 2011 zugesichert, dass die 737-Maschinen im Werk in Renton (Washington) gebaut werden. Dem Magazinbericht zufolge ist vorgesehen, dass Flugzeuge dieser Baureihe in China künftig ihre Lackierung und einen Teil der Innenausstattung erhalten sowie Testflüge unternehmen. Wir äußern uns nicht zu den Optionen, die wir prüfen könnten, hieß es in einer Boeing-Stellungnahme. Grundsätzlich schaue sich das Unternehmen nach Möglichkeiten um, die Produktivität auszuweiten und zu verbessern. Eine Möglichkeit für uns ist, mit Partnern auf der ganzen Welt zusammenzuarbeiten, auch in China, das unser größter internationaler Markt ist. Außerhalb Washingtons unterhält Boeing bisher lediglich eine einzige Komplettfertigung, nämlich im US-Bundesstaat South Carolina. Airbus will am Wochenende in Mobile (Alabama) sein erstes Endmontagewerk in den USA eröffnen, das für 600 Mio. Dollar gebaut wurde. Hauptproduktionsstandort des europäischen Konzerns ist das französische Toulouse. Endmontage gibt es aber auch in Hamburg und im chinesischen Tianjin. Die Flugzeugbauer bemühen sich um Fertigungsstandorte und Zulieferer im Ausland, um auf diesem Weg mehr Aufträge an Land zu ziehen.
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7Wissenschaft
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Eine Facit ESA-01 wird für ein riskantes Experiment missbraucht. Wir alle haben bereits in der Schule gelernt, dass eine Division durch null entsetzliche Folgen haben kann – zumindest jedenfalls liefert eine solche Rechnung kein sinnvolles mathematisches Ergebnis. Elektronische Systeme spucken, sofern sie sauber programmiert und entsprechende Schutzmaßnahmen ergriffen wurden, Errormeldungen aus. So informiert einen etwa die Taschenrechner-App am Smartphone beim Versuch, durch null zu teilen, über einen ungültigen Vorgang. Der Rechner des Windows-Betriebssystems verkündet da eine Spur genauer: Teilen durch 0 nicht möglich. Was aber geschieht, wenn man einen mechanischen Rechenapparat, der nichts davon weiß, dass man nicht durch null dividieren soll, mit dieser Aufgabe betraut? Auf einem bereits etwas älteren Youtube-Video ist zu sehen, wie jemand dieses riskante Experiment mit einer Facit ESA-01 wagt. Die Facit ist ein schwedischer elektrisch betriebener Kalkulator aus den 1950er Jahren, der mit Zahnrädern arbeitet und addieren, subtrahieren, multiplizieren, dividieren und wurzelziehen kann und einer Schreibmaschine ähnlich sieht. Offensichtlich verliert die Maschine beim Versuch einer Division durch null völlig ihren mechanischen Verstand und versucht in purer Verzweiflung das Unmögliche. Die Bilder liefern aber auch interessante Einblicke in die Funktionsweise solcher Maschinen. Wie der hervorragende Youtube-Kanal Numberphile erklärt, gehen derartige Apparate Divisionen meist als eine Serie von Subtraktionen an, die Zahl der Subtraktionsvorgänge ist dann das Ergebnis: 20 durch 5 entspricht demnach 20 – 5 = 15, 15 – 5 = 10, 10 – 5 = 5, 5 -5 = 0. Auch wenn man nicht genau erkennen kann, was genau in ihrem Inneren vor sich geht, so dürfte die Facit bei der Rechnung 20 : 0 ähnlich vorgehen ... und zwar aller Wahrscheinlichkeit bis in alle Ewigkeit. --> Youtube: Facit ESA-01 Division by 0 --> Youtube – Numberphile: Problems with Zero (red, 6.4.2016)
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7Wissenschaft
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Das Zentrum für Soziale Innovation ist beteiligt an EU-Projekt für mehr Verantwortung in der Wissenschaft. Wien - Im Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft lässt sich eine Doppelbewegung ausmachen: Einerseits rücken durch die Technisierung zunehmend Artefakte der Wissenschaft in die Lebenswelt, andererseits werden Forschung und die daraus resultierenden Anwendungen immer spezialisierter und entziehen sich so zunehmend dem Verständnis der meisten. Angesichts der starken Veränderungen der Lebenswelt durch den wissenschaftlichen Fortschritt hat die Europäische Kommission daher eine Initiative gestartet, die Wissenschaft und Gesellschaft wieder näher zusammenrücken lassen sollen. Federführend dabei ist ein Konzept, das Responsible Research and Innovation (RRI) genannt wird. 26 Institutionen sind europaweit an dem von der EU geförderten RRI Tools-Projekt beteiligt, bei dem es darum geht, sowohl Wissenschaftern als auch politischen Entscheidungsträgern, Wirtschaftstreibenden und der breiten Bevölkerung Tools zur Verfügung zu stellen, die letztlich zu einer nachhaltigen Forschung beitragen sollen. Das Vokabular ist dabei nicht unumstritten: So mutet es etwas technokratisch an, von Werkzeugen zu sprechen, wo es darum geht, neue Praktiken zu entwickeln und einen Sinneswandel und Selbstreflexion herbeizuführen. Auch gebe es Kritik, dass das Konzept irgendwo einmal ausgedacht worden ist, aber ihm noch die Bodenhaftung und die praktische Umsetzung fehlt, sagt die Soziologin Ilse Marschalekvom Zentrum für Soziale Innovation (ZSI), die in Österreich für die Koordination zuständig ist. Gemeinsame Verantwortung Wenn Wissenschafter mit RRI konfrontiert werden, komme es nicht selten vor, dass sie sich zunächst angegriffen fühlen und fragen: Waren wir bis jetzt nicht verantwortungsvoll genug?, berichtetMarschalek, das ist aber natürlich nicht gemeint, sondern es geht darum, dass die Verantwortung von allen gleichermaßen getragen wird - von Wissenschaftern, Policy Makers und der Wirtschaft. Nachdem in den letzten eineinhalb Jahren zahlreiche Gespräche und Workshops mit verschiedenen Akteuren stattfanden, geht es im nächsten Schritt um die Entwicklung von Werkzeugen - mit dem Ziel, RRI durchzusetzen. Wie diese genau aussehen werden, sei noch unklar. Denkbar wären etwa Trainingsmaterialien, Kurzvideos, Poster oder Powerpoint-Präsentationen, mit denen das Konzept von RRI vermittelt werden kann und Handlungsanleitungen gegeben werden können, die eigenen Aktivitäten hinsichtlich RRI zu beurteilen. Letztlich geht es um eine nachhaltige Forschung, um einen Paradigmenwechsel in der Wissenschaft, sagt Marschalek, eine Bewegung hinaus aus dem Elfenbeinturm, hin zu Science with and for society. Dabei sei nicht nur ein Einstellungswandel unter den Forschern erforderlich, sondern es gehe auch darum, die Forschungsförderung zu überdenken, sagt Katharina Handler, die am ZSI ebenfalls am Projekt beteiligt ist. Es müsse reflektiert werden, wie viel Geld wofür ausgegeben wird und welchen Gesellschaftsgruppen das nützlich ist. Mit den neuen technischen Möglichkeiten müssen wir auch einen neuen Ansatz in der Reflexion finden, wie diese Technologien von allen akzeptiert werden können, sagt Marschalek. Warum es gerade jetzt ein gesteigertes Verantwortungsbewusstsein der Wissenschaft brauche, begründet Marschalek mit den veränderten technischen Möglichkeiten: Mit Nanotechnologie bis hin zu Gentechnik verschiebe sich die Grenze, wozu Forschung imstande ist. Wissenschaft und Technik infiltriert unser Leben immer mehr. Ganz selbstverständlich kommen wir jeden Tag mit Hightech in Berührung. Dementsprechend haben die Leute mehr Interesse und mehr Möglichkeiten, sich zu interessieren und sich zu engagieren, sagt Marschalek. Neue Initiative Eine ähnliche Stoßrichtung wie das RRI Tool-Projekt verfolgt die Initiative Responsible Science - Wissenschaft und Gesellschaft im Dialog des Wissenschaftsministeriums. Im Sinne einer nachhaltigen Innovationsorientierung soll damit das Interesse der Gesellschaft an Wissenschaft und Forschung gestärkt werden - mit dem Langzeitziel, die überdurchschnittlich wissenschaftsskeptischen Österreicher näher an die Forschung heranzuführen, um sie so dafür zu begeistern.
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6Etat
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"Österreich" und "Kronen Zeitung" veröffentlichten unverpixeltes Foto eines völlig Unbeteiligten – Mit "Krone" außergerichtliche Einigung. Wien – Weil sie nach dem Germanwings-Unglück, bei dem am 24. März 2015 alle 150 Insassen ums Leben kamen, ein falsches Foto des vermeintlichen Co-Piloten veröffentlicht hatte, der die Maschine zum Absturz gebracht haben dürfte, ist am Montag in Wien eine Klage gegen die Tageszeitung Österreich behandelt worden. Das unverpixelte Bild des verwechselten Mannes hatte sich wie berichtet am Cover des Blatts befunden. Das Foto zeigte nicht den Co-Piloten, sondern einen völlig unbeteiligten jungen Mann, der lediglich denselben Vornamen wie der Co-Pilot trägt. Das Bild, das offenbar von einem Tweet stammte, hatte sich über Bild-Agenturen rasch und sogar bis nach Südamerika verbreitet. In Österreich saß neben Österreich, wo das falsche Foto in der Wien-Ausgabe publiziert wurde, auch die Kronen Zeitung dem Irrtum auf. Die Krone brachte das Foto des gebürtigen Deutschen, der in Bern lebt, in sämtlichen Ausgaben ebenfalls unverpixelt am Titelblatt. Wie die Medienanwältin Maria Windhager, die Wiener Rechtsvertreterin des Mannes, nun im Straflandesgericht anmerkte, habe sich die Kronen Zeitung im Unterschied zu Österreich bereits am nächsten Tag für die Verwechslung entschuldigt und eine Richtigstellung ins Blatt gerückt. Man habe sich mit der Krone auch umgehend auf einen außergerichtlichen Vergleich geeinigt, sodass in diesem Fall die Sache gar nicht gerichtsanhängig wurde. Über die Höhe der von der Krone geleisteten finanziellen Wiedergutmachung wollte Windhager unter Verweis auf ihre anwaltliche Verschwiegenheitspflicht keine Angaben machen. Gegen Österreich machte Windhager demgegenüber die medienrechtlichen Tatbestände der üblen Nachrede, die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs, die Verletzung des Identitätsschutzes sowie die Verletzung der Unschuldsvermutung geltend. Der Störwert der inkriminierten Veröffentlichung sei so hoch, dass damit verbundene schwerwiegende Auswirkungen außer Frage stünden, erklärte die Anwältin sinngemäß. Ihr Mandant sei immerhin als Massenmörder hingestellt worden. Richter Stefan Apostol beraumte für Mitte September einen weiteren Verhandlungstermin an, zu dem der Kläger nach Wien reisen und als Zeuge zu den konkreten Auswirkungen aussagen soll. Möglicherweise wird aber das Verfahren bis dahin ebenfalls außergerichtlich beigelegt. Der Österreich-Rechtsvertreter Peter Zöchbauer zeigte sich einer solchen Lösung grundsätzlich nicht abgeneigt. Es müsse allerdings einen Generalvergleich geben, der ein weiteres, am Wiener Handelsgericht anhängiges Verfahren mitumfasst, stellte Zöchbauer fest. Der Presserat hat sowohl die Kronen Zeitung als auch Österreich für die unverpixelte Bildveröffentlichung abgemahnt. Diese sei mit dem Ehrenkodex für die österreichische Presse nicht vereinbar. Es handle sich um einen schwerwiegenden Verstoß gegen die journalistische Genauigkeit und gegen den Persönlichkeitsschutz des Abgebildeten.
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1Panorama
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Zehn Millionen Einwohner auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen – Kurz besucht afrikanisches Land. Addis Abeba – Äthiopien wird nach Uno-Angaben derzeit von der schlimmsten Dürre seit 30 Jahren heimgesucht und benötigt deshalb sofortige Hilfe. Bereits jetzt seien 10,2 Millionen Äthiopier auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen, in wenigen Monaten könne sich die Zahl verdoppeln, sagte Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon am Sonntag beim Gipfel der Afrikanischen Union (AU) in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. Sein Land benötigte umgerechnet 1,3 Milliarden Euro zur Krisenbewältigung, sagte der äthiopische Vize-Regierungschef Demeke Mekonnen. Er wies auf den Zusammenhang zwischen der Dürre und dem Wetterphänomen El Niño hin. 2015 wanderten mehr als 80.000 Äthiopier über den Golf von Aden in den Jemen aus. Hilfsorganisationen hatten bereits zum Jahreswechsel vor einer Hungersnot aufgrund des Wetterphänomens El Niño gewarnt, von der vor allem Äthiopien betroffen sein werde. Die Organisation Save the Children forderte nun zum sofortigen Handeln auf, andernfalls würde zehntausende Kinder in akute Unterernährung verfallen. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) absolviert am Montag und Dienstag einen Besuch in Äthiopien, dessen Hauptthemen Migration und humanitäre Hilfe sind. Am Montag besucht Kurz unter anderem Hilfsprojekte und ein Flüchtlingslager in der im Osten des Landes gelegenen Region Somali. Neben der extremen Dürre hat Äthiopien, ein Land mit rund 94 Millionen Einwohnern, auch mit den zunehmenden Flüchtlingsbewegungen auf dem afrikanischen Kontinent zu kämpfen. Mit rund 800.000 Asylsuchenden war Äthiopien im vergangenen Jahr jenes Land mit den meisten Flüchtlingen in Afrika. Am Dienstag stehen politische Gespräche in Addis Abeba – unter anderem mit der Vorsitzenden der Afrikanischen Union (AU), Dlamini Zuma, sowie dem äthiopischen Amtskollegen Tedros Adhanom – auf dem Programm.
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7Wissenschaft
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Prähistorisches Schmuckstück aus Western Australia ist eine ausgesprochene Rarität. Sydney - Weil viele nicht weiter als bis zum ersten Satz lesen, ehe sie Pics or it didnt happen posten, schleunigst ein Link zu Beginn: Hier finden Sie ein Foto der im Titel erwähnten Perle (vorerst hat die Bildagentur noch keines geliefert, das wir verwenden dürften). Nun zu den Informationen: Archäologen haben in Australien eine natürliche Perle untersucht und ihr Alter auf 2.000 Jahre bestimmt. Die Entdeckung der Perle an sich war für australische Verhältnisse schon eine ausgesprochene Rarität: Natürliche Perlen sind sehr selten, berichtet die Archäologin Kat Szabo von der Universität Wollongong. Es sei damit zum ersten Mal überhaupt eine solche Perle in einer prähistorischen Fundstätte entdeckt worden. Die rosaschimmernde, fast kugelrunde Perle sei 2011 bei Grabungen in einer archäologischen Stätte der Aborigines an der Nordküste des Bundesstaats Western Australia gefunden worden, sagte die auf Muscheln spezialisierte Forscherin. Das Schmuckstück lag in einer prähistorischen Abfallgrube, in die die australischen Ureinwohner für Regenzeremonien genutzte Austernschalen geworfen hatten. Mit Hilfe der Perle konnten die Forscher nun nachweisen, dass diese Rituale älter sind als bisher angenommen. Das Alter der Perle und ihre natürlich runde Form, der mit keiner nachträglichen Bearbeitung nachgeholfen worden war, wurde mit Hilfe von Röntgenstrahlen und einem Vergleich mit Zuchtperlen bestimmt. Da man nur nicht-invasive Methoden anwenden wollte, konnten die Ergebnisse der Analyse erst so lange nach der Entdeckung präsentiert werden, sagt Szabo. Die Perle soll nun im Meereskundemuseum von Perth ausgestellt werden.
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7Wissenschaft
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Das Meer rund um die Antarktis war bis zu den 1990ern – und ist wieder seit 2002 – die größte ozeanische Kohlenstoffsenke unseres Planeten. Was dazwischen geschah, konnten Forscher der ETH Zürich nun aufklären.. Zürich/Wien – Einatmen, Ausatmen, Einatmen, Ausatmen… Wie eine gigantische Lunge absorbiert das Südpolarmeer gewaltige Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid, und gibt sie später im Jahreslauf wieder an die Atmosphäre ab. Netto ist die aufgenommene Menge wesentlich größer, als die wieder abgegebene Menge – der südliche Ozean bildet damit die größte marine Kohlenstoffsenke unseres Planeten, ein wichtiger Faktor im Kampf gegen den globalen Klimawandel. Mehreren Studien zufolge begann die Kohlenstoffaufnahme in den 1990er Jahren aber plötzlich zu stagnieren. Das war unerwartet, da man annahm, dass zwischen der Menge von aufgenommenem CO2 und der Menge von atmosphärischem CO2 eine direkte Relation besteht: Je höher die Konzentration von Kohlenstoff in der Luft, desto mehr davon wird auch im Ozean absorbiert. Heute, dreißig Jahre später, konnten die Zusammenhänge in einer kürzlich im Fachblatt Science publizierten Studie geklärt werden. Das Team internationaler Wissenschafter unter der Leitung von Nicolas Gruber von der ETH Zürich analysierte die seit den 1980ern regelmäßig gemessenen Konzentrationen von CO2 im Oberflächenwasser südlich des 35. Breitengrades im südlichen Ozean und berechnete daraus die Übertragungsrate von Kohlendioxid aus der Luft in das Meer. Zum ersten Mal wurden hier auf neuronalen Netzwerken basierende statistische Modelle eingesetzt, um auch schlechter beprobte Regionen berücksichtigen zu können. Die Ergebnisse zeigten deutlich, dass sich die Kohlenstoffsenke im südlichen Ozean seit 2002 langsam wiederbelebte. Bis zum Jahr 2010 war die Kohlenstoffaufnahme wieder auf einem Level, das man anhand der aktuellen atmosphärischen Konzentration erwarten würde, so die Wissenschafter. Peter Landschützer, Erstautor der Studie, führt die Veränderungen auf Variationen in den regionalen Wetterphänomene zurück: Seit Beginn des Jahrtausends haben sich die dominierenden atmosphärischen Luftdruckgebiete zunehmend anders verteilt, der Unterschied zwischen Hoch-und Tiefdruckgebieten führte in Folge zu einer Veränderung der herrschenden Windmuster. Im Gegensatz zu heute wehten die Winde in den 1990ern stärker und hauptsächlich gerade von West nach Ost, was den Wissenschaftern zufolge zu mehr Upwelling, dem Aufsteigen von kaltem Tiefenwasser, führte. Da Tiefenwasser mehr gelösten Kohlenstoff enthält, kam es zu einer abnormal hohen Abgabe desselben an die Atmosphäre. Seit Beginn des Millenniums flauten aber Winde und somit auch das starke Upwelling in den meisten Regionen wieder ab, was zum Erliegen der abnormal hohen CO2 Abgabe führte. Die wichtigste Schlussfolgerung der Wissenschafter: die Kohlenstoffsenke des Südozeans unterliegt offenbar eher Schwankungen der Wetterverhältnisse als einer direkten Relation zu dem in der Atmosphäre gelösten Kohlenstoff. Wie sich die Kohlenstoffsenke Südpolarmeer in Zukunft entwickeln wird, können die Wissenschafter zur Zeit noch nicht vorhersagen. Die heutigen Modelle sind leider noch nicht in der Lage, die beobachteten Variationen im Südozean zu reproduzieren. Umso wichtiger ist es, die Messungen der CO2-Konzentrationen im Oberflächenwasser fortzusetzen., so Gruber.
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7Wissenschaft
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Wien – Das Fossil einer vierbeinigen Schlange, das im Juli für eine wissenschaftliche Sensation sorgte (der STANDARD berichtete), hat nun ein rechtliches Nachspiel: Laut Nature ermitteln brasilianische Behörden, ob das Fossil illegal aus dem Land geschaffen worden ist. Der Paläontologe David Martill von der britischen University of Portsmouth hatte den Fossilfund aus dem Nordosten Brasiliens 2012 in einer privaten Sammlung in einem Museum in Solnhofen, Deutschland, entdeckt. Fossilienexporte aus Brasilien sind seit 1942 verboten. LinkNature: Four-legged snake fossil sparks legal investigation (red, 5.8.2015)
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7Wissenschaft
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Exotische Fische und Gartenchemikalien tragen zum Massensterben von Fröschen bei. Exeter - Frösche zwischen Seerosen und Goldfischen in einem Gartenteich mögen den Eindruck einer kleinen Naturoase erwecken. Doch wie Forscher der University of Exeter nun herausfanden, stellen die Teiche ein erhebliches Gesundheitsrisiko für Wildfrösche dar. Eine Studie, die nun im Fachblatt PLoS One erschienen ist, zeigt, dass das Ausmaß von Ranavirosis ansteigt, wenn sich exotische Fische im gleichen Biotop befinden. Die Krankheit führt bei Amphibien und Reptilien zu einem regelrechten Massensterben. Die Forscher haben Daten zur Sterblichkeit von Grasfröschen, die mit Ranavirosis in Zusammenhang steht, analysiert, die seit 1992 von Teichbesitzern aus ganz Großbritannien zur Verfügung gestellt worden sind. Wir erleben gerade ein Massensterben von Spezies, besonders Amphibien sind in Gefahr, sagt Mitautorin Amber Griffiths. Die Verschlechterung der Umweltbedingungen und der Klimawandel verschärfen die Situation. Die Studie zeigt aber auch, dass wie einen sofortigen Unterschied machen können, wenn wir die Habitate in unseren Gärten verändern. So warnen die Forscher davor, exotische Fische wie Goldfische in Gartenteichen zu halten: Sie könnten den Virenpegel heben oder Stresshormone produzieren, die die Abwehrkräfte der Wildfrösche vermindern. Auch wird angenommen, dass der Gebrauch von Gartenchemikalien die Ausbreitung der Krankheit erhöht. Damit sich die gefährlichen Viren nicht weiter ausbreiten, sei es zudem wichtig, Fische, Froschlaich oder Teichpflanzen nicht von einem Teich in einen anderen zu bringen.
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3Wirtschaft
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Österreichische Banken, die in Kroatien stark präsent sind, sehen einen "schwerwiegenden Eingriff". Wien/Klagenfurt/Moskau – Der Plan der kroatischen Regierung, die Banken per Gesetz zum Umtausch von Frankenkrediten in Euro zu zwingen, lässt die dort tätigen ausländischen Banken auf die Barrikaden steigen. Das geplante Gesetz verstoße gegen EU-Recht und gegen bilaterale Investitionsschutz-Abkommen, heißt es in einer am Donnerstag veröffentlichten gemeinsamen Stellungnahme der von Österreichern dominierten Banken. Kroatiens Finanzminister Boris Lalovac hatte seinen Plan, allen Franken-Kreditnehmern den Umtausch ihrer Darlehensschulden in Euro zu ermöglichen, vergangene Woche angekündigt. Die Regierung wird sich voraussichtlich am 10. September mit dem Gesetz befassen, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg. Nach dem Beschluss im Parlament sollen die Banken drei Monate Zeit für die nötigen Vorbereitungen bekommen. Die Banken zeigten sich über die Pläne der Regierung – die damit ähnliche Maßnahmen in Ungarn und Polen nachvollziehen will – ernsthaft beunruhigt: Eine Zwangskonvertierung, ohne die Einkommenssituation oder die Schuldendienstfähigkeit eines Kunden zu berücksichtigen, ist ein schwerwiegender rückwirkender Eingriff in bestehende Verträge, heißt es in der Stellungnahme von Erste Group, Hypo Group Alpe Adria AG, RBI, Sberbank Europe und Unicredit Bank Austria. Als betroffene Investoren werden wir daher rasch bilaterale Gespräche mit der kroatischen Regierung suchen. Die kroatische Regierung verteidigt ihre Pläne, die Banken per Gesetz zum Umtausch von Schweizer-Franken-Krediten in Euro zu zwingen. Das Verfassungsrecht der Regierung ist es ihre Bürger zu schützen, nicht das Kapital, kommentierte Finanzminister Boris Lalovac laut Medienberichten am Donnerstag den Protest der ausländischen Banken. Als die Bürger die Zinsen überzahlten, haben sie nicht protestiert. Als Milliarden von Kuna in diese Länder gingen – nach Österreich flossen von 2008 bis 2014, als es Kroatien am schlechtesten ging, 8 Milliarden Kuna (1,06 Mrd. Euro) aus den Taschen kroatischer Bürger -, da protestierten die selben Zentralen nicht, sagte Lalovac.
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1Panorama
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Zahl der Ankünfte aus der Türkei steigt wieder – Griechischer Minister vergleicht Idomeni mit KZ Dachau. Athen/Piräus – Nach der Schließung der Balkanroute Richtung Mitteleuropa harren in Griechenland mittlerweile gut 46.000 Flüchtlinge und Migranten aus. Dies teilte der Krisenstab der Regierung in Athen mit. Rund 7.300 von ihnen warteten am Freitag auf Inseln der Ostägäis auf Fähren zum Festland. Rund 13.600 Menschen befanden sich im Raum Athen. Der Rest, etwa 12.000 Menschen, harrte im improvisierten Lager von Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze aus, das ursprünglich für 2.500 Menschen ausgelegt war, oder war in besser organisierten Lagern in Nordgriechenland untergebracht. In Idomeni übernachten sie in der Kälte in kleinen Zelten oder schlafen auf schlammigen Feldern im Freien. Essen und Getränke sind knapp. In den vergangenen Tagen setzte Dauerregen den Flüchtlingen zusätzlich zu. Hilfsorganisationen warnen vor einer Krankheitswelle, die insbesondere für Kinder gefährliche Folgen haben könne. Der griechische Innenminister Panayotis Kouroublis hat die Lage im Flüchtlingscamp in Idomeni mit dem Zuständen in den Konzentrationslagern der Nazis verglichen. Dies ist ein modernes Dachau, das Ergebnis der Logik der geschlossenen Grenzen, sagte Kouroublis am Freitag vor Reportern bei einem Besuch des Lagers an der Grenze zu Mazedonien. Das Elend zu sehen sei wie ein Schlag in die Magengrube. Der Minister versprach, die Überwachung und medizinische Versorgung des Lagers zu verbessern. Unterdessen steigt auch die Zahl der Asylsuchenden, die aus der Türkei zu den Inseln übersetzen, wieder: Nach Angaben des Krisenstabes haben am zwischen Donnerstagabend und Freitagfrüh 670 Migranten aus der Türkei nach Griechenland übergesetzt. Am Vortag waren 239 Migranten gekommen. In der griechischen Hafenstadt Piräus kamen am Freitag 640 Migranten von den Inseln Lesbos und Chios an, am Vorabend 450. In Piräus warten in Lagerhallen und in Zelten mittlerweile mehr als 4.500 Menschen.
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7Wissenschaft
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Früheste Spuren systematischen Vogelviehverzehrs entdeckt: Ansammlungen von mindestens 2.300 Jahre alten Hühnerknochen in Israel. Haifa/Wien – Es ist zumindest rein zahlenmäßig das beliebteste Haustier des Menschen: Weltweit wird die Zahl der gehaltenen Haushühner auf rund 20 Milliarden geschätzt. Damit kommen auf einen Menschen knapp drei der eierlegenden Zweibeiner. Noch beliebter sind die Hühner als Schnitzel: Rund 45 Milliarden werden geschlachtet, macht sechs Stück pro Mensch und Jahr. Das Haushuhn hat gegenüber anderen Fleischlieferanten erhebliche Vorteile: Es verbraucht weniger Wasser und ist auch sonst besser für die Klimabilanz. Ab-strakt formuliert, stellen sie eine kompakte, tragbare und pflegeleichte Fleischpackung dar, die auch über Eier verlässlich Protein liefert, wie ein Forscherteam um Lee Perry-Gal von der Universität Haifa im Fachblatt PNAS schreibt. Das Interesse der Wissenschafter galt aber einer anderen Frage: Wo und wann begann man außerhalb von Asien systematisch mit der Zucht von Hühnern zum Fleisch- und Eierkonsum? Aufgrund genetischer Untersuchungen ist offensichtlich, dass unsere Hühnerrassen von einem südostasiatischen Wildhuhn abstammen, dem Bankivahuhn. Nach seiner Domestizierung gelangte das Huhn über seinen natürlichen Verbreitungsraum hinaus: zuerst nach Westasien und in den Nahen Osten, etwa im 9. oder 8. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung nach Europa. Die Forschung vermutet indes, dass in dieser Zeit westliche Hühner vor allem für rituelle oder symbolische Zwecke gehalten wurden. Knochenfunde, die auf eine systematische Hühnerhaltung zum Zwecke des Verzehrs schließen lassen, gibt es aus diesen Zeiten so gut wie gar nicht. Perry-Gal und Kollegen stießen kürzlich in Maresha, einer historischen Stadt im heutigen Israel, auf außergewöhnliche Ansammlungen antiker Hühnerknochen, die vermutlich mehr als 2300 Jahre alt sind. Darunter waren besonders viele Knochen weiblicher Tiere, was vermuten lässt, dass die Hühner unter anderem wegen ihrer Eier gehalten worden waren. Zudem fanden die Forscher Schnittspuren an den Knochen, die auf Schlachtungen hinweisen. Schließlich analysierten die Forscher das historische Vorkommen von Hühnern an mehr als 200 weiteren historischen Stätten in der südlichen Levante und fanden einen sprunghaften Anstieg an Knochen in den letzten drei Jahrhunderten vor unserer Zeitrechnung. Und das wiederum markiere vermutlich den Beginn der modernen Hühnerzucht.
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7Wissenschaft
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Germanist Rudolf Simek erstellte einen Katalog wundersamer Wesen aus der mittelalterlichen Literatur. Beim Scrabble wird man nach der Lektüre von Rudolf Simeks Monster im Mittelalter für einige Zeit unschlagbar sein. Man lege einfach Begriffe wie Meermönche oder Hundsköpfige aufs Brett – der österreichische Philologe und Mediävist belegt schwarz auf weiß, dass sie eine lange Tradition haben. Ihre Wurzeln reichen großteils bis zu griechischen Reisenden der Antike zurück, deren Berichte im Lauf der Jahrhunderte stark entstellt wurden. Es war ein lang gehegter Wunsch Simeks, all den sogenannten Wundervölkern oder Fabelrassen ein eigenes Werk zu widmen, welche die Gelehrten des Mittelalters für ganz reale Bewohner ferner Weltregionen hielten. Das können einfach nur Menschen mit anderer Sozialstruktur – zum Beispiel Amazonen – oder auch solche sein, die sich in ihren Essgewohnheiten von Europäern unterscheiden. Vor allem aber sind es Wesen von wunderlicher Gestalt, Mischformen aus Mensch und Tier oder auch Menschen mit bizarren Körpermerkmalen: die sich in ihre riesigen Schlappohren wickeln, die Gedärme außerhalb des Körpers tragen oder keinen Kopf haben, weshalb Augen, Nase und Mund auf dem Brustkorb sitzen. Simeks Lieblingsbeispiel sind die Skiopodes. Ihr Kennzeichen: ein einziger Fuß, auf dem sie wie ein geölter Blitz laufen können, sofern sie sich nicht gerade auf den Rücken legen und den Riesenfuß je nach Wetterlage als Sonnenschutz oder Regenschirm über sich halten. Mittelalterliche Enzyklopädien sprachen auch von monstra, abgeleitet vom lateinischen monstrare für zeigen. Zeigen sollten die Wunderwesen nach damaliger Deutung in erster Linie Gottes schöpferischen Einfallsreichtum. Darüber hinaus wurden sie weitgehend wertneutral betrachtet. Sie galten nicht als Schreckensgestalten wie Monster heute, sondern als alternative Formen menschlichen Lebens. Ein entscheidender Punkt für die Gelehrten der damaligen Zeit war die Frage, ob die Wunderwesen eine Seele hätten oder nicht. Diese vermeintlich akademische Diskussion sollte mit der beginnenden Neuzeit höchst reale wirtschaftspolitische Aspekte erhalten. Nun lasen die Europäer nicht mehr nur alte Reiseberichte, sondern kolonisierten selbst die Welt. Und trafen dabei auf indigene Bevölkerungen, bei denen der Grad an Menschlichkeit, den man ihnen zugestand, bestimmte, wie stark man sie ausbeuten durfte. Simek geht zwar noch darauf ein, wie die Ureinwohner Amerikas systematischer Versklavung entgingen, weil sich Vertreter der Kirche vehement dafür aussprachen, sie als beseelte Kinder Gottes anzusehen. Warum man mit Afrikanern später weniger gnädig verfuhr, wird im Buch aber leider nicht ausgeführt. Generell betrachtet Germanist Simek sein Thema primär aus der motivgeschichtlichen Perspektive und verfolgt die literarische Evolution einer Fabelrasse von einer Quelle zur nächsten. Für Nichtphilologen ist Monster im Mittelalter daher neben dem ausführlichen lexikalischen Teil vor allem wegen der mehr als 150 Illustrationen aus mittelalterlichen Quellen interessant. Es wimmelt im Buch nur so vor höchst erstaunlichen und oft unfassbar komischen Bildern. Was nicht nur den fantastischen Motiven geschuldet ist, sondern auch dem Wissensstand oder dem zeichnerischen Talent des jeweiligen Illustrators. So erwächst den fiktiven Wundervölkern ernstzunehmende Konkurrenz durch Wesen mit realer Grundlage, welche die damaligen Illustratoren aber nur vom Hörensagen kannten. Man wundere sich also nicht, wenn sich eine Seekuh hier als Fisch mit Hörnern oder ein Krokodil als Hase mit Schwimmhäuten präsentiert. Monster im Mittelalter ist eine wahre Augenweide.
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7Wissenschaft
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Die FH Gesundheitsberufe legt eine Studie über Mütter mit Behinderungen vor. Linz – Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge leben etwa zehn Prozent der Weltbevölkerung mit einer körperlichen, psychosozialen oder intellektuellen Beeinträchtigung. Die Betroffenen sind von vielen Bereichen des Lebens ausgegrenzt, so wird zum Beispiel das Thema Sexualität behinderter Menschen oft tabuisiert. Gesunde Menschen können sich oft nicht vorstellen, dass auch Frauen mit derartigen Beeinträchtigungen in der Lage sind, Verantwortung für ein Kind zu übernehmen. Die betroffenen Frauen machen sogar die Erfahrung, dass von ihnen erwartet wird, keine Kinder zu bekommen. Entscheiden sie sich dennoch für ein Kind, haben sie häufig gegen sehr hartnäckige Vorurteile bezüglich ihrer Eignung als Mutter anzukämpfen. Zu dieser gesellschaftlichen Stigmatisierung gesellen sich noch ganz konkrete praktische Probleme, die von physischen Barrieren beim Zugang zu gynäkologischen Praxen oder geburtshilflichen Abteilungen bis hin zu erschwertem Zugang zu Informationsmaterial reichen. Auch nach der Geburt benötigen viele von ihnen noch besondere Unterstützung bei der Bewältigung der Familienarbeit. Eine kürzlich abgeschlossene Studie der Fachhochschule für Gesundheitsberufe in Oberösterreich hat sich mit genau dieser Problematik auseinandergesetzt und die Situation körper- und sinnesbehinderter Mütter in der Geburtshilfe analysiert. Wir konnten in unserer Studie vor allem zwei große Barrierenbereiche identifizieren, sagt die Studienleiterin Barbara Schildberger zum STANDARD. Der eine betrifft die Ausstattung der geburtshilflichen Abteilungen, der andere die Betreuung von behinderten Frauen in der Geburtshilfe. Die während dreier Jahre laufende Studie, die in Kooperation mit der Fachhochschule Gesundheit Tirol (Bachelor-Studiengang Hebamme) und mit Unterstützung des Österreichischen Hebammengremiums (ÖHG) durchgeführt worden war, gliederte sich in eine quantitative und eine qualitative Erhebung. Erstere wurde mittels eines selbst entwickelten, nichtstandardisierten Fragebogens durchgeführt, der an alle 84 Pflegedirektionen der österreichischen Krankenanstalten verschickt wurde. Darin wurden die baulichen Gegebenheiten zur Sicherstellung eines barrierefreien Zugangs – zum Beispiel rollstuhltaugliche Eingänge – sowie die Implementierung von barrierefreien Leistungs- und Hilfeangeboten erfasst. Die Ergebnisse zeigten, sagt die Hebamme und Soziologin Schildberger, dass zwar die unterschiedlichen Bauvorschriften der Länder flächendeckend umgesetzt worden waren, bei anderen Ausstattungsmerkmalen, die eine chancengleiche Versorgung ermöglichen würden, müsste aber noch etwas nachjustiert werden. So sei etwa nicht in allen geburtshilflichen Abteilungen ein Duschsessel, ein unterfahrbarer Wickeltisch oder einfache Namensbändchen in Brailleschrift vorhanden. Auch ein barrierefreier Zugang zu Informationen – zum Beispiel über vertonte Internetseiten oder über Broschüren in Brailleschrift – sei noch nicht überall gegeben. Insgesamt geht es dabei um Dinge, die den Frauen ein selbstständiges Agieren ermöglichen sollen: Je besser das klappt, desto weniger sind die betroffenen Frauen auf Unterstützung angewiesen, was sich natürlich auch positiv auf ihr Selbstbewusstsein auswirkt. Bei der qualitativen Erhebung ging es darum, das subjektive Erleben der Frauen bei Schwangerschaft, Geburt und im Wochenbett zu erfragen. Dazu wurden zehn leitfadengestützte Interviews mit motorisch, sensorisch oder sprachlich beeinträchtigten Frauen durchgeführt, die über Behindertenverbände kontaktiert worden waren. Bei der Auswertung zeigte sich, dass innerhalb der Pflege noch mehr für den Bedarf behinderter Frauen sensibilisiert werden muss: Uns ist nun klar, dass wir diese Aspekte vermehrt in der Ausbildung von medizinischem und pflegendem Personal behandeln müssen, betont Schildberger. Auch andere Abteilungen sollen für das Thema sensibilisiert werden. Die Ergebnisse der Studie sollen daher auch über praxisorientierte Medien wie die österreichische Hebammenzeitung an die betroffenen Berufsgruppen weitergegeben werden. Viele behinderte Frauen erleben besonders den Zweifel der Gesellschaft, dass auch sie gute Mütter sein können, als schmerzvoll, schildert die Soziologin und betont das wichtigste Ergebnis der Studie: Neben der allgemeinen gesellschaftlichen Akzeptanz wollen und brauchen die Frauen vor allem Rahmenbedingungen, um ihr Kind eigenständig zu versorgen.
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1Panorama
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In der Stadt eröffnen neue Unterkünfte, Rotes Kreuz spricht vom "größten Einsatz der vergangenen zwei Jahrzehnte". Wien – Eine Warteschlange hat sich vor einer blauen Tür an der Seitenwand der Wiener Stadthalle gebildet. In den Räumen dahinter findet die fremdenpolizeiliche Registrierung statt. Die Menschen, die hier anstehen, wollen nicht mehr weiterreisen, sondern in Österreich Asyl beantragen. Wir sind seit vier Tagen hier, erzählt Ali. Der Afghane hat vor einem Monat mit Freunden seine Heimat verlassen, über Ungarn sind sie nach Österreich gekommen. Wir wollen uns registrieren, aber es geht nicht, sagt der 18-Jährige. Wir wollen bleiben, aber wenn sie uns nicht hierhaben wollen, werden wir weiter nach Deutschland fahren. Auf der anderen Seite der Tür drängen Polizisten die Wartenden zur Ruhe. Es werden heute nicht alle einen Asylantrag stellen können, sagt ein Beamter. Genauere Auskünfte können sie nicht geben; das Stadthallenquartier wird geräumt. Helfer laden die 350 Feldbetten in einen Lkw und bringen sie in ein neues Quartier des Roten Kreuzes. Das ehemalige Bürogebäude in der Lindengasse in Wien-Neubau soll nötigenfalls bis zu 500 Schlafplätze bieten. Das Gebäude der Raiffeisen Evolution ist für die Flüchtlinge aber nicht nur eine kurzzeitige Übernachtungsmöglichkeit, wie es die Schlafplätze in der Stadthalle waren. Rotkreuz-Sprecher Alexander Tröbinger vermutet, dass sie einige Wochen in dem Quartier bleiben werden. Dort können die Flüchtlinge ab Mittwoch bei einer Stelle der Fremdenpolizei auch wieder Asylanträge stellen. Das ist der größte Einsatz der vergangenen zwei Jahrzehnte für uns, sagt Tröbinger. Ohne die Unterstützung der anderen Landesorganisationen und des internationalen Netzwerks des Roten Kreuzes wäre dieser nicht möglich. Die Raumressourcen reichen laut Tröbinger in Wien derzeit aus, um alle Flüchtlinge unterzubringen: Wir haben etwa 2.100 Plätze. Anders sieht es in den neu geschaffenen Verteilerzentren der Bundesländer aus. Diese sind alle überbelegt, wie das Innenministerium bekanntgab. Die Zentren in den Bundesländern sind voll. Wir haben 50 Prozent mehr Asylanträge als bisher, sagt Ministeriumssprecher Alexander Marakovits zum STANDARD. 2.000 Asylantragsteller seien derzeit vorübergehend in den Quartieren untergebracht, die eigentlich für Transitflüchtlinge vorgesehen sind. Menschen, die seit dem vergangenen Wochenende einen Asylantrag stellen, sind offiziell obdachlos, kritisiert Diakonie-Direktor Michael Chalupka, der die Öffnung der Kasernen fordert. Zu Obdachlosigkeit könne es kommen, wenn Flüchtlinge kein Notquartier beziehen können oder wollen, entgegnet Marakovits. Für mehr Platz will auch das Abendgymnasium Wien sorgen und über den Winter Flüchtlinge aufnehmen. Leerstehende Gebäudeteile, die nicht für den Schulbetrieb genutzt werden, werden als Notquartiere hergerichtet. 250 Personen könnten so übergangsweise in den beheizten Räumen Unterschlupf finden.
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7Wissenschaft
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Exotische Fleischwaren können Krankheitserreger enthalten. Österreichische Wissenschafter haben die Risiken erfasst und staunten über Einfuhrmengen. Wien – Man schlendert über einen Markt, irgendwo fern der Heimat, und wird von Eindrücken fast überwältigt. Düfte, Farben – ein Fest für die Sinne. Wer probiert, kommt meist schnell auf den Geschmack. Wurst, wunderbar gewürzt mit Kreuzkümmel und Koriander, oder pikanter Schafskäse. Die Aromen tanzen Polka auf der Zunge. Eine großzügige Portion ist schnell gekauft und eingepackt. Für zu Hause, zum Nachgenießen. Die Begeisterung kann allerdings unangenehme Folgen haben. Kulinarische Souvenirs aus EU-Mitgliedsstaaten gelten als unproblematisch, doch die unkontrollierte Einfuhr von Tierprodukten aus anderen Ländern, auch wenn sie nur für den persönlichen Verzehr gedacht sind, ist illegal. Die Gesetzgeber fürchten das Einschleppen von potenziell gefährlichen Krankheitserregern, und diese Angst hat ihre Begründung. Die benachbarte Türkei zum Beispiel ist nur einer von vielen auf der Liste der Risikostaaten. Es gibt dort immer wieder Ausbrüche von Maul- und Klauenseuche, sagt Dagmar Schoder von der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Die hochansteckende Viruserkrankung kann ganze Viehbestände befallen und gewaltige wirtschaftliche Schäden verursachen. Abgesehen davon entspricht auch die Lebensmittelhygiene vielerorts nicht den EU-Standards, wie Dagmar Schoder betont. Den Befürchtungen zum Trotz: Wie groß die Risiken tatsächlich sind, war bisher unbekannt. Konkrete Zahlen über die Keimbelastung mitgebrachter Leckereien gab es nicht. Das von der EU finanzierte Projekt Promise sollte hier Abhilfe schaffen. Zusammen mit Wiener Kolleginnen und einer Expertin der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) hat Dagmar Schoder insgesamt 600 illegal importierte Lebensmittel tierischen Ursprungs auf deren Kontamination mit diversen Bakterienstämmen hin untersucht. Die Proben stammten aus Waren, die vom Zoll auf dem Flughafen Schwechat bei Passagieren gefunden und konfisziert wurden. Es ist die erste Studie dieser Art in Europa. Die vor kurzem im Fachblatt International Journal of Food Microbiology (Band 209, S. 3) veröffentlichten Ergebnisse zeigen ein vielschichtiges Bild. Erstaunlich ist zunächst, welche Mengen exotischer Delikatessen manche Personen nach Österreich mitnehmen. Ein Reisender aus Ägypten hatte nicht weniger als zehn Kilo rohes Fleisch und Leber im Gepäck, ein anderer aus der Türkei sogar 15 Kilo Wurst. Dagegen muten die anderthalb Kilo getrocknetes Wildfleisch im Besitz eines aus der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba eingeflogenen Passagiers geradezu bescheiden an. Die Amateurschmuggler sind oft Menschen mit kulturellen Wurzeln in den Reiseländern. In ihrer neuen mitteleuropäischen Heimat können sie bestimmte traditionelle Speisen nicht auftreiben und vermissen sie. Was für uns das Wiener Schnitzel, ist für den Afrikaner geräuchertes Stachelschwein, sagt Dagmar Schoder. Verständlich, aber eben nicht gesetzeskonform. Schoder und ihr Team analysierten die gesammelten Proben sowohl anhand klassischer mikrobiologischer Methoden als auch molekulargenetisch. Man suchte gezielt nach fünf verschiedenen Bakterientypen: Listeria monocytogenes, Staphylococcus aureus, Escherichia coli sowie Vertreter der Gattung Campylobacter und Salmonella. S. aureus und E. coli gelten nicht grundsätzlich als Krankheitserreger, sagt Schoder. Stattdessen dienen sie Fachleuten vor allem als Hygieneindikatoren. Wenn diese Keime in erhöhten Mengen auftreten, ist es mit der Sauberkeit in der Küche nicht gut bestellt gewesen. Salmonella und Co sind jedoch echte Pathogene. Sie verursachen hauptsächlich Magen-Darm-Infekte. Dasselbe gilt für E.-coli-Stämme. Von den insgesamt 315 untersuchten Milchprodukten enthielten neun, 2,9 Prozent also, krankheitserregende Bakterien. Für E. coli und S. aureus lagen die Konzentrationen in 86,7, beziehungsweise 95,9 Prozent der Proben unterhalb der EU-Grenzwerte. Besonders stark kontaminiert war ein türkischer Mozzarella. Der in Istanbul produzierte Käse enthielt nicht nur Salmonellen, sondern auch große Mengen Staphylokokken und Kolibakterien. Für Fleisch und Wurst konnten etwas mehr Belastungen aufgezeigt werden. Pathogene Keime ließen sich in 19 (7,3 Prozent) von insgesamt 262 Proben nachweisen. Mehr als die Hälfte davon, 4,2 Prozent, war mit Listerien behaftet. Interessanterweise liegt diese Zahl sogar unter der für österreichische Fleischerzeugnisse ermittelten Häufigkeit von 5,4 Prozent. Das Risiko, durch Verzehr solcher Speisen die Infektionskrankheit zu bekommen, ist bei exotischer Ware offenbar nicht größer. In Bezug auf die Hygieneindikatoren jedoch sind die Werte mitunter deutlich erhöht, erklärt Dagmar Schoder. Eine zusätzliche Gefahr könnte von Bakterienstämmen ausgehen, die bisher nicht in Europa vorkommen, meint die Expertin. 2013 zum Beispiel kam es in Spanien zu einem Ausbruch einer Listeriose. Die verantwortlichen Erreger wurden als Listeria monocytogenes der genetischen Variante ST87 identifiziert. Sie ist auch aus China bekannt. Die österreichischen Forscher stießen bei ihrer Suche ebenfalls auf L. monocytogenes – in zwei illegal mitgebrachten chinesischen Geflügelprodukten. Man weiß viel zu wenig über diese Warenbewegungen, sagt Schoder. Vor allem Buschfleisch von tropischen Wildtieren sei äußerst riskant. Sie können diverse Krankheitserreger in sich tragen, darunter vielleicht auch das Ebola-Virus. Es sollten laufend stichprobenartige Kontrollen durchgeführt werden. Aber: Eine hundertprozentige Sicherheit werde es nie geben.
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7Wissenschaft
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Noch ist unklar, ob es sich dabei tatsächlich um Kommunikation mit Artgenossen handelt. Wien/Berlin/Kopenhagen – Es ist seit langem bekannt, dass Giraffen Töne produzieren können. Allerdings ist nach wie vor unklar, ob sie diese auch zur Kommunikation verwenden. Aufgezeichnet wurden bisher vor allem Schnaub- und Grunzgeräusche. Forscher der Universität Wien und des Berliner Tierparks berichten nun im Fachjournal BioMedCentral, dass die Tiere in der Nacht summen – warum genau, konnten sie noch nicht klären. Für ihre Untersuchung zur möglichen Kommunikation zwischen den Giraffen sammelten die Wissenschafter rund 1.000 Stunden Audiomaterial von in den Zoos von Wien, Berlin und Kopenhagen. Zur ihrer Überraschung begannen die Tiere in der Nacht mit einem harmonischen, kontinuierlichen, frequenzmodulierten Summen – in Kopenhagen rund zwei Stunden vor Sonnenaufgang, in den anderen beiden Zoos vor allem in der Mitte der Nacht. Da die Wissenschafter nur über Audioaufnahmen verfügen, konnten sie jedoch nicht nachweisen ob bzw. in welchem Zusammenhang die Töne der Kommunikation mit Artgenossen dienen. In allen drei Zoos wurden die Tiere während der Untersuchung in der Nacht vergleichbar gehalten: In Kopenhagen wurde eine schwangere Giraffenkuh von der Herde getrennt, in Wien ein Giraffenbulle vom Rest der Tiere. In Berlin wiederum verbrachte jede Giraffe die Nacht in einem eigenen Stall, nur Kälber wurden zusammen mit der Mutter gehalten. Die Forscher vermuten daher, dass das Summen im Dunkeln zur Kontaktaufnahme dienen könnte, etwa um die restlichen Herdenmitglieder zu rufen. Zur weiteren Erforschung des rätselhaften Summens schlägt das Team um Angela Stöger-Horwath und Anton Baotic von der Universität Wien ein automatisches akustisches Monitoring-System vor, das mit Videoaufnahmen gekoppelt ist. So könnte einerseits das Verhalten der Tiere nach dem Summen analysiert und andererseits das rufende Tier eindeutig identifiziert werden.
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4Sport
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Ersatz für Argentiniens abgewanderten Teamspieler Esteban Cambiasso. Leicester – Der auch von Schalke 04 umworbene Schweizer Nationalspieler Gökhan Inler wechselt vom SSC Neapel zu Leicester City. Der 31-jährige Mittelfeldspieler erhält einen Dreijahresvertrag und wird damit Teamkollege von ÖFB-Teamspieler Christian Fuchs, der zuvor bei Schalke unter Vertrag stand. Leicester-Teammanager Claudio Ranieri war auf der Suche nach einem Ersatz für den argentinischen Nationalspieler Esteban Cambiasso, der Anfang August ablösefrei zum griechischen Serienmeister Olympiakos Piräus wechselte.
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2International
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Ungarn weigert sich, Asylwerber zurückzunehmen – Kurz drohte mit "negativen Konsequenzen". Wien – Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) hat gegen die am Dienstag öffentlich gewordene Entscheidung Ungarns, sich nicht mehr an die Verordnung zur Rücknahme von Asylwerbern zu halten, protestiert: Es sei inakzeptabel, dass der Nachbarstaat die sogenannte Dublin-III-Verordnung aussetze, so Kurz. Am Mittwoch ruderte Budapest allerdings zurück; man habe nicht die Anwendung einer EU-Rechtsnorm gekündigt, eine solche Entscheidung sei nicht getroffen worden, erklärte der ungarische Außenminister Péter Szijjártó am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. Bestehende Missverständnisse sollten ausgeräumt werden, wurde Szijjártó von dem Internetportal der Tageszeitung Nepszava zitiert. Ungarn halte alle Rechtsnormen der EU ein. Jedoch habe die Regierung Informationen erhalten, wonach Österreich und andere zehn EU-Staaten illegale Einwanderer nach Ungarn zurückschicken wollen, und damit sind wir nicht einverstanden, betonte Szijjártó. Denn diese Asylwerber hätten das EU-Territorium nicht in Ungarn, sondern in Griechenland betreten, deswegen müssten sie dorthin zurück. Die Regierung wies den Justizminister an, umgehend Verhandlungen mit der EU-Kommission zum Thema zu beginnen. Die Dublin-III-Verordnung trat im Juli 2013 in Kraft und legt fest, dass für die Durchführung von Asylverfahren jener europäischer Mitgliedstaat zuständig ist, den ein Antragsteller zuerst betreten hat. Rechtlich ist eine einseitige Aufkündigung der Verordnung nicht vorgesehen. Diese Möglichkeit gibt es einfach nicht, sagt Verica Trstenjak, Professorin für Europarecht an der Universität Wien. Das wäre so, als ob Tirol sagen würde, wir respektieren die österreichische Steuergesetze nicht mehr. Die Dublin-III-Verordnung ist für alle EU-Mitgliedstaaten bindend. Trstenjak sieht neben einem Vertragsverletzungsverfahren, wie es nun Österreich von der EU-Kommission verlangt, kaum eine Möglichkeit gegen diese Entscheidung Ungarns rechtlich vorzugehen. Dieses Prozedere nimmt allerdings sehr viel Zeit in Anspruch und führt zuerst lediglich zu einem sogenannten Feststellungsurteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg. Dieses Urteil stellt – wie der Name schon sagt – nur fest, dass Unionsrecht verletzt wurde. Erst in einem zweiten Prozess, könnte der EuGH dann auch Strafzahlungen verhängen. Insgesamt könnte dieser Rechtsweg mehr als fünf Jahre in Anspruch nehmen. Eventuell könnte rechtlich auch nach Artikel 7 des EU-Vertrages gegen Ungarn vorgegangen werden. Damit könnten bestimmte Mitgliedschaftsrechte, beispielsweise das Stimmrecht im Rat, suspendiert werden, wenn die Grundwerte der Europäischen Union, die in Artikel 2 des EU-Vertrages festgeschrieben sind, verletzt wurden. Diese Möglichkeit wurde aber bisher noch nie genutzt. Noch ist unklar, wie genau die Maßnahmen aussehen, die von der Regierung Orban nun bezüglich der Dublin-III-Verordnung ergriffen wurden. Marie-Pierre Granger, Juristin, Politikwissenschafterin und derzeit Assistenzprofessorin an der Central European University in Budapest, will aber nicht ausschließen, dass mit der Vorgehensweise auch von innenpolitischen Themen abgelenkt werden soll. Solange über Asylsuchende geredet wird, gehen Themen wie die wirtschaftliche Situation, die hohe Arbeitslosenquote oder Probleme im Bildungs- und Gesundheitssystem unter, sagt Granger. Die Anzahl der Asysuchenden in Ungarn sei zwar tatsächlich massiv angestiegen, allerdings würden tatsächlich nur wenige Personen im Land bleiben. Der ungarische Vorstoß könnte auch als Agenda-Setting für den am Donnerstag und Freitag anstehenden EU-Gipfel interpretiert werden. Dort wird es erneut um den Plan der EU-Kommission gehen, eine Quote zur Aufteilung von Flüchtlingen auf die einzelnen EU-Staaten einzuführen. Bisher ist die Kommission mit diesem Vorschlag gescheitert. Die Ungarn haben kaum rechtlich korrekte Möglichkeiten, der Situation von erwartet 120.000 Flüchtlingen allein in diesem Jahr gegenzusteuern, stellt Michael Anderheiden, Jurist und Professor an der Andrássy Universität in Budapest, fest. Eine Möglichkeit wäre, Flüchtlinge unkontrolliert weiterreisen zu lassen – etwa auch nach Österreich. Anderheiden: Dann befände sich Österreich in der Situation, in der Ungarn jetzt ist, solange die Flüchtlinge in Österreich beharrlich über ihren Reiseweg schweigen. In einem Telefongespräch mit Szijjártó am Dienstagabend hatte Kurz erklärt, dass das Vorgehen Ungarns negative Auswirkungen haben werde. Das kann Österreich nicht tolerieren, so Kurz in dem Telefonat laut Außenministerium. Kurz forderte zudem, dass die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren einleite. Auch Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) forderte Konsequenzen seitens der EU-Kommission. Überstellungen müssten wieder möglich gemacht werden. Gegebenenfalls müsse die Union Ungarn mit Personal etwa von der Grenzschutzagentur Frontex zu Hilfe kommen. Die Ministerin geht davon aus, dass Ungarn seine Entscheidung in den nächsten Tagen zurücknimmt. Ändere Budapest trotzdem seine Haltung nicht, sei ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. An ihrer Entscheidung, im österreichischen Flüchtlingswesen prioritär Dublin-Fälle abzuarbeiten, also jene Anträge, wo andere europäische Länder für das Verfahren zuständig sind, hält Mikl-Leitner fest, auch wenn keine Überstellungen nach Ungarn möglich seien. Die Ministerin ist überzeugt, dass sich das Problem innerhalb weniger Tage gelöst haben wird. Zuvor hieß es, der ungarische Premier Viktor Orbán habe einseitig die Dublin-III-Verordnung suspendiert. Das würde bedeuten, dass Ungarn fortan keine Asylwerber mehr zurücknehmen wird, die über die ungarische Grenze in die EU gekommen sind und danach in andere Mitgliedstaaten weitergezogen sind. Das berichtete die Presse online am Dienstag. Österreichs Innen- und Außenministerium haben die EU-Kommission daher am Dienstag aufgefordert, ein Vertragsverletzungsverfahren zu prüfen. Zuvor hatte die EU-Kommission Ungarn aufgefordert, zur aktuellen Entscheidung Stellung zu nehmen. Ein solcher Schritt sei in den gemeinsamen Asyl-Regeln der EU nicht vorgesehen, hieß es laut der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstagabend von der Brüsseler Behörde. Brüssel fordert eine Antwort darüber, was getan wird, um die Frage zu lösen. Die Zahl der Asylanträge innerhalb eines Jahres ist in Ungarn um 1.236 Prozent gestiegen. das ist ein höherer Anstieg als dem EU-Schnitt entspricht. Das geht aus den jüngsten Daten der EU-Statistikbehörde Eurostat hervor. Demnach wurden in dem Land – im heurigen 1. Quartal 32.810 Anträge gestellt. Im selben Zeitraum des Vorjahres waren es noch 2.455 Anträge gewesen. Allerdings zieht ein Großteil der Asylwerber, die in Ungarn einen Asylantrag stellen, bald darauf weiter in Richtung Westen und Norden. Auch gegenüber jenen EU-Staaten, die eine überdurchschnittliche Steigerungsrate aufwiesen, hebt sich Ungarns Anstieg mit deutlichem Abstand ab: Österreich und Portugal verzeichneten den zweithöchsten Anstieg – mit je einem Plus von 180 Prozent. Dies bedeutet dennoch eine fast siebenmal niedrigere Steigerungsrate als jene in Ungarn. In Österreich hatten im ersten Quartal des Vorjahres 3.470 Personen erstmalig einen Asylantrag gestellt, die Zahl stieg im ersten Quartal 2015 auf 9.710 Anträge. Auch bei den Asylanträgen pro 1 Million Einwohner liegt Ungarn mit 7.245 gleich hinter Schweden (7.765) auf Platz zwei. Dahinter folgt dann mit einigem Abstand Österreich: Im ersten Quartal gab es hier pro 1 Million Einwohner 3.750 Anträge. Auch in Malta (3.390) und in Deutschland (2.635) war die Zahl der Anträge pro Kopf vergleichsweise hoch. Im EU-Schnitt lag dieser Wert bei 365 Anträgen. Laut Innenministerium in Wien hat es von Jänner bis Ende Mai aus Österreich 620 Dublin-Überstellungen in andere Länder gegeben. Wie viele davon nach Ungarn gingen, wird noch recherchiert. Der EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag wird über eine mögliche Umverteilung von Flüchtlingen in Europa beraten.
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7Wissenschaft
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Besitzerin bot vermeintlichen Fernschreiber um 12,50 Euro an. San Jose – Mitarbeiter eines britischen Museums haben auf Ebay eine Chiffriermaschine der deutschen Wehrmacht entdeckt, wie sie auch Adolf Hitler für Geheimbotschaften an seine Generäle nutzte. Eine Frau aus Essex bot den Fernschreiber, der ursprünglich über einen Verschlüsselungszusatz verfügte, um umgerechnet 12,50 Euro an, berichtete die BBC. Die Mitarbeiter des National Museum of Computing fanden die Maschine in einem Schuppen voller Müll vor. Ihre Seriennummer bestätigte, dass es sich um die Basis einer sogenannte Lorenz-Rotor-Chiffriermaschine handelt. Allerdings fehlt der Aufbau zur Verschlüsselung, die Fachleute haben daher die Öffentlichkeit um Hilfe bei der Suche gebeten. Die Lorenz-Chiffriermaschinen verfügten über zwölf Rotoren, die als drehbare Walzen angeordnet waren und ihre Stellung zueinander während der Verschlüsselung änderten. Durch die Drehung wurde für jeden Buchstaben eines Textes eine unterschiedliche Ersetzung erzeugt. Die Lorenz-Maschine ähnelt der berühmteren Enigma-Verschlüsselungsmaschine, ist jedoch deutlich größer und ließ sich deshalb nicht so leicht transportieren. Nach Angaben des Vorsitzenden des Museumsstiftungsrats, Andy Clark, wurde sie nur für strategische Botschaften höherer Wehrmachtsstellen eingesetzt.
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7Wissenschaft
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Rainhard Findling entwickelt benutzergerechte Sicherheitssysteme für Smartphones. Das ideale Passwort ist inzwischen bekannt: Lang, schwer zu erraten und gespickt mit Zahlen und Sonderzeichen sollte es sein. Aber grau ist alle Theorie. Auch 2014 stand auf der von der US-Sicherheitsoftwarefirma SplashData jährlich veröffentlichten Liste der am häufigsten verwendeten Passwörter ganz oben: 123456. Bequemlichkeit schlägt Vernunft. In der Regel geht bei vielen Technologien, die wir heute verwenden, häufig die Benutzerfreundlichkeit mit Einbußen im Bereich der Sicherheit einher. Es ist eine der großen Herausforderungen für die Zukunft, diesen Zwiespalt – soweit es möglich ist – zu überbrücken, sagt Rainhard Findling (27) vom Josef-Ressel-Zentrum für benutzerfreundliche mobile Sicherheit an der FH Oberösterreich. Der Informatiker entwickelt am Standort Hagenberg Verschlüsselungssysteme, die alltägliche Begleiter wie Smartphones effektiv schützen sollen und dabei gleichzeitig auch noch einfach zu bedienen sind. Um ein System ausreichend abzusichern, müsse man viel Aufwand betreiben. Aber ist das nicht unvereinbar mit der kinderleichten komfortablen Bedienung, die gerade mobile Geräte versprechen? Findling: Viele Menschen sind sich immer noch nicht bewusst, dass sie mit einem Smartphone einen vollwertigen Computer in der Hand halten. So ein Gerät decke konzeptionell die ganze Palette eines Computers ab und könne mit seinen Sensoren sogar noch mehr: Es hat GPS, nimmt Beschleunigung wahr und ist in der Lage, zwischen hell und dunkel zu unterscheiden. Diese Grundvoraussetzungen können wir nutzen, um effektive Sicherungssysteme zu entwickeln, die gleichzeitig benutzerfreundlich sind. Mit dieser Thematik beschäftigte sich Findling, der am Institut für Netzwerke und Sicherheit an der Universität Linz promoviert, schon in seiner Masterarbeit. Hier nahm er sich mit der Gesichtserkennung einer bereits existierenden Technologie an, von der behauptet wird, dass sie mehr Komfort und Sicherheit biete. Das ist jedoch nicht unbedingt der Fall: Ein Smartphone lässt sich leicht mit einem Porträtfoto seines Besitzers austricksen, das man in sozialen Netzwerken schnell bekommen kann. Um dieses Problem zu beheben, entwickelte Findling eine Authentifizierung, die das Gesicht nicht nur frontal einliest, sondern in einem Halbkreisschwenk die Vorderseite des Kopfes dreidimensional vermisst und dabei auch Höhenunterschiede – etwa zwischen Nase und Augen – erkennt. Dafür wurde der Ansfeldener heuer mit dem Förderpreis FH der Österreichischen Computer Gesellschaft ausgezeichnet. Die Liebe zur Technik wurde dem Sohn eines Hydraulikingenieurs schon in die Wiege gelegt. Zusammen mit seinem Bruder ist er aber der erste Informatiker in der Familie. Auch deshalb benutze inzwischen die halbe Verwandtschaft Linux, berichtet Findling schmunzelnd. In die Nerdschublade will sich der bekennende Computerfreak aber nicht stecken lassen: Von uns Informatikern meint man immer, dass wir die Sonne nur durch das Fenster sehen. Ich suche aber immer wieder den Ausgleich zu den Bits und Bytes beim Sport und in der Natur – und das mache ich dann sehr gern ganz ohne Technik. Auch ein Computerwissenschafter muss schließlich einmal herunterfahren.
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Das neue Berechtigungsmodell von "Marshmallow" bringt signifikante Verbesserungen. Mit Android 6.0 wird Google in Kürze eine neue Version seines Betriebssystems fertigstellen. Dessen äußerliche Veränderung mag im Vergleich zum großen Redesign Im Rahmen des Vorgängers Lollipop zwar relativ gering ausfallen, unter der Oberfläche hat sich aber einiges getan. Und dazu gehört eine Neuerung, die das Potential hat, die Android-Welt nachhaltig zu verändern. Die unter dem Codenamen Marshmallow entwickelte Softwaregeneration führt ein grundlegend neugestaltetes Berechtigungssystem ein, das den Nutzern erheblich mehr Macht an die Hand gibt. Standen sie bisher vor der Wahl entweder alle Berechtigungen einer App zu akzeptieren oder auf deren Installation zu verzichten, erhalten Android-User nun weitreichende Möglichkeiten, den Zugriff auf einzelne Funktionalitäten gezielt zu untersagen. Und das nicht nur im Nachhinein: Jede App muss sich für den Zugriff auf sensible Informationen zuerst das explizite OK der Nutzer einholen. Die Installation alleine reicht hier also nicht mehr aus. Im Alltag sieht das dann anhand des Beispiels eines SMS-Clients in etwa so aus: Beim ersten Start fragt die App nach den Berechtigungen für SMS, Telefon und Kontakte – alles Dinge, die für die angepriesene Funktionalität unerlässlich sind – und den Nutzern wohl auch umgehend einleuchtend erscheinen werden. Alle weiteren Berechtigungen werden hingegen erst dann abgefragt, wenn sie auch wirklich benötigt werden. Will ein Nutzer zum ersten Mal ein zugeschicktes Bild speichern, fragt die App also, ob sie die dafür nötige Storage-Berechtigung haben darf. Die Überlegung hinter dieser Zweiteilung ist eine simple: Sie hilft den Nutzern eine informierte Entscheidung zu treffen, immerhin ist ihnen im konkreten Kontext klarer, wozu die Berechtigung eigentlich benötigt wird. Lehnen die Nutzer eine Berechtigung ab, dann hat dies zunächst nur vorübergehende Konsequenzen, bei der zweiten Ablehnung einer Berechtigungsanfrage, können die User diese aber bereits endgültig blockieren. Diese Staffelung soll App-Entwicklern die Chance geben, den Nutzern zu erklären, wofür die spezifische Berechtigung eigentlich benötigt wird. Scheitert diese Überzeugungsarbeit, soll die App dies einfach akzeptieren, und die entsprechende Funktionalität deaktivieren. Von all dem profitiert die Transparenz. Hatten so manche App-Entwickler bisher – oftmals zurecht – darauf gehofft, dass die Nutzer den Berechtigungsbildschirm bei der App-Installation ohnehin nicht lesen, lässt sich der Zugriff auf sensible Daten nun nicht mehr so einfach unterjubeln. Wenn etwa eine Taschenlampen-App plötzlich Standortinformationen haben will, wird dies wohl einem bedeutenden Teil der Nutzer verdächtig vorkommen – und sie werden diese Berechtigung ablehnen. Insofern bleibt auch zu hoffen, dass diese Änderung eine gewisse bereinigende Funktion auf den Status Quo im Play Store hat. Aber auch der allergrößte Teil der Entwickler, der sich nicht solch zweifelhafter Methoden bedient, muss umdenken. Denn mit jeder zusätzlich eingeholten Berechtigung steigt auch die Chance, dass diese abgelehnt wird – oder die Nutzer im schlimmsten Fall die App gleich ganz deinstallieren. Dementsprechend rät Google, die angeforderten Berechtigungen auf dem absolut nötigen Minimum zu halten. So ließe sich etwa vieles, wofür Apps üblicherweise Berechtigungen einholen, auch über das Intent-System von Android abwickeln. Anstatt eine eigene Kameraansicht zu entwickeln, wäre es in vielen Fällen sinnvoller, die am System vorinstallierte Kamera-App zu nutzen, die die Aufnahmen dann weiterreicht. Für eine Videostreaming-App, die direkten Kamera-Zugang benötigt, mag diese vielleicht keine Option sein, für einen Social-Media-Client hingegen sehr wohl. Das mächtigste Tool wird den Nutzern dabei über die Systemeinstellungen von Android 6.0 zur Verfügung gestellt. Können hier doch jeder einzelnen App auch im Nachhinein die Berechtigungen wieder entzogen werden. Versuchen die Nutzer dabei einer App eine Kernberechtigung zu entziehen, warnt Android, dass dadurch die grundlegende Funktionstüchtigkeit beeinträchtigt werden könnte – hält die Nutzer aber nicht weiter von ihrem Tun ab. Dabei ist es übrigens auch möglich, Apps, die noch nicht das neue Modell nutzen, Berechtigungen zu entziehen. In diesem Fall funktioniert die konkrete Umsetzung ähnlich wie bei der alternativen Android-Firmware CyanogenMod, es werden also falsche Werte oder auch Fehlermeldungen zurückgeliefert. Da dies schwer vorhersehbare Auswirkungen hat, warnt Android vor dem Entziehen von Berechtigungen bei solchen Apps. Trotzdem sollten sich App-Entwickler auch aus diesem Blickpunkt überlegen, das neue System möglichst schnell anzunehmen, um nicht schlechte Bewertungen infolge von daraus resultierendem Fehlverhalten zu kassieren. Nachteile für ältere Betriebssystemversionen gibt es durch all die Umstellungen übrigens nicht, unter diesen werden einfach wie bisher die Berechtigungen vor der Installation abgefragt. Ein treibender Faktor für die Umstellung auf das neue Berechtigungsmodell ist sicher auch, dass diese Anpassung mit Android 6.0 (API Level 23) vorgeschrieben ist. Wer irgendeine Funktion des neuen Betriebssystems in seiner App nutzen will, muss also auch die Berechtigungen umstellen. Ein weiterer Vorteil des neuen Ansatzes: Da das Einholen der Berechtigungen bei der Installation entfällt, können jetzt alle Apps automatisch aktualisiert werden. Bisher mussten die Nutzer Updates, bei denen neue Berechtigungen verlangt werden, manuell bestätigen – ohne dass sie eigentlich wussten wofür diese gut sein sollen. Dies hat so manche User dazugebracht, die App dann lieber gleich ganz zu deinstallieren. Worauf einige Entwickler in der Weise reagiert haben, sicherheitshalber gleich mal möglichst viele – also auch ungenutzte – Berechtigungen anzufragen, um später die Nutzer nicht noch einmal nerven zu müssen. Eine beiderseits reichlich unerfreuliche Situation also, die nun der Vergangenheit angehören sollte. Bei all dem besteht natürlich die Gefahr, dass die Nutzer auf die Berechtigungsanfragen genervt reagieren, wenn diese eine gewisse Häufung erreichen. Dieser Gefahr versucht Google mit einer Reihe von Maßnahmen zu begegnen. So müssen nur jene Berechtigungen angefragt werden, die als sensibel definiert werden. Also etwa der Zugriff auf Kamera, Adressbuch oder Standort. Andere Berechtigungen – wie jene für das Vibrieren des Geräts aber auch für den Internetzugriff – werden hingegen jetzt automatisch erteilt. Dass man dabei sensible Funktionen wie das Abfragen der gerätespezifischen IMEI unter abschreckend allgemeine Berechtigungen (in diesem Fall Phone) packt, ist dabei übrigens kein Versehen sondern durchaus beabsichtigt. Immerhin will Google die inflationäre Verwendung solcher Methoden eindämmen, wer eine eindeutige Gerätekennung haben will, soll die aus einer Privacy-Sicht weniger problematische Android ID verwenden. Zuguterletzt können die Hersteller für vorinstallierte Apps Ausnahmen machen. Google nutzt dies bei seinen Nexus-Geräten, um die Kernberechtigungen automatisch zu erteilen, für alles Darüberhinausgehende müssen sich Google Maps und Co. hingegen wieder eine explizite Zustimmung einholen – wie alle anderen auch. Bleibt abzuwarten, wie andere Hersteller mit dieser Verantwortung in Bezug auf ihre eigenen Apps umgehen werden. (Andreas Proschofsky, 26.9.2015)
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Nachdem er die Unterbringung von Flüchtlingen zur Chefsache gemacht hat, wollte Bundeskanzler Werner Faymann seinen Vorschlag über Bezirksquoten durchbringen – ohne Erfolg. Wien – Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) ist beim Asylgipfel mit den Ländern am Mittwochabend mit seinem Vorschlag einer Bezirksquote für die Flüchtlingsunterbringung abgeblitzt. Nach gut vierstündigen Beratungen war das einzige Ergebnis, dass man bis Ende Juli seitens der Länder 6.500 Plätze zur Verfügung stellen will. Vage wurde den Hilfsorganisationen zudem nach dem Gipfel signalisiert, dass es gewisse finanzielle Erleichterungen bei der Betreuung unbegleiteter Minderjähriger geben könnte. Dass das Treffen nicht gerade harmonisch verlaufen war, zeigte sich schon darin, dass die Länder, angeführt von Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP), mit grimmigen Mienen und ohne inhaltliche Kommentare das Bundeskanzleramt verließen. Auch Faymann sprach von einer eher gewittrigen Diskussion. Die vom Kanzleramt schon vor Tagen vorgeschlagene Bezirksquote ist im Wesentlichen an den VP-regierten Bundesländern gescheitert. Das gab der Regierungschef nach dem Gipfel mit den Ländern Mittwochabend bekannt. Diese seien der Meinung, dass man die Unterbringung auch anderweitig organisieren könne. Er werde das genau beobachten. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) hielt sich in seinem öffentlichen Statement aus diesem Konflikt eher heraus. Auch er hätte einen gewissen Charme bei der Bezirksquote gesehen. Es seien aber eben auch Gegenargumente gebracht worden. Inhaltlich ist das Ergebnis jedenfalls angesichts der geschürten Erwartungen dürftig. Auch die Regierungsspitze musste eingestehen, dass sich etwa für die völlig überfüllte Bundesbetreuungsstelle Traiskirchen derzeit nichts ändern werde. Die Zeltstädte werden vorläufig wohl ebenfalls stehen bleiben. Das bezeichnete der Bürgermeister von Traiskirchen, Andreas Babler (SPÖ), als Armutszeugnis und komplette Bankrotterklärung der österreichischen Politik. Er forderte neuerlich ein Bundesgesetz: Anders wird es keine Lösung geben. Es sei fahrlässig, nicht zu handeln. Wir haben eine humanitäre Katastrophe in der Stadt, sagte Babler. Es werde mit der Gesundheit und dem Leben von Menschen gespielt. Nicht verstehen kann der Bürgermeister, dass Niederösterreich in der Asylfrage als Musterschüler dargestellt werde, obwohl es eigentlich Quotenschlusslicht sei. Babler will zu dem Thema noch einmal mit Bundespräsident Heinz Fischer sprechen. Die Länder verzichteten kurz nach dem Gipfel darauf, ihre Sicht der Dinge zu schildern. Die schwarzen Landeshauptleute zogen gemeinsam ab und trugen ihre Missstimmung offen zur Schau: Ersparen Sie mir jeden Kommentar, meinte Salzburgs Wilfried Haslauer (ÖVP). Auch nicht inhaltsreicher der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP): Ich war das erste Mal dabei und ich sage nichts. Die drei Landeshauptleute der SPÖ verließen das Kanzleramt offenbar durch einen Hinterausgang. Am Tag danach äußerte sich Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) mit Kritik: Ich habe mich dezidiert gegen Bezirksquoten ausgesprochen, weil sie das Problem lediglich verlagern, aber nicht zu einer Lösung beitragen, erklärte er. Platter bezeichnete die Bezirksquoten als unausgereiften Vorschlag. Derartige Quoten würden mehr verunsichern als helfen. Die Bundesländer seien sehr wohl in der Lage selbst für eine ausgewogene Verteilung der Kriegsflüchtlinge zu sorgen, meinte der Tiroler Landeshauptmann. Nirderösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll hat den Bundeskanzler dringend aufgefordert, mit den Nachbarregierungschefs Gespräche zu führen, sagte er am Donnerstag. Werde der Zustrom von Flüchtlingen durch bilaterale Verhandlungen nicht eingedämmt, könne eine weitere Unterbringung durch die Bundesländer nicht garantiert werden. Am Beispiel Ungarn sei zu sehen, welche Überlegungen angestellt würden. Dazu gebe es Indizien, dass andere Nachbarländer ähnliche Gedanken hegen. Das würde laut Pröll bedeuten, dass Österreich die Hauptlast der Flüchtlingsströme nach Europa zu tragen hätte, was der Bevölkerung und der Republik nicht zumutbar wäre. Nicht zuletzt bezeichnete Pröll den Asyl-Gipfel als vom Kanzler äußerst oberflächlich vorbereitet. Am grünen Tisch entwickelte Vorschläge seien völlig praxisfern und -untauglich. Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer bedauerte die Eskalation beim Asyl-Gipfel und forderte, dass man möglichst rasch wieder an den Verhandlungstisch komme. Dafür müsste es aber eine bessere Vorbereitung als gestern geben, wo sich alles nur um den Vorschlag des Kanzlers für eine Bezirksquote gedreht habe. Inhaltlich sei man gestern jedenfalls nicht weitergekommen und zwar deshalb, weil Kanzler Faymann auf seiner Bezirksquote beharrt habe und die Länder sich ebenso beständig gegen diese gewehrt hätten. Andere im Vorfeld besprochene Themen wie die Not-Unterbringung über den Sommer in Studentenheimen und Horten seien nicht einmal angesprochen worden. Zur Eskalation habe letztlich geführt, dass das Kanzleramt versucht habe, in der Abend-Ausgabe der Kronen Zeitung das Ergebnis des Gipfels schon vorwegzunehmen. Sichtlich enttäuscht waren die geladenen NGOs. Positiv bewerteten die Vertreter von Volkshilfe, Rotem Kreuz und Caritas bloß, dass 6.500 Plätze versprochen wurden. Die Zusagen bezüglich der unbegleiteten Minderjährigen seien dann schon nicht mehr so konkret gewesen, berichtete Caritas-Präsident Michael Landau. Ebenso wie der Generalsekretär des Roten Kreuzes, Werner Kerschbaum, und Volkshilfe-Geschäftsführer Erich Fenninger verhehlte Landau nicht, dass man sich ein besseres Ergebnis erwartet hätte. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sprach nach dem Gipfel von einem Zwischenschritt. Nächste Woche soll mit den Ländern geklärt werden, wo die 6.500 Plätze entstehen. Der Großteil der heute schon zugesicherten 2.500 Plätze kommt übrigens aus Wien und Niederösterreich, also zwei Ländern, die bei der Quotenerfüllung ohnehin Musterschüler sind.
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7Wissenschaft
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Leipzig – Kleinkinder gelten mitunter als stur und unfähig, mit anderen zu teilen. Forscher vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und von der Uni Manchester haben nun nach Experimenten herausgefunden, dass schon dreijährige Kinder über ein hohes Maß an Fürsorge und Sinn für Gerechtigkeit verfügen. Wie die Forscher im Fachblatt Science berichten, geben die Kleinen verlorene Dinge am liebsten an die rechtmäßigen Eigentümer zurück. Ist das unmöglich, hindern sie andere daran, zu nehmen, was diesen nicht gehört. Princeton – Seit vielen Jahren diskutieren Forscher darüber, wie Tiere, die in einer hierarchischen Sozialstruktur leben, zu Entscheidungen kommen. Ungeklärt ist die Frage auch deshalb, weil sie – im Fall wildlebender Wölfe oder Primaten – schwer zu untersuchen ist. Einem Forscherteam ist das nun bei Pavianen mittels GPS gelungen. Das in Science veröffentlichte Ergebnis: Zumindest die Frage, wohin sich die Tiere als Nächstes begeben, wird im Kollektiv entschieden.
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1Panorama
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Bundespräsident: Alles sollten sich "gemeinsam bemühen". Wien – Bundespräsident Heinz Fischer ortet beim Thema Asyl generell zu wenig Solidarität. Es ist zu wenig Solidarität vorhanden, und es soll nicht einer auf den anderen mit dem Finger zeigen, sondern es sollen sich alle gemeinsam bemühen, sagte der Präsident am Mittwochabend gegenüber der ORF-Zeit im Bild. Das ist kein parteipolitisches Thema. Ich verurteile es scharf, wenn versucht wird, daraus parteipolitisches Kapital in irgendeiner Weise zu schlagen, weil das geschieht ja letztlich auf dem Rücken von Flüchtlingen und Flüchtlingskindern und Flüchtlingsfamilien, sagte Fischer. Sowohl Europa als auch Österreich seien in dieser Frage gefordert.
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7Wissenschaft
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Eine bemannte Mars-Mission sei für ihn sicher, sagt FFG-Chef Klaus Pseiner, derzeit Vizechef im Rat der Weltraumagentur ESA. STANDARD: Vor kurzem ist die Esa-Mission ExoMars gestartet, die Spuren von Leben auf dem Roten Planeten suchen soll. Was verbinden Sie persönlich mit solchen Missionen? Pseiner: Ich habe vor vielen Jahren an einer Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt mitgearbeitet, die die Optionen der Exploration von Mond und Mars verglichen hat. Damals war Österreich noch assoziiertes Mitglied der Europäischen Weltraumagentur Esa. Seither weiß ich, wie viel Aufwand hinter einer Mission wie dieser steht – unabhängig vom Stand der Technologieentwicklung. Seitdem bin ich mir auch sicher, dass ein bemannter Flug zum Mars das größte Abenteuer der Menschheit sein wird. STANDARD: Eine theoretische Frage: Würden Sie, wenn man Sie fragt, mitfliegen? Pseiner: Erstens würde man mich nie fragen, zweitens würde ich Ja sagen. STANDARD: So risikofreudig? Pseiner: Wenn man sich zu einer bemannten Mars-Mission entschließt, dann wird die so sicher sein, dass nicht viel passieren kann, weil man alle Eventualitäten vorher abgeklärt haben wird. Die Weltraumagenturen könnten sich eine Katastrophe nicht leisten. STANDARD: Wird denn ein solcher Flug jemals stattfinden? Pseiner: Es gibt zwar keine konkreten Vorbereitungen, aber viele Vorarbeiten für einen solchen Raumflug. Ich bin mir daher sicher, dass es dazu kommen wird. Nicht nächstes oder übernächstes Jahr, da muss man eher in Jahrzehnten sprechen. Eine bemannte Mars-Mission braucht abgesehen von technologischen Entwicklungen, die das Überleben gewährleisten können, eine spezifische politische Konstellation zwischen Europa, den USA, Japan und Russland. So ein Abenteuer kann man aus finanziellen, aber auch aus politischen Gründen nicht allein stemmen. Die politische Kooperation scheint derzeit nicht möglich, aber das wird wieder kommen. Weltraumforschung ist ja ein ständiges Abwägen von Wettbewerbssituation und Kooperationsbereitschaft. Je marktnäher die Forschung, desto weniger Kooperationsbereitschaft besteht – logischerweise. Je mehr Grundlagenforschung im Projekt steckt, desto mehr sucht man nach Partnern. STANDARD: Wie ist diesbezüglich das Verhältnis zur US-amerikanischen Weltraumbehörde Nasa? Pseiner: Sie ist in vielen Dingen der Maßstab und zeigt vor, wohin es gehen könnte. Die Esa schaut sich das genau an und entscheidet dann, ob man mitgehen sollte oder nicht. Zum Beispiel, was die Beschaffung von Bauteilen der Trägerraketen oder Satelliten betrifft: Hier sucht die Nasa private Partner, die Esa sieht aber noch nicht, ob das eine merkbare Qualitätsverbesserung bringt. Der Preis ist jedenfalls nicht kleiner geworden. STANDARD: Sie sind ja derzeit Vize-Vorsitzender des Esa-Rates. Sind Sie da in Entscheidungen über Kooperationen eingebunden? Pseiner: Bevor ich dazu etwas sage: Den Ratsvorsitz hat eigentlich Harald Posch bekommen – ad personam. Sicher auch weil wir trotz des relativ geringen Anteils von zwei Prozent in der Esa überproportional gut gehört werden, aber vor allem wegen seiner Leistungen. Er war in der FFG jahrelang Leiter der Weltraumagentur und ist leider vor ziemlich genau einem Jahr verstorben. In seiner Nachfolge hat man zwei Vorsitzende gewählt und mich als Vize-Vorsitzenden. Zu Ihrer Frage: Ja, der Rat ist ein großes Esa-Gremium, das einiges entscheidet. Dazu gibt es noch ein Exekutivkomitee bestehend aus mir und den beiden Vorsitzenden, das den neuen Esa-Generaldirektor Jan Wörner bei richtungsweisenden Entscheidungen unterstützt – etwa bei der Bestellung neuer Direktoren für die Esa-Abteilungen. Wir sind vergleichbar mit einem Aufsichtsratsgremium in einer Aktiengesellschaft. STANDARD: Wie aufwendig ist das? Pseiner: Sehr aufwendig, aber es lohnt sich. Wir sind von Anfang an bei Entscheidungsfindungen dabei und können Infos rasch an die österreichischen Player weitergeben, denn sie sollen sich parallel zu den geänderten Anforderungen der Esa weiterentwickeln können. STANDARD: Gibt es konkrete Ansätze? Pseiner: Ja, Wörner will die Weltraumprogramme noch näher an den Bedarf der Menschen in Europa bringen und noch schneller als bisher in Richtung Anwendung gehen. Das spiegelt ja das Engagement der österreichischen Beteiligungen an den Esa-Programmen und die Aktivitäten des Verkehrsministeriums wider. Wie kann man satellitenbasierte Erdbeobachtung noch besser nutzen, wie kann man Katastrophenschutz schneller umsetzen? STANDARD: Heißt das, dass man das öffentliche Interesse, das bei Rosetta sehr groß war, vermehrt auf Anwendungen lenken will? Pseiner: Nein, Projekte wie Rosetta werden immer großen Anklang finden und müssen Bestandteil der Esa-Programme bleiben. Das Interesse war so groß, weil es Grundlagenforschung mit einem offenen Ausgang war, weil man eingestanden hatte, dass es auch schiefgehen kann. Die Projekte, die nun schneller zu den Menschen in Europa kommen sollen, beinhalten Technologien, die selbstverständlich sein sollen. Die Weltraumtechnik muss hier als Standard betrachtet werden, genauso normal wie ein Telefonat mit dem Handy. Da muss das Medienecho nicht so groß sein wie bei Rosetta. Was wir allerdings schon vorgeschlagen haben: Man sollte Produkte, die während derartiger Missionen entwickelt wurden, besser vermarkten. Vielleicht mit einer Art Symbol mit der Info Powered by Esa.
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Unternehmen dürfte in finanziellen Nöten stecken und leidet unter stärkerer Konkurrenz. Der Smartwatch-Vorreiter Pebble streicht jeden vierten Arbeitsplatz. Die 40 Mitarbeiter werden diese Woche entlassen, sagte Gründer und Chef Eric Migicovsky dem Blog Tech Insider. Er erklärte die Kürzungen mit dem abgekühlten Klima bei der Start-up-Finanzierung. Pebble muss sich derzeit gegen scharfe Konkurrenz vor allem durch die Apple Watch behaupten. Pebble habe sich zwar in den vergangenen acht Monaten 26 Millionen Dollar (23,3 Millionen Euro) bei Investoren besorgt – zusätzlich zu den 20 Millionen Dollar von Internet-Nutzern bei der Plattform Kickstarter, sagte Migicovsky. Aber die Firma gehe in diesem Jahr bei der Produktplanung dennoch besonders vorsichtig vor. Pebble brachte nach einer 2012 gestarteten Kickstarter-Kampagne eine Uhr mit E-Paper-Display auf den Markt. Der Bildschirm war zwar nur schwarz-weiß, die Smartwatch kann damit aber rund eine Woche mit einer Batterieladung laufen. Das 2015 gestartete neuere Modell hat ein farbiges E-Paper-Display. Migicovsky denkt auch darüber nach, künftig Produkte mit Fokus auf Fitness- und Gesundheitsfunktionen zu entwickeln, da das Interesse der Konsumenten sich in diese Richtung bewegt habe. Die aktuelle Pebble-Smartwatch bietet hierzu nur einfache Funktionen. Apple stieß im vergangenen April in das Geschäft vor. Nach Schätzungen von Analysten sicherte sich die Apple Watch mit etwa zwölf Millionen verkauften Geräten aus dem Stand zwei Drittel des Marktes. Diese Woche senkte Apple den Einstiegspreis um 50 Dollar auf 299 Dollar. Der Konzern selbst nennt keine Absatzzahlen. Zudem kommen noch immer mehr Computer-Uhren verschiedener Hersteller mit dem Google-System Android Wear auf den Markt. Pebble verkauft seine Smartwatches für 100 bis 250 Dollar.
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7Wissenschaft
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In der tropischen Landwirtschaft sind Fledermäuse bei der Schädlingsbekämpfung mitunter sogar effektiver als Vögel. Göttingen/Wien – Die Bedeutung von Vögeln und Fledermäusen bei der Dezimierung von Schädlingen in tropischen Ländern wurde bisher unterschätzt. Ihre Leistung als Schädlingsbekämpfer habe einen hohen wirtschaftlichen Nutzen, berichtet ein internationales Forscherteam unter Beteiligung der Universität Wien im Fachjournal Biological Review. Gerade in den Tropen bedroht die rasant wachsende und intensive Landnutzung viele Lebensräume, Arten und Ressourcen. Natürliche Dienstleistungen von Vögeln und Fledermäusen bieten eine Möglichkeit, solche bedrohten Lebensräume nachhaltiger und dennoch gewinnbringend zu bewirtschaften, sagt Bea Maas vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Uni Wien. Vögel und Fledermäuse sind bisher nicht gleich gut untersucht und werden in ihrer Bedeutung für die Landnutzung oftmals unterschätzt. Als Beispiel nennt Maas die Insel Sulawesi, die den größten indonesischen Kakaoproduzenten darstellt: Vögel und Fledermäuse sichern hier 30 Prozent der Ernte, das entspricht pro Jahr und Hektar durchschnittlich 730 Dollar (670 Euro). Hochgerechnet auf ganz Indonesien betrage die Ökosystem-Dienstleistung der Tiere damit mehr als eine Milliarde Dollar pro Jahr. Untersucht wurden vor allem Baumplantagen mit Obst, Kaffee oder Kakao, und zwar mittels sogenannter Ausschlussstudien. Zumeist werden dabei gleich große Bereiche einer Plantage mit Netzen abgedeckt, die nur Insekten das Eindringen ermöglichen. Dabei gibt es einen Käfig, der nachts offen und tagsüber geschlossen ist, also nur die Schädlingsdezimierung durch die nachtaktiven Fledermäuse zulässt. Ein zweiter Bereich ist nur tagsüber geöffnet, um die Auswirkungen der Vogeljagd auf Schädlinge zu untersuchen, ein dritter rund um die Uhr geschlossen, um zu sehen, ob es additive Effekte gibt, so Maas. Schließlich gibt es noch einen nicht manipulierten Bereich, um die natürliche Situation zu dokumentieren. Es zeigte sich in den verschiedenen Studien, dass die Effekte von Fledermäusen bisher stark unterschätzt wurden, diese würden jene von Vögeln sogar überragen, so die Forscherin. Bei in den indonesischen Kakaoplantagen sei etwa der Effekt der Fledermäuse drei mal so hoch wie jener der Vögel, es gebe hier aber regional sehr unterschiedliche Ergebnisse. Bei den Vögeln hatte die Umformung von Wald zur Agrarlandschaft einen deutlichen Rückgang der Artenzahl zur Folge. Durch gezieltes Management könnte man die Ökosystem-Dienstleistungen der Vögel und Fledermäuse und damit den Ertrag sicher noch steigern, so die Ökologin. Dazu müssten die Tiere interessante Nahrungsressourcen in der Plantage finden. Auch eine höhere Diversität und Dichte von Schattenbäumen in Agroforst-Plantagen sowie Nistgelegenheiten wären hilfreich.
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Welche Bedeutung populäre Musikstile der einstigen Heimat für die Identitätsfindung haben, wenn sich Menschen anderswo ein neues Leben aufbauen. Marseille/Wien – Samstagnacht ist Twarab-Nacht in Marseille. Twarab ist eine seit gut 20 Jahren in der südfranzösischen Hafenstadt regelmäßig zur Aufführung gebrachte Musikrichtung mit Einflüssen aus Ägypten, von der Arabischen Halbinsel, aus Indien, Europa und Ostafrika. Mit diesen wöchentlichen Musikevents pflegen komorische Vereine ihre Verbindung zur alten Heimat. Welche Bedeutung populäre Musikstile wie dieser für Identitätskonstruktionen in der Diaspora spielen, wird aktuell in einem interdisziplinären Projekt, das vom Wissenschaftsfonds FWF gefördert wird, an der Uni Wien erforscht. Seit der Dekolonisation der Komoren ist Marseille zentrales Migrationsziel für Menschen aus dem wenig bekannten Inselstaat im Indischen Ozean – der französisch-komorische Anteil an der Bevölkerung wird auf rund zehn Prozent geschätzt. Die Twarab-Konzerte haben eine wichtige soziale und kulturelle Funktion als Orte der Zusammenkunft von Mitgliedern der jeweiligen Vereine und darüber hinaus auch eine bedeutende finanzielle Dimension. Bei den Konzerten in Marseille werden regelmäßig Spenden für Bildungs- und Infrastrukturprojekte auf den Komoren gesammelt, sagt Projektleiterin Birgit Englert vom Institut für Afrikawissenschaften der Uni Wien. Trotz seiner Bedeutung für einen nicht ganz kleinen Anteil der städtischen Bevölkerung steht die Musikrichtung des Twarab jedoch völlig außerhalb des französischen Kulturmarktes und wird auch von der breiten Öffentlichkeit nicht wahrgenommen, ergänzt Projektmitarbeiterin Katharina Fritsch. Wir entschieden uns für zwei Inselstaaten am Rande Afrikas, weil von beiden besonders hohe Bevölkerungsanteile nach Europa emigrieren, sagt Englert. Neben den Komoren sind das die Kapverden, von wo aus viele Menschen nach Lissabon gehen. Beide Staaten waren bis 1975 Kolonien: die Kapverden von Portugal, die Komoren von Frankreich. Eine Insel der Komoren, nämlich Mayotte, ist bis heute französisches Staatsgebiet. Erste Ergebnisse der Fallstudie in Marseille können die Forscher bereits präsentieren. So zeigte sich beispielsweise, dass für die ältere Generation der Twarab den kulturell und sozial wichtigsten Musikstil darstellt. Für die Jüngeren spielen wie für die meisten Jugendlichen mit Migrationshintergrund Hip-Hop und Rap eine zentrale Rolle. Einige jüngere französisch-komorische Musiker sind wichtige Vertreter dieser Musikrichtungen, etwa Soprano, einer der gegenwärtig populärsten Rapper in Frankreich, oder der Slam-Künstler Ahamada Smis. Beide Künstler verhandeln in ihren Texten Vorstellungen von komorisch und französisch und eröffnen damit neue Perspektiven auf Marseille und die komorische Gemeinschaft, sagt Englert. Was das konkret bedeutet, wird etwa in Sopranos Vorbemerkungen zu seinem Album Cosmopolitanie deutlich, in denen er sich gegen rassistische Zuschreibungen wendet: Zu einem Zeitpunkt, an dem der Front National mich in einem großen Zoo sehen will, kämpfe ich gegen den Rassismus und alle seine grotesken Ideen. Anders als Soprano wurde Ahamada Smis auf den Komoren geboren und kam erst mit zehn Jahren nach Frankreich. Musikalisch zwischen Hip-Hop und Weltmusik angesiedelt, erinnert er in seinen Texten an die französische Kolonialherrschaft. Auch stellt er eine kulturelle Verbindung der heimatlichen Inseln mit ostafrikanischen Ländern wie Tansania, dem halbautonomen Sansibar, dem Kongo oder Kenia her. In diesen Staaten, die von unterschiedlichen Ländern kolonisiert wurden, spielt etwa die Sprache Suaheli, die eng mit dem Komorischen verwandt ist, eine wichtige Rolle, sagt Englert, die selbst Suaheli spricht und früher in Tansania geforscht hat. Auch in den Texten der Gruppe Afropa, über die Englert mit dem Filmemacher Andrés Carvajal den Film Creating Comoria gedreht hat, spielt das Thema der Trennung von kulturell Zusammengehörigem durch den Kolonialismus eine zentrale Rolle: Die Komoren sind mein Erbe, wir Kinder von den vier Inseln, Mayotte, Anjouan, Mohéli und Grande Comore, dürfen keine Trennung der Inseln akzeptieren. Europa befindet sich im Prozess der Vereinigung, Frankreich, das eine große Rolle in der EU spielt, hat sich getraut, uns zu teilen. Es ist verrückt, diese Teilung zu akzeptieren. Mit ihren Verweisen auf die vorkoloniale Geschichte der Komoren zielen diese Künstler auf ein Empowerment der französisch-komorischen Einwohner Marseilles, die eine relativ unbekannte Minderheit darstellen, sagt Englert. Wir werden gesehen, aber die Menschen wissen nicht, wer wir sind, sagte Ahamada Smis in einem Interview. Das Wissen über die Komoren und deren Geschichte fehlt jedoch nicht nur den Franzosen, sondern auch vielen der jüngeren Frankokomorianer. In etlichen Texten geht es deshalb um eine Neuerzählung der kolonialen und postkolonialen Geschichte der Komoren, deren Kenntnis von den Künstlern als essenziell für eine selbstbewusste gesellschaftliche Positionierung der Frankokomorianer in Europa erachtet wird. Um mit ihrer Forschung einen kleinen Beitrag dazu zu leisten und eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, arbeiten die Wissenschafter gemeinsam mit dem komorischen Künstler Mounir Hamada Hamza parallel zu ihren Untersuchungen zurzeit auch an einem Film über den Twarab.
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4Sport
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Österreicher besiegt Deutschen Marterer und trifft nun auf Monfils - Thiem verliert gegen Nummer 502 - Melzer erreichte in Hertogenbosch zweite Runde. Stuttgart - Andreas Haider-Maurer hat das Achtelfinale des mit 574.965 Euro dotierten Rasenturniers von Stuttgart erreicht. Der Österreicher bezwang den Deutschen Maximilian Marterer (ATP-Nr. 344) mit 7:6 (5), 6:3 und trifft nun auf den als Nummer 4 gesetzten Franzosen Gael Monfils. Dominic Thiem verlor indes gegen Mischa Zverev (ATP-Nr. 502) mit 6:7 und 2:6. Jürgen Melzer hat in Hertogenbosch die zweite Runde erreicht. Der Niederösterreicher besiegte am Dienstag den Franzosen Kenny de Schepper 6:4,6:7(5),6:3 und trifft im Achtelfinale auf den als Nummer zwei gesetzten Belgier David Goffin. Im Head-to-head steht es 3:1 für Melzer, das bisher letzte Aufeinandertreffen gewann aber Goffin, derzeit Nummer 15 der Welt.
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7Wissenschaft
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Aufsehenerregendes Projekt eines italienischen Neurochirurgen für 2017 angekündigt. Wien/Turin – Vor einigen Monaten hat der Turiner Neurochirurg Sergio Canavero für 2017 die erste Kopftransplantation der Welt angekündigt – ein Projekt, das in der Fachwelt auf beträchtliche Skepsis stößt. Das am Freitag erstmals erscheinende neue Magazin OOOM wird ein Interview mit Canavero bringen. Aus diesem geht hervor, dass auch der Biophysiker und Neurowissenschafter Karen Minassian vom Zentrum für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik der MedUni Wien an dem Projekt mitarbeiten soll. Wir wissen heute, dass das Rückenmark weitaus mehr ist als ein Leitungsorgan, es steuert komplexe Muskel- und Beinbewegungen. Überspitzt formuliert braucht der Mensch für das Gehen kein Gehirn. Es gibt neuronale Netzwerke ebenso wie für die Atmung, das Kauen oder sexuelle Funktionen, die dem Gehirn Aufgaben abnehmen, wird der Wissenschafter in einer Vorausmeldung zitiert. Auch wenn das Rückenmark bei einer Kopftransplantation durchtrennt würde, gäbe es noch immer unterhalb dieses Bereiches Nervenverbände, die durch Aktivität und Beeinflussung – zum Beispiel durch elektrische Stimulation – den Grundrhythmus für Beuge- und Streckbewegungen und somit das Gehen erzeugen könnten. Zahlreiche internationale Experten haben das Projekt als schiere Fantasterei bezeichnet. Das ist unmöglich. Das ist spekulativ, und da zeichnet sich auch nichts am weitesten Horizont ab, sagte nach der Ankündigung Canaveros im Frühjahr diesen Jahres der deutsche Experte Edgar Biemer, der in Deutschland vor einiger Zeit an einer Armtransplantation beteiligt war. Wenn ich ein Rückenmark vom Kopf abtrenne, dann ist das hin, und zwar ein für alle Mal, sagte Veit Braun, Chefarzt der Neurochirurgie am Diakonie Klinikum Siegen in Deutschland. Das wird nicht funktionieren. Im besten Fall habe man einen Patienten mit funktionierendem Gehirn, der keine Kontrolle über den Körper habe. Das ist sehr unethisch. Canavero hingegen äußerte gegenüber dem neuen Magazin jetzt ausgesprochen hohe Erwartungen: Es kann sein, dass unsere Operation die Heilung für Millionen Menschen mit Rückenmarksverletzungen bringen kann. Ich mache die Operation, um zu beweisen oder zu widerlegen, dass unser Bewusstsein vom Gehirn erzeugt wird. Wenn wir beweisen können, dass unser Gehirn kein Bewusstsein erzeugt, werden die Religionen für immer hinweggefegt. Man braucht sie nicht mehr, denn die Menschen brauchen dann keine Angst mehr vor dem Tod zu haben. Mit Dr. Minassian haben wir einen sehr erfahrenen österreichischen Spezialisten im Team, das aus 150 Experten, darunter rund 80 Chirurgen, bestehen wird. Obwohl der Wiener Wissenschafter laut dem Magazin lange überlegt habe, ob er an der Kopftransplantation mitwirken soll, ist er überzeugt: Im Prinzip kann eine solche Transplantation erfolgreich sein. Wenn es einer schafft, dann Prof. Canavero. Minassian war an einer internationalen Studie beteiligt, in der es gelang, Kontrollmechanismen zu identifizieren, über die das Rückenmark diese Muskelaktivitäten steuert. Das funktioniert demnach auch, wenn durch eine Querschnittslähmung die vom Gehirn ausgehenden Leitungsbahnen eigentlich unterbrochen sind. Entwickelt wurde auch ein Verfahren zur nicht-invasiven Stimulation des Rückenmarks. Das könnte eventuell bei Rehabilitationsmaßnahmen Verwendung finden.
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8Kultur
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Kathrin Röggla wird bei der Eröffnung mit dem Buchpreis der Salzburger Wirtschaft ausgezeichnet. Leselust ist das Motto der Salzburger Buchtage. Bei der Eröffnung wird die gebürtige Mozartstädterin Kathrin Röggla mit dem Buchpreis der Salzburger Wirtschaft ausgezeichnet, danach liest sie aus ihren Werken. Das Hauptprogramm startet am Samstag. Um elf Uhr liest Günther Payer aus dem eben erschienenen Roman 786 (Edition Tandem, 2015): Aus der Salzburger Babyklappe verschwindet ein Kind spurlos. Zeitgleich erleidet ein Arzt nach einem Verkehrsunfall eine Amnesie. Ihn plagen Albträume, in denen ihm gequälte Kinder begegnen; mithilfe einer Therapeutin will er die Ursachen ergründen – und stößt dabei auf Familiengeheimnisse aus der NS-Zeit: ein Krimi, der ethische Fragen verhandelt. Ein musikalisches Intermezzo folgt in Das Kino, wo Hannes Stiegler sein Buch We rocked Salzburg. Bands und Musiker von der Nachkriegszeit bis in die 1980er (Colorama-Verlag) präsentiert. Ganz nach dem Motto The beat goes on spielen einige der Protagonisten (u. a. Jimi Gimona, Willi Schneider, Rudi Fürschuss, Erich Litzlhammer) mittags Songs aus den 1970ern und 1980ern. Fast zeitgleich präsentiert der Philologe und Poet Alois Brandstetter in der Brasserie Blaue Gans sein neues Buch Aluigis Abbild (Residenz, 2015): ein Wissenschaftsroman über den Heiligen Aloysius von Gonzaga mit Sprachwitz. Abends das Theaterkollektiv Rabtaldirndln – mit Bodo Hell (in der Galerie 5020). Und: Christian Schacherreiter stellt Wo die Fahrt zu Ende geht (Otto-Müller-Verlag 2015) vor: Ein Paar lernt sich in den 1970ern im studentisch-linksalternativen Milieu kennen und lieben, damals glauben sie noch an die Utopie einer klassenlosen Gesellschaft.
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7Wissenschaft
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Bescheidener Held half vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs dabei, 669 Kinder aus der Tschechoslowakei vor dem Holocaust zu retten. London/Prag – Als Held und als britischer Schindler war er bezeichnet worden – letzteres ein Ausdruck, mit dem der bescheidene Mann wenig anfangen konnte. Der Brite Sir Nicholas Winton, der 669 Kinder aus der Tschechoslowakei vor dem Holocaust retten half, ist im Alter von 106 Jahren gestorben. Er sei am Mittwochmorgen im Beisein seiner Tochter Barbara friedlich eingeschlafen, teilte der Rotary Club in Maidenhead bei London mit, dessen Mitglied Winton seit 1959 war. Winton, der von deutsch-jüdischen Einwanderern abstammte, war am 19. Mai 1909 in London geboren worden. Nach abgeschlossener Ausbildung arbeitete er bei verschiedenen Banken und wurde schließlich Börsenmakler. Ein Besuch in Prag 1938, nach der Besetzung des Sudetenlandes, ließ ihn aktiv werden: Unmittelbar vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs organisierte Winton acht Züge für jüdische Kinder aus Prag nach London. Er sei nur am richtigen Ort zur richtigen Zeit gewesen, sagte er später einmal. Jahrzehntelang hatte er kein Aufhebens um die Rettungsaktion gemachte. Erst im Jahr 1988 machte eine britische Fernsehsendung die Geschichte der Kindertransporte einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Winton wurde in Großbritannien und Tschechien mehrfach geehrt. 2002 schlug ihn die Queen zum Ritter, im Oktober nahm Winton noch persönlich in Prag die höchste tschechische Auszeichnung, den Orden des Weißen Löwen, entgegen. (APA, red, 1.7.2015)
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7Wissenschaft
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Die erfolgreiche Kometenmission geht in die Verlängerung – Ende September 2016 soll die Sonde auf Tschuri "aufsetzen". Darmstadt – Die europäische Raumfahrtagentur ESA verlängert ihre Mission zur Erkundung des Kometen Tschurjumow-Gerassimenko. Die Sonde Rosetta soll den Brocken im All jetzt bis Ende September 2016 begleiten – also neun Monate länger als geplant. Nach insgesamt zwölf Jahren im All soll sie zum Ende der Mission schließlich auf dem Kometen abgesetzt werden, teilte die ESA am Dienstag in Paris mit. Komplett durchgespielt ist dieses Szenario allerdings noch nicht. Laut ESA soll sich die Sonde in einem mehrmonatigen spiralförmigen Anflug dem Kometen annähern – im Idealfall würde sie dabei mit ihren Instrumenten Aufnahmen aus noch nie dagewesener Nähe machen können. Das könnte bis unmittelbar vor dem Aufsetzen bzw. Aufprallen funktionieren, danach gilt eine weitere Datenübertragung als höchst unwahrscheinlich. Da der Komet Ende September 2016 wieder weiter von der Sonne weg ist und Rosetta dann nicht mehr genügend Solarenergie anzapfen kann, müsste sie wie schon einmal in einen Tiefschlaf versetzt werden. Das macht aber keinen Sinn, sagte der Chef des ESA-Flugbetriebs, Paolo Ferri, in Darmstadt, von wo aus Rosetta gesteuert wird. Für einen noch längeren Einsatz fehle auch Treibstoff. Von der Sonde aus war das Mini-Labor Philae im November 2014 auf dem Kometen abgesetzt worden, eine noch nie dagewesene Aktion in der Geschichte der Raumfahrt. Philae war jedoch an einem schattigen Platz gelandet, deshalb konnte er seine Batterie lange Zeit nicht aufladen. Erst kürzlich hatte sich das Mini-Labor allerdings zur Freude der Astronomen wieder gemeldet.
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7Wissenschaft
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Forscher finden Hinweise darauf, dass gläubige Menschen eher analytisches Denken unterdrücken, Atheisten wiederum unempathischer sind. Cleveland/Wien – Der Streit zwischen Kreationisten und modernen Naturwissenschaftern ist wohl das prominenteste Beispiel dafür, wie sich Wissenschaft und Glaube oder Religion oft diametral gegenüberstehen. Warum das auch auf neuronaler Ebene so ist, untersuchten nun US-amerikanische Forscher der Case Western Reserve University in Cleveland und des Babson College in Wellesley und liefern in der Online-Fachzeitschrift Plos One ein mögliches Indiz. In einer Forschungsserie mit acht Experimenten fanden sie heraus, dass Menschen, die an einen Gott oder eine übernatürliche Entität glauben, eher ein Gehirnnetzwerk unterdrücken, das für analytisches Denken gebraucht wird. Stattdessen ist ihr empathisches Netzwerk vermehrt aktiv. Bei Personen, die ihre Umwelt analytisch betrachten, ist das genau umgekehrt, so die Wissenschafter. Denkmuster bestimmen aktives System In ihrer Studie stützen sie sich auf die nicht ganz unumstrittene Hypothese, dass das menschliche Gehirn zwei einander entgegenwirkende Bereiche besitzt: In früheren Forschungsarbeiten hat das Labor des Studienautors Anthony Jack an der Case-Universität per funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRI) Hinweise darauf gefunden, dass einer dieser Bereiche, das analytische Neuronennetzwerk, uns kritisches Denken ermöglicht. Dem gegenüber steht das soziale Nervennetzwerk, das dazu befähigt, sich in andere einzufühlen. Je nachdem, ob man etwa mit einem physikalischen Problem konfrontiert wird, bei dem man über Objekte, Mechanismen und Ursachen nachdenken muss, oder mit einem ethischen Dilemma, bei dem Emotionen wichtig sind, wird eines der beiden Netzwerke aktiviert, das andere unterdrückt. Dies ist vor allem dann interessant, wenn Personen mit unterschiedlichen Reizen zu tun haben. Die Wissenschafter vermuten, dass dann die individuellen Denkmuster und Fähigkeiten bestimmen, welches Netzwerk aktiviert wird. Spirituelle Themen dürften zu solch uneindeutigen Reizen gehören, die sowohl auf die eine als auch auf die andere Weise betrachtet werden können. Korrelation von Empathie und Gläubigkeit In den acht aktuellen Experimenten ging das Forschungsteam der Frage nach, inwiefern Glaube mit sozialer und emotionaler Kognition zusammenhängt und welche Rolle analytisches Denken darin spielt. Sie befragten jeweils 159 bis 527 Erwachsene per Onlinefragebogen, wie sie sich selbst in Bezug auf verschiedene Parameter einschätzten. Ein wichtiges Maß war moralische Betroffenheit, die Empathie und soziales Verhalten schätzen sollte. Dazu wurde auf einer Skala bewertet, wie sehr man Aussagen wie Ich mache mir oft Sorgen um Menschen, die weniger Glück haben als ich zustimmt. Außerdem unterzogen sich die Probanden einem Test zu kognitiver Reflexion, um das analytische Denken zu evaluieren, und bewerteten ihren Glauben an eine übernatürliche Gottheit. Laut den Ergebnissen kann die Beziehung zwischen analytischem Denken und Nicht-Glauben teilweise dadurch erklärt werden, dass analytische Denker einen geringeren Wert bei moralischer Betroffenheit erzielten. Im Gegensatz dazu korrelierten empathisches Empfinden und Religiosität oder Spiritualität positiv miteinander. Dies hing allerdings nicht mit der Fähigkeit, menschliches Verhalten und die zugrunde liegenden Bedürfnisse und Wünsche zu interpretieren (mentalizing), zusammen – diese war bei den Analytikern wie bei den Gläubigen ähnlich ausgeprägt. Empirische und moralische Wahrheit Wenn man Empathie empfindet, bedeutet das nicht zwangsweise, dass man anti-wissenschaftliche Überzeugungen hat, sagt Jared Friedman, Koautor der Studie. Unsere Ergebnisse zeigen stattdessen, dass wir unsere Fähigkeit zu sozialen und moralischen Erkenntnissen beeinträchtigen, wenn wir uns nur auf logisches Denken beschränken. Dies passe zur philosophischen Sichtweise Immanuel Kants, nach der es zwei verschiedene Wahrheiten gibt – die empirische und die moralische Wahrheit, so der Philosophie- und Kognitionswissenschaftsabsolvent. Dadurch, dass die beiden Netzwerke einander unterdrücken, könnten sie aber auch zwei Extreme schaffen, sagt Richard Boyatzis, der ebenfalls an der Studie beteiligt war: Indem wir begreifen, dass das Gehirn auf diese Weise funktioniert, können wir die Debatten, in denen es um Wissenschaft und Religion geht, vielleicht vernünftiger und ausgeglichener gestalten. Subjektive Einschätzung Frühere Forschungsergebnisse im Bereich der kognitiven Psychologie hätten gezeigt, dass religiöse oder spirituelle Personen im Durchschnitt weniger schlau als andere sind. Diese statistische Beziehung wurde auch in unseren Arbeiten bestätigt, so Boyatzis. Gleichzeitig weisen sie aber auch darauf hin, dass gläubige Menschen empathischer und prosozialer sind. Gerade Religionen trugen bisher jedoch häufig dazu bei, Personen zu diskriminieren, die nicht in ihr Weltbild passen oder einem anderen Glauben anhängen. In einem der Experimente erhoben die Forscher, wie sehr sich die Befragten mit der gesamten Menschheit identifizierten, und fanden heraus, dass auch dieser Wert positiv mit Gläubigkeit und negativ mit analytischem Denken zusammenhing. Hier könnte die Studie allerdings an ihre Grenzen stoßen, da in den meisten Befragungen nur nach der Selbsteinschätzung gefragt wurde. Lediglich in einem Experiment mit 69 Studenten schätzten andere Personen die Empathie der Probanden ein – immer noch ein subjektives Maß.
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7Wissenschaft
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Am 1. Juli 1865 erstellte die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) die erste Wetterkarte für das Gebiet der Monarchie. Wien – Verlässliche Wetterprognosen waren nicht immer eine Selbstverständlichkeit: Am 1. Juli 1865 machte die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) mit der ersten Wetterkarte für das Gebiet der Monarchie aber einen bedeutsamen Schritt in diese Richtung. Viele Jahrzehnte war dann das Erstellen der täglichen Wetterkarte die Grundlage für die meteorologische Arbeit, heute kann hingegen auf automatische Wetterstationen, Radar, Satelliten und hochkomplexe Vorhersagemodelle zurückgegriffen werden. Schon 1816 erstellte der deutsche Physiker Heinrich Wilhelm Brendes Wetterkarten, auf denen Hoch- und Tiefdruckgebiete erkennbar waren. Für eine Wettervorhersage waren sie aber wertlos, da sich das Wetter schneller änderte, als die Datenübermittlung vonstatten ging. Erst die Entwicklung des Telegrafen durch Samuel Morse im Jahr 1843 machte einen schnellen Datenaustausch zwischen den meteorologischen Stationen möglich. Auf der Weltausstellung in London 1851 konnte dann erstmals eine aktuelle Wetterkarte der Öffentlichkeit präsentiert werden. Einer, der die junge Wissenschaft der Wettervorhersage massiv vorantrieb, war Karl Kreil, der erste Direktor der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), die damals noch k.k. Central-Anstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus hieß. Er ließ auf dem Gebiet der gesamten Monarchie meteorologische Beobachtungsstationen einrichten, und der Ausbau des Telegrafensystems ermöglichte die zeitnahe Datenübermittlung. So wurde am 1. Juli 1865 die erste regelmäßige Wetterkarte für die Monarchie erstellt. Sie enthielt unter anderem Linien der Abweichung des Luftdrucks und der Temperatur vom Normalwert und den Himmelszustand. Das Meldenetz umfasste die Wetterstationen Wien, Lesina, Pola, Triest, Mailand, Ancona, Bludenz, Ischl, Klagenfurt, Prag, Krakau, Lemberg, Agram, Szegedin, Debrecin und Hermannstadt. In den folgenden Jahrzehnten wuchs die Zahl der Wetterstationen, und die Methoden zur Analyse und Prognose wurden erweitert. Bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts war das Zeichnen der Wetterkarte und damit das Bestimmen des aktuellen Wetterzustandes eine Grundlage der meteorologischen Vorhersagearbeit. Heute liefern automatische Wetterstationen, Radar, Satelliten und hochkomplexe Wettermodelle rund um die Uhr Wetterdaten und hochwertige Vorhersagen für die nächsten Stunden und Tage für unterschiedliche Regionen und Nutzer. Ganz verdrängt wurde die tägliche Wetterkarte aber noch nicht, sagt der Leiter der ZAMG-Wettervorhersage in Wien, Klaus Stadlbacher: Wir erstellen immer noch eine tägliche Wetterkarte. Zum einen ist sie bei vielen Kunden beliebt, weil sie einen schnellen Überblick bietet, zum anderen ist es eine gute Möglichkeit, sich zu Beginn des Vorhersagedienstes in die aktuelle Wetterlage einzuarbeiten. Die Hauptarbeit der modernen Wettervorhersagedienste beschäftige sich aber nicht mehr mit der Analyse, sondern mit dem Wetter der Zukunft, so Stadlbacher: Alleine das spezielle Vorhersagemodell der ZAMG für den Alpenraum nutzt am Hochleistungsrechner bis zu 82 Billionen Rechenoperationen pro Sekunde, um mit mathematisch-physikalischen Modellen das Wetter der nächsten Tage zu berechnen.
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8Kultur
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Grünes Licht vom Stadtrat für Neubesetzung der künstlerischen Leitung – Nachfolge von Johannes C. Hoflehner hatte für Aufregung gesorgt. Schwechat – Manuela Seidl wird neue Intendantin des Theater Forum Schwechat. Der Stadtrat habe am Montagabend grünes Licht für die Neubesetzung der künstlerischen Leitung gegeben, teilte die Grüne Stadträtin Lili Markovic mit. Die Nachfolge des scheidenden Intendanten Johannes C. Hoflehner hatte für Aufregung gesorgt – die Grünen übten Kritik, dass der drittgereihte SPÖ-nahe Kandidat zum Zug kommen sollte. Eine eigens einberufene Jury hat laut der Aussendung der Grünen unter 20 Bewerbern eine klare Empfehlung zugunsten von Seidl abgegeben, einer in Wien und Weitra aufgewachsenen Vollblut-Künstlerin mit großer Erfahrung. Der künstlerischen Leitung werde künftig eine Person für die kaufmännischen Belange zur Seite gestellt, hieß es weiters in der Aussendung. Notwendig mache dies ein vom Land NÖ gefordertes Vier-Augen-Prinzip bei der Abwicklung der wirtschaftlichen Fragen. Auf Antrag der für Personalfragen der Stadt Schwechat zuständigen Bürgermeisterin Karin Baier (SPÖ) soll diese Aufgabe durch Daniel Truttmann, einem Gemeindemitarbeiter, wahrgenommen werden. Das genaue Ausmaß seiner Abstellung für das Theater Forum und die konkrete Organisationsform der Zusammenarbeit zwischen Manuela Seidl als neuer Intendantin und Daniel Truttmann bedürfen noch eines Beschlusses im Schwechater Gemeinderat, teilten die Grünen mit. In einem offenen Brief hatten die Mitarbeiter des Theater Forum Schwechat im März große Sorgen um die Zukunft des Theaters geäußert. Sie kritisierten Bürgermeisterin Baier: Sie handle wider besseres Wissen, wenn sie ihren persönlichen Kandidaten, einen Beamten des Rathauses, gegen deutlich fachkundigere Bewerbungen durchzusetzen versucht. Johannes C. Hoflehner wirft zu Saisonende nach 16 Jahren als Theaterleiter das Handtuch – entnervt von bürokratischen Hürden, wie er wiederholt erklärte. Im Herbst 2015 hatte er angekündigt, seinen bis Juni 2016 befristeten Vertrag nicht zu verlängern, weil er keine Basis für eine weitere Zusammenarbeit sehe.
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2International
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Seit März 2014 zählt der Kreml die Krim offiziell zu seinem Herrschaftsgebiet – doch noch ist die Region weit weg von Russland. Die dunkelsten Tage sind vorbei auf der Krim: Als im November ukrainische Nationalisten und Anhänger der krimtatarischen Medschlis einen Anschlag auf die Hochspannungsleitungen vom ukrainischen Festland auf die Halbinsel verübten, gingen dort erst einmal die Lichter aus. Inzwischen sind nur noch 250.000 der knapp zwei Millionen Einwohner völlig ohne Strom. Die Liebe der Krimbewohner zur Ukraine hat die Aktion sicher nicht gestärkt. Doch wer geglaubt hatte, dass die Anfang Dezember von Russlands Präsident Wladimir Putin persönlich eröffnete Energiebrücke vom russischen Festland zur Krim deren Energieprobleme auf die Schnelle löst, sah sich getäuscht. Laut Sergej Sadaklijew, dem Vizechef des Katastrophenschutzes der Krim, läuft über diese Brücke nur geringfügig mehr (219 Megawatt) ein, als über die nach der Zerstörung notdürftig wieder hergerichteten Leitungen aus der Ukraine (192 Megawatt). Der Großteil (mehr als 400 Megawatt) wird immerhin schon selbst produziert. Allein für den Bedarf reicht es nicht. So bleibt das Leben beschwerlich, der Zugang zu den Errungenschaften der Zivilisation auf einige Stunden am Tag beschränkt. In der Hafenstadt Sewastopol beispielsweise, dort wo Putin vor eineinhalb Jahren noch symbolträchtig die Militärparade zum Tag des Sieges abgenommen hatte, besteht der Tagesablauf für die Menschen aus dem Wechsel von drei Stunden Strom und drei Stunden Kerzenschein – und dies nicht wegen der bevorstehenden Weihnacht. Eine zweite Leitung von Russland soll ab Dienstag in Betrieb gehen und zur Linderung der Nöte beitragen. Bis Sommer 2016 ist geplant, die Energieabhängigkeit der Krim von der Ukraine endgültig zu beenden. Auch die Wasserversorgung, ein weiterer heikler Punkt, soll dann gewährleistet sein. Drei Jahre später, so das Versprechen, wird die Halbinsel über eine mehr als drei Milliarden Euro teure Brücke dann auch physisch an Russland angeschlossen. Mit Versprechen ist das so eine Sache: Die Mehrheit der Krimbewohner hatte im völkerrechtlich umstrittenen Referendum für die Angliederung gestimmt, weil ihnen nach Jahren der Vernachlässigung durch Kiew Moskau auch einen schnellen Aufschwung und bessere Lebensverhältnisse versprach. Doch der Prozess zieht sich in die Länge: Selbst vom nicht gerade üppigen Durchschnittsverdienst der Russen – durch den Rubelverfall auf umgerechnet 440 Euro geschrumpft – sind die Einwohner der Krim noch weit entfernt: Weniger als 280 Euro nehmen sie im Schnitt mit nach Hause, in der Hafenstadt Sewastopol als eigenständigem Föderationsobjekt ist es nur geringfügig besser (knapp 300 Euro). Gewinner sind Rentner und Beamte, deren Bezüge deutlich angehoben wurden. Für Unternehmer hingegen sind die Vorteile weniger offensichtlich. Bürokratie und Korruption haben sich nicht verringert: Vom Papierkram her sind wir so etwa 20 Jahre zurückgefallen. Die Anzahl der nötigen Dokumente, um Geschäfte zu machen, übersteigt alle Grenzen, kritisiert Unternehmer Roman. Andere beklagen, dass viele Beamte noch aus ukrainischer Zeit gewohnt seien, Bestechungsgelder zu kassieren. An der Gewohnheit habe sich wenig geändert. Viele kleine Händler haben durch die Schließung der Grenzen zur Ukraine ihr Geschäft verloren. Die vor allem privat organisierte Tourismusbranche hat die Umstellung von ukrainischen auf russische Besucher ebenfalls noch nicht völlig bewältigt: Waren es 2012 rund 6,1 Millionen Touristen, so werden für 2015 etwa 4,5 Millionen erwartet. Trotzdem: Der Unmut hält sich angesichts der noch stärker kriselnden Ukraine in Grenzen. Es hätte viel schlimmer kommen können, so die allgemeine Stimmung von Sewastopol bis nach Kertsch mit Blick auf die Vorgänge im Donbass. Zudem kann die Krim darauf hoffen, von der auch vom Kreml betriebenen Isolation Russlands zu profitieren: Europa ist für russische Touristen nach dem Rubeleinbruch zu teuer, Ägypten nach dem Terroranschlag zu gefährlich, türkische Strände sind nach dem Abschuss eines russischen Bombenflugzeugs tabu. So bleibt für die Russen nur noch die Krim als Erholungsort. Die Landwirtschaft könnte ebenfalls vom Wegfall der Konkurrenz profitieren. Jede gekaufte türkische Tomate ist ein Beitrag zu einer weiteren Rakete, die auf unsere Jungs abgeschossen wird, begründete Regierungsberater Gennadi Onischtschenko das Embargo gegen Ankara. Die Krim bereitet sich bereits auf einen Boom beim Absatz von Tomaten, Zitrusfrüchten und Weinen im kommenden Jahr vor.
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7Wissenschaft
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Metamaterial ändert je nach Temperatur seine magnetischen Eigenschaften. Villigen – Aus einer Milliarde winziger Magnete haben Forscher am Paul Scherrer Institut (PSI) ein künstliches Material erschaffen. Überraschenderweise ändern sich die magnetischen Eigenschaften dieses sogenannten Metamaterials je nach Temperatur, so dass es verschiedene Zustände einnehmen kann; ähnlich wie Wasser einen gasförmigen, flüssigen und festen Zustand hat. Dies ließe sich womöglich für zukünftige elektronische Anwendungen weiterentwickeln, wie die Forscher in Nature Communications berichten. Ähnlich wie die Übergänge zwischen Dampf, Wasser und Eis zeigt auch das sogenannte Metamaterial aus Nanomagneten Phasenübergänge. Wir waren überrascht und begeistert, sagt Studienleiterin Laura Heyderman. Denn nur komplexe Systeme können Phasenübergänge aufweisen. Zugleich könnten komplexe Systeme zu neuen Arten der Informationsübertragung dienen. Der große Vorteil des künstlichen Metamaterials sei, dass es sich beinahe beliebig maßschneidern lässt. Während sich die einzelnen Atome in einem natürlichen Material nicht in großem Stil punktgenau neu anordnen lassen, sei mit den Nanomagneten genau das möglich, so die Wissenschafter. Die einzelnen Magnete haben in etwa die längliche Form eines Reiskorns und sind 63 Nanometer lang. Heyderman und Kollegen platzierten eine Milliarde dieser winzigen Stäbchen als großflächiges Bienenwaben-Muster auf einem flachen Untergrund. Insgesamt bedeckten die Nanomagnete so eine Fläche von gerade einmal fünf mal fünf Millimetern. Mit einer speziellen Messtechnik betrachteten die Wissenschafter das kollektive magnetische Verhalten des Metamaterials zunächst bei Raumtemperatur. Hier gab es keine Ordnung in der magnetischen Ausrichtung: Wild durcheinander zeigten magnetische Nord- und Südpole in die eine oder andere Richtung. Als die Forschenden jedoch langsam und kontinuierlich das Metamaterial kühlten, erreichten sie einen Punkt, an dem eine höhere Ordnung eintrat: Die winzigen Magnete beachteten einander nun stärker als zuvor. Mit weiter sinkender Temperatur kam es nochmals zu einer plötzlichen Änderung hin zu noch höherer Ordnung, die zudem fast wie eingefroren wirkte. Ganz ähnlich erhöht sich auch die weitreichende Ordnung der Wassermoleküle in dem Moment, in dem Wasser zu Eis gefriert. Als nächsten Schritt wollen die Forscher Einfluss auf diese magnetischen Phasenübergänge nehmen, indem sie die Größe, Form und Anordnung der Nanomagnete verändern. Dies ermögliche die Erschaffung neuer Materiezustände, die auch zu vielfältigen Anwendungen führen könnten: Das Besondere ist: Mit maßgeschneiderten Phasenübergängen ließen sich Metamaterialien in Zukunft gezielt für verschiedene Bedürfnisse anpassen, so Heyderman. Neben der Informationsübertragung könnte das Metamaterial etwa auch in der Datenspeicherung nützlich sein oder auf Sensoren, die Magnetfelder nachweisen.
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4Sport
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Titelverteidiger nur 1:1 gegen Mönchengladbach – Schöpf netzt kurz nach Einwechslung. München – Der FC Bayern hat seine vorzeitige Meisterfeier vertagen müssen. Die Münchner mussten sich am Samstag mit einem 1:1 im Heimspiel gegen Mönchengladbach zufriedengeben. Andre Hahn verärgerte Bayern-Trainer Pep Guardiola in dessen 100. Bundesligaspiel mit dem Ausgleich in der 72. Minute. Thomas Müller hatte die an zahlreichen Positionen veränderten Münchner in der 6. Minute in Führung gebracht. David Alaba saß beim Champions-League-Halbfinalisten zunächst auf der Bank, wurde aber in der 68. Minute eingewechselt. In der Tabelle schrumpfte der Vorsprung der Münchner auf Borussia Dortmund auf fünf Punkte. Der BVB siegte gegen Wolfsburg 5:1. Die Bayern haben aber auswärts in Ingolstadt und zum Saisonabschluss gegen Absteiger Hannover weiter alle Trümpfe in der Hand, sich zum historischen vierten Mal in Folge zum Meister zu küren. Ein doppeltes Erfolgserlebnis gab es für Alessandro Schöpf. Seine Schalker sicherten sich durch ein 3:1 in Hannover den Europa-League-Startplatz, Schöpf erzielte in der 80. Minute etwas mehr als eine Minute nach seiner Einwechslung den dritten Treffer der Knappen. Auch Mainz hat trotz des 0:0 gegen den Hamburger SV gute Chancen auf einen internationalen Wettbewerb. Karim Onisiwo stand bei den 05ern erstmals in der Start-Elf und spielte durch, Julian Baumgartlinger fehlte wegen einer Sperre. Im Tabellenkeller verließ Eintracht Frankfurt durch das 2:1 bei Darmstadt einen direkten Abstiegsplatz. 1899 Hoffenheim machte durch das 2:1 gegen den FC Ingolstadt einen weiteren Schritt Richtung Klassenerhalt. Werder Bremen steht als 17. nun unter Druck, die Hanseaten sind im Montag-Heimspiel gegen den ebenfalls abstiegsbedrohten VfB Stuttgart (15.) auf Zähler angewiesen. Bei den Bayern setzte Guardiola drei Tage vor dem Halbfinal-Rückspiel in der Königsklasse gegen Atletico Madrid auf eine an acht Positionen veränderte Mannschaft. Weltmeister Jerome Boateng feierte in der Abwehrzentrale 99 Tage nach seiner schweren Muskelverletzung das Comeback und machte schließlich für Alaba Platz. In der nicht eingespielten Formation agierten die Bayern mit dem 1:0 im Rücken in Summe zu passiv. Das Spiel offenbarte kaum Höhepunkte. Mitten in die Münchner Jubelstimmung hinein rutschte Hahn zunächst am Ball vorbei (69.). Drei Minuten später war der starke Angreifer aber nach Vorarbeit von Lars Stindl mit einem platzierten Flachschuss doch erfolgreich. In Dortmund stand schon vor dem Anpfiff der wechselwillige Mats Hummels im Blickpunkt. Beim Verlesen der Mannschaftsaufstellung pfiffen zahlreiche Fans gegen den BVB-Kapitän, der einen Transfer zum FC Bayern anstrebt. Die Anhänger bekundeten auch bei jeder Ballberührung Hummels ihren Unmut – durften aber schon in der Anfangsphase jubeln. Shinji Kagawa (7.) und Adrian Ramos (9.) trafen für die Dortmunder, die nach der Pause spielend leicht zu weiteren Treffern durch Marco Reus (59.) und Pierre-Emerick Aubameyang (77., 78.) kamen. Andre Schürrle erzielte noch das Ehrentor (86.) der Gäste. Bayer Leverkusen spielt auch in der kommenden Saison wieder in der Champions League. Die Werkself sicherte sich mit dem 2:1 gegen Hertha BSC schon zwei Runden vor Saisonende den dritten Tabellenplatz und damit die direkte Qualifikation für die Königsklasse. Julian Brandt (2.) und Lars Bender (16.) trafen für Bayer zum siebenten Sieg in Folge. Vedad Ibisevic (21.) gelang für die Berliner der Anschlusstreffer. Hertha fiel auf Rang fünf zurück, hat aber noch Chancen auf den vierten Platz, der zur Teilnahme an der Champions-League-Qualifikation berechtigt. Am Rande des Hessenderbys zwischen Darmstadt 98 und Eintracht Frankfurt sind rund 450 Personen vorläufig festgenommen geworden. Dank der starken Präsenz der Einsatzkräfte seien größere Ausschreitungen erfolgreich unterbunden worden. Dies teilte die Polizei am Samstagabend mit. Nach dem Spiel, das die Eintracht mit 2:1 gewann, hätten sich allerdings zahlreiche Fans beider Vereine im Zentrum versammelt. Dort soll es auch zu handgreiflichen Auseinandersetzungen gekommen sein. Am Freitag verabsäumte es der FC Augsburg sich vorzeitig zu retten. Zum Auftakt der 32. Runde musste sich der Tabellenzwölfte nach zuletzt drei Siegen in Serie gegen den 1. FC Köln mit einem 0:0 begnügen. Die Gastgeber konnten vor 30.144 Zuschauern auch eine halbstündige Überzahl nach der Gelb-Roten Karte für Kölns Mittelfeldspieler Matthias Lehmann (57.) nicht nutzen. Mit 37 Punkten und der besten Tordifferenz aller Abstiegskandidaten gehen die Augsburger in die letzten beiden Saisonpartien beim FC Schalke 04 und daheim gegen den Hamburger SV. Die vom Wiener Peter Stöger betreuten Kölner blieben Tabellenachter.
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4Sport
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Die Bilanz der am Sonntag in St. Moritz endenden Saison fällt für Österreich durchwachsen aus. Hinter Marcel Hirscher klafft eine Lücke. Vor allem die Abfahrer enttäuschten. Sportchef Hans Pum kündigt Änderungen an. St. Moritz / Wien – Noch ist die Saison nicht vorbei. Noch kann die Saison eine ziemlich erfolgreiche werden. Acht Einzelrennen stehen noch aus, und also sind noch acht Siege möglich. Theoretisch. Praktisch ist das nicht wahrscheinlich. In bisher 75 Rennen holte das ÖSV-Skiteam elf Siege. Das klingt gar nicht übel. Aber Österreich, trotz EM-Fußballteam, trotz Dominic Tennisthiem, war eine Skination, ist eine Skination. Und also fällt das Après-Ski zum Saisonende etwas nüchtern aus. Auch weil es Norwegen auf 19 Siege brachte, die USA auf 14. ÖSV-Sportdirektor Hans Pum sagt: Wir wussten, dass es eine schwierige Saison wird. Freilich, Österreich hat Marcel Hirscher. Und Marcel Hirscher hat den Gesamtweltcup gewonnen. Zum fünften Mal in Folge. Acht Rennen gewann der 27-Jährige in diesem Winter. Der Salzburger allerdings war heuer der einzige siegreiche ÖSV-Herr. Über viele Jahre hinweg gab es eine Vielzahl an Siegläufern. Fiel einer aus, sprang ein anderer ein. Hirscher fiel in diesem Winter selten aus. Ein Glück. Aber die technischen Disziplinen sind nicht (mehr) das Problemfeld bei den Herren. Marco Schwarz, Marc Digruber oder Manuel Feller überraschten phasenweise. Die Rücktritte der Routiniers Benjamin Raich und Mario Matt wurden ansatzweise kompensiert. Pum: Da waren wir schneller dabei, als erwartet. Das Problemfeld ist der Speedbereich, vor allem die Abfahrt. Freilich, der Verletzungsteufel schlug kräftig zu. Olympiasieger Matthias Mayer, Georg Streitberger, Max Franz, Markus Dürager, Thomas Mayrpeter – sie alle verpassten einen mehr oder weniger großen Teil der Saison. Allerdings, von den Genannten hatten nur Mayer und Streitberger schon Weltcuprennen gewonnen. Pum aber hatte Dürager und Mayrpeter den Anschluss an die Spitze zugetraut. In der Abfahrt lasteten die Hoffnungen fast ausschließlich auf Hannes Reichelt. Der 35-Jährige fuhr zweimal aufs Podest. Ein Sturz im Jänner in Kitzbühel warf ihn zurück. In bisher zehn Saisonabfahrten gab es nur drei Podestplätze für die ÖSV-Herren. Im Abfahrtsweltcup ist Reichelt als bester Österreicher Zehnter, im Vorjahr war er noch Zweiter. Pum ist von der Speedsaison also nicht allzu angetan. Bis zum Saisonfinale, ab heute in St. Moritz, gab es nur einen Sieg in einer schnellen Disziplin: Hirscher gewann den Super-G von Beaver Creek. Kritik kam sogar aus den eigenen Reihen. Michael Walchhofer, ÖSV-Vizepräsident und Ex-Abfahrtsweltmeister, sagte jüngst in der Krone: Skifahrerisch bewegen sich einige in einer Komfortzone. Ich meine damit, dass sie nicht an die Grenzen gehen. Pum dazu: Ich bin überzeugt, dass die Athleten das Beste wollen. Man werde die Saison analysieren, es werde Änderungen geben. Es wird eine Trainerdiskussion geben. Herren-Chefcoach Andreas Puelacher hatte schon davor Personalrochaden angekündigt. Florian Winkler sollte ihm zufolge aber Abfahrtstrainer bleiben. Könnte Puelacher selbst abgelöst werden? Pum: Der Cheftrainer steht nicht zur Diskussion. Junge Damen zeigten auf Auch bei den Damen fiel die Siegausbeute in diesem Winter mager aus. Eva-Maria Brem gewann zwei Riesentorläufe, Cornelia Hütter einen Super-G. Im Vorjahr waren es noch neun Siege, sechs davon holte Anna Fenninger. Die Vorjahressiegerin im Gesamtweltcup verpasste heuer den kompletten Winter verletzungsbedingt. Also sagt Pum zur Damen-Bilanz: Sehr erfreulich. Auch weil einige Junge, etwa Tamara Tippler oder Ramona Siebenhofer, zur Spitze aufschlossen. Bei den Damen ist das Problemfeld der Slalom. Nach den Rücktritten von Kathrin Zettel und Nicole Hosp gab es keinen Podestplatz. Beim Weltcupfinale hat Brem gute Chancen auf die Riesentorlaufkugel, Vincent Kriechmayer liegt im Super-G 37 Punkte hinter Aleksander Aamodt Kilde, Cornelia Hütter fehlen im Super-G 80 Punkte auf die verletzte Lindsey Vonn, bzw. 61 auf Gesamtweltcupsiegerin Lara Gut. Hirscher hat neben dem Gesamt- auch den Riesentorlaufweltcup sicher. Theoretisch könnte man die fünf Kristallkugeln aus dem Vorjahr noch wiederholen. Praktisch ist das nicht sehr wahrscheinlich. Es war eben keine Supersaison für die Skination Österreich.
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7Wissenschaft
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Jedes Jahr Mitte August durchquert die Erde auf ihrer Umlaufbahn eine gewaltige Staubspur. Es handelt sich dabei um die Auflösungsprodukte von 109P/Swift-Tuttle – einem Kometen, der 1862 von Lewis A. Swift und Horace Parnell Tuttle unabhängig voneinander entdeckt wurde. Die größte Anhäufung von Kometenstaub passiert die Erde heuer am 13. August vormittags. Wenn die wenige Millimeter großen Staubteilchen mit einer Geschwindigkeit von rund 200.000 Kilometern pro Stunde auf die Erdatmosphäre treffen, verdampfen sie in 100 Kilometern Höhe durch Luftreibung und rufen so helle Leuchtspuren hervor – Meteore, besser bekannt als Sternschnuppen. Der scheinbare Ursprung, der sogenannte Radiant, des Meteorstroms im August liegt im Sternbild Perseus – von diesem hat er auch seinen Namen: Perseiden. Da der Höhepunkt der Perseiden knapp mit dem Fest des Märtyrers Laurentius am 10. August zusammenfällt, werden sie auch Laurentiustränen genannt – der Name stammt aus einer Zeit, als manche dachten, der Himmel weine über die grausame Hinrichtung des Heiligen durch den römischen Kaiser Valerian. Die Perseiden, einer der größten Meteorströme des Jahres, sind von 17. Juli bis 24. August aktiv. Am besten sind sie am späteren Abend bis zur Dämmerung zu beobachten – vor allem rund um den 13. August. Die Perseiden-Beobachtung wird heuer zudem durch den Neumond am 14. August begünstigt, wodurch die Nächte besonders dunkel sind. In ihrer aktivsten Phase erreichen die Perseiden ein Maximum von sechzig bis hundert Meteoren pro Stunde – durch die Lichtverschmutzung sind im städtischen Bereich jedoch deutlich weniger sichtbare Sternschnuppen zu erwarten. Über den gesamten Himmel können Meteore mit verschiedenen Flugrichtungen erscheinen, mit zunehmender Nähe zum Radianten nimmt die Länge der Schnuppen ab. In geeigneter Umgebung und bei günstigen Wetterbedingungen sind für die Beobachtung weder optische Hilfsmittel noch Schutzbrillen notwendig. Die erste überlieferte Sichtung der Perseiden fand vor zwei Jahrtausenden in China statt. Die erste bekannte Beobachtung aus Europa ist mit 811 datiert. Wer die Perseiden dieser Tage verpasst, darf sich auf die Leoniden im November freuen – sie bieten ein ähnliches Lichtspektakel wie die Perseiden, wenn auch bei niedrigeren Temperaturen.
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7Wissenschaft
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Die vom Mond verursachte Verlangsamung der Erdrotation erfordert wieder einmal eine kleine Anpassung. Wien – Aufgrund einer Schaltsekunde wird der 30. Juni heuer um genau diese länger dauern – wobei genau genommen für uns der 1. Juli verlängert wird. Um Mitternacht der Weltzeit UTC (Mitteleuropäische Sommerzeit: Mittwoch, 01:59:59 Uhr) ist es soweit: Auf die Sekunde 23:59:59 folgt 23:59:60 (bei uns 01:59:60) – und erst dann beginnt der 1. Juli mit 0:00:00. Kaum jemand wird seine Uhr zurückstellen, dabei hat diese Sekunde große Bedeutung für unser Leben: Etwa für die Nutzer von Navigationssystemen. Schaltsekunden wurden eingeführt, da die Länge des Tages an die Rotation der Erde um ihre eigene Achse gekoppelt ist, und diese wird im Lauf der Zeit immer langsamer, erklärt Johannes Böhm von der TU Wien den Grund. Ab und zu führt der internationale Dienst für Erdrotation und Referenzsysteme (IERS) daher eine Zusatzsekunde ein, damit die offizielle Zeit und die Rotation der Erde nicht immer weiter auseinanderlaufen. Der Mond dehnt die Erde ein bisschen. Es bilden sich Flutberge aus, und auch die feste Erde wird verformt, so Böhm. Allerdings kann die Erde aufgrund ihrer inneren Reibung die Verformung nicht augenblicklich ändern, wenn sie sich weiterdreht. Daher zeigt die entstehende Ausbuchtung nicht exakt in Richtung Mond, die Verformung wird durch die Erdrotation immer ein bisschen vom Mond weggedreht. Diese Asymmetrie bewirkt, dass der Mond ein Drehmoment auf die Erde ausübt und die Rotation der Erde ein kleines bisschen bremst, sagt Böhm. Gleichzeitig wandert der Mond dabei immer weiter von der Erde weg. Eine Sekunde mag zwar in unserem Alltag die kleinste relevante Zeiteinheit sein – anderswo, etwa in der Forschung, arbeitet man allerdings längst mit viel höheren Genauigkeiten. Daher habe man in der Forschung längst keine andere Wahl mehr, als komplizierte Korrekturen mit Mikrosekundengenauigkeit zu berücksichtigen, sagt Böhm – egal ob Schaltsekunde oder nicht, zumindest, wenn man nicht jede Minute eine Schaltmikrosekunde einführen möchte. Böhm plädiert daher letztlich für die Abschaffung der Schaltsekunde. Im Grunde wäre es kein Problem, länger zu warten, und dann nach einigen Jahrzehnten eine ganze Schaltminute einzufügen, so der Wissenschafter. Rufe zur Abschaffung von Schaltsekunden sind in den vergangenen Jahren immer wieder laut geworden – unter anderem weil sie Computersystemen Probleme bereiten könnten. Tatsächlich sind Schaltsekunden in den vergangenen Jahren deutlich seltener eingelegt worden. Die jetzige ist erst die vierte seit dem Jahr 2000. Von 1972, als erstmals eine Schaltsekunde eingelegt wurde, bis 1999 gab es fast eine Schaltsekunde pro Jahr.
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7Wissenschaft
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Die Graphic Novel "Ghetto Brother" erzählt die Geschichte des Königs der Bronx zwischen Straßenkrieg, HipHop und Judentum. Im Fernsehen sah ich mal Bilder vom zerbombten Dresden. Die South Bronx war wie Dresden. Und wir waren die Könige dieses Trümmerhaufens, sagt Benjamin Melendez. Anfang der 1970er-Jahre war Melendez besser bekannt als Yellow Benjy. Er war Gründer und Anführer der Ghetto Brothers, eine der größten und einflussreichsten Gangs zwischen den verwahrlosten Blocks der South Bronx. Der in New York lebende deutsche Fotograf Julian Voloj hat Benjamin Melendez aus den Trümmern der ungeschriebenen Geschichten ausgegraben. Nachdem er ihn durch Zufall kennengelernt hatte und während zahlreicher Spaziergänge die Stationen seines Lebens abgeklappert hatte, dokumentierte Voloj seine außergewöhnliche Story gemeinsam mit der Hamburger Künstlerin Claudia Ahlering in einer Graphic Novel - Ghetto Brother, auf Deutsch erschienen im Avant-Verlag. Das Buch war auch nominiert als für den am 6. Juni vergebenen Peng-Preis des Comicfestivals München für den besten deutschsprachigen Comic. (Gewonnen hat ihn übrigens der bereits besprochene Band Irmina von Barbara Yelin.) Melendez war nicht einfach nur Gang-Leader, er war auch Initiator eines einmaligen Waffenstillstands im Krieg auf der Straße. Ganz nebenbei ebnete er damit den Weg zur HipHop-Kultur, die ihre Wiege in der Bronx hatte. Der Sohn puertoricanischer Einwanderer mit jüdischen Wurzeln streifte von klein auf durch die Straßen der Bronx - keine ungefährliche Angelegenheit: Du gingst vor die Tür und wusstest nie, ob es nicht dein letzter Tag auf Erden sein würde, erzählt Melendez. Den einzigen Schutz bot die Mitgliedschaft in einer der unzähligen Gangs. Allein in der Bronx regierten mehr als 100 Gangs mit mehr als 10.000 Mitgliedern das von Schlaglöchern durchsiebte Pflaster. Straßenecken markierten ihre Territorien, und so überbrückten die Gangs nicht selten die Kluft zwischen Afroamerikanern und Puertoricanern, die trotz derselben tristen Lebensverhältnisse gewöhnlich nicht viel füreinander übrig hatten. 1967 - in dem Jahr, in dem Martin Luther King und Robert Kennedy ermordet wurden und der Vietnam-Krieg zum Dauerproblem wurde - gründete Melendez als 14-Jähriger gemeinsam mit seinen Brüdern seine eigene Gang, die Ghetto Brothers. Was Ghetto eigentlich bedeutete und dass er selbst eine jüdische Herkunft hatte, war Melendez zu diesem Zeitpunkt gar nicht bewusst. Als Markenzeichen, das auf die Nieten-Jeansjacken genäht wurde - die sogenannten Colors -, wählten die Ghetto Brothers drei Mülltonnen, als Symbol für die völlig verdreckten und verarmten Stadtviertel, in denen sie lebten. Sie teilten sich die Straßen mit anderen Gangs mit klingenden Namen wie Black Spades, Savage Skulls, Savage Nomads, Seven Immortals, Reapers, Turbans. Die Begriffe sprechen für sich: Ende der 60er-Jahre ging es nicht gerade zimperlich zur Sache zwischen den mafiös agierenden Gangs. Das System hatte Erfolg: Die Gangs boten Familienersatz, Anerkennung, Aufstiegsperspektiven und nicht zuletzt Tagesstruktur in Gegenden, die selbst die Polizei aufgegeben hatten. Und offensichtlich auch die Stadtverwaltung: Das lokale Spital wurde nur das Schlachthaus genannt. Die Gewaltspirale samt wechselseitiger Rachefeldzüge und einer wachsenden Drogenkriminalität schraubte sich immer tiefer in die Bronx. 1971 erreichte das todernste Spiel mit der Ermordung von Black Benjy von den Ghetto Brothers, der ein Friedensangebot vermitteln wollte, einen Höhepunkt. Trotz vieler Widerstände entschloss sich Benjamin Yellow Benjy Melendez, nicht zurückzuschlagen sondern mit der Unterstützung eines Vertreters der Black Panthers stattdessen alle Gangleader an einen Tisch zu holen und ein nachhaltiges Friedensabkommen auszuhandeln. Ein eindrucksvoller Schachzug, der tatsächlich aufging. Der Waffenstillstand wurde am 8. Dezember 1971 geschlossen und unter Beisein von Presse, Sozialarbeitern und unter Polizeischutz von allen anwesenden Gangleadern unterzeichnet. Voloj und Ahlering arbeiten in dem in Schwarz-, Weiß- und Grautönen gehaltenen Comic eine ganze Menge auf: Amerikanische Sozial- und Migrationsgeschichte, ein bisschen Musikgeschichte, ein bisschen Jugendkultur. Es tauchen Notizen zu fehlgeleiteter Stadtentwicklung, zur puertoricanischen Minderheit und zur Bürgerrechtsbewegung in den USA auf. Es ist fast etwas zu viel, was die beiden in oft ein wenig zu klein geratene, verschachtelte Panels packen. Vieles wird nur angeschnitten, wirklich fundierte Hintergründe darf man sich nicht erwarten. Das ist aber völlig in Ordnung, denn schließlich geht es um den Lebensweg eines Underdogs aus der Bronx, der eben auch einige prägnante Ereignisse der frühen 70er kreuzte. Nach dem Waffenstillstand wurde unsere Welt größer, sagt Melendez. Man ging zu Partys in Gegenden, in die man früher nie einen Fuß gesetzt hatte. Es war egal, welche Weste du trugst. Man battelte sich weiter, aber nicht unbedingt mit Waffen, sondern auf dem DJ-Pult, beim Breakdance und Graffiti. DJ Kool Herc, der als Begründer des HipHop gilt, schmiss seine ersten Partys, aus dem Warlord der Black Spades wurde der berühmte DJ Afrika Bambataa, der Anführer der Universal Zulu Nation. Mitte der 70er war es dann aber schon wieder vorbei mit dem Frieden in der Bronx. Die Gangs lösten sich auf, die Gewalt kehrte zurück und Heroin eroberte die Sozialbauten. Auch Yellow Benjy zog sich aus dem Gang-Business zurück, um seine jüdischen Wurzeln, die seine Eltern stets im Geheimen pflegten, zu suchen. Die Themendichte geht sich tatsächlich aus - durch die rasanten Bildfolgen, mit denen man im Stakkato-Rhythmus durch die spannende Story rast. Der Fokus bleibt meist eng, die Blicke knapp und kurz. Nur selten geben große Bilder Raum für große Momente. Auch wenn die Geschichte da und dort mehr Luft vertragen hätte - die groben Zeichnungen geben eine Menge authentischer Einblicke in die Enge des Lebens zwischen Abbruchhäusern. Vor dem chaotischen Hintergrund heben sich starke Persönlichkeiten ab - samt eindrucksvoller Tattoos, Stirnbänder, Schlaghosen und origineller Frisuren. Manchmal wirkt die Ich-Erzählung gar etwas verherrlichend und affirmativ, die Person von Melendez, der etwa nicht unbedingt ein guter Familienvater gewesen sein dürfte, wird dabei nicht kritisch hinterfragt. Dass er mit seinen Brüdern unter dem Namen Ghetto Brothers auch eine Band gründete und eine Platte aufnahm, auf der sie Funk, Salsa und Beatles-Gesänge vermischten, wird leider nicht erwähnt - aber das wäre vermutlich wirklich eine andere Geschichte.
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8Kultur
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Der Kunstraum im Bezirk Hernals entwickelte sich in den vergangenen Jahren zu einem Knotenpunkt verschiedener Kulturdisziplinen. Auf dem Gelände sollen nun Luxuslofts entstehen. Wien – 2014 war es, als das Moë, Bühne für Kunst, Musik und Performance, selbst einmal auf der großen Bühne stand. Gewissermaßen. Denn Bühnenbildnerin Anna Viebrock hatte die große Halle des Wiener Kulturvereins – samt Flügel, Empore und Hochsitz (ein Kunstwerk von Stefan Kreuzer) – eins zu eins nachgebaut und auf die Volksbühne verpflanzt, als Kulisse für Christoph Marthalers Tessa Blomstedt gibt nicht auf. Der Titel des Stücks ist jetzt gewissermaßen programmatisch. Denn dem vom Verein Picapica betriebenen Moë droht Ende Dezember die Delogierung. Der aktuelle Besitzer, der Immobilienentwickler Vestwerk, will den gesamten Gebäudekomplex in der Thelemangasse 4, die ehemalige k. u. k. Orden- u. Medaillenfabrik Mandelbaum und das gründerzeitliche Vorderhaus, aufwerten. Unter anderem sollen hier in einer der zukünftig angesagtesten Wohngegenden Wiens Luxuslofts entstehen. Angesagt ist das Grätzel vielleicht noch nicht ganz, aber die vom Hernalser Gürtel abzweigende Straße ist ebenso wie die Fabrik in die Literaturgeschichte eingegangen: Ewigkeitsgasse heißt der biografische Roman von Frederic Morton (1924-2015), der auf Hausnummer 8 aufgewachsen war. Sein Großvater Bernhard Mandelbaum hatte das Eisenwarenunternehmen einst gegründet; nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten emigrierte Frederic, damals noch Fritz Mandelbaum, mit seiner Familie über England nach New York. Allein das sollte der Stadt Wien, findet Moë, Grund genug sein, die Gebäude als kulturellen Ort zu erhalten. 2010 begann das Moë hier, initiiert von Studierenden der Akademie der bildenden Künste, einen Knotenpunkt verschiedener Kulturdisziplinen zu schaffen. Erst fanden sporadisch Veranstaltungen statt, insbesondere baulich war viel zu tun. Aber in den vergangenen zwei Jahren gab es hier drei bis fünf Veranstaltungen pro Woche, mit 10.000 bis 15.000 Besuchern pro Jahr. Mit Jahresende läuft ihr Vertrag aus, aber Moë will bleiben. Kulturarbeit lässt sich vom Thema Immobilienspekulation nicht trennen, sagt Alisa Beck, derzeit Obfrau des Kulturvereins, auch mit Blick auf die betroffenen Nachbarn mit den unbefristeten Verträgen. Denen, die mit viel selbstausbeutendem Engagement das Moë betreiben und auch eine Petition gestartet haben, gehe es darum, dass diese Räume für etwas anderes genutzt werden sollen als für luxuriöse Wohnungen. Es ist ein leistbarer Arbeits- und Ausstellungsraum für Kunst, Performance, Tanz, Musik – mit Nähe zum Zentrum. Kultur braucht Räume. Aber wo sind die? Welche gibts noch? Vergleichbare Orte in der Gegend, der Ragnarhof, das Gschwandner oder Das Werk, haben – aus unterschiedlichen Gründen – zugesperrt. Sich in der Brunnenpassage (einem Vorzeigeprojekt von Kulturstadtrat Mailath-Pokorny) einzumieten sei für viele Leute einfach zu teuer. Derzeit hofft man auf die Stadt. Dass die zum einen einmal anerkenne, was das Moë hier im Bezirk leistet. Es ist ein beweglicher Raum der freien Szene, den Wien unbedingt braucht! Mailath hatte ja zuletzt gegenüber der APA eine Taskforce für kulturelle Stadtentwicklung angekündigt, hält die Bespielung von Stadtteilen abseits des Zentrums für essenziell. Gebe es ein entsprechendes Commitment, so habe die Politik auch Möglichkeiten, auf Vestwerk und deren Pläne einzuwirken, sagt Beck. Temporäre Ersatzobjekte, wie sie auch Vestwerk angeboten habe, sind für sie allerdings keine zufriedenstellende Lösung: Zwischennutzung ist immer prekär. Aus der Kulturabteilung heißt es, man schätze Moë und die Arbeit, die dort passiert. Daher würde man den Verein auch mit Fördermitteln bedenken. Beim Raumproblem hat aber auch die Stadt nur Ersatzobjekte im Sinn: Moë solle sich doch an die 2016 startende Agentur für Zwischennutzung (siehe Artikel) wenden. Nur hat der Verein seinen Wunschort schon gefunden. Was also tun? Hausbesetzer-Rhetorik wolle man in der Thelemangasse keine bedienen. Es gehe darum, das Haus nicht zu-, sondern aufzumachen. Bespielen statt besetzen. Vorbild sei das Gängeviertel in Hamburg, das zu einem Symbol gegen Gentrifizierung geworden ist. 2009 begann man dort – inzwischen erfolgreich –, das Viertel vor Verfall und Abriss zu retten. Mit Ausstellungen, Konzerten, Partys, Lesungen und Diskussionen über Stadtentwicklung etablierte man in der Hamburger Innenstadt einen Raum, in dem Neues entstehen kann. Was die Gesprächsbasis zwischen Moë und Immobiliengesellschaft allerdings beeinträchtigt, ist der Vorwurf, der Verein habe erhebliche Mietrückstände. Fakt ist, nach dem ersten Winter war den Kulturschaffenden klar: So geht es nicht. Der Wind pfiff durch die Räume, es regnete herein; die erheblichen Mängel wurden in einem Schlichtungsverfahren dokumentiert. Gemeinsam mit dem damaligen Anwalt Klaus Fischer (von dem der Verein erst später erfahren haben will, dass er auch Partner bei Vestwerk sei) machte man, noch unter dem Vorbesitzer, eine Mietzinsreduktion geltend. Die seither bezahlte Summe sei auch nach dem Verkauf an Vestwerk lange nicht beanstandet worden; erst circa drei Jahre später sei eine Mahnung hereingeflattert. Die Betreiber des Moë geben sich weiterhin gesprächsbereit, aber ohne politischer Unterstützung werde es schwierig.
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3Wirtschaft
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Fast sechs Milliarden Dosen hat der Energydrink-Erzeuger 2015 weltweit abgesetzt, der Gewinn wird geheim gehalten. Fuschl – Red Bull hat im Vorjahr 5,957 Milliarden Dosen verkauft (plus 6,1 Prozent) und damit seinen Umsatz gleich um 15,5 Prozent auf 5,9 Milliarden Euro gesteigert. Das sei der höchste Wert seit der Firmengründung, schreibt die Kronen Zeitung. Auch der Betriebsgewinn des Energiedrink-Konzerns sei so hoch wie nie zuvor – Zahlen dazu werden aber nicht genannt. Das Wachstum stammt aus dem Ausland: Starke Zuwächse habe es in der Türkei (plus 25 Prozent), Südafrika und Saudi-Arabien (je plus 19 Prozent), Indien und Polen (je plus 18 Prozent sowie Deutschland (plus 16 Prozent) gegeben. Der schwache Eurokurs und Preiserhöhungen in den USA hätten ebenfalls geholfen. Red Bull beschäftigte zuletzt in 169 Ländern fast 11.000 Mitarbeiter.
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0Web
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Störerhaftung in Deutschland bringt Anschlussinhaber in Bedrängnis. Wer in Deutschland einen drahtlosen Internetzugang für andere öffnet, muss in vielen Fällen auch für deren Missetaten geradestehen. Das umstrittene Konzept der Störerhaftung ist ein Grund, warum vielerorts die Dichte an kostenlosen WLAN-Hotspots in der Bundesrepublik überschaubar ist. Durch den verstärkten Zustrom von Flüchtlingen ergeben sich hier nun neue Problematiken. Die Neuankömmlinge werden vermehrt zum Geschäft für Abmahn-Anwälte, berichtet ct. Ursache für Abmahnungen, die dieser Tage an Menschen ergehen, die ihr WLAN geöffnet haben, dürfte die unterschiedliche Rechtslage der Herkunftsländer sein. In ihrer einstigen Heimat konnten die Schutzsuchenden oftmals urheberrechtlich geschütztes Material herunterladen, ohne strafrechtliche Verfolgung fürchten zu müssen. Nicht so allerdings in Deutschland, wo vor einiger Zeit eine Anwaltskanzlei sogar wegen Streamings von Videos auf der Pornoseite Redtube massenhaft Abmahnungen verschickte – was allerdings zum Bumerang wurde. ct schreibt etwa über den Fall von Mohamad S., ein geflohener Syrer und Filmfreund. Er kam im August 2015 nach Deutschland und ist mittlerweile in der Nähe von Hannover ansässig. Ein Nachbar ermöglichte ihm Zugriff auf sein WLAN, den S. unter anderem dafür nutzte, sich den Film Margos Spuren via Bittorrent herunterzuladen. Ein Verhalten, das für ihn in Syrien sanktionslos geblieben wäre. Dem Nachbarn brockte dies als Anschlussinhaber allerdings ein Abmahnschreiben mit einer Forderung von 815 Euro, davon 600 Euro als Schadenersatz für den Rechteinhaber, ein. Berichtet wird von mehreren Fällen dieser Art. Bei einigen Kanzleien, die sich mit mit ihren Mahnbriefen bereits einen zweifelhaften Ruf erarbeitet haben, dürfte demnach Hochkonjunktur herrschen. Im Falle von S. kam das Schreiben vom Büro Waldorf-Frommer. Dort erklärte man, im Vorfeld nicht zu wissen, wen eine solche Abmahnung treffe. In Härtefällen seien allerdings Milderungen, Teilzahlungen oder ein Erlass der Forderungen möglich. Flüchtlinge haben in der Regel nicht die monetären Ressourcen, um Forderungen über hunderte Euros zu begleichen. Die ct empfiehlt, dass Bürger, die Flüchtlingen Internetzugang ermöglichen, diese über die Rechtslage aufklären. Die grobe Empfehlung lautet: Bittorrent oder darauf basierende Streamingtools wie Popcorn Time sind zu meiden, weil der Nutzer hier nicht nur Downloads durchführt, sondern gleichzeitig auch zum Uploader wird. Das läuft in Konflikt mit der Gesetzeslage, die die Verbreitung von urheberrechtlich geschützten Inhalten untersagt – was schließlich zu den Abmahnungen führt. In Österreich sieht die Rechtslage etwas anders aus. Downloads von urheberrechtlich geschütztem Material sind hierzulande legal, wenn sie nur privaten Zwecken dienen, keine Weitergabe erfolgt und die Quelle nicht offensichtlich rechtswidrig ist. Die Weiterverbreitung, darunter fallen auch P2P-Uploads wie bei Bittorrent, steht jedoch unter Strafe. Im Gegensatz zu Deutschland gibt es allerdings keine pauschale Störerhaftung. Ein Anschlussinhaber kann nur dann abgestraft werden, wenn das illegale Filesharing des jeweiligen Internetnutzers in seiner Kenntnis liegt und er keine Maßnahmen zur Unterbindung gesetzt hat. Er ist allerdings verpflichtet, bei der Aufklärung etwaiger strafbarer Handlungen mitzuwirken.
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4Sport
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Schweizer hatte bei seinem Comeback gegen den Franzosen Tsonga das Nachsehen. Nadal fegt Wawrinka vom Platz. Monte Carlo – Zwei Tage nach dem Aus von Titelverteidiger Novak Djokovic ist auch Roger Federer im mit 4,09 Millionen Euro dotierte Tennis-Masters-1000-Turnier in Monte Carlo vorzeitig ausgeschieden. Der 34-jährige Schweizer, in Fürstentum als Nummer drei gesetzt, verlor am Freitag sein Viertelfinale gegen den Franzosen Jo-Wilfried Tsonga mit 6:3,2:6,5:7. Auch Federers Landsmann Stanislas Wawrinka schied aus: Der als Nummer vier eingestufte 31-Jährige unterlag dem Spanier Rafael Nadal 1:6,4:6. Bereits in der zweiten Runde hatte der Tscheche Jiri Vesely die Siegesserie von Djokovic gestoppt und damit für eine große Überraschung gesorgt. Der 55. der Weltrangliste bezwang die Nummer eins aus Serbien mit 6:4,2:6,6:4. Djokovic kassierte damit im 30. Match in diesem Jahr erst seine zweite Niederlage. In den ersten beiden Sätzen der Partie Federer – Tsonga herrschte Einbahn-Tennis. Im ersten musste Tsonga seinen Aufschlag dreimal abgeben, im zweiten Federer. Im dritten Satz kam dann keiner der beiden zunächst zu einer Breakchance. Erst beim Stand von 5:5 gelangen dem Franzosen zwei Vorhand-Passierbälle hintereinander perfekt, so dass er sich das vorentscheidende Game sicherte und am Ende im 17. Vergleich mit dem Grand-Slam-Turnier-Rekordsieger zum sechsten Mal die Oberhand behielt. Insgesamt agierte Federer vor allem beim Service zu fehlerhaft. Nur einem Ass standen vier Doppelfehler gegenüber. Zudem fanden lediglich 57 Prozent der ersten Aufschläge den Weg ins Feld. Auch die Erfolgsquote am Netz (17 von 27 Punkte gewonnen) fiel schlechter aus als üblich. Trotzdem war Federer mit seinem Comeback nach einer gut zweimonatigen Pause wegen einer Meniskusoperation zufrieden. Alles in allem war das eine sehr positive Woche, meinte der Schweizer. Der Aufschlag wird sicher noch besser werden, wenn ich mehr Matchpraxis habe. Wawrinka hatte gegen Thiem-Bezwinger Nadal, der seinen neunten Titel in Monte Carlo anstrebt, nie eine Chance. Allein im ersten Satz leistete sich der Schweizer, der Nadal im Vorjahr als König von Roland Garros abgelöst hatte, 15 unerzwungene Fehler, der Spanier nur deren drei. Bereits beim Stand von 1:3 zertrümmerte der frustrierte Wawrinka ein Racket – es nützte allerdings wenig. Auch im zweiten Durchgang agierte Nadal aggressiv und zwang Wawrinka immer wieder zu Fehlern. Einzig beim Stand von 2:3 gewann der Eidgenosse kurzzeitig die Oberhand. Nadal gab da seinen Aufschlag gleich zu null ab, der Breakvorsprung war weg. Doch beim Stand von 4:4 schaffte Nadal erneut ein Break und zog nach 78 Minuten in die Runde der letzten vier ein. Dort trifft er auf den Weltranglisten-Zweiten Andy Murray aus Schottland. Das war ein schlechtes Match von mir, suchte Wawrinka keinerlei Ausflüchte. Heute war ich in vielen Bereichen nicht präsent. Eine Erklärung für den schlechten Auftritt hatte der Lausanner allerdings auch nicht.
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7Wissenschaft
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Der zentrale Arktische Ozean hatte sommerliche Oberflächentemperaturen von vier bis neun Grad Celsius. Im Frühjahr, Herbst und Winter trieben aber Eisschollen übers Meer. Bremerhaven – Einem internationalen Forscherteam unter Leitung des (AWI) in Bremerhaven ist es gelungen, ein neues Fenster in die Klimageschichte des Arktischen Ozeans aufzustoßen: Mithilfe von Bodenproben vom Lomonossow-Rücken konnten die Wissenschafter zeigen, dass die zentrale Arktis vor sechs bis zehn Millionen Jahren im Sommer vollkommen eisfrei war. Das Meer hatte demnach an der Oberfläche eine Temperatur von vier bis neun Grad Celsius, wie die Forscher in Nature Communications berichten. Im Frühjahr, Herbst und Winter hingegen trieben Eisschollen auf dem Ozean. Die Sedimentproben wurden während einer Expedition im Sommer 2014 entnommen. Das arktische Meereis ist eine sehr kritische und sensitive Komponente im globalen Klimasystem, sagt AWI-Geologe und Erstautor Rüdiger Stein. Daher seies wichtig, die Ursachen heutiger wie historischer Änderungen des Meereises besser zu verstehen. Wir hatten uns daher für diese Expedition zum Ziel gesetzt, lange Sedimentkerne aus der zentralen Arktis zu gewinnen, mit deren Hilfe wir die Meereisbedeckung des Ozeans in den zurückliegenden 50 Millionen Jahren rekonstruieren können. Eine günstige Stelle dafür fanden die Forscher am Westhang des Lomonossow-Rückens, einem großen Unterseegebirge in der zentralen Arktis. An diesem Hang muss es in der Vergangenheit immer wieder gigantische Erdrutsche gegeben haben, wodurch die darunterliegenden sehr alten Sediment- und Gesteinsformationen auf einer Mächtigkeit von über 500 Metern freigelegt wurden, so Stein. Die gewonnenen Sedimentkerne waren zwar nur vier bis acht Meter lang, einer davon entpuppte sich aber genau als eines jener Klimaarchive, auf das die Forscher gehofft hatten: Wir konnten mit Hilfe bestimmter Mikrofossilien, sogenannter Dinoflagellaten, eindeutig feststellen, dass der untere Teil dieses Kerns aus circa sechs bis zehn Millionen Jahre alten Sedimenten besteht und damit erdgeschichtlich in das späte Miozän zurückreicht, sagt Stein. Mithilfe sogenannter Biomarker konnten so die Klimabedingungen im zentralen Arktischen Ozean für diesen Zeitabschnitt rekonstruiert werden. Bisher vermuteten einige Forscher, dass der zentrale Arktische Ozean bereits vor sechs bis zehn Millionen Jahren ganzjährig durch eine Meereisschicht bedeckt war – in etwa jenem Ausmaß, wie wir sie heute kennen. Dieser Annahme widersprechen die neuen Forschungsergebnisse. Unsere Daten weisen eindeutig darauf hin, dass der Nordpol und der gesamte zentrale Arktische Ozean im Sommer sogar eisfrei gewesen sein müssen, so Stein. Der Arktische Ozean war allerdings nicht ganzjährig eisfrei. Stein: Durch die Kombination unserer Datensätze zur Oberflächenwassertemperatur und zur Meereisverbreitung können wir das jetzt erstmals belegen. Im Frühjahr und dem vorangegangenen Winter war der Ozean aber von Meereis bedeckt. Rund um den Nordpol muss es damals also eine ähnliche saisonale Eisbedeckung gegeben haben, wie wir sie heute in den Arktischen Randmeeren vorfinden. Diese aus Sedimentdaten rekonstruierten Erkenntnisse über die Klimageschichte des Arktischen Ozeans lassen sich auch durch Klimasimulationen untermauern. Dies gilt jedoch nur bei Annahme eines relativ hohen atmosphärischen Kohlenstoffdioxid-Gehalts. Wird in die Klimamodelle ein deutlich niedrigerer Kohlenstoffdioxid-Gehalt eingesetzt, wie er in einigen Studien für das späte Miozän postuliert wird, lässt sich eine eisfreie Arktis nicht simulieren. Ob der Kohlenstoffdioxid-Gehalt damit im Miozän wirklich relativ hoch war, oder ob die miozänen Klimasimulationen eine zu geringe Sensitivität in der Arktis aufweisen, sei derzeit ein zentraler Gegenstand der Forschung, sagt Stein: Wenn unsere Klimamodelle die Meereisbedeckung früherer Zeiträume zuverlässiger reproduzieren können, werden wir auch in der Lage sein, genauere Prognosen über künftige Klima- und Meereisschwankungen in der zentralen Arktis zu geben.
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6Etat
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Samsung-Studie: Menschen verbringen mehr Zeit vor dem Fernseher – 62 Prozent der Haushalte haben bereits ein Tablet. Schwalbach/Wien – Der Fernseher hat dank neuer Streaming-Angebote laut einer Umfrage seine Stellung weiter ausgebaut. Die Europäer verbringen heuer täglich rund eine halbe Stunde mehr als im Vorjahr vor dem TV-Gerät, ergab eine Studie im Auftrag des Elektronik-Riesen Samsung. Die Nutzung von Video on Demand, bei dem Filme direkt aus dem Netz angesehen werden, ist danach um ein fünffaches auf 24 Prozent gestiegen. Bei den Ausgaben dafür liegen die Österreicher unter dem europäischen Schnitt. Sie lassen pro Monat 7,50 Euro für Dienste wie Netflix oder Amazon Prime springen. Die Studienautoren erklären die geringeren Investitionen damit, dass in Österreich Video-on-Demand-Angebote noch nicht so lange verfügbar seien. In Portugal sind es beispielsweise 14,68 Euro, in Italien 13,89 und in Spanien 13,45 Euro pro Monat, die für Streaming ausgegeben werden. Im Schnitt stehen zwei Fernsehgeräte in jedem europäischen Haushalt. Rund 187 Minuten würden die Europäer täglich vor dem Fernseher verbringen, die Menschen in Österreich und Deutschland 184 Minuten. Im europäischen Schnitt ergibt das ein Plus von 30 Minuten. Nach dem Fernseher als beliebtester Bildschirm folgt der Studie zufolge das Tablet. In 64 Prozent der europäischen Haushalte gebe es inzwischen ein solches Gerät, in Deutschland verfüge jeder zweite Haushalt über ein Tablet, in Österreich sind es laut Studie sogar 62 Prozent. Das gleichzeitige Twittern während des Fernsehens sei inzwischen zur Gewohnheit der Nutzer geworden. Ob zum Verwalten von Dokumenten, Streaming von Online-Inhalten oder Lesen von Magazinen – insgesamt 73 Minuten pro Tag nutzen die Europäer ihr Tablet, 37 Minuten mehr als im Vorjahr. Samsung hatte seinen Techonomic Index im vergangenen Jahr herausgebracht. Für die Ergebnisse wurden auch in diesem Jahr 18 000 Europäer im Alter von über 16 Jahren aus 18 Ländern befragt. Durchgeführt wurde die Studie von der Marktforschungsfirma Lightspeed GMI. Die Meinungsforschungsgesellschaft Ipsos Mori steuerte zusätzlich noch Interviews mit 5000 Menschen im Alter von 18 bis 65 Jahren bei.
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1Panorama
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Bayerns Ministerpräsident sieht sich "zu vielen Handlungsmöglichkeiten vorbereitet". Derzeit Klage aber "nicht notwendig". Berlin – Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) behält sich trotz der jüngsten Koalitionseinigung die Möglichkeit einer Klage gegen die deutsche Bundesregierung wegen ihrer Flüchtlingspolitik vor. Wir haben uns zu vielen Alternativen und Handlungsmöglichkeiten vorbereitet, sagte Seehofer am Freitag in der ARD. Im Moment seien solche Wege nicht notwendig, denn man habe ja zur Gemeinsamkeit in der Koalition zurückgefunden. Aber wir werden das in der Tat prüfen, fügte er hinzu. Es gehe darum, wie Bayern sich wehren könne gegen einen übermäßigen Zustrom von Flüchtlingen. Ob wir dann mal klagen, werden wird sehen. Bayern will mithilfe eines Gutachtens des früheren Verfassungsrichters Udo di Fabio prüfen lassen, ob gegen die Flüchtlingspolitik der Regierung geklagt werden kann. Seehofer hatte Kanzlerin Angela Merkel und ihrer Regierung tagelang vorgeworfen, nichts Entscheidendes zur Begrenzung des Flüchtlingszustroms nach Deutschland zu tun. Inzwischen ist dieser Streit aber beigelegt, wie Seehofer versicherte. Seehofer begrüßte die Einigung der Koalitionsspitzen über neue Aufnahmezentren für Flüchtlinge als sehr, sehr gut für die Integration von Schutzbedürftigen. Zugleich seien die Beschlüsse aber zur Begrenzung der Flüchtlingszahlen die schärfsten Regeln, die es jemals in unserem Lande gab, sagte Seehofer am Freitag in der ARD. Die Koalitionseinigung sei ein wichtiger Fortschritt, aber wir sind noch nicht am Ende aller Überlegungen. Wichtig sei vor allem, dass die Menschen ihn ihrer Heimat blieben. Das sei die wichtigste Obergrenze für den Zuzug von Menschen. Mit der Türkei werde man Flüchtlingskontingente vereinbaren, kündigte er an. In der Flüchtlingspolitik hätten er und Merkel mit sehr unterschiedlichen Positionen begonnen, räumte der CSU-Chef ein. Inzwischen habe man wieder ein gemeinsames Konzept. Und ich denke, das ist wieder gekittet, versicherte er. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) soll indes einem Zeitungsbericht zufolge im kommenden Jahr personell noch einmal deutlich aufgestockt werden. Die Behörde mit Sitz im bayerischen Nürnberg solle 3.600 zusätzliche Mitarbeiter bekommen, berichteten die Ruhr Nachrichten aus Dortmund am Freitag unter Berufung auf Koalitionskreise. Es handle sich um 2.600 neue Stellen sowie tausend Mitarbeiter, die aus anderen Behörden oder aus dem Ruhestand geholt werden sollten. Die Pläne seien bereits mit dem Finanzministerium abgestimmt, hieß es weiter. Intern habe Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) angegeben, es gebe eine entsprechende Zusage. Damit hätte das Bamf den Angaben zufolge Ende 2016 bis zu 8.000 Mitarbeiter. Angesichts der Flüchtlingskrise solle es auch bei der Bundespolizei zusätzliches Personal geben. Für das kommende Jahr seien tausend Stellen mehr geplant. Die Große Koalition aus Union und SPD hatte erst am Donnerstag neue Maßnahmen zur Beschleunigung von Asylverfahren für Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive beschlossen. Sie sollen künftig in bundesweit drei bis fünf Registrierungszentren untergebracht werden und einer verschärften Residenzpflicht unterliegen. Nach der Ablehnung von Asylanträgen sollen die betroffenen Flüchtlinge direkt aus den Registrierungszentren in ihre Heimat abgeschoben werden. Die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl kritisierte die von der Großen Koalition beschlossenen Maßnahmen zu Asylverfahren als gravierenden Einschnitt in das Asylrecht. Der Beschluss stelle eine weitgehende Beschneidung des Zugangs zu einem fairen Asylverfahren für tausende Menschen dar, erklärte Pro Asyl am Freitag. Geschäftsführer Günter Burkhardt kritisierte, Seehofer habe sein rechtsstaatlich fragwürdiges, die Menschenrechte beschneidendes Eilverfahren durchgesetzt. Pro Asyl warf der Koalition vor, mit ihren Beschlüssen vor allem auf afghanische Flüchtlinge zu zielen. Nach den politischen Vorgaben solle es trotz der zusehends schwierigeren Menschenrechts- und Sicherheitslage in Afghanistan zu vermehrten Ablehnungen der Asylanträge und Abschiebungen kommen. Die Anerkennungsquoten sollen gedrückt, Menschen entrechtet werden, um sie abschiebungsreif zu machen, erklärte Burkhardt. Deutschland setzt auf Entrechtung und Abschreckung. Der Sommer des Mitfühlens ist einer Politik der Kälte gewichen.
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7Wissenschaft
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Satellit Intelsat 29e erfolgreich im geostationären Orbit ausgesetzt. Kourou – In der Nacht auf Donnerstag ist die erste Ariane-5-Rakete des Jahres mit einem Telekommunikationssatelliten an Bord vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana aus in All gestartet. Die Rakete setzte den 6,7 Tonnen schweren Intelsat 29e nach rund 30 Minuten Flugzeit im Geotransferorbit aus, der den Satelliten schließlich rund 36.000 Kilometer über der Erde positionieren sollte, teilte Arianespace mit. Das Technologieunternehmen Intelsat schickte damit seinen 56. Satelliten mit der Hilfe des europäischen Weltraumunternehmens ins All. Der Satellit ist der erste aus der neuesten Generation der EpicNG-Serie, die höhere Datengeschwindigkeiten und Datenmengen erreichen soll. Insgesamt wird der Satellit zwischen 25 und 30 Gigabit pro Sekunde zur Verfügung stellen. Intelsat 29e wurde entwickelt, um den Breitbandservice auf dem nord- und südamerikanischem Kontinent zu beschleunigen und das Telekommunikationsnetz zu erweitern. Im Atlantik und in der Karibik soll der Satellit die Kommunikationssysteme für Luft- und Schifffahrt verbessern. Arianespace plant heuer elf weitere Raketenstarts, davon acht mit einer Ariane-5-Rakete. Für Intelsat stehen heuer noch zwei weitere Starts aus Kourou auf dem Programm.
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3Wirtschaft
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Die Entrüstung der Zielpunkt-Belegschaft hat ein Gesicht: Mit Snjezana Brajinovic kämpft eine Spitzenverdienerin gegen die Pfeiffer-Gruppe. Wien – Seit gut einer Woche bewegt die Zielpunkt-Pleite die Öffentlichkeit. 3000 Mitarbeiter, großteils Frauen, darunter viele Alleinerzieherinnen, müssen nicht nur auf ihr Novembergehalt und das Weihnachtsgeld warten, sie verlieren vielmehr ihren Job. Die Entrüstung der Belegschaft wegen der Vorgangsweise von Zielpunkt-Eigentümer Pfeiffer hat ein Gesicht: Snjezana Brajinovic. Die Betriebsratschefin der insolventen Supermarktkette steht den Mitarbeitern zur Seite, kümmert sich um deren Ansprüche, lässt kein gutes Haar an den Geschäftsführern sowie der Handelsgruppe Pfeiffer und stellt sich den Medien. Brajinovic weckt Emotionen. Hier kämpft sie wegen des Todesstoßes für Zielpunkt mit den Tränen, da kommt Wut auf. Wo bleibt da die Menschlichkeit?, lautet ihre rhetorische Frage an die Adresse der Pfeiffer-Gruppe. Die Handelsgruppe erlebt nicht zuletzt wegen Brajinovic einen kommunikativen Super-GAU. 1992 kommt sie als 16-Jährige von Bosnien nach Österreich, geht in die Berufsschule und macht eine Lehre. 23 Jahre später geht sie mit Pfeiffer hart ins Gericht und deckt einen suspekten Vorgang nach dem anderen auf: Vor wenigen Wochen hat Pfeiffer noch Zielpunkt-Immobilien erworben. Jetzt wollen die Oberösterreicher Filialen für ihre Unimärkte aus dem Konkurs herauslösen. Vor wenigen Wochen hat Pfeiffer die Lage rosig dargestellt. Jetzt pfeift Pfeiffer auf Sozialpläne und Gehaltszahlungen. Die Anklage von Brajinovic lässt kaum jemanden kalt. Dabei gibt es durchaus Facetten in der Karriere der Betriebsrätin, die nicht so ganz ins Bild der selbstlosen Aufopferung für die Kolleginnen passen. Zum Beispiel ihr Gehalt: Mit 6749 Euro im Monat brutto kommt die Handelsangestellte auf ein respektables Einkommen. Ich geniere mich nicht dafür, was ich verdiene, und die Kollegen wüssten darüber auch Bescheid, sagt Brajinovic. Keine Frage: Die Frau war acht Jahre lang als Bezirksverkaufsleiterin für zehn bis 15 Zielpunkt-Märkte zuständig, eine Art Schnittstelle zwischen Einkauf und Filiale: Zu den Zuständigkeiten zählen Kontrolle der Sauberkeit in den Geschäften, Einteilung der Mitarbeiter oder Diebstahlsvermeidung. Kurzum: Eine Funktion im mittleren Management, wie das Brajinovic bezeichnet. Die Überzahlung (3434 Euro) zum Kollektivvertrag stammt übrigens noch aus Zeiten, als die deutsche Tengelmann-Gruppe bei Zielpunkt Regie führte. Im Nachbarland seien derartige Gehaltsaufbesserungen gang und gäbe, um eine Koalitionsbasis mit dem Betriebsrat zu erreichen, wie ein Insider schildert, der die Zielpunkt-Geschicke lange begleitet hat. Die kampflustige Belegschaftsvertreterin bezieht die gleichen Bezüge seit 2007 weiter, als sie für die Betriebsratsfunktion freigestellt wurde, während selbst bei kleineren Einkommen Kürzungen zur Zielpunkt-Sanierung vorgenommen wurden. Seit September dieses Jahres hat Brajinovic eine Bildungsfreistellung, die bis Juni 2016 dauert. In ihrer Funktion als Betriebsrätin übernimmt die Arbeiterkammer die vollen Gehaltskosten. Die Weiterbildung in der Sozialakademie bei voller Bezahlung findet Brajinovic nicht verwerflich, immerhin habe sie damit Zielpunkt geholfen, Lohnkosten zu sparen. Auch die Arbeiterkammer findet die Übernahme des Gehalts völlig normal: Man sieht ja gerade jetzt, wie wichtig gute Betriebsräte sind. In ihrer Ausbildung sollen sie nicht schlechtergestellt sein als sonst, lässt ein AK-Sprecher wissen. Abgesehen davon hat Brajinovic – wie die anderen Zielpunkt-Mitarbeiter auch – Novembergehalt und Weihnachtsgeld nicht bekommen. Die AK refundiert Zielpunkt die Kosten nicht mehr, seit die Kette Insolvenz angemeldet hat. Die Betriebsrätin kämpft dennoch weiter.
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0Web
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US-Sicherheitsforscher konnte nach eigenen Angaben auf gespeicherte Audiodateien zugreifen. Eines der jüngsten Mitglieder der Barbie-Familie hat bereits für einige Aufregung gesorgt. Mit Hello Barbie hat Hersteller Mattel eine Puppe in den Handel gebracht, die mit Mikrophon und WLAN ausgestattet ist. Kindern können so mit der Barbie plaudern. Datenschützer warnten jedoch vor einer potenziellen Abhörfalle, und scheinen nun Recht behalten zu haben. Einem US-Sicherheitsforscher ist es gelungen, die Puppe zu hacken. Das Spielzeug reagiert darauf, was Kinder sagen. Dazu übermittelt es das Gesagte an Server, wo eine Spracherkennungssoftware läuft und kann den Kindern entsprechend in natürlicher Sprache antworten. Dabei merkt sich die Puppe auch, was ihr Kinder zuvor erzählt haben. Eltern können diese Konversationen auf ihrem Smartphone anhören. Hersteller Mattel gibt zudem an, dass Aufzeichnungen gemeldet werden könnten, die auf eine Gefährdung der Kinder hindeuten. Aber nicht nur Eltern und Hersteller können das Geplauder der Kinder abhören. Sicherheitsforscher Matt Jakubowski hat herausgefunden, wie man das System der Puppe hacken kann. So konnte er nach eigenen Angaben auf Netzwerknamen, Account-IDs, gespeicherte Audiodateien und das Mikrophon der Puppe zugreifen, sagte er NBC. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis er es schaffe, die Puppe mit einem anderen Server zu verbinden und sie so alles Mögliche sagen zu lassen. Nähere Angaben dazu, wie ihm das gelungen ist, macht Jakubowski allerdings nicht. ToyTalk, das die Puppe für Mattel entwickelt hat, bestätigte gegenüber NBC, dass die Puppe gehackt werden könnte. Allerdings würde die Information, an die man so gelangen kann, nicht ausreichen, um ein Kind identifizieren zu können. Auch würden die Tonaufnahmen nicht kompromittiert. Mattel wurde um eine Stellungnahme gebeten.
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7Wissenschaft
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Gelebter Glaube wird gemeinhin mit höheren moralischen Standards in Verbindung gebracht – tatsächlich aber scheint das Gegenteil zu stimmen.. Chicago/Wien – Viele assoziieren Religiosität mit Selbstkontrolle und moralischem Verhalten. In den USA etwa ist diese Sichtweise unglücklicherweise oft so tief verankert, dass unreligiöse Menschen als moralisch suspekt angesehen werden. Ein erklärter Agnostiker oder Atheist hätte wohl wenig Chancen, in ein höheres Amt gewählt zu werden. Was Jean Decety von der University of Chicago hier beschreibt, trifft freilich auch auf andere Länder zu – und es ist da wie dort ein Trugschluss: Kinder aus einem nichtreligiösen Haushalt sind in Wahrheit offenbar signifikant freigiebiger als solche, deren Eltern ein religiös geprägtes Leben führen. Dies zumindest hat die umfangreiche Studie ergeben, die Decety und seine Kollegen nun im Fachjournal Current Biology vorgestellt haben. Es handelt sich nicht um die erste derartige Erkenntnis. Bereits frühere Untersuchungen konnten demonstrieren, dass religiöse Menschen nicht automatisch moralischer handeln. Unsere Studie geht nun einen Schritt weiter, indem sie zeigt, dass Kinder aus einem religiösen Umfeld sogar weitaus weniger freigiebig sind als nichtreligiös erzogene Kinder, erklärt der Psychologe. Um den Einfluss der Religion auf den Altruismus von Kindern zu messen, haben die Forscher ihren Test in ein Spiel eingebettet. 1100 Fünf- bis Zwölfjährige aus den USA, Kanada, Jordanien, der Türkei, Südafrika und China nahmen an der Untersuchung teil. Bei dem Spiel ging es um die Frage, in welchem Ausmaß die Kinder dazu bereit waren, bunte Sticker mit einer anonymen Person aus ihrer eigenen Schule zu teilen. Ein erwartbares Resultat der Studie war, dass die Kinder mit steigendem Alter großzügiger wurden. Das wesentlich spannendere Ergebnis fanden die Wissenschafter jedoch in einer Korrelation zwischen altruistischen Wesensmerkmalen und religiösem Hintergrund: Je mehr Einfluss die Religion auf das Leben eines Kindes ausübte, umso weniger freigiebig zeigte es sich. Die großzügigsten Testpersonen kamen demnach aus atheistischen Familien. Interessant ist auch, wie die teilnehmenden Kinder unterschiedlicher Herkunft mit Verfehlungen und persönlichen Angriffen umgingen: Jene mit einem religiösen Hintergrund wünschten sich für das Fehlverhalten anderer Kinder tendenziell härtere Bestrafungen als solche, für die Religion keine große Rolle spielt. Decety sieht diese Ergebnisse in einer Linie mit vorangegangenen Studien, die einen direkten Zusammenhang zwischen Religiosität und geringerer Toleranz festgestellt haben. Eine Erklärung für dieses Phänomen haben die Psychologen auch parat: Möglicherweise spielt hier das sogenannte moral licensing eine Rolle. Bei diesem psychologischen Mechanismus machen sich Menschen, die sich ihrem persönlichen Urteil nach gut verhalten – im konkreten Fall heißt das, religiöse Regeln einzuhalten -, weniger Gedanken über die Konsequenzen, die ihr potenziell unmoralisches Verhalten nach sich ziehen könnte. Letztlich liefert die Studie gewichtige Argumente in der Frage, in welche Richtung die zunehmende Säkularisierung der westlichen Gesellschaft moralisches Handeln beeinflusst. Zumindest für Decety und seine Kollegen ist die Antwort klar: Ihrer Meinung nach wirkt sich gelebte Religion tendenziell eher negativ auf die Moral aus.
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2International
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Front-National-Gründer erzielt juristischen Sieg über Tochter, weil Richter seine Suspendierung aufheben. Nanterre – Im erbitterten Streit mit seiner Tochter Marine hat Front-National-Gründer Jean-Marie Le Pen einen juristischen Sieg errungen. Ein Gericht in Nanterre nahe Paris erklärte die Suspendierung der FN-Parteimitgliedschaft des 87-Jährigen wegen eines Formfehlers für nicht rechtens. Die von seiner Tochter durchgesetzte Strafmaßnahme wurde aufgehoben. Marine Le Pen hatte im April mit ihrem Vater gebrochen, nachdem dieser mit erneuten antisemitischen Provokationen für Aufregung gesorgt hatte. Im Mai setzte die FN-Spitze seine Parteimitgliedschaft aus, der Titel des FN-Ehrenpräsidenten soll ihm entzogen werden. Jean-Marie Le Pen hatte unter anderem und zum wiederholten Mal die NS-Gaskammern als Detail der Geschichte bezeichnet. Er torpedierte damit den Kurs seiner Tochter, die dem Front National mit einer Abkehr von seinen offen rassistischen und antisemitischen Parolen ein respektableres Ansehen verschaffen und so neue Wähler gewinnen möchte.
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1Panorama
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Kairo ist für den Fahrdienst Uber ein rasant wachsender Markt. Manch alteingesessener Taxler trägt indirekt dazu bei. Marwa sträubt sich gegen eine gemeinsame Fahrt in Kairo spätabends mit einem weißen, also einem ganz gewöhnlichen Taxi. Tatsächlich wird daraus eine ungemütliche nächtliche Stadtrundfahrt. Der Chauffeur verheddert sich im Gewühl; ob bewusst oder unbewusst, bleibt offen. Das Resultat bei der Ankunft ist eine unerquickliche Diskussion über den Preis. Die junge Frau, die um diese Zeit eigentlich überhaupt nicht allein unterwegs sein sollte, fühlt sich bestärkt. Wann immer es geht, erspart sie sich solche nervenaufreibenden Erfahrungen. Inzwischen gibt es Alternativen. Um diese zu nutzen, braucht sie nur Internetempfang, den sie vorhin nicht hatte. Taxifahrten sind in der 20-Millionen-Metropole am Nil ein Muss. Das Netz der Metro ist löchrig, Busse sind oft hoffnungslos überfüllt oder in einem verlotterten Zustand und Parkplätze rar. Zehntausende Taxis, die durch die Straßen kurven, sind die Alternative. Dass der Kunde König sein sollte, hat sich bei den meisten Lenkern allerdings noch nicht herumgesprochen. Sie bestimmen, wen sie mitnehmen oder am Straßenrand stehen lassen – zum Beispiel, weil ihnen der Zielort nicht passt. An neuralgischen Punkten wie Flughäfen oder Bahnhöfen liegt die Chance, übers Ohr gehauen zu werden, bei nahezu 100 Prozent – und zwar für Einheimische und Ausländer gleichermaßen. Seit einem guten Jahr gibt es Abhilfe. Fast gleichzeitig sind Ende 2014 die amerikanische Firma Uber und Careem aus den Vereinigten Arabischen Emiraten mit ihren über das Smartphone anforderbaren Angeboten auf den Markt gekommen. Ihr Erfolg war durchschlagend. Für Uber ist Kairo das am schnellsten wachsende Geschäft weltweit. Inzwischen gibt es Uber auch in Alexandria. Begünstigt wurde die Entwicklung dadurch, dass viele Limousinen zur Verfügung standen, deren Besitzer wegen der Flaute im Tourismus auf diesen Zug aufsprangen. Für den Erfolg bei den Kunden sorgen nicht in erster Linie die Preise, die ungefähr vergleichbar mit jenen der alteingesessenen Taxis sind. Ausschlaggebend ist eine ganze Reihe anderer Faktoren, wie etwa Sauberkeit, Zuverlässigkeit Sicherheit, ein zuvorkommendes Benehmen und dass der Fahrer – der selbstverständlich auch nicht raucht – bekannt ist und die Route über GPS immer verfolgt werden kann. Für viele Frauen entscheidend ist die Tatsache, dass die Uber-Chauffeure eine spezielle Ausbildung zum Thema sexuelle Belästigung durchlaufen haben. Das Unternehmen hat sich zu diesem Zweck mit der Nichtregierungsorganisation Harassmap zusammengetan. Auch der Fahrpreis ist bei den über Apps bestellten Autos bekannt und fix und kann per Kreditkarte oder bar bezahlt werden, während viele Chauffeure der gewöhnlichen Taxis sich weigern, den seit einigen Jahren obligatorischen Zähler zu benutzen, und damit regelmäßig gehässige Auseinandersetzungen über den Tarif provozieren. Beschweren über solche Praktiken kann sich der Fahrgast nirgends. Seit drei Wochen protestieren Taxichauffeure in Kairo jeden Donnerstag gegen die ihrer Meinung nach unfaire Konkurrenz, die weniger für Lizenzen und Steuern zahlen müsse. Der Protest ist auf wenig Gegenliebe bei den Kunden gestoßen und war eher Gratiswerbung für die Konkurrenz. Wer Uber und Careem bisher nicht gekannt hatte, der kennt sie nach dem Aufschrei der Taxichauffeure und den vielen Berichten in den Zeitungen über ihren Service.
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7Wissenschaft
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Im Herbst machen sich jedes Jahr tausende Zugvögel auf den Weg Richtung Süden. Auf der Ostsee wurden Vogelforscher nun Zeugen eines besonderen Schauspiels. Rügen – Ein sternenklarer Himmel und grenzenlose Stille, die höchstens von dem leisen Plätschern der Wellen, die gegen den Bug schlagen, unterbrochen wird. So könnte man sich eine ruhige Nacht auf einem vor Anker liegenden Schiff mitten auf der Ostsee vorstellen. Dass es auch ganz anders gehen kann, erlebten einige Ornithologen, die vor Kurzem auf einem Forschungsschiff vor der Ostseeinsel Rügen unterwegs waren, um Zählungen von Zugvögeln vorzunehmen. Der freischaffende Ornithologe Martin Grimm erzählt im Interview mit dem Wissenschaftsmagazin Geo.de, was sich genau zutrug. Am späten Abend des 18. Oktober waren wie aus dem Nichts Schwärme von tausenden Singvögeln über dem Schiff aufgetaucht. In der dunklen Nacht hatten die Lampen des Schiffes – den Seeregeln entsprechend müssen Schiffe nachts beleuchtet sein – die Zugvögel angelockt, die sich darauf zur Rast niederließen. Bei den Vögeln handelte es sich vorwiegend um erschöpfte Singvögel wie Rotkehlchen, Buch- und Bergfinken, Wintergoldhähnchen, Erlenzeisige oder Heckenbraunellen, die einen Zwischenstopp auf ihrer Reise Richtung Süden einlegten. Doch warum waren die Vögel überhaupt nachts unterwegs? Grimm zufolge waren die Tiere möglicherweise einige Tage durch Schlechtwetter aufgehalten worden und hatten nun den ersten ruhigen Abend zum Weiterflug genutzt. Außerdem würden viele nachts fliegen, weil sie so ihren Jägern aus dem Weg gehen können. Eine Strategie, die in diesem Fall gründlich schief gegangen ist: Im Gefolge der Singvögel befanden sich nämlich auch drei Sperber und eine Sumpfohreule. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Raubvögel, die selbst Zugvögel sind, einfach ihren Beutetieren in den Süden folgen, erklärt der Ornithologe. Was diesen Fall aber speziell macht: Normalerweise jagen die Sperber nur tagsüber, aber auf dem Schiff konnten sich die Raubvögel an den erschöpft zusammengekuschelten Vögeln wie an einer gedeckten Tafel bedienen. Den Forschern gelangen dabei einzigartige Aufnahmen, die hier zu bewundern sind: --> Geo.de: Singvogel-Überfall auf der Ostsee (rede, 31. 10. 2015)
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5Inland
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Steirer fordert Erneuerung der Partei noch vor dem Sommer – Ederer wiederholt Faymann-Kritik, will aber selbst nicht antreten. Sein oder Nichtsein: Keine geringere Frage stellt sich nach Meinung von Franz Voves für die SPÖ nach dem Debakel bei der Bundespräsidentenwahl. Die Krise der Sozialdemokraten sei existenziell, am entscheidenden Hebel sitze nicht Kanzler und Parteichef Werner Faymann, sondern der mächtige Wiener Bürgermeister, sagt der ehemalige steirische Landeshauptmann: Über Leben oder Tod der SPÖ entscheidet Michael Häupl mit seinen Freunden, und man scheint weiter auf Tod programmiert zu sein. Schon zu seiner aktiven Zeit habe er versucht, die Partei zu einer Öffnung und Modernisierung zu drängen, doch die Bundesspitze habe nicht reagiert, sagt Voves in der Kleinen Zeitung und fordert einen neuen Gründergeist statt falsch verstandene Parteidisziplin: Die SPÖ hat nur mehr eine Chance, wenn sie sich – noch vor dem Sommer – personell, strukturell und programmatisch erneuert. Die frühere SPÖ-Staatssekretärin Brigitte Ederer plädiert für einen Sonderparteitag noch vor dem Sommer. Auch der steirische SPÖ-Chef Michael Schickhofer liebäugelte am Mittwoch mit einem früheren Termin. Ederer trat im Ö1-Mittagsjournal für die Ablöse Faymanns ein, würde selbst aber nicht antreten: Ich bin eine alte Frau. Ein außerordentlicher Bundesparteitag müsste laut Parteistatut entweder vom SPÖ-Vorstand oder von fünf Landesparteien einberufen werden. Faymann hat ein Vorziehen nach der Präsidiumssitzung am Montag ausgeschlossen und betont, der Parteitag werde im Herbst stattfinden. Ederer dazu: Ich bin persönlich der Meinung, dass die Diskussion jetzt so weit fortgeschritten ist, dass man relativ rasch eine Klärung der Frage der Führungsposition der Sozialdemokratie finden sollte.
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2International
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Die Slowakei übernimmt am 1. Juli die EU-Präsidentschaft, Premier Robert Fico fürchtet, dass Migranten "den Charakter unseres Landes ändern". Bratislava – Kurz vor der Übernahme der EU-Präsidentschaft durch die Slowakei hat Premier Robert Fico mit einer Äußerung über den Islam für Aufsehen gesorgt. Auch wenn das komisch klinge, der Islam hat keinen Platz in der Slowakei, zitierte die Nachrichtenagentur TASR Fico am Mittwochabend. Das Problem sei nicht so sehr, dass Migranten kommen, sondern dass Migranten den Charakter unseres Landes ändern, erklärte der Premierminister demnach weiter. Wir wollen den Charakter dieses Landes nicht ändern ... Lasst uns ehrlich gegenüber uns selbst sein und sagen, dass das so nicht in der Slowakei passieren darf. Die Slowakei, die zu den größten Kritikern der Umverteilung von Flüchtlingen innerhalb Europas gehört und bisher kaum Schutzsuchende aufgenommen hat, übernimmt ab 1. Juli die rotierende Ratspräsidentschaft der EU von den Niederlanden. Viele befürchten, dass dies zu Rückschritten bei der ohnehin schon mehr als schleppend laufenden Flüchtlingsumverteilung führen könnte. Fico bezog sich gegenüber TASR auch explizit auf die Situation in Österreich. Wenn die Slowakei eine ähnliche Position eingenommen und ebenfalls so großzügig Schutzsuchende aufgenommen hätte, wäre sie heute in einer ähnlichen Lage wie das Nachbarland, sagte er, ohne den Wahlerfolg der FPÖ direkt zu erwähnen. Wenn das allein nicht als gutes Praxisbeispiel reicht, gibt es auch noch die Entwicklungen in Deutschland, wo radikale Parteien an Unterstützung gewinnen, fügte Fico hinzu.
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3Wirtschaft
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Bis zu 4,7 Milliarden Euro werden in Österreich Jahr für Jahr in Subventionen gesteckt, die negative Auswirkungen auf die Umwelt haben. Wien – In Österreich wird viel Geld ausgegeben für Förderungen – oft mit unbeabsichtigten, nichtsdestotrotz aber nachteiligen Auswirkungen auf die Umwelt. Erstmals hat das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) im Auftrag des Klima- und Energiefonds (Klien) die Summen erhoben, und die sind selbst für die Verfasser der Studie überraschend hoch. Auf bis zu 4,7 Milliarden Euro summieren sich die in Österreich pro Jahr vergebenen Förderungen, die kontraproduktiv zur Erreichung der Klimaziele sind. Es gibt einen großen Hebel, wo man ansetzen kann, sagte Wifo-Chef Karl Aiginger am Mittwoch. Genauer unter die Lupe genommen haben die Verfasserinnen der Studie, Daniela Kletzan-Slamanig und Angela Köppl, die Bereiche Mobilität, Energie sowie Wohnen. Etwa die Hälfte der umweltschädlichen Subventionen entfällt demnach auf den Verkehrssektor, gefolgt vom Bereich Energie (gut ein Drittel). Etwa 14 Prozent der kontraproduktiven Subventionen sind dem Bereich Wohnen zuordenbar. Der Analysezeitraum umfasste die Jahre 2010 bis 2013. Den größten Hebel, der noch dazu im nationalen Alleingang umgelegt werden könnte, ist die Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe anderer Förderungen, wo Österreich allein nichts ausrichten kann – beispielsweise bei der Mineralölsteuer-Befreiung von Kerosin. Immerhin knapp zwei Drittel der für die Umwelt kontraproduktiven Förderungen (2,3 bis 2,9 Milliarden Euro) seien aber national änderbar. Das sollte in einer neuen Klima- und Energiestrategie sowie bei einer ökologischen Steuerreform mitbedacht werden, sagte der Geschäftsführer des Klimafonds, Ingmar Höbarth.
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5Inland
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Aber Klage über Dokumentationspflichten. Wien – Die Verkürzung der Spitalsärzte-Arbeitszeit auf 48 Stunden pro Woche kommt bei den Betroffenen gut an. Die Zufriedenheit mit dem Einkommen, dem Ausmaß der Arbeitszeit und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist seit 2013 gestiegen, geht aus einer IFES-Untersuchung im Auftrag der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) hervor. Problematisch werden der Zeitdruck und Administrationsarbeiten gesehen. Die Arbeitszeitreduktion hat positive Auswirkungen, resümierte IFES-Projektleiter Georg Michenthaler am Mittwoch in einer Pressekonferenz. Auch die Belastung durch Überstunden und lange Dienste und das wahrgenommene Mobbing durch Vorgesetzte und Kollegen ist bei den im März und April befragten 1.773 Ärzten gesunken. 60 Prozent erklärten, dass sie keinen Einkommensverlust in Kauf nehmen mussten. Anders als bei der letzten Umfrage 2013 meinten nun 57 Prozent, dass sie mit ihrem Einkommen zufrieden oder sehr zufrieden sind. 2013 lag dieser Wert noch bei 44 Prozent. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit betrug nun 48 Stunden (2013: 54, 2006: 59), die höchste Stundenzahl im letzten Halbjahr 62 Stunden (2013: 68, 2006: 75). Die Wunscharbeitszeit pro Woche lag aber noch niedriger, nämlich bei 41 Stunden. 83 Prozent begrüßten die nunmehrige Beschränkung der Dienstzeit auf maximal 25 Stunden, und nur 33 Prozent haben von der Opt-out-Möglichkeit für eine längere Wochenarbeitszeit Gebrauch gemacht. Insgesamt wird die Arbeit im Krankenhaus positiv bewertet (26 Prozent angenehmer, 50 Prozent unverändert). Schlecht wird aufgenommen, dass immer mehr medizinische Leistungen durch die Spitalsärzte in den Krankenhausambulanzen erbracht werden (35 Prozent grundsätzlich ablehnend, 60 Prozent mit Akzeptanz nur mit höheren Personalstand). Für die Medizin können die Ärzte nur 58 Prozent ihrer Zeit einsetzen, der Rest fließt nach wie vor in die Administration. Aus Kammersicht ist Letzteres, aber auch Personalmangel und die Arbeitsverdichtung durch die kürzere Arbeitszeit das große Problem. Vor allem in den Ambulanzen werde der Leidensdruck der Ärzte immer größer, sagte Vizepräsident Harald Mayer. Für die Patienten sei der Weg dorthin offen, und sie kämen auch, weil im niedergelassenen Bereich Limitierungen und Deckelungen vorherrschten. Außerdem gehe die Elektronische Gesundheitsakte ELGA leise in Richtung Katastrophe. Man brauche qualitativ hochwertige und verwendbare Daten, bekomme stattdessen aber Datenmüll, so Mayer. (APA, 27.4.2016)
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6Etat
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Das Format der unmoderierten Konfrontation war am Scheitern nicht schuld. Man muss nur Leute einladen, die miteinander reden wollen. Flugbegleiterinnen müssen auch bei Turbulenzen die Nerven behalten, freundlich und höflich sein. Fast wie Bundespräsidenten. Stellen Sie sich folgende Szene vor. Flugbegleiterin: Möchten Sie Tee oder Kaffee? Ein Fluggast, nennen wir ihn Herrn H.: Sie haben aber schöne blaue Augen. Flugbegleiterin: Danke … möchten Sie Tee oder Kaffee? H.: Aber so schöne blaue Augen! Flugbegleiterin: Könnten Sie mir sagen, ob Sie Tee oder Kaffee wollen, die anderen Passagiere warten. H.: Ah, jetzt funkeln sie aber ganz böse, die blauen Augen: Flugbegleiterin: Sie wollen meine Frage nicht beantworten, gut, dann nicht. Sie schiebt ihren Getränkewagen genervt weiter. Szenenwechsel: Im ATV-Studio hat man am Sonntag einen Raum wohltuend karg gestaltet: Vor einem weißen Vorhang bloß ein dunkler Tisch mit zwei Stühlen, wo die Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen ohne Moderation miteinander reden sollten. Kein Wettkochen, kein Hymnenraten. Reden. Wäre der Tisch noch rund und nicht eckig gewesen, die Ähnlichkeit mit dem Raum, in dem 1975 Bruno Kreisky und Josef Taus aufeinandertrafen, wäre noch größer gewesen. Doch damals wurde – durchaus auch heftig – inhaltlich gestritten. NLP (Neurolinguistisches Programmieren) war da noch in den Kinderschuhen weit weg in Kalifornien. Zwischen Van der Bellen und Hofer gab es kein Gespräch, das diese Bezeichnung verdient. Hier saß ein programmierter Hofer, der Fragen auswich und mit Gegenfragen, Spott und Angriffen, die nichts mit den Themen zu tun hatten, konterte. Das oft zitierte freundliche Gesicht der FPÖ offenbarte sich als das grinsende Gesicht der FPÖ. Und Van der Bellen? Er schmiss nach 20 Minuten die Nerven, war seinem Gegenüber nicht gewachsen, konnte seinen metaphorischen Getränkewagen aber auch nicht einfach aus dem Studio schieben. So nahm er am wechselseitigen Beflegeln teil. Der Erkenntnisgewinn für die Zusehenden auf der Sachebene: null. Das Format, das ATV nach 41 Jahren wieder ausprobieren wollte, war am Scheitern nicht schuld. Es hat sich auch in anderen Ländern durchaus bewährt. Man muss nur Leute einladen, die wirklich miteinander reden wollen.
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3Wirtschaft
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Chinesischer Online-Händler verzeichnet Milliardeneinnahmen. Peking – Der in China gefeierte Tag des Singles hat dem Online-Händler Alibaba erneut Rekordeinnahmen beschert. Schon in den ersten zwölf Stunden des 11. November gaben Kunden umgerechnet 8,35 Milliarden Euro auf der zu Alibaba gehörenden Handelsplattform Tmall aus, wie der Online-Riese am Mittwoch mitteilte. Die Verkaufszahlen von 2015 haben das Ergebnis des vergangenen Jahres schon nach der Hälfte der Zeit in den Schatten gestellt, teilte Alibaba mit. Firmenchef Daniel Zhang hatte schon zuvor erklärt, die ganze Welt werde am 11. November die Macht der chinesischen Konsumkraft erleben. Die vielen chinesischen Singles griffen bei ihrer Einkaufstour im Netz auch zu Produkten für Babys. Der australische Hersteller Bellamys Organic musste sich deshalb bei seinen heimischen Kundinnen entschuldigen, weil diese keine Bio-Säuglingsmilch mehr in den Regalen fanden. Die starke Nachfrage aus China habe das Unternehmen vollkommen überrascht, erklärte die Firma. Der Tag des Singles war 2009 von Chinas Online-Händlern als Gegenstück zum Valentinstag ins Leben gerufen worden; er liegt wegen der vier Einsen in Folge auf dem 11.11. Mit Sonderangeboten sollen die vielen Unverheirateten des Landes über ihre Einsamkeit hinweggetröstet werden. Der Tag des Singles ist der umsatzstärkste Tag in Chinas Online-Handel.
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8Kultur
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Australier arbeitete unter anderem für die Bee Gees und Eric Clapton. Sydney – Der in Australien geborene Musikproduzent Robert Stigwood ist im Alter von 81 Jahren gestorben. Stigwood arbeitete unter anderem als Manager für die Bee Gees und mit Eric Clapton zusammen, produzierte aber auch Musicals. Die Nachricht von seinem Tod wurde von Spencer Gibb, dem Sohn von Bee-Gees-Mitglied Robin Gibb, am Dienstag auf Facebook veröffentlicht. I would like to share the sad news with you all, that my godfather, and the longtime manager of my family, Robert... Stigwood machte sich mit Bühnenhits wie Hair und Jesus Christ Superstar einen Namen, produzierte die filmische Umsetzung der Rockoper Tommy von The Who und den Tanzfilm Saturday Night Fever mit John Travolta. Andrew Lloyd Webber, mit dem Stigwood mehrfach zusammenarbeitete, erwies seinem Kollegen auf Twitter die Ehre: Lebe wohl, geliebter Robert, der große Showman, der mir so viel beigebracht hat. Farewell beloved Robert, the great showman who taught me so much. With love, ALW.
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1Panorama
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Wenn in Wien das Fahrrad weg ist, muss das nicht unbedingt ein Diebstahl sein. Gut möglich auch, dass Gemeindebedienstete das Rad weggeflext und auf einen Abschleppplatz verfrachtet haben. Abgeholt werden die Räder nur selten – falls doch, wird es teuer. Essen!, hallt es blechern aus den Lautsprechern am kommunalen Abschleppplatz im Wiener Südosten. Es ist noch eine Weile bis Mittag. Hier am Ende von Simmering, wo sich die Ostautobahn zwischen Einfamilienhäusern, Gemüseplantagen und Industriehallen ihren Weg bahnt, werden nicht nur verkehrsbehindernd geparkte und abgeschleppte Autos verwahrt, sondern auch mehrere hundert Fahrräder. Meist sind es ramponierte und verrostete Gestelle, denen die Luft im Reifen fehlt oder gleich der ganze Laufradsatz. Solche Wracks aus dem Stadtbild zu entfernen ist Teil des Auftrags der MA 48, der Wiener Magistratsabteilung für Abfallwirtschaft. Wenn sie an unbefugter Stelle angekettet werden, rücken aber auch völlig intakte Räder ins Visier der Abschleppgruppe. Der Trupp bringt die Einspurigen nach Simmering, und wer sein Rad von dort zurückhaben will, muss unter Umständen tief in die Tasche greifen. Diese Erfahrung machte auch Ralph Fiala (Name von der Redaktion geändert). Ende März kettete ich mein Fahrrad wie so oft mangels anderer Möglichkeiten am Geländer der U-Bahn-Station Schottenring an, berichtet Fiala. Bei meiner Rückkehr war das Rad unauffindbar. Er ging von Diebstahl aus, kaufte sich ein neues Rad und hoffte, es würde nicht noch einmal an derselben Stelle gestohlen. Ein Passant, der ihn zufällig beim Absperren beobachtete, erzählte von Gemeindebediensteten, ihrem Werkzeug, der Akkuflex, und ihrem Ziel, dem Abschleppplatz in der Simmeringer Haide. Also erkundigte sich Fiala bei den Wiener Linien, die ihn an die MA 48 verwiesen. Dort konnte man ihm den Aufenthaltsort seines alten Rades prompt bestätigen. Um es auszulösen, müsse er nur die Rechnung von 234 Euro begleichen. 60 Euro betrug der Abtransport, dazu kamen die Verwahrungskosten für 29 Tage zu einem Satz von sechs Euro pro Tag. Unwissenheit schützt vor Strafe nicht, sagt in diesem Fall der sogenannte Volksmund gern. Schließlich hatte Fiala gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen. Paragraf 68, Verhalten der Radfahrer, verbietet das Anketten von Fahrrädern an verfügbaren Stellen auf öffentlichen Gehsteigen zwar nicht grundsätzlich; für Fußgänger müssen bloß zweieinhalb Meter bleiben, und die Räder dürfen nicht verkehrsbehindernd abgestellt werden. Absatz vier macht davon aber eine wesentliche Ausnahme: Dies gilt nicht im Haltestellenbereich öffentlicher Verkehrsmittel, außer wenn dort Fahrradständer aufgestellt sind. Die Räder werden laut den Wiener Linien dann entfernt, wenn sie den reibungslosen Betrieb behindern, also den Zugang zum Fahrzeug für Menschen mit Kinderwägen und Rollstühlen erschweren, oder auch aus Sicherheitsgründen. Angekettete Fahrräder bei U-Bahn-Stationen sind Barrieren auf Fluchtwegen und verstellen das taktile Leitsystem für sehbehinderte Menschen, sagt Michael Unger, ein Sprecher des Verkehrsunternehmens. Rund hundert gefährdend oder verkehrsbehindernd abgestellte Fahrräder werden jedes Jahr in Wien entfernt. Das ist aber nur ein kleiner Teil der insgesamt fast tausend Räder, die jährlich am Verwahrplatz in der Jedletzbergerstraße landen. Die meisten fristeten davor marod und mutmaßlich aufgegeben ihr Dasein in der Stadt und blockierten womöglich nützliche Radständer. Wenn Straßenreiniger, Polizei, Parkraumbewirtschafter oder ambitionierte Bürger ein unter Wrackverdacht stehendes Fahrrad melden, obliegt den Mitarbeitern der Abschleppgruppe die behördliche Einschätzung, ob das Vehikel noch in Betrieb stehen könnte. Bei einem negativen Urteil bringen sie zunächst eine Infoschleife am Rahmen an. In schwarzer Schrift auf weißem Band wird der Besitzer gewarnt, dass das Rad bei der nächsten Tour mitgenommen wird. Meist vergehen vier Wochen, ehe ein Rad offiziell zur Hinterlassenschaft erklärt und in wenigen Sekunden funkensprühend abgeflext wird. Er sei schon öfter für einen Fahrraddieb gehalten und angesprochen worden, erzählt ein Mitarbeiter des Trupps und grinst. Wer diese Frist versäumt, kann sein Glück noch zwei Monate lang am Abschleppplatz versuchen. Der Besitzer muss glaubhaft machen, dass das Rad wirklich ihm gehört. Eine Rechnung mit Rahmennummer hilft uns natürlich, oder auch eine möglichst genaue Beschreibung von Marke, Type und Farbe. Im Prinzip genügt aber auch ein Foto vom Besitzer mit dem Rad, sagt Christian Jurkovits, der Leiter der Abschleppgruppe. Von sich aus Kontakt zu den Besitzern herzustellen scheitert meist an den Rückverfolgungsmöglichkeiten. Eine Kennzeichenpflicht gibt es nicht, und ein System zum GPS-Tracking installieren die wenigsten Eigentümer, erklärt Jurkovits. Vielen geht es wohl wie Ralph Fiala: Sie wissen gar nicht, dass hinter dem Verschwinden ihres Fahrrads kein ordinärer Diebstahl steckt. Das erklärt auch, warum im vergangenen Jahr nicht einmal 40 Räder vor Ablauf der Zweimonatsfrist und nach Bezahlung der Abschlepp- und Verwahrkosten zum ursprünglichen Besitzer zurückfanden. Über das Schicksal aller anderen in Simmering gebunkerten Drahtesel entscheiden schließlich die fachkundigen Augen von Jurkovits’ Mitarbeitern. So wurden im Vorjahr etwa 270 Fahrradleichen stofflich verwertet, also zur Beute der Schrottpresse. Knapp 500 Räder wurden im sogenannten 48er-Basar in Wien-Donaustadt verkauft. Das ist ein städtischer Second-Hand-Laden, der auch mit nicht abgeholten Fundsachen und weggeworfenen, aber noch brauchbaren Gegenständen handelt. Zwischen zehn und 50 Euro bringt ein solches Fahrrad durchschnittlich ein, rechnet MA-48-Sprecherin Ulrike Volk vor. Rund 170 weitere Räder wurden im Rahmen sozialer Projekte überholt und kostenlos karitativen Einrichtungen überlassen. Von jenen, die ihre Räder auslösten, kassierte der Magistrat im vergangenen Jahr etwa 2500 Euro. Seit drei Jahren liegt dieser Betrag höher als im Jahr davor. Denn mit 1. Jänner 2012 erhöhte die Landesregierung per Verordnung den Tarif für die Entfernung eines Rades von 48 auf aktuell 60 Euro, jenen für die tägliche Verwahrung von zwei auf sechs Euro. Die Erhöhung sei nötig geworden, um einen wichtigen Schritt in Richtung Kostendeckung zu erzielen, heißt es dazu in einem Leistungsbericht 2011 der MA 48. Dass der Verwahrtarif für Räder gleich verdreifacht wurde, geht auf eine Empfehlung der Kostenrechnung zurück, sagt Volk. Dass nun der Betrag gegenüber dem Tarif für abgeschleppte Kraftfahrzeuge auf den ersten Blick unverhältnismäßig erscheint, räumt Jurkovits ein. Denn obwohl es ein Vielfaches an Raum beansprucht, kostet die Lagerung eines Pkws, Anhängers oder mehrspurigen Motorrades mit neun Euro pro Tag nur drei Euro mehr als die eines schlanken Fahrrads. Aber man darf nicht nur die belegte Fläche berechnen. Die Kosten für Personal, Strom und die ganze Infrastruktur muss ja unabhängig davon gedeckt werden, sagt Jurkovits. Glauben Sie mir, die Stadt sauber zu halten, das ist alles andere als ein Geschäft.
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7Wissenschaft
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Vor allem junge Menschen gelten als gefährdet, an Essstörungen zu erkranken. Doch auch alte Menschen sind davor nicht gefeit, sagt die Psychologin Karin Waldherr.. Wr. Neustadt - Gefangen zwischen der Gewichtsphobie und dem großen Hunger, zwischen einem immensen Genussbedürfnis und einem starken Körperbewusstsein: Die Magersucht (Anorexia nervosa) und die Essbrechsucht (Bulimia nervosa) gelten gemeinhin als Krankheit junger Menschen, vor allem von jungen Frauen. Es ist noch nicht so lange her, dass eine 35-Jährige mit Essstörung als eine spät Betroffene angesehen wurde, sagt die Klinische Psychologin Karin Waldherr. Doch diese Betrachtungsweise greife zu kurz: Essstörungen treten auch noch im hohen Alter auf. Das Problem sei lange unterschätzt worden, meint die Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Essstörungen. Noch ist es schwierig, den Grad der Betroffenheit im hohen Alter und entsprechende Trends zu erfassen. Dazu mangelt es an Studien, die Personen von 65 Jahren plus berücksichtigt haben. Eine von wenigen Ausnahmen: Eine nicht repräsentative Untersuchung der Medizinischen Universität Innsbruck hat 2006 gezeigt, dass 3,8 Prozent der befragten 60- bis 70-jährigen Frauen (475 Befragte) laut eigenen Angaben an einer Essstörung litten. Waldherr verweist zudem auf Berichte aus der Praxis: Die auf Essstörungen spezialisierten Einrichtungen beobachten, dass heute auch häufiger ältere Menschen mit Essstörungen ihre Hilfe aufsuchen. Seit ihrer Diplomarbeit beschäftigt sich Karin Waldherr mit dem Thema Essstörungen, zuletzt als Forscherin am Wiener Ludwig-Boltzmann-Institut Health Promotion Research. Als Leiterin des neuen Studiengangs Aging Services Management an der Ferdinand-Porsche-Fern-FH, eine Tochter der Fachhochschule Wiener Neustadt, befasst sich die Psychologin nun mit der Lebensqualität im Alter. Wenn Essstörungen im hohen Alter auftreten, glauben die Betroffenen oft, es handle sich um ein neues Phänomen, sagt Waldherr. Doch im Gespräch mit den Erkrankten sieht man häufig, dass es bereits früher einmal ein Problem gegeben hat. Die Betroffenen hätten sich zumindest schon intensiv mit Diäten oder Figurproblemen beschäftigt. Eine Epidemie der Unsicherheit haben vor einigen Jahren britische Experten in einem Zeitungsbericht bei den über 70-Jährigen ihres Landes diagnostiziert. Eine wachsende Anzahl leide an einem geringen Selbstbewusstsein und Ängsten in Bezug auf ihr Altern und Aussehen. Ein Psychiater vom Priory Hospital in Glasgow berichtete in diesem Zusammenhang von einem alarmierenden Anstieg von Essstörungen bei älteren Patienten. Dabei tritt laut Waldherr die sogenannte Binge-Eating-Störung im Erwachsenenalter häufig auf - also Essanfälle ohne Erbrechen. Den ersten Fall beschrieb der US-amerikanische Psychiater A. J. Stunkard bereits 1959. Der krankhafte Verzehr von Tausenden von Kalorien steht nicht selten im Zusammenhang mit Übergewicht oder Adipositas. Lange ging das Binge-Eating im großen Pool der nicht näher bezeichneten Essstörungen unter. Seit 2013 wird es offiziell als Essstörung im US-amerikanischen Psychiatrie-Handbuch DSM 5 geführt. Das Auffällige daran: Binge-Eating betrifft Frauen und Männer gleichermaßen. Vor allem die Bulimie und das Binge-Eating sind extrem schambesetzt. Die Essanfälle passieren im Geheimen. Da sind auch die gesellschaftlichen Diskussionen wenig hilfreich, dass wir einen falschen Lebensstil führen, weniger essen müssen, uns mehr bewegen müssen. Natürlich ist ein gesunder Lebensstil wichtig - aber man darf nicht übersehen, dass der Grund für Übergewicht eine Essstörung sein kann, sagt Waldherr. Die suggerierte Eigenverantwortung treibe die Betroffenen noch tiefer in den Teufelskreis. Das gestörte Verhältnis zum Essen hat viele Ursachen. Zu psychischen Problemen und Veranlagung gesellen sich, so Waldherr, auch gesellschaftliche Faktoren: der allgemein suggerierte Schlankheitsdruck und der Diätenwahn als Nährboden für Essstörungen. Auch traumatische Erlebnisse wie sexueller Missbrauch sind bekannte Risikofaktoren. Essstörungen verlaufen oft chronisch. Sie gehen mit schwerwiegenden körperlichen Folgeerkrankungen einher. Gerade im Alter sind Folgen wie die Knochenerkrankung Osteoporose fatal im Hinblick auf Lebensqualität, sagt Waldherr. Doch insbesondere bei älteren Patienten würden Ärzte bei bestimmten Symptomen - zum Beispiel der starken Gewichtsabnahme oder -zunahme - eher selten eine Essstörung als mögliche Ursache in Betracht ziehen. Langsam wächst das Bewusstsein, dass Essstörungen auch im hohen Alter ein Problem sein können, so die Psychologin. Doch es brauche verstärkte Informationsmaßnahmen für das Pflegepersonal und die Ärzte, die damit konfrontiert sind - sowie weitere Forschung in diesem Bereich.
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