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Jobabbau: Infineon und IG Metall einig bei Werkschließung
München - Die Verhandlungen seien am frühen Morgen beendet worden, sagte IG-Metall-Sprecher Siegfried Hörmann. Infineon   will das Chipwerk in Perlach mit 800 Mitarbeitern schließen und die Produktion nach Regensburg sowie nach Villach in Österreich verlagern. Die IG Metall hat sich mit der Schließung bereits abgefunden, wollte aber für die betroffenen Mitarbeiter noch möglichst viel herausholen. Seit 24. Oktober wird die Chipfabrik bestreikt. Konzernleitung und Gewerkschaft verständigten sich den Angaben zufolge darauf, dass die Entlassenen für maximal zwölf Monate in einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft aufgefangen werden. Bei Beschäftigten, die länger als drei Monate in dieser Gesellschaft bleiben, soll die Abfindung gekürzt werden.Die Abfindung soll den Angaben zufolge 1,32 Monatsgehälter pro Beschäftigungsjahr, allerdings höchstens 101.000 Euro betragen. Zum Verhandlungsbeginn hatte die IG Metall drei Monatsgehälter Abfindung für jedes Beschäftigungsjahr verlangt, das Unternehmen bot lediglich ein Drittel-Monatsgehalt. Auch beim Schließungstermin kam Infineon der IG Metall entgegen. Statt wie geplant Ende 2006 soll das Werk nun frühestens am 31. März 2007 dicht gemacht werden, wie der Sprecher sagte. Auch sollten statt 800 nur etwas mehr als 600 Mitarbeiter ihre Arbeit verlieren. Für knapp 100 sei eine Weiterbeschäftigung vorgesehen, etwa die gleiche Anzahl solle in Altersteilzeit gehen.Arbeitgeber und Gewerkschaft hatten bereits am Donnerstag und Freitag bis tief in die Nacht Gespräche geführt und dabei Eckpunkte erarbeitet, auf deren Grundlage nun die Einigung erzielt wurde. Der Chef der Infineon-Autochip-Sparte, Reinhard Ploss, erwartet nach eigener Aussage, dass die Produktion heute in der Nachtschicht wieder voll hochgefahren werden könnte. Lieferschwierigkeiten hätte der Streik Infineon nicht bereitet.
Der Streit um die Infineon-Chipfabrik in München-Perlach ist beendet. IG Metall und Management haben sich auf einen Sozialtarifvertrag für die 600 von Entlassung bedrohten Beschäftigen verständigt.
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Wirtschaft
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2005-10-31T07:22:18+01:00
2005-10-31T07:22:18+01:00
https://www.spiegel.de/wirtschaft/jobabbau-infineon-und-ig-metall-einig-bei-werkschliessung-a-382444.html
Formel 1: Schumacher fährt beim Training in Japan in den Reifenstapel
Hamburg - Michael Schumacher hat seine Abschiedstournee in der Formel 1 mit einem Unfall eingeläutet. Einen Tag nach seiner Ankündigung, am Ende der Saison seine Karriere zu beenden, verlor der Rekordweltmeister am Freitag kurz vor Ende des zweiten freien Trainings zum Großen Preis von Japan die Kontrolle über seinen Mercedes, kam von der Strecke ab und krachte in einen Reifenstapel. "Ich war zu sehr auf die kommende Linkskurve fokussiert und habe den Streckenrand zu sehr außer Acht gelassen. Da ist dann etwas weniger Grip als auf der Strecke", sagte Schumacher, der unverletzt blieb und am Ende in Kombination der beiden Sessions die zehntschnellste Zeit fuhr.Weltmeister Sebastian Vettel legte zu Beginn des Rennwochenendes in Suzuka dagegen einen guten Start hin. Der Red-Bull-Pilot war auf Rang drei bester deutscher Fahrer. Er musste sich nur seinem Teamkollegen Mark Webber und Schumacher-Nachfolger Lewis Hamilton im McLaren knapp geschlagen geben. Hamilton glaubt an Favoritenrolle von Red Bull in Japan"Es wird sehr eng, alle sind dicht beieinander. Es gibt keinen klaren Favoriten", sagte Vettel, der sechs Rennen vor Saisonende als Zweiter des WM-Klassements 29 Punkte Rückstand auf Spitzenreiter und Ferrari-Pilot Fernando Alonso hat, der im Japan-Training Fünfter wurde. Für einen Sieg gibt es 25 Punkte."Ich glaube, dass die Red Bulls hier die Favoriten sind, dass sie das beste Paket haben", sagte hingegen Hamilton, der sich angesichts von 52 Punkten Rückstand auf Alonso selbst noch Chancen auf den Titel ausrechnet. Der Brite ist in der Fahrerwertung Vierter. Sieben Punkte besser ist der Finne Kimi Räikkönen im Lotus auf Platz drei. Das Qualifying wird am Samstag um 7 Uhr, das Rennen am Sonntag um 8 Uhr ausgetragen (jeweils MESZ, Liveticker SPIEGEL ONLINE).
ham/sid/dpa
Crash nach Rücktrittsankündigung: Michael Schumacher ist beim Training zum Großen Preis von Japan in einen Reifenstapel gefahren, blieb aber unverletzt. Sebastian Vettel fuhr die drittbeste Zeit und war damit schneller als sein großer Titelkonkurrent Fernando Alonso.
[ "Formel 1", "Fernando Alonso", "Michael Schumacher", "Sebastian Vettel" ]
Sport
Formel 1
2012-10-05T11:29:00+02:00
2012-10-05T11:29:00+02:00
https://www.spiegel.de/sport/formel1/formel-1-schumacher-faehrt-beim-training-in-japan-in-den-reifenstapel-a-859653.html
Streit um Holocaust-Leugner: Israel droht Vatikan mit Abbruch der Beziehungen
Hamburg - Die Rehabilitierung des Holocaust-Leugners Bischof Richard Williamson durch Papst Benedikt XVI. hat Folgen: Der israelische Minister für Religionsangelegenheiten, Jizchak Cohen, droht mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und dem Vatikan. Gegenüber dem SPIEGEL erklärte Cohen, er empfehle, "die Verbindungen mit einer Körperschaft, in der Holocaust-Leugner und Antisemiten Mitglied sind, vollständig abzubrechen". Williamson hatte sich am Freitag über einen im Internet veröffentlichten Brief beim Papst entschuldigt - allerdings nur für die "Unannehmlichkeiten und Probleme", die seine Äußerungen verursacht hätten. In der Sache nahm der Brite nichts zurück. Williamson hatte in einem Fernsehinterview den Holocaust geleugnet und behauptet, es habe in den NS-Vernichtungslagern keine Gaskammern gegeben. Als einen "Rückfall in frühere Jahrhunderte" wertet Salomon Korn, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, in einem SPIEGEL-Interview die Entscheidung des Papstes. Benedikt XVI. habe mit der Rehabilitierung von Bischof Williamson "einen Holocaust-Leugner gesellschaftsfähig gemacht". Das sei "unverzeihlich" und habe gezeigt, "dass er die Versöhnung mit den Juden, die seine Vorgänger vorangebracht haben, in Frage stellt". Israel Meir Lau, ehemaliger Oberrabbiner Israels und Überlebender des Konzentrationslagers Buchenwald, fragt: "Wie kann ein solcher Lügner den Schutz und die Rehabilitierung des Führers der katholischen Kirche bekommen?"Mit deutlicher Kritik reagieren auch deutsche Politiker und Repräsentanten der katholischen wie evangelischen Kirche auf die Rehabilitierung Richard Williamsons. "Solche Äußerungen und Vorkommnisse gefährden den vom heutigen Papst und seinem Vorgänger ausdrücklich für unverzichtbar erklärten Dialog mit den jüdischen Organisationen", sagt Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) gegenüber dem SPIEGEL. Er könne die "Irritationen und Betroffenheit" der jüdischen Gemeinde gut verstehen. Der ehemalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler kritisiert die konservative Weltsicht von Benedikt. Der Papst schotte sich "gegenüber Frauen, Andersgläubigen, Geschiedenen, Homosexuellen" theologisch ab. Sein Vorgänger habe "die Gemeinsamkeiten mit andersgläubigen Menschen gesucht, er nicht", sagte der Christdemokrat."Man kann fast den Eindruck bekommen, ihm sei ein rechtsradikaler, antisemitischer katholischer Bischof lieber als eine evangelische Bischöfin." Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, kritisierte den Papst indirekt: "Weder für Antisemitismus noch für die Leugnung des Holocaust gibt es Platz in der katholischen Kirche."
ffr
"Rückfall in frühere Jahrhunderte", "unverzeihlich": Der Druck auf Papst Benedikt wegen der Rehabilitation des Holocaust-Leugners Bischof Williamson steigt. Israel erwägt laut SPIEGEL, die diplomatischen Beziehungen zum Vatikan abzubrechen. Auch in Deutschland wird die Kritik immer lauter.
[ "Vatikan", "Bischof Richard Williamson", "Papst Benedikt XVI." ]
Panorama
Gesellschaft
2009-01-31T12:42:20+01:00
2009-01-31T12:42:20+01:00
https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/streit-um-holocaust-leugner-israel-droht-vatikan-mit-abbruch-der-beziehungen-a-604745.html
Alkohol-Wegfahrsperre: Wer säuft, läuft
Alkohol und Autofahren, das ist eine fatale Kombination. Das weiß eigentlich jeder, dennoch ereignen sich allein in Deutschland rund 35.000 Unfälle pro Jahr, bei denen mindestens ein Fahrer unter Alkoholeinfluss stand. Im Jahr 2018 starben 244 Menschen auf deutschen Straßen in Unfällen, bei dem Alkohol im Spiel war. In der Diskussion um mehr Sicherheit im Verkehr, taucht immer wieder das Stichwort "Alkolock" auf. Das sind technische Vorrichtungen, die Alkohol-Fahrten verhindern sollen. Was ist ein Alkolock? Ein Alkohol-Interlock-System, kurz Alkolock, ist ein Gerät, das einen Alkoholmesser mit einer Wegfahrsperre koppelt. So soll sichergestellt werden, dass Menschen unter Alkoholeinfluss mit ihrem Auto gar nicht erst losfahren können. In der EU ist ab 2024 für alle Neuwagen eine Schnittstelle vorgeschrieben, an die ein Alkolock-Gerät angeschlossen werden kann.Wie funktioniert ein Alkolock?Ein Alkolock besteht aus dem eigentlichen Alkohol-Handmessgerät und einer mit der Motorzündung gekoppelten Steuereinheit, die unter dem Armaturenbrett verbaut ist. In das Handgerät - etwa so groß wie ein Smartphone - pustet die Fahrerin oder der Fahrer vor dem Losfahren. Die installierte Sensorik misst den Alkoholgehalt in der Atemluft. Liegt der Wert unter dem eingestellten Grenzwert (in Deutschland 0,5 Promille nach Ablauf der Führerschein-Probezeit), gibt die Steuereinheit das Anlasserrelais zum Starten des Motors frei. Liegt der Alkoholwert höher, verhindert das Steuergerät den Motorstart. Das Auto bleibt stehen. Wo werden Alkolocks bereits eingesetzt?In Deutschland bot der schwedische Autohersteller Volvo ab 2010 ein Alkolock-System (unter dem Namen "Alcoguard") als Zusatzausstattung an. Die Nachfrage war praktisch null. Bereits eingesetzt werden Alkolocks beispielsweise in den Niederlanden. Dort haben Menschen, die mit zu viel Promille am Steuer ertappt wurden, die Wahl: Entweder sie geben für fünf Jahre ihren Führerschein ab, oder sie lassen sich für zwei Jahre ein Alkolock ins Auto einbauen. Ähnliche Trunkenheitsfahrerprogramme gibt es auch in Österrreich, Frankreich, Belgien, Dänemark, Finnland, Australien und in den USA. In Frankreich sind Alkolocks zudem standardmäßig in Schulbussen verbaut. In Schweden wird der Bus-, Lkw- und Taxiverkehr mittels Alkolocks überwacht. Auch zahlreiche Unternehmen rüsten ihre Firmenwagen mit Alkolock-Systemen aus. Wie wirksam sind Alkolocks?Studien über die Wirksamkeit von Alkolocks aus den USA und aus Schweden haben ergeben, dass Fahrer, die im Zuge einer gesetzlichen Maßnahme eine Zeit lang mit Alkohol-Wegfahrsperren unterwegs sein mussten, nach dem Ausbau des Geräts ebenso häufig rückfällig werden wie diejenigen, die ihre Alkoholsperre ohne Alkolocks hinter sich gebracht hatten. Immer wieder wird jedoch betont, dass Alkolocks nur in Verbindung mit einer begleitenden Rehabilitation oder psychologischen Betreuung den erwünschten Langfristeffekt zeigen.Lassen sich Alkolocks austricksen?Auch wenn sich der Grund nicht erschließt - es gibt immer Betroffene, die ein Alkolock-Gerät zu manipulieren versuchen. Die schlichte Idee, mit einer Luftpumpe das Testgerät zu übertölpeln, funktioniert jedoch nicht: Die Alkoholtester können aufgrund von Feuchte, Temperatur und Druck ziemlich zweifelsfrei feststellen, ob ein Mensch ins Gerät pustet oder nicht. Auch den nüchternen Beifahrer pusten zu lassen, erscheint ein leichtes Austricksen zu ermöglichen. Jedoch müsste man erstens erst einmal einen derart einfältigen Beifahrer finden, und zweitens wurden deshalb zahlreiche Alkolock-Systeme zusätzlich mit einer Kamera ausgestattet, die feststellt, wer denn nun gepustet hat. Auch jemanden pusten zu lassen, der dann gar nicht mitfährt, ist keine gute Idee. Denn manche Geräte fordern den Fahrer auch während der Fahrt noch einmal auf, eine Kontrollmessung vorzunehmen. Welche rechtlichen Hürden beschränken den Alkolock-Einsatz in Deutschland?Ein Alkolock-Einsatz wie in den Niederlanden üblich würde gegen deutsches Recht verstoßen. Denn wer alkoholisiert ein Fahrzeug steuert, ertappt und verurteilt wird, gilt laut §3 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) als "ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen". Folgerichtig muss die Fahrerlaubnis entzogen werden - eine Ausnahme ist im StVG nicht vorgesehen. Für ein Pflicht-Alkolock müsste das Recht angepasst werden. Freiwillig darf man sich ein Alkolock-System selbstverständlich einbauen lassen. In Deutschland nutzen einige Busunternehmen, Gefahrgutspeditionen, Logistikbetriebe und Taxiflotten Alkolocks. Der ADAC hat sich im Juli 2019 für ein Pilotprojekt ausgesprochen, "um den Nutzen von Alkohol-Wegfahrsperren in Kombination mit rehabilitativen Maßnahmen zur Reduzierung der Rückfallquote alkoholabhängiger Kraftfahrer" zu erforschen. Was passiert mit den Daten, die ein Alkolock erfasst?Ein Alkolock-Gerät erfasst zahlreiche Daten, etwa Datum, Uhrzeit, Promillewert, Verweigerung einer Atemprobe, Motorstarts und -startversuche. Grundsätzlich gilt, dass die Daten verschlüsselt auf dem Steuergerät abgelegt werden und nur mit einer speziellen Software sowie den notwendigen Zugriffsrechten ausgelesen werden können. Kommen Alkolocks in Firmenflotten zum Einsatz, muss in jedem Unternehmen festgelegt werden, wer bei welchem Anlass welche Daten auslesen darf. Bei Trunkenheitsfahrerprogrammen wiederum werden die Daten in regelmäßigen Abständen ausgelesen und den zuständigen Behörden zur Verfügung gestellt. In allen Trunkenheitsfahrerprogrammen gibt es auch sogenannte Abbruchkriterien - etwa wenn es Manipulationsversuche am Alkolock gab, die das Gerät ebenfalls aufzeichnet und speichert. Was kostet ein Alkolock?Der Preis für ein Alkolock-System liegt zwischen 1500 und 2000 Euro. Hinzu kommen die Kosten für den Einbau und die - meist in Jahresabständen fällige - Kalibrierung. Volvo wird bei allen Pkw ab dem Modelljahr 2021 eine Schnittstelle für die Installation eines Alkolock-Systems anbieten, die in Deutschland rund 100 Euro Aufpreis kosten wird. Bei den Volvo-Lastwagen kann ein Alkolock ab Werk für 1800 Euro Aufpreis dazubestellt werden. Die Einbaurate bei deutschen Kunden ist nach Auskunft eines Volvo-Sprechers "eher nicht so hoch".
Matthias Kriegel, Jürgen Pander
Könnte eine Alkohol-Wegfahrsperre den Straßenverkehr sicherer machen? Nach jedem schweren Alkoholunfall wird darüber debattiert. So funktionieren die Geräte.
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Mobilität
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2020-02-02T03:01:27+01:00
2020-02-02T03:01:27+01:00
https://www.spiegel.de/auto/alkohol-wegfahrsperre-wer-saeuft-laeuft-a-509165b1-c428-48d7-b33b-573e95c7af1d
Beißattacke: Surfer prügelt sich mit Hai
Washington - "Ich hatte das Tier plötzlich direkt vor der Nase", erzählte der 30-jährige Brian Anderson im US-Fernsehen. "Ich schlug ihm die Fäuste direkt in die Augen." Anderson war am Heiligabend mit Freunden an einem bei Surfern seit Jahren beliebten Strand bei Tillamook Head im nördlichen Oregon unterwegs. Obwohl Fischer dort von ihren Booten aus regelmäßig Haie sehen, ist seit Jahrzehnten kein Surfer mehr angegriffen worden. Der Surfer kam mit Bisswunden an Wade und Fußgelenk davon. Ärzte nähten die Wunden mit 70 Stichen zu und entließen ihn nach einem Tag aus dem Krankenhaus. "Esist ein Risiko, das wir in Kauf nehmen", sagte Anderson. Sobald sein Fuß verheilt sei, gehe er wieder zum Surfen raus.
Ein weißer Hai hat vor der amerikanischen Westküste einen Surfer angegriffen. Der Wassersportler wehrte das Tier mit Faustschlägen ab und kam mit Bisswunden am Bein davon.
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Panorama
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2005-12-26T19:33:57+01:00
2005-12-26T19:33:57+01:00
https://www.spiegel.de/panorama/beissattacke-surfer-pruegelt-sich-mit-hai-a-392331.html
FC Liverpool: Jürgen Klopp ist die richtige Wahl
In der Premier League geht es turbulent zu. Titelverteidiger Chelsea ist katastrophal gestartet und hat schon zehn Punkte Rückstand auf Platz eins. Der FC Liverpool hat nach acht Spieltagen Trainer Brendan Rodgers entlassen. Für Kolumnist Dietmar Hamann eine überfällige Entscheidung. Er hat auch einen klaren Favoriten für die Nachfolge. Brendan Rodgers - ein Abgang mit Ankündigung?Schon im Sommer stand Rodgers vor der Entlassung. Damals entschied sich der Klub jedoch dafür, sich von zwei Co-Trainern zu trennen. Das ist in meinen Augen immer eine gefährliche Sache, dadurch wird die Autorität des Trainers untergraben. Der Rauswurf hatte sich angedeutet, die Mannschaft hat sich seit mehr als einem Jahr nicht weiterentwickelt.Ich war mir schon vor dem 1:1 im Derby bei Everton sicher, dass der Schritt vollzogen würde. Das Ergebnis selbst war nicht der Grund. Die Mannschaft hatte mit Luis Suárez und Raheem Sterling zwei Stars verloren. Das ist der normale Lauf der Dinge im Fußball. Spieler, die gut sind, werden interessant für noch reichere Vereine. Damit muss ein Trainer umgehen können. Und es ist ja auch nicht so, dass kein Ersatz kam: Liverpool hat in den vergangenen Jahren mehr als 300 Millionen Euro für Zugänge ausgegeben, das ist mehr, als sie an Ablösen bekommen haben. Jürgen Klopp wird als Nachfolger an der Anfield Road gehandelt. Passt das? Jürgen Klopp passt hervorragend nach Liverpool. Er steht für Emotionen und Leidenschaft. Das Beispiel Schalke mit André Breitenreiter zeigt: In einer Arbeiterstadt müssen sich die Fans mit dem Trainer identifizieren können. Und das wäre in Liverpool bei Klopp absolut gegeben. Die Fans würden ihn lieben. Natürlich müssen auch dann die Ergebnisse stimmen, aber die Unterstützung der Fans ist in Liverpool die halbe Miete.Wer sind die Alternativen?Carlo Ancelotti ist fraglos ein sehr guter Mann. Aber er kommt am besten mit außergewöhnlichen Teams klar, und das ist Liverpool momentan nicht. Auch passt er als unterkühlterer Typ vielleicht nicht perfekt ins Umfeld an der Anfield Road. Wenn ich es entscheiden sollte, würde ich Jürgen Klopp nehmen, wenn er dazu bereit ist. Sie waren sieben Jahre beim Klub. Geht Ihnen die Krise der Reds persönlich nahe?Ich sehe das ganz nüchtern. Traditionell war der LFC immer sehr loyal zu seinen Trainern. Das hat sich inzwischen etwas geändert. Ich habe natürlich noch enge Beziehungen zum Verein und kannte auch Brendan Rodgers persönlich. Aber solche Trainerstellen sind Jobs, bei denen die Ergebnisse stimmen müssen. Und das war nicht der Fall.Liverpool ist aber nicht der einzige Klub mit Problemen. Was ist bei Chelsea los?José Mourinho hat Fehler gemacht. Er ist dünnhäutig geworden und hat ohne Not John Terry demontiert, eine Legende, die 15 Jahre für den Klub gestanden hat. Das deutet auf Missstimmungen innerhalb des Vereins und der Mannschaft hin. Chelsea hat jetzt schon mehr Spiele verloren als in der gesamten vergangenen Saison. Ist ein solcher Absturz sportlich überhaupt zu erklären? Chelsea hatte doch in der Vorsaison eine große Mannschaft?Es war nicht unbedingt eine große Mannschaft, sondern eine funktionale Mannschaft, die wenige Gegentore kassiert hat. Die defensive Stärke ist verschwunden. Vor allem, weil ohne John Terry die Hierarchie im Team zerschlagen wurde. Daneben spielen aber auch andere Faktoren eine Rolle, wie der Ausfall von Diego Costa oder die Formschwäche von Eden Hazard.Wird Chelsea unter Mourinho die Kurve kriegen?Damit es noch eine erfolgreiche Saison wird, muss sich schnell etwas ändern. Aber ich bin skeptisch, dass es sich zum Positiven wendet.
Jürgen Klopp gilt als Trainerkandidat Nummer eins in Liverpool. Kaum jemand kennt die Reds besser als SPIEGEL-ONLINE-Experte Dietmar Hamann. Er rät dem Klub, den Deutschen zu verpflichten.
[ "José Mourinho", "Jürgen Klopp", "FC Chelsea", "FC Liverpool", "Hamann-Kolumne" ]
Sport
Fußball-News
2015-10-05T14:48:00+02:00
2015-10-05T14:48:00+02:00
https://www.spiegel.de/sport/fussball/fc-liverpool-juergen-klopp-ist-die-richtige-wahl-a-1056224.html
Abu-Ghureib-Skandal: Australisches Fernsehen zeigt bislang unbekannte Folterbilder
Sydney/Washington - Die bisher unveröffentlichten Bilder über grausame Foltermethoden der US-Armee im irakischen Gefängnis Abu Ghureib könnten die wegen des Karikaturenstreits herrschenden Spannungen zwischen der muslimischen Welt und westlichen Staaten weiter verschärfen. Der australische Fernsehsender SBS zeigte heute bislang unbekannte Fotos von Folterungen irakischer Gefangener, die nach Angaben des Senders im Jahr 2003 in dem berüchtigten Gefängnis entstanden - also zu der Zeit, als auch die bislang bekannten Misshandlungsfotos entstanden waren. Die US-Regierung kritisierte die Veröffentlichung. Die Bilder zeigen getötete und schwer verwundete Menschen, die dem Sender zufolge Opfer von US-Soldaten und US-Aufsehern waren. Nach Angaben eines US-Offiziers wurden in Abu Ghureib wiederholt auch Kinder von Häftlingen misshandelt. "Dies sind Fotos, welche die US-Regierung nicht gezeigt wissen möchte", kündigte der Moderator der SBS-Sendung "Dateline" die Übertragung an. Die neuen Bilder belegten, dass das Ausmaß der Misshandlungen in Abu Ghureib "weit schlimmer als bisher bekannt" gewesen sei. Auf einem der Bilder ist ein Mann mit durchgeschnittener Kehle zu sehen. Andere zeigen einen Gefangenen mit schweren Kopfverletzungen, einen weiteren Mann, der offenbar mit Fäkalien bedeckt ist, und einen nackten Mann, der kopfüber an einem Etagenbett aufgehängt ist. Standbilder aus einer Videoaufnahme zeigen eine Gruppe nackter und offenbar masturbierender Männer. Auf einigen Fotos ist auch die US-Soldatin Lynndie England zu sehen, die wegen des im Frühjahr 2004 bekannt gewordenen Folterskandals im Herbst 2005 zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Ein Foto von England, auf dem sie einen nackten und am Boden liegenden Häftling wie einen Hund an der Leine hielt, war damals um die Welt gegangen. Auch Englands damaliger Lebensgefährte Charles Graner soll auf den neuen Fotos zu sehen sein. Er war im vergangenen Jahr wegen der Misshandlung irakischer Häftlinge zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Das US-Verteidigungsministerium bestätigte am Abend die Echtheit der Bilder. Ein Pentagon-Mitarbeiter sagte der Nachrichtenagentur AFP, bei 14 der Fotos handle es sich um dieselben, die vom US-Militär bereits vor zwei Jahren bei seiner internen Untersuchung des Abu-Ghureib-Skandals zusammengestellt worden seien. Nur bei einem einzigen der 15 Bilder könne die Echtheit nicht bestätigt werden.US-Kongress informiertNach Angaben von "Dateline" wurden die neu gesendeten Bilder bereits 2004 Mitgliedern des US-Kongresses gezeigt. Dass sie existierten war insofern bekannt, nur veröffentlicht waren sie noch nicht. Diese Abgeordneten seien angesichts des darin gezeigten "Horrors" der Folterungen in Abu Ghureib schockiert gewesen. Eine SBS-Sprecherin wollte nicht sagen, wie der Sender zu den Bildern gelangte. In den USA seien sie wegen eines laufenden Rechtsstreits noch nicht veröffentlicht worden. SBS-Produzent Mike Carey sagte, sein Sender habe Hunderte von Aufnahmen erhalten. "Die Bilder enthüllen zusätzlich den verbreiteten Missbrauch, einschließlich Mord, Folter und sexuelle Erniedrigung." Es sei wichtig, die Aufnahmen zu veröffentlichen, damit die Menschen verstünden, was sich in Abu Ghureib zugetragen habe.Eine Sprecherin der US-Bürgerrechtsorganisation ACLU sagte dem Sender, sie hoffe, dass die Ausstrahlung der Bilder in Australien die US-Regierung bewegen werde, in dem Skandal auch ranghohe Militärvertreter zur Verantwortung zu ziehen. Die USA kritisierten die Veröffentlichung der Aufnahmen. Dies würde die Situation nur weiter aufpeitschen und unnötige Gewalt in der Welt verursachen, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Bryan Whitman. Die Vorfälle in dem Gefängnis seien bereits vollkommen untersucht und die Täter zur Rechenschaft gezogen worden. Unteroffizier berichtet von KindesmisshandlungenNach Angaben eines US-Militärs wurden in Abu Ghureib auch Kinder misshandelt, um Häftlinge zum Reden zu bringen. Das Verfahren sei beispielsweise angewendet worden, um den irakischen General Hamid Sabar unter Druck zu setzen, sagte Unteroffizier Samuel Provance gestern vor einem Untersuchungsausschuss des US-Repräsentantenhauses. Der 16-jährige Sohn des Generals sei festgenommen worden, ohne dass gegen ihn Vorwürfe vorlagen. Dann sei er vor im Beisein des Vaters mit Eiswasser bespritzt worden. Außerdem sei er in einem Gefängnistrakt eingesperrt worden, der für Vergewaltigungen von Häftlingen berüchtigt gewesen sei. Derartige Misshandlungen Jugendlicher seien in dem Gefängnis üblich gewesen, sagte Provance. Im Falle Sabars habe dies jedoch nicht die erwünschte Wirkung erzielt. Der General sei nach der Misshandlung seines Sohnes so stark mitgenommen gewesen, dass er nicht mehr zu einer Aussage in der Lage war.Die USA sind derzeit auch wieder wegen Foltervorwürfen im US-Lager Guantanamo auf Kuba unter Druck. Schon vor der geplanten Veröffentlichung sorgte ein Bericht für diplomatische Spannungen, in dem fünf Uno-Beobachter den USA übermäßige Gewaltanwendung gegenüber den Häftlingen vorwerfen und eine Schließung des Lagers fordern. Washington wies die Vorwürfe am Dienstag als "haltlos" zurück mit der Begründung, die Berichterstatter hätten das Lager nicht selbst besucht. Der Bericht sollte im Lauf der Woche veröffentlicht werden. phw/AFP/dpa/Reuters
Ein australischer TV-Sender hat bislang unbekannte Folterfotos aus dem berüchtigten Gefängnis Abu Ghureib in Bagdad veröffentlicht. Auf den Aufnahmen aus dem Jahr 2003 sind getötete und misshandelte irakische Gefangene zu sehen.
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Ausland
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2006-02-15T16:30:32+01:00
2006-02-15T16:30:32+01:00
https://www.spiegel.de/politik/ausland/abu-ghureib-skandal-australisches-fernsehen-zeigt-bislang-unbekannte-folterbilder-a-401095.html
Datum: 21. Dezember 1964 Herrn SPIEGEL
Datum: 21. Dezember 1964 / Betr.: Herrn SPIEGELL'Express, die Pariser Publikation, die im September ihre Umstellung vom Typ Wochenzeitung auf den TypNachrichtenmagazin mit den-Erfolgen von Time und SPIEGEL begründete, L'Express gab einem Beitrag der letzten Ausgabe die Überschrift »Herr Spiegel à Paris«. Gemeint war SPIEGEL-Herausgeber Augstein, der - wie L'Express zutreffend berichtete - »am 16. Dezember als Gast der Nationalen Stiftung für politische Wissenschaften auf Anregung des Goethe-Instituts einen Vortrag über die Schwierigkeiten der deutsch-französischen Beziehungen nach dem Kriege« hielt. 600 Teilnehmer fasste der vollbesetzte Hörsaal des Instituts für politische Studien an der Sorbonne, in dem Augstein seinen Vortrag »Klassische Missverständnisse zwischen den Nachkriegsdemokraten inFrankreich und Deutschland« hielt. Institutsprofessor Grosser gab in Abständen eine französische Zusammenfassung der deutsch vorgetragenen Betrachtungen. Während zu gleicher Zeit auf der Nato-Tagung am gleichen Ort unverblümter denn je die Schale für das Haupt Gerhard Schröders bereitgestellt wurde, hatte Grosser dem Auditorium zu übersetzen:+ »Ihr Präsident lässt der Bundesrepublik keine Zeit, sich über sich selbst klar zu werden. Er zwingt sie zu Entscheidungen, die in den politischen Kräfteverhältnissen keine reale Basis haben. Er schürt die Gegensätze innerhalb unserer Regierungspartei; er scheint die Krise zur Entscheidung treiben zu wollen, ja, der Kopf des von einer breiten Mehrheit gestützten Aussenministers Schröder scheint von Paris aus gefordert zu werden. Deleassé redivivus, Holstein redivivus, nur diesmal umgekehrt und zwischen Freunden.« Berichte über Augsteins Vortrag würden, so vermutete L'Express reichlich wohlwollend, sogleich den Zeitungsdirektoren in der ganzen Welt vorgelegt werden - »dem SPIEGEL ist das Paradox gelungen, als oppositionelle Zeitschrift die Meinung des eigenen Landes zu verkörpern«. Habe der Redner, so fragte ein junger Zuhörer am Schluss, im Namen seines Vaterlandes, im Namen seiner Generation oder im Namen seiner Zeitschrift gesprochen? Augsteins Antwort: Von allem ein wenig. So hätte er also als Herausgeber des SPIEGEL, als »junger Mann ohne Zorn« (L'Express) und als Bürger der Bundesrepublik gewarnt: + »Die Mittel Ihres allseits bewunderten Staatspräsidenten, Deutschland und die anderen europäischen Staaten für eine europäische Monroe-Doktrin zu gewinnen, bewirken nur das Gegenteil.«»Ein Journalist«, so hatte L'Express nach einem Interview Herrn Spiegel in Paris zitiert, »muss ständig mit dem Finger auf Gefahren zeigen, selbst wenn er riskiert, übertreiben zu müssen. Als de Gaulle an dieMacht kam, sagte Mendes-France, Frankreich befinde sich im Jahre 1788. Er übertrieb. Er hatte recht.«Augstein (Vordergrund, rechts) beim Vortrag Im Sorbonne-Institut
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Politik
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1964-12-22T13:00:00+01:00
1964-12-22T13:00:00+01:00
https://www.spiegel.de/politik/datum-21-dezember-1964-herrn-spiegel-a-3b629523-0002-0001-0000-000046176382?context=issue
Wiktor Juschtschenko: Der entmachtete Präsident
Hamburg - Sein Gesicht war vernarbt, sein Schicksal ungewiss. Würde der Oppositionsführer den Dioxin-Anschlag überleben? Die Tage des demokratischen Aufbruchs in der Ukraine während der Orangen Revolution Ende 2004 waren auch Stunden der Sorge darüber, ob der Hoffnungsträger den Kraftakt der Ablösung eines korrupten, maroden Systems aus Altkommunisten und Oligarchen überstehen würde. Wiktor Juschtschenko hat ihn überlebt. Vier Jahre nach dem Anschlag nimmt sein Antlitz wieder normale Formen an, neun Zehntel des Gifts, das er mit einer Suppe in sich hineinlöffelte, sollen inzwischen aus dem Körper gewaschen sein. Doch in dem Maße wie der Präsident gesundet, scheint der Nimbus des Märtyrers zu schwinden, der Präsident hat seine Popularität eingebüßt, die Lichtgestalt ihre Strahlkraft verloren. Wieder - es ist das vierte Mal in drei Jahren - ist eine Regierung zerbrochen. Und aus jeder neuen Regierungskrise ist der Präsident geschwächt hervorgegangen. Dieses Mal setzte Juschtschenko die Neuwahl des Parlaments gegen den erbitterten Widerstand der anderen Revolutionsikone, Premierministerin Julija Timoschenko, durch. Am 3. September kündigte er die Koalition seines Wahlbündnisses Unsere Ukraine mit dem Block Julia Timoschenko (BJuT) auf. Anfang Oktober verkündete er: "Hiermit erkläre ich die Aktivitäten des Parlaments für beendet und rufe vorgezogene Parlamentswahlen aus." Die Ministerpräsidentin hatte zusammen mit der oppositionellen Partei der Regionen von Ex-Premier Wiktor Janukowitsch für Gesetzentwürfe gestimmt, die die Macht des Präsidenten beschneiden sollten - später nahm sie die Entscheidung zurück. Kommentatoren sprachen von der "Kastration" des Präsidenten durch die Frau mit dem blonden Haarkranz.Zudem wurde immer deutlicher, dass Timoschenko den Westkurs Juschtschenkos nicht mehr mit voller Kraft unterstützte. Um Wähler auch im Osten und Süden des Landes, im russophilen Donbass und auf der Krim, zu gewinnen, ging sie auf Kuschelkurs mit jenem Land, in dem sie zeitweise wegen dubioser Gasgeschäfte mit Haftbefehl gesucht wurde. Anders als Juschtschenko verurteilte sie Moskaus Vorgehen in Georgien nicht. Die ursprünglich auf den 7. Dezember angesetzten Wahlenwurden alsbald auf den 14. Dezember verschoben. Dem Publikum bot sich einmal mehr eine bizarre Aufführung. Abgeordnete des Blocks Julia Timoschenko blockierten das Parlament, um die Bereitstellung der für die Wahl benötigten Gelder zu verhindern. Ein Parlamentssprecher versuchte die ortsüblichen, körperbetonten Methoden zur Durchsetzung politischer Macht - immer wieder kommt es neben Blockaden auch zu Schlägereien im Parlament - mit Ironie zu überspielen: "Jetzt sind wir zur normalen Arbeitsform übergegangen."Weniger normal ist, dass sich die politische Elite des Landes derzeit in innenpolitischem Hickhack aufreibt, während das Land von der globalen Finanzkrise voll getroffen wird. Große Banken stehen am Abgrund, die ukrainische Währung Griwna verliert rapide an Wert, die Kurse an der Börse sind im freien Fall - der Aktienmarkt brach zeitweise um 70 Prozent ein -, das erwartete Wachstum von 6,4 Prozent für 2009 wurde vom Internationalen Währungsfonds (IWF) auf 2,5 Prozent korrigiert, und der Staat fragt beim IWF um Finanzspritzen in Milliardenhöhe nach. Dazu ist das Verhältnis zu Russland seit dem Kaukasus-Krieg höchst angespannt, und zu allem Überfluss droht der russische Energieriese Gasprom kurz vor dem Winter damit, den Preis für die Gaslieferungen in die Ukraine mehr als zu verdoppeln. Flugzeugklau und peinliche TelefonateDer Machtkampf zwischen dem Präsidenten und seiner Premierministerin geriet zum Possenspiel. Der Plot bot einiges: Außer der Parlamentsblockade die Beschlagnahmung eines Regierungsflugzeugs und peinlich inszenierte Telefonate:Als Timoschenko Anfang Oktober zu ihrem russischen Kollegen Wladimir Putin nach Moskau fliegen wollte, war das von ihr reservierte Regierungsflugzeug unauffindbar - Juschtschenko hatte es kurzerhand für einen Inlandsflug unter Beschlag genommen, ohne sie zu informieren. Als die Ministerpräsidentin schließlich mit einem slowenischen Charterflugzeug in Moskau ankam, spöttelte Putin, so sei es, wenn "Taschendiebe" Flugzeuge klauten. Jüngst ließ Timoschenko die Presse eigens in ihr Büro kommen, um den Präsidenten vorzuführen. Um zu demonstrieren, wie wenig der Präsident sich in der prekären Lage um das Wohl des Landes kümmere, griff sie genüsslich zum Hörer im Wissen darum, dass Juschtschenko nicht abheben würde, weil er vergrätzt war.Den Wettstreit mit der telegenen Schönheit um öffentlichkeitswirksame Auftritte hat der oft zögerliche Präsident längst verloren. Da verfängt es auch nicht, dass er sich als Fels der Demokratie im politisch aufgepeitschten Land versteht: "Ich als Präsident garantiere: Die Ukraine wird den demokratischen Pfad nicht verlassen." Wie der Retter zum Notleidenden wurdeDer Wähler nimmt es ihm nicht mehr ab, Resignation macht sich breit. Der "Independent" zitierte jüngst einen jungen Geschäftsmann, der während der Orangen Revolution nächtelang in eisiger Kälte unter den Demonstranten auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew ausharrte, in der bangen Ungewissheit, Opfer der alten Staatsmacht zu werden: "Juschtschenko und Timoschenko stand alles offen, und Leute wie ich unterstützten sie weiter, obwohl sie sich auf peinliche Art öffentlich in die Haare kriegten, und obwohl sie ihre Versprechen nicht einlösten, Kriminelle, die das Land ausgenommen haben, einzulochen. Aber jetzt habe ich genug. Ich glaube nicht, dass ich wählen gehe. Und ich habe eine Menge Freunde, die auch so denken. Ich glaube nicht mehr daran, dass Politiker das Land zum Besseren führen. Jeder ist sich selbst und seiner Familie der Nächste." Juschtschenkos Wahlblock Unsere Ukraine kratzt bei Umfragen inzwischen bestenfalls an der Fünfprozentmarke, bei den Kommunalwahlen holte das Bündnis selbst in Kiew keine drei Prozent. Der Mann, in dem das Gros der Menschen noch vor vier Jahren die Heilsgestalt sah, die Erlösung versprach von den alten Seilschaften unter Diktator Leonid Kutschma, von Korruption und Zensur, und der in ein gewandeltes Land voller Transparenz und Gerechtigkeit führen sollte, ist heute selbst erlösungsbedürftig.Viele kreiden ihm an, dass die Korruption weiter grassiert. Sie werfen ihm vor, dass er keinen jener Polit-Verbrecher hinter Schloss und Riegel gebracht hat, die sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion mit skrupellosen Methoden auf Kosten des Volkes zu Milliardären machten. Nicht einmal der Mordanschlag auf ihn selbst ist aufgeklärt. Es heißt, Juschtschenko wisse um die Täter, unterlasse jedoch aus politischem Opportunismus deren Verfolgung. Parteien als Programm freie Machtinstrumente Warum aber hat der 54-Jährige angesichts der miserablen Umfragewerte für seine Partei dennoch Neuwahlen angesetzt? Drei Überlegungen dürften ihn geleitet haben:Er bleibt Präsident, auch wenn sein Wahlbündnis schlecht abschneidet.Bei Neuwahlen könnte die Partei der Regionen unter Janukowitsch stärkste Kraft werden und den Ministerpräsidenten stellen. Julija Timoschenko wäre aus dem Amt gedrängt und könnte 2010 nicht aus einer Machtposition heraus gegen ihn bei der Präsidentschaftswahl antreten.Timoschenko müsste als Juniorpartnerin einer Koalition mit den alten Machthabern Kompromisse schließen, obwohl sie in den vergangenen Jahren nicht müde wurde, öffentlich ihre Abscheu zu äußern für die raffgierige Oligarchenwelt (der sie selbst ihre Karriere verdankt). Sie hätte ein Glaubwürdigkeitsproblem - was Juschtschenkos Position stärken könnte. Das politische Kalkül überflügelt längst den Enthusiasmus der Revolutionszeit. Weil sich die Parteien noch immer nicht Programmen verpflichtet fühlen, sondern weiter Interessensgruppierungen finanzstarker Lobbyisten und machtversessener, zweifelhafter Eliten sind, ist es statt zu politischer Kontinuität und Stabilität zu einem ständigen Chaos wechselnder Mehrheiten und Regierungen gekommen.Juschtschenko steht dem machtlos gegenüber. Bereits im September 2005, wenige Monate nach der Orangen Revolution hatte er seine Parlamentsmehrheit verloren, nachdem er wegen schwerer Korruptionsvorwürfe die gesamte Regierung - auch damals hieß die Premierministerin Timoschenko - entlassen hatte. Ein Jahr später verriet er selbst die Ideale der Orangen Bewegung, indem er seinen großen Widersacher, den Wahlbetrüger Janukowitsch, zum Regierungschef machte. Ob mit Timoschenko oder Janukowitsch - schlecht gefahren ist das Staatsoberhaupt mit beiden: Beide arbeiteten sie mit Erfolg daran, seine Autorität zu untergraben.
Alexander Schwabe
Er war die Heilsgestalt, Millionen skandierten während der Orangen Revolution seinen Namen: Juscht-schen-ko! Doch der riesige Vertrauensvorschuss des ukrainischen Präsidenten ist dahin. Sein Parteienbündnis dümpelt kurz vor der dritten Wahl in drei Jahren unter fünf Prozent.
[ "Wiktor Juschtschenko" ]
Ausland
default
2008-10-31T06:22:17+01:00
2008-10-31T06:22:17+01:00
https://www.spiegel.de/politik/ausland/wiktor-juschtschenko-der-entmachtete-praesident-a-586412.html
Tarifkonflikt: Gebäudereiniger wollen unbefristet streiken
Frankfurt am Main - Im Tarifstreit bei den Gebäudereinigern droht ein unbefristeter Arbeitskampf. Die Gewerkschaftsmitglieder unter den insgesamt 860.000 Beschäftigten stimmten zu 96,7 Prozent für den ersten bundesweiten Streik in der Geschichte der Branche. Betroffen sein könnten laut Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) neben Büros auch Schulen, Krankenhäuser und Flughäfen. Für Freitag haben die Arbeitnehmervertreter bereits zu Protesten in Nordrhein-Westfalen aufgerufen. Gewerkschaftssprecher der Bezirke Westfalen und Rheinland kündigten an, dass zu geplanten Aktionen in Dortmund und Köln insgesamt mehr als 1000 Teilnehmer erwartet würden. Mit größeren Beeinträchtigungen durch ausgefallene Reinigungsdienste sei in dieser Woche jedoch noch nicht zu rechnen, hieß es. Gewerkschaftschef Klaus Wiesehügel forderte den Arbeitgeberverband auf, ein verbessertes Angebot vorzulegen. Die IG BAU hatte die Verhandlungen im August nach der sechsten Runde für gescheitert erklärt. Die Gewerkschaft verlangt 8,7 Prozent mehr Geld, das letzte Angebot der Arbeitgeber bezifferte sie auf 1,8 Prozent im Westen und 2,1 Prozent im Osten. Der Geschäftsführer des Bundesinnungsverbands des Gebäudereiniger-Handwerks, Johannes Bungart, warf der IG Bau vor, mit ihrer Forderung die Realität auf dem Markt der Gebäudereinigung bewusst zu verdrängen. Mit den jetzt angekündigten Streiks gefährde die IG Bau die Lohnsicherheit derjenigen, die sie angeblich sichern wolle. Jeder Tag, den die IG Bau nicht am Verhandlungstag verbringe, sei für die Beschäftigten ein verlorener Tag, sagte Bungart. Fraglich ist ohnehin, ob die IG Bau ausreichend Druck auf die Arbeitgeber ausüben kann. Experten gehen davon aus, dass nur eine Minderheit von rundzehn Prozent der Beschäftigten gewerkschaftlich organisiert ist.
mip/dpa
Auf den ersten Blick ist es ein eindrucksvolles Signal: Fast 97 Prozent der gewerkschaftlich organisierten Gebäudereiniger haben für einen unbefristeten Streik gestimmt. Ob diesem Votum die Arbeitgeber beeindruckt, ist allerdings fraglich. Denn der Organisationsgrad in der Branche ist gering.
[ "Streiks", "Mindestlohn" ]
Wirtschaft
Unternehmen
2009-10-15T18:02:44+02:00
2009-10-15T18:02:44+02:00
https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/tarifkonflikt-gebaeudereiniger-wollen-unbefristet-streiken-a-655435.html
Die blaue Offenbarung
Der Kölner Schriftsteller und Orientalist Navid Kermani, 41, sorgte 2002 mit seinem »Buch der von Neil Young Getöteten« für Furore, auch jenseits der Fanzirkel der Rocklegende.-----------------------------------Die Freunde rasen vor Begeisterung. Im Vergleich klinge selbst Vinyl wie ein Transistorradio, sagen sie und machen verzückte Gesichter. Es sei, als stünden sie leibhaftig im Studio, als wären sie Ohrenzeugen der Aufnahme selbst, der initialen Fügung, die für sie einer Offenbarung gleichkommt, da mit irdischen Mächten allein nicht zu erklären. Und dann erst die Extras, die die zehn Blu-ray Discs bieten, weil sie viel, viel mehr Daten speichern können als CDs: Super-8-Schnipsel, die Neil Young im Plattenladen oder an der Tankstelle zeigen, selbstverständlich sensationelle Aufnahmen legendärer Konzerte, Woodstock oder vor hundert Leuten in einer Kneipe, Riverboat 1969 (nicht Canterbury 68! Verstehst du? 69! Riverboat! Wo immer Riverboat sein mag.), Kindheitsfotos, Gebrauchsgegenstände, die für die Freunde längst Ikonen sind, zahllose Links, da heutzutage die Standleitung ins Internet Voraussetzung ist, die Postkarte, die er seiner Mama und die er seinem Papa schickte, Radiogespräche, Fernsehgespräche, Selbstgespräche - und alles polyfunktional, sagen die Freunde und meinen damit, dass man »Broken Arrow« hören kann, während man ein Interview mit Neil Young liest, in dem er über »Broken Arrow« spricht, oder Fotos betrachtet, auf denen er »Broken Arrow« spielt, oder sich über Rezensionen wundert, die seinerzeit zu »Broken Arrow« erschienen. Man kann aber auch »Broken Arrow« hören, während man sich durch alle möglichen anderen Texte, Bilder und Videos hangelt, so dass sich, stelle ich mir vor, zufällige Zusammenhänge, Assoziationen und Kongruenzen ergeben wie bei jeder Offenbarung, ob Bibel, Rumi oder Joyce, die man auf jeder beliebigen Seite aufschlägt, um jedes Mal ein neues Buch zu finden.Tausende verschiedene Audio-, Bild- und Videodateien wollen die Freunde gezählt haben, und dabei hat Neil Young nur den ersten von insgesamt vier Teilen seines Archivs veröffentlicht, genau gesagt die Dokumente der Jahre 1963 bis 1972. Der Künstler als sein eigener Editor und Nachlassverwalter - ich glaube nicht, dass es einen Fall von vergleichbarem Perfektionismus je gab. Viele sammeln ja, was sie sich nie wieder anschauen werden, Familienfotos, Schulzeugnisse, Urlaubsvideos, die Resultate ihrer Arbeit. Hier hat einer gesammelt, der gewusst haben muss, dass es angeschaut wird. Es ist, als hätte Hölderlin schon an die verschiedenen Editionsschulen gedacht, die 200 Jahre später über seine Hinterlassenschaft streiten, als er Listen seiner Wäsche erstellte oder das gleiche Gedicht in sechs Varianten schrieb. Hätte es im 19. Jahrhundert bereits Bluray gegeben, hätte sich die Philologie als die Priesterdisziplin der Geisteswissenschaft erübrigt. Wie im Protestantismus jeder Gläubige in der Lage ist, die Bibel eigenständig zu verstehen, würde jeder Leser oder Hörer seine eigene Werkausgabe erstellen. Ist dieser unvermittelte Zugriff auf die Quellen nicht erst recht ein Betrug?, frage ich mich und höre den Freunden längst nicht mehr zu. Ist es an dem Künstler selbst, festzulegen, welche Zeugnisse bleiben und welche verschwinden? Und angenommen, er würde ohne Ansehen alle Varianten und Dokumente vorlegen, was nach Mega und Giga den nächsten Datensuperlativ bedeutete - grenzt es nicht an Idolatrie, sich dafür zu interessieren?Die Freunde würden mich ausladen von ihrem nächsten Jahrestreffen, stellte ich ihnen solche Fragen. Für »taub, stumm und blind« würden sie mich halten, wie es in Sure 2:18 über die Ungläubigen heißt, unfähig, das Offenkundige zu erkennen. Aber es stimmt, es stimmt auch und vielleicht erst recht nach meinem Buch über Neil Young und der Beschäftigung mit Hölderlin: Die erste Wäscheliste studiere ich gern, die zweite halte ich für eine Kuriosität, die dritte werfe ich in den Papierkorb zurück, aus dem sie die Editoren hervorgeholt haben. Nein, ich glaube nicht daran, dass jede Fassung es wert ist, aufbewahrt zu werden. Ohnehin ist der beste Ort, Neil Young zu hören, das Auto, wie Neil Young sicher zugäbe, dessen neue Platte von seinem 1959er Lincoln Continental handelt, den er auf Elektrobetrieb umgerüstet hat. So radelte ich am letzten Werktag vor Pfingsten zu Saturn, kaufte mir für 139 Euro, die der SPIEGEL hoffentlich erstatten wird, rund acht Stunden Musik ohne Fotos, Videos, Texte oder Postkarten und verbrachte die Feiertage glücklich auf der Autobahn.Der größte Teil des Materials besteht aus bereits veröffentlichten Stücken, die in anderen Aufnahmen oder nur in neuer Abmischung zu hören sind. Bleiben 15 unbekannte Lieder, die vor allem auf der ersten CD zu finden sind und die Bemühungen des Teenagers Neil Young dokumentieren. Musikalisch interessant werden die frühen Jahre erst durch die kreative Explosion, die Ende 1968 ausbricht und vielleicht wirklich nicht mit irdischen Mächten allein zu erklären ist. Denn in den frühesten Aufnahmen, die Neil Young aus seinem Archiv hervorgeholt hat, deutet kaum etwas auf seine spätere Originalität hin, den frappanten Eigensinn und das herausragende Sensorium für wunderschöne Melodien, tiefgründige, manchmal geradezu altersweise Texte und den Wechsel von bizarr weinerlichen und fieberhaft krachschlagenden Kompositionen. Selbst die Stücke, die er vor 1968 einspielte, werden erst in den Aufnahmen nach 1968 richtig gut. Hört man bis dahin vor allem seine Vorbilder, hört man seither nur Neil Young selbst - mit allem, was die einen abstößt, die anderen begeistert und jedenfalls zu einer Entscheidung zwingt: für die Fistelstimme, die Gitarrengewitter, das Hohelied der Depression.So paradox es klingt: Das Überraschende an der ersten Folge des Archivs ist, dass sie so wenig Überraschungen birgt. Neil Young gilt seit je als Verfechter des Rohen, Unabgeschlossenen, Improvisierten. Vergleicht man jedoch die unterschiedlichen Versionen der gleichen Stücke, sind die Unterschiede eher gering. Die Unmittelbarkeit, die Neil Young musikalisch erzeugt, dieser Eindruck, dass jedes Stück nur einmal so klingen konnte und schon die bloße Wiederholung es grundlegend verändern muss, ist höchst artifiziell, wie das Archiv beweist. Und beinahe durchgängig sind die Aufnahmen, die es auf eine Platte schafften, schräger, kapriziöser, enervierender als die Aufnahmen, die Neil Young beiseitegelegt hat. Noch das Peinlichste, Jammervollste, musikalisch Beschränkteste erweist sich hier als irgendwie gewollt. Die Live-CDs hob ich mir für die letzten 200 Kilometer auf. In der Massey Hall sang er 1971 erstmals die Lieder, die er später auf »Harvest« veröffentlichte, seiner kommerziell erfolgreichsten Platte, und seither nicht mehr singen kann, ohne dass Tausende mitgrölen. Die Unsicherheit, die Neugier, auch der Stolz, mit denen er sie vorstellte, geben selbst einem Gassenhauer wie »Heart of Gold« etwas Fragiles, eine Zartheit, die sich nur dort einstellen konnte und damals. Ein Jahr früher spielte er sich im Fillmore East mit seiner Band Crazy Horse in jene Ekstase, wie sie sonst Mystikern vorbehalten ist oder Propheten: Nie geht es um einen Höhepunkt - wie gewöhnlich in der Kunst - als einer Selbstäußerung; als religiöse Form ist ihr Wesen die Wiederholung, die einen aus sich herausträgt. Aber im Gegensatz zu den Freunden würde ich selbstredend nicht von einer Offenbarung sprechen, nur von der unverhofften Gnade, die vertraute Musik zu hören, als wohnte ich der initialen Fügung bei. Den Strafzettel reiche ich dann auch beim SPIEGEL ein.
Navid Kermani
Nach jahrelangem Suchen und Sichten hat Neil Young den ersten Teil seiner »Archives« veröffentlicht, einer gigantischen Sammlung aus Ton-, Film- und Schriftdokumenten. Von Navid Kermani
[ "Navid Kermani", "Neil Young" ]
Kultur
default
2009-06-07T13:00:00+02:00
2009-06-07T13:00:00+02:00
https://www.spiegel.de/kultur/die-blaue-offenbarung-a-96adbe74-0002-0001-0000-000065640713?context=issue
Rechtsterrorismus: BKA zählt 53 rechtsextreme Gefährder
Die Zahl der rechtsextremen Gefährder in Deutschland dürfte nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden deutlich höher sein als bekannt. Die Staatsschützer der Polizei müssten prüfen, "ob wir die Zahl der Eingestuften erhöhen müssen, wovon wir ausgehen", sagte der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch, beim Europäischen Polizeikongress in Berlin. Aktuell stuft das BKA 53 der bundesweit rund 12.700 gewaltbereiten Rechtsextremisten als Gefährder ein. Im Oktober waren es 43, vor acht Jahren 22. Ihnen traut die Polizei schwere Gewalttaten bis hin zu Terroranschlägen zu. "Wir müssen stärker schauen, ob wir alle Personen wirklich kennen", sagte Münch. Als leidvolles Beispiel für ein Ermittlungsverfahren, das weiße Flecken auf der Karte aufgezeigt habe, nannte der BKA-Präsident den Fall Franco A. Der Soldat hatte sich als syrischer Flüchtling registrieren lassen und nach Ansicht des Generalbundesanwalts einen Terroranschlag geplant. Über Chats stießen die Ermittler auf weitere rechtsextreme Gruppen. Wie hoch das Risiko ist, das von jedem einzelnen der rechten Gefährder ausgeht, soll in Zukunft mit einem System eingeschätzt werden. Für die aktuell rund 670 islamistischen Gefährder gibt es das bereits, für die Beurteilung von rechtsextremen Gefährdern soll es laut Münch Ende 2021 vorliegen. Für die Analyse schauen sich die Entwickler unter anderem die Biografien bekannter Rechtsterroristen an und versuchen, daraus Vorhersagen abzuleiten. Nach Recherchen von WDR und NDR  dauert es jedoch länger, bis das System in der Praxis genutzt werden kann: "Eine flächendeckende Anwendung wird für das Frühjahr 2022 angestrebt", teilte eine BKA-Sprecherin demnach mit. Dem Bericht zufolge hat das BKA gerade einmal erste Konzepte für das System erstellt.
jpz/dpa
Die Zahl potenzieller rechter Gewalttäter steigt - und dennoch zeigt sie nicht das vollständige Bild, sagt BKA-Präsident Holger Münch.
[ "Rechtsextremismus", "BKA", "Holger Münch" ]
Panorama
Justiz & Kriminalität
2020-02-05T15:32:00+01:00
2020-02-05T15:32:00+01:00
https://www.spiegel.de/panorama/justiz/rechtsterrorismus-bka-zaehlt-53-rechtsextreme-gefaehrder-a-c266c279-0f4c-478c-aebe-2d1bba489b0d
Amazon: Unternehmen bringt Fire TVs nach Deutschland
Nach Streamingplayern und im Zusammenspiel mit anderen Marken gefertigten Fernsehern bringt Amazon nun eigene TV-Geräte in deutsche Wohnzimmer. Das Top-Modell Fire TV Omni QLED soll sich durch eine bequemere Bedienung mit dem Sprachdienst Alexa sowie Gemäldefunktionen von herkömmlichen Smart-TVs absetzen. Bei den Modellen Fire TV 4 und Fire TV 2 will Amazon vor allem mit günstigen Preisen punkten. Ebenfalls neu in Deutschland ist der Cloud-Dienst Luna, mit dem man grafisch aufwendige Spiele auf dem Fernseher laufen lassen kann, ohne dass eine starke Konsole daran angeschlossen sein muss. Wir haben uns bei der Präsentation in London einen ersten Eindruck verschafft. Der Fire TV Omni QLED ist im Grund eine Riesenversion des Echo Show 15, also ein Alexa-Lautsprecher mit sehr großem Display. Der Hauptunterschied zu normalen Fernsehern: Auch wenn gerade niemand etwas gucken will, wird der Bildschirm nicht abgeschaltet. Sobald ein eingebauter Sensor Bewegung erkennt, erscheint eine Ansicht mit Widgets, also Minifenstern. Diese zeigen die nächsten Kalendertermine oder Notizen für Familienmitglieder. Schaltflächen für smarte Lampen oder Heizkörperthermostate sind ebenso zu finden wie Vorschläge für TV-Sendungen oder Videos von Streamingdiensten. Neben der Fernbedienung reagiert der Fernseher auf Alexa-Sprachbefehle, eine Touchscreen-Funktion gibt es aber nicht. Ein Fernseher als GemäldeAuf Wunsch zeigt der Fernseher auch Gemälde an. Kostenlos lässt sich zwischen 1700 Bildern wählen. Im Laufe des Jahres will Amazon »dynamische Kunst« ergänzen. Das sind Bilder, deren Farbkomposition sich an die Tages- und Jahreszeit anpassen. Das Ganze ähnelt der Bilderrahmenidee von Samsungs Fernsehmodellreihe »The Frame«.Der Handelskonzern will auch mit dem Trendthema künstliche Intelligenz punkten. Amazon will mit einem Update eine Funktion freischalten, die fotorealistische Gemälde auf Zuruf erstellt. Bei der Präsentation in London wünschte sich Amazons Unterhaltungsgerätechef Daniel Rausch etwa Nordlichter über dem Big Ben oder ein Barockschloss auf dem Mars herbei. Bis eine einfache Sprachbedienung auf dem Fernseher praxisreif ist, braucht aber Amazon noch Zeit. Wann der Konzern die Funktion nachliefert, ist noch unklar. Fernsehen geht auf Amazons Smart-TVs auchFür die Aufgabe als Fernseher hat Amazon die Oberfläche der Fire-TV-Software überarbeitet. Sie zeigt auf dem Startbildschirm nicht nur Inhalte von Streamingdiensten an, auch das TV-Signal von einem Kabel-, Antennen- oder Satellitenanschluss ist direkt integriert. Bildtechnisch erreicht das Omni-Modell einen guten Oberklassestandard. Es löst maximal in 4K auf. Weil das Panel aus Quantenpunkt-Leuchtdioden (QLED) besteht, kann es kräftige Farben und tiefes Schwarz anzeigen. Damit es genau an der richtigen Stelle dunkel wird, ist die Bildfläche in 80 dimmbare Zonen unterteilt. Zusätzlich erkennt ein eingebauter Sensor das Umgebungslicht und passt die Helligkeit des Geräts an. Bei der Produktdemo von Amazon in London machte die Bildqualität einen guten ersten Eindruck. Für ein ausführlicheres Urteil ist ein Test unter kontrollierten Bedingungen erforderlich. Der Fire TV Omni QLED erscheint in vier Größen: von 43 Zoll für 600 Euro bis 65 Zoll für 1000 Euro. Die 65-Zoll-Variante wird ab dem 12. April ausgeliefert, alle weiteren ab dem 1. Juni. Zur Markteinführung bietet Amazon die Geräte mit deutlichen Preisnachlässen zur Vorbestellung an.Für kleinere Budgets hat Amazon Modelle namens Fire TV 4 und Fire TV 2 in petto. Bewegungssensorik und Widgets sind in beiden Fällen nicht an Bord, Alexa-Sprachbefehle und die kombinierte Ansicht aus TV- und Streaming-Inhalten aber schon. Der Fernseher namens Fire TV 4 bietet 4K-UHD-Auflösung. Es gibt ihn von 43 Zoll für 500 Euro bis 55 Zoll für 700 Euro. Der Fire TV 2 kostet in der 32-Zoll-Fassung 280 Euro, hier muss HD-Auflösung reichen. Die 40-Zoll-Variante für 350 Euro bietet mit Full HD ein schärferes Bild. HDR10 und HLG ist bei allen Modellen an Bord. Ab dem 12. April sind sie bei Amazon erhältlich. Alle Modelle können vorbestellt werden. Amazon Luna: Videospiele aus der WolkeWer aktuelle Videospiele in bester Grafikqualität spielen will, braucht normalerweise rechenstarke Computer oder Konsolen. Beim Cloudgaming ist das anders. Die Spielaktionen berechnen leistungsstarke Server in fernen Rechenzentren. Das Bildsignal kommt per Internet auf den Fernseher oder anderen Bildschirm, genau wie ein Videostream bei Netflix. Das ist ideal für TV-Geräte, die nicht über schnelle Prozessoren verfügen. Diesem Prinzip folgt Amazon Luna. Der Dienst für Cloudgaming ist nach einer Pilotphase in den USA ab heute in Deutschland erhältlich.Ist bereits ein Abo für Amazon Prime vorhanden, sind viele Spiele inkludiert. Für begehrte Titel sind Zusatz-Abos nötig. In der Variante Luna+ für zehn Euro monatlich sind Titel wie »Beach Buggy Racing 2« oder »Resident Evil 2« enthalten. Die Abo-Variante »Ubisoft+ Multi Access« für 18 Euro monatlich verschafft Zugang zu populären Spieleserien wie »Assassin’s Creed« und »Far Cry«. Eine Sammlung von Gelegenheitsspielen des Studios Jackbox Games ist für fünf Euro monatlich zu haben. Beliebige Controller unterstütztAußer auf Amazon-Fernsehern und -Tablets läuft Luna auch auf Windows-, Mac- und Chromebook-Computern sowie auf iPhones, iPads und Android-Smartphones. Bedienen lassen sich die Cloud-Spiele mit beliebigen Controllern. Der Touchscreen eines Smartphones kann ebenfalls als Steuereinheit dienen. Amazon bietet aber auch einen eigenen Spiele-Controller für 70 Euro. Weil er speziell für Luna konzipiert ist, sollen geringere Signallaufzeiten schnellere Reaktionen in Actionspielen ermöglichen.Die Bildqualität von Luna und das Reaktionstempo des Amazon-Controllers hinterließen während der Demo ebenfalls einen guten Eindruck. Spannend wäre aber zu sehen, wie gut das bei schlechteren Internetverbindungen klappt.
Berti Kolbow-Lehradt
Die neuen Fernseher von Amazon integrieren besonders viele Smart-TV-Funktionen. Gleichzeitig startet der Cloud-Dienst Luna, mit dem man Videospiele ohne Konsole zocken kann.
[ "Amazon", "Fernseher", "Streaming", "Unterhaltungselektronik" ]
Netzwelt
Gadgets
2023-03-22T18:13:03+01:00
2023-03-23T09:42:46+01:00
https://www.spiegel.de/netzwelt/gadgets/amazon-bringt-fire-tvs-nach-deutschland-a-913eec9c-2a78-46ba-ba42-69bbc7bf1c15
"Streif": Fritz Strobl siegt im Schneetreiben
Kitzbühel - Der Name Strobl strahlt für ein Jahr über dem prestigeträchtigen "Hahnenkamm". Bei der 60. Auflage der berüchtigten"Streif" von Kitzbühel sicherte sich der 27-jährige Fritz Strobl mit seinem vierten Weltcupsieg zum zweiten Mal nach 1997 die wohl begehrteste Weltcup-Trophäe des Winters und ließ damit die Top-Favoriten überraschend hinter sich. Zweiter in der von Schneetreiben und schlechter Sicht gekennzeichneten "Königs"-Abfahrt wurde seinNamensvetter und Landsmann Josef Strobl. Allerdings musste sich der zweitplatzierte "Peppi" (1:47,19 Minuten) seinen Rang bei der wegen der unwirtlichen Bedingungen verkürzten Schussfahrt mit dem italienischen Topfavoriten Kristian Ghedina teilen, der auf die Hundertstel-Sekunde zeitgleich über den Zielstrich glitt. "Ich widme diesen Sieg meiner Familie, den Trainern und allen Abfahrern - allen Abfahrern", bekannte der zurückhaltende Fritz Strobl betont ruhig, schloss allerdings damit den Super-G-Spezialisten und Gesamt-Weltcupführenden Hermann Maier in seiner Danksagung bewusst aus. Der 27-jährige Flachauer musste sich nach seinem ersten Sieg im Super-G am Vortag diesmal mit dem enttäuschenden vierten Rang begnügen. "Man merkt, es geht nicht weiter. Die Piste ist stumpf, es geht langsam dahin", schimpfte der 27-jährige Weltcup-Erste, der sich zu gerne auch in der Königsdisziplin erstmals mit dem Sieg geschmückt hätte. Doch der bei den Buchmachern zusammen mit Ghedina und Josef Strobl als 4:1-Favorit gehandelte Maier musste sich diesmal mit einer Statistenrolle begnügen. Frustriert trat er sich nach dem Durchlauf die Ski vom Schuh und haderte mit dem starken Schneefall, der dadurch weichen Piste und eigenen Fehlern. "Ich hoffe im nächsten Jahr auf Eis", blickte der Flachauer aber bereits wieder nach vorn. Nach Maiers Missgeschick war es damit an Fritz Strobl, nach einer Laufzeit von 1:46,54 Minuten aus dessen Schatten zu treten. Dabei war der Sieger mit seinem Lauf nicht vollends zufrieden. Immerhin konstatierte der Routiner trocken, dass "ich einige Passagen so schnell erwischt habe, dass ich mich fast gefürchtet habe". 100.000 Mark waren der Lohn dafür, dass er doch am schnellsten den Weg durch die wechselnden Verhältnisse fand. Dabei blieb er nach dem Coup gelassen, ganz im Gegensatz zu seinen Landsleuten, die den erneuten Triumph nach Hans Knauss im Vorjahr in vollen Zügen genossen.Wie beim Vortag im Super-G bangten die Veranstalter auch am Samstag lange um ihren Höhepunkt des Winters. Um die Durchführung überhaupt zu gewährleisten, war der Start unterhalb der berüchtigten "Mausefalle" vollzogen wollen. Damit war die Strecke einer ihrer schwersten Abschnitte beraubt. Vor allem Maier litt darunter und grummelte über die seiner Ansicht nach leichte Piste. Immerhin verteidigte der Perfektionist, dem weiterhin ein Sieg zur Einstellungdes österreichischen Rekordes von Franz Klammer (26) fehlt, seine Führungen in den Kategorien Super-G, Abfahrt und Gesamtweltcup souverän.
Nicht Hermann Maier, nicht der Namensvetter "Peppi" oder Christian Ghedina siegten am "Hahnenkamm", sondern der zurückhaltende Fritz Strobl, den offensichtlich niemand auf der Rechnung hatte.
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Sport
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2000-01-22T14:10:42+01:00
2000-01-22T14:10:42+01:00
https://www.spiegel.de/sport/sonst/streif-fritz-strobl-siegt-im-schneetreiben-a-60847.html
Schavans Plagiatsaffäre: Promotionsausschuss tagt an Uni Düsseldorf
Die Vorwürfe treffen sie und sie verfolgen sie, doch sie macht weiter wie geplant. Bloß keine Schwäche zeigen jetzt. Annette Schavan ist nach Israel gereist, trotzt Plagiatsaffäre, und spricht über deutsch-israelische Forschungszentren, deren Arbeit sich beschäftigen wird mit dem Thema "Leben unter extremen Bedingungen". Sie selbst betreibt gerade Politik unter verschärften Bedingungen, sie muss die Plagiatsvorwürfe aus der Welt schaffen, um ihr Ministeramt zu retten. Und sie gibt sich entschlossen, auch im Ausland: "Ich werde kämpfen. Das bin ich mir schuldig, und das bin ich der Wissenschaft schuldig", sagte sie in Jerusalem. Mehr allerdings wollte sie erst einmal nicht sagen, sondern das weitere Prüfungsverfahren abwarten. Denn an diesem Mittwochnachmittag tagt an ihrer alten Uni in Düsseldorf der zuständige Promotionsausschuss, um über jenes Gutachten zu beraten, das der Ministerin "eine leitende Täuschungsabsicht" in ihrer Arbeit vorwirft. Die Uni steht dabei unter Druck: Sowohl aus der Wissenschaft als auch aus der Union kommt heftige Kritik, zuletzt kritisierte Fraktionschef Volker Kauder "schwere Verfahrensfehler" an der Hochschule, so zitiert ihn die "Mitteldeutsche Zeitung". Ähnlich klang das auch bei anderen CDU-Politikern in den letzten Tagen. Die SPD hingegen geht in die Offensive: Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann sagte, Schavan solle sich überlegen, ob "sie von sich aus zurücktritt und Deutschland diese Debatte erspart". Die Ministerin habe zwar Anspruch auf ein "faires, korrektes Verfahren", allerdings sei sie als Bildungs- und Forschungsministerin "irreparabel beschädigt". Die Israel-Reise der Ministerin bezeichnete Oppermann als "Abschiedsreise". Es ist offen, ob Schavan diese Affäre überstehen wird. Die Mitglieder des Promotionsausschusses werden sich in jedem Fall mit Kritik auseinandersetzen müssen: Wenn sie in ihrer Beurteilung von Schavans Doktorarbeit dem Gutachter Rohrbacher folgen, wird ihnen vorgeworfen werden, dass sie ein überhartes Exempel statuieren wollen. Überhart gerade deshalb, weil es sich bei der Autorin der Dissertation um eine prominente Politikerin handelt. Wenn sie zu einem milderen Schluss kommen, wird es heißen, sie seien eingeknickt vor dem Druck aus Politik und Wissenschaft. Gleichzeitig würde die Tätigkeit des eigenen Vorsitzenden konterkariert, der selbst die Arbeit über Monate akribisch geprüft hat. Eigentlich lässt die von Rohrbacher konstatierte "leitende Täuschungsabsicht" nicht viel Spielraum. Sein Befund ist klar: Die Arbeit weise "das charakteristische Bild einer plagiierenden Vorgehensweise" auf. Plagiat hieße: Der Titel ist weg."Hier geht es um die Entziehung von Lebenschancen"Sollte der Promotionsausschuss schon jetzt ein Votum abgeben, dann ist der weitere Weg vorgezeichnet: Die Sache Schavan geht dann in den Fakultätsrat, jenes Gremium, welches über die Aberkennung entscheidet. In ihm sitzt eine größere Zahl von Mitgliedern, einige sind schon im Promotionsausschuss vertreten. Die Uni hat aber angekündigt, zunächst Schavan die Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen. Formal müssen die zuständigen Gremien nur zu einem Mehrheitsvotum kommen. Ein knapper Entscheid würde allerdings legitimatorische Probleme aufwerfen, sagt Wolfgang Löwer, Professor für Öffentliches Recht in Bonn und Ombudsmann bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). "Hier geht es um die Entziehung von Lebenschancen", sagt Löwer. "Da muss man gut nachdenken."An der Universität Bonn zum Beispiel bestätigte im Frühjahr der Fakultätsrat einstimmig den vorherigen Beschluss des Promotionsausschusses, der FDP-Beraterin Margarita Mathiopoulos den Doktortitel zu entziehen, wogegen sich Mathiopoulos wehrt. Auch im Falle von Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) entzog dessen Fakultät an der Universität Bayreuth den Titel einstimmig. Niedersachsens Kultusminister Althusmann (CDU) durfte hingegen einen Titel behalten. Die Kommission an der Universität Potsdam kam einstimmig zu dem Beschluss, dass trotz erheblicher Mängel eine Täuschung nicht vorliege. Doch was Potsdam für richtig hält, muss für Düsseldorf noch nichts heißen, jede Arbeit ist ein Einzelfall. Die Hochschulen sind unabhängig voneinander, selbst an einer Universität können in unterschiedlichen Fachbereichen abweichende Auffassungen gelten. Die Mitglieder des Promotionsausschusses müssen nach den Regeln urteilen, die für ihre eigene Fakultät gelten, sie sind nur den Maßstäben sauberen wissenschaftlichen Arbeitens verpflichtet. Sie haben über einen Text zu befinden, nicht über das ganze Drumherum.Es ist aber gut möglich, dass die zuständigen Gremien erst einmal Zeit gewinnen wollen. Diese könnte genutzt werden, um weitere Gutachten einzuholen und Schavan anzuhören. Dann würde die Hängepartie allerdings noch Wochen, womöglich Monate dauern. Für alle Beteiligten eine schwere Bürde, aber womöglich das geringste unter allen Übeln.
Mit Material von dpa und dapd Jan Friedmann, Oliver Trenkamp
Annette Schavan wehrt sich gegen die Plagiatsvorwürfe. Am Nachmittag berät der Promotionsausschuss der Uni Düsseldorf über einen möglichen Titelentzug. Eine missliche Lage für die Prüfer: Entweder sie entscheiden gegen den eigenen Gutachter - oder sie bringen eine Ministerin zu Fall.
[ "Annette Schavan", "Guttenbergs Plagiatsaffäre", "Wissenschaftsbetrug", "Doktortitel", "Universitäten" ]
Panorama
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2012-10-17T11:44:00+02:00
2012-10-17T11:44:00+02:00
https://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/schavans-plagiatsaffaere-promotionsausschuss-tagt-an-uni-duesseldorf-a-861723.html
Spitzenverdiener
In der Parteispenden-Affäre wurde jetzt der bislang höchste Strafbefehl beantragt. Weil er Gelder an illegale Waschanlagen gespendet hat, soll Hans Gerling, Chef des gleichnamigen Kölner Versicherungskonzerns, mehr als 1,8 Millionen Mark Strafe zahlen und einige Millionen nachversteuern. Die Rekordsumme setzt sich aus 200 Tagessätzen zu je 9100 Mark zusammen. Die Bonner Staatsanwälte haben für Gerling damit ein Jahresnettoeinkommen von mindestens vier Millionen Mark veranschlagt.
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Politik
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1987-09-13T13:00:00+02:00
1987-09-13T13:00:00+02:00
https://www.spiegel.de/politik/spitzenverdiener-a-eefa7bd5-0002-0001-0000-000013524141?context=issue
Christian Lindner "betreibt das Geschäft der AfD"
Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, hat die Äußerungen von FDP-Chef Christian Lindner zur Furcht vor Zuwanderern scharf kritisiert. "Mit seiner Stimmungsmache gegen Dunkelhäutige und Hartz-IV-Empfänger mit Flüchtlingsgeschichte betreibt Christian Lindner das Geschäft der AfD", sagte der CDU-Politiker dem "Handelsblatt". Die FDP spalte damit die Gesellschaft und entferne sich von ihren liberalen Wurzeln, sagte Bäumler. Die Würde jedes Einzelnen habe Lindner auf den "liberalen Friedhof" befördert.Lindner hatte am Samstag auf dem FDP-Parteitag in Berlin gesagt, die Menschen beim Bäcker in der Schlange könnten nicht unterscheiden, ob ein Mensch, der in gebrochenem Deutsch ein Brötchen bestelle, ein hochqualifizierter Entwickler oder ein illegal zugewanderter Ausländer sei. Lindner legte nahe, dass es für eine befriedete Gesellschaft notwendig sei, dass sich Menschen, die beim Bäcker in der Schlange warten, sicher sein müssen, "dass jeder, der sich bei uns aufhält, sich legal bei uns aufhält". (Die komplette Rede können Sie hier nachlesen .) Bäumler kritisierte Lindner auch für seine Äußerung, Hartz-IV-Leistungen wirkten wie "ein Magnet", mit dem sich ein Zuverdienst nicht mehr lohne. Wer Hartz IV als Magnet bezeichne, verhöhne Menschen, die auf soziale Grundsicherung angewiesen seien, sagte der CDU-Politiker.Lindner erläutert seine AussagenSchon unmittelbar nach Lindners Rede hatte es Kritik an den Äußerungen des FDP-Chefs gegeben. Auf Plattformen wie Facebook und Twitter reagierten viele Nutzer mit Spott, die Aussagen wurden als rassistisch und rechtspopulistisch kritisiert. Das FDP-Mitglied Chris Pyak etwa kündigte an, wegen der umstrittenen Passage in Lindners Rede aus der Partei ausgetreten zu sein (ein Interview mit Pyak über die Hintergründe lesen Sie hier). Video zur Kritik am FDP-Chef: Wirbel um Lindner-Äußerung über Migranten Lindner selbst reagierte am Sonntag per Kurzvideo auf die Online-Kommentare: Lindner betont in dem kurzen Video, dass er die Passage, die er als "Anekdote" bezeichnet, "frei entwickelt" habe. Die Bäckerei-Szene leitet sich ihm zufolge aus einer realen Situation ab, die ihm ein Bekannter geschildert habe - ein Zuwanderer, der in den vergangenen Jahren festgestellt hätte, dass ihm zum Beispiel beim Bäcker Fremdenangst entgegenschlage, "so ein kritischer Blick von der Seite". Wer in seinen Äußerungen Rassismus oder Rechtspopulismus lesen wolle, der sei "doch etwas hysterisch unterwegs", sagte der FDP-Chef. Die Reaktion der AfDDie AfD hat mit der Bäckerei-Anekdote übrigens inhaltlich kein Problem. Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel warf Lindner am Sonntagabend jedoch vor, seine Bedenken gegen die aktuelle Zuwanderungs- und Asylpolitik seien reine Lippenbekenntnisse. Bisher habe sich die FDP jedem Antrag der AfD konsequent verweigert, der die Rechtsstaatlichkeit in Deutschland wieder herstellen will. "Wir laden die FDP aber gerne ein, ihren Worten auch Taten folgen zu lassen", sagte Weidel.Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Schön, wenn nun einer wie Lindner, der uns von der AfD permanent und komplett zu Unrecht einer Fremdenfeindlichkeit und eines Rassismus zeiht, die uns vollkommen fremd sind, einmal selbst mit diesem unberechtigten Vorwurf konfrontiert wird." Vielleicht werde Lindner aus dieser Episode lernen, diesen Vorwurf "künftig nicht mehr so leichtfertig in den öffentlichen Raum zu stellen". AfD-Vize Georg Pazderski sagte, die Liberalen unter Lindner liefen nur dem Trend hinterher, um sich wieder einmal politisch anzubiedern.
aar/AFP/dpa
Die Kritik an Christian Lindners Bäckerei-Anekdote hält an: Die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft wirft ihm Stimmungsmache gegen Dunkelhäutige vor. Die AfD kann der Rassismus-Debatte Positives abgewinnen.
[ "FDP", "Christian Lindner", "Alternative für Deutschland (AfD)", "Flüchtlinge", "Flucht nach Europa", "Fremdenfeindlichkeit" ]
Politik
Deutschland
2018-05-14T01:29:00+02:00
2018-05-14T09:33:00+02:00
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/christian-lindner-und-die-baeckerei-anekdote-er-betreibt-das-geschaeft-der-afd-a-1207537.html
Tiefschläge im Hochbau
Schläge »weit unterhalb der Gürtellinie«, so Cheflektor Peter Neitzke vom Braunschweiger Vieweg-Verlag, kennzeichnen den Titel-Kampf um ein nobles Bau-Periodikum: das Jahrbuch für Architektur. Seit 1981 wird die edel gedruckte Zeitschrift von dem Frankfurter Architektur-Museum herausgegeben. Dessen Leiter, Vittorio Lampugnani, will aber die nächste Nummer im Münchner Prestel-Verlag herausbringen - Prestel, anders als Vieweg, wagt die Publikation auch ohne die bisher üblichen Subventionen aus Frankfurt. Die Braunschweiger indes geben den Titel nicht her und haben sich jetzt einen neuen Partner gesucht: den Bund Deutscher Architekten. Verlag und Baumeister-Lobby sammeln schon »publikationsreife Materialien« für ein eigenes - fachlich unabhängiges? - Jahrbuch. Ein privater Sponsor ist auch gefunden. Wem der Titel Jahrbuch für Architektur wirklich gehört, muß wohl ein Richter entscheiden.
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Kultur
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1992-03-15T13:00:00+01:00
1992-03-15T13:00:00+01:00
https://www.spiegel.de/kultur/tiefschlaege-im-hochbau-a-0513f141-0002-0001-0000-000009275547?context=issue
EnBW macht Gewinn dank Aktienverkäufen
Wenn ein großer Stromkonzern in diesen Tagen Gewinn macht, ist das schon fast eine Nachricht an sich. Doch bei EnBW   sieht die Lage nur auf den ersten Blick besser aus als bei den Konkurrenten: Der Konzern hat im vergangenen Jahr ein Gewinnplus verzeichnet. Das lag jedoch vor allem an Aktienverkäufen. Insgesamt erzielte EnBW nach eigenen Angaben einen Gewinn von fast 125 Millionen Euro. Im Vorjahr hatte es noch ein Minus von knapp 466 Millionen Euro gegeben. Der EnBW-Umsatz stieg 2015 leicht auf 21,2 Milliarden Euro, nach 21,0 Milliarden Euro im Vorjahr. Der Hauptversammlung soll eine Dividende von 0,55 Euro je Aktie vorgeschlagen werden.Im Grundsatz plagen EnBW die gleichen Probleme wie die Wettbewerber E.on und RWE, die im vergangenen Jahr hohe Verluste einfuhren. Fallende Großhandelspreise für Strom und Abschreibungen auf den Kraftwerkspark belasteten das Ergebnis. Dazu kamen Rückstellungen von insgesamt einer Milliarde Euro. Für 2016 rechnet Konzernchef Frank Mastiaux weiter mit schwierigen Geschäften. Der Umbau des Unternehmens weg von Atom- und Kohlestrom hin zu Windenergie und Gas soll fortgesetzt werden.
sep/dpa
Die Energieriesen RWE und E.on machten im vergangenen Jahr Verluste. Beim Konkurrenten EnBW sehen die Zahlen deutlich besser aus. Doch der Gewinn hat nur bedingt mit Strom zu tun.
[ "EnBW", "Energiewende", "Energiewirtschaft", "Stromnetze", "Strompreis", "Energie Baden-Württemberg (EnBW)" ]
Wirtschaft
Unternehmen
2016-03-21T12:56:00+01:00
2016-03-21T14:08:00+01:00
https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/stromriese-enbw-macht-gewinn-mit-aktienverkaeufen-a-1083417.html
Terror-Drohung in Berlin: Polizei verstärkt Schutz der Botschaften der USA und Israels
Berlin - Nach Angaben aus Berliner Sicherheitskreisen kam die Anschlags-Warnung von den israelischen Behörden. Diese hatten der Berliner Polizei ihre vagen Kenntnisse von einem möglichen Terror-Plan gegen die Landesvertretungen Israels und der USA mitgeteilt. Mitarbeiter des Landeskriminalamtes (LKA) sagten jedoch am Mittwochnachmittag, dass es sich bei den Informationen um "eher unkonkrete" Angaben handele. Trotzdem versuchen die Fahnder nach eigenen Angaben zu ermitteln, ob etwas an den Plänen dran ist. Gleichwohl wurden die Schutzmaßnahmen an den Gebäuden sofort verstärkt. Der Schutz werde erst wieder auf das übliche Niveau heruntergefahren, wenn sich herausstelle, dass kein Anschlag geplant sei, sagte ein Polizeisprecherin. Beide Botschaftsgebäude gehören zu den am besten bewachten Einrichtungen der Hauptstadt, die rund um die Uhr von schwerbewaffneten Polizisten geschützt werden.Welche Gruppierung für die Drohungen verantwortlich sein könnte, wurde nicht mitgeteilt. In einem Bericht der "Berliner Morgenpost" hieß es, ein arabisches Terrorkommando plane die Angriffe. Eine solch konkrete Zuordnung wollte jedoch bei der Polizei am Mittwoch niemand bestätigen. Erst Anfang Januar war bekannt geworden, dass ein palästinensischer Terrorist einen Anschlag gegen den israelischen Botschafter in Deutschland, Schimon Stein, geplant hatte. Zu den aktuellen Drohungen wollte sich eine Sprecherin der Botschaft nicht äußern. Auch die US-Vertretung wollte zunächst keine Stellungnahme abgeben.
Die Warnung eines ausländischen Geheimdienstes hat die Berliner Sicherheitsbehörden in Alarm versetzt. Demnach plant ein Terrorkommando einen Anschlag auf die amerikanische und die israelische Botschaft in der Hauptstadt. Sofort wurde der Schutz der Vetretungen verstärkt.
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Panorama
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2003-01-29T17:23:43+01:00
2003-01-29T17:23:43+01:00
https://www.spiegel.de/panorama/terror-drohung-in-berlin-polizei-verstaerkt-schutz-der-botschaften-der-usa-und-israels-a-232854.html
Estland: Mit über 200 km/h im Porsche - 13-Jähriger liefert sich Verfolgungsjagd mit der Polizei
Bei einer heimlichen Fahrt mit dem Sportwagen seiner Eltern hat sich ein 13-Jähriger in Estland eine Verfolgungsjagd mit der Polizei geliefert.Der Jugendliche fuhr teils mit einer Geschwindigkeit von über 200 km/h und durchbrach dabei auch eine von der Polizei errichtete Straßensperre. Erst unter Einsatz mehrerer Sicherheitskräfte konnte er schließlich an einer weiteren Sperre gestoppt werden, teilten die Behörden  mit. Einer zivilen Streife war das Fahrzeug zuvor in der Nacht zum Freitag auf einer Fernstraße wegen überhöhter Geschwindigkeit aufgefallen. Als der Jugendliche bemerkte, dass die Polizei ihn kontrollieren wollte, beschleunigte er und raste davon. Mit ihm im Auto befanden sich ein 12-jähriges Mädchen und ein 16-jähriger Junge.Jugendliche wollten offenbar Burger essenDie drei gaben der Polizei zufolge an, sich heimlich das Auto der Eltern des 13-Jährigen genommen zu haben. Sie hätten vom Ort Paide in das rund 90 Kilometer entfernte Ostseebad Pärnu fahren wollen, um dort Burger zu essen.
fek/dpa
In Estland endete die nächtliche Spritztour im Auto der Eltern für einen 13-Jährigen bei der Polizei. Er wollte offenbar mit seinen Freunden Burger essen.
[ "Estland" ]
Panorama
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2020-10-02T19:48:35+02:00
2020-10-02T19:48:35+02:00
https://www.spiegel.de/panorama/estland-13-jaehriger-liefert-sich-verfolgungsjagd-mit-der-polizei-a-c3c9bdff-d3df-4515-ad43-a24447446a71
Junge Weltverbesserer: Rette Welt wer kann
Ihnen ist die Zukunft unserer Erde alles andere als egal. Sie kommen aus Indien, Malaysia, Schweden und Deutschland und arbeiten an ganz unterschiedlichen Projekten. Trotzdem haben sie eine Gemeinsamkeit: Sie wollen die Welt verbessern. Arunduth Gupka, 23, zeigt Kindern aus indischen Slums Wege aus der Armut. Afiq Johar, ebenfalls 23, möchte die Konflikte zwischen Muslimen und Buddhisten in Südthailand lösen. Andreas Sidkvist, 28, startet eine "Rettet die Welt"-Kampagne an schwedischen Schulen, um Kinder für den Umweltschutz zu begeistern. Felix Finkbeiner, 11, kämpft für Klimagerechtigkeit und möchte eine Million Bäume pflanzen. Jungen Leuten wird oft vorgeworfen, sie seien nur engagiert, wenn es um ihre eigene Karriere geht - auf diese vier trifft das sicher nicht zu. SPIEGEL ONLINE stellt ihre Projekte vor und fragte: Was treibt dich an? Was bedeutet Gerechtigkeit für dich? Was macht dich glücklich? Wovor hast du Angst? Obwohl jeder von ihnen an einem ganz anderen Projekt arbeitet, teilen sie gemeinsame Ängste. Die größten Sorgen bereiten ihnen soziale Ungerechtigkeit, Klimaveränderungen und die Angst, dass sie nicht schnell genug sein könnten, um diese drängenden Probleme aufzuhalten. Als "Future Global Leaders" trafen sich die vier beim Salzburger Trilog, einem internationalen Kolloquium, das jährlich im Rahmen der Salzburger Festspiele ausgerichtet wird. Die Inderin Arundhuti Gupka, 23, will Slumkindern aus der Armut helfen Arundhuti Gupka studiert Wirtschaft an der Manchester Business School und arbeitete bereits in mehreren Non-Profit-Organisationen. In ihrer Heimatstadt Bangalore hat sie das Mentorenprogramm "Mentor together" gegründet, das sich um Kinder aus indischen Slums kümmert. Mit den ursprünglichen Bildungsprogrammen Bangalores war sie unzufrieden. Ihrer Meinung nach werden Kinder aus armen Familien benachteiligt, weil sie keine Schlüsselqualifikationen erwerben, die ihnen helfen, der Armut zu entkommen. In Gupkas Programm bringen die Mentoren den Kindern Englisch in Wort und Schrift bei und helfen ihnen, ihre beruflichen Ziele zu verwirklichen. Was treibt dich an?Mein Vorbild ist der Wirtschaftswissenschaftler und FriedensnobelpreisträgerMohammad Yunus. Yunus vergab Mikrokredite an die Ärmsten der Armen und half ihnen dabei, sich aus der Armut zu befreien. Was bedeutet Gerechtigkeit für dich?Ich denke, wir können nicht alle mit den gleichen Fähigkeiten geboren werden, aber alle Menschen auf der Welt müssen die gleichen Chancen bekommen. Das ist Gerechtigkeit. Meiner Meinung nach ist es eine große Ungerechtigkeit, dass Menschen, die zufällig in einer armen Familie geboren worden sind, viel schlechtere Chancen haben, in ihrem Leben etwas zu erreichen als Kinder aus reichen Familien. Was macht dich glücklich?Es macht mich total glücklich, wenn ich Chancengleichheit sehe. Armut muss für immer ausgelöscht werden. Wir müssen jedem Menschen helfen, sein wahres Potential zu entfalten. Bei einer Veranstaltung wie dem Salzburger Trilog sehe ich so viele Möglichkeiten, wie man unsere drängenden Probleme lösen kann.Was macht dir Angst?Ich habe Angst davor, dass die guten Menschen gegenüber den egoistischen, kurzsichtigen Menschen in der Unterzahl sind. Außerdem habe ich Angst davor, dass wir vielleicht nicht schnell genug sind, um eine nachhaltige Zukunft zu erreichen.Der Malaysier Afiq Johar, 23, will für eine friedliche Welt eintreten Afiq Johar engagiert sich bei der internationalen Bewegung Just und organisierte die erste internationale Jugendkonferenz, die mittlerweile jährlich stattfindet. Das Ziel: Jugendliche aus unterschiedlichen Ländern zusammenbringen und ein harmonisches Verhältnis zwischen ihnen fördern, damit sie gemeinsam für eine engagierte Gesellschaft eintreten. Bei der Konferenz diskutieren die Gäste zum Beispiel über die Globalisierung oder versuchen zu verstehen, warum Religion sowohl Frieden stiften als auch Kriege verursachen kann. Johar arbeitete außerdem mit dem "Asian Muslim Action Network" (Aman) zusammen. Mit dieser NGO suchte er nach Lösungen für die Konflikte zwischen Muslimen und Buddhisten im Süden Thailands. Seit 2004 kamen bei Aufständen in Südthailand über 4000 Menschen ums Leben. Mit Aman lud Johar junge, thailändische Buddhisten und Muslime ins Nachbarland Malaysia ein, um ihnen eine friedliche Begegnung zu ermöglichen und gegenseitiges Verständnis für die andere Kultur und Religion zu fördern. Mittlerweile arbeitet Johar für die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers, so dass ihm nicht mehr so viel Zeit für seine ehrenamtliche NGO-Arbeit bleibt. Aber er versucht sich auch am Arbeitsplatz zu engagieren, setzt sich als "Green Marshall" für den Umweltschutz in seinem Büro ein und organisiert Spendenaktionen für Krisengebiete. Was treibt dich an?Die Gewissheit, dass das, was ich tue, einen Unterschied bewirken kann, gleichgültig, wie klein dieser Unterschied ist. Was bedeutet Gerechtigkeit für dich?Gerechtigkeit bedeutet für mich, dass es keine Vorurteile gibt Was macht dich glücklich?Eis essen. Und wenn ich sehe, dass sich meine Bemühungen gelohnt haben.Was macht dir Angst?Globale Erderwärmung und Klimaveränderungen Der Schwede Andreas Sidkvist, 28, will Schüler für den Umweltschutz begeistern Momentan versucht Andreas Sidkvist mit seiner NGO "Global Action Plan" in Schweden die niederländische Internetcommunity "Treemagochi" einzuführen. Die Seite richtet sich an Menschen, die sich im privaten Bereich für Umweltschutz engagieren möchten. Sie unterschreiben zum Beispiel, dass sie zu einem umweltfreundlicheren Stromanbieter oder einer engagierten Bank wechseln wollen. Alle Community-Mitglieder erhalten einen virtuellen Baum, der wachsen kann wie ein Tamagochi, wenn sie ihre Versprechen einlösen. Andreas nächstes Projekt ist eine "Rettet die Welt"-Kampagne an schwedischen Schulen. Er möchte Schüler motivieren, sich für eine umweltbewusste Gesellschaft einzusetzen und selbst Zukunftsvisionen von einer besseren Welt zu entwickeln. Die Schüler sollen sich überlegen, was sie zum Umweltschutz beitragen können, Sidkvist und sein Team unterstützen sie bei der Verwirklichung ihrer Pläne als Mentoren. In seiner Nachbarschaft startete Sidkvist ein Netzwerk für Menschen, die sich auf lokaler Ebene für den Umweltschutz einsetzen möchtenWas treibt dich an?Ich möchte etwas machen, was mir sinnvoll erscheint. Bei den heutigen Problemen wie Klimaveränderungen und sinkenden Ölreserven denke ich, dass eine Kampagne für eine umweltbewusste Gesellschaft das Beste ist, was ich tun kann. Was bedeutet Gerechtigkeit für dich?Gerechtigkeit bedeutet für mich, dass wir alle die gleichen Chancen und Verpflichtungen habenWas macht dich glücklich?Menschen, die Gutes tun.Was macht dir Angst?Wenn Menschen ihr Leben von Angst kontrollieren lassen.Der Deutsche Felix Finkbeiner, 11, will eine Million Bäume pflanzen Felix gründete 2007 die Schülerinitiative "Plant for the Planet". Die jungen Mitglieder kämpfen dafür, dass weltweit jeder Mensch die gleichen CO2-Verschmutzungsrechte bekommt. Ihrer Meinung nach ist es ungerecht, dass zum Beispiel ein Deutscher jährlich durchschnittlich elf Tonnen CO2 in die Atmosphäre pustet, ein Afrikaner dagegen nur 0,5 Tonnen. "Plant for the Planet" macht sich dafür stark, dass jeder Mensch, der mehr CO2 verbraucht als der Durchschnitt, anderen Menschen CO2 Verschmutzungsrechte abkaufen muss. Da jeder Baum jährlich etwa zehn Kilo CO2 bindet, will "Plant for the Planet" als Zeichen der Klimagerechtigkeit weltweit eine Million Bäume pflanzen. 2008 wurde Felix in den Kindervorstand des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (Unep) gewählt. Um andere Schüler für seine Ideen zu begeistern, reist Felix um die Welt und spricht auf Kinderkonferenzen der UNEP. Außerdem laden ihn auch Erwachsene zu Vorträgen ein. So hat Felix Ende 2007 vor 1200 Toyota-Händlern gesprochen und im November 2008 im EU-Parlament in Brüssel. Mittlerweile hat "Plant for the Planet" fast 300.000 Bäume gepflanzt. Wenn Felix nicht gerade als Klimabotschafter unterwegs ist, geht der Elfjährige in die siebte Klasse. Seine Hobbys sind Mountainbiken, Snowboarden, Töpfern, Fußballspielen und Lesen.Was treibt dich an?Wir Kinder wollen die gleiche Chance bekommen wie unsere Eltern. Heute sieht es nicht danach aus, wenn wir die Wissenschaftler hören.Was bedeutet Gerechtigkeit für dich?Es ist nicht gerecht, wenn weltweit jährlich sechs Millionen Kinder verhungern. Es ist auch nicht gerecht, wenn Afrikaner, die genauso alt sind wie ich, sich in ein Boot nach Europa setzen, obwohl sie wissen, dass nur zwei Drittel von ihnen lebend das Festland erreichen. Was macht dich glücklich?Am 19. August habe ich in Südkorea vor 550 Kindern gesagt, wer in seinem Land eine Million Bäume pflanzen will, der soll bitte zu mir auf die Bühne kommen. Nach drei Minuten waren 550 Kinder bei mir auf der Bühne. Da war ich glücklich.Wovor hast du Angst?Dass wir nicht mehr genug Zeit haben, die Probleme zu lösen. Deutschland gibt fünf Milliarden Euro aus, damit Autos mit alter Technik gekauft werden - und wir nennen das "Umweltprämie". So etwas macht mir Angst.
Sonja Salzburger
Kindern helfen, Frieden stiften, Bäume pflanzen: In Salzburg trafen sich junge Menschen aus aller Welt, die sich alle für eine bessere Welt einsetzen. SPIEGEL ONLINE stellt vier von ihnen vor - ihre Projekte, ihre Ängste und ihre Ziele.
[ "Ehrenamtliches Engagement", "Umweltschutz", "Soziales Engagement" ]
Panorama
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2009-09-28T17:00:45+02:00
2009-09-28T17:00:45+02:00
https://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/junge-weltverbesserer-rette-welt-wer-kann-a-646301.html
Alkohol: Auch Tiere trinken, süchtig werden sie aber selten
Auch Tiere dröhnen sich gern zu. Das Internet ist voll von Filmen über taumelnde Elefanten und besoffene Affen. Elche berauschen sich an faulen Früchten, Vögel an gefrorenen Beeren. Igel schlürfen Bierfallen leer (marinierte Schnecken inklusive), Rentiere fressen halluzinogene Pilze. Vieles ist belegt und dokumentiert - aber nur wenig davon erforscht. Ist der tierische Alkohol- und Drogengenuss Absicht oder Versehen? Bringt es die Tiere in Gefahr, oder macht es ihnen Spaß? Sind es Einzelfälle, oder ist es gelerntes Verhalten? Und, letztendlich: Was können wir vom Tierreich über das Suchtverhalten des Menschen lernen?Fliegen im SuffMit lustigen Filmen kann Henrike Scholz, Neurobiologin und Verhaltensforscherin an der Universität Köln, nicht dienen. Ihre Mitarbeiter arbeiten mit Fruchtfliegen, die sie mit Alkohol füttern und dann beobachten. "Wenn man ihnen Alkohol anbietet, sie ausnüchtern lässt und ihnen dann erneut Alkohol gibt, verändern sie ihr Verhalten", berichtet Scholz. Die Tiere werden hyperaktiv, rasen herum, laufen Kurven. Irgendwann fallen sie um und liegen bewegungsunfähig auf dem Rücken. "Beim zweiten Mal dauert es viel länger, bis sie betrunken werden", erklärt die Wissenschaftlerin. Der Stoffwechsel der Fliegen hat sich angepasst. Das sei ähnlich wie bei Alkoholikern. Für ihre Droge nehmen sie nach ersten Erfahrungen sogar Unangenehmes in Kauf.In den Experimenten waren sie etwa bereit, Bitterstoffe zu tolerieren, wenn sie damit Alkohol bekamen. Auch in freier Natur stehen Fliegen auf Alkoholisches - in Form von vergorenem Obst. "Die Tiere haben gelernt: Wo es nach Alkohol riecht, da gibt es Kalorien", erklärt Scholz. Suche nach Alkohol fest im Gehirn verschaltetDie Forscherin glaubt allerdings nicht, dass die Tiere im klassischen Sinne süchtig werden. Was es ihrer Ansicht nach gibt, ist "abnormes Verhalten Einzelner in Extremsituationen". In der Regel wählten Tiere alkoholhaltige Nahrung nicht wegen der Folgen auf die Psyche, auch wenn diese vielleicht als angenehm empfunden werden.Nach verrotteten Früchten - und damit nach Alkohol als Energiequelle - zu suchen sei "ein ganz natürliches Verhalten, das im Gehirn möglicherweise fest verschaltet ist und nicht erlernt werden muss", erklärt Wolfgang Sommer vom Mannheimer Zentralinstitut für Seelische Gesundheit. Abhängigkeit hingegen gebe es bei Tieren kaum. "Sucht können sich die meisten Tiere gar nicht leisten: Sie würden sofort ihren Feinden zum Opfer fallen." Je höher entwickelt die Tiere sind - ergo: je weniger natürliche Feinde sie haben - desto eher können sie es allerdings riskieren, beim Drogenkonsum auch mal über die Stränge zu schlagen. "Ausgeprägtes Suchtverhalten sehen wir nur bei höher entwickelten Spezies", sagt Sommer. "Es scheint so zu sein, dass man ein recht entwickeltes Gehirn braucht, um Suchtverhalten zu entwickeln."Besäufnis mit PalmweinSo sind etwa sturzbetrunkene Affen keine Seltenheit. In Guinea beobachteten portugiesische Forscher, dass wild lebende Schimpansen bis zu drei Liter vergorenen Palmsaft trinken. "Schimpansen konsumieren vergorenen Palmensaft in Bossou selten, aber gewohnheitsmäßig", schrieben sie im Jahr 2015 im Fachblatt "Royal Society Open Science". Daran beteiligten sich beide Geschlechter und sämtliche Altersgruppen. Berichte über Delfine, die Kugelfische wegen des Nervengiftes, das diese absondern, wie einen Joint im Kreis herumreichen, verweisen seriöse Wissenschaftler allerdings ins Reich der Anekdoten. "Denkbar" sei das zwar schon, sagt Sommer - aber wohl eher Zufall als Absicht. Tiere seien von Natur aus neugierig. Daher könne es auch vorkommen, dass sie mal psychoaktive Pilze oder Koka-Blätter fressen.Eine Flasche Wodka fürs HörnchenManche anderen, kleineren Spezies sind dagegen offenbar gar nicht in der Lage, einen Rausch zu entwickeln. Federschwanz-Spitzhörnchen (Ptilocercus lowii) in Malaysia ernähren sich während der Blütezeit beispielsweise fast ausschließlich vom Nektar einer bestimmten Palme  - und der hat fast vier Prozent Alkohol. Angesichts des geringen Körpergewichts der Tiere entspricht die täglich verzehrte Menge - auf den Menschen übertragen - etwa einer Flasche Wodka pro Tag. Trotzdem zeigen die Tiere keinerlei Ausfallerscheinungen. Für Rainer Spanagel, Pharmakologe am Mannheimer Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, sind die Federschwanz-Spitzhörnchen "ein Beispiel für evolutionäre Anpassung": Der Stoffwechsel hat sich so entwickelt, dass er Alkohol besonders effektiv abbauen kann.
jme/dpa
Die einen erweisen sich als absolut trinkfest, die anderen berauschen sich bei exzessiven Gelagen: Viele Tiere trinken, sogar Fruchtfliegen. Warum wirkt Alkohol so anziehend?
[ "Biologie", "Alkoholismus" ]
Wissenschaft
Natur
2017-06-08T17:49:00+02:00
2017-06-08T17:49:00+02:00
https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/alkohol-auch-tiere-trinken-suechtig-werden-sie-aber-selten-a-1151203.html
Auslosung: Haas macht den Anfang
Braunschweig - Der Hamburger trifft um 12 Uhr auf Moldovan. Der Weltranglisten-313. kommt anstelle des verletzten Adrian Voinea zum Einsatz. Anschließend stehen sich Rückkehrer Nicolas Kiefer und Rumäniens Spitzenspieler Andrei Pavel gegenüber.Am Samstag spielen Marc Goellner und David Prinosil ab 15 Uhr das Doppel gegen Pavel und Gabriel Trifu. Am Sonntag treffen ab 13 Uhr Haas und Pavel aufeinander, anschließend spielt Kiefer gegen Moldovan. "Besondere Anspannung für Kiefer"Die Augen der rund 6000 Fans in der nicht ganz ausverkauften Volkswagenhalle werden vor allem auf Kiefer gerichtet sein. "Das ist sicher eine besondere Anspannung für ihn", meinte Teamchef Carl-Uwe Steeb: "Aber diese Situation muss er jetzt überwinden. Ich denke, er ist dafür reif."Der 23-jährige Kiefer hat nach zwei Jahren ins Team zurückgefunden, nachdem die Missverständnisse des Vorjahres ausgeräumt worden sind. "Ich freue mich einfach", sagt der Niedersachse, "es ist kein Problem für mich, das zweite Einzel zu bestreiten. Ich gehe auch davon aus, dass Tommy gewinnt."
Tommy Haas bestreitet beim Daviscup-Auftakt in Braunschweig gegen Rumänien am Freitag das erste Einzel gegen den rumänischen Ersatzmann Ionut Moldovan.
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Sport
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2001-02-08T15:31:38+01:00
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https://www.spiegel.de/sport/sonst/auslosung-haas-macht-den-anfang-a-116553.html
Zitat.
»Ich hatte drei Gespräche mit Herrn Kennedy, und jedesmal sprach er von Geflügel. Ist er nun ein Präsident oder ist er ein Geflügelzüchter?« (Bundeskanzler Konrad Adenauer.)
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Politik
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1963-08-20T13:00:00+01:00
1963-08-20T13:00:00+01:00
https://www.spiegel.de/politik/zitat-a-438ab6ba-0002-0001-0000-000046171632?context=issue
Giro-Auftakt in Israel: "Super, dass ihr hier seid"
In der arabischen Siedlung Ras al-Amud, auf einem Berg gleich gegenüber dem Tempelberg in Jerusalem, ging am vergangenen Freitag das Leben weiter wie gewohnt. Ein Ausflug hinunter in den Westen Jerusalems schien kaum jemanden zu interessieren. "Ich muss meinen Stand hier offen halten", sagte ein Gemüsehändler. Auch die auf der Straße untätig wartenden Jugendlichen wirkten wenig inspiriert, zum Auftakt des 101. Giro d'Italia zu kommen, der mit dem Start in Israel erstmals den europäischen Kontinent verlässt. So war es vor allem die Bevölkerung des zu Israel gehörenden Teils der Stadt, die die Strecken säumte. Besonders viele von ihnen waren im Start- und Zielbereich. Köpfe, die mit einer Kippa bedeckt waren, gesellten sich zu Köpfen unter Rennfahrerhelmen. Zahlreiche Zuschauer waren sogar selbst mit Rennrädern gekommen und feuerten die Profis an, die in dem schmalen Gang zwischen den Gittern die Straßen an diesem schwülheißen Tag entlangdonnerten. Mit dem Auftakt in der Heiligen Stadt und zwei weiteren Etappen im Land ist es das größte Sportereignis, das je in Israel stattgefunden hat. "Das ist ein Schritt hin zu einer Normalität"Maximilian Schachmann schwärmte von der freundlichen Begrüßung. "Die Leute hupen so positiv wie eine Hymne", sagte der deutsche Profi aus der Quick-Step-Mannschaft nach dem Einzelzeitfahren, das der Niederländer Tom Dumoulin für sich entschied: "Die fahren langsam nebenbei, machen Fotos, lassen das Fenster runter, sagen: Oh, super, dass ihr hier seid. Die sind alle begeistert." Auch Willi Bruckbauer, Mitgründer des deutschen Teams Bora hansgrohe, lobt den Giro-Auftakt in Israel. Nicht nur wegen der Atmosphäre, sondern weil er auch etwas bewegen kann auf umkämpftem Gelände: "Einer unserer Importeure hier hat mir gesagt, dass er es anfangs nicht für möglich gehalten hätte, dass arabische Teams wie Bahrain Merida und UAE von ihren Geldgebern überhaupt nach Israel gelassen werden. Aber jetzt sind sie da. Und das ist ein Schritt hin zu einer Normalität." "Das Rennen verletzt die Rechte der palästinensischen Bevölkerung"Abdullah Sharawi, Vorsitzender des palästinensischen Radsportverbands, sagte dem SPIEGEL in einem Telefonat, er hätte dem Weltradsportverband UCI eine Beschwerde über den Giro-Start in Israel übermittelt. "Wir wollen nicht das Rennen boykottieren, auch niemanden, der daran teilnimmt. Aber das Rennen verletzt die Rechte der palästinensischen Bevölkerung. Jerusalem wird gegen jede internationale Rechtsprechung als vereinte Stadt gesehen. Und Sponsoren des Giro unterhalten Geschäftstätigkeiten in den illegalen Siedlungen. Auch das ist gegen internationales Recht", erklärte Sharawi. Eine Antwort von der UCI habe er noch nicht erhalten. Der Weltverband selbst äußerte sich auf Anfrage des SPIEGEL nicht. Die Initiative, die sich um den Hashtag #RelocateTheRace versammelt, wirft den Giro-Organisatoren vor, mit ihrem Rennen die Besatzungsaktivitäten Israels zu legitimieren. So steckt der Beobachter in einem Dilemma. Er kann die Normalität des Rennens hervorheben, die vielen ausgelassenen Fans, die Feierstimmung. Er kann erzählen, was anders war als sonst bei den großen Rundfahrten, dass hier keine großen Teambusse standen, dass wegen des Sabbats am Freitag die Siegerpressekonferenz bis maximal 18.35 Uhr gehen durfte - und danach das Giro-Hauptquartier in Gebetsräume umfunktioniert wurde. Aber all dies erzählt die politischen Konflikte nicht mit.Auch sportliche Feindseligkeit gegen Israels Athleten haben eine lange Tradition. Daran wird der Prolog des Giro wohl nichts ändern. Wenn aber Männer in bunten Trikots auf Rennmaschinen durch eine Region sausen, die sonst vor allem als Krisenregion in den Nachrichten erscheint. Wenn Mannschaften arabischer Geldgeber an der Veranstaltung teilnehmen - und nicht die Serie der Boykotts im Sport und der Bestrafung arabischer Sportler fortsetzen, die mit israelischen Athleten in einem Wettkampf standen, dann ist der Start des Giro d'Italia in Jerusalem vielleicht der Anfang einer schönen Geschichte.
mit Material der dpa Tom Mustroph
Der Giro d'Italia ist das erste bedeutende Weltsportereignis in Israel. Der Start in Jerusalem sollte nicht weniger als ein Zeichen des Friedens und der Koexistenz in der geteilten Stadt sein. Kann das funktionieren?
[ "Giro d'Italia", "Italien" ]
Sport
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2018-05-05T12:29:00+02:00
2018-05-05T12:29:00+02:00
https://www.spiegel.de/sport/sonst/giro-d-italia-auftakt-in-israel-super-dass-ihr-hier-seid-a-1206361.html
Meinung: Die Lage am Morgen - Droht der Familie Ernst-Scholz ein weiterer Machtverlust?
Tempo null im RegierungsviertelAktivisten der »Letzten Generation« werden heute versuchen, das Regierungsviertel in Berlin lahmzulegen, um gegen die aus ihrer Sicht unzureichende Klimapolitik zu protestieren. Das ist sicherlich lästig für alle, die dort arbeiten, aber Tempo null für ein paar Minuten oder Stunden ist kein Angriff auf die Demokratie. Man sollte das nicht zu hoch hängen. Polizisten werden ihre Arbeit tun, später die Gerichte. Die »Letzte Generation« ist bislang nicht wirklich radikal, bedroht niemanden. Gesellschaft und Politik sollten eine ihrer Forderungen unbedingt ernst nehmen: das Tempolimit. Zu Recht wird gesagt, dass Deutschland zu klein ist, um mit seiner möglichen Sparleistung beim Kohlendioxid das Klima verändern zu können. Faktisch geht es nur um Verhandlungsmacht. Ist Deutschland glaubwürdig genug, um Länder mit mehr Einfluss auf das Klima zu Einsparungen zu bewegen? Die Autobahnraserei, die fast nur in Deutschland möglich ist, steht symbolisch für eine ziemlich lässige Haltung dem Klimawandel gegenüber.Würde die Bundesregierung hier endlich handeln, wäre die Klimamission, mit der sie weltweit unterwegs ist, weit überzeugender.Chefwissenschaftler von Volker Wissing: »Tempolimit bringt mehr, als alle Staus aufzulösen« Über den DingenNachdem Britta Ernst als Bildungsministerin von Brandenburg zurückgetreten ist, weil ihr die Unterstützung ihrer SPD-Fraktion fehlte, kann man doch mal schauen, wie ihr Ehemann machttaktisch dasteht, also Bundeskanzler Olaf Scholz. Machttaktisch heißt: Was konnte er durchsetzen, wie sehr fordert ihn die Konkurrenz? Es heißt nicht: Macht er die richtige Politik? Von seiner Partei hat er derzeit nichts zu befürchten. Die SPD zeigt sich folgsam und ruhig, auch die Fraktion im Bundestag.Die Konkurrenten brillieren nicht, weder CDU-Chef Friedrich Merz noch die grünen Spitzenpolitiker Robert Habeck und Annalena Baerbock.Mit seiner Rede zur Aufrüstung der Bundesrepublik hat er eine »Zeitenwende« markiert; der Begriff wurde Wort des Jahres.Der wichtigste Bereich der Außenpolitik, die Hilfen für die Ukraine, läuft nach seinen Wünschen: zögerliche Waffenlieferungen, Schritt für Schritt, keine Alleingänge.Im Inneren konnte er den umstrittenen Atomausstieg nach seinen Vorstellungen durchsetzen.Im alltäglichen Kulturkampf von Grünen und Liberalen werden ständig Verlierer bestimmt, meistens aufseiten der Grünen, weil sie in der Klimapolitik wenig durchsetzen. Scholz scheint über den Dingen zu stehen.Nach einem zweiten Machtverlust im Hause Scholz/Ernst sieht es derzeit überhaupt nicht aus. Der Bundeskanzler kann heute in aller Ruhe zu einem kurzen Besuch nach Portugal fliegen.SPD-Bildungsministerin Britta Ernst: Auf verlorenem Posten in Brandenburg Feierstunde in WarschauHeute vor 80 Jahren begann der Aufstand im Warschauer Ghetto. Die Juden, die dort unter schrecklichen Bedingungen leben mussten, wollten die Deportationen in die Todeslager nicht mehr hinnehmen, sammelten heimlich Waffen und schlugen los. Erstaunliche vier Wochen hielten sie der Naziübermacht stand. Am Ende wurde das Ghetto niedergebrannt. Ich fand interessant, was der Autor Max Czollek in seinem Buch »Versöhnungstheater« zum Aufstand geschrieben hat. »Das weit verbreitete Unwissen« über jüdischen Widerstand gegen die Nazis sei kein Zufall, sondern Ergebnis einer »bestimmten Kultur der Erinnerung«. Czollek: »Denn für kämpferische, kommunistische, widerständige Juden und Jüdinnen ist wenig Platz in Schulbüchern, bei Gedenkveranstaltungen oder Instagram-Aktionen. Stattdessen überwiegen die versöhnlichen und wehrlosen jüdischen Stimmen.« Czollek nennt das eine »Konstruktion«.Heute gibt es eine Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag des Aufstands. Die Staatspräsidenten von Deutschland, Israel und Polen, Frank-Walter Steinmeier, Isaac Herzog und Andrzej Duda treffen sich am Mahnmal in Warschau zu einer Feierstunde.Jüdischer Widerstand im Nationalsozialismus: »Kämpft mit allem, was ihr finden könnt« Mehr Nachrichten und Hintergründe zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier:Videos sollen Putin bei Truppenbesuch in der Ukraine zeigen: Ein Hubschrauber auf einer Wiese, Kommandostände und offenbar Russlands Präsident, der Hände von Militärs schüttelt: Wladimir Putin hat angeblich seine Truppen in der Ukraine besucht. Aber ist er es wirklich?Abschreckung und Apfelkuchen: Außenministerin Annalena Baerbock und ihre G7-Amtskollegen zeigen sich in Japan einig und erstaunlich offensiv – gegen Russland und auch gegen China. Doch hinter den Kulissen macht sich erste Ernüchterung breit. In Russland soll es für »Hochverrat« künftig lebenslänglich geben können: Der russische Oppositionelle Kara-Mursa muss auch wegen Hochverrats für 25 Jahre ins Straflager. Künftig könnten Kremlkritiker zu lebenslänglich verurteilt werden, die Staatsduma verabschiedete ein entsprechendes Gesetz.Teufel im KopfSarah Kuttner hatte lange das Gefühl, zu verpeilt, zu impulsiv zu sein, um wichtige Sachen erledigen zu können, trotz aller Erfolge als Moderatorin und Autorin. Vor einiger Zeit bekam sie die Diagnose ADHS – eine Erkrankung, von der nicht nur Kinder und Jugendlichen, sondern auch viele Erwachsene betroffen sind. Im SPIEGEL Spotlight heute um 20 Uhr wird Kuttner von ihren Erfahrungen erzählen. Das Thema des Livestream-Gesprächs lautet: »Wenn im Kopf der Teufel los ist: Wie umgehen mit Depressionen, Panikattacken und ADHS?« Dabei sind neben Kuttner der Comedian Maxi Gstettenbauer und die Ärztin Mirriam Prieß.Die Veranstaltung ist exklusiv für Abonnenten und Abonnentinnen, aber wir verlosen zehn freie Zugänge. Interessenten schreiben bitte an: [email protected], Betreff: SPIEGEL Spotlight Verlosung. Einsendeschluss ist heute um 12 Uhr.Exklusives Event für SPIEGEL-Abonnenten: Wenn im Kopf der Teufel los istHier geht’s zum aktuellen Tagesquiz Verlierer des Tages……wird Thomas Tuchel sein, da lege ich mich fest. An einen Sieg heute Abend von Bayern München gegen Manchester City mit vier Toren Unterschied glaube ich nicht (sollte ich mich irren, werde ich hier morgen Buße tun). Ein solcher Vorsprung wäre nötig, um die 0:3-Niederlage aus dem Hinspiel wettzumachen und ins Halbfinale der Champions League einzuziehen. Tuchel hat seinen Einstand vergeigt: raus im Pokal, die deutliche Niederlage gegen Manchester, ein klägliches Unentschieden zu Hause gegen Hoffenheim, womit die deutsche Meisterschaft bedroht bleibt. Tuchel, seit drei Wochen im Amt, hat das sicherlich nicht allein zu verantworten, aber manchmal kann ein neuer Trainer einer Mannschaft rasch einen Impuls verleihen. Das ist ihm nicht gelungen (es sei denn, Bayern gewinnt heute haushoch).Ärger beim Rekordmeister: Die Probleme des FC Bayern – mehr als nur ein Schlag ins Gesicht Die jüngsten Meldungen aus der NachtDrei Menschen in Lebensgefahr nach Angriff in Duisburger Fitnessstudio: Bei einem Angriff in der Duisburger Altstadt sind mehrere Menschen schwer verletzt worden. Die Polizei spricht von »mindestens« einem Täter, nach dem gefahndet werde.Aaron Carter nach Drogenkonsum ertrunken: Der frühe Tod des Ex-Teeniestars Aaron Carter schockierte Fans und Freunde. Nun steht die Todesursache fest: Laut Gerichtsmedizin ertrank der 34-Jährige unter dem Einfluss von Drogen in seiner Badewanne.Parkhaus in New York City stürzt ein: Ein Parkhaus im Stadtteil Lower Manhattan ist kollabiert. US-Medien berichteten von einem Toten und mehreren Verletzten. Einige Menschen sind wohl noch in den Trümmern eingeschlossen. Die SPIEGEL+-Empfehlungen für heute»Wer eine Nuklearwaffe nicht richtig einsetzt, braucht sich nicht zu wundern, wenn die Wirkung ausbleibt«: Die westlichen Sanktionen haben Putins Kriegsmaschine nicht gestoppt. Im Gegenteil: Der IWF sieht Russlands Wirtschaft wieder auf einem Wachstumspfad. Experte Gabriel Felbermayr sagt, was falsch gelaufen ist .Plötzlich schwanger, ungeplant – und jetzt? Ria erzieht ihren Vierjährigen ohne Vater. Julia hat zweimal abgetrieben. Zwei Frauen erzählen von ihrem positiven Test, von Bewertungen von außen – und wie sich ihre Entscheidungen von damals heute anfühlen .Mein innerer Walter oder die Verwandlung von der Beifahrerin zur Fahrerin: Die neue Campingsaison ist eröffnet, und zwar mit einem Knaller: Ich fahre. Erst übers Trainingsgelände, dann durch Tunnel und Täler. Vollbremsung kann ich schon .Groß denken – oder klein anfangen? Wer einen Job sucht, sollte auf die Größe von Unternehmen achten. Denn Großkonzerne und kleine Betriebe unterscheidet weitaus mehr als nur die Anzahl ihrer Mitarbeitenden.Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.Ihr Dirk Kurbjuweit, Autor im SPIEGEL-HauptstadtbüroAnmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung hieß es, der FC Bayern habe gegen Augsburg unentschieden gespielt, tatsächlich war das Spiel gegen Hoffenheim. Wir haben den Fehler korrigiert.
Dirk Kurbjuweit
Warum Deutschland ein Tempolimit braucht. Britta Ernst musste als Ministerin zurücktreten – wie steht es um ihren Mann Olaf Scholz? Und: Gedenken an den Aufstand im Warschauer Ghetto. Das ist die Lage am Mittwoch.
[ "Die Lage am Morgen" ]
Politik
Deutschland
2023-04-19T05:40:43+02:00
2023-04-19T05:40:43+02:00
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/news-letzte-generation-tempolimit-olaf-scholz-britta-ernst-aufstand-im-warschauer-ghetto-a-642169bb-875d-42a4-8db7-ca605edda0ab
Verwahrlosung: Polizei holt Baby aus Berliner Wohnung
Berlin - Das Baby lag völlig durchnässt in einem schmutzigen Bett, als die Polizei früh am Samstag in der Wohnung im Stadtteil Marzahn eintraf. Im Zimmer lagen Polizeiangaben zufolge dreckige Kleidung und schmutzige Windeln auf dem Boden und auf dem Tisch. Nachbarn hatten die Beamten verständigt, weil der Junge ununterbrochen geweint habe. Gegen die 21-jährige Mutter und den 25-jährigen Vater wird jetzt wegen des Verdachts der Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht ermittelt. Den Jungen übergab die Polizei dem Kindernotdienst. In den vergangenen Monaten waren in Berlin mehrfach verwahrloste Kinder aus verdreckten Wohnungen gerettet worden. Ende Januar entdeckte eine Polizeistreife in Neukölln ein blasses und hungrig wirkendes zwölf-jähriges Mädchen. Die Beamten brachten es nach Hause, wo sie die vermüllte, unbeheizte Wohnung der Mutter sahen. Das Jugendamt nahm das Mädchen in Obhut. Knapp eine Woche vorher war ein vierjähriges Kind aus der völlig heruntergekommenen elterlichen Wohnung in Reinickendorf geholt worden. Das Mädchen hatte sich mit der 26-jährigen Mutter gestritten, weil sie nicht in die Kindertagesstätte gehen wollte. Bei einer Nachbarin fand das Mädchen Unterschlupf. Als Beamte das Kind nach Hause brachten, bemerkten sie den vermüllten Zustand der Wohnung der allein erziehenden Mutter. Im Dezember war außerdem in Berlin ein Säugling unter tragischen Umständen gestorben. Das Kleinkind verdurstete neben seiner Mutter, die an einer Drogenvergiftung gestorben war.cjp/AP/dpa/
Fliegenschwärme in der Küche, Unrat und dreckige Kleidungsstücke überall: Die Berliner Polizei musste erneut ein Kind aus einer verwahrlosten Wohnung holen. Die Umständen, unter denen das gerade fünf Monate alte Baby lebte, waren ekelerregend.
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Panorama
Justiz & Kriminalität
2008-02-23T23:28:03+01:00
2008-02-23T23:28:03+01:00
https://www.spiegel.de/panorama/justiz/verwahrlosung-polizei-holt-baby-aus-berliner-wohnung-a-537342.html
Udo Vetter ruft zum Rechtsbruch auf
Berlin - Es gibt eine Politiker-Standard-Floskel, die das Publikum der re:publica längst nicht mehr hören kann: "Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein." Auch Udo Vetter hält nicht viel von dieser Phrase: "Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, sondern unser zweiter Lebensraum". Für die meisten Nutzer verstehe es sich von selbst, sich dort nicht anders zu verhalten als im realen Leben. Nur kennt nicht jeder die Rechtslage - aber dafür gibt es ja ihn und sein preisgekröntes "Law blog" . Der Strafverteidiger Vetter erklärt Gesetze so unterhaltsam, dass sein Publikum in Scharen zu seinen Vorträgen strömt. Bei der re:publica sprach er über das sichere Veröffentlichen im Netz und gab Tipps, was es dabei zu beachten gibt. Publiziert wird schließlich ständig, sei es in Blogs, Foren, auf Twitter oder Facebook. Dabei kann es durchaus mal zu einer Abmahnung kommen. Immerhin ist schon jede Namensnennung heikel - wenn sich zum Beispiel der Falsche angesprochen fühlt: "In Deutschland gibt es immer mehrere Leute mit bestimmten Namen", sagt Vetter, das vergesse man leicht. Sein Publikum könne man sich beim Publizieren auch im Netz nicht aussuchen. "Wir haben heute ein überwachtes Netz, das muss uns allen klar sein", mahnt Vetter und weist darauf hin, dass Straftäter auch schon mal durch Facebook-Partybilder identifiziert worden sind.Doch bei aller Expertise spricht Vetter nicht mit erhobenem Zeigefinger - im Gegenteil. Für ein privates Blog zum Beispiel sei ein Impressum nicht unbedingt erforderlich, auch wenn das Gesetz es eigentlich vorschreibt. Wenn man es nicht habe "kann nicht viel passieren", sagt der Experte. SPIEGEL ONLINE ist Medienpartner der re:publica 12. Die aktuellen Veranstaltungen der Hauptbühne können Sie bei uns auch im Livestream verfolgen.
juh
Der Anwalt und "Lawblogger" Udo Vetter verrät auf der re:publica, was beim Publizieren im Netz zu Ärger führen könnte - und mit welchen Regelverstößen man ohne weiteres davonkommt.
[ "re:publica" ]
Netzwelt
Netzpolitik
2012-05-05T08:52:34+02:00
2012-05-05T08:52:34+02:00
https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/udo-vetter-ruft-zum-rechtsbruch-auf-a-831422.html
Burma blutet - Aung San Suu Kyi schweigt
Der Menschenzug nimmt kein Ende. Es ist stockdunkel, mitten in der Nacht, trotzdem kommen die Rohingya über die Grenze von Burma nach Bangladesch. Sie kommen in überfüllten Booten oder auf großen Plastikkanistern über den Fluss, waten barfuß durch sumpfartigen Schlamm. Alte Frauen klammern sich wie Äffchen an den Rücken junger Männer. "Vor vier Tagen haben Soldaten mein Haus abgebrannt", sagt Amina. Die junge Frau sitzt mit Dutzenden anderen Flüchtlingen auf einem Anhänger. Sie ist gestern Nacht angekommen und weiß nicht, wo sie hingebracht wird: "Ich gehe dorthin, wo die anderen hingehen." Um sie herum drängen sich immer mehr Menschen auf die Ladefläche. Mehr als 270.000 Rohingya, eine muslimische Minderheit in Burma, sind in den vergangenen Wochen aus dem Land geflohen - aus Angst vor dem burmesischen Militär. Mitglieder der Arakan Rohingya Salvation Army (Arsa), einer radikalisierten Gruppe zumeist junger Rohingya, hatten im August Dutzende Polizeiposten und Sicherheitskräfte angegriffen, in den tagelangen Kämpfen wurden 370 Aufständische getötet. Bereits im Oktober hatte es Attacken von Muslimen auf Polizisten gegeben; damals starben neun Menschen. Das Militär riegelte daraufhin Teile des Bundesstaats Rakhine, in dem ein Großteil der Rohingya lebt, ab. Weder Journalisten noch Hilfsorganisationen durften die Region über Wochen betreten. Die Soldaten sollen so unbeobachtet gemordet haben, es gibt Luftaufnahmen von abgebrannten Dörfern. Die Menschenrechtler von Human Rights Watch warnten zuletzt offiziell vor "ethnischen Säuberungen". Der Konflikt ist der erste große Test für die Regierung von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi. Ihre Partei Nationale Liga für Demokratie (NLD) hatte 2015 die ersten freien Wahlen in Burma nach Jahrzehnten gewonnen. Suu Kyi war im Westen als Menschenrechtsikone gefeiert worden, die in sie gesetzte Hoffnung war riesig. Mittlerweile steht fest: "Mutter Suu", wie sie auch im Volk genannt wird, wird diesen Erwartungen nicht gerecht. Schon im vergangenen Jahr war ihr beharrliches Schweigen angesichts der Verbrechen in Rakhine kritisiert worden. Entschuldigend hieß es damals noch, sie wolle es sich wohl nicht mit dem nach wie vor mächtigen Militär verscherzen. Hinter den Kulissen werde sie doch aber bestimmt für eine friedliche Lösung kämpfen. Scharfer Protest gegen Suu KyiDiese wohlwollende Interpretation lässt sich kaum noch halten. Suu Kyi machte öffentlich "Terroristen" für die Gewalt im Westen verantwortlich. Es gebe einen "Eisberg an Falschinformationen" zu den Vorgängen. Ihre Regierung bezeichnete Berichte über Menschenrechtsverletzungen an den Rohingya als "Fake News". In den sozialen Netzwerken führt der Staat eine gefährliche Propaganda-Kampagne gegen "extremistische Terroristen", die einen "Islamischen Staat" aufbauen wollen.Weltweit gehen Menschen nun gegen die Regierung der Friedensnobelpreisträgerin auf die Straße, Botschaften werden mit Molotowcocktails attackiert. Es gibt Forderungen, Suu Kyi den Nobelpreis abzuerkennen. Zahlreiche Regierungsvertreter verurteilen das brutale Vorgehen gegen die Rohingya, darunter der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan. Menschenrechtsaktivisten geht allmählich der Spielraum aus, um den Ton noch weiter zu verschärfen. Seit Monaten warnen sie vor einem Genozid. "Die Verteidigung Burmas gegen sogenannte Terroristen ist ein guter Vorwand die ungeliebten Rohingya endlich loszuwerden", sagt U Kyaw Win, Direktor des Burma Human Rights Network in Thailand. Seit Jahrzehnten wird die muslimische Minderheit der Rohingya in Burma systematisch diskriminiert. Sie gelten als Flüchtlinge aus Bangladesch, die Staatszugehörigkeit verwehrt man ihnen. Die meisten leben ohne Zugang zu Krankenhäusern, Universitäten oder Arbeit in Camps und Dörfern. Deren Stacheldraht-Barrikaden dürfen sie nur hinter sich lassen, wenn die Behörden es erlauben. Kritiker auf Suu Kyi eingeschossen Ein Ende der Flüchtlingsbewegung scheint derzeit nicht absehbar. Bangladesch wirft dem Militär inzwischen vor, auf der burmesischen Grenzseite Landminen zu installieren, um die Rohingya von der Rückkehr abzuhalten. Die Suu-Kyi-Regierung streitet das ab. Doch wer ist wirklich schuld an der Eskalation? U Kyaw Win vom Burma Human Rights Network findet, die internationale Gemeinschaft habe sich in ihrer Kritik zu sehr auf Suu Kyi eingeschossen. "Es wirkt inzwischen so, als beginge sie persönlich die Menschenrechtsverletzungen. Wieso attackiert zur Abwechslung nicht einmal jemand den Oberbefehlshabenden des Militärs?"
Verena Hölzl
Hunderttausende Rohingya sind vor kriegsähnlichen Zuständen aus Burma geflohen, vor Feuer, Tod, "ethnischer Säuberung". Die Welt blickt auf Friedensnobelpreisträgerin Suu Kyi - doch die tut nichts.
[ "Burma", "Rohingya", "Bangladesch", "Aung San Suu Kyi", "Islamophobie", "Russlands Krieg gegen die Ukraine", "Thein Sein", "Myanmar", "Flüchtlinge" ]
Ausland
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2017-09-08T15:50:00+02:00
2017-09-08T15:50:00+02:00
https://www.spiegel.de/politik/ausland/burma-blutet-aung-san-suu-kyi-schweigt-a-1166237.html
Buschbrände in Texas: Flammen vernichten Hunderte Häuser
Bastrop - Die Rettungskräfte kriegen das Feuer nicht in den Griff: Die schweren Buschbrände im US-Bundesstaat Texas haben erneut zwei Menschenleben gefordert. Zwei Leichen seien aus der verkohlten Überresten eines der Brände geborgen worden, teilten die Behörden in Bastrop mit. Damit stieg die Zahl der Todesopfer auf vier. Bereits am Wochenende hatten die Winde des Tropensturms "Lee" eine schnelle Ausbreitung von Bränden im leicht entzündlichen Buschland begünstigt. Die Feuerwehrleute kämpfen seitdem gegen mehr als 180 Brände, denen nach Schätzungen der Behörden bereits fast 50.000 Hektar Ackerland zum Opfer fielen. Etwa 700 Häuser wurden zerstört, Tausende Menschen mussten aus Angst vor den Flammen ihre Häuser verlassen. Der Gouverneur von Texas,Rick Perry, nannte die Lage "ernst". Feuerwehrleute kämpften mit Löschhubschraubern gegen die zahlreichen Brandherde.Wegen der Trockenheit und der hohen Temperaturen erlebe der Bundesstaat die schlimmste Brandsaison seit seiner Gründung, sagte ein Sprecher der Forstverwaltung. Die Flammen hätten bislang eine Fläche von der Größe Connecticuts zerstört. Das entspricht etwa dem Bundesland Thüringen.
jbr/AFP
Vier Menschen starben in den Flammen: In Texas wüten die schlimmsten Buschfeuer seit der Staatsgründung. Tausende wurden obdachlos, die Feuerwehr kämpft gegen fast 200 Brände. Winde begünstigen das Inferno.
[ "Texas", "Waldbrände" ]
Panorama
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2011-09-07T13:40:51+02:00
2011-09-07T13:40:51+02:00
https://www.spiegel.de/panorama/buschbraende-in-texas-flammen-vernichten-hunderte-haeuser-a-784902.html
Gnadenlos amüsant
Gnadenlos amüsant (Nr. 42/1993, Fernsehen: Thekla Carola Wied scheitert als Klatschjournalistin) Der treue Thekla-Carola-Fan mag vielleicht verzweifeln, aber was ist mit der großen Fan-Gemeinde der Autorin Christine Grän und ihrer Hauptfigur? Anna Marx, groß, fett, gescheit, witzig, rothaarig, schlampig, Whisky-Trinkerin und so weiter, also ein echtes Pfundsweib, und dann Thekla Carola Wied! Grauenvoll. Hat Frau Grän dazu ihr Einverständnis gegeben? *UNTERSCHRIFT: Einbeck (Nieders.) HANNE BACH Ihren gnadenlos amüsanten Verriß habe ich nicht ganz ohne Vergnügen gelesen. Besonders beherzigenswert schien mir der Vorschlag, daß ich Journalisten als Lakaien von irgend jemand hätte darstellen sollen. Ich frage mich jetzt aber, als wessen Lakai haben Sie sich bei der Abfassung Ihrer Kritik gefühlt? *UNTERSCHRIFT: Pukersdorf (Österreich) DIETER BERNER Regisseur *BEILAGE: Eine Teilauflage dieser SPIEGEL-Ausgabe enthält eine Beilage des SPIEGEL-Verlages/Abo, Hamburg.
Gnadenlos amüsant
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Politik
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1993-10-31T13:00:00+01:00
1993-10-31T13:00:00+01:00
https://www.spiegel.de/politik/gnadenlos-amuesant-a-b9001f7b-0002-0001-0000-000009290067?context=issue
Herbert Siegfried
Herbert Siegfried, 53, deutscher Gesandter in Schweden, brachte unlängst dem Stockholmer Vortrag des westdeutschen Publizisten Dr. Helmut Lindemann über das Thema »Die beiden Deutschland« wenig Interesse entgegen. Schwedens Außenminister Undén war zu Fuß erschienen, Dr. Siegfried überhaupt nicht.
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Politik
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1955-03-29T13:00:00+01:00
1955-03-29T13:00:00+01:00
https://www.spiegel.de/politik/herbert-siegfried-a-19bf08d3-0002-0001-0000-000031969721?context=issue
FDP-Homepage: Liberale lassen über Fortsetzung der Koalition abstimmen
Berlin - Bei einer Umfrage auf der offiziellen Homepage der FDP  haben über 70Prozent der Internetsurfer für ein Ende der christlich-liberalenKoalitionsregierung in Hessen gestimmt. Bis Freitagmorgen hättenetwa 17.200 Bürger ihr Votum abgegeben, teilte die Online-Redaktionam Freitag in Berlin mit. Auf die Frage "Soll die FDP in Hessen ausder Koalitionsregierung mit der CDU austreten?" antworteten rund12.500 Internetsurfer mit Ja, 4700 mit Nein. Das Interesse an der Umfrage sei so groß gewesen, dass der Serveran die Grenze seiner Kapazität gelangt sei, sagte RedaktionsleiterUwe Evers. Auch im Online-Forum werde hitzig über die Spendenaffäreder hessischen CDU und das Verhalten der FDP diskutiert. Am Freitagstand auf der Homepage die Frage "Ist Roland Koch alsMinisterpräsident in Hessen noch tragbar?" zur Debatte.
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Politik
Deutschland
2000-02-11T12:10:49+01:00
2000-02-11T12:10:49+01:00
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/fdp-homepage-liberale-lassen-ueber-fortsetzung-der-koalition-abstimmen-a-63912.html
Kita-Streiks ab Mitte Oktober angedroht
Im Tarifstreit über Erzieher drohen erneut Kita-Streiks: Vor Beginn der neuen Verhandlungsrunde halten beide Seiten an ihren Positionen fest. Falls die Arbeitgeber nicht zu Verbesserungen bereit seien, "werden wir - wie angekündigt - die Streiks ab Mitte Oktober wieder aufnehmen", sagte Ver.di-Chef Frank Bsirske. Zuvor hatten bereits die Kommunen angekündigt, ihr Angebot nicht nachzubessern. "Veränderungen sind allenfalls im Rahmen des Volumens der Schlichtungsempfehlung möglich", sagte der Präsident der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Thomas Böhle. Arbeitgeber und Gewerkschaften kommen an diesem Montag in Hannover zu neuen Verhandlungen zusammen. Seit Anfang Februar kämpfen Erzieher und Sozialarbeiter um mehr Geld. Doch die Fronten sind verhärtet. Ein Schlichterspruch sollte nach wochenlangem Streik die Einigung bringen. Doch erst sagte die Ver.di-Basis Nein, dann lehnte die Dienstleistungsgewerkschaft den Vorschlag der Schlichter offiziell ab. Insgesamt geht es in dem Konflikt um 240.000 Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst. Mit der Flüchtlingskrise hat sich die Lage noch einmal verändertDie Schlichter hatten laut VKA Gehaltssteigerungen für die Erzieherinnen von im Schnitt um 3,3 Prozent vorgesehen. Die Monatsgehälter lägen demnach dann zwischen 2623 und 3800 Euro. Schlichter waren im Sommer der frühere sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) und der einstige Hannoveraner Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg (SPD). Die Gewerkschaften hatten zehn Prozent mehr Gehalt gefordert. Die Arbeitgeber geben den Gewerkschaften die Schuld an dem ungelösten Tarifkonflikt. Selbst das Schlichtungsergebnis brächte erhebliche Kostenbelastungen für die Kommunen, sagte Böhle. "Die VKA appelliert an die Gewerkschaften, den Tarifkonflikt auf dieser Basis endlich beizulegen und die Eltern und Kinder nicht mit weiteren Streiks zu belasten." Mit der Flüchtlingskrise hat sich der Hintergrund für die Verhandlungen inzwischen verändert. Der Bedarf an Kita-Plätzen und Personal dürfte stark steigen, der Bund hat Ländern und Kommunen aber auch deutlich mehr Mittel zugesagt. Der Verhandlungsführer des Beamtenbunds dbb, Willi Russ, machte nun deutlich, dass die Arbeitnehmervertreter gerade aufgrund der neuen Lage auch mehr Geld fordern. "In den vergangenen Tagen und Wochen ist deutlich geworden, dass wir nicht nur mehr Stellen brauchen", sagte Russ. Etwa die Arbeit mit vom Krieg traumatisierten Menschen und die Betreuung unbegleiteter Minderjähriger mache den Stellenwert der Sozial- und Erziehungsberufen deutlich.
brk/dpa
Arbeitgeber und Gewerkschaften wollen im Kita-Streit wieder verhandeln - doch mit einer raschen Einigung rechnet niemand. Ver.di-Chef Frank Bsirske fordert ein verbessertes Angebot, die Gegenseite zeigt sich wenig kompromissbereit.
[ "Streiks im Öffentlichen Dienst", "Kita", "Ver.di", "Frank Bsirske" ]
Wirtschaft
Soziales
2015-09-28T07:37:00+02:00
2015-09-28T10:16:00+02:00
https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/kita-streit-ver-di-chef-frank-bsirske-bekraeftigt-streikdrohung-a-1055005.html
Im Haus des toten Herrschers
Als nachmittags um kurz nach vier der erste Pelzmantel aus Elena Ceausescus Sammlung aufgerufen wird, zeigt das Thermometer in Bukarest 44 Grad im Schatten. »Position 1.02, Damenmantel aus Nerz« - schon stolziert ein brünettes Modell in den alten Sitzungssaal der Ceausescu-Villa am Boulevard des Frühlings. Das kokett ausschwingende Hinterteil der Pelzbehangenen im Blick, ergreift der Auktionator das Wort: »15 Millionen 575 000 Lei, wer bietet mehr?« Es geht nur um den Mantel. Im Saal sind an die hundert gelbe Kärtchen verteilt, die mehrheitlich heftig geschwenkt werden. Das Gros des Publikums bekämpft so das Fehlen einer Klimaanlage. Wer sich nur Luft zufächern, nicht aber bieten wolle, mahnt der Auktionator, solle zur Vermeidung von Missverständnissen mit etwas anderem wedeln. Keiner lacht. Im Gange ist immerhin eine hochoffizielle Veranstaltung unter der Schirmherrschaft der rumänischen Regierung. Mit der Dringlichkeitsverordnung 101/1999 hat sie den Startschuss zum Ausverkauf in der alten Residenz von Nicolae und Elena Ceausescu gegeben. Seit vergangenem Montag steht der bewegliche Nachlass des Ehepaars, das Rumänien bis 1989 ein Vierteljahrhundert lang beherrscht hat, zum Verkauf: vom Jagdgewehr bis zur Limousine, vom Diktatoren-Schlüpfer bis zum Perserteppich. Knapp zehntausend Objekte sollen bis zum Jahresende versteigert und zu Gunsten der Staatskasse versilbert werden. »Verbindung mit der Zukunft« verspricht am Eingang zum Machtzentrum der Vergangenheit, der Ceausescu-Villa, die Werbebanderole eines Sponsors aus der Internet-Branche. Dahinter steht bunt aufgereiht, was Nicolae Ceausescu, das selbst ernannte »Genie der Karpaten«, seinem Volk hinterlassen hat. Der schwarze Buick Electra im Vorgarten ist ein Geschenk des US-Präsidenten Richard Nixon - originalgetreu erhalten haben sie ihn aus der Garage gerollt. Nahebei steht ein Dacia 1100, ausweislich einer Plakette dem »Genossen Nicolae Ceausescu mit ehrerbietigster Dankbarkeit für den Aufbau der Autoindustrie« von den Werktätigen in Pitesti gewidmet. Es ist das erste in Nachkriegs-Rumänien hergestellte Fahrzeug überhaupt. Ein hölzernes Schachbrett, scheinbar achtlos zwischen kitschigen Vasen und heroisierenden Gemälden des Herrscherpaars im Inneren der Villa platziert, gewinnt durch die Widmung: Der mehrmalige Schachweltmeister Anatolij Karpow hat es dem werten »Genossen Nicolae Ceausescu« 1983 vermacht. Nachmittag für Nachmittag fällt der Hammer im Minutentakt. Der Buick verschwindet, der Dacia, auch das Schachbrett. Pflichtschuldig vermelden die Zeitungen den Erlös für die Staatskasse. Eine Million Mark soll am Ende der ersten Woche zusammenkommen. Die in diesem Jahr fälligen Auslandsschulden betragen 5,5 Milliarden Mark. Nicht alles verkauft sich wie erwartet. Während ein geschmeicheltes Abbild der Quasi-Analphabetin Elena Ceausescu - in akademischem Aufputz mit fliederfarbenem Talar und Doktorhut - zum Mehrfachen des Listenpreises weggeht, wandert ein Paar sandfarbener Keilpumps samt passendem Täschchen zurück ins Lager. Die wenigen Rumänen, die nicht als Zwischenhändler tätig sind und sich dennoch den Eintritt in Höhe eines halben Wochenlohns leisten, begleiten das Spektakel mit der landeseigenen Mischung aus Frohsinn und Fatalismus. Keiner schreit Skandal im Angesicht der Pelzmäntel, die Elena Ceausescu angehäuft hat. Nur eine elegante alte Dame aus dem Banat steht wutschnaubend zwischen Vasen, Porzellan und Ölgemälden. Sie sagt: »Nichts als Kitsch. Unglaublich, wie sich ein Mensch mit diesem Geschmack eine ganze Kulturnation unterwerfen konnte.« Den Nachlassverwaltern von Ceausescus Raubzug gegen das eigene Volk ist das egal. Sie sitzen im ehemaligen Büro des großen Führers und beglaubigen zweisprachig die Echtheit der Exponate. Der Alte würde sich im Grabe drehen wie ein hochfrisierter Ventilator, wüsste er, was nun an seinem Schreibtisch geschieht, flüstert ein junger Mann. »Personal belongings seized from the Ceausescus« steht auf den Zertifikaten über einem regierungsamtlichen Stempel - es sind Siegerurkunden für die ehemals Kalten Krieger jenseits des Atlantiks. Vor allem Amerikaner, sagt Petre Bunei, bestünden auf diesem Passus. Bunei, der alle Objekte katalogisiert hat, ist der heimliche Hausherr im verlassenen Reich des oltenischen Schusters Ceausescu. Keiner findet sich zurecht wie er in diesem Phantasiebau, einer klassizistischen Villa mit Anbauten im altrumänischen Stil, die einen orientalisch anmutenden Innenhof mit hoheitsvoll paradierenden Pfauen umschließt. 3206 größtenteils ungelesene Bücher haben sie nach der Revolution hier beschlagnahmt, wandschrankweise Kleider und Schuhe, 4 Säbel, 71 Waffen, 1056 Schuss Munition, 1739 Flaschen unterschiedlich hochprozentigen Inhalts. Alles ist auf Bürokratenpapier registriert, selbst die Unterwäsche soll demnächst noch unters Volk kommen. Finden sich keine Bieter, werden die Diktatoren-Schlüpfer ab Dezember preisreduziert in Geschäften ausliegen. Während im Erdgeschoss der Villa weiter der Hammer über dem Hausrat fällt, ist im Großteil der Flure und Zimmerfluchten noch alles wie früher. Zwei der drei Dienstmädchen stammen noch aus der Ära Ceausescu, beide Gärtner desgleichen. Sie putzen güldene Wasserhähne blank, wienern schweres Parkett, stutzen Oleander im Garten und schweigen hartnäckig über ihren früheren Herrn. Der liegt nun seit fast zehn Jahren auf dem Friedhof im Bukarester Stadtteil Ghencea. Barmherzige haben auf seiner Grabplatte inzwischen einen Christuskopf unter den roten Stern der internationalen Arbeiterbewegung montiert. Noch ist Rumänien nicht im Reinen mit sich und seiner Vergangenheit. Ein einzelner, unscheinbarer Besucher der Auktion am Boulevard des Frühlings immerhin tut für sich selbst einen Schritt. Es ist ein Mann von Mitte fünfzig, der am Dienstag in Ceausescus Büro den Kaufvertrag für eine Vase und ein Bild unterschreibt. Als junger Künstler, so sagt er, habe er die beiden Stücke dem großen Genossen geschenkt. Nun wollte er sie wiederhaben. Und wie er mit den zwei Päckchen unter dem Arm aus dem Haus des toten Herrschers hinaustritt in die Bukarester Augusthitze, sieht er aus, als sei ihm wohler. WALTER MAYR
Walter Mayr
Die Versteigerung des Ceausescu-Nachlasses in Bukarest gewährt Einblick in eine bizarre Kollektion - vom Jagdgewehr des Diktators bis zur Limousine kommt unters Volk, was einst dem Volkseigentum entzogen wurde. Der Erlös fließt in den Staatshaushalt.
[ "Rumänien" ]
Politik
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1999-08-15T13:00:00+02:00
1999-08-15T13:00:00+02:00
https://www.spiegel.de/politik/im-haus-des-toten-herrschers-a-d4e20b15-0002-0001-0000-000014225497?context=issue
Tobias Levels: Ex-Gladbacher wird in Düsseldorf gemobbt
Tobias Levels will nicht hochschauen. Während er allein auf die Fankurve zugeht, die seinen Namen ruft, versucht er immer wieder, sein Gesicht mit dem Arm zu verdecken. Damit niemand sieht, was ohnehin schon jeder bemerkt hat. Fortuna Düsseldorf hat 1:2 gegen 1860 München verloren. Und Tobias Levels weint. Bei den Fans angekommen, schaut er kurz hoch, winkt, tippt sich zweimal an die Brust und bedankt sich mit Tränen in den Augen für die Unterstützung. Dann dreht er ab und geht mit gesenktem Kopf in die Kabine.Es kommt nicht oft vor, dass Düsseldorfer Fans Levels' Namen rufen, dass sie ihn allein vor die Kurve bitten, um ihn zu feiern. Meist ist es andersrum, so wie ein paar Minuten zuvor. Da erlebt der 26 Jahre alte Verteidiger den geballten Hass von tausenden Menschen, die ihn doch eigentlich anfeuern sollen. Bei jedem Ballkontakt wird er ausgepfiffen. "Levels raus"-Rufe schallen durch die Düsseldorfer Fußballarena. Weil er kurz zuvor einen Zweikampf verloren und so das entscheidende 1:2 ermöglicht hat. Bereits beim 0:1 sah er nicht gut aus. Und vergangene Woche, beim peinlichen Pokal-Aus gegen den Viertligisten Wiedenbrück, verschuldete Levels ebenfalls das entscheidende Tor. "Mein Herz hat die Form einer Raute"Das allein reicht gewöhnlich nicht für einen solchen Wutausbruch der eigenen Fans. Aber dieser Fall hat eine Vorgeschichte. Selbst nach zwei Jahren sind die Düsseldorfer noch nicht mit Tobias Levels warm geworden - obwohl er zum umjubelten Aufstiegsteam gehört. Das liegt an seiner Vergangenheit beim rheinischen Rivalen Borussia Mönchengladbach. Die hatten zwar auch schon andere Fortuna-Spieler, aber niemand fühlte sich der Borussia so verbunden wie er. Levels kommt aus dem Kreis Viersen, ein klassisches Gladbach-Gebiet. Mit 13 Jahren wechselt er zur Borussia. Sechs Jahre später gibt er sein Startelf-Debüt und spricht hinterher mit dem Borussia-Portal "Torfrabik" fast wie ein Fan, der mal mitspielen durfte. Von "riesiger Identifikation mit dem Verein" und einem "ganz besonderen Ereignis". Es ist eine Geschichte, wie sie die Fans lieben. Der Junge aus der Nachbarschaft spielt für seine große Liebe. Levels nimmt die Rolle an. Vor dem Derby gegen Köln sagt er via "Bild"-Zeitung: "Ich bin schon zehn Jahre im Club, komme hier aus der Gegend. Ich weiß, was dieses Spiel den Fans bedeutet. Es wird Zeit, dass sie sich mal wieder im Derby über einen Sieg freuen können." Auf einen möglichen Wechsel nach Köln angesprochen, winkt er ab. Er sei "viel zu sehr Gladbacher", um darüber ernsthaft nachzudenken. "Mein Herz hat die Form einer Raute." Kurze Zeit später ist der Sohn niederländischer Eltern Kapitän. Levels ist 22. In der Mannschaft beliebt, bei den Fans geduldetDreieinhalb Jahre später spricht der eloquente junge Mann wieder über sein Herz. Weil er in der Zwischenzeit in Gladbach trotz der Kapitänsbinde aus dem Kader gestrichen worden und nach Düsseldorf gewechselt ist, ist in diesem kein Platz für einen Fußballclub: "Ich habe schon einmal mein Herz an einen Verein gegeben und bin bitter enttäuscht worden. Diesen Fehler mache ich nicht noch mal", sagt er beim Fortuna-Stammtisch, einer bierseligen Talkrunde des "Express". Die fehlende Liebe beruht auf Gegenseitigkeit. Auch nach mehr als 50 Spielen für die Fortuna trägt fast niemand in Düsseldorf ein Trikot mit seinem Namen. In der Mannschaft ist er beliebt, bei den meisten Fans nur geduldet. Von Beginn an wird Levels extrakritisch beäugt. Kämpferisch kann ihm keiner etwas vorwerfen. Weil er technisch aber nicht zu den Stärksten gehört, gibt es häufig Anlass zur Kritik. Stock- und Stellungsfehler, Fehlpässe, Flanken hinters Tor. Was bei anderen Spielern durchgeht, wird bei ihm mit Pfiffen und Gepöbel auf der Tribüne sowie im Internet quittiert. Büskens macht Levels zum AbwehrchefDer Tiefpunkt folgt vergangene Saison beim 1:4 gegen Wolfsburg. Levels sieht bei mehreren Gegentoren schlecht aus, was zu zahlreichen Beleidigungen führt. Als er sich kurze Zeit später verletzt und seinen Stammplatz an Leon Balogun verliert, gehört dieser schnell zu den Publikumslieblingen. Vor allem deswegen, weil er Levels verdrängt hat. Und obwohl der sich wieder in die Mannschaft kämpft, nimmt das Misstrauen nicht ab. Im Gegenteil: Nach dem 1:2 am vorletzten Spieltag gegen Nürnberg wird er während einer Talkrunde im VIP-Raum als "scheiß Gladbacher" beschimpft. Levels brüllt ein "Halt's Maul, Junge" zurück. In dieser Saison scheint sich die Situation zunächst zu beruhigen. Beim 1:1 in Köln spielt Levels eine starke Partie in der Innenverteidigung. Trainer Michael Büskens ernennt ihn aufgrund der vielen Verletzten gar zum Abwehrchef. Doch nur zwei Spiele und zweieinhalb Fehler später erscheint diese Zeit rückblickend wie die Ruhe vor dem Sturm. Besonders das Publikum auf den teureren Plätzen hat es auf ihn abgesehen. So auch beim Spiel gegen 1860. "Nur von der kritischen VIP-Tribüne kamen die Pfiffe", will Manager Wolf Werner beobachtet haben. In der Kurve, wo mehrheitlich die stehen, die den bitteren Gang in die dritte und vierte Liga mitgemacht haben, werden spielerische Defizite eher verziehen. Sie mögen Levels wegen seiner Gladbach-Vergangenheit zwar größtenteils ebenfalls nicht besonders, aber sie haben schon weitaus schlechtere Fußballer gesehen. So verwundert es nicht, dass es nach dem Spiel vor allem die Kurve ist, die den weinenden Levels mit Sprechchören aufbauen will. Trainer Büskens ist dankbar dafür: "Das war überragend." Auch im Internet formieren sich die Unterstützer. Im Fortuna-Forum haben einige ihr Profilbild in ein Foto von Levels geändert. Ein Publikumsliebling aber wird er wohl nicht mehr werden.
Bernd Schwickerath
Die große Liebe von Tobias Levels hieß Borussia Mönchengladbach. Doch dann wurde der Verteidiger von seinem Verein abgeschoben, die Liebe zerbrach, Levels wechselte nach Düsseldorf. Dort akzeptieren ihn viele Fans wegen seiner Gladbach-Vergangenheit nicht. Jetzt eskalierte das Verhältnis.
[ "Fortuna Düsseldorf", "2. Fußball-Bundesliga" ]
Sport
Fußball-News
2013-08-11T13:11:00+02:00
2013-08-11T13:11:00+02:00
https://www.spiegel.de/sport/fussball/tobias-levels-ex-gladbacher-wird-in-duesseldorf-gemobbt-a-915908.html
Zelle in Flammen: Häftlinge und Beamte bei Brand in Münchner Gefängnis verletzt
In der Münchner Haftanstalt Stadelheim ist am Mittwoch ein Brand ausgebrochen. Ein Häftling sei schwer verletzt worden und werde im Krankenhaus behandelt. Zwei weitere Insassen kamen mit leichten Verletzungen in die Klinik.Neun Gefangene sowie fünf Justizbeamte seien leicht verletzt worden, mussten aber nicht ins Krankenhaus, teilte die Feuerwehr München mit. Zwölf Gefangene seien mit sogenannten Fluchthauben, die vor Rauch und Hitze schützen, aus dem Gebäude geführt worden. Ein Justizvollzugsbeamter habe die Feuerwehr gerufen, weil eine Zelle in Flammen gestanden habe und der gesamte Trakt stark verraucht gewesen sei. Die Polizei ermittele zur Brandursache.
ktz/dpa
Eine Zelle steht in Flammen, ein Trakt ist völlig verraucht: In der JVA Stadelheim hat es am Mittwoch gebrannt. Gefangene und Justizpersonal mussten in Sicherheit gebracht werden.
[ "Brände" ]
Panorama
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2023-11-08T19:37:09+01:00
2023-11-09T08:17:09+01:00
https://www.spiegel.de/panorama/muenchen-brand-in-haftanstalt-stadelheim-haeftlinge-und-beamte-verletzt-a-60f3210e-f2a8-41c4-b0c5-95cfb8388303
Nach sexistischer Beleidigung: Sawsan Chebli erwirkt einstweilige Verfügung gegen Roland Tichy
Die SPD-Politikerin Sawsan Chebli hat eine einstweilige Verfügung gegen den Journalisten Roland Tichy erwirkt. Das teilte der Anwalt der Berliner Politikerin auf Twitter mit. Demnach wird dem umstrittenen Publizisten Tichy untersagt, eine frauenfeindliche und sexistische Aussage über Chebli weiter zu verbreiten. Der Beitrag war Ende September im Magazin "Tichys Einblick" erschienen. Der Beitrag hatte für breite Empörung gesorgt, Chebli selbst hatte auf Twitter auf den sexistischen Beitrag aufmerksam gemacht. Viele Politikerinnen sprangen Chebli bei, unter anderem die CSU-Politikerin Dorothee Bär kündigte in der Folge ihre Mitgliedschaft in der Ludwig-Erhard-Stiftung. Tichy war zu dem Zeitpunkt noch Vorsitzender der Stiftung, im Oktober hatte er nach lauter werdender Kritik den Posten abgegeben. Roland Tichy war lange Chefredakteur mehrerer angesehener Wirtschaftsmagazine, darunter die "Wirtschaftswoche". Seit einigen Jahren betreibt er das umstrittene Webportal "Tichys Einblick" sowie ein gleichnamiges gedrucktes Magazin. Beide stehen seit Jahren wegen rechtspopulistischer Tendenzen in der Kritik.
mrc
Ein sexistischer Beitrag in einer Publikation des Journalisten Roland Tichy über die Berliner SPD-Politikerin Sawsan Chebli sorgte für Empörung. Chebli ging juristisch dagegen vor, nun hatte sie Erfolg vor Gericht.
[ "SPD", "Berlin" ]
Politik
Deutschland
2020-10-29T15:52:00+01:00
2020-10-29T15:52:00+01:00
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/sawsan-chebli-erwirkt-einstweilige-verfuegung-gegen-tichys-einblick-a-b8dda17d-3fb0-4ce8-b8c8-15336fb430c7
Sorge um Helmut Kohls Gesundheitszustand
Die CDU-Spitze macht sich große Sorgen wegen des Gesundheitszustands von Helmut Kohl. Der Altkanzler hatte sich vor zwei Monaten bei einem Sturz in seinem Haus in Ludwigshafen eine schwere Kopfverletzung zugezogen. In der Reha-Klinik hatte der 78-Jährige dann massive Kreislaufprobleme bekommen und musste auf eine Intensivstation gebracht werden. Das Kanzleramt wurde durch Anfragen von Journalisten aufgeschreckt, wonach Kohl mit dem Tode ringe. Bundeskanzlerin Angela Merkel lässt sich regelmäßig über den Gesundheitszustand von Kohl unterrichten. Der frühere CDU-Vorsitzende nimmt nach Angaben von Vertrauten Anteil am politischen Geschehen und habe zum Beispiel die Entwicklung nach der Landtagswahl in Hessen aufmerksam verfolgt. Er könne aber nicht telefonieren, weil er kaum noch verständlich spreche. Die lange Bettlägerigkeit belaste zudem seinen Kreislauf. Schon nach einer Knieoperation Ende vergangenen Jahres hatte Kohl mehrere Wochen gebraucht, um wieder auf die Beine zu kommen. Gegenwärtig lässt er nur engste Vertraute ans Krankenbett.
[]
Politik
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2008-04-19T10:30:00+02:00
2008-04-19T10:30:00+02:00
https://www.spiegel.de/spiegel/vorab/a-548419.html
Stadtwerke-Bund beklagt Verluste bei konventionellen Kraftwerken
Düsseldorf - Der Stadtwerkeverbund Trianel befürchtet anhaltend hohe Verluste bei konventionellen Kraftwerken - und in der Folge einen Investitionsstopp in derartige Anlagen. Die Bundesregierung solle die Ökostromförderung daher dringend reformieren, forderte Trianel-Chef Sven Becker auf einer Pressekonferenz in Düsseldorf. "Wir warten alle auf die Bundestagswahl", sagte er. Hintergrund für die Forderung ist, dass der Erfolg der erneuerbaren Energien die Preise an der Strombörse drückt. Dadurch rechnen sich viele konventionelle Anlagen nicht mehr - Trianel betreibt bislang vor allem Gas- und Kohlekraftwerke. Obwohl der Ökostrom bereits einen Anteil am Stromverbrauch von 25 Prozent habe, laufe die Förderung ungebremst weiter, beklagte Trianel-Chef Becker nun. "Auch fossile Kraftwerke müssen ihr Geld verdienen können." Durch die geplante Abschaltung der übrigen Atomkraftwerke in Deutschland bis 2022 entstehe eine Kraftwerkslücke. "Sie sehen aber niemanden, der investiert", sagte Becker. Deutschland laufe daher in gravierende Energieprobleme hinein: "Der Markt kollabiert." Die zuletzt gebauten Kraftwerke häuften inzwischen Millionenverluste an. Kohlekraftwerk verbrennt im Jahr 100 Millionen EuroAls Beispiel führte Becker das 1,4 Milliarden Euro teure neue Kohlekraftwerk Lünen an, das wegen der Marktbedingungen auf Jahre Verluste schreiben werde. Für 2014 rechnet Becker mit einem Verlust von knapp hundert Millionen Euro. Trianel habe deshalb seine Rückstellungen um rund fünf Millionen auf 15,7 Millionen Euro erhöht. Davon entfielen allein 3,5 Millionen Euro auf Lünen. Trianel hält selbst rund sechs Prozent an dem Kraftwerk, für das Ende August der Vorbescheid zur Betriebsgenehmigung erwartet wird. Auch den Bau eines Gaskraftwerks in Krefeld-Uerdingen legte Trianel Anfang dieser Woche auf Eis. Das Kraftwerk könne bis zu drei Jahre später in Betrieb gehen. Ursprünglich war dies 2016 oder 2017 geplant. Die Pläne für ein Wasserspeicherkraftwerk am Rursee gab Trianel bereits im Juni mit Verweis auf einen fehlenden politischen Rückhalt auf. Trianel hat 54 Gesellschafter, darunter Stadtwerke aus Aachen, Bonn, Fulda, Lübeck und Ulm und erwirtschaftete 2012 bei rund zwei Milliarden Umsatz einen Jahresüberschuss von 2,3 Millionen Euro.
ade/fdi/dpa
Das Stadtwerke-Bündnis Trianel sieht durch den niedrigen Großhandelspreis für Strom die Energieversorgung in Gefahr. Kohle- und Gaskraftwerke würden dadurch hohe Verluste einfahren, Investitionen blieben aus.
[ "Energiewende", "Kommunen", "Energiewirtschaft", "Atomausstieg", "Erneuerbare Energien" ]
Wirtschaft
Soziales
2013-07-10T16:34:15+02:00
2013-07-10T16:34:15+02:00
https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/stadtwerke-bund-beklagt-verluste-bei-konventionellen-kraftwerken-a-910427.html
Ausreise-Gesuch: Taliban-Bote traf Terror-Fürsten
Islamabad - Die Taliban-Regierung geht davon aus, dass Bin Laden das Dekret der Taliban-Geistlichen vorliegt, indem er zum Verlassen des Landes aufgefordert wird.Taliban-Informationsminister Kudrutullah Dschamal teilte amDonnerstag mit, ernehme an, ein Bote habe das Dekret Bin Laden persönlichübergeben. Es sei nicht möglich, Bin Laden telefonisch zuerreichen oder ihm ein Fax zu schicken, fügte Dschamal hinzu.Bin Laden verfüge nicht über moderne Kommunikationstechnologien,so dass der Bote vermutlich einige Zeit gebraucht habe, BinLaden zu finden. Dschamal fügte hinzu, dass Bin Laden sich noch inAfghanistan aufhalte. Es gebe keinen Grund zu glauben, dass erdas Land verlassen habe. Bereits am Mittwoch hatte derBotschafter der Taliban in Pakistan, Mullah Abdul Salaam Saeef,im britischen Fernsehen gesagt, Bin Laden befinde sich in einemunbekannten Versteck. Die USA hatten Berichte, wonach Bin Ladenvermisst sei, als unglaubwürdig zurückgewiesen. Der Rat dermoslemischen Geistlichen der Taliban hatte Bin Laden in dervergangenen Woche aufgefordert, Afghanistan freiwillig zuverlassen, um so einen US-Angriff abzuwenden. Irak: "Wir kennen Herrn Bin Laden nicht"Der Irak bestritt unterdessen jegliche Kontaktemit dem mutmaßlichen Terroristenchef Osama Bin Laden. "Wirkennen Herrn Bin Laden nicht, und wir wissen auch nicht, wo ersteckt", sagte der stellvertretende Regierungschef Tarik Asis ineinem Interview des US-Senders CNN. Generell betonte der "Vize" vonSaddam Hussein, dass Irak Terrorismus nicht befürworte, nichtunterstütze und auch keinen Terroristen im eigenen Land Unterschlupfgewähre. "Wir brauchen keinen Terrorismus, um unsere Ziele zuerreichen", sagte Asis. "Wir haben ein politisches System und setzenpolitische Mittel ein."
Vor einigen Tagen hieß es bei den Taliban noch, Osama Bin Laden sei nicht aufzufinden. Jetzt haben afghanische Vertreter den mutmaßlichen Terrorchef wohl doch aufgespürt und ihm ein Dekret übergeben, wonach er das Land verlassen darf - freiwillig.
[ "Afghanistankrieg" ]
Ausland
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2001-09-27T20:19:17+02:00
2001-09-27T20:19:17+02:00
https://www.spiegel.de/politik/ausland/ausreise-gesuch-taliban-bote-traf-terror-fuersten-a-159708.html
Bedingt abwehrbereit
In den ersten dramatischen Wochen der SPIEGEL-Affäre vernahmen Bundesanwälte im Krankenhausbett einen Bundeswehr-General, der kurz zuvor einen Autounfall erlitten hatte und in dem Verdacht stand, vor dem Erscheinen des umstrittenen SPIEGEL -Berichts »Bedingt abwehrbereit« mit dem SPIEGEL vertrauliche Gespräche geführt zu haben. Seit 1. Juli dieses Jahres kommandiert dieser Vier-Sterne-General als höchster deutscher Nato-Offizier die gesamten Streitkräfte der Allianz im entscheidenden Frontabschnitt des Atlantikpaktes, dem Nato-Bereich Europa -Mitte. Es ist Johann Adolf Lothar Werner Friedrich-Wilhelm William Walter Dandolo Graf von Kielmansegg, von seinen Freunden Kilian genannt.Der neue deutsche Nato-Befehlshaber ist vor eine schier unlösbare Aufgabe gestellt: Er soll im Ernstfall ohne stützendes Hinterland und mit unzulänglichen Kräften eine Vorwärtsverteidigung nahe der Zonengrenze führen. Fast drei Jahre lang hat die Parole Vorwärtsverteidigung Bonns Strategen Halt und Zuversicht verliehen. Seit letztem Monat krankt die ehrgeizige Doktrin an Auszehrung.Anfang Juli entledigten sich die Franzosen der automatischen Beistandspflicht. De Gaulles 70 000 Mann starke Heeres- und Fliegerverbände in deutschen Kasernen und Horsten schieden aus dem integrierten Nato-Apparat aus.Heute noch ist ungewiß, ob sie nach Lothringen heimkehren oder in vorderster Nato-Front auf deutschem Boden gleich in der ersten Stunde eines Sowjet-Angriffs zurückschießen werden. Bundesverteidigungsminister Kai -Uwe von Hassel dozierte vorletzte Woche vor dem Nato-Rat: »Das Konzept der Vorwärtsverteidigung kann nur mit Streitkräften verwirklicht werden, die schon in Friedenszeiten integriert sind und einem Oberkommandierenden mit angemessenen Befugnissen unterstellt werden.«Doch nicht nur zwischen Bayrischem Wald und Schwarzwald, bislang Gefechtsstreifen der Poilus, klafft nun eine Lücke in der Vorwärtsverteidigung. Auch zwischen Harz und Lüneburger Heide, Abwehrraum der britischen 50 000-Mann-Rheinarmee, droht der Abmarsch von 20 000 Tommys. Dem Vereinigten Königreich kommt der eigene Festlanddegen zu teuer. Und die Bundesrepublik sträubt sich, allein den Devisenverlust der Engländer zu decken. Schließlich haben auch noch die Amerikaner bereits vor anderthalb Monaten ihrer 7. Armee in Hessen und Niederbayern rund 15 000 altgediente Spezialsoldaten für den Dschungelkrieg in Vietnam entzogen. Und Senatoren wie Kongreßmänner in Washington verlangen immer hartnäckiger, daß komplette Regimenter und Brigaden »unserer besten Streitkräfte« nach Hause geholt werden.Vor diesem Hintergrund fehlt es dem Bekenntnis zur Vorwärtsverteidigung, das der Nato-Rat auf seiner Sitzung in Paris vorletzte Woche wieder einmal erneuerte, an Glaubwürdigkeit.An der europäischen Zentralfront zwischen Alpen und Ostsee stehen heute nur noch 23 Panzer- und Grenadier-Divisionen sowie zwei Luftflotten unter dem alliierten Oberkommando Europa-Mitte zur Abwehr und zum Gegenschlag bereit. Das ist die wankende Streitmacht, die nun der deutsche Graf Kielmansegg, 59, von seinem Hauptquartier Fontainebleau aus befehligt.Der designierte Feldherr läßt die Kanten und Ecken seines Berufs vermissen. Wohlerzogen, gebildet und sensibel, wirkt der Aristokrat jünger als er ist. Ein Regimentskamerad bezeugt: »Als Leutnant sah Kilian wie ein Konfirmand, als Oberst wie ein Leutnant aus.«Im Soldatenleben des Grafen spannt sich der weite Waffenbogen von Säbel und Lanze bis zur Atombombe und Elektronik. Am 30. Dezember 1906 als Sohn eines Dragoner-Rittmeisters im hessischen Hofgeismar geboren, rückte er mit dem Reifezeugnis als Fahnenjunker beim Reiter-Regiment 16 in Erfurt ein. Den Truppendienst beendete er als Hauptmann bei den Kradschützen, die Kriegsakademie bereitete ihn auf den Generalstabsdienst vor. Während der Feldzüge in Polen, Frankreich und Rußland - 1939 bis 1942 - half er als Generalstabsoffizier Panzerdivisionen führen. Von 1942 bis 1944 assistierte er dem General Heusinger in der Operationsabteilung des Heeres.Oberst Graf Kielmansegg zählte damals zum Widerstandskreis seines Freundes Oberst Graf Stauffenberg. Nachdem Hitler die Bombe Stauffenbergs überlebt hatte, sperrte die Gestapo den Mitwisser Kielmansegg für acht Wochen ein, konnte ihn aber nicht überführen.Aus dem Generalstab wegen ungeklärten Verdachts entfernt, führte er in den letzten Kriegsmonaten ein Panzer -Grenadier-Regiment an der Westfront. Nach dem Krieg war der Graf einer der ersten Offiziere, von denen die deutsche Wiederbewaffnung vorbereitet wurde.Bereits im September 1950, fünf Jahre vor Aufstellung der ersten deutschen Einheiten, leistete er in Adenauers Kanzleramt militärpolitische Planarbeit.Als erster deutscher General repräsentierte er die Bundesrepublik von 1955 bis 1958 im Nato-Oberkommando zu Paris. Truppenkommandos als stellvertretender Kommandeur der 5. Panzer-Division in Koblenz und an der Spitze der, 10. Panzer-Grenadier-Division in Sigmaringen machten ihn mit der Bundeswehr-Praxis vertraut.Da Frankreichs Staatsgeneral Charles de Gaulle den Bundeswehr-General Hans Speidel 1963 aus dem Amt des Heeresbefehlshabers Europa-Mitte verdrängte, weil ihm dessen operative Forderung, die französischen Truppen an die Zonengrenze zu beordern, mißfiel, und Bonns oberster Soldat, Generalinspekteur Friedrich Foertsch, pensioniert wurde, mußte der Bonner Verteidigungsminister beide Spitzenstellen für deutsche Generale neu besetzen. Die Wahl fiel auf Trettner und Kielmansegg. Offen blieb zunächst, wer von den beiden wohin zu berufen sei. Des Grafen diplomatisches Geschick gab den Ausschlag. Trettner wurde Generalinspekteur, was Kielmansegg gern geworden wäre; der Graf siedelte nach Fontainebleau über.Die höchste Stufe in Fontainebleau, das Oberkommando über die Gesamtstreitkräfte in Zentraleuropa, erklomm Kielmansegg im letzten Monat, als mit den französischen Divisionen auch der französische General Jean Crépin, bis dahin Kielmanseggs Vorgesetzter, aus der Nato-Integration abberufen wurde.Verteidigungsminister von Hassel, der vor der Versetzung Kielmanseggs nach Fontainebleau ein einziges Mal genau anderthalb Minuten für Konversation mit seinem General erübrigt hatte, vergaß, ihm zu gratulieren. Auf dem Schreibtisch des - neben Generalinspekteur Heinrich Trettner - ranghöchsten Bundeswehr-Generals steht die weihnachtliche Bastelarbeit eines seiner Söhne; liebevoll ist auf Eichenholz die Devise der Sippe Kielmansegg gemalt: »Consilio non imperio« (sinngemäß: »Mit besonnener Klugheit, nicht mit Gewalt").Ein klügeres Rezept hätten sich die gräflichen Vorfahren aus Schleswig -Holstein für Sproß Johann Adolf im diffizilen Nato-Kommando Europa -Mitte nicht ausdenken können.Denn der operative Auftrag für Kielmansegg lautet unverändert: Vorwärtsverteidigung nahe der Zonengrenze. Aber die wichtigste Voraussetzung militärischer Planung und Führung - verläßliche Größen im Kalkül - fehlt. Die politische Wetterbesserung in Europa und die militärische Blutarmut der Allianz macht den Generalstäblern eine auch nur halbwegs perfekte Planvorsorge für die Vorwärtsverteidigung unmöglich. Der Begriff Vorwärtsverteidigung bedeutet taktisch: nachhaltige Abwehr eines Feindangriffs in einem Gebiet, dessen vorderer Rand möglichst weit feindwärts verläuft.Geographisch verschob sich die Vorwärtsverteidigung, je nach Kräftezuwachs, etappenweise von West nach Ost. Als der erste Nato-Oberbefehlshaber in Europa, US-General Dwight D. Eisenhower, im Jahre 1951 das verheißungsvolle Wort erstmals gebräuchte, besagte es nicht mehr, als daß die Nato-Verbände in der Bundesrepublik bei Feindangriff nach Westen retirieren ("fall back") und sich erst am linken Rheinufer festsetzen sollten.Einer der Amtsnachfolger Eisenhowers, US-General Lauris Norstad, urteilte später: »Als politisches Ziel war das unannehmbar, aber es war das beste, was wir militärisch tun konnten.« Die eingeplante Preisgabe Westdeutschlands belastete den Start der Bundeswehr. Bonns erste Strategen, die Generale Heusinger und Speidel, argumentierten, der deutsche Nato-Beitrag gewinne erst dann Sinn, wenn die Bundesrepublik schon am Eisernen Vorhang verteidigt werde.Die atlantischen Bundesgenossen entsprachen solchen Forderungen in Raten. Anfang 1955, noch bevor die erste Bundeswehr-Division ins Gewehr trat, riskierte die Nato, ihre vordere Abwehrlinie über den Rhein nach Ost vorzuverlegen. Von 1958 an galten schon Weser und Lech als Hauptkampflinie.Und am 1. September 1963 - zwischen Passau und Lübeck standen neben vierzehn amerikanischen, britischen, französischen, belgischen und holländischen Divisionen sowie einer kanadischen Brigade bereits elf Bundeswehr-Divisionen parat - verfügte das Nato-Oberkommando in Paris, die Vorwärtsverteidigung habe dort zu beginnen, wo sie nach deutschen Vorstellungen hingehört: der Demarkationslinie so nahe, wie Gelände und taktische Regeln es erlauben - mal 30, mal 70 Kilometer bis an den Stacheldraht heran. Selbst dieses geographische Optimum an Vorwärtsverteidigung hält jedoch weniger, als der anspruchsvolle Name verspricht.Der Angreifer kann nicht unmittelbar an der Zonengrenze gestoppt und durch Gegenangriff ohne Verzug zurückgeworfen werden. Die Verzögerungs- und Abwehrkämpfe der Heerestruppen würden sich vielmehr diesseits des Eisernen Vorhangs in 80 bis 120 Kilometer tiefen Räumen auf Bundesterritorium abspielen, während Jagdbomber und Raketen den Konflikt zugleich auf den europäischen Kontinent ausdehnen.Die Heeresdienstvorschrift »Truppenführung« (HDv 100/1) umschreibt das taktische Ziel der Abwehr: »Spätestens nach Abschluß, der Kämpfe müssen trotz beweglicher Führung des Gefechts die für die Beherrschung des Abwehrraumes wichtigen Geländeteile wieder in eigenem Besitz sein.« Mit anderen Worten: Die Nato-Verbände sollen ihre Abwehrräume auf westdeutschem Gebiet, durch das Hin und Her der Abwehrschlacht verwüstet, schließlich kontrollieren können.Solch ein Abwehrerfolg setzt - laut Planstudien - voraus, daß im zentraleuropäischen Nato-Bereich des Generals Graf Kielmansegg zumindest 30 Divisionen verfügbar sind.Ohne die Franzosen, nach dem angedrohten Aderlaß der britischen Rheinarmee und der zu erwartenden Verdünnung der 7. US-Army würde dem Nato-Grafen fast ein Drittel an diesem Plansoll fehlen. Der geschwächten Front zwischen Passau und Lübeck droht damit Gefahr, daß angreifenden Panzermassen der breite Durchbruch in Richtung Ruhrgebiet oder Frankfurt am Main gelingt. Die spärlichen Nato-Reserven reichen auch jetzt schon nicht hin, um operative Panzerdurchbrüche aufzufangen und abzuschneiden. Nur atomares Feuer könnte den Zusammenbruch der Abwehr verhüten. Die Bundesrepublik würde verheert, die Atomspirale in Bewegung gesetzt werden.Um solche Abwehrschlacht auf deutschem Boden zu verhindern, hat der Bundeswehr-Führungsstab ein Konzept »wirksamer« Vorwärtsverteidigung entwickelt:- Konventionelle Streitkräfte in unmittelbarer Grenznähe regulieren übersehbare Grenzscharmützel.- Atomwaffen kleinster Kaliber mit kürzester Reichweite, wie Atomminen und Atomartillerie, demonstrieren bei nicht mehr übersehbaren Grenzaktionen die eigene Bereitschaft zum Atomkrieg und verhindern Massierungen des Angreifers auf Nato-Territorium.- Raketen und Jagdbomber führen bei erkanntem Großangriff, dem sich die konventionellen Nato-Kräfte nicht gewachsen zeigen, räumlich begrenzte Atomschläge gegen die Angriffsspitzen, das Aufmarschgebiet und die Verbindungslinien des Gegners.Würden diese Bonner Theorien für die zentraleuropäische Nato-Front, deren Abwehrkräfte mehr und mehr wegsickern, verbindliche Kampfregel, so müßte der Oberbefehlshaber Graf Kielmansegg bei jedem stärkeren Feindangriff nach atomaren Sprengkörpern rufen. Die »besonnene Klugheit« aus dem Wappenspruch der Kielmanseggs könnte dann nichts mehr ausrichten; die entfesselte »Gewalt«, atomar potenziert, würde das Schlachtfeld regieren.Allerdings haben die deutschen Theorien wenig Chancen, als Nato-Konzept angenommen zu werden. Denn Europas Schutzmacht Amerika beharrt darauf, daß Atomwaffen nicht frühzeitig eingesetzt werden dürfen, und insgesamt nehmen die atlantischen Bundesgenossen die akuten militärischen Gefahren aus dem Osten nicht mehr sehr ernst.Nach französischer Auffassung ist die Kriegsdrohung nach Südostasien abgewandert, während die europäische Entspannung den Verzicht auf enge Nato -Klammern erlaubt.Die Briten urteilen ähnlich: Angriffsabsichten der Sowjets gegen Europa seien für lange Frist nicht zu erkennen, volle Präsenz der Nato-Verbände und stete Alarmbereitschaft nicht mehr erforderlich.Die amerikanische Meinung differenziert zwischen akuter und potentieller Bedrohung: Mit einem überraschenden Angriff auf Europa sei aus politischen Gründen nicht zu rechnen, und er sei auch angesichts moderner Aufklärungsmittel militärisch nicht mehr möglich.Zwar gestatte das militärische Potential des Ostens eine Aggression, die aber erkennbarer, zumindest zwei Wochen dauernder Vorbereitungen bedürfe. In dieser Warnfrist ermögliche es eine in absehbarer Zeit vorhandene dreifach erhöhte Seetransport-Kapazität und vierfach erhöhte Lufttransport-Kapazität, amerikanische Verbände aus Übersee rechtzeitig heranzuführen.Minister von Hassel letzte Woche zum SPIEGEL: »Hier liegt eine Differenz zwischen dem amerikanischen Verteidigungsminister McNamara und mir vor. Es ist nicht ausgeschlossen, daß unter besonders günstigen Bedingungen diese 14 -Tage-Frist gegeben ist. Ich habe aber die Pflicht, von den ungünstigsten Bedingungen auszugehen. Ich glaube nicht, daß wir mit 14 Tagen sicher rechnen können.«Solange der Streit um Feindbeurteilung und eigene Strategie in der Nato nicht ausgetragen ist, bleiben die Streitkräfte des neuen deutschen Nato-Oberbefehlshabers Europa-Mitte, Graf Kielmansegg, nur bedingt abwehrbereit.Nato-General Kielmansegg, Nato-Soldaten: Ein Drittel fehltNato-Planer McNamara, von Hassel: »Differenz zwischen uns«
[ "Bundesrepublik", "Europa", "Nato", "Paris", "Nato", "Bundeswehr" ]
Politik
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1966-08-07T13:00:00+01:00
1966-08-07T13:00:00+01:00
https://www.spiegel.de/politik/bedingt-abwehrbereit-a-67999604-0002-0001-0000-000046408209?context=issue
Amoklauf in Rostock: Messerstecher kommt womöglich in Psychiatrie
Rostock - Nach der tödlichen Messerattacke auf zwei Menschen am Sonntag im Rostocker Viertel Groß Klein verdichten sich Hinweise auf einen psychisch gestörten Täter. "Über das genaue Motiv lässt sich noch nichts sagen. Der Mann ist aber wohl ziemlich durchgeknallt", sagte der Rostocker Oberstaatsanwalt Peter Lückemann am Montag. Im Laufe des Tages werde der 51-Jährige voraussichtlich in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen, eine abschließende Entscheidung stehe bis zur Obduktion der beiden Opfer allerdings noch aus.Der Mann hatte am Sonntag in einer Neubausiedlung der Hansestadt zwei Menschen erstochen und einen Polizeibeamten schwer verletzt. "Von einem Amoklauf würde ich bisher nicht sprechen", meinte Lückemann. Die Bluttat sei offensichtlich nicht geplant gewesen. Zeugen hätten ausgesagt, dass der Mann "Stimmen aus dem Kosmos" gehört habe, die ihm die tödlichen Angriffe befohlen hätten. Die Opfer wurden inzwischen identifiziert. Den Ermittlungen zufolge war der Täter am Sonntagnachmittag aus seiner Wohnung gelaufen und zunächst über einen 67 Jahre alten Mann hergefallen. Mit einem Küchenmesser mit 12 bis 15 Zentimetern Klingenlänge stach er auf ihn ein und kehrte danach in die Wohnung zurück. Als eine 66 Jahre alte Bekannte des im Schnee verblutenden Opfers vorbeikam und diesem helfen wollte, stürmte der Täter den Angaben zufolge erneut aus dem Haus. "Er versetzte ihr sieben Stiche in den Rücken, danach weitere in die Brust und in den Kopf", berichtete Lückemann. Danach sei der Mann wieder in den Plattenbau zurückgekehrt. Anwohner alarmierten die Polizei. Als diese eintraf, sprang der 51-Jährige von seinem Balkon im Hochparterre und stach ebenfalls auf einen 49-jährigen Polizeibeamten ein. Der Messerstecher konnte erst von einem weiteren Beamten durch einen Schuss in den Oberschenkel gestoppt werden. Laut Staatsanwaltschaft ergeben sich durch das Verhalten des Täters und Zeugenaussagen Anhaltspunkte für eine Schuldunfähigkeit.
jjc/AFP/dpa
Ein Mann hat in einer Rostocker Plattenbausiedlung willkürlich zwei Passanten erstochen. Laut Oberstaatsanwalt gibt es Hinweise, dass der 51-Jährige nicht schuldfähig ist. Noch am Montag soll entschieden werden, ob seine Unterbringung in der Psychiatrie beantragt wird.
[ "Mecklenburg-Vorpommern", "Amoklauf", "Rostock" ]
Panorama
Justiz & Kriminalität
2010-02-15T10:54:17+01:00
2010-02-15T10:54:17+01:00
https://www.spiegel.de/panorama/justiz/amoklauf-in-rostock-messerstecher-kommt-womoeglich-in-psychiatrie-a-677873.html
Verlust des Spitzenratings: Obama gelobt härteren Sparwillen
Hamburg - Nach derspektakulären Herabstufung der US-Kreditwürdigkeit verteidigt Präsident Barack Obama seine Finanzpolitik. Das jüngste Schuldenabkommen sei ein "wichtiger Schritt in die richtige Richtung" gewesen, teilte das Weiße Haus mit. Zugleich räumte Obama aber ein, das wochenlange politische Gerangel habe "zu lange gedauert und hat zeitweise zu viel Uneinigkeit gestiftet". Obamarief die Parteien des Landes zu mehr Einigkeit in der Sparpolitik auf, hieß es in der Stellungnahme vom Samstag (Ortszeit). Der US-Präsident glaube, "dass es wichtig ist, dass unsere gewählten Führer zusammenkommen, um unsere Wirtschaft zu stärken und unserer Nation ein stärkeres finanzielles Fundament zu geben".Obama werde alle Mitglieder des US-Kongresses in den kommenden Wochen ermutigen, "unser gemeinsames Bekenntnis zu einer stärkeren Erholung und einem gesünderen langfristigen Weg bei den Finanzen über politische und ideologische Differenzen zu stellen", teilte das Weiße Haus mit. Es war die erste Reaktion der Regierung, nachdem die Rating-Agentur Standard & Poor's (S&P)erstmals in der Geschichte den USA die Bestnote "AAA" entzogen und die Bonität auf "AA+" abgestuft hatte."Krasse Fehlentscheidung"Die Agentur begründet ihre Entscheidung ausdrücklich mit dem jüngsten Schuldenabkommen der Regierung Obama: Demokraten und Republikaner im US-Kongress hatten am Dienstag nur Stunden vor der drohenden Zahlungsunfähigkeiteine Anhebung der US-Schuldengrenze unter der Auflage massiver Haushaltseinsparungen verabschiedet. Der Kompromiss sieht eine zweistufige Anhebung des Schuldenlimits um 2,1 Billionen Dollar sowie Haushaltskürzungen von mehr als 2,4 Billionen Dollar in den kommenden zehn Jahren vor.Die angepeilten Einsparungen, so das Urteil der Rating-Agentur, würden zur Finanzkonsolidierung aber nicht ausreichen. Zugleich kritisierte S&P, der langfristige Ausblick sei negativ, sollten die USA ihre Schulden nicht in den Griff bekommen. Allerdings halten die beiden anderen großen US-Rating-Agenturen Moody's und Fitch an der Bestnote fest. Gene Sperling, Chef-Wirtschaftsexperte des Weißen Hauses, warf der Rating-Agentur eine "krasse Fehlentscheidung" vor. S&P hatte Medienberichten zufolge bei der Überprüfung der US-Finanzen einen Rechenfehler in Höhe von zwei Billionen Dollar gemacht, und - nachdem die Agentur von der US-Regierung darauf hingewiesen wurde - erklärt, das würde nichts an der Entscheidung ändern. "Hier wurde mit einem Fazit begonnen - und anschließend wurden die Argumente zurechtgebogen, bis es passte", ätze Sperling. Staats- und Regierungschefs in AufruhrDer Schritt löste in der globalen Finanzwelt schwere Sorge aus, dass dieohnehin flaue US-Konjunktur weiter geschwächt werden könnte. Mit Spannung wird erwartet, wie die Märkte am Montag reagieren. Bereits am Freitag, noch vor der Herabstufung der USA, waren die Börsenkurse an der Wall Street, in Europa und Asien dramatisch abgesackt. Parallelgärt die europäische Schuldenkrise weiter.Die führenden Wirtschaftsnationen der Welt bemühen sich derweil um eine Beruhigung der Lage: Am Sonntagabend südkoreanischer Zeit (früher Sonntagmorgen MEZ) schlossen sich nach Angaben der Regierung in Seoul Vertreter der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) in einer Telefonschalte zusammen. Es sei über die Schuldenkrise in Europa und den Verlust der Spitzenbewertung der USA diskutiert worden, hieß es aus Teilnehmerkreisen. Nach einer ganzen Reihe von Telefonaten führender Euro-Zonen-Politiker hatte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, der derzeit Vorsitzender der G7 und der G20 ist, bereits Samstagabend mit dem britischen Premierminister David Cameron telefoniert. Auch dieses Gespräch drehte sich nur um zwei Themen, teilte London mit: die Schuldenkrise in Europa und die Bonitätsherabstufung der USA. Beide Politiker seien sich einig, zusammenzuarbeiten, die Situation genau zu beobachten und in den kommenden Tagen in Kontakt zu bleiben.Am Sonntag wird zudem mit einer Telefonkonferenz der Finanzminister und Notenbankchefs der G7 gerechnet. Im Anschluss werde es möglicherweise eine Erklärung geben, verlautete aus japanischen Regierungskreisen. Innerhalb der G7 wird diskutiert, das für Mitte September geplante Treffen der Finanzminister vorzuziehen. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) will sich am Sonntag in einer Telefonkonferenz beraten. China schießt gegen WashingtonNach der Herabstufung der USA gibt es nur noch vier führende Industrienationen mit der Bestnote der Agentur: Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Kanada. Die Bundesregierung wollte sich am Wochenende nicht äußern. Auch andere Industrienationen halten sich mit öffentlichen Reaktionen bislang bedeckt - das Wochenende scheint im Zeichen von ersten Gesprächen zu stehen, wie man mit der historisch einmaligen Lage umgehen soll.Eineungewöhnlich scharfe Kritik an der US-Schuldenpolitik kam einzig aus China. Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua schrieb: "Amerika muss für seine Schuldensucht und das kurzsichtige politische Gezerre bezahlen." Die Volksrepublik verlange, dass die USA ihre strukturellen Schuldenprobleme in den Griff bekommen "und die Sicherheit chinesischer Dollar-Anlagen sicherstellen", hieß es. China ist mit seinem immensen Anteil an amerikanischen Staatsanleihen der größte ausländische Gläubiger der USA.
amz/dpa/AFP/Reuters/dapd
"Wir müssen zusammenarbeiten": Nach dem Verlust des Spitzenratings ruft US-Präsident Obama die zerstrittenen Parteien zu Geschlossenheit auf - an seiner Finanzpolitik will er allerdings festhalten. Die führenden Wirtschaftsnationen haben erste Reaktionen angekündigt.
[ "Die Regierung Obama", "Barack Obama", "USA", "Öffentliche Schulden der USA", "Ratingagenturen", "Weltfinanzkrise", "Schuldenkrise der USA 2011" ]
Ausland
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2011-08-07T08:33:00+02:00
2011-08-07T08:33:00+02:00
https://www.spiegel.de/politik/ausland/verlust-des-spitzenratings-obama-gelobt-haerteren-sparwillen-a-778804.html
»Trau nie den Serben«
Spiel oder Krieg? Der Abpfiff in Kumanovo, mit dem britischen Nato-General Mike Jackson in der Rolle des Schiedsrichters, sollte alles beenden. Aber die Heimatverteidiger wollen sich nicht daran halten. »Es ist Halbzeit«, sagen sie, »in der zweiten Hälfte gewinnen wir.« Die Männer von der Kosovo-Befreiungsarmee UÇK haben großes Vertrauen in ihren Ausbilder Fanol Bardhi, 25. Und wie ein Fußballtrainer verkündet der junge Kommandeur: »Wir haben die bessere psychische Ausdauer und die Motivation, von jetzt an übernehmen wir.« Bei den albanischen Untergrundkämpfern vermischen sich Zuversicht und Zweifel. Gehört die Heimat jetzt ihnen, und wie wird sie aussehen, heute und in ein paar Jahren? Sie glauben noch nicht an ein Ende des blutigen Konflikts um das Kosovo. Als die Nachricht von der Unterzeichnung des Militärabkommens zwischen serbischen Generälen und der Nato am vergangenen Mittwoch auch das UÇK-Basislager in den albanischen Bergen erreicht, knallen dort keine Friedensschüsse. Für die Soldaten gibt es keine Sonderration, nicht einmal eine Unterbrechung im üblichen Trainingsablauf. Am späten Abend, kurz vor der streng eingehaltenen Nachtruhe, besprechen die Rekruten der Partisanenarmee bei einem Glas Bier die jüngsten Entwicklungen - sie sehen die Lage strittig wie immer. Die Truppe ist bunt zusammengewürfelt, kein Lebenslauf gleicht dem anderen: Freiwillige aus Italien, Gastarbeiter aus Deutschland, Emigrantenkinder aus den USA und jüngst Vertriebene aus dem Kosovo sind dabei, sie alle bringen unterschiedliche politische Erfahrungen in die Diskussion ein. Nur in einem sind sich die Kämpfer einig: »Trau nie den Serben.« Ansonsten gehen die Meinungen weit auseinander. Da ist etwa Marin, 47, ehemals politischer Gefangener im Tito-Jugoslawien, der nun mit allen Mitteln die Auflösung der illegalen UÇK-Kommandos verhindern möchte. Der glühende Nationalist schert sich einen Teufel darum, daß sich der Westen im internationalen Friedensplan zur Entwaffnung aller paramilitärischen Formationen verpflichtet hat. Sogar die eigene UÇK-Führung ist einverstanden mit der Umwandlung der Rebellenarmee in eine Polizeitruppe - zumindest offiziell. Aber: »Das Kosovo ist der serbisch besetzte Teil Albaniens«, beharrt Marin, »das müssen wir radikal ändern, und das geht nur militärisch.« Ähnlich wie er denken viele in der hochmotivierten Freiwilligen-Brigade. Sie möchten die Waffen lieber nicht abgeben. Mit den Serben haben sie gemeinsam, daß sie sich im Felde unbesiegt fühlen. Sie wollen sich von der Nato nur »demilitarisieren« lassen, wenn sie dafür das unwiderrufliche Recht auf ihre Heimat zugestanden bekommen, und darunter verstehen sie die Unabhängigkeit nach der jetzt beginnenden Interimslösung. Vor allem in den vergangenen zwei Wochen haben die Freischärler vom Balkan - teilweise mit massiver Unterstützung durch die Nato-Luftangriffe - den ermatteten serbischen Verbänden im Grenzgebiet empfindliche Verluste zugefügt. So gelang etwa tausend Mann der Durchbruch bei Kosare: Sie konnten ein rund 200 Quadratkilometer großes Gebiet bei Decani zum befreiten Territorium erklären. Am Grenzposten bekommt seitdem jeder »Reisende« in seinen UÇK-Ausweis oder Paß einen Stempel: »Republika e Kosovës«, eingereist in die »Republik Kosovo«. Kommandeur Bardhi ist ungeheuer stolz auf den Sieg, so relativ der auch sein mag: »Das hätte ich mir nie träumen lassen, daß aus einer Schar von Möchtegern-Revoluzzern einmal eine richtige Armee entstehen würde.« Der gebürtige Bochumer Bardhi hat genug einschlägige Erfahrung. Vor einem Jahr, es lag noch Schnee auf den Berggipfeln an der albanischen Grenze zum Kosovo, wagte er zusammen mit 2 Freunden, 4 Maultieren und 20 Kalaschnikows chinesischer Bauart die abenteuerliche Reise ins Stammland seiner albanischen Eltern, das er nie gesehen hatte. Es ging gut und machte Mut. Die erste Bresche ins besetzte Gebiet war geschlagen. Auf diesem einzigen Nachschubweg für die neuentstandene UÇK bewegte sich bald ständig eine Waffenkarawane. Um später sagen zu können, sie seien im Krieg um die Heimat dabeigewesen, schlossen sich immer mehr Freiwillige den selbsternannten Befreiern an. Patriotismus wurde Pflicht und Militarismus Mode bei jungen Kosovo-Albanern, auch wenn sie im Westen aufgewachsen waren. Einer der zwei tollkühnen Mitstreiter Bardhis von damals ist »Shpirtmadhi«, die »Große Seele«, wie man ihn in der UÇK liebevoll nennt. Er rät eindringlich davon ab, im Windschatten der Nato nun ganz schnell ins Kosovo einzurücken. »Wir dürfen nichts überstürzen«, schärft er den Kameraden im Basislager ein, »warten wir erst einmal ab, was die Nato in den kommenden Wochen zustande bringt, eine Verschnaufpause kann auch uns nicht schaden.« Das Soldatenleben ist hart für die Kämpfer, fast jeder Einsatz war mit hohen Verlusten verbunden. Es mangelt an allem: an modernen Waffen, an Aufklärung und Logistik, an strategisch begabten Führern. Aus der albanischen Hauptstadt Tirana kommen Brot, Tee und Dosenmakrelen ins Lager, das war's. Alles andere müssen die Kosovaren selbst organisieren, unter meist erbärmlichen Bedingungen. Albanien ist nicht nur das Armenhaus Europas, sondern auch der instabilste Staat auf dem ohnehin nicht stabilen Balkan. Über der Gesellschaft, die ihren Aufbruch in die Moderne unter den Bedingungen totaler Anarchie begann, liegen noch immer die schwarzen Schatten der Vergangenheit. Vier Jahrzehnte lang hatte der stalinistische Führer Enver Hodscha das Land der Skipetaren und Adlersöhne von der Welt völlig isoliert, alle Familienbande mit den Landsleuten im Kosovo zerschnitten. Diesseits und jenseits der Grenze blieben sich die Menschen gleicher Sprache fremd, Solidarität mit den unterdrückten Minderheiten außerhalb der Staatsgrenzen gab es nicht. Bis heute sind die Albaner im Mutterland einer zugleich ohnmächtigen und korrupten Verwaltung ausgeliefert, kämpfen sie ums Überleben in einer wilden, räuberischen Marktwirtschaft, die in vielen Bereichen auf Schieberei und Betrug beruht. Ausländische Firmen haben das Risikoland Albanien aus ihren Investitionslisten seit langem gestrichen, und Besserung ist nirgendwo in Sicht. Die Rückständigkeit ist fatal für die UÇK. Denn die Rebellenarmee hat außer Albanien kein Rückzugsgebiet und keine Rekrutierungszone. Um überhaupt existieren, geschweige denn kämpfen zu können, müssen die Rebellen ihr Erspartes aufbringen: Für jeden Transport bezahlt man Wegegeld. Vor allem Waffen, obwohl nach den Plünderungen der Armeedepots vor zwei Jahren im Überfluß vorhanden, werden nur gegen Bares abgegeben. Wer von Tirana aus in die Berge will, ob als Kämpfer oder Journalist, braucht außerdem Papiere und Bewilligungen, sonst kommt man nie an, und die Dokumente gibt es nur gegen Bezahlung. Foto- und Filmaufnahmen sind prinzipiell verboten. »Sekret, sekret, sekret«, sagen die Polizisten an den unzähligen Straßensperren, und das soll heißen, kehr um, Fremder, verschwinde, hier ist alles »geheim, geheim, geheim«. So wird als Staatsgeheimnis behandelt - obwohl es jeder weiß -, daß die UÇK in verlassenen und heruntergekommenen Kasernen der ehemals sozialistischen Volksarmee ihre Ausbildungscamps errichtet hat. Für die Kinder in den Bergdörfern sind die Kämpfer längst die neuen Helden, sie sind die Stars, die Gefühle freisetzen und Phantasien beflügeln, nicht wie anderswo auf dem Balkan Teenie-Popper wie die Backstreet Boys. Mit viel Mühe hergerichtet, bieten die improvisierten Standorte mittlerweile das Minimum dessen, was eine Armee als Voraussetzung zum Kämpfen braucht. Der Alltag beginnt im Camp um sechs Uhr mit dem Morgenappell und dem Hissen der albanischen Flagge. Dann ist aber auch Ende des Zeremoniells. Anders als es die Selbstdarstellungsvideos und UÇK-Werbebilder suggerieren, wird von Drill und Gehorsam wenig gehalten. Jeder kann sich so lange bei der Truppe verpflichten, wie er will; der Rekrut hat das Recht, jederzeit wieder zu gehen. Aufgenommen wird nur, wer nach einem zehntägigen Grundtraining für tauglich befunden wurde. Keine vollmundigen Parolen sind plakatiert, Kampfposter werden nirgendwo aufgehängt. Das Essen ist kärglich, selten mit Fleisch, aber man legt Wert auf Abwechslung. Es kommt alles auf den Speiseplan, die Auswahl reicht vom morgendlichen Müsli bis zu Sauerkrautgerichten, nur serbische Bohnensuppe wird gemieden. Dennoch, im Vertrauen erzählen die zugewanderten Rekruten, daß sie sich in Albanien unwohl und oft wie Fremde fühlten. Großalbanien als Kriegsziel? Jedenfalls nicht, bevor das Land der Skipetaren ein gutes Stück weiter an die europäische Zivilisation herangerückt ist. Für die meisten lautet die Perspektive: entweder ein Neuanfang für ihre Familien im Kosovo oder die Emigration in den Westen. »Einen Weg dazwischen gibt es nicht«, räumt selbst Kommandant Bardhi ein, »wir wollen nach Europa, das ist letztendlich unser Ziel.« Und das bekräftigt er mit neuer Symbolik. Bei jedem feierlichen Ereignis läßt der UÇK-Führer jetzt auch noch in der entferntesten Bergfeste neben der albanischen Flagge die Fahne der Nato hissen. ROLAND SCHLEICHER
Roland Schleicher
Harte Kämpfe, hohe Verluste, kleine Erfolge: Die albanische Befreiungsarmee UÇK fordert jetzt ihren Anteil am Sieg über die Serben.
[ "Kosovo", "Balkan", "Albanien", "Nato" ]
Politik
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1999-06-13T13:00:00+02:00
1999-06-13T13:00:00+02:00
https://www.spiegel.de/politik/trau-nie-den-serben-a-a0f9a787-0002-0001-0000-000013734269?context=issue
NBA: Sieg für Mavericks, Saisonaus für Butler
Hamburg - Ohne ihren verletzten Star Dirk Nowitzki haben die Dallas Mavericks in der nordamerikanischen Basketball-Profiliga NBA ihren zweiten Sieg in Serie gefeiert. Nach dem104:95-Erfolg gegen die Cleveland Cavaliers gelang dem Club gegen die Portland Trail Blazers ein 84:81. Beste Werfer für die "Mavs" waren Jason Terry und DeShawn Stevenson mit jeweils 18 Punkten. Nowitzki verpasstenach einer Kniestauchung die fünfte Partie nacheinander. Wann der deutsche Nationalspieler wieder für Dallas auflaufen wird, steht noch nicht fest. Klar ist hingegen, dass die Mavericks für den Rest der Saison auf Forward Caron Butler verzichten müssen. Der Flügelspieler musste sich wegen eines Risses der Patellasehne am rechten Knie operieren lassen. Mit 26 Siegen und acht Niederlagen liegt Dallas in der Western Conference weiter auf Platz zwei hinter San Antonio. Die Spurs verloren bei den New York Knicks 115:128 und kassierten im 34. Spiel die fünfte Niederlage. Die Miami Heat bauten ihre Erfolgsserie aus. Gegen die Milwaukee Bucks siegte das Team aus Florida 101:89 und ist damit seit sieben Spielen ungeschlagen. Hauptverantwortlich für Miamis Erfolg war das Superstar-Trio LeBron James, Dwyane Wade und Chris Bosh. Sie erzielten zusammen 78 der 101 Heat-Punkte. Wie Dallas im Westen ist Miami in der Eastern Conference mit 28 Siegen und neun Niederlagen zweitbestes Team hinter Spitzenreiter Boston Celtics (26:7).
ham/sid/dpa
Die Dallas Mavericks haben in der NBA erneut gewonnen, müssen aber für den Rest der Saison auf Forward Caron Butler verzichten. Dank ihres Superstar-Trios feierten die Miami Heat den siebten Sieg in Folge. Eine Niederlage musste Topteam San Antonio Spurs hinnehmen.
[ "NBA", "Dallas Mavericks", "Dirk Nowitzki", "Basketball", "US-Sports", "Dallas", "Boston" ]
Sport
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2011-01-05T09:58:00+01:00
2011-01-05T09:58:00+01:00
https://www.spiegel.de/sport/sonst/nba-sieg-fuer-mavericks-saisonaus-fuer-butler-a-737840.html
Facebook-Eintrag eines Richters mit Folgen: Urteil kassiert
Sein Facebook-Auftritt hat einem Richter am Landgericht Rostock eine Schlappe vor dem Bundesgerichtshof (BGH) eingebracht. In einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss  hob der BGH wegen seines Profils ein Urteil des Rostocker Gerichts auf. Im Facebook-Account des Richters war unter anderem ein Foto zu sehen gewesen, auf dem er ein T-Shirt mit der Aufschrift "Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause: JVA" trug. JVA ist die Abkürzung für Justizvollzugsanstalt. Laut BGH-Beschluss saß der Vorsitzende Richter auf dem Bild mit einem Bierglas in der Hand auf einer Terrasse. Im Kommentarbereich fand sich zudem ein Eintrag des Juristen mit dem Wortlaut "Das ist mein 'Wenn Du raus kommst, bin ich in Rente'-Blick". Diesem Eintrag fügte ein anderer Nutzer laut BGH den Kommentar hinzu "...sprach der schwedische Gardinenverkäufer! :-)" - was wiederum vom Vorsitzenden Richter mit "Gefällt mir" markiert wurde. Das Landgericht Rostock hatte im April 2015 zwei Männer unter anderem wegen erpresserischen Menschenraubs zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Während des Verfahrens sah der Anwalt eines Angeklagten das Foto des Vorsitzenden Richters auf dessen Facebook-Seite und stellte einen Befangenheitsantrag. Die Rostocker Strafkammer lehnte den Antrag im Januar 2015 zunächst mit der Begründung ab, der Internetauftritt des Richters betreffe ausschließlich dessen persönlichen Lebensbereich und sei offensichtlich humoristisch geprägt. "Spaß an der Verhängung hoher Strafen"Die beiden Männer legten Revision ein und bekamen in Karlsruhe recht. Das Verfahren muss nun neu aufgerollt werden, denn die Karlsruher Richter teilten ihre Bedenken. Ihrer Ansicht nach dokumentiert die öffentlich zugängliche Facebook-Seite eine innere Haltung des Richters, die den Schluss zulasse, dass er Strafverfahren nicht objektiv beurteile, sondern "Spaß an der Verhängung hoher Strafen" habe und sich über die Angeklagten lustig mache.Die Facebook-Seite enthalte zudem einen eindeutigen Hinweis auf die berufliche Tätigkeit des Juristen und betreffe deshalb nicht nur dessen persönliche Verhältnisse, heißt es weiter im BGH-Beschluss. Der Internetauftritt sei "insgesamt mit der gebotenen Haltung der Unvoreingenommenheit eines im Bereich des Strafrechts tätigen Richters nicht zu vereinbaren". Das der Revision zugrunde liegende Strafverfahren verwies der BGH nun an das Landgericht in Stralsund. (Az: 3 StR 482/15)
mbö/dpa/AFP
Ein Facebook-Eintrag ist nicht immer Privatsache, hat jetzt ein Richter des Rostocker Landgerichts erfahren. Er hatte in einem T-Shirt mit der Aufschrift "Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause: JVA" posiert.
[ "Facebook" ]
Netzwelt
Web
2016-02-23T17:57:00+01:00
2016-02-23T17:57:00+01:00
https://www.spiegel.de/netzwelt/web/facebook-eintrag-eines-richters-mit-folgen-urteil-kassiert-a-1078910.html
Terror-Ermittlungen: Jagd auf den geheimnisvollen Marokkaner
Berlin - Nach einem Bericht der marokkanischen Tageszeitung "al-Sabah" befindet sich der 36-jährige Marokkaner Abd al-Karim Madschati zurzeit im Visier von mindestens drei Geheimdiensten. Marokkanische, saudische und US-amerikanische Fahnder seien hinter ihm her, schrieb das Blatt gestern. Der Grund: al-Madschati soll Chefplaner des Terroranschlags von Madrid am 11. März gewesen sein. Bislang galt der Marokkaner vor allem als einer der mutmaßlichen Hintermänner der parallelen Selbstmordanschläge vom Mai 2003, die die marokkanische Küstenstadt Casablanca erschütterten und 45 Menschen das Leben kosteten. Seitdem fahndet auch das FBI nach Madschati, dessen Aufenthaltsort unbekannt ist. Der Homepage des FBI zufolge wird er "in Zusammenhang mit möglichen Bedrohungen gegen die USA" gesucht. Madschati ist der Sohn eines marokkanischen Vaters und einer französischen Mutter. Er soll mit einer US-Amerikanerin tunesischer Herkunft verheiratet sein. "Ein dicker Fisch""Al-Sabah" berichtet unter Bezug auf eine nicht genannte Quelle in marokkanischen Ermittlerkreises, es gäbe Hinweise, dass Madschati unmittelbar nach dem Massaker von Madrid von dort aus nach Marokko zurückgekehrt sei. "Starke Indizien" deuteten zudem darauf hin, dass er sich noch drei Tage vor dem Attentat in der spanischen Hauptstadt aufgehalten habe. "Madschati ist ein dicker Fisch, aber seine genaue Rolle ist unklar", zitierte am Dienstag die Nachrichtenagentur Reuters einen marokkanischen Ermittler. Die spanischen und marokkanischen Behörden haben Madschati bislang noch nicht in Verbindung mit dem Madrider Anschlag gebracht, bei dem 191 Menschen starben und rund 1.800 verletzt wurden. Insbesondere die spanischen Behörden sind skeptisch, ob Madschati beteiligt war. Der spanische Innenminister Angel Acebes sagte am Dienstag, die "Marokkanische islamische Kampfgruppe" stehe nun im Fokus der Ermittlungen. Verbindungen zwischen den bereits festgenommenen Personen und verschiedenen weiteren Extremistengruppen würden untersucht. Dieselbe Gruppe bezeichneten ebenfalls am Dienstag auch die marokkanischen Behörden als verdächtigte Organisation. Als zweite Gruppe nannten sie darüber hinaus die "Salafija Dschihadija", eine islamistische Terrororganisation, der auch die Anschläge von Casablanca zugeschrieben werden. Insgesamt 14 VerhaftungenInsgesamt werden in Spanien zurzeit 14 Verdächtige festgehalten. Zuletzt wurden am Dienstagnachmittag zwei Personen festgenommen; die meisten von ihnen stammen aus Marokko. Bei einigen der Festgesetzten glauben die spanischen Behörden, dass sie eine direkte Rolle bei dem Anschlag von Madrid gespielt haben. Nach spanischem Recht können sie bis zu zwei Jahre lang inhaftiert bleiben, während die Ankläger belastendes Material und Beweise sammeln. Andere vorübergehend Festgenommene sind unterdessen nach Befragungen bereits wieder frei gelassen worden. Es sei möglich, dass es in den nächsten Tagen zu weiteren Festnahmen komme, erklärte der spanische Innenminister Acebes. Acebes sagte außerdem, man suche noch nach weiteren Hauptverdächtigen. Bislang galt der kurz nach dem Anschlag festgenommene Marokkaner Jamal Zougam als Hauptverdächtiger. Doch mittlerweile scheint sich die Erkenntnis durchzusetzen, dass es noch weitere Planer gegeben haben muss. Der französische Privatermittler Jean-Charles Brisard glaubt, dass Abu Musab al-Sarkawi, ein Jordanier mit al-Qaida-Verbindungen und mutmaßlicher Chef-Koordinator des Widerstands im Irak, das Mastermind hinter dem Anschlag gewesen sei. Auch spanische Offizielle hätten dies gesagt. Die spanische Tageszeitung "El Pais" berichtete am Montag, dass die Polizei das Haus durchsucht habe, in dem die Terroristen offenbar die Bomben zusammengesetzt haben. Dabei seien die Fingerabdrücke von mindestens zehn Personen gefunden worden sein, darunter auch die von Jamal Zougam. Der Radiosende "Onda Cero" berichtete am Wochenende, dass auch die Abdrücke von Abderrahim Zbakh, einem weiteren Verdächtigen aus Marokko, bei der Hausdurchsuchung in der Nähe von Morata de Tajuna, 30 Kilometer südöstlich von Madrid, gefunden worden seien. Die Ermittler bestätigten diese Meldung bislang nicht.
Yassin Musharbash
Seit dem Terroranschlag von Casablanca im Mai 2003 jagt das FBI den Marokkaner Abd al-Karim Madschati. Nun verdichten sich die Hinweise, dass er als Chef-Planer hinter den Bomben-Attacken von Madrid stecken könnte. Er soll die spanische Hauptstadt kurz nach den Anschlägen verlassen haben.
[ "Marokko", "Madrid", "Al-Qaida" ]
Panorama
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2004-03-30T16:06:22+02:00
2004-03-30T16:06:22+02:00
https://www.spiegel.de/panorama/terror-ermittlungen-jagd-auf-den-geheimnisvollen-marokkaner-a-293231.html
Lidl zieht von Neckarsulm nach Bad Wimpfen
Der Discounter Lidl will einem Bericht der Zeitung "Heilbronner Stimme"  zufolge umziehen: Die Deutschlandzentrale des Handelsunternehmens soll demnach von Neckarsulm ins zehn Kilometer entfernte Bad Wimpfen verlegt werden. Von der Entscheidung des weltweit agierenden Unternehmens seien rund 1000 Mitarbeiter betroffen, heißt es in dem Bericht. Die Stadtverwaltungen bestätigten dem Blatt die Pläne. Neckarsulm drohe damit ein Verlust an jährlicher Gewerbesteuer im zweistelligen Millionenbereich. Der Kurort Bad Wimpfen erschließt den Angaben zufolge für die Lidl-Ansiedlung ein Gewerbegebiet am Stadtrand. Derzeit werden die Verträge ausgearbeitet. In Neckarsulm verbleiben weitere Teile der Schwarz-Unternehmensgruppe, darunter Lidl International und Kaufland. Lidl war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen, meldet die Nachrichtenagentur dpa.
kry/dpa
Rund 1000 Lidl-Mitarbeiter werden wohl bald umziehen: Der Discounter will laut einem Medienbericht seine Deutschlandzentrale verlegen. Von Neckarsulm soll es ins zehn Kilometer entfernte Bad Wimpfen gehen.
[ "Lidl", "Großbritannien", "Aldi" ]
Wirtschaft
Unternehmen
2015-09-23T21:05:00+02:00
2015-09-23T21:05:00+02:00
https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/lidl-zieht-von-neckarsulm-nach-bad-wimpfen-a-1054444.html
Jemen: Boris Johnson äußert Verständnis für saudische Luftangriffe
Der britische Außenminister Boris Johnson hat zu stärkeren Bemühungen um eine politische Lösung des Jemen-Konflikts aufgerufen. "Gewalt alleine wird nicht zu einem stabilen Jemen führen", sagte er am Freitagabend in seiner Eröffnungsrede auf einer Sicherheitskonferenz im Golfstaat Bahrain. Seinen umstrittenen Vorwurf an Iran und vor allem an das Partnerland Saudi-Arabien, einen Stellvertreterkrieg zu führen, wiederholte er nicht. Er äußerte stattdessen gewisses Verständnis für die Luftangriffe Saudi-Arabiens gegen die schiitischen Huthi-Rebellen im Jemen. "Wenn man sich anschaut, was im Jemen passiert, wo die Hand Irans klar sichtbar ist, verstehe ich natürlich die saudischen Sicherheitsbedenken, und wie immens wichtig es für Saudi-Arabien ist, sich selbst vor Bombardements der Huthis zu schützen." Iran wird die Unterstützung der Huthi-Rebellen vorgeworfen. Johnson hatte mit seiner Äußerung zum Stellvertreterkrieg selbst in der eigenen Regierung für Irritationen gesorgt. Eine Regierungssprecherin hatte sie als "Privatmeinung" bezeichnet. An der Konferenz in Bahrain nimmt auch Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen teil. Sie wird dort am Samstag eine Rede halten.
mkl/dpa
Nach seinem brisanten "Stellvertreterkrieg"-Vorwurf gegen Saudi-Arabien ist Boris Johnson nun um moderate Töne bemüht: "Ich verstehe die saudischen Sicherheitsbedenken im Jemen", sagte der britische Außenminister.
[ "Bahrain", "Jemen", "Großbritannien", "Boris Johnson", "Saudi-Arabien", "Zypernkonflikt" ]
Ausland
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2016-12-09T23:35:00+01:00
2016-12-09T23:35:00+01:00
https://www.spiegel.de/politik/ausland/jemen-boris-johnson-aeussert-verstaendnis-fuer-saudische-luftangriffe-a-1125305.html
Tarifübersicht: So kräftig steigen die Löhne in Deutschland
Wiesbaden - Im zweiten Halbjahr 2010 wurden nur wenige Tarifverträge abgeschlossen, doch die dabei erzielten Lohnsteigerungen waren oft höher als in der ersten Jahreshälfte. Ein Grund war das kräftige Wirtschaftswachstum. Ein anderer war die Tatsache, dass gegen Ende des Jahres mehrere Tariferhöhungen in Kraft traten, die bereits zu einem früheren Zeitpunkt vereinbart worden waren. Dies teilte das Statistische Bundesamt am Mittwoch mit. Besonders stark stiegen die Löhne in der Eisen- und Stahlindustrie der neuen Bundesländer. Hier einigten sich die Tarifparteien auf Erhöhungen von 3,6 Prozent ab 1. Oktober 2010 sowie eine Pauschale von 150 Euro. Tarifsteigerungen von drei Prozent und mehr wurden auch in der Kunststoffverarbeitenden Industrie in Baden-Württemberg sowie in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft erzielt (siehe Tabelle). Allerdings gibt es auch Branchen, in denen die Beschäftigten nur in geringem Umfang vom Aufschwung profitieren. So stiegen die Tarifverdienste im hessischen Kraftfahrzeughandel nur um 0,7 Prozent. Da viele Tarifverträge Stufenerhöhungen oder Einmalzahlungen für 2010 vorsahen, werden in vielen Wirtschaftszweigen und Tarifbereichen erst 2011 Lohn- und Gehaltsverhandlungen stattfinden. So stehen zum Beispiel im ersten Halbjahr 2011 Tarifverhandlungen für die chemische Industrie, das Bauhauptgewerbe und den Groß- und Einzelhandel an. Ein neuer Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länderwurde bereits im Februar 2011 abgeschlossen. AbschlussBrancheErgebnisAnmerkungen2009Groß- und Außenhandel (Bayern)1,5%ab 01.07.20102009Einzelhandel1,5%01.08.–01.11.2010, regional unterschiedlich2009Holz- und Kunststoffverarbeitende Industrie (Hamburg)2,1%ab 01.11.20102009Holz- und Kunststoffverarbeitende Industrie (Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Bayern)1,7%ab 01.11.201031.05.2010Hotel- und Gaststättengewerbe (Nordrhein-Westfalen)2,0%ab 01.08.2010 + 1,8 Prozent ab 1.7.201110.06.2010Bankgewerbe1,6% + 300 Euro PauschalePauschale für Mai bis Dezember 2010, prozentuale Erhöhung ab 01.01.2011Mai–Juni 2010Papier- und Pappeverarbeitende Industrie1,3%ab 01.11.201005.07.2010Kraftfahrzeughandel (Hessen)0,7%ab 01.07.201022.09.2010Kunststoffverarbeitende Industrie (Baden-Württemberg)3,3% + 140 Euro Pauschaleab 01.11.201007.10.2010Eisen- und Stahlindustrie (Neue Länder)3,6% + 150 Euro Pauschaleab 01.10.201019.11.2010Wohnungs- und Immobilienwirtschaft3,0%ab 01.01.2011
wal
Der Boom der deutschen Wirtschaft kommt bei vielen Beschäftigten an. Um bis zu 3,6 Prozent sind die Tariflöhne 2010 gestiegen. Eine Übersicht des Statistischen Bundesamts zeigt allerdings auch: An manchen Branchen geht der Aufschwung praktisch vorbei.
[ "Löhne und Gehälter" ]
Wirtschaft
Unternehmen
2011-03-23T11:28:00+01:00
2011-03-23T11:28:00+01:00
https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/tarifuebersicht-so-kraeftig-steigen-die-loehne-in-deutschland-a-752678.html
Wahlen in Nicaragua: Autoritärer Präsident Daniel Ortega steht vor weiterer Amtszeit
Ohne ernst zu nehmende Gegner hat sich der autoritäre nicaraguanische Präsident Daniel Ortega zur Wiederwahl gestellt. Nachdem die Sicherheitsbehörden in den vergangenen Monaten sieben Anwärter auf das Präsidentenamt verhaftet oder unter Hausarrest gestellt hatten, strebte er bei der Abstimmung am Sonntag seine vierte Amtszeit in Folge an. Laut offiziellen Angaben wurde Ortega mit deutlicher Mehrheit in seinem Amt bestätigt. Nach dem in der Nacht zum Montag veröffentlichten Ergebnis der Auszählung von fast 50 Prozent der Stimmen lag Ortega bei 75 Prozent.Allein in der Nacht auf den Wahltag wurden nach Angaben der Opposition mindestens neun Regierungsgegner festgenommen. Statt aussichtsreicher Kandidaten traten fünf weitgehend unbekannte Politiker gegen den 75-jährigen Staatschef an. Biden spricht von »Scheinwahl«Heftige Kritik kam aus den USA. »Was der nicaraguanische Präsident Daniel Ortega und seine Frau, Vizepräsidentin Rosario Murillo, heute inszeniert haben, war eine Scheinwahl, die weder frei noch fair und schon gar nicht demokratisch war«, sagte US-Präsident Joe Biden. »Wir fordern das Ortega-Murillo-Regime auf, unverzüglich Maßnahmen zur Wiederherstellung der Demokratie in Nicaragua zu ergreifen und die Personen, die zu Unrecht inhaftiert wurden, unverzüglich und bedingungslos freizulassen.« Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nannte Ortega zuletzt einen Diktator und die Wahl einen »Fake«, der einzig dazu diene, Ortega an der Macht zu halten. Sowohl die Europäische Union als auch die USA haben ihre Sanktionen gegen Nicaraguas Führung zuletzt verschärft. Diese wirft wiederum den »imperialen Mächten« vor, Terroristen und Putschisten in Nicaragua zu unterstützen.Ortega ist offenbar schwer krankOrtega war bereits nach der Revolution gegen Diktator Anastasio Somoza von 1979 bis zu seiner Abwahl 1990 an der Macht. Im Jahr 2006 wurde er erneut zum Staatschef des mittelamerikanischen Landes gewählt. Seine Regierungspartei FSLN setzte 2014 eine Verfassungsreform durch, die eine Begrenzung der Amtszeit des Präsidenten abschaffte. Ortega ist Berichten zufolge schwer krank. Viel Einfluss soll seine Ehefrau Murillo haben, die seit 2017 Vizepräsidentin ist. Ab April 2018 kam es in Nicaragua zu Massendemonstrationen mit mehr als 300 Toten und Hunderten Festnahmen. Die Proteste richteten sich zunächst gegen eine Sozialreform, später forderten die Demonstranten auch ein Ende der Repression, Pressefreiheit und Neuwahlen.Ortega spricht von »historischer Schlacht«»Wir schlagen eine historische Schlacht, in der man sich zwischen Terrorismus, Konfrontation und Krieg oder Frieden entscheiden muss«, sagte Ortega in einer Radioansprache am Sonntag. Er warf den Regierungsgegnern vor, Hass zu säen.Internationale Wahlbeobachter und ausländische Journalisten waren zu der Wahl nicht ins Land gelassen worden. »Die Wahlen in Nicaragua sind eine Farce«, schrieb der Regionalchef der Menschenrechtsorganisation Human Right Watch, José Miguel Vivanco, auf Twitter. »Es ist fundamental wichtig, den internationalen Druck zu erhöhen, um die Freilassung der politischen Gefangenen und die Wiederherstellung der Demokratie in Nicaragua zu erreichen.«
lau/dpa
In den vergangenen Monaten hat Nicaraguas Präsident Ortega Oppositionspolitiker verhaften lassen. Nach der Wahl am Sonntag gilt seine vierte Amtszeit als sicher. Deutliche Kritik kommt aus den USA und von der EU.
[ "Nicaragua", "Daniel Ortega", "Joe Biden" ]
Ausland
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2021-11-08T07:43:20+01:00
2021-11-08T07:43:20+01:00
https://www.spiegel.de/ausland/nicaragua-autoritaerer-praesident-daniel-ortega-steht-vor-weiterer-amtszeit-a-97d2452a-f9ae-458f-a3b2-99fa3a61a8dd
Rostock: Polizistin spricht über vorgetäuschte Sexualdelikte
An einem Montagabend im März vergangenen Jahres fuhr eine 28-jährige Rostockerin mit dem Auto nach Hause, als sie in einer Buswendeschleife eine Person liegen sah, die den Arm hob, als würde sie Hilfe brauchen. Die Frau hielt an und stieg aus, um zu helfen, als sie von zwei unbekannten Männern überfallen wurde. Einer hielt die Frau fest, der zweite zerriss ihr Oberteil und begrapschte sie an der Brust und zwischen den Beinen. Die Täter sprachen in einer ausländischen Sprache miteinander. Die Frau wehrte sich, da fuhr plötzlich ein weißes Auto vor. Die drei Männer sprangen hinein und verschwanden in der Dunkelheit. So berichtete es die Frau ihren Eltern, die sie weinend aus ihrem Auto anrief. So erzählte sie es den Polizeibeamten am Tatort und in den Vernehmungen in den folgenden Tagen. Allerdings hat der ganze Vorfall, so inzwischen die Überzeugung der Ermittler, nie stattgefunden. Im Internet, vor allem auf Facebook, verbreitete sich die Geschichte dennoch rasend schnell. Auch die "Ostsee-Zeitung" berichtete . Der Vorsitzende der Opferhilfe Mecklenburg-Vorpommern warnte, heute müsse "leider" jeder zunächst an seine eigene Sicherheit denken. ADAC-Sprecher Christian Hieff äußerte sein Entsetzen: "Durch Berichte über solche Überfälle sinkt die Bereitschaft, im Notfall Erste Hilfe zu leisten."Die Rostocker Kriminalhauptkommissarin Britta Rabe, 46, ermittelte in dem Fall und stieß schnell auf Ungereimtheiten. Das vermeintliche Opfer verwickelte sich mehr und mehr in Widersprüche: Mal waren es zwei, dann drei Täter. Mal kamen die Kratzer am Hals von den Tätern, mal hatte die Frau sie sich selbst zugefügt, als sie sich wehrte. Bei der Spurensicherung gab sie ein Oberteil ab, das sie gar nicht während des Überfalls getragen hatte. Schließlich erstattete die Staatsanwaltschaft Rostock Anzeige wegen Vortäuschens einer Straftat, ein Gericht verurteilte die Frau im Herbst zu 1000 Euro Geldstrafe. Ob die Höhe der Strafe angemessen ist, will Britta Rabe nicht beurteilen. Im Interview spricht die Polizistin über ähnliche Fälle und die Veränderungen seit der Kölner Silvesternacht 2015/16.SPIEGEL ONLINE: Frau Rabe, wieso erfindet jemand einen Überfall oder eine Vergewaltigung?Britta Rabe: Dafür gibt es ganz unterschiedliche Motive. Viele wollen Aufmerksamkeit. Oft stecken Sorgerechtsstreitigkeiten dahinter. Eine Mutter hat mal ihre siebenjährige Tochter dazu gebracht, mir zu sagen, Papa habe sie da unten angefasst. Männer beschuldigen den neuen Lebensgefährten der Ex-Frau. Regelmäßig wird irgendwo ein weißer Transporter gesichtet, mit dem angeblich Kinder entführt werden sollen. Da wird dann in der Schule gewarnt und auf einmal gibt es gleich mehrere Anzeigen von Müttern.SPIEGEL ONLINE: Der beschriebene erfundene Überfall ist also keine Ausnahme?Rabe: Leider nein. Ich habe den Eindruck, dass Falschbeschuldigungen zunehmen. Nur eine Woche später behauptete eine 26-jährige Frau, sie sei abends auf dem Bützower Marktplatz überfallen worden, wieder von drei ausländisch sprechenden Männern, wieder stand ein Sexualdelikt im Raum. Im Laufe der Ermittlungen kam heraus, dass es diese ausländischen Männer nie gegeben hat. Die Frau erfand den Überfall, weil sie eine Ausrede ihrem Lebensgefährten gegenüber brauchte. Ihre Affäre hatte sich am selben Abend von ihr getrennt, deshalb war sie ganz aufgelöst und verheult. Ihrem Freund konnte sie davon natürlich nichts erzählen. Womit sie nicht gerechnet hatte: Ihr Freund schleppte sie zur Polizei.SPIEGEL ONLINE: Wie haben Sie herausgefunden, dass sie lügt?Rabe: Es gab Unstimmigkeiten. In einer späteren Vernehmung hat sie schließlich die Wahrheit gesagt. Das Problem ist, dass die Meldung von den ausländischen Sexualstraftätern, die in Rostock frei herumlaufen, längst in der Welt war.SPIEGEL ONLINE: Wissen Sie, warum die zwei Frauen ausgerechnet ausländische Täter erfunden haben?Rabe: Nein, aber das fragen wir uns auch. Auf jeden Fall ist die mediale Aufmerksamkeit viel größer, wenn der Täter als ausländisch beschrieben wird. Das merken wir an der Häufigkeit der Presseanfragen.SPIEGEL ONLINE: Wieso ist das so?Rabe: Seit der Silvesternacht 2015/16 in Köln ist die Pressearbeit der Polizei unter Druck geraten, bei uns, aber bestimmt auch sonstwo in Deutschland. Damals waren wir echt verunsichert. Geben wir die Herkunft des Tatverdächtigen nicht bekannt, werden wir kritisiert. Geben wir sie bekannt, werden wir auch kritisiert. Dabei hat die Nationalität eigentlich nichts mit der Straftat zu tun. Die Kritik hat nicht nachgelassen, aber wir sind entspannter geworden. Denn die, die solche rassistischen Vorurteile glauben wollen und im Internet weiterverbreiten, an die kommen wir leider ohnehin nicht heran.SPIEGEL ONLINE: Auch früher hat es Falschbeschuldigungen und Gerüchte gegeben.Rabe: Ja, aber durch die sozialen Medien verbreiten sich diese Meldungen rasend schnell. Verwandte und Bekannte von Opfern empören sich auf Facebook über Fälle, die aus polizeilicher Sicht noch gar nicht bestätigt sind. Hier in Rostock gibt es einen Polizeireporter, der sehr schnell auf sozialen Netzwerken über die Einsätze der Polizei berichtet, zum Teil, bevor wir eine Pressemitteilung rausgegeben haben.SPIEGEL ONLINE: Wie reagieren Sie darauf?Rabe: Bis wir fertig mit den Ermittlungen sind und ausführlich Auskunft zu einem Fall geben können, vergehen oft Monate. Dann interessiert sich kaum jemand mehr dafür. Selbst auf Pressemitteilungen über belegte Falschbeschuldigungen gibt es nur minimalen Rücklauf. Wenn, dann druckt die Lokalzeitung eine Meldung in der Randspalte.SPIEGEL ONLINE: Wie reagieren Sie darauf, wenn eine Person eine Tat offensichtlich erfunden hat?Rabe: Es gibt ja die unwahrscheinlichsten Fälle, das kann man sich gar nicht vorstellen. Mein Bauchgefühl hat mich da auch schon mal getäuscht. Deshalb ermitteln wir immer so, als habe sich die Tat so abgespielt, wie sie angezeigt wurde.SPIEGEL ONLINE: Wann erstatten Sie Anzeige wegen Vortäuschens einer Straftat?Rabe: Wenn das angebliche Opfer die Lüge zugibt oder die Spuren und Ermittlungen kein anderes Ergebnis zulassen. Dann nehmen wir von Amts wegen eine Anzeige auf.SPIEGEL ONLINE: Und wenn ein Sachverhalt nicht so eindeutig ist?Rabe: Wenn eine Person zum Beispiel weiter behauptet, vergewaltigt worden zu sein, obwohl wir als Polizei Zweifel haben, dann wird der Fall als Vergewaltigung durch Unbekannt an die Staatsanwaltschaft übergeben und geht so in die Polizeiliche Kriminalstatistik ein. Diese Statistik ist also nur begrenzt aussagekräftig.SPIEGEL ONLINE: Haben Sie keine Angst, dass Frauen sich nicht mehr an Sie wenden, weil sie fürchten, ihnen werde nicht geglaubt?Rabe: Nein. Und es ist für mich auch nicht nachvollziehbar, warum behauptet wird, Frauen werde nicht geglaubt. Selbstverständlich glauben wir zunächst jeder Frau, die sich an uns wendet.
Laura Backes
Eine Rostockerin behauptete, von Ausländern überfallen worden zu sein. Die Tat erregte Aufsehen - doch sie war vorgetäuscht. Im Interview spricht die zuständige Ermittlerin Britta Rabe über diesen und ähnliche Fälle.
[ "Polizei", "Kriminalität" ]
Panorama
Justiz & Kriminalität
2018-01-29T13:37:00+01:00
2018-01-29T13:37:00+01:00
https://www.spiegel.de/panorama/justiz/rostock-polizistin-spricht-ueber-vorgetaeuschte-sexualdelikte-a-1188194.html
Vom Rechner zum Medium
Die ersten Computer waren noch richtig menschlich. Computer - so nannte man bis in die vierziger Jahre hinein Büroangestellte, die in langen Reihen vor mechanischen Rechenmaschinen saßen und quasi am Fließband Kalkulationen erstellten. Den Job könnte heute ein simpler Aldi-PC erledigen, und zwar schneller, zuverlässiger und billiger. Nebenher hätte er noch soviel Rechenkapazität frei, wie die Raumfähre »Eagle« 1969 brauchte, um auf dem Mond zu landen. Der Computer hat auf seinem Siegeszug die Welt revolutioniert - und ein Ende der Entwicklung ist nicht abzusehen. Vom reinen Rechenknecht mutierte er zum multifunktionalen Allzweckwerkzeug. Mittlerweile kriecht der Chip in immer mehr Alltagsgegenstände, und der PC wird - seit der Öffnung des Internet 1991 - zu dem universalen Kommunikationsgerät schlechthin. Nur: Wer eigentlich der Vater der kleinen grauen Kisten ist, die eine Revolution nach der anderen möglich machen, kann nicht genau geklärt werden. Der Computer hat mehrere Erfinder, und es ist eine Frage der Definition und des Nationalstolzes, welchem davon die meiste Ehre gebührt. In Deutschland gilt Konrad Zuse als Schöpfer des ersten Computers, in den USA verweist man auf die Maschinen »Mark I« oder »Eniac« - selbstverständlich entworfen von Amerikanern. Und die Briten zeigen stolz auf »Colossus«, eine rechnende Dechiffriermaschine aus dem Zweiten Weltkrieg. Einfache Rechenmaschinen gab es schon lange: Bis ins Mittelalter benutzten Kaufleute Rechenbretter, auf denen Kugeln oder Steinchen in kleinen Rinnen verschoben wurden. Jede Position stellte andere Zahlenwerte dar. 1673 stellte der Mathematiker Gottfried Wilhelm Leibniz eine Rechenmaschine vor und legte mit der Erfindung des dualen Zahlensystems den ersten Grundstein für spätere Computer: Jede Zahl läßt sich darin durch Kombination aus den Zeichen 1 und 0 darstellen - in den Verzweigungen eines modernen Rechners geschieht dies durch die Zustände »Strom an« oder »Strom aus«. Anfang dieses Jahrhunderts hatten sich die Rechenmaschinen schon zu richtigen Datenverarbeitern weiterentwickelt. 1890 wurden bei der elften Volkszählung in den USA die Daten der Amerikaner erstmals auf Lochkarten gespeichert. Für Merkmale wie Alter, Religion oder Familienstand gab es bestimmte Felder auf der Karte, die entsprechend dem Befragungsergebnis mit einer Lochung versehen wurden. So ließen sich erstmals Datenberge nach immer wieder neuen Kategorien ordnen. In eine andere Lochkarte wurde das Programm gestanzt. In dem ersten Gerät, das die Bezeichnung Computer verdient - beziehungsweise nach anderer Lesart einem Computer schon sehr nahe kommt -, wurden ebenfalls noch Lochstreifen zur Programmierung eingesetzt: Konrad Zuse stellte 1941 den ersten voll funktionsfähigen Rechner mit einer Programmsteuerung vor, die Z3, eine Auftragsarbeit für die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt. Das Programm wurde in einen Kinofilmstreifen gelocht. Komplizierte Aufgaben konnte Z3 nicht verarbeiten. Das Programm kannte noch keine Verzweigungen - solche bedingten Sprungbefehle sind aber ein wesentliches Merkmal von »richtigen« Rechnern. Sie ermöglichen es, den weiteren Verlauf der Berechnungen von einem Zwischenergebnis abhängig zu machen. Immerhin: Eine Multiplikation erledigte die Z3 in rund drei Sekunden. Zuses Rechenanlage arbeitete bereits mit dem dualen Zahlensystem und war darin den etwa zeitgleich entstandenen US-Rechnern voraus. Die nächste Version, die Z4, war sogar der erste Rechner, der kommerziell eingesetzt wurde: Die Eidgenössische Technische Hochschule in Zürich kaufte 1950 die Z4 und vermietete sie, wenn gerade Rechenzeit frei war. Preis: ein Rappen pro Rechenoperation oder zehn Franken die Stunde. Daß die Amerikaner dennoch den Computer für sich beanspruchen, hat zwei Gründe: Zuses Maschinen rechneten noch elektromechanisch, der erste vollelektronische Rechner stand tatsächlich in den USA. Und: Zuse arbeitete isoliert von der Forschung der übrigen Welt, die Weiterentwicklung der Computer fand auf Basis der US-Modelle statt. An der Uni Harvard konstruierte Howard Aiken den Koloß Mark I. Das Ungetüm wog 35 Tonnen und konnte in 0,15 Sekunden zwölfstellige Multiplikationen erledigen. Es ging 1944 in Dienst. Nur ein Jahr später tauchte der erste arbeitsfähige vollelektronische Computer auf: Eniac wurde an der Universität von Pennsylvania entwickelt, mehr als 17 000 Elektronenröhren sorgten für ungeahnte Rechenleistung. Weil die Röhren erheblich schneller geschaltet werden können als die Relais, schaffte Eniac in gleicher Zeit 2000mal mehr als Mark I. Eniac galt lange als der erste Computer der Welt. Aber 1973 brachte ein Patentstreit ans Licht, daß schon 1942 am Iowa State College ein elektronischer Rechner entstanden war, der Gleichungen mit 30 Unbekannten lösen konnte. Er wurde aber nicht weiterentwickelt, so daß Eniac zwar nicht der erste, wohl aber der Stammvater der späteren Großrechner wurde. Der Energiebedarf von Eniac war enorm: 150 000 Watt. Nach vier Stunden Rechenzeit mußte die Anlage wegen drohender Überhitzung stets eine Pause einlegen. Auch waren die Röhren nicht so haltbar wie die Relais. Die Erfindung des Transistors in den Bell Laboratories löste das Röhrenproblem. Bis dahin hatte kaum jemand einen Markt für die Rechenknechte gesehen. Einer Anekdote zufolge setzte IBM 1943 den weltweiten Bedarf an Computern bei fünf Exemplaren an. Diese Einschätzung war bald überholt. Ab Anfang der sechziger Jahre standen Großrechner überall auf der Welt. 1965 wurden die ersten Schaltkreise auf einem Silizium-Chip integriert, immer mehr Daten ließen sich so immer schneller durch den Computer jagen. Gordon Moore, später Mitgründer von Intel, behauptete im gleichen Jahr, die Chipleistung werde sich nach damaligem Stand jährlich verdoppeln. Moore behielt recht, seine Prophezeiung wurde das Mooresche Gesetz. 1971 brachte Intel die komplette Rechnerschaltung auf einem Chip unter, der Mikroprozessor war geboren. Zunächst zeigte kaum jemand Interesse. Erst Mitte der siebziger Jahre wurden kleine Steuereinheiten für die Unterhaltungselektronik gebraucht, für programmierbare Fernseher oder Videorecorder mit Timer-Funktion. Zur gleichen Zeit kamen die ersten Computer für den Schreibtisch heraus. Es war die Zeit der Garagengründungen wie Apple und Microsoft. 1982 brachte Commodore den C 64 heraus, meistverkaufter Heimcomputer aller Zeiten. IBM legte 1983 mit dem Personalcomputer XT nach, der als erster eine interne Festplatte besaß und mit dem Betriebssystem Dos von Microsoft lief. IBM ließ zu, daß die Rechner nachgebaut werden konnten. Apple und andere hingegen setzten zu lange auf Exklusivität. Ihre Computer mögen sogar besser gewesen sein, die Geschäftspolitik aber war wohl falsch: Die billigen IBM-Klone mit Bill Gates' Dos begründeten den Siegeszug des PC - und damit die Übermacht von Microsoft. Heute sind Computer allgegenwärtig. Allein über 240 Millionen PC gibt es weltweit, dazu kommen ungezählte Steuerungscomputer, die Fertigungsanlagen überwachen, Flugzeuge auf Kurs halten oder Spielzeugrobotern das Laufen beibringen. Geldabheben am Automaten, Satellitennavigation im Pkw, Telefonieren per Handy - überall sind schlaue Chips beteiligt. An das Internet sind Millionen von PC angeschlossen; sie können Informationen weltweit blitzschnell und fast umsonst verbreiten oder erhalten. Alte Medien werden Teil des Neuen: Im Internet kann man mit dem PC Radio hören, fernsehen oder Tondateien zum Selberbrennen von CDs übernehmen. Das Netz hat neue, einflußreiche Formen des Journalismus hervorgebracht; der Online-Schreiber Matt Drudge etwa hätte Bill Clinton fast gestürzt. Computerfreaks können das Web aber auch zu einem Ausflug in die gute alte Zeit nutzen. Unter »www.informatik.unihalle.de/~thurm/z3/simulation.html« läßt sich eine komplette Simulation von Zuses Z3 herunterladen. Kneip, 37, ist SPIEGEL-Redakteur.
Ansgar Kneip
Der Computer - Basis für die Informationsrevolution Von Ansbert Kneip
[ "USA", "Microsoft", "IBM" ]
Politik
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1999-05-09T13:00:00+02:00
1999-05-09T13:00:00+02:00
https://www.spiegel.de/politik/vom-rechner-zum-medium-a-004c2e8d-0002-0001-0000-000013220415?context=issue
Noch ein FDP-Politiker: Brüderle fordert Rücktritt Kochs
Mainz - Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Rainer Brüderlehat den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch nachdrücklich zumRücktritt aufgefordert. Der CDU-Politiker müsse aus seinemFehlverhalten im Spendensumpf die Konsequenzen ziehen, sagteBrüderle am Freitag im ZDF-"Morgenmagazin". Er rief die hessischenLiberalen erneut dazu auf, andernfalls selbst die Konsequenz zuziehen und aus der Koalition auszusteigen. Der FDP-Politiker betontezugleich die große inhaltliche Übereinstimmung in der Politikzwischen Frei- und Christdemokraten. Diese stehe durch dasFehlverhalten Kochs nicht in Frage. Gefährdet sei aber das Ansehendes gesamten Parteienstaats. Das Vertrauen in die Parteien müsseunbedingt wiederhergestellt werden, sagte Brüderle.
[]
Politik
Deutschland
2000-02-11T08:56:35+01:00
2000-02-11T08:56:35+01:00
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/noch-ein-fdp-politiker-bruederle-fordert-ruecktritt-kochs-a-63894.html
»Cash Pooling« auf der Insel
Auf das Gefühl kommt es an und aufs Vertrauen, wenn globale Konzerne Firmen kaufen oder verkaufen. Das konnte man zumindest aus der Werbung des Energiekonzerns E.on lernen. »Töchter geben wir nur in gute Hände«, versprach das Unternehmen. Der Energiegigant will sich ganz auf das Stammgeschäft konzentrieren und sich von Unternehmen, die in anderen Branchen aktiv sind, trennen. Beispielsweise vom traditionsreichen Duisburger Stahlhandelsunternehmen Klöckner & Co AG. Beim Verkauf von Klöckner an den britischen Handelskonzern Balli hat das Gefühl den E.on-Chef Ulrich Hartmann aber möglicherweise im Stich gelassen. Von guten Händen, in die man kam, spricht in der Duisburger Klöckner-Zentrale niemand mehr. Ein Manager beklagt: »Wir sind unter die Räuber gefallen.« Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf sieht das ähnlich. Nach umfangreichen Recherchen und Durchsuchungen in der Schweiz sowie in Liechtenstein haben sich »die Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Betrugs spürbar erhärtet«, so Behördensprecher Johannes Mocken. Der Fall wäre, wenn er sich so abgespielt hat, wie die bisherigen Ermittlungen der Staatsanwälte und die Recherchen der Wirtschaftsprüfer von KPMG nahe legen, eines der dreistesten Stücke der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Immerhin sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft: »Es sieht so aus, als ob Balli Gelder aus dem Klöckner-Konzern abgezogen und damit anschließend dessen Übernahme finanziert hat.« Wer glaubt, so etwas sei nicht möglich, befindet sich in guter Gesellschaft. Auch die Experten der WestLB, die einen Teil des dubiosen Geschäfts finanzierten, hätten sich das kaum vorstellen können. Inzwischen sind auch sie anderer Ansicht. Begonnen hat alles mit der lange Zeit vergeblichen Suche von E.on nach einem Käufer für die Tochter Klöckner. Alle Interessenten wollten nur Teile des Duisburger Handelsunternehmens erwerben. Bis die Balli-Gruppe auftauchte, ein in den achtziger Jahren von drei Exil-Iranern, den Brüdern Alaghband, gegründetes Stahlhandelsunternehmen. Balli wollte Klöckner komplett übernehmen. In den Verhandlungen gelang den Managern ein kleines Kunststück. Sie sollten Klöckner, mit einem Umsatz von 5,3 Milliarden Euro mehr als doppelt so groß wie Balli selbst, für einen dreistelligen Millionenbetrag bekommen. Grund: Mit Klöckner waren auch die Pensionsverpflichtungen und Bankschulden der Firma von 800 Millionen Euro zu übernehmen. Zahlen sollte Balli an E.on nur knapp 300 Millionen Euro. So viel Bargeld aber wollte oder konnte Balli nicht aufbringen. Das Unternehmen bat die WestLB um einen Kredit. Die Bank war bereit, rund 200 Millionen Euro zu finanzieren, wenn Balli die restlichen knapp 100 Millionen aus eigenen Mitteln beisteuere. Die entscheidende Frage im Wirtschaftskrimi um den Klöckner-Coup ist, wie Balli dieses Geld auftrieb. Die Staatsanwälte gehen dem Verdacht nach, dass Klöckner insgesamt 120 Millionen Euro entzogen wurden, die dann zumindest teilweise zur Finanzierung des Deals genutzt wurden. Auf die Spur des Geldes wurden auch die Wirtschaftsprüfer der KPMG gesetzt, die im Auftrag des Klöckner-Aufsichtsrats einen Sonderbericht zu erstellen hatten. Die Fachleute erhielten Einsicht in Kontenbewegungen, Vorstands- und Aufsichtsratsprotokolle und sollten ein weit verzweigtes Netz von Firmen entwirren, das bis in die Steuerspar-Oasen der Cayman Islands reicht. Die bisherigen Ergebnisse hat KPMG in einem Entwurf für das Gutachten ("Erkenntnisstand 23. April 2002 - Streng vertraulich") festgehalten. Danach steht im Zentrum der Affäre eine Firma auf der britischen Isle of Man, die Klöckner Limited. Sie entstand aus der Aimo Trading Ltd, die am 5. Oktober 2001 in Klöckner Limited umbenannt wurde. Alle Anteile hielt Vahid Alaghband, Chef der Balli Group. Vahid Alaghband war sich zu diesem Zeitpunkt schon mit E.on über den Kauf von Klöckner einig. Obwohl die Übernahme erst am 16. Oktober vollzogen wurde, verfügte Alaghband also schon zuvor über ein Unternehmen mit dem Namen Klöckner Limited. Ein Konto für die Firma war auch eingerichtet, bei der Bank Melli Iran. Zeichnungsberechtigt: die Brüder Vahid, Hassan und Nasser Alaghband sowie ihr Finanzexperte David Spriddell. Die Klöckner Limited solle, wie die Balli-Gruppe gegenüber der KPMG erklärte, nach dem Erwerb von Klöckner dem so genannten Cash Pooling dienen. Bei ihr sollte das Bargeld der Firmen zusammengeführt und zentral verwaltet werden. Schon am 16. Oktober, dem Tag der Übernahme, überwies Klöckner 47,5 Millionen Euro auf das Konto der Klöckner Limited. Unterzeichnet war der Auftrag von Klöckner-Chef Raimund Müsers und dem neuen Vorstand Hassan Alaghband. Insgesamt gingen auf dem Konto 57 Millionen Euro ein. Das Geld wurde verpfändet und diente nach Ansicht von KPMG als Sicherheit für ein Darlehen von 56,5 Millionen Euro. Dieses Darlehen wurde »mutmaßlich zur Finanzierung des ... Eigenkapitalbeitrags ... eingesetzt«, schreiben die Wirtschaftsprüfer. Demnach also hätte Klöckner mit dem eigenen Geld einen Kredit abgesichert, mit dem der Käufer des Unternehmens dann einen Teil des Kaufpreises zahlte. Ein raffiniertes Geschäft. Für die Klöckner Limited wurde ein weiteres Konto eingerichtet, diesmal bei der Union Bancaire Privée. Dahin flossen aus dem Klöckner-Reich insgesamt 63,3 Millionen Euro. Verfügungsberechtigt für das Konto waren ebenfalls nur die Brüder Alaghband und ihr Finanzexperte Spriddell. Bei Klöckner-&-Co-Chef Müsers und seinem Kollegen Roland Straßburger erregten die Geldflüsse zur Klöckner Limited zunehmend Misstrauen. Insgesamt waren 120,3 Millionen Euro auf zwei Konten geflossen, auf die sie keinerlei Zugriff hatten. Laut KPMG wollte Klöckner-Chef Müsers in der Vorstandssitzung am 26. November wissen, ob die Gelder überhaupt noch dort seien. Vorstandsmitglied Hassan Alaghband habe das bestätigt. Müsers habe zudem mehrmals die nötige Konten-Vollmacht angemahnt. Alaghband habe versichert, sie sei beantragt. Als der Vorstand sich am 4. Februar zusammensetzte, kam es zum Eklat. Müsers hatte noch immer keinen Zugang zu den Konten. Laut den Wirtschaftsprüfern beantragte er mit seinem Kollegen Straßburger, alle abgeflossenen Gelder zurückzuüberweisen. Dies sei »auf Grund bestehender Stimmengleichheit bei der Abstimmung abgelehnt« worden. Das Geld hätte auch nur schwer zurücktransferiert werden können. Es war, wie KPMG feststellte, in Höhe von 117,4 Millionen Euro verpfändet. Am gleichen Tag forderte Klöckner-Aufsichtsrat Georg von Waldenfels, früherer bayerischer Finanzminister, Vahid Alaghband schriftlich auf, die »offensichtlich der Klöckner & Co AG entzogene Liquidität bis zum 7. Februar zurückzuführen und eine Sondersitzung des Aufsichtsrats einzuberufen«. Am 18. Februar nahm die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ihre Ermittlungen wegen des Verdachts des Betrugs und der Untreue gegen die Brüder Alaghband sowie Spriddell auf, aber auch gegen Müsers und Straßburger. Auch die Rolle der beiden Deutschen beim Transfer der 120 Millionen soll geprüft werden. Die Affäre nahm ihren Lauf. Die Alaghbands, Spriddell, Müsers und Straßburger räumten ihre Posten in Vorstand und Aufsichtsrat von Klöckner. Das Unternehmen wird seitdem von einem Treuhänder geführt. Die WestLB, die noch immer mit 5,5 Prozent an Klöckner beteiligt ist, hofft, dass Wirtschaftsprüfer und Staatsanwälte schnell zu einer abschließenden Beurteilung kommen und die Übergangslösung beendet werden kann. Doch das ist nicht so einfach. Vahid Alaghband, Chef der Londoner Balli Klöckner plc, bietet Erklärungen für den Verbleib der 120 Millionen an, die erst geprüft werden müssen. Demnach sollten nach dem Erwerb von Klöckner die Aktivitäten der deutschen Firma und die von Balli neu sortiert werden. Dafür seien Geschäftseinheiten von einem auf den anderen Konzern übertragen und der Gegenwert verrechnet worden. Wenn man einzelne Zahlungsströme herausgreife, könne leicht ein falscher Eindruck entstehen. Für die 120 Millionen sollte Klöckner Anteile an anderen Firmen übertragen bekommen. Vahid Alaghband will nicht ausschließen, dass Vorstand und Aufsichtsrat der Klöckner AG nicht ausreichend informiert worden sind. Seine Gruppe sei eben eine »von angloamerikanischem Führungsstil geprägte Familienfirma«, Klöckner dagegen »ein auf Deutschland konzentriertes Traditionsunternehmen«. Die Staatsanwälte prüfen nun auch, ob gegen die Bestimmungen des deutschen Aktienrechts verstoßen wurde. Doch je länger die Ermittlungen dauern, desto mehr kommen alle Beteiligten unter Druck. Die Brüder Alaghband, weil die immer fetter werdenden Schlagzeilen ihre Geschäfte nicht gerade erleichtern. Klöckner, weil die Zukunft der Firma völlig ungewiss ist. Die WestLB, die den umstrittenen Deal mit ihrem Kredit erst ermöglichte. Und auch Klöckner-Verkäufer E.on.-Vorstandschef Hartmann hatte sich das bestimmt anders vorgestellt mit den »Töchtern« in »guten Händen«. DIETMAR HAWRANEK
Dietmar Hawranek
Wurde der Traditionskonzern Klöckner ausgenommen? Neue Ermittlungen von Staatsanwälten und Wirtschaftsprüfern erhärten den Verdacht. Die wichtigste Spur führt auf die Isle of Man.
[ "KPMG", "E.on", "WestLB" ]
Wirtschaft
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2002-06-02T13:00:00+02:00
2002-06-02T13:00:00+02:00
https://www.spiegel.de/wirtschaft/cash-pooling-auf-der-insel-a-f71738bc-0002-0001-0000-000022776308?context=issue
Trittbrettfahrer: Trojanerversender setzen auf Amoklauf-Mails
"Ein alter Bekannter" sei das, sagt Christoph Hardy vom IT-Sicherheitsunternehmen Sophos, der da in neuer Gestalt im Postfach lande. Bereits seit März beobachten die Virenexperten eine Welle von Mails, die viele Themen anreißen und ansonsten alle eines gemeinsam haben: Sie verweisen auf eine beim Freehoster Geocities hinterlegte Seite. Wer auf den Link klickt, bekommt ein Problem: Was auch immer die Mail verspricht, auf der Webseite wartet statt dessen ein Trojaner-Downloader auf Opfer. Die Taktik kombiniert Social-Engeneering-Methoden mit einer so genannten Drive-by-Infektion. Skripte auf der Webseite sorgen dafür, dass Sicherheitslücken im Webbrowser ausnutzend der Download eines Trojaners beginnt, der sich auf dem Rechner des Mailempfängers einrichtet. Dort öffnet er eine Hintertür und ermöglicht es, weitere Schadprogramme nachzuladen. Prinzipiell kann danach alles passieren, vom Ausspionieren des Rechners bis hin zu seiner Fernsteuerung oder seiner Nutzung in einem Botnetz. Über solche Netzwerke fremdkontrollierter Rechner werden Spam-Mails verschickt oder Webseiten attackiert. Eine eindeutige Warnung vor solchen Mails fällt schwer, denn sie kursieren in vielfältiger Gestalt und Aufmachung. Sie alle aber teilen bestimmte Merkmale: Sie versuchen, die Neugier der Empfänger zu wecken und sie dazu zu bewegen, eine Webseite zu besuchen. Die Lockmails versprechen Pornografie, kostenlose Downloads, exklusive Informationen. Seit dem College-Massaker von Blacksburg gibt es eine Welle von Mails, die vor allem mit Angst und Grauen operieren. In Brasilien und Portugal geht eine Mail um, die exklusives Bildmaterial von dem Amoklauf verspricht und unter der Bezeichnung "TERROR_EM_VIRGINIA.scr" einen Screensaver installiert, der einen Trojaner transportiert (siehe Bild). In Deutschland gehen Trojaner-Spammer noch einen Schritt weiter. SPIEGEL ONLINE erhielt in den letzten Tagen eine ganze Reihe von Lock-Mails, von denen wir zwei hier beispielhaft zitieren. Sie zeigen, wie die Spammer arbeiten. Eine angstmachende Botschaft wird mit einem Link hin zur Fallen-Seite kombiniert: "In Muenchen ist Trauer angekuendigtInnerhalb von einer Stunde beging ein Asiater 6 brutale Morde und verschwand in der unbestimmten Richtung. Der Moerder schlich sich in ein Wohnhaus ein und schlachtete all seine Bewohner inklusive 2 kleiner zehnjaehrigen Maedchen, die heimgegangen sind. Ermordet waren auch alle Haustiere. Die Polizei ist schockiert und macht nun alles Moegliche, um diesen Taeter so schnell wie moeglich finden zu koennen. Dank einiger Passanten gibt es nun eine kurze Beschreibung des Verbrechers. Es wurde eine Belohnung angekuendigt, wenn jemand etwas zu diesem Fall mitteilen kann. Naeheres dazu sowie ein Roboterbild unter geocities.com/ADRESSE_UNKENNTLICH_GEMACHTSeien Sie bitte vorsichtig! Danke fuer ihre Aufmerksamkeit" "Die Berliner U-Bahn Mitarbeiter fanden die Reste eines unbekannten Flugkoerpers.Interessant findet man auch die Ermittlung von moeglichen Gruenden des Unwohlseins einiger U-Bahn Angestellten.Nach etlichen Inspektionen wurde ein Fremdkoerper gefunden. Wie Wissenschaftler behaupten, koennte der Koerper so gross wie ein Bus sein.Es wurde auch vermutet, er haette seltsame Strahlen aussenden koennen und das wegen rund um dem Rumpf gebildeter "Totzone".Naeheres dazu unter geocities.com/ADRESSE_UNKENNTLICH_GEMACHT" Solche Mails setzen auf reflexartige Reaktion. Der beste Schutz vor ihnen ist ebenfalls ein Reflex: So etwas sollte man - wie alle verdächtigen, unverlangt zugesandten Mails mit Links, Bildern oder Dateianhängen - sofort löschen. Ansonsten gelten die Sicherheitsregeln, die man grundsätzlich immer bei der Bewegung im Internet beherzigen sollte: "Safer surfen" mit aktuellem Virenschutz und FirewallDie Sicherheits-Updates des Betriebssystems sollten durchgeführt werdenBrowsersoftware u.ä. sollte stets auf dem aktuellen Stand gehalten werdenFinsterecken im Web sollte man meiden, denn dort lauern die meisten FallenseitenWindows-Nutzer sollten nach Möglichkeit ein Profil für die Internetnutzung wählen, in dem sie nicht über Administratorrechte verfügenVorsicht, warnt das Internet-Storm-Center SANS, ist auch bei Webseiten zum Thema Virgina-Tech-Massaker angesagt. Bis Freitag, 11 Uhr waren 551 Webadressen zu diesem Thema angemeldet, von denen zumeist unklar sei, wofür sie eingerichtet wurden. Wie auch das US-CERT-Center (eine vom Verteidigungsministerium finanzierte IT-Sicherheitsberatung) glaubt man bei SANS, dass etliche dieser Seiten in den nächsten Tagen als Phishingseiten oder zur Verteilung von Trojanern aktiv werden könnten. pat
Der Zynismus von Cyberkriminellen ist grenzenlos: Seit dem Amoklauf von Blacksburg verschicken Trojaner-Versender Mails mit "Exklusivbildern" des Massakers und Warnungen vor Mordtaten. In Deutschland kursieren Mails über einen angeblichen Amoklauf in München und eine Bombe in Berlin.
[ "Cyber Security" ]
Netzwelt
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2007-04-20T14:31:14+02:00
2007-04-20T14:31:14+02:00
https://www.spiegel.de/netzwelt/tech/trittbrettfahrer-trojanerversender-setzen-auf-amoklauf-mails-a-478426.html
Anschläge in London: Ägyptischer Chemiker wieder frei
Kairo - Esgebe keine Hinweise, dass der Ägypter Magdi al-Naschar in die Anschläge verwickeltsei oder Verbindungen zum Terrornetzwerk al-Qaida habe, sagte derSprecher. Der 33-Jährige war auf WunschGroßbritanniens festgenommen worden.Eine Sprecherin der Londoner Polizei wollte sich zur FreilassungAl-Naschars zunächst nicht äußern. Der Chemiker studiertekurzzeitig in den USA und erwarb an der Universität Leeds einenDoktortitel. Bei einer Razzia in seiner Wohnung in Leeds wurdenangeblich Spuren von Sprengstoff gefunden.
Ein nach den Londoner Terroranschlägen vom 7. Juli in Kairo festgenommener Chemiker ist wieder frei. Gegen den 33-Jährigen liege nichts vor, sagte ein Sprecher des Innenministeriums.
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Ausland
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2005-08-09T19:58:48+02:00
2005-08-09T19:58:48+02:00
https://www.spiegel.de/politik/ausland/anschlaege-in-london-aegyptischer-chemiker-wieder-frei-a-369046.html
Sebastian Edathy: Grüne wollen de Maizière befragen
Berlin - Die Grünen wollen Bundesinnenminister Thomas de Maizière als Zeugen im Edathy-Untersuchungsausschuss des Bundestages befragen. Die Grünen-Obfrau Irene Mihalic möchte mehr Details zur Affäre um den Ex-Abgeordneten Sebastian Edathy erfahren. Von dem CDU-Politiker will sie wissen, welche Informationen er im Februar 2014 mit SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann und BKA-Präsident Jörg Ziercke ausgetauscht hat. Oppermann hatte nach eigener Aussage am 12. Februar 2014 de Maizière mitgeteilt, dass er eine Erklärung zur Affäre um die Kinderporno-Ermittlungen gegen Edathy abgeben werde. Ziercke hatte am Tag darauf ein Gespräch mit dem Minister geführt. Anschließend hatte der BKA-Präsident Oppermanns Aussage dementiert, wonach Ziercke ihm telefonisch die Ermittlungen gegen Edathy bestätigt habe. "Eiertanz um die Chronologie der Geschehnisse" Ziercke konnte sich am Mittwoch im Ausschuss nach eigenen Angaben nicht erinnern, ob die Erklärung Oppermanns auch Gegenstand seines Gespräches mit de Maizière war. Der BKA-Chef habe "einen wahren Eiertanz um die Chronologie der Geschehnisse aufgeführt", sagte die Grünen-Politikerin Mihalic dazu. Der Untersuchungsausschuss soll klären, ob Edathy damals vor den Ermittlungen gewarnt worden war. Der damalige Landwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich trat im Frühjahr 2014 zurück, weil er in seiner Zeit als Innenminister die Information über die Entdeckung Edathys als Kunde eines Kinderpornografie-Rings an SPD-Politiker weitergegeben hatte. Oppermann hatte die Informationskette öffentlich gemacht. Die Vorwürfe gegen Edathy sind auf juristischer Ebene inzwischen geklärt, der ehemalige Parlamentarier soll jedoch aus der SPD ausgeschlossen werden. Das Verfahren gegen den Ex-Bundestagsabgeordneten wegen des Besitzes von kinderpornografischem Material war Anfang März gegen Zahlung einer Geldauflage von 5000 Euro eingestellt worden. Zuvor hatte Edathy eingeräumt, Videos und Fotos mit nackten Jungen besessen zu haben.
mxw/dpa
Juristisch ist das Verfahren gegen Sebastian Edathy abgeschlossen. Doch die Aufklärung im Bundestag dauert an: Die Grünen wollen Innenminister de Maizière im Untersuchungsausschuss befragen - wegen eines Gesprächs vor einem Jahr.
[ "Edathy-Affäre", "Thomas de Maizière", "Bündnis 90/Die Grünen", "Sebastian Edathy", "SPD", "Thomas Oppermann", "BKA", "Jörg Ziercke" ]
Politik
Deutschland
2015-03-26T09:12:00+01:00
2015-03-26T09:12:00+01:00
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/sebastian-edathy-gruene-wollen-de-maiziere-befragen-a-1025643.html
»Man muß sich das Scheitern leisten können«
Als der Abgeordnete S. 29jährig in den Deutschen Bundestag einzog, lag ein reiches Politikerleben schon hinter ihm. Er hatte sich in der Jungen Union umgetan, avancierte mit 19 Jahren zum CDU-Kreisvorständler und bald danach zum Landesvorstandsmitglied seiner Partei. Er wurde Landesvorsitzender, dann Bundesvorsitzender der christdemokratischen Pimpfe und rückte in den Parteivorstand der CDU. Das Bundestagsmandat war Sprungbrett für die große politische Karriere: S. wurde Ministerpräsident und vieles mehr. Eine Ausbildung (Historiker, Privatdozent) hatte er auch und einen Doktortitel - aber das spielte keine Rolle; nie wieder ging S. in seinen Beruf zurück. Der Abgeordnete S. ist der Prototyp des heutigen »Parteikarrieristen«, den der Berliner Sozialwissenschaftler Dietrich Herzog bei einer Studie über Karrierewege von Bundestagsabgeordneten entdeckt hat. S. gibt es: Mit vollem Namen heißt er Gerhard Stoltenberg. Seinem Weg vom Schülerpolitiker zum Minister hat eine ganze Generation von erfolgssüchtigen Politikern nachgeeifert. Erst jetzt, im Jahre eins nach Waterkantgate, gerät dies politische Aufstiegsrezept in eine sichtbare Krise. Vor allem die wenigen großen Alten der Politik warnen ihre jüngeren Kollegen, die Politik für den Beruf glatter Erfolgsmenschen zu halten. Altkanzler Helmut Schmidt, 68, hält allzu junge Minister für »schädlich«. Den Namen Jürgen Möllemann, an den er wohl dachte, erwähnte er nicht. Kai-Uwe von Hassel, 74, einst CDU-Verteidigungsminister und Bundestagspräsident, mokiert sich, der heutigen Politikergeneration fehlten »Lebenserfahrung, Menschenkenntnis, das Vermögen, in einem Team zu arbeiten, es schließlich sogar zu führen«. Ex-Ministerpräsident Helmut Lemke, 80, Ehrenvorsitzender der schleswig-holsteinischen CDU, warnt vor »zu vielen Karrieristen und Macht-Technikern« in der heutigen Politik. Haben die Nestoren recht, wenn sie gleichermaßen Mittelmaß und Charakterlosigkeit fürchten? Wenn sie wehmütig an die Gründerjahre der Politik denken, als es von großen Leitbildern nur so wimmelte: Löbe und Schumacher, Ollenhauer und Erler, Adenauer und Erhard, Ehlers, Kaiser, Dehler und Wehner? Oder ist dies nur die übliche Litanei alter Leute, zu ihrer Zeit sei alles anders, ergo besser, gewesen? Die jüngsten Abgeordneten des Bundestages, auf die jetzt große Hoffnungen gesetzt werden, können mit den politischen Riesen der letzten 40 Jahre nicht viel anfangen. Politische Lebensplanung bedeutet für sie weniger Suche nach Vorbildern als Suche nach Alternativen zur Politik. Sie wollen für den Fall gerüstet sein, den der schleswig-holsteinische Ex-Hoffnungsträger Trutz Graf Kerssenbrock jüngst durchdeklinierte: im Konfliktfall aussteigen können, im Beruf sofort wieder handlungsfähig sein und »Erleichterung« empfinden. Ein Vorrecht der Jugend? Oder sitzt tatsächlich ein neuer Politikertyp im Parlament, für den demokratische Repräsentanz eben nicht Karriere-Endpunkt, sondern Durchlaufstation ist? Reinhard Göhner, 34, der jüngste CDU-Abgeordnete im Bundestag, sieht Politik als »Aufgabe auf Zeit«. Das macht er optisch deutlich: Wenn Göhner Besuchern sein Zimmer 616 im Bonner Abgeordnetenhochhaus öffnet, werden die erst mal von seiner Familie empfangen: Ehefrau Annegret, Julia, 4, und Florian, 2, lächeln zusammen mit Pony »Blacky« von einem Photoposter. Familie und der Beruf als Rechtsanwalt in Herford sowie als Geschäftsführer des Fachverbandes Serienmöbelbetriebe halten den MdB zu zwei Dritteln in Betrieb. Nur ein Drittel gehört Bonn. Der Drittel-Parlamentarier: »Mich hat stutzig gemacht, wie abhängig viele Kollegen von der Politik sind.« Auch im Büro des jüngsten FDP-Abgeordneten Werner Hoyer, 36, spielt die Politik nicht die dominierende Rolle. Vielmehr ist es ein Monitor für Wirtschaftsnachrichten. Der Mann will geschäftlich nach oben; dazu muß er wirtschaftlich auf dem laufenden bleiben. Schon jetzt denkt der promovierte Ökonom an die Zeit nach der Politik. »Später wird mir meine Zeit in Bonn sehr nützlich sein«, prognostiziert er kühl. Margit Conrad, mit 35 Jahren Küken der SPD-Fraktion, weiß ein probates Mittel, um Politik gar nicht erst zum Beruf werden zu lassen: Sie meidet die Bundeshauptstadt, so oft es geht. Termine im saarländischen Wahlkreis, bei denen Freunde und Bekannte warten, haben Vorrang - sogar für den Fall, daß Redezeit im Parlament winken sollte. Das irritiert manche älteren Fraktionskollegen, die in der Ära der Parteikarrieristen die Bonner Politik gelernt haben. Die Generation der Urenkel im Bundestag praktiziert ihren eigenen Weg aus der Krise der politischen Führungsschicht. Die Nachrücker der Politik senden ein Kontrastprogramm zu der Politikergarde der Stoltenbergs und selbst der Möllemänner, die im Bundestag und in den Landesparlamenten noch den Ton angibt: Berufspolitiker, die in der Pubertät kungeln und kämpfen gelernt haben, einen Beruf nur für den Eintrag ins Parlamentshandbuch brauchen und nichts kennen außer der Politik. Uwe Barschel, das nebenbei, war so einer. Das sind Leute, die alles studiert hätten, nur nicht das Leben, wie sogar Bundestagspräsident Philipp Jenninger gemerkt hat. Jeder Abgeordnete solle deshalb einen »richtigen Beruf« ausüben. Begründung: »Schon wegen der ganz andersartigen Erfahrung, die er dabei gewinnt.« Auch Günter Verheugen, die politische Vielzweckwaffe, hat jene Erfahrung verlangt, »die man erwirbt, wenn man mit anderen Menschen zusammen für seinen Broterwerb arbeitet«. Diese Erfahrung mit anderen Menschen geht bayrischen Politikern wohl am wenigsten ab. Der 36jährige Hermann Fellner, immer noch jüngster CSU-Abgeordneter im Bundestag, ein »Stammtisch-Rambo« ("Stern") aus Amberg und innerlich eher von der alten Garde, kann mit Multi-Jobs belegen, daß und wie er mitten im Leben steht. Der CSU-Mann führt sein Rechtsanwaltsbüro in Amberg, den Vorsitz des Sportvereins FC Amberg und ein politisch bewegtes Dasein in Bonn, wo er unter anderem im Innenausschuß sitzt. Ein Mann für alle Fälle, der sich ein Leben ohne Politik vorstellt: »Wenn ich nicht mehr in Bonn bin, übernehme ich noch irgendein Management.« Dem politischen Dauertreiben hat er nach sieben Jahren abgeschworen: »Ich bin gar nicht mehr wild darauf, aufgezogen wie eine Spielzeugmaus in einer Veranstaltung aufzutreten.« Fellners Träume haben wenig mit Politik zu tun. Sie gelten eher dem Sprung ins real existierende Showbusiness. Doch er weiß, daß er auch daraus keine Karriere wird machen können. Die Jüngste aller Abgeordneten, Verena Krieger von den Grünen, 1961 geboren, hat ihren Lebensweg noch nicht geplant. Politik ist für sie ein Job auf Zeit, eine Art Freistellung vom Studium der Kunstgeschichte an der Universität Bochum. Der Sprung zurück ins richtige Leben wird, da ist sie ganz sicher, keine großen Probleme aufwerfen. Doch der Kinder-Star des Bundestags ist ein erfahrener politischer Profi, gestählt durch jahrelange Aktivität in »Mädchenquatschgruppen«, »Friedensinis« und den stundenlangen Palavern der Grünen. Als ernsthafte Selbstbeobachterin hat Verena Krieger die Folgen von neun Monaten Bonner Politik genau registriert: »Ich bin eitler geworden.« Das fange schon damit an, »daß ich Mitarbeiter habe, die sich darum sorgen, wie es mir geht«. Daraus soll aber, hofft und versichert sie, nie die Droge Politik werden, vor der Verheugen warnte: »Von einem bestimmten Punkt an verteidigen Politiker ihren inzwischen erreichten Lebensstandard und wenn nicht den, dann die Befriedigung, die sie aus Machtausübung und öffentlicher Wirksamkeit ziehen.« Das fürchtet Margit Conrad und hat deshalb eine genaue Prioritätenliste aufgestellt: »An der Spitze steht meine Unabhängigkeit, privat und beruflich.« Einen Ausstieg probte sie beim Medizinstudium, »für eine Orientierungsphase in anderen Fächern«. Und jetzt? »Ich kann mir durchaus vorstellen, wieder im Notarztwagen zu fahren oder Praxisvertretungen zu machen.« Das ist eine Einstellung ganz nach dem Geschmack von Norbert Gansel aus Schleswig-Holstein. Der SPD-Abgeordnete, inzwischen 47, war zu Beginn seiner Bonner Laufbahn immer wieder durch Unabhängigkeitsaktionen aufgefallen: Er wollte mit dem Schlauchboot zur Parlamentssitzung paddeln oder schnupperte als Jobber in den Parlamentsferien die Luft des Arbeitslebens. Immer sorgte er dafür, daß das auch bekannt wurde."Man muß«, so berichtet er aus seinem Erfahrungsschatz, »beruflich so unabhängig sein, daß man politisch etwas wagen und sich sogar das Scheitern leisten kann.« Er selbst hat seit dem zweiten juristischen Staatsexamen die berufliche Praxis storniert, und so schränkt er ein: »Man muß wenigstens die Illusion haben, daß man aussteigen kann.« Genau das hält Hildegard Hamm-Brücher, die Elder Lady des Parlaments, für eine blanke Illusion; auch die Youngsters könnten tatsächlich nicht aussteigen. Noch nie hat die Liberale einen Jungpolitiker erlebt, der auf Privilegien und Schmuck verzichtet hat. Ihre Rechnung:, Bundestagsabgeordnete verdienen rund 10000 Mark im Monat, haben Freifahrttickets, schöne _(Mit Familienphotos an der Wand. ) Reisen und viel Prestige. Wenn sie aussteigen, sind sie Berufsanfänger, kriegen 3000 Mark und sonst nichts.« Die wenigen Ausnahmen scheinen der Regel recht zu geben: Frank Haenschke und Dieter Lattmann verließen freiwillig die SPD-Fraktion, Ferdi Breidbach wechselte von der CDU ins PR-Managerleben. Die heute Jüngsten im Bundestag beteuern, wie ehrlich sie''s meinen, wenn sie ein »Lebensziel Politik« ablehnen. Für sie ist die Politik auch - noch? - Spiel, versehen mit einer Art Leichtigkeit, die sie nicht missen wollen. Der Wille, den Gesetzen der »Raumstation Bonn« nicht bedingungslos zu folgen, ist bei der Grünen Verena Krieger besonders ausgeprägt. Das soll auch für ihre Öffentlichkeitsarbeit gelten: »Ich schleim'' den Presseleuten nicht hinterher. Dafür bin ich mir zu schade.« Den Bonner Ypps, den young political professionals, geht zwar die Abhängigkeit ab, die die reinen Parteikarrieristen so sehr in Gefahr bringt, andererseits fehlt ihnen die Bereitschaft zum bedingungslosen persönlichen Einsatz; wie andere ihrer Generation fragen sie stets danach, was »es bringt«, etwas zu tun: Spaß muß dabei sein - und Bescheidenheit ist nicht ihre stärkste Seite. »Ich ordne mich ein, nicht unter«, sagt Freidemokrat Hoyer selbstbewußt. Er empfindet »tierischen Spaß« in Bonn; er ist ja auch erst neun Monate dabei. Der Liberale betreibt das Geschäft der Politik wie ein kühl kalkulierender Manager. Als Angestellter der Carl-Duisberg-Gesellschaft beurlaubt, nimmt er Lehraufträge in Köln und Oberhausen wahr. Der Rest des Single-Daseins ist durchrationalisiert wie der sprachliche Ausdruck: »Wenn ich mal ein wenig Zeit habe, tätige ich mein Rennrad« - diszipliniert, zweckgerichtet. Selbstdisziplin, mehr noch Parteidisziplin ist für die jüngsten Politiker im Deutschen Bundestag ein akzeptierter Karriere-Preis. Keiner schert aus den Reihen der Fraktion aus - so weit wird die Unabhängigkeit nicht getrieben. Das Standbein Beruf soll persönlichen Halt geben, nicht Stütze sein für Experimente in Sachen Zivilcourage. Das Spielbein Politik wird nicht zu übermütig geschwungen, damit es noch ein Leben nach Bonn geben kann, wo der politische Glanz in beruflichen Erfolg umgemünzt werden soll. Hoyer: »Klar, das hier soll doch ein Step vorwärts sein.« Sind die Nesthäkchen die Vorbilder und Hoffnungsträger von morgen? Sie entsprechen wohl nicht dem Wunschbild der Querdenkerin Hamm-Brücher - auch wenn CDU-Youngster Göhner schon mal einen bösen Brief an seinen Kanzler geschrieben haben will. »Es müßten mehr Außenseiter, mehr Unbequeme ins Parlament«, verlangt die FDP-Linke, »gestandene Menschen, die sich nichts bieten lassen.« Das sind die Jungen nicht.Mit Familienphotos an der Wand.
Die jüngsten Bundestagsabgeordneten planen für ein Leben nach der Politik *
[ "Bundestag", "CDU", "Bonn" ]
Politik
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1987-11-29T13:00:00+01:00
1987-11-29T13:00:00+01:00
https://www.spiegel.de/politik/man-muss-sich-das-scheitern-leisten-koennen-a-831af2e2-0002-0001-0000-000013527615?context=issue
Sind dankbar
Sind dankbar Menschen, die ein wenig common sense besitzen, sind der »Constanze« dankbar, wenn sie das Problem der modernen Ehe ehrlich und ohne ideologische oder religiöse Scheuklappen zur Diskussion stellt.BirlenbachHELMUT RENTSCHLERBindungen zu dritt und andere Erscheinungen! Gut, daß sich die »Constanze« damit auseinandersetzt. MindenERWIN VOLZ
Sind dankbar
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Politik
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1949-12-07T13:00:00+01:00
1949-12-07T13:00:00+01:00
https://www.spiegel.de/politik/sind-dankbar-a-579bb52c-0002-0001-0000-000044439261?context=issue
Marc Zuckerberg kündigt neues, altes Facebook-Erlebnis an
Es ist ein Schritt zurück, den der Facebook-Konzern Meta als »Throwback« verkauft: Facebook soll zukünftig wieder einen eigenen Feed anzeigen, in dem man nur Beiträge von Menschen sieht, die man kennt. Das weltgrößte Onlinenetzwerk wird damit in diesem Bereich so funktionieren wie früher. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat Facebook seinen Feed immer wieder verändert. Das hatte zur Folge, dass Nutzerinnen und Nutzer immer mehr Werbung und Beiträge von Accounts, denen sie nicht folgen, angezeigt wurden. Doch die algorithmenbasierte Timeline hat auch viel Kritik auf sich gezogen.»Bring die Magie der Freunde zurück zu Facebook« lautet die Überschrift des Blogbeitrags  mit der Ankündigung von Meta. Unter dem neuen Tab »Freunde« sollen nur Updates von Freunden und keine anderen empfohlenen Inhalte angezeigt werden. Meta erklärt in dem Blogpost, die Idee dahinter sei, sich auf die ursprüngliche Mission von Facebook zu konzentrieren, nämlich Menschen mit Freunden durch ein soziales Netzwerk zu verbinden. In dem neugestalteten Bereich sollen unter anderem Freundschaftsanfragen, Reels, Beiträge und Geburtstage von Freunden angezeigt werden. Zuvor waren hier Freundschaftsanfragen und andere »Personen, die du vielleicht kennst« zu sehen. Meta-CEO Mark Zuckerberg postete ein Video  der neuen Funktion im Vergleich zum Facebook-Feed von 2006 und schrieb: »Der neue Tab ›Freunde‹ ist ein Throwback zu OG Facebook, als man nur die Statusaktualisierungen von Freunden sah.« Die Abkürzung »OG« ist eigentlich Jugendslang und steht für »Original Gangster«. Mittlerweile wird sie als Synonym für »Original« genutzt und auch von angejahrten Managern wie Zuckerberg verwendet, um nostalgische Verzückung auszudrücken. Auch in Zukunft sollen im zentralen Feed der App Empfehlungen des Algorithmus angezeigt werden, sagte Meta-Manager Tom Alison der »New York Times« . Der Konzern rechne demnach nicht damit, dass der Freunde-Tab zum populärsten Bereich von Facebook werde. Dies ist die erste von mehreren Neuerungen in diesem Jahr, mit denen sich Facebook wieder auf seine Anfänge besinnen will. Zuckerberg hatte im Januar 2025  entsprechende Änderungen angekündigt, um das soziale Netzwerk »viel einflussreicher zu machen, als es heute ist«, sagte er gegenüber Investoren und fügte hinzu: »Ich denke, dass einiges davon wieder so wird, wie Facebook ursprünglich genutzt wurde.« Zu den Details machte er keine Angaben. Die neue Funktion wird zunächst in den USA und Kanada eingeführt, hieß es in einem Blogeintrag. Noch ist unklar, wie schnell der Freunde-Bereich auch in anderen Ländern wie Deutschland verfügbar sein wird.
kim/dpa
Facebook will zurück zum »OG Facebook«, also der Ursprungsversion der Plattform, und hat mehrere Updates angekündigt. Nun sollen wieder Beiträge von Freunden und Menschen, die man kennt, im Fokus stehen.
[ "Facebook", "Mark Zuckerberg", "Meta" ]
Netzwelt
Apps
2025-03-28T11:43:00+01:00
2025-03-28T11:43:00+01:00
https://www.spiegel.de/netzwelt/apps/marc-zuckerberg-kuendigt-neues-altes-facebook-erlebnis-an-a-88fd350b-bb9d-4f6c-9bcb-afd19a6a09c8
Kriseninstitut: WestLB-Eigner drücken sich vor Entscheidung
Berlin - Das Schicksal der WestLB bleibt in der Schwebe. Die Sparkassen, das Land Nordrhein-Westfalen und der Bund verständigten sich nach Angaben von Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter in der Nacht zum Mittwoch darauf, der EU-Kommission drei Optionen für die Zukunft der Bank vorzulegen. Über deren Umsetzung müsse jetzt die Kommission entscheiden, sagte Finanzstaatssekretär Kampeter. Damit liegt der Ball wieder im Feld der Brüsseler Wettbewerbshüter. Die WestLB will die Atempause nutzen und mehrere Teilbereiche unter ihrem Dach einrichten. Diese könnten dann fusioniert oder verkauft werden. Die Vorschläge für die Zukunft der Bank umfassten einen weiteren Abbau der Bilanzsumme, die Bildung einer Kernbank für die Sparkassen sowie einen Verkauf der kompletten WestLB, sagte Kampeter in Berlin. Zuvor hatten die Parteien in einem Sitzungsmarathon um eine Lösung gerungen - und in letzter Minute ihre Vorschläge nach Brüssel überstellt. Die EU-Kommission hatte bis Mitternacht einen Umbauplan für die Bank angefordert. Die Prüfung der Pläne durch die EU-Kommission werde einige Zeit in Anspruch nehmen, sagte Kampeter. Das Verbundbankmodell zielt auf eine Aufspaltung der WestLB ab. Die Verbundbank könnte als neues Sparkassen-Institut Dienstleister für die rund 100 nordrhein-westfälischen Sparkassen werden. Der Sparkassenverband DSGV sei bei der Verbundbank mit im Boot, betonte Kampeter. Zudem reichten die WestLB-Eigner auch ein Konzept für einen weiteren Abbau der noch 220 Milliarden Euro umfassenden Bilanzsumme ein. Die WestLB erklärte, der Umstrukturierungsplan sehe einen Abbau der Bilanzsumme um ein weiteres Drittel vor. Dies solle bis 2015 geschehen. Die dabei anfallenden Lasten sollten von Eigentümern, Land und Bund mitgetragen werden. Zudem richte das Geldhaus unter seinem Dach vier neue Einheiten ein und bereitet sich damit faktisch auf eine Aufspaltung vor. Die Aufspaltung wäre eine Konsequenz der Bildung einer Verbundbank. Denn weitere Teile der Bank würden dann verkauft - und die übrigen Bereiche könnten an die bereits bestehende Bad Bank angegliedert werden. In diese sind bereits Altlasten der WestLB mit einem Volumen von rund 77 Milliarden Euro eingebracht worden. Allerdings äußerten sich die Beteiligten nicht, wer von ihnen welchen Beitrag zur Sanierung leisten müsste. Der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) sagte, das hänge davon ab, "wie sehr die einzelnen Optionen zum Greifen kommen". Das Lenkungsgremium habe "einen Weg aufgezeigt" und "mit gutem Gewissen" vorgelegt.Die EU-Kommission hatte den neuen Restrukturierungsplan eingefordert, mit dem Wettbewerbsverzerrungen behoben werden sollen, die nach Ansicht der Wettbewerbshüter durch öffentliche Hilfen für die WestLB in einer Höhe von rund 3,4 Milliarden Euro entstanden sind. Ohne eine tragfähige Lösung könnte EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia eine Rückzahlung der Beihilfe fordern - was dem Aus für die WestLB gleichkäme. Die schon zuvor durch Fehlspekulationen und misslungene Geschäfte angeschlagene WestLB war durch die weltweite Finanzkrise in eine dramatische Schieflage geraten. Seit 2008 musste sie von der öffentlichen Hand mit 16 Milliarden Euro gestützt werden.Heute ist die drittgrößte Landesbank ein finanzielles Wrack. Fünf Vorstandschefs hat sie in den vergangenen acht Jahren verschlissen. Immer wieder mussten die Bundesregierung und das Land NRW Geld in das marode Institut stecken. Der dringend nötige Umbau der Bank kam dennoch nur im Zeitlupentempo voran. Schließlich stellte EU-Kommissar Joaquín Almunia ein Ultimatum. Im Herbst 2010 legte er fest, dass der Masterplan für die Zukunft bis zum 15. Februar stehen muss.
cai/lgr/Reuters/dpa/dapd
Die Frist ist gewahrt: Buchstäblich in letzter Minute wurden der EU-Kommission kurz vor Mitternacht gleich mehrere Optionen zur Zukunft der krisengeplagten WestLB vorgelegt. Eine wirkliche Entscheidung ist damit vertagt und der EU zugeschoben.
[ "WestLB", "Landesbanken", "Friedrich Merz", "Bafin" ]
Wirtschaft
Unternehmen
2011-02-16T01:51:00+01:00
2011-02-16T01:51:00+01:00
https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/kriseninstitut-westlb-eigner-druecken-sich-vor-entscheidung-a-745816.html
Anti-Raucher-Kampagne: US-Tabakfarmer kämpfen ums Überleben
Scott Hedgecock stößt seinen Schuh in die Erde, bis es staubt. "Die Gewitterwolken sind letzte Nacht wieder vorbeigezogen", sagt er. Die Luft ist warm und feucht, doch das mit dem Regen will in diesem Jahr nicht so recht. Hedgecock ist Tabakfarmer im kleinen Örtchen Kernersville, im Norden des US-Bundesstaates North Carolina. Auf knapp 37 Hektar sandigem Boden baut er Tabak an, aus dem später vielleicht Zigaretten der Marke "Camel" oder "Pall Mall" werden. Doch so genau wisse er das gar nicht, er kümmere sich nur um den Anbau. 15 Kilometer entfernt, in der Stadt Winston-Salem, beschäftigt das zweitgrößte Tabakunternehmen des Landes, R.J. Reynolds, 4800 Leute. Reynolds nimmt Hedgecocks gesamte Ernte ab. Ob sich mit Tabak noch richtig gutes Geld verdienen lässt? "Nicht wirklich", brummt er.North Carolina ist das größte Tabakanbaugebiet der USA. Knapp die Hälfte der 350.000 Tonnen, die im Land jährlich produziert werden, wachsen im subtropischen Klima zwischen Appalachen und Atlantikküste. Neben R.J. Reynolds beschäftigt auch die Nummer drei am Markt, Lorillard Tobacco, an die 2500 Leute in dem Bundesstaat. Doch in den vergangenen 15 Jahren blieb kein Stein auf dem anderen. Die Zahl der Tabakfarmen schrumpfte zwischen 1997 und 2007 um fast 80 Prozent auf rund 2600 Betriebe. Seit den Milliardenklagen gegen die großen Zigarettenhersteller in den neunziger Jahren importieren die Konzerne inzwischen günstigeren Tabak, unter anderem aus Brasilien. Die kleinen Farmer in den USA sind dagegen auf sich allein gestellt. Bauern, die wie Hedgecock Abnahmeverträge mit heimischen Zigarettenherstellern besitzen, sind in der Minderheit, berichtet John Connaughton, Wirtschaftsprofessor an der University of North Carolina at Charlotte (UNCC). Das richtig satte Wachstum im Zigarettengeschäft hat sich nach Asien verlegt, wo die meisten Raucher zu Hause sind. China und Indien produzieren längst mehr Tabak als die USA - und vor allem kostengünstiger.Welche Auswirkungen der schrumpfende Markt für North Carolina hat, wurde deutlich, als Marktführer Philip Morris die Schließung eines Zigarettenwerks mit 2500 Mitarbeitern bekanntgab. Ende Juli rollte in der Fabrik, die auf einem 800 Hektar großen Gelände nahe der Stadt Charlotte untergebracht ist, die letzte Marlboro vom Band. Zwei Monate zuvor hatte North Carolina eine Bestimmung verabschiedet, die das Rauchen in Bars und Restaurants verbietet. "Das war der letzte Beweis, wie wenig Tabak hier noch bedeutet", sagt Ökonom Connaughton. Vor zehn Jahren wäre eine ähnliche Vorschrift unvorstellbar gewesen. Immerhin: Über die Besteuerung der Zigaretten versucht North Carolina, seine Landwirte zu schonen. Anfang August erhöhte die neue demokratische Gouverneurin Bev Perdue die Abgaben zwar um zehn Cent auf 35 Cent pro Schachtel. Doch im Vergleich zu anderen Bundesstaaten ist dies immer noch extrem wenig: New York oder New Jersey nehmen weit mehr als zwei Dollar pro Packung ein. David Howard, Sprecher von Reynolds American, des Mutterkonzerns von R.J. Reynolds, schimpft dennoch: "An einer Schachtel Zigaretten verdient North Carolina bereits elf Prozent mehr als wir", rechnet er vor.Farmer Hedgecock baut jetzt zusätzlich zum Tabak 48 Hektar Sojabohnen an, dazu Erdbeeren und Weizen. In erster Linie, weil Tabak nicht jedes Jahr an derselben Stelle gepflanzt werden soll, außerdem will sich Hedgecock breiter aufstellen. "Aber das Geld kommt vom Tabak", stellt er klar. Hart verdientes Geld ist es allemal. Die Blüten und obersten Triebe müssen in der schwülen Hitze abgeschnitten werden, nur die gelben Blätter können geerntet werden, nach und nach, beginnend im Juli bis in den Oktober hinein. Sechs Leute arbeiten für Hedgecock. In der Dürre der vergangenen beiden Sommer habe er schon einmal daran gedacht, das Tabakanbauen sein zu lassen, erzählt er. Doch keine andere Feldfrucht ist so lukrativ. "So viele Erdbeeren kann ich gar nicht anbauen.""Wie eine Goldmine"Nach Ansicht von David Goldfield, einem Geschichteprofessor an der UNCC, ist rund um den Tabakanbau "das größte landwirtschaftliche Sozialprogramm aller Zeiten" entstanden. "Ein Tabakfeld war ein bisschen wie eine Goldmine." Anbauen durfte lange Zeit nur, wer eine Zuteilung besaß. Auf diese Weise wurden die Mengen beschränkt, und die Bauern konnten mit hohen Preisen rechnen. 2004 kam das Aus für das System, und die Bauern wurden finanziell entschädigt. Jetzt kommt nur noch gut über die Runden, wer als Agrargroßbetrieb riesige Flächen bestellt oder einen Abnahmevertrag hat. "In den achtziger Jahren begann sich das Gesicht North Carolinas zu verändern", erzählt Ferrel Guillory, Direktor des Program on Public Life an der Universität in Chapel Hill. Als die Bank of America ihr Hauptquartier nach Charlotte, in die größte Stadt des Bundesstaates verlegte, folgten zahlreiche Finanzdienstleister nach. Rund um die Hauptstadt Raleigh siedelte sich unterdessen eine forschungsintensive Hightech-Industrie an, und Leute aus dem ganzen Land folgten den Jobs in den Tar Heel State. Die Neuankömmlinge bringen neue Werte mit. "Keiner von denen hat eine Verbindung zum Tabak. Sie sind alle mit den Warnungen aufgewachsen und wollen im Restaurant nicht passiv rauchen", sagt Guillory. Die größte Bedeutung für die Tabakindustrie des Bundesstaates könnte jedoch ein neues Gesetz haben, das Präsident Obama Mitte Juni unterzeichnete. Es legt fest, dass Produktion und Marketing von Tabakprodukten nunmehr der Kontrolle der Gesundheitsbehörde FDA unterstehen. Das Ziel: Jugendliche sollen erst gar nicht in Versuchung kommen zu rauchen. Ab Oktober sind Zigaretten mit Frucht- oder Gewürzgeschmack verboten, außerdem wird die Werbung radikal eingeschränkt - in einem Umkreis von 300 Metern rund um Schulen und Spielplätze ist Plakatwerbung für Tabakprodukte gänzlich untersagt. Darüber hinaus müssen die Hersteller ab Anfang 2010 sämtliche Inhaltsstoffe gegenüber der FDA aufschlüsseln. Und ab dem Sommer müssen sie Bezeichnungen wie "light" oder "mild" aufgeben. Mentholzigaretten verkaufen sich noch gutÜber mögliche weitere "vernünftige" Schritte, wie Obama bei der Unterzeichnung formulierte, denken FDA-Wissenschaftler in einem eigens geschaffenen "Center for Tobacco Products" bereits nach. "Ich sehe wirklich keine Möglichkeit, das leichtzunehmen", kommentiert Reynolds-Sprecher Howard das neue Gesetz. Für ihn steht außer Zweifel, dass die Werbebeschränkung vor allem dem Konkurrenten Philip Morris helfen: "Wenn keiner Reklame machen kann, ist das ein klarer Vorteil für den Marktführer."Bei R.J. Reynolds scheint man das Wort "Rauchen" aus dem Vokabular gestrichen zu haben. Immer wieder spricht PR-Mann Howard von "Tabakwaren für informierte Erwachsene" und preist die rauchfreien Produkte des Unternehmens an, darunter "Camel Snus": Tabakstreifchen, die unter der Oberlippe platziert werden. Vom rauchfreien Markt erwarten die Unternehmen noch Wachstum. Immerhin würden die Produkte Leuten dabei helfen, "gesellschaftliche Erwartungen" zu erfüllen, so Howard. Wachstum ist auch bei Mentholzigaretten zu verzeichnen. Fast jede dritte Zigarette, die in den USA über den Ladentisch geht, ist mit dem Geschmacksstoff versetzt. Dass sich die Lobbyisten von Philip Morris, im Gegensatz Reynolds und Lorillard, für die FDA-Regelung stark gemacht haben, dürfte sich für sie lohnen. Denn das Verbot für Geschmackszusätze nimmt Menthol und damit die einträglichsten Produkte aus - bis auf weiteres zumindest.Wirtschaftswissenschaftler Connaughton ist überzeugt, dass "Big Tobacco" zu weiteren Zugeständnissen bereit ist: "Solange sie ihre Zigaretten legal verkaufen dürfen, werden sie sich knebeln lassen."
Alexandra Riegler
North Carolina und Tabak - das gehörte jahrhundertelang zusammen. Nun steht die Produktion vor dem Aus: In der Heimat der "Camel"-Zigarette ist das Rauchen in Bars neuerdings verboten, immer mehr Farmer geben auf. Die Branche fühlt sich von der US-Gesundheitsbehörde gegängelt.
[ "North Carolina" ]
Wirtschaft
default
2009-08-15T07:55:00+02:00
2009-08-15T07:55:00+02:00
https://www.spiegel.de/wirtschaft/anti-raucher-kampagne-us-tabakfarmer-kaempfen-ums-ueberleben-a-641797.html
Märtha Louise: Norwegische Prinzessin stellt neuen Freund vor
Drei Jahre nach ihrer Trennung von Ari Behn hat die norwegische Prinzessin Märtha Louise einen neuen Lebensgefährten präsentiert. Auf ihrem Instagram-Konto teilte sie mit, der Schamane Durek Verrett aus Los Angeles sei ihr neuer Freund.Sie veröffentlichte dazu ein Foto, das die beiden zeigt. Der Schamane sei ein Mann, mit dem sie einfach gern Zeit verbringe und der sie erfülle. "Er hat mein Leben verändert", schrieb die Prinzessin. In ihrem Post richtet sich die 47-Jährige aber auch an diejenigen, die diese Verbindung kritisieren könnten: "Ich suche keinen Mann danach aus, ob er euch zufriedenstellt oder das Bild erfüllt, das ihr von mir habt." Sie habe aus Liebe gewählt. Prinzessin Märtha Louise ist die Schwester von Kronprinz Haakon und war zuvor mit dem Künstler Ari Behn verheiratet. Die beiden haben drei Kinder. Sie beschreibt sich selbst als hochsensitiv und gibt an, mit Engeln in Kontakt zu sein. Durek Verrett ist seiner eigenen Website zufolge ein spiritueller Führer und Heiler. Die beiden arbeiten seit Längerem eine Vortragsreise zum Thema Selbstrealisierung aus, berichtet die norwegische Zeitung "Dagbladet" .
cop/dpa
Im Jahr 2016 trennte sich Prinzessin Märtha Lousie von dem Künstler Ari Behn. Nun hat die 47-Jährige bekannt gegeben, dass sie einen neuen Mann an ihrer Seite hat: den Schamanen Durek Verrett.
[ "Norwegen" ]
Panorama
Leute
2019-05-13T12:07:00+02:00
2019-05-13T12:07:00+02:00
https://www.spiegel.de/panorama/leute/maertha-louise-norwegische-prinzessin-stellt-neuen-freund-vor-a-1267163.html
»SIE OPERIEREN WIE GEBILDETE LEUTE«
Der stellvertretende Chefredakteur der Londoner Wirtschaftszeitschrift »The Economist«, Norman Macrae, versuchte auf einer Studienreise durch Westdeutschland herauszufinden, weshalb die Bundesrepublik - sie ist nach ihrer Bevölkerungszahl und Wirtschaftsstruktur fast ein Ebenbild Großbritanniens - nicht wie England unter einer anhaltenden Wirtschafts- und Zahlungsbilanzkrise leidet. Der Autor führt das vor allem auf die friedlichere Lohnpolitik der deutschen Gewerkschaften (durch Streik ausgefallene Arbeitstage 1965: in England 2 925 000, in Westdeutschland 48 500) und ihre sinnvollere Organisation zurück. Während die deutschen Arbeitnehmer innerhalb des DGB in 16 Einzelgewerkschaften zusammengefaßt sind, müssen Englands Firmen sich mit 600 Gewerkschaften auseinandersetzen, von denen bis zu 30 in einem einzigen Betrieb vertreten sind. Dem Artikel Macraes »Das deutsche Beispiel« sind folgende Auszüge entnommen: Die Gewerkschaften der Bundesrepublik wurden nach Hitlers Krieg völlig neu aufgebaut; sie sind deshalb für das moderne Jahrhundert weitaus besser geeignet als Englands Überbleibsel aus dem 19. Jahrhundert.Wir wollen aber der Natur des deutschen Arbeitswunders auf den Grund gehen: Es liegt nicht nur darin, daß die Gewerkschaften selten streiken (obwohl sie es wirklich selten tun). Das Wunder liegt darin, daß das Land eine Arbeitslosenziffer von nur 0,4 Prozent hat und trotzdem in der Lage ist, zum Beispiel eilige Exportaufträge ohne wesentliche Verlängerung der Lieferzeiten zu erfüllen. Es liegt darin, daß die deutschen Firmen, obwohl sie genauso über Mangel an Facharbeitern klagen wie die englischen, es fertigbringen, die Produktivität jedes Jahr erheblich zu steigern, was man in England - angeblich wegen des Facharbeitermangels - nicht schafft. Dafür gibt es zwei Gründe: Einmal können die deutschen Firmen ihre Fachkräfte weitaus wirksamer und flexibler einsetzen. Wenn die Nachfrage nach ihren Produkten über den erreichten Leistungsgrad hinaus ansteigt, stellen sie automatisch neue Maschinen auf. Die dadurch freigesetzten Arbeiter werden auf andere Posten des Unternehmens verteilt, ohne daß die Geschäftsleitung sich erst umständlich darüber mit den Gewerkschaften auseinandersetzen muß. Das hängt direkt mit der Tatsache zusammen, daß die neue deutsche Gewerkschaftsstruktur nur auf 16 Gewerkschaften aufgebaut ist, von denen jede für einen bestimmten Industriezweig verantwortlich ist. Folglich gehört jeder Arbeitnehmer einer Firma derselben Gewerkschaft an, es gibt absolut keine Trennung zwischen den verschiedenen Berufen in ein und derselben Firma. Um die britische Wirtschaft anzukurbeln, wäre es nicht nur nötig, die Einspruchsmöglichkeiten unserer Gewerkschaften aufzuheben, sondern sicherzustellen, daß sie nicht wiederkehren. Wenn eine englische Firma feststellt, daß ihre Produktionskapazität mit der Nachfrage nicht mehr Schritt halten kann, muß sie ebenso freie Hand haben wie die Deutschen, sofort neue Maschinen anzuschaffen. Sie darf nicht durch die Angst gebremst werden: »O Gott, da wird es nervenaufreibende Diskussionen mit den Gewerkschaften geben.« Ein zweiter Grund, weshalb die deutsche Industrie ungeachtet ihrer niedrigen Arbeitslosenziffer von dem Mangel an Arbeitskräften nicht so stark betroffen wird, ist der, daß man viel mehr Fachkräfte heranbildet als in England. Etwa eineinviertel Millionen junger Deutscher machen irgendeine Lehre durch; von ihnen können jedes Jahr 400 000 als qualifizierte Fachkräfte entlassen werden. Diese Zahlen sind zwar etwas mißverständlich, weil mehr als die Hälfte der Lehrlinge auf Gebieten ausgebildet wird, die bei uns nicht als Lehrberufe gelten (Deutschland bildet Lehrlinge als Buchhalter, Kellner, Verkäufer usw. aus). Aber auch auf dem industriellen Sektor rekrutiert Deutschland im Verhältnis zu der fast gleichen Bevölkerungszahl Englands mehr Fachkräfte. Woran liegt das? Ganz anders als bei uns sind fast alle deutschen Firmen bereit, Lehrlinge anzunehmen und auszubilden. Allerdings erhalten die Lehrlinge in Deutschland einen weitaus niedrigeren Lohn, Erziehungsbeihilfe genannt, als in England.* Daran nehmen die Lohnpolitiker der Labour Party wahrscheinlich am meisten Anstoß: Das deutsche System läßt es zu, daß die jungen Arbeitskräfte ausgenutzt werden, aber es trägt dazu bei, daß das System funktioniert.Eine direkte Folge dieses Lehrsystems ist, daß den deutschen Gewerkschaften nichts daran liegt, eine so absurd lange Lehrzeit wie die fünfjährige in England zu propagieren. Sie sind im Gegenteil daran interessiert, daß ihre Jungmitglieder so bald wie möglich anstelle der Erziehungsbeihilfe einen anständigen Lohn erhalten. Obwohl auch die deutschen Arbeitnehmer einen beträchtlichen Einfluß auf die Arbeitsbedingungen am Arbeitsplatz haben, machen sie diesen Einfluß nicht direkt über die Gewerkschaften geltend. Während die Tarifverträge über Löhne und Arbeitszeit auf nationaler Ebene von den einzelnen Gewerkschaften ausgehandelt werden, gibt es in den einzelnen Firmen nur den Betriebsrat. Sein Einfluß ist auf die sozialen Fälle beschränkt, etwa wenn ein Arbeiter wegen angeblich schlechter Führung entlassen werden soll.Auseinandersetzungen, die in England die Gefahr heraufbeschwören, daß der Gewerkschaftssprecher lauthals zum Streik aufruft, werden in Deutschland meist auf der nächsten Betriebsratssitzung beigelegt. Auf die Frage, wieso es auf den Sitzungen nicht öfter Krawall gibt, antworteten einige deutsche Unternehmer: »Wir haben unsere Methode, nachzugeben, institutionalisiert. Während Englands Arbeitgeber immer erst nach einem Streik klein beigeben, geben wir auf den internen Konferenzen nach. Wir haben gelernt, daß man, solange Vollbeschäftigung herrscht, die Jungens bei Laune halten muß, sonst laufen sie zur Konkurrenz.« Für jeden, der einmal Bekanntschaft mit den blutig-rot gesinnten Betriebsfunktionären bei uns gemacht hat, wirkt es wenig überzeugend, wenn die Deutschen sagen: »Ein paar solcher Knaben haben wir auch.« Die Antwort liegt, wahrscheinlich in der Art, wie in Deutschland die Arbeitnehmer ihre Vertreter wählen. Oft wird die von der Gewerkschaft vorgelegte Liste einstimmig angenommen. Aber die ganze Art des Wahlablaufes - eine hohe Wahlbeteiligung, freie Meinungsäußerung und geheime Stimmabgabe - trägt dazu bei, daß nicht wie vielfach in England der größte Unruhestifter zum Vertrauensmann gewählt wird, der jede Gegenwehr durch innerbetrieblichen Terror im Keime erstickt.Die deutschen Betriebsräte sind keine Maschinenstürmer, sie stehen Rationalisierungsmaßnahmen meist durchaus wohlwollend gegenüber. »Es kommt bei uns auch selten vor, daß eine Firma, die neue Maschinen einführt, Arbeiter entläßt«, erklärte uns ein deutscher Industrieller. »Es passiert viel öfter, daß Firmen, die nicht Schritt halten und sich keine neuen Automaten leisten können, dazu gezwungen sind.« Die Tatsache, daß immer weniger deutsche Arbeiter Stücklohn bekommen, trägt dazu bei, solche Aktionen zu erleichtern. Englands Gewerkschaftsbosse meutern oft gegen Rationalisierung und Automatisierung, weil sie davon nachteilige Folgen für die Beschäftigten in weniger leistungsfähigen Firmen derselben Branche erwarten. Deutschlands Betriebsräte, die nur für ihr Unternehmen zuständig sind, machen sich solche Sorgen nicht. Das Bemerkenswerteste an den deutschen Gewerkschaften ist ihr modernes Beitragssystem - sie kassieren wöchentlich bis zu 2,80 Mark pro Mitglied -, durch das sie reich geworden sind. Der DGB und die 16 einzelnen Gewerkschaften strotzen von Volkswirten, und die Gewerkschaften leiten sogar eine schnell expandierende Geschäftsbank, die einen wichtigen Faktor im deutschen Geschäftsleben darstellt. Obwohl die DGB-Volkswirte im allgemeinen natürlich nach links tendieren, operieren sie wie gebildete Leute und nicht mit der fatalen Unwissenheit, die Englands Gewerkschaften anheizt.Man kann wie Bundeskanzler Erhard argumentieren - und meiner Ansicht nach zu Recht-, daß die größeren Gewinnzuweisungen Deutschlands Firmen in die Lage versetzt haben, etwa zehn Prozent des Bruttosozialprodukts mehr als England für Investitionen einzusetzen. Und man kann sagen, daß die höhere Investitionsrate mehr zur Aufbesserung von Löhnen und Gehältern in Deutschland beigetragen hat, als der Kampf um größeren Lohnanteil an einem langsamer wachsenden Bruttosozialprodukt eingebracht hätte. Aber dieser Überlegung würden die deutschen Gewerkschaften kaum zustimmen. Eine plausiblere Erklärung dafür, daß Westdeutschlands Gewerkschaften im letzten Jahrzehnt recht maßvolle Lohnforderungen gestellt haben, liegt darin, daß die Industrielöhne der Bundesrepublik seit 1955 um 130 Prozent gestiegen sind (verglichen mit nur 80 Prozent Steigerung in England während der gleichen Zeit). Das hat nur deshalb keine inflationären Tendenzen zur Folge gehabt, weil die Produktivität je Arbeitsstunde gleichzeitig um etwa 70 Prozent zunahm - verglichen mit nur 35 Prozent in England.Es scheint tatsächlich, daß die deutschen Gewerkschaftler oft selbst erstaunt darüber waren, in welchem Maße die Industrieproduktion angestiegen ist. Es ist deshalb weniger so, daß sie in »maßvoller Bescheidenheit« jeweils nur ein angemessenes Stück des Kuchens verlangten, als daß sie nie im voraus ahnten, wie groß der Kuchen ausfallen würde. * Deutschland: durchschnittlich 180 Mark;England: durchschnittlich 420 Mark monatlich.Streikende Engländer*. »Ein paar solcher Knaben ...... gibt es in der Bundesrepublik auch": Arbeitende Deutsche**SimplicissimusArbeitsdirektoren: »Eigentlich ein verdammt neues Gewerkschaftsgefühl: Selber Unternehmer sein, Großbankier, Hausbesitz-Krösus, Supermarkt-Boß, und dann die eigenen Bilanzen ständig durch harte Lohnforderungen versauen!«,* Beim Seemannsstreik im Juni 1966.** Im Wolfsburger VW-Werk.
[ "Deutschland", "Bundesrepublik", "DGB" ]
Politik
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1966-11-06T13:00:00+01:00
1966-11-06T13:00:00+01:00
https://www.spiegel.de/politik/sie-operieren-wie-gebildete-leute-a-42b3d65a-0002-0001-0000-000046414882?context=issue
Donnerstag, 19. März
20.15 - 22.00 UHR 3SAT Ansichten eines Clowns 13 Jahre nach dem Erscheinen des Heinrich-Böll-Buches kam 1976 die Verfilmung von »Ansichten eines Clowns« (Regie: Vojtech Jasny) mit Helmut Griem und Hanna Schygulla heraus und löste Enttäuschung aus. Der typisch kölsche klerikal-industrielle Komplex, der die Welt des Wirtschaftswunders prägte, ist im Film nicht spürbar - die Helden sprechen Hochdeutsch. Auch der Antiheld Schnier scheint aus dem Wachsfigurenkabinett der späten Trümmerliteratur entsprungen, so larmoyant redselig zelebriert er seine Verweigerung. Die gesellschaftlichen Kräfte treten in zu Knallchargen eingeplätteten Figuren auf. Einzig Schniers Vater (Gustav Rudolf Sellner) gewinnt in der besten Szene, einer langen, vergeblichen Aussprache mit dem verlorenen Sohn, etwas von jener komplexen Überzeugungskraft, wie man sie allen Personen gewünscht hätte. 23.00 - 23.45 UHR ARD Das Tanztheater der Pina Bausch Ein Jahr lang begleitete Christiane Gibierc die berühmte Choreographin. 0.50 - 2.25 UHR ARD Die Geschichte der Qiuju Der chinesische Regisseur Zhang Yimou verwendete für seinen Film (China/Hongkong 1992) eine kleine, leicht komische Kalendergeschichte: Sie handelt vom Versuch der jungen Bäuerin Qiuju, Gerechtigkeit von einer ungerechten Justiz zu erlangen. Ihr Mann wird vom Dorfvorsteher bei einem Streit schwer verletzt. Sie fordert eine Entschuldigung, doch der Dorfvorsteher will seine Schuld nicht eingestehen. So macht sie sich hochschwanger, eine Tochter des Michael Kohlhaas, auf den Weg, in der Stadt zu ihrem Recht zu kommen. Mehr als die Hälfte des Films ist aus der Perspektive einer versteckten Kamera gedreht, die kleine Alltagsmomente einfängt.
[]
Politik
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1998-03-15T13:00:00+01:00
1998-03-15T13:00:00+01:00
https://www.spiegel.de/politik/donnerstag-19-maerz-a-7fc80e5f-0002-0001-0000-000007264931?context=issue
Mittwoch, 15. Juli
20.30 - 22.00 UHR ARD Totalschaden Seit amerikanischen Filmen wie »Network« und »Willkommen, Mr. Chance« gehört der Gedanke zum mediensatirischen Allgemeingut, daß psychisch gefährdete Menschen großen Einfluß in der Gesellschaft gewinnen können. Thorsten Näter erzählt die Geschichte eines von depressiven Schüben geplagten Arme-Leute-Anwalts (Dieter Pfaff), der es - ohne daß die Öffentlichkeit von seinem Defekt erfährt - zum Ministerpräsidenten bringt. Der Aufstieg geschieht auf Betreiben von Werbeprofis, die eine knallharte Polit-Managerin (Katharina Thalbach) anführt. Den Durchbruch schafft der Außenseiter, als er sich zur Überraschung der PR-Leute zum ökologischen Prediger wider das Auto geriert. Als das neue Idol auch noch Sauberkeit für politische Mandatsträger durchsetzen will, schlägt das Establishment zurück. Pfaff müht sich nach Kräften in seiner Rolle, und Thalbach wirbelt wie eine Furie. Noch luzider und glaubhafter wäre diese Satire, würde der an die Spitze gedrängte Psycho-Tor mit anderen als gestrigen Ökothemen sein Publikum faszinieren. 22.00 - 23.55 UHR BAYERN III Nur die Sonne war Zeuge Ein Stück mit solcher Überschrift kann nicht in diesem Sommer spielen. Die spannende Patricia-Highsmith-Verfilmung unter der Regie von René Clément stammt von 1959. Alain Delon spielt einen lebenshungrigen, luxusverliebten Amoralisten. 0.35 - 2.00 UHR WEST III W. - Le jeune Werther Der französische Regisseur Jacques Doillon erzählt in seinem Film (1993) von einer Gruppe 13- oder 14jähriger Schüler, von Mädchen und Jungen aus einem kleinbürgerlichen Pariser Stadtteil. Einer von ihnen hat sich das Leben genommen, und der beste Freund des Toten muß erkennen, wie wenig er von ihm wußte. Manchmal ist ein Satz aus Goethes Roman zu hören.
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Politik
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1998-07-12T13:00:00+02:00
1998-07-12T13:00:00+02:00
https://www.spiegel.de/politik/mittwoch-15-juli-a-36a66ef8-0002-0001-0000-000007395306?context=issue
Rotierende Staubsauger: Schwarze Löcher drehen durch
Als ob Schwarze Löcher nicht schon mysteriös genug wären: Jetzt sollen sich die kosmischen Staubsauger, die Materie für immer verschwinden lassen können, auch noch um die eigene Achse drehen. Das zumindest glaubt Tod Strohmayer vom Goddard Space Flight Center der Nasa im US-Bundesstaat Maryland Strohmayer hat ein Schwarzes Loch in der Nähe der Milchstraße unter die Lupe genommen. Genauer gesagt: die Effekte, die sich in der näheren Umgebung des Loches abspielen. Denn genau wie seine Kollegen zuvor hatte auch der US-Forscher mit einem großen Problem zu kämpfen: Auf Grund ihrer gewaltigen Anziehungskraft lassen Schwarze Löcher nicht einmal Lichtstrahlen entkommen. Folglich können sie nicht direkt beobachtet werden. Das Team des Nasa-Forscher wandte sich daher dem Röntgenbereich zu. Mit Hilfe des "Rossi X-Ray Timing Explorers", eines 1995 gestarteten Nasa-Satelliten, untersuchten die Astronomen einen 10.000 Lichtjahre entfernten Microquasar - eine Unterart der Schwarzen Löcher, die an ihren Polen extrem schnelle Teilchen ins Weltall schießen. Bei der Auswertung der "Rossi"-Daten stieß Strohmayer auf charakteristische Oszillationen: Ein kleiner Prozentsatz der Röntgenstrahlung des Mikroquasars blinkte rund 300-mal in der Sekunde auf - ein bekanntes Phänomen: Theoretische Astrophysiker gehen davon aus, dass sich gasförmige Materie auf der innersten stabilen Bahn um ein Schwarzes Loch bewegt. Für einen Beobachter auf der Erde hat es dabei den Anschein, die rotierende Gaswolke würde sich regelmäßig von ihm weg und auf ihn zu bewegen. Bei einer Frequenz von 300 Hertz müsste die Materie gerade am Rand des Schwarzen Lochs angekommen sein. Etwas näher, und sie würde für immer verschluckt. Doch das Team um Strohmayer entdeckte auch eine Oszillation, die 450-mal in der Sekunde aufblinkt. Bei derartigen Geschwindigkeiten wäre die Materie - nach der gängigen Theorie -dem Loch bereits so nahe, dass keine Strahlung mehr entkommen dürfte. Für den Nasa-Astronomen gibt es nur eine einleuchtende Erklärung: Das Schwarze Loch rotiert.Zwar stellen Strohmayers Beobachtungen die Theoretiker vor große Herausforderungen, sie scheinen aber im Einklang mit den grundlegenden Gesetzen der Physik zu stehen. Denn Schwarze Löcher entstehen, da sind sich die Astronomen weitgehend einig, aus rotierenden Sternen. Haben die kosmischen Lichtquellen am Ende ihres Lebens den gesamten Treibstoff verbraucht (und sind sie mindestens zehn Sonnenmassen schwer) werden sie von ihrer Größe förmlich erdrückt. Zunächst stoßen die gealterten Sterne in einer Supernova ihre äußere Hülle ab, dann kollabieren sie auf die Größe eines Punktes. Tod E. Strohmayer Rossi X-ray Timing Explorer Auch wenn die ursprünglichen Sterne nur sehr langsam rotiert haben, müsste der Drehimpuls letztlich an das Schwarze Loch weitergegeben werden. Mehr noch: Wie bei einer Eiskunstläuferin, die während der Pirouette ihre Arme anzieht, sollte sich die Rotationsgeschwindigkeit bei einem schrumpfenden Stern noch erhöhen."Ein rotierendes Schwarzes Loch verändert die grundlegende Struktur seiner Umgebung", ist Strohmayer überzeugt. "Die Rotation erlaubt der Materie, sich deutlich dichter und damit schneller um das Schwarze Loch zu bewegen." Die Folge wären schnellere Oszillationen - genau so, wie sie von den US-Astronomen beobachtet wurden.
Wer ihnen zu nahe kommt, wird extrem stark beschleunigt und unweigerlich verschlungen. Doch nicht nur ihre Opfer, auch die Schwarzen Löcher selbst sind offensichtlich in Bewegung.
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Wissenschaft
Weltall
2001-05-02T17:40:43+02:00
2001-05-02T17:40:43+02:00
https://www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/rotierende-staubsauger-schwarze-loecher-drehen-durch-a-131516.html
Ole von Beust
Ole von Beust , 49, Erster Bürgermeister der Hansestadt Hamburg, hoffte bei seiner China-Reise vergangene Woche auf Hilfe in der Hamburger Fußballmisere. Zwar hatten hochrangige Gesprächspartner geplante Gespräche mit dem Hanseaten abgesagt, aber immerhin war da noch ein Treffen mit dem Präsidenten der Jugendorganisation der chinesischen Kommunistischen Partei zu Stande gekommen. Dem konnte Beust berichten, in seiner Delegation befinde sich der Vorstandsvorsitzende des Hamburger SV, Bernd Hoffmann, der in Hamburgs Partnerstadt Shanghai Freundschaftsspiele mit chinesischen Clubs arrangieren wolle. Beust, betroffen vom schwachen Saisonstart der heimischen Fußballer, zu seinem chinesischen Gesprächspartner: Hoffmann werde »vom chinesischen Fußball lernen, wie man wieder gewinnen kann«.
[ "Ole von Beust" ]
Politik
default
2004-09-19T13:00:00+02:00
2004-09-19T13:00:00+02:00
https://www.spiegel.de/politik/ole-von-beust-a-8cd06ab4-0002-0001-0000-000032205274?context=issue
Statt Einheit neue Spaltung
Schwierige Wiedervereinigung in Arabien: Der vor drei Jahren aus dem feudalistisch-konservativen Norden (Hauptstadt Sanaa) und dem marxistischen Süden (Hauptstadt Aden) gebildete Einheitsstaat Jemen hält nicht zusammen. Im Süden ist die von Vizepräsident Ali Salim el-Beid geführte Sozialistische Partei nach vorübergehendem Niedergang wieder zur stärksten politischen Macht aufgerückt. Die Bevölkerung der einstigen Volksrepublik im Südjemen trauert großzügigen Sozialleistungen nach und sträubt sich gegen die Einführung der islamischen Rechtsprechung. Den Jemeniten aus beiden Landesteilen gelang es nicht, die Währung und das Ausbildungswesen zu vereinheitlichen, Polizei und Streitkräfte zusammenzufügen. Nun droht erneut die Spaltung: Die Armeeführung des Südens hat Einheiten, die nach der Wiedervereinigung in den Norden verlegt worden waren, wieder abgezogen und an der alten Grenze stationiert. Der Nordjemen reagierte mit der Entsendung von schwerer Artillerie und Panzern in die frühere Grenzregion, in der sich nun 100 000 Soldaten gegenüberstehen.
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Politik
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1993-11-14T13:00:00+01:00
1993-11-14T13:00:00+01:00
https://www.spiegel.de/politik/statt-einheit-neue-spaltung-a-6e43fb75-0002-0001-0000-000013692874?context=issue
Kanzler-Demarche
Die Gesellschaft für Menschenrechte in Frankfurt warf in der vergangenen Woche der Bundesregierung eine passive Haltung zum Fall Bukowski vor; tatsächlich aber hatte der aus der Sowjet-Union befreite Regimekritiker Wladimir Bukowski schon früh einen prominenten Fürsprecher -- Bundeskanzler Helmut Schmidt. Bereits im Oktober 1974 hatte der Bonner Regierungschef in Moskau seinen Gastgeber Breschnew auf den Dissidenten angesprochen. Er wolle sich nicht in die inneren Angelegenheiten der Sowjet-Union mischen, sagte Schmidt dem sowjetischen Parteichef, aber aus humanitären Gründen müsse er auf den Fall Bukowski hinweisen. Der Gastgeber erklärte sich uninformiert, versprach aber, Erkundigungen einzuziehen.
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Politik
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1977-01-02T13:00:00+01:00
1977-01-02T13:00:00+01:00
https://www.spiegel.de/politik/kanzler-demarche-a-73066226-0002-0001-0000-000041019433?context=issue
Britney Spears & Sam Asghari: Hoffnungsfroh
Romantik ist nicht tot, das ist bei all den Promitrennungen die hoffnungsfrohe Nachricht. Sam Asghari, 29, jedenfalls glaubt auch nach seiner Trennung von Britney Spears, 42, an unverwüstliche Liebesgefühle. Unter dem Slogan »Some loves last« (»Manche Lieben halten«) posierte er für eine Kampagne der Tierschutzorganisation Peta mit einem süßen Hund, der den Schauspieler und Fitnesstrainer im Ohrbereich beschleckt. Im August war bekannt geworden, dass die Ehe von Spears und Asghari gescheitert ist – die beiden waren sechs Jahre zusammen, seit Juni 2022 verheiratet. Während ihrer Beziehung hatte er die Popsängerin im Kampf gegen die Vormundschaft ihres Vaters unterstützt. In ihrer Autobiografie, verfasst vor der Trennung, bezeichnete Spears ihren Ehemann als ­»Geschenk Gottes«. Für sie ist es die dritte gescheiterte Ehe. Aus der ­Verbindung mit Ash­gari bleiben ihr vier der ehemals fünf gemein­samen Hunde, Dobermann Porsha lebt seit der ­Trennung bei ihrem Ex-Mann.
arü
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Kultur
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2023-12-29T13:00:00+01:00
2023-12-29T13:00:00+01:00
https://www.spiegel.de/kultur/britney-spears-sam-asghari-hoffnungsfroh-a-f219cfcd-7872-4685-b4cf-3f31350b9c6b
Datum: 21. Juli 1975 Brandt
Hat Brandt mit Breschnew über den Fall Guillaume gesprochen? Hat er den Eindruck gewonnen, Breschnew sei wegen dieser, die Kanzlerschaft Brandts beendenden Affäre unmutig gewesen? Ist der Protokollführer des Auswärtigen Amts, der das Gespräch dolmetschte, für einige Zeit gebeten worden, Gastgeber und Gast allein zu lassen? Die »Frankfurter Allgemeine«, die am vergangenen Montag auf ihrer ersten Seite eine Vorausmeldung über diese im SPIEGEL veröffentlichten Fakten aufnahm, mokierte sich: »Wie soll das zugegangen sein? Etwa so, dass Brandt sagte: Lieber Herr Breschnew« dass Sie mir so etwas antun würden, hätte ich nicht von Ihnen gedacht. Und dass Breschnew antwortete: Lieber Herr Brandt glauben Sie mir, ich habe mit dieser unappetitlichen Sache nichts zu tun ...« Die »Welt« fragte: »Sollte Brandt soleichtgläubig sein, Breschnew diese Legende abzunehmen?« Er hätte doch den Bericht des Bundesnachrichtendienstes über die Zusammenarbeit zwischen dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS) und dem KGB auch im Fall Guillaume kennen müssen. Ganz so wörtlich steht es allerdings in der »Führungs-Orientierung« des BND vom Juni 1974 nicht, sondern nur, »aufgrund einiger Meldungshinweise kann unterstellt werden«, die Sowjet-Union sei auch nach 1958 über Guillaumes Aktivität unterrichtet gewesen.Das »Flensburger Tageblatt« wird ganz energisch: »Willy Brandt hat dringenden Anlass, den SPIEGEL der Lüge zu bezichtigen.« Der Grund: Brandt habe in einem SPIEGEL-Interview (28/1975) angegeben, bei seinem Gespräch mit Breschnew sei ein Dolmetscher dabeigewesen, nun aber stehe im SPIEGEL, der Dolmetscher sei vor die Tür geschickt worden -- eine Behauptung, von der »die Vertrauenswürdigkeit des SPD-Vorsitzenden aufs schwerste in Frage gestellt« worden sei. Ein Scheingefecht, offenkundig. Brandt hatte im SPIEGEL-Interview gesagt, ebenso wie 1971 und 1973 sei auch diesmal ein Dolmetscher dabeigewesen, mit keinem Wort: ohne jede Unterbrechung. Die »Deutsche Zeitung« reimt: »Im Falle seines Falles glaubt Willy wirklich alles.« Da gäbe es drei Erklärungen: »Entweder die Sache stimmt, oder sie stimmt nicht und wurde vom SPIEGEL erfunden, oder sie stimmt zwar so nicht, wurde aber von Brandt dem SPIEGEL so erzählt.« Eduard Neumaier, für die »Zeit« in Bonn und mit den ortsüblichen Pflichtübungen gut vertraut, schreibt denn auch: Auf die Frage, ob alles so war, wie es im SPIEGEL stand, »mochte Brandt nur mit einem Barzel-Wort erwidern »So nicht'«. Auch die Sonthofener Rede, man erinnert sich, soll ja »so nicht« gehalten worden sein. Aber: Es war so.
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Politik
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1975-07-20T13:00:00+01:00
1975-07-20T13:00:00+01:00
https://www.spiegel.de/politik/datum-21-juli-1975-brandt-a-0a19ae1f-0002-0001-0000-000041458210?context=issue
DDR-Ikone: Kein Geld für die Neuauflage des Trabis
Leipzig - Der Spezialfahrzeugbauer Indikar, der den New Trabi produzieren will, hat bislang keine Geldgeber für das Projekt gefunden. Das berichtet die "Leipziger Volkszeitung" in ihrer Montagsausgabe. Ursprünglich sollte der ausschließlich mit einem Elektromotor angetriebene Wagen 2012 in Serie gehen. Wann der Bau beginnen soll, ist nicht bekannt. Die Suche nach einem Investor, der 30 Millionen Euro für den Bau bereitstellen soll, sei bislang schleppend verlaufen, sagte Indikar-Geschäftsführer Ronald Gerschewski dem Blatt. Außerdem habe man noch keine Zulieferer und Produktionspartner für die Neuauflage des Klassikers finden können. "Wir hätten uns natürlich gewünscht, dass das Projekt schneller konkret wird", sagte Gerschewski. Ein Grund für die Verzögerung sei die schwierige Wirtschaftssituation infolge der Finanzkrise 2008 und 2009 gewesen. Der neue Trabant soll nur noch äußerlich an die Zweitakter-Ikone aus der DDR erinnern. Technisch soll der neue Trabi deutlich umweltfreundlicher unterwegs sein als das Original mit dem Zweitakt-Motor. Die Neuauflage soll von einem Elektromotor angetrieben und für rund 20.000 Euro verkauft werden. Das Unternehmen Indikar aus Wilkau-Haßlau bei Zwickau fertigt bislang mit rund hundert Mitarbeitern Spezialfahrzeuge.
rom/dapd
Die Serienfertigung des im Herbst 2009 auf der Autoschau IAA angekündigten New Trabant verzögert sich. Ursprünglich sollte die Serienfertigung des Stromers 2012 beginnen. Doch daraus wird nichts: Bislang gebe es noch nicht genügend Investoren.
[ "Trabant", "Elektroautos", "Umweltfreundliche Fahrzeuge" ]
Mobilität
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2010-12-27T14:11:00+01:00
2010-12-27T14:11:00+01:00
https://www.spiegel.de/auto/aktuell/ddr-ikone-kein-geld-fuer-die-neuauflage-des-trabis-a-736697.html
Schwerin: Toter Säugling in Hinterhof entdeckt
In Schwerin ist am frühen Freitagmorgen ein toter Säugling gefunden worden. Ein Anwohner habe das Neugeborene im Hinterhof eines Mehrfamilienhauses entdeckt und die Behörden informiert, teilte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft in Schwerin mit. Nach seinen Angaben gibt es Anhaltspunkte dafür, dass das kleine Mädchen unmittelbar nach der Geburt noch lebte. Erste Ermittlungen hätten zur Spur einer jungen Frau als mutmaßlicher Mutter geführt. Die 25-jährige Schwerinerin habe sich am Freitag in dem Haus im Stadtteil Feldstadt aufgehalten, dort aber nicht gewohnt. Die Frau sei vorläufig festgenommen und ins Krankenhaus gebracht worden.Die Ermittlungen zu dem Fall dauerten an. Im Laufe des Tages solle darüber entschieden werden, ob Haftbefehl gegen die mutmaßliche Mutter beantragt werde, sagte der Behördensprecher.
lmd/dpa
Ein Anwohner fand das Baby: In Schwerin ist ein lebloses Neugeborenes hinter einem Haus entdeckt worden. Die mutmaßliche Mutter des Kindes wurde festgenommen.
[ "Mecklenburg-Vorpommern" ]
Panorama
Justiz & Kriminalität
2022-10-28T14:53:39+02:00
2022-10-28T14:53:39+02:00
https://www.spiegel.de/panorama/justiz/schwerin-toter-saeugling-in-hinterhof-entdeckt-a-811cd9fe-9688-4fdb-939a-0257b04ae94d
Italien: Fünf-Sterne-Bewegung erlebt Wahldebakel in Umbrien
In seiner jungen Karriere ist Luigi Di Maio fast alles gelungen. Bis vor kurzem war er ein Shooting-Star der italienischen Politik, bescheiden, beliebt und erfrischend anders als die Vertreter des Establishments. Einer, der von einem Rekord zum nächsten eilte: stellvertretender Parlamentspräsident mit nur 26 Jahren, dann Chef der 5-Sterne-Bewegung, die ihn mit 82 Prozent auf diesen Posten wählte, dann Vizepremier, schließlich Außenminister. Heute ist Luigi Di Maio erst 33 Jahre alt, und in seinem Lebenslauf fehlt eigentlich nur noch der Posten des Regierungschefs. Wären da nicht die störrischen Bürger von Umbrien. Am Sonntag wählten sie einen neuen Ministerpräsidenten - die Regionalwahl wurde zum Debakel für Di Maio. Nur noch 7,4 Prozent der Bürger stimmten für seine Partei. Ein von der Lega angeführtes rechtes Lager siegte mit gewaltigem Abstand vor dem Bündnis von Demokratischer Partei (PD) und 5-Sterne-Bewegung. Im Spätsommer sah Di Maio noch wie ein Gewinner aus Die Umbrien-Wahl war der erste Stimmungstest nach dem Koalitionswechsel in Italien Anfang September. Entsprechend dramatisch sind die Folgen für Di Maio. Das Selbstvertrauen des jungen Parteichefs ist angeknackst, die 5-Sterne-Bewegung steckt in einer Sinnkrise und sucht verzweifelt nach einer neuen Identität - nach einem Platz zwischen Rechtspopulisten und Sozialdemokraten. Im Spätsommer sah Luigi Di Maio noch wie ein Gewinner aus. Sein bisheriger Partner, Lega-Chef Matteo Salvini, hatte sich verzockt und landete in der Opposition. Der Sterne-Vorsitzende bildete ein neues Bündnis mit den zuvor so verhassten Sozialdemokraten von der PD. Europa atmete auf, die Finanzmärkte waren erleichtert, der riskante Machtwechsel schien gelungen. Und nun? "Ganz gleich ob wir mit der Lega oder der PD regieren, verliert die 5-Sterne-Bewegung Zustimmung", stellt Di Maio frustriert fest. Jetzt müsse ein dritter Weg gefunden werden. "Wir sind eine Alternative zu den anderen Parteien, keine Ergänzung". Aber wie? Vor der Parlamentswahl 2018 versprach Di Maio, das System zu verändern. Die Bürger sollten im Mittelpunkt stehen, Korruption und Postengeschacher beendet, das Land endlich nach vorne gebracht werden. Und das alles auch noch transparent und partizipativ - die Mitglieder der Bewegung sollten, wie bei den Piraten in Deutschland, über eine Online-Plattform mitbestimmen dürfen. Die Italiener glaubten ihm, sie jubelten ihm zu und wählten die 5 Sterne zur größten Partei im Parlament. Ein überzeugendes politisches Profil allerdings entwickelte Di Maio nicht. Die Schriftstellerin Michela Murgia hat seine Movimento 5 Stelle (M5S) mit Tofu verglichen, ein völlig neutrales Produkt, das je nach Gericht seinen Geschmack verändert. Man könnte auch sagen: Opportunismus pur. Die Wahl von Umbrien, einer Region zwischen Rom und der Toskana, brachte Di Maio deshalb eine schmerzhafte Botschaft. Seinem Ex-Partner Salvini hat der Machtverlust vom September nicht geschadet, im Gegenteil: Die Lega wurde mit 37 Prozent zur stärksten Partei. Seine neuen Partner von den Sozialdemokraten können ebenfalls zufrieden sein. Sie schafften gut 22 Prozent - obwohl sie in der Region von einem Korruptionsskandal erschüttert werden. Richtig abgestraft wurden nur die 5 Sterne. Umbrien, ein italienischer swing state?Ausgerechnet der nach Mandaten stärkste Partner in Italiens neuer Koalition wird damit zum Wackelkandidaten. In Rom schießen nach dem "Massaker" ("La Repubblica"), dem "Erdbeben" ("Corriere della Sera") von Umbrien die Gerüchte schon in den Himmel. Die Region wird von manchen bereits mit Ohio verglichen, ein italienischer swing state, in dem sich die politische Richtung des ganzen Landes entscheide - dabei wohnen in dem Landstrich um Assisi keine 900 000 Menschen. Andere raunen von einer bevorstehenden Versöhnung zwischen Di Maio und Salvini. Oder von einem Rauswurf des Ministerpräsidenten . Oder von einer neuen Technokratenregierung unter Mario Draghi, der nach seiner gerade beendeten Amtszeit bei der Europäischen Zentralbank nichts mehr zu tun habe. "Ich arbeite daran, dass wir mit dieser Regierung in den nächsten drei Jahren unser Programm umsetzen", hat Di Maio eilends versichert. Aber zuversichtlich klang er nicht, eher hektisch und orientierungslos. Schon fordert er Nachbesserungen am Haushaltsplan, dabei hat seine Koalition die Zahlen erst Mitte Oktober beschlossen und nach Brüssel geschickt. Regionale Wahlbündnisse mit den Sozialdemokraten soll es nach dem Umbrien-Desaster auch nicht mehr geben. Vor kurzem galten sie noch als wichtige Strategie gegen Salvini, der im kommenden Jahr weitere acht Regionalwahlen gewinnen will. Beppe Grillo, Komiker, Gründer und bis heute einflussreicher Patriarch der 5-Sterne-Bewegung, hatte nach der Umbrien-Wahl nur einen lakonischen Kommentar übrig. Er postete einen Song der US-Rockband Soundgarden mit dem Titel "Black Hole Sun". Seither rätseln seien Anhänger, wer womöglich im schwarzen Loch verschwinden könnte - Di Maio, die 5 Sterne oder die Koalition.
Frank Hornig
Gleich bei der ersten Testwahl nach dem Regierungswechsel stürzt Italiens Fünf-Sterne-Bewegung ab. Parteichef Di Maio reagiert panisch - und geht auf Distanz zu seinen sozialdemokratischen Partnern.
[ "Italien", "Fünf-Sterne-Bewegung", "Lega", "Matteo Salvini", "Luigi Di Maio" ]
Ausland
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2019-10-29T20:57:00+01:00
2019-10-29T20:57:00+01:00
https://www.spiegel.de/politik/ausland/italien-fuenf-sterne-bewegung-erlebt-wahldebakel-in-umbrien-a-1293960.html
Macro Fine for Microsoft: EU Slaps Software Giant with 899 Million Euro Penalty
The last decade has been anything but a love affair in the relationship between Microsoft and the European Union. But on Wednesday, the ongoing tiff reached a new low. The European Commission fined the software giant a jaw-dropping €899 million ($1.35 billion) for failure to comply with an antitrust verdict reached in 2004. The fine puts the total amount levied by the EU against Microsoft at a whopping €1.7 billion ($2.5 billion) in the 10-year battle. "Microsoft was the first company in 50 years of EU competition policy that the Commission has had to fine for failure to comply with an antitrust decision," said European Competition Commissioner Neelie Kroes said in a statement. "I hope that today's decision closes a dark chapter in Microsoft's record of non-compliance."Wednesday's fine stems from non-compliance between June 21, 2006 and Oct. 21, 2007 and carries over from an earlier fine of €280.5 million for heel-dragging before that. Microsoft finally caved in late last year and made the changes to its software required by the Commission to allow greater competition. In a Wednesday statement, Microsoft said the most recent fine had to do with "past issues," and that the company was leaving the incident behind. The record fine stems from a 1998 case triggered by Sun Microsystems, which complained that Microsoft had not required adequate technical information enabling non-Microsoft products to operate on computers running Microsoft Windows. In a number of decisions at the beginning of this decade, the Commission found that Microsoft was abusing its dominant market position to squelch competition and ordered it to make more information available so that server operating systems from other companies -- such as Sun -- could work with PCs running Windows. The first fine of €497 million was levied in 2004. The EU also objected to Microsoft's pricing structure, which asked any rivals using the inter-operability information to pay 3.87 percent of their revenues in patent royalties and an additional 2.98 percent for a license giving them access to the additional information. The 2004 verdict was re-affirmed in 2007 and Microsoft finally quit charging those prices in late October. The new rates foresee a flat fee of €10,000 for the special license and royalties of 0.4 percent.Despite Microsoft now pledging to behave from now on, Commissioner Kroes on Wednesday was in no mood to ease the pressure. She warned that the Commission could have fined the company as much as €1.5 billion and noted that Microsoft remains under investigation for similar infractions. "Talk is cheap," she said. "Flouting the rules is expensive." cgh/ap/reuters
The European Commission on Wednesday levied the biggest fine in its history against Microsoft, penalizing the software company to the tune of €899 million. Microsoft has pledged to mend its ways -- again.
[ "Microsoft", "European Union" ]
International
Business
2008-02-27T18:01:32+01:00
2008-02-27T18:01:32+01:00
https://www.spiegel.de/international/business/macro-fine-for-microsoft-eu-slaps-software-giant-with-899-million-euro-penalty-a-538219.html
Philip Roth: Reaktionen auf seinen Tod
"Philip Roth war eine herausragende Figur der Literatur des 20. Jahrhunderts", schreibt die "New York Times" über den verstorbenen Schriftsteller. Die "Washington Post" zitiert die Literaturprofessorin Aimee Pozorski mit den Worten: "Er war die Stimme seiner Generation." Und CNN schreibt: "Roth ist niemals daran gescheitert, mit seinen vielen Büchern zu provozieren." Roths Tod hat einen großen Widerhall vor allem in den amerikanischen Medien ausgelöst. Einig sind sich die Zeitungen darin, dass die USA einen ihrer größten Autoren verloren haben. Die "Chicago Tribune" würdigt ihn  als "scharfen Satiriker und kompromisslosen Realisten", der seine Leser mit einem sehr direkten Stil konfrontiert und ihnen jede Hoffnung auf eine Belohnung in einem Leben nach dem Tode ausgetrieben habe. Die "New York Times" führt in ihrem Nachruf aus : "Im Verlauf einer sehr langen Karriere nahm Roth viele Verkleidungen an - fast alle Versionen seiner selbst - um zu untersuchen, was es bedeutet, ein Amerikaner zu sein, eine Jude, ein Mann." "Dass in dem Jahr, in dem Philip Roth stirbt, der Literaturnobelpreis nicht vergeben wird, ist angemessen"Der britische "Guardian" schreibt , Roth habe gleichermaßen für Erfolg und Kontroverse gestanden: "Er rang mit Themen wie Identität, Autorschaft, Moral und Sterblichkeit in einer Serie von Romanen, die die amerikanische Literatur der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts formten." In den sozialen Medien meldeten sich auch andere Schriftsteller zu Wort und verliehen ihrer Trauer Ausdruck. Der Autor Michael Chabon ("Sommerland", "Wonder Boys") schrieb auf Twitter: "Er war ein Riese, ein Künstler und Virtuose." Der mehrfache Pulitzerpreis-Gewinner T. J. Stiles ("The First Tycoon") meint: "Roth ist tot. Und die Vereinigten Staaten haben einen Präsidenten, der mit dem Slogan 'America first' Nazis das Wort redet." Der deutsche Autor Peter Glaser schrieb in einem Beitrag auf Facebook : "Dass in dem Jahr, in dem Philip Roth stirbt, der Literaturnobelpreis nicht vergeben wird, ist angemessen." Die junge US-Autorin Rebecca Schiff erinnerte auf andere Weise an Philip Roth. Sie postete ein Szenenbild aus der Serie "Mad Men", das die Hauptfigur Don Draper beim Lesen des Roth-Romans "Portnoys Beschwerden" zeigt.
kae/dpa
Der Tod des amerikanischen Autors Philip Roth hat international Trauer ausgelöst. US-Zeitungen würdigen ihn mit ausführlichen Nachrufen, auch Kollegen melden sich zu Wort.
[ "Philip Roth" ]
Kultur
Literatur
2018-05-23T10:27:00+02:00
2018-05-23T10:27:00+02:00
https://www.spiegel.de/kultur/literatur/philip-roth-reaktionen-auf-seinen-tod-a-1209033.html
Smartphone-Hersteller sucht Käufer oder strategischen Partner
Waterloo - Die neuen Modelle gelten als letzter Hoffnungsträger eines angeschlagenen Konzerns - doch sie verkaufen sich bislang schlecht. Nun spielt Smartphone-Pionier Blackberry angesichts seiner massiven Probleme Zukunftsalternativen durch, einschließlich eines Verkaufs. Ein spezielles Gremium des Verwaltungsrats werde untersuchen, wie sich Blackberry künftig aufstellen könne, teilte der kanadische Konzern mit. Neben strategischen Partnerschaften und der Gründung von Gemeinschaftsfirmen ist auch der Verkauf des gesamten Unternehmens eine mögliche Variante. An der Wall Street wurde der vorbörsliche Handel mit Aktien des Unternehmens   ausgesetzt. "Wir sind der Überzeugung, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um strategische Alternativen zu prüfen", erklärte Timothy Dattels, der das Sondergremium des Verwaltungsrats leitet. Bereits in der vergangenen Woche hatten Insider berichtet, Blackberry erwäge den Rückzug von der Börse, um sich mehr Spielraum bei der Sanierung zu verschaffen. Zu Beginn des Jahres hatte Blackberry die ersten Smartphones mit dem neuen Betriebssystem Blackberry 10 herausgebracht. Sie wurden zwar von Experten gelobt, leiden am Markt jedoch unter der starken Konkurrenz von Apples iPhone und Android-Geräten. Im zweiten Quartal musste das Unternehmen erneut einen Verlust in Höhe von 84 Millionen Dollar ausweisen. Bereits zuvor hatte der deutschstämmige Konzernchef Thorsten Heins den Abbau von 5000 der 16.500 Stellen angekündigt. Heins hatte auf der Hauptversammlung im Juli bei den Anlegern um Geduld geworben: "Es braucht mehr als ein paar Quartale, bis wir dorthin gelangen, wo wir hin wollen." Heins, der dem fünfköpfigen Gremium ebenfalls angehört, kann sich den Einsatz der Blackberry-Technologie auch in anderen Bereichen vorstellen, beispielsweise in Autos oder Maschinen.
fdi/Reuters/dpa/AFP
Tiefrote Zahlen, schleppender Absatz: Der Smartphone-Pionier Blackberry findet kein Rezept gegen den Niedergang. Nun denkt der angeschlagene Konzern über radikale Alternativen nach - bis hin zum Verkauf.
[ "Blackberry", "Research In Motion (RIM)", "Smartphones" ]
Wirtschaft
Unternehmen
2013-08-12T15:37:00+02:00
2013-08-12T15:37:00+02:00
https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/smartphone-hersteller-sucht-kaeufer-oder-strategischen-partner-a-916118.html
Lizenz-Verzicht
Bonn - Mit dem Verzicht auf eine UMTS-Lizenz in Frankreichsteht die Deutsche Telekom am Scheideweg. Denn in weiten Teilen Süd-und Westeuropas klafft nun eine riesige Lücke im künftigenMobilfunknetz des Bonner Telekommunikationsriesen. Im Gegensatz zuden großen Konkurrenten Vodafone und France Telecom werden dieBonner - nach dem gegenwärtigen Stand - weder in Frankreich, noch inItalien oder Spanien über ein eigenes Netz verfügen. SelbstAnalysten stehen vor einem Rätsel: geht der Telekom angesichts derMilliardenkosten für UMTS die Puste aus, oder steckt dahinter eineStrategie. Chris-Oliver Schickentanz, Telekommunikations-Analyst derDresdner Bank, sieht im überraschenden Schritt der Telekom zumindestauf den ersten Blick eine Abkehr von der bisherigen Strategie RonSommers, T-Mobile zu einem paneuropäischen Mobilfunkanbieter imStile von Vodafone zu machen. "Dieser Anspruch wäre ohne eine Lizenz in Frankreichhinfällig." Wenn tatsächlich Kostengründe für den Rückzug aus dem Nachbarlandausschlaggebend seien, habe dies für die Deutsche Telekomgravierende Konsequenzen. "Dann wird T-Mobile zukünftig nur noch inder zweiten Liga im europäischen Mobilfunk mitspielen. Dann wird dereuropäische Markt ganz klar von Vodafone oder der Telecom FranceMobilfunk-Tochter Orange dominiert", urteilt der Analyst. Auch diebisherigen Akquisitionen in den Niederlanden und Großbritannienmüssten dann neu bewertet werden.Für wahrscheinlicher hält er allerdings, das die Telekom längstein Auge auf einen externen Partner geworfen hat, der die Lücken derBonner in Süd- und Westeuropa schließen könnte. In Frage käme etwadie Telecom Italia Mobile (TIM), die in Frankreich und Spanienvertreten ist. Ähnlich bewertet der Telekommunikationsexperte der WGZ-Bank, JörgNatrop, die Situation. "Strategisch ist die Entscheidung eher einRückschritt", meint er. Die Deutsche Telekom sei zwar in Ost- undKerneuropa stark. "Aber der Rest sind weiße Flecken." Doch spieledie Telekom möglicherweise auf Zeit und setze auf künftigeKooperationen. "Das hängt mit Sicherheit damit zusammen, dass derT-Mobile Börsengang verschoben werden musste", glaubt Natrop. Denndamit fehle der Telekom vorläufig eine Akquisitionswährung, dieÜbernahmen und Partnerschaften erleichtere. Dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist, dafür spricht eineÄußerung von T-Mobile-Chef Kai-Uwe Ricke in der Mittwochsausgabe derfranzösischen Wirtschaftszeitung Les Echos. Dort räumte derMobilfunkmanager selbst ein: "Wenn wir ein weltweiter Anbieter derdritten Mobilfunkgeneration sein wollen, können wir uns nichterlauben, in Spanien, Italien und Frankreich nicht dabei zu sein." Die Börse reagierte am Mittwoch vergleichsweise gelassen. Die T-Aktie verlor zwar knapp zwei Prozent - das Papier verlor damit aber weniger als der DAX.Erich Reimann, AP
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Wirtschaft
default
2000-11-22T15:03:06+01:00
2000-11-22T15:03:06+01:00
https://www.spiegel.de/wirtschaft/lizenz-verzicht-a-104147.html
Amazon, Bialetti, Bodum, Wmf: Alles, was Kaffeeliebhaber brauchen
Dieser Beitrag wurde am 14.12.2018 auf bento.de veröffentlicht. Obwohl es für Nichteingeweihte manchmal wie eine eigene Wissenschaft wirkt, ist der Weg zum perfekten Morgens-Abends-Zwischendurch-Kaffee eigentlich ganz simpel: 1. Verwende exzellentes Rohmaterial. 2. Entscheide dich für deine optimale Zubereitungsweise. Ende. Du bevorzugst etwas konkretere Informationen? Glück gehabt. Wir haben nämlich gerade die besten aktuellen Produkte rund um den heiß-dampfenden Nervenretter verglichen und dir nach Zubereitungsmethode zusammengestellt! Affiliate-Links. Was ist das?Wir haben in diesem Text Affiliate-Links gesetzt. Das heißt: Wenn jemand auf einen Link im Artikel klickt, und das Produkt in dem Online-Shop tatsächlich kauft, bekommen wir in manchen Fällen eine Provision. Produktbesprechungen erfolgen jedoch rein redaktionell und unabhängig. Mehr dazu Der Klassiker: Mit FilterYep, was schon deine Oma täglich gemacht hat, erlebte zuletzt wieder einen totalen Boom. Und ist obendrein eine der billigsten, schnellsten und umweltfreundlichsten Methoden zur Herstellung. Erste Wahl für die klassische Zubereitung ist das Unikat von Melitta – der Porzellan Filter-Halter  – den du einfach direkt über deiner Tasse positionierst. Mal was ganz anderes ist dieser Filterhalter von Leanback  – eine Konstruktion aus Nussbaumholz, Glas und Kupfer im "Industrie-Stil", die sicher viele neugierige Blicke anziehen wird. Falls du lieber weniger Papier verbrauchen willst, ist ein Permanentfilter das Richtige -– zum Beispiel dieser aus Edelstahl,  der samt Karaffe geliefert wird. Auch Silikon hat seine Vorteile – dieser Kaffeefilter  lässt sich falten und perfekt mitnehmen. Für beste Ergebnisse verzichtest du auf vorgemahlenen Tütenkaffee und zerkleinerst die Bohnen deiner Wahl selbst. Du bestimmst damit nicht nur den Mahlgrad sondern auch den finalen Geschmack mit. Für die Handarbeit empfehlen wir dir ein Gerät mit präzisen Mahlgrad-Settings, zum Beispiel die stylische Hand-Mühle von Grönenberg , oder diese ausgezeichnet bewertete Handkaffeemühle von Hunt Brothers  . Dank ihrer Größe sind diese Handmühlen auch ideale Begleiter für den Kaffeeliebhaber auf Reisen. Falls du es lieber elektrisch magst: Diese Kaffeemühle  hat ein gutes Preis-Leistungsverhältnis, ist nicht so laut wie die üblichen Geräte und du kannst durch die klare Oberseite den Pulverisierungsgrad deiner Kaffeebohnen einschätzen. Bei der Luxus-Edition aus dem Hause WMF  ist der Selfcheck nicht mehr nötig – das Teil kostet zwar rund doppelt soviel, dafür kann man den Mahlgrad über 17 Stufen perfektionieren. Filterkaffeemaschinen wie diese hier von Melitta , arbeiten mit bereits integriertem Mahlwerk und Mahlgradeinstellung und sind auch ein schneller Weg um an deinen Morgenkaffee zu kommen. Im Gegensatz zu den Uralt-Geräten musst du übrigens nicht mehr ewig warten und Timer-Funktion sowie LCD-Anzeige zum Vorprogrammieren und automatischem Anschalten sind hier Teil des Pakets. Wesentlich billiger kommst du natürlich ohne Mahlwerk und LED-Anzeige davon: Die Easy Kaffeefiltermaschine  kostet nur einen Bruchteil des anderen Modells, hat einen Kleckerschutz und eine Riesen-Fangemeinde. Die SUNTEC-Filtermaschine  bietet auch bei niedrigem Preis eine Timer-Programmierung. Im mittleren Preissegment gefällt uns das Modell von Philips  besonders gut. Für den Filterkaffee-Freak, der auch tiefer in die Tasche greifen würde, gibt es noch etwas ganz anderes: Diese Kaffeemaschine von Moccamaster  ist zwar teuer, aber stellt laut Bewertungen alle anderen in den Schatten... Schnell und einfach: French PressDie French Press nennt sich so, weil wir sonst Pressstempelkanne sagen müssten. Aus den Zeiten wo solche Worte erfunden wurde, stammt das Teil nämlich. Heute wird es wieder gehypt – weil es schlicht sehr einfach ist, damit sehr guten Kaffee herzustellen! Wasser und Kaffee rein, Brühzeit abwarten, per Hand runterdrücken – und den besonderen French Press-Kaffeegeschmack genießen! Das French Press-Modell von Bodum  stammt von jenem Unternehmen, welches das ursprüngliche Patent der French Press überarbeitet und dafür einen Designpreis gewonnen hat. Trotzdem kostet es nicht viel, ist aus hitzbeständigem Borosilkatglas hergestellt und eines der beliebtesten Modelle überhaupt. Einen schönen Look (und eine gratis Kaffeedose) bekommst du bei dieser French Press von CoffeeGator,  die mit  Doppelwand unseren Kaffee länger warm hält. Auch bei dieser Kaffeepresse  in Edelstahl- und Glas-Optik stimmt einfach alles. Natürlich gibt es auch Kaffeekannen mit Frenchpress-System und größerem Volumen, wie zum Beispiel diese hier aus Edelstahl , in der du bis zu einem Liter Kaffee herstellen und aufbewahren kannst. Die Special ForcesFür den schnellen Kaffee in der Pause gibt es einen praktischen Mini-Hybriden zwischen Filter- und French Press. Beim Aeropress-System vermischt sich – wie bei der French Press – das Brühwasser mit dem Kaffee und sorgt deshalb für ein gleichmäßiges Aroma. Durch den Papierfilter gibt es keinen Kaffeesatz. Eine gute Wahl zum Ausprobieren ist das Modell von Aerobie. Nicht sehr verbreitet, aber von Fans angebetet, ist die Herstellung von Kaffee per Siphon. Das Gerät arbeitet mithilfe von Vakuum beziehungsweise Unterdruck. Die Zubereitungsmethode stammt aus Japan und ist was für alle, die Zeremonien mögen, einen Blickfang in der Küche haben wollen, oder vielleicht sogar den Chemieunterricht vermissen. Ein schönes und gleichzeitig top bewertetes Modell ist zum Beispiel dieses hier . So wie Eiscreme das ganze Jahr gut ist, hat auch kalter Kaffee eigentlich immer Saison! Wir reden nicht von Eiskaffee sondern von einer besonderen Spezialität die entweder im Cold Brew- oder im Cold Drip-Verfahren hergestellt wird. Auf den Cold Drip-Kaffee warten Liebhaber stundenlang – wenn das eiskalte Wasser durch das Kaffeepulver durchgetropft ist, werden sie dafür nämlich mit einem außergewöhnlich aromatischen und erfrischenden Getränk belohnt... Keine Sorge, dieses beliebte Modell  kommt mit genauer Anleitung zu dir nach Hause. Fall du auf den Geschmack gekommen bist und einfach meeehr Kaffee auf einmal machen willst, findest du hier  die richtige Ausrüstung. Anders im Geschmack und einfacher in der Herstellung ist Cold Brew-Kaffee – hier wird erst das Kaffeepulver aufgelöst, anschließend gekühlt und dann durch ein Sieb gezogen. Unser Favorit ist das Modell von CoffeeGator.  Mehr über kalten Kaffee, die verschiedenen Techniken und jede Menge leckere Rezepte kannst du in diesem Buch  nachlesen. Exkurs für Espresso-FansEin Klassiker ist und bleibt die Zubereitung per Kaffeekanne – diese alte italienische Methode ist einfach und vor allem überzeugt das Ergebnis im typisch kräftigen Geschmack. Bei der Suche nach dem perfekten Kännchen stoßen wir immer wieder auf die Modelle von Bialetti – egal ob es sich um die 6-Tassen-Variante , die 12-Tassen-Variante , das "Venus"-Modell  oder die Deluxe-ich-funktioniere-auch-auf-dem-Induktionsherd-Special Edition  handelt: Die Bewertungen sprechen hier eine eindeutige Sprache. Espresso auf Barista-Niveau gibt's mit sogenannten Siebträger-Maschinen – je nachdem welche Brühzeit du vorgibst, welchen Mahlgrad von Kaffee du verwendest und welche Mengen du benützt, kannst du dir den für dich perfekten Espresso zusammenbasteln. Die Preise sind hier nach oben offen – Preis-Leistungs-mäßig überzeugt diese Maschine von De`Longhi.  Wer sich erstmal mit einer Espressomaschine eingelassen hat, bleibt üblicherweise treu – und freut sich zu den nächsten Feierlichkeiten über kleine Gadgets wie eine Tampermatte  oder edle Stücke wie diesen Kaffee-Stempel mit Echtholzgriff. Zu guter Letzt wollen wir die praktische Reise-Variante nicht vergessen: In Sachen Espresso to go gefallen uns besonders die Minipresso-Modelle von Wacaco  und der Espresso-Maker von arendo . Alles oder nix: Kaffeevollautomaten Falls du in einer WG lebst und ihr alle verschiedene Kaffearten trinkt – oder du einfach selbst auf die Auswahl stehst – könnte ein Kaffeevollautomat das richtige für dich sein. Und wenn du nicht gerade ein Bürogebäude mit 500 Angestellten versorgen musst, sind auch die Preise für die Alleskönner-Maschinen noch auszuhalten. Toll ist zum Beispiel die Caffeo CI von Melitta - am LCD Display wählst du einfach deinen Lieblingskaffee und schon kann's losgehen! Auch von De'Longhi gibt es viele beliebte Modelle: Zum Beispiel die Autentica  mit eigener Milchschaumdüse, die etwas platzsparendere Latissima Pro  oder die super-futuristische Dolce Gusto Eclipse. Der Kaffee-Fan in deinem Freundeskreis hat schon alles? Dann kannst du ihm oder ihr vielleicht mit einem angemessenen Geek-Poster für die Küche , einem extra-edlem Milchaufschäumer , oder einem Barista-Besteck für Latte Art  eine Freude machen. Die Welt des Kaffees ist glücklicherweise seeehr groß und wir wünschen dir viel Spaß beim Stöbern... ...aber zuerst natürlich:
bento Shopping List
Die ultimative Liste für alle, die wissen: Nur ein Morgen mit Kaffee ist ein guter Morgen.
[ "Kaffee" ]
Tests
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2018-12-14T10:37:28+01:00
2018-12-14T10:37:28+01:00
https://www.spiegel.de/tests/amazon-bialetti-bodum-wmf-das-sind-die-besten-geschenke-fuer-kaffeeliebhaber-a-00000000-0003-0001-0000-000001915264
WM-Qualifikation: El Salvador sollte bestochen werden
Die WM-Qualifikation in Nord- und Mittelamerika wird von einem möglichen Bestechungsskandal überschattet. Vor dem letzten Gruppenspiel der vierten Runde haben Spieler El Salvadors auf einer Pressekonferenz  angegeben, dass ihnen Geld dafür versprochen worden sein soll, in ihrem Spiel gegen Kanada in Vancouver zu punkten oder nur knapp zu verlieren. El Salvador selbst kann sich nicht mehr für die Endrunde der Concacaf-Ausscheidung qualifizieren. Aber Gegner Kanada könnte mit einem hohen Sieg noch an Honduras vorbeiziehen, das zeitgleich in Mexiko spielt. Ein Teilerfolg El Salvadors wäre also im direkten Interesse des Nachbarlands Honduras.Die Salvadorianer spielten auf ihrer Präsentation eine elfminütige Audioaufnahme vor, auf der ein Angebot des Geschäftsmanns Ricardo Padilla zu hören sein soll (hier ein Protokoll  der Aufnahme auf Spanisch). Demnach sollten die Spieler 30 Dollar pro Spielminute für einen Sieg, 20 Dollar für ein Unentschieden und 15 Dollar für eine Niederlage mit einem Tor Differenz erhalten. Bei einer höheren Niederlage hätte es nichts gegeben. "Transparenz" oder Imagepflege?Kapitän Nelson Bonilla betonte, die Mannschaft habe sich klar gegen das Angebot positioniert und wolle "Transparenz" in die Angelegenheit bringen. Der Schritt an die Öffentlichkeit erscheint als Imagepflege auch deshalb notwendig, weil erst 2013 14 Nationalspieler El Salvadors wegen Wettbetrugs lebenslang gesperrt worden  waren.Brisant ist der Vorfall auch wegen der angespannten Geschichte der Nachbarn Honduras und El Salvador, die 1969 nach WM-Qualifikationsspielen sogar den sogenannten Fußballkrieg mit Hunderten Toten ausgetragen hatten. Geschäftsmann Padilla bestätigte das Angebot  im Gespräch mit der Zeitung "La Prensa Grafica". Er sehe aber kein Problem darin, schließlich belohne er die Spieler dafür, gut zu spielen, und nicht dafür, absichtlich zu verlieren. Das könnte die Fifa anders sehen. Schließlich gäbe es einen möglichen Anreiz für El Salvador, auf eine knappe Niederlage zu spielen.
rae/dpa
Es war ein unmoralisches Angebot: Den Spielern von El Salvador ist vor dem WM-Qualifikationsspiel gegen Kanada Geld geboten worden. Erst vor drei Jahren waren 14 Spieler des Landes gesperrt worden.
[ "Fußball-WM 2018", "Manipulationen im Fußball", "El Salvador" ]
Sport
Fußball-News
2016-09-06T11:38:00+02:00
2016-09-06T11:38:00+02:00
https://www.spiegel.de/sport/fussball/wm-qualifikation-el-salvador-sollte-bestochen-werden-a-1111070.html
Terror: Qaida-Bekennerschreiben zu Anschlägen in London
Berlin - "Freut Euch, Gemeinschaft der Muslime", heißt es in dem Schreiben, das SPIEGEL ONLINE vorliegt. "Die heldenhaften Mudschahidin haben heute einen Angriff in London durchgeführt", heißt es weiter. Ganz Großbritannien sei jetzt erschüttert und schockiert, "im Norden, im Süden, im Westen und im Osten". "Wir haben die britische Regierung und das britische Volk immer und immer wieder gewarnt", schreiben die Verfasser. "Wir haben unser Versprechen gehalten und eine gesegnete militärische Operation durchgeführt." "Wir warnen auch weiterhin", heißt es in dem Dokument, "die Regierungen Dänemarks und Italiens und alle weiteren Kreuzfahrer-Regierungen". Alle Staaten werden aufgefordert, ihre Truppen aus Afghanistan und dem Irak abzuziehen.Die Authentizität des Dokuments konnte nicht sofort bestätigt werden. Auf der Internetseite, auf der es veröffentlich wurde - das Forum "al-Qala'a" - waren schon in den vergangenen Monaten regelmäßig authentische Bekennerschreiben und Bulletins verschiedener Terrorgruppen, unter anderem der irakischen al-Qaida-Filiale aufgelaufen. Aber auch unauthentisches Material wird dort gelegentlich gepostet. Das heutige Posting ist unterzeichnet mit "Geheimorganisation - al-Qaida (wörtl.: Die Dschihad-Basis) in Europa".
Yassin Musharbash
Die Terrororganisation al-Qaida hat sich zu den Anschlägen von London bekannt. Eine Gruppe namens "Geheimorganisation - al-Qaida in Europa" hat nach Informationen von SPIEGEL ONLINE auf einer von Islamisten frequentierten Internetseite ein Bekennerschreiben veröffentlicht.
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Ausland
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2005-07-07T13:04:09+02:00
2005-07-07T13:04:09+02:00
https://www.spiegel.de/politik/ausland/terror-qaida-bekennerschreiben-zu-anschlaegen-in-london-a-364121.html
Heißer Kleber
Der Handwerksmeister Gotthard Wagner, 62, aus dem oberhessischen Wittelsberg ist Spezialist für Bodenbeläge aller Art. Weil er sich bei seiner Arbeit Gedanken macht über Gesundheitsvorsorge und Umweltschutz, erntete Wagner weithin Lob und Zustimmung. Wagner habe recht, bestätigte ihm das Bundesgesundheitsamt, wenn er »aus Vorsorgegründen« einen gefährlichen Klebstoff mit »krebserregendem Potential« nicht verwende. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz stand dem Kleinunternehmer ebenfalls bei, und auch der hessische Sozialminister wünschte ausdrücklich, daß »krebserregende Gefahrstoffe« in Wagners Firma »keine Verwendung mehr finden«. Weil der Handwerker die Ratschläge der obersten staatlichen Instanzen für Gesundheits- und Arbeitsschutz befolgt hat und den als gefährlich eingestuften Klebstoff durch einen anderen ersetzen wollte, droht seinem 25-Mann-Betrieb nun der Ruin. Sein Auftraggeber nämlich hatte die amtlich geteilten Gesundheitsbedenken als »unnötige Diskussion« gewertet und ihm den Großauftrag über mehr als 200 000 Mark entzogen. Selten noch ist ein Unternehmer derart zwischen die Mühlsteine staatlicher Interessen geraten wie Meister Wagner: Sein Auftraggeber war das Land Hessen; die Baustelle, auf der er partout den krebserzeugenden Kleber verwenden sollte, liegt in der Justizvollzugsanstalt Butzbach. Der Klebstoff-Streit wogt bereits seit einem Jahr, und mittlerweile geht es um viel Geld. Rund 30 000 Mark an »Mehrkosten« für die Einarbeitung folgsamerer Handwerker fordert das Staatsbauamt Friedberg, das dem hessischen Finanzminister untersteht, von der Firma Wagner & Söhne. Die wiederum verlangt vom Land Hessen die Erstattung von 130 000 Mark für schon gekauftes Material. Die Sache liegt zur Entscheidung beim Landgericht Frankfurt. Anlaß für den Streit war eine Ausschreibung für den Neubau von Schlosserei und Schreinerei des Butzbacher Gefängnisses. Auf dem Fußboden der Werkräume, hieß es da, sei »Holzpflaster« mittels »Spezialklebmasse im Heißverfahren« zu verlegen. Fachleute wissen: Damit ist schwarzer Kleber aus Steinkohlenteerpech gemeint, der Benzpyren enthält, eine krebserzeugende Substanz aus der Gruppe der aromatischen Kohlenwasserstoffe. Wegen der hohen Gesundheitsgefahr darf der Klebstoff in der Bundesrepublik schon lange nicht mehr hergestellt werden. Seine Verwendung jedoch unterlag, bis vor einem Jahr jedenfalls, keinen Einschränkungen. Das änderte sich just zu der Zeit, als Wagner & Söhne den Gefängnisauftrag annahmen. Eine neue DIN-Vorschrift war soeben verabschiedet worden, die den »krebserzeugenden Gefahrstoff« nur noch zuläßt, wenn sein Einsatz »zwingend erforderlich« ist. Ausdrücklich verweist die neue DIN 68701 die Anwender auf die Bestimmungen der Gefahrstoffverordnung. Danach muß ein Arbeitgeber prüfen, ob statt des vorgesehenen Gefahrstoffs auch »Zubereitungen mit einem geringeren gesundheitlichen Risiko« eingesetzt werden können. Genau dieser Vorschrift wollten Wagner & Söhne folgen. Juniorchef Herbert Wagner, 38, fand auf dem Markt einen Kaltkleber, der keine Gesundheitsbedenken auslöst, aber dennoch belastbar ist. Doch das Staatsbauamt »beharrt«, wie es selber schrieb, »auf der Ausführungsart wie ausgeschrieben«, also auf dem gefährlichen Teerpechkleber. Die Bedenken der Handwerker wegen späterer gesundheitsschädlicher »Geruchsbelästigungen« für die Häftlinge nahmen die Beamten lediglich »zur Kenntnis«. Wagners folgerichtigen Wunsch, ihn doch dann zumindest »aus der Gewährleistungspflicht zu entlassen«, lehnte das Amt schroff ab: »Kommt überhaupt nicht in Frage.« Am Ende entzog das Staatsbauamt Wagner den Auftrag. Für den Ausgang des Rechtsstreits sieht Michael Geiger, Sprecher im hessischen Finanzministerium, auch »keine Probleme mehr«. Schließlich habe sich die von den Handwerkern »entfachte Diskussion« über den Teerkleber nach neuen Luftmessungen endgültig als »unsinnig« herausgestellt. Und Fälle, in denen das giftige Benzpyren noch nach Abschluß der Klebearbeiten ausdünste, sind laut Geiger »überhaupt nicht bekannt«. Das Landesbauamt in Kiel und die örtliche Standortverwaltung der Bundeswehr sehen das allerdings ganz anders. Sie lassen derzeit in der Werkstatt der Marineflieger in Holtenau das Holzpflaster herausreißen, das vor rund 30 Jahren verlegt wurde - mit Teerpechkleber. »Von ärztlicher Seite«, erklärt ein Sprecher der Standortverwaltung, sei »festgestellt« worden, daß der alte Kleber nunmehr »ausdünstet«. Folge für die Soldaten: »Kopfschmerzen und Übelkeit alle naselang.«
Einem hessischen Handwerker droht der Ruin, weil er gesundheitsbewußter ist als sein staatlicher Auftraggeber.
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Politik
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1989-06-04T13:00:00+02:00
1989-06-04T13:00:00+02:00
https://www.spiegel.de/politik/heisser-kleber-a-f8fee58c-0002-0001-0000-000013493038?context=issue
Unwetter in Deutschland - Tief »Bernd« sorgt weiter für Chaos
Unwetter mit Starkregen haben in zahlreichen Regionen Deutschlands zu Ausnahmezuständen und Feuerwehreinsätzen geführt.Zu tragischen Zwischenfällen kam es im Sauerland. In Altena war ein Mann ins Wasser geraten, den herbeigerufene Feuerwehrleute retteten. Beim Einsteigen ins Einsatzfahrzeug sei ein Feuerwehrmann dann selbst ins Wasser gefallen und abgetrieben worden. Der 46-Jährige konnte nur noch tot geborgen werden. Ein 52-jähriger Feuerwehrmann kollabierte später während eines Einsatzes nahe dem Kraftwerk Elverlingsen. Die Polizei ging von einem internistischen Notfall aus. Während sich die Lage an manchen Orten am Mittwoch zunächst beruhigte, war vor allem Nordrhein-Westfalen noch schwer betroffen, insbesondere etwa die Landeshauptstadt Düsseldorf, Wuppertal und Hagen im Ruhrgebiet. In Wuppertal warnte die Stadt vor Überschwemmungen, nachdem die Wupper-Talsperre überlief. Es sei Sirenenalarm ausgelöst worden. »Personen sollten sich in der Nacht nicht in der Nähe der Wupper, insbesondere nicht in Muldenlagen aufhalten«, hieß es in einer Mitteilung. Warnfahrzeuge fuhren durch die betroffenen Gebiete und informierten per Lautsprecherdurchsage die Anwohner: »Es besteht akute Lebensgefahr!« In einer Sporthalle wurde eine Notunterkunft eingerichtet. Einsatzkräfte der Feuerwehr können das Wasser mittlerweile jedoch kontrolliert ablaufen lassen, teilte ein Sprecher der Leitstelle Oberbergischer Kreis am frühen Donnerstagmorgen mit. Wie ein Sprecher der Polizei mitteilte, wurden einige Straßen auf der Talachse entlang der Wupper gesperrt. Anwohner wurden demnach aufgefordert, sich nicht in Kellergeschossen aufzuhalten, sondern sich in höher gelegene Wohnungen zu begeben. Trotz der angekündigten Flutwelle sei die Unwetterlage in der Stadt aber noch überschaubar, teilte der Sprecher weiter mit. »Die Situation bleibt angespannt. Die Wupper hat im Stadtgebiet einen extrem hohen Pegel, der weiter steigen kann. Der Überlauf der Talsperre(n) ist noch nicht durch«, twitterte die Stadt. Die Feuerwehr wies auf Twitter vorzeitig darauf hin, den Trinkwasserverbrauch vorsorglich einzuschränken. Durch einen Stromausfall sei auch die Wasserversorgung betroffen.NRW-Innenminister Herbert Reul sprach von einer »außerordentlich schwierigen Lage« in einigen Regionen des Landes. »Die weitere Entwicklung ist derzeit nicht mit Sicherheit absehbar«, sagte der CDU-Politiker der Nachrichtenagentur dpa.Damm der Steinbachtalsperre droht zu brechen – A61 gesperrtIn Euskirchen droht der Damm der Steinbachtalsperre aufgrund des Unwetters zu brechen. Daher sei am Donnerstag die Autobahn 61 zwischen Bliesheim und Meckenheim voll gesperrt worden, teilte die Polizei mit. Zuvor war die A61 bereits gesperrt worden, weil die Autobahn von Wasser überflutet worden sei. Zur Beobachtung des Damms seien das Technische Hilfswerk (THW) und die Polizei vor Ort. Der Verkehr wird auf die A565 umgeleitet. Die Stadt Düsseldorf forderte wegen einer drohenden Überschwemmung die Anwohner im Stadtteil Grafenberg zum Verlassen ihrer Wohnungen auf. Besonders betroffen vom steigenden Hochwasser der Nördlichen Düssel seien etwa 350 Gebäude der Ostparksiedlung, teilte die Stadt mit.Im Starkregen stürzte am Mittwoch das Flachdach eines Einzelhandelsgeschäfts in einem Einkaufszentrum in Würselen bei Aachen ein. Eine verletzte Person habe sich selbst retten können, teilte die Stadt mit. »Vermutlich hat das Dach den Wassermassen (...) nicht standgehalten.« Der Bereich sei mit Rettungshunden abgesucht worden, es wurden jedoch keine weiteren Menschen in dem Gebäude entdeckt. Krisenstab tagt in Hagen – Altenheim wird evakuiertEin Altenheim mit 76 Bewohnern in Hagen wurde wegen einströmender Wassermassen evakuiert. »Das Seniorenheim ist sehr stark betroffen und unbewohnbar geworden«, sagte ein Stadtsprecher. Eltern wurden gebeten, ihre Kinder nicht in die Kita zu schicken und auch die Ferienbetreuung an den Grundschulen nicht zu nutzen.Eine verschüttete Person sei leicht verletzt gerettet worden. Mehrere Fahrer seien aus ihren von Wassermassen eingeschlossenen Autos befreit worden. Es gab mindestens 200 Einsatzorte. Einige Ortsteile waren zum Teil nicht mehr zu erreichen. »Die Leute sind verzweifelt«, sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Hagen. An diesem Donnerstag will Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) nach Hagen kommen. Er wolle sich ein Bild von der besonders betroffenen Region machen, teilte die Staatskanzlei mit.Die Deutsche Bahn riet allen Bahnreisenden, Nordrhein-Westfalen weiträumig zu umfahren. »Bitte verschieben Sie Reisen von und nach NRW nach Möglichkeit auf die kommenden Tage«, hieß es in einer Mitteilung. Am Mittwoch wurde auf zahlreichen Bahnlinien der Betrieb eingestellt. Die Bahn berichtete unter anderem von Verspätungen und Ausfällen von Zügen zwischen Köln und Düsseldorf sowie zwischen Köln und Wuppertal. Die Strecken zwischen Köln und Koblenz waren auf beiden Seiten des Rheins nicht befahrbar. ICE-Züge zwischen Frankfurt und Brüssel fuhren nur zwischen Frankfurt und Köln. Auch in anderen Teilen des Bundeslandes wurden Bäche zu reißenden Strömen. Es kam zu Erdrutschen, Straßen wurden überspült, Keller liefen voll, der Bahn- und Straßenverkehr war gestört. Eine Mitarbeiterin eines Seniorenheims in Mettmann nahe Düsseldorf wurde von einem umstürzenden Baum schwer verletzt und wäre beinahe ertrunken. Ein Helfer konnte den Kopf der Frau über Wasser halten, bis Feuerwehrleute die eingeklemmte Frau befreit hatten. Die Feuerwehr in Köln meldete 180 unwetterbedingte Einsätze. Am Abend wurde in Köln die Autobahn A1 zwischen dem Kreuz Köln-West und Köln-Bocklemünd in beiden Fahrtrichtungen gesperrt. Grund war laut Autobahngesellschaft Rheinland ein überfluteter Tunnel, aus dem die Pumpen das Wasser nicht schnell genug abpumpen konnten. Überflutete Fahrbahnen oder Unwetterschäden meldete der WDR am Abend etwa auf den Autobahnen 43, 44, 59, 61 und 553. Gegen 22.00 Uhr staute sich der Verkehr landesweit auf insgesamt 60 Kilometern. In Düsseldorf rückte die Feuerwehr zu rund 330 Einsätzen aus. Auch die Tiefgarage des Rheinmetall-Konzerns war betroffen – dort stand das Wasser 40 Zentimeter hoch. Um Kunstwerke im Wert von rund fünf Millionen Euro in einer Galerie zu schützen, waren Feuerwehrleute stundenlang im Einsatz. In Erkrath nahe der Landeshauptstadt mussten etwa hundert Bewohner eine Unterkunft für Geflüchtete verlassen. An zahlreichen Flüssen in Nordrhein-Westfalen wurden Hochwasser-Warnwerte überschritten.Katastrophenfall in Vulkaneifel ausgerufen – Schulen dichtIm rheinland-pfälzischen Kreis Vulkaneifel wurde der Katastrophenfall ausgerufen. »Die Lage ist sehr ernst, wir haben viele überschwemmte Straßen und Ortschaften, die nicht mehr erreichbar sind«, sagte Landrätin Julia Gieseking (SPD) am Mittwochabend in Daun. Die Schulen im Kreis sollen am Donnerstag geschlossen bleiben. Im sächsischen Erzgebirgskreis wurde ein 53-Jähriger von einer Sturzflut mitgerissen und bis Mittwochnachmittag immer noch vermisst. Der Mann hatte am Dienstagabend wegen des stark gestiegenen Pegels des Dorfbachs versucht, sein Grundstück vor den Wassermassen zu schützen. Dabei wurde er nach Angaben von Anwohnern mitgerissen.Regenfälle sollen im Westen nachlassenLaut DWD-Prognosen lassen die Regenfälle durch das Tiefdruckgebiet »Bernd« am Donnerstag im Westen nach und ziehen vermehrt in den Südwesten und Süden. Allerdings seien die Wassermengen in der Fläche nicht mehr so ausgeprägt, wie sie am Mittwoch im Westen erwartet wurden. Unwetterartige Starkregenfälle könnten aber lokal nicht ausgeschlossen werden.
mjm/jok/ptz/dpa
Tief »Bernd« sorgt mit Starkregen weiter für Chaos in Deutschland: Zwei Retter starben im Sauerland, die Wassermassen belasten mehrere Talsperren. Am Donnerstag sollen sich die Unwetter verlagern.
[ "Wetter", "Nordrhein-Westfalen" ]
Panorama
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2021-07-15T03:29:00+02:00
2021-07-15T09:52:00+02:00
https://www.spiegel.de/panorama/nordrhein-westfalen-rheinland-pfalz-unwetter-in-deutschland-tief-bernd-sorgt-weiter-fuer-chaos-a-3df97060-58a2-4834-b8ed-c10ccdff7daf
Wirtschaftsforscher fordern mehr Investitionen in öffentliche Infrastruktur
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) plädiert für mehr Investitionen in die öffentliche Infrastruktur, um damit letztlich auch das Wachstum anzukurbeln. »Öffentliche Investitionen über 100 Milliarden Euro in den kommenden vier Jahren würden das Bruttoinlandsprodukt um 1,5 Prozent höher anheben als ohne dieses Investitionspaket«, heißt es in einer am Donnerstag veröffentlichten Studie der Berliner Ökonominnen und Ökonomen. Deutschland habe in den vergangenen Jahrzehnten von seiner Substanz gelebt und notwendige Investitionen wie in die Verkehrsinfrastruktur oder die Digitalisierung verschleppt. Dies zeige sich etwa bei einstürzenden Brücken, sagte DIW-Konjunkturexpertin Geraldine Dany-Knedlik. Dies sei einer der Gründe für die aktuellen Schwierigkeiten der deutschen Wirtschaft, die nicht nur konjunktureller, sondern auch struktureller Natur seien, so das DIW. »Investitionen würden nicht nur Defizite bei der Infrastruktur ausgleichen und damit die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands erhöhen, sondern auch die Wirtschaft wieder in Schwung bringen.« Nicht nur eine hartnäckige konjunkturelle Flaute bremse das Land, »sondern auch strukturelle Faktoren wie demografischer Wandel, schärferer internationaler Wettbewerb und unvollständige Dekarbonisierung«. Die Infrastruktur müsse dringend verbessert werden, um den Wohlstand zu erhalten und international den Anschluss nicht zu verlieren. Dies würde nicht nur unmittelbar die Konjunktur ankurbeln, sondern auch mittelfristig positiv auf die Wertschöpfung wirken, bilanziert das DIW. »Der Effekt dürfte sogar so groß sein, dass die höhere Wirtschaftsleistung und die damit verbundenen zusätzlichen Steuereinnahmen die Ausgaben finanzieren würden.« Deswegen sollte die nächste Bundesregierung die öffentlichen Investitionen erhöhen – und zwar unabhängig von einer Reform der Schuldenbremse.
mik/Reuters
Ökonomen des DIW sind überzeugt, dass die marode Infrastruktur einen entscheidenden Anteil am schlechten Verlauf der Konjunktur hat. Für die Reparatur seien deshalb sogar zusätzliche Schulden rentabel.
[ "DIW", "Infrastruktur", "Konjunktur", "Wirtschaft in Deutschland", "Schuldenbremse" ]
Wirtschaft
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2025-02-13T11:25:00+01:00
2025-02-13T11:25:00+01:00
https://www.spiegel.de/wirtschaft/wirtschaftsforscher-fordern-mehr-investionen-in-oeffentliche-infrastruktur-a-7aece9e4-c223-41ff-8d58-c758578b8786
Bangladesch: Ein Jahr nach Fabrikeinsturz trauern Arbeiter um Kollegen
Dhaka - Der Einsturz des Rana-Plaza-Gebäudes am 24. April 2013 war das schwerste Fabrikunglück in der Geschichte Bangladeschs. Ein Jahr nach der Katastrophe haben Textilarbeiter Blumenkränze an der Unglücksstelle niedergelegt. Tausende Menschen kamen in Savar, einem Vorort der Hauptstadt Dhaka, zusammen. Sie gedachten der mehr als 1100 Toten und 2500 Verletzten des Unglücks. Zahlreiche Fabriken in Savar ließen schwarze Fahnen über ihren Dächern wehen. Einige hundert Textilarbeiter blockierten ganz in der Nähe der eingestürzten Fabrik eine Hauptstraße. Sie forderten, dass die Gebäude- und Fabrikbesitzer endlich zur Rechenschaft gezogen werden sollten. "Hängt sie, hängt sie", schrien die Demonstranten. Die Arbeiterschutzorganisation Sramik Sanghati forderte, die Regierung solle den 24. April zum Tag der Arbeitssicherheit in Bangladesch ausrufen. In dem Land lassen viele Textilfirmen aus aller Welt nähen. Die Gewerkschaften wollen einen weiteren Wandel erreichen. Es gebe jetzt immerhin mehr Inspektoren, die Gebäude vor allem auf Feuerschutz und Standfestigkeit hin überprüften, sagte Sultan Ahmed vom Bangladesch-Institut für Arbeitswissenschaften. "Es gibt Verbesserungen, aber wir haben noch eine riesige Wegstrecke vor uns." "Es ist schockierend, wie wenig getan wird"Es sei positiv, dass nun der Mindestlohn von 28 auf 50 Euro pro Monat angehoben wurde, sagte Ahmed. "Doch die Löhne waren über einen langen Zeitraum die niedrigsten weltweit. Selbst wenn sie jetzt einen großen Sprung gemacht haben, kann man nicht sagen, dass es ein fairer Lohn ist." Derzeit geschehe der Wandel dank des Drucks von außen - es sei aber fraglich, wie lange dieser aufrechterhalten werden könne. Die internationale Gewerkschaft IndustriAll verlangte von den Unternehmen, die im Rana Plaza fertigen ließen, endlich ausreichend Entschädigungen zu zahlen. In den Treuhandfonds für die Opfer der Katastrophe seien erst 11 von 29 Millionen Euro eingegangen. "Es ist schockierend, wie wenig getan wird", sagte Ineke Zeldenrust von der Kampagne für saubere Kleidung. Marken wie Benetton, Adler Modemärkte und Carrefour hätten noch gar nichts in den Fonds eingezahlt.
wit/dpa
Bangladesch gedenkt der Toten des verheerenden Fabrikeinsturzes vor einem Jahr. Tausende Menschen kamen am Unglücksort zusammen. Ihre Trauer mischte sich mit Wut auf die Fabrikbesitzer und internationale Konzerne.
[ "Bangladesch", "Textilindustrie", "Dhaka" ]
Panorama
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2014-04-24T10:36:00+02:00
2014-04-24T10:36:00+02:00
https://www.spiegel.de/panorama/bangladesch-ein-jahr-nach-fabrikeinsturz-trauern-arbeiter-um-kollegen-a-965891.html
Großbritannien: Behörden verschlampen Millionen vertrauliche Daten
London - Die CD-Rom mit Namen, Adressen und Telefonnummern von mehr als drei Millionen Fahrschülern wird bereits seit Mai vermisst, teilte Verkehrsministerin Ruth Kelly in London mit. Ein für die britischen Behörden arbeitendes Privatunternehmen hatte die Daten in den USA gespeichert, sagte Kelly in einer Erklärung an das Parlament. Zugleich entschuldigte sich die Ministerin bei den Betroffenen für die Verunsicherung und mögliche Sorgen. Eine wirkliche Gefahr scheine für sie durch den Datenverlust aber nicht zu bestehen. Der Datenträger enthielt Informationen über Kandidaten für den theoretischen Teil der Führerscheinprüfung im Vereinigten Königreich. Auf der CD-Rom seien auch Geburtsdaten, Prüfungsort und Informationen über die Zahlung der Gebühren gespeichert. Einzelheiten über Konten der Fahrschüler seien jedoch nicht verzeichnet gewesen, sagte Kelly.Erst im November war der Verlust von zwei CDs mit den persönlichen Daten von 25 Millionen Personen bei der britischen Steuerbehörde bekannt geworden. Auf den CDs befinden sich die Daten von 7,25 Millionen Familien, die Kindergeld erhalten, darunter Anschrift, Geburtsdaten und Bankverbindungen. Die Datenträger verschwanden in der Hauspost auf dem Weg von der Steuerbehörde zur Rechnungsprüfungsbehörde. Durch die Panne war auch die Regierung von Premierminister Gordon Brown unter Druck geraten. Finanzminister Alistair Darling sagte gestern, erste Ermittlungen hätten einige Aufzeichnungsfehler im Umgang mit Daten in seinem Ressort ergeben. Hinweise auf Betrug als Folge des Verlusts seien nicht gefunden worden. Premierminister Gordon Brown strebt für das Jahr 2009 die Einführung eines Personalausweises auf nationaler Ebene an. Das System soll der Verbesserung der Sicherheit und der Kontrolle der Einwanderung dienen. Der Ausweis soll biografische und biometrische Angaben enthalten. Kritiker befürchten, dass die Datensicherheit dennoch nicht gewährleistet sei. amz/AFP/dpa
Neue Datenpanne in Großbritannien: Britische Behörden haben schon wieder vertrauliche Daten verschlampt - private Angaben von mehr als drei Millionen Fahrschülern sind verschwunden. Vor wenigen Wochen löste der Verlust von sensiblen Bankdetails fast eine Regierungskrise aus.
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Ausland
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2007-12-18T08:10:35+01:00
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https://www.spiegel.de/politik/ausland/grossbritannien-behoerden-verschlampen-millionen-vertrauliche-daten-a-523948.html
Jugendliche Fußballer: Im Verein ist Trinken am schönsten
SPIEGEL ONLINE: Trinken Sie Alkohol? Fritz: Ja. Ich würde mich zu den Fastabstinenten zählen. SPIEGEL ONLINE: Sie haben das Trinkverhalten 15 bis 17 Jahre alter Vereinsfußballer in Bielefeld untersucht. Besonders eine Zahl sorgte für Aufsehen: Fast die Hälfte gibt an, im Verein regelmäßig Alkohol zu trinken. Ist das schlimm? Fritz: Die Prozentzahl allein sagt wenig aus. Sie zeigt zwar, dass viele Jugendliche im Verein bereits einmal Alkohol konsumiert haben - aber auch, dass längst nicht alle im Verein trinken. Man darf Fußballvereine nicht per se stigmatisieren, sondern muss genau hinschauen: Wie gehen die einzelnen Clubs mit Alkohol um? Viele Vereine sind bereits vorbildlich, verbieten Alkoholausschank und fördern das Problembewusstsein für Alkohol. Andererseits gibt es etliche schwarze Schafe. SPIEGEL ONLINE: Ihre Studie zeigt, dass sich in Fußballclubs auchviele Schluckspechte tummeln. Warum? Fritz: Das ist schwer zu sagen. Ich möchte klarstellen: Die Vereine machen aus den Jungen keine Säufer. Meine Analysen zeigen, dass selbst exzessive Trinker im Club maßvoller zum Alkohol greifen als in ihrer sonstigen Freizeit. Einiges spricht dafür, dass exzessive Trinker dieses Verhalten woanders erlernt haben. SPIEGEL ONLINE: Hardcore-Trinker kommen schnell mal auf sieben bis zwölf Gläser Bier, dazu kommen noch Schnäpse. Ab wann wird Trinken zum Saufen? Fritz: Offiziell beginnt Binge-Drinking ab fünf Gläsern Alkohol. Eine solche Einteilung nützt aber wenig, da für viele Teenager richtiges Saufen erst bei deutlich mehr als fünf Gläsern losgeht. Außer auf die Alkoholmenge muss man auch auf die Gründe für den Konsum achten. Manche Jugendliche trinken, um cool sein zu wollen, andere, um Probleme zu vergessen. Bei den letzteren sind schon wesentlich geringere Trinkmengen kritisch, weil sie stärker gefährdet sind, auch als Erwachsene regelmäßig zu trinken. SPIEGEL ONLINE: Sie haben herausgefunden, dass exzessive Konsumierer im Verein weniger stark integriert sind. Warum sind die Trinkstärksten nicht die Alphatierchen? Fritz: Die meisten Vereine, selbst die, in denen Alkohol häufig getrunken wird, tolerieren einen exzessiven Umgang mit Alkohol in der Regel nicht. Die Jugendlichen halten sich dran, weil sonst Restriktionen drohen. Exzessiv-Trinken ist nichts, womit man im Fußballclub Ansehen bekommen könnte. SPIEGEL ONLINE: In Ihrer Studie betonen Sie das Soziale am Trinken: Man gehört dazu, wird locker, flirtet mit Mädchen. Aber trinken Jugendliche nicht auch oft, weil ihnen Alkohol schmeckt - so wie andere Schokolade essen, weil die lecker ist? Fritz: Nein, Alkohol besitzt fast immer eine Funktion, das ist bei Schokolade übrigens nicht anders. Menschen essen ja oft Süßes, um alltägliche Sorgen zu verdrängen. Viele sind sich der tieferen Gründe gar nicht bewusst, aber unter der Oberfläche von Spaß und Genuss steckt fast immer noch was anderes. Einige Jugendliche sagen zwar: "Alkohol ist für mich ein Grundnahrungsmittel." Aber auch bei diesen Jugendlichen hat Alkohol eine Funktion. Am Anfang stehen die Motive Neugier und der Reiz des Verbotenen. Erst später beginnt Alkohol, Jugendlichen zu schmecken. Aber auch dann haben sie für's Trinken Motive. SPIEGEL ONLINE: Erfolgreiche Jungfußballer trinken deutlich weniger als Rumpelfüßler, heißt es in Ihrer Untersuchung. Wieso? Bekommt man von Alkoholexzessen Füße aus Malta?Fritz: Jugendliche, die nicht in der Kreisliga kicken, sondern in höheren Spielklassen, wird bald klar: richtig Saufen und Leistungssport - das geht nicht zusammen. Außerdem sind die Trainer höherklassiger Clubs oft strenger: Wer auf der Party am Vorabend gesoffen hat, muss beim Spiel auf die Ersatzbank. Das ist für ehrgeizige Jugendliche bitter. Daher entwickeln sie auch schneller ein Problembewusstsein für Alkohol. SPIEGEL ONLINE: Sie betonen den Gruppenzwang beim Saufen. Wie stark muss man sein, um in geselliger Runde bei einer kreisenden Wodka-Flasche abzuwinken? Fritz: Viel kommt auf die Größe des Freundeskreises an. Wer noch in anderen Cliquen außerhalb des Vereins integriert ist, widersteht leichter dem Druck der Fußballclique. Sind aber die Jugendlichen im Verein die einzigen Freunde, wird's schwerer, "Nein" zu sagen.SPIEGEL ONLINE: In Ihren Interviews mit Jungkickern klagten Abstinente, dass Trinker sie bedrängen, Alkohol zu trinken. Alkoholkonsumierende Jugendliche sagen aber, dass es ihnen egal sei, ob jemand trinkt oder nicht. Wer hat nun Recht?Fritz: Beide. Fast abstinente Jugendliche geraten in vielen Situationen, in denen getrunken wird, in Konflikt. Die Trinker dagegen verfügen über kein Problembewusstsein gegenüber dem Alkoholkonsum. Sie sehen keinen Grund darin, auf Alkohol zu verzichten. Daher gibt es keinen Konflikt für sie, sie merken nicht, wie sie auf andere Druck ausüben. In ihren Augen ist Alkoholkonsum ganz normal. Ihnen kommt nicht in den Sinn, dass manche Alkohol schlicht ablehnen. SPIEGEL ONLINE: Bei Alkohol haben Jugendliche meist null Problembewusstsein. Liegt's nur am schlechten Vorbild der Erwachsenen? Fritz: In unserer Gesellschaft ist Alkohol weithin akzeptiert. Besonders bedenklich im Fußball ist, dass ausgerechnet Brauereien häufig Hauptsponsoren in den Vereinen sind. Außerdem verhalten sich Erwachsene oftmals widersprüchlich: Verurteilen sie Alkoholkonsum bei Teenagern noch scharf, gönnen sie sich abends gerne selbst einen Schoppen. Es ist wichtig, zu bedenken, dass Jugendliche Erwachsenen nacheifern. Sie nutzen Alkohol auch, um erwachsen zu wirken. SPIEGEL ONLINE: Breit angelegte Kampagnen zur Alkoholprävention wie "Kinder stark machen" setzen auf die Stärkung des Selbstbewusstseins: trocken bleiben, auch wenn die anderen tanken. Viel gebracht hat es offenbar nicht. Fritz: Fakt ist: Viele Initiativen, die das Selbstbewusstsein der Teenager fördern wollten, hatten noch nicht den erwünschten Erfolg. Meine Untersuchungsergebnisse zeigen, dass Jugendliche erst über ein Problembewusstsein verfügen müssen, damit eine Stärkung des Selbstbewusstseins wirksam ist. Es ist jedoch anzunehmen, dass viele Jugendliche heutzutage kein Problembewusstsein gegenüber dem Alkoholkonsum haben. Man muss daher verstärkt dort ansetzen. SPIEGEL ONLINE: Sie haben auch nachgewiesen, dass ein klares Nein des Trainers zum Alkohol wirkt - die Jugendlichen trinken dann tatsächlich nicht. Sind Trainer nicht energisch genug? Fritz: Es stimmt, dass viele Trainer ihre Einflussmöglichkeiten auf den Alkoholkonsum der Jugendlichen noch nicht genug nutzen. Notwendig ist aber eine Sensibilität gegenüber dem übermäßigen Alkoholkonsum im ganzen Verein. Wenn die Seniorenabteilung zur Bierflasche greift, werden die Bemühungen des Trainers, der den Jungs Alkohol verbietet, nicht ernst genommen. Alle im Verein müssen Verantwortung übernehmen und an einem Strang ziehen.Das Interview führte Christian Hambrecht
Nicht nur bei Flatratepartys, auch im Sportclub um die Ecke wird heftig gebechert, sagt Thomas Fritz. Der Sportwissenschaftler hat das Trinkverhalten junger Fußballer untersucht. Im Interview spricht er über Ritualsäufer, Rumpelfüßler und laxe Trainer.
[ "Alkoholismus" ]
Panorama
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2008-04-18T08:58:15+02:00
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https://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/jugendliche-fussballer-im-verein-ist-trinken-am-schoensten-a-542802.html
Scheuer knüpft Lkw-Abwrackprämie an Einbau von Abbiegeassistenten
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) knüpft die staatliche Lkw-Abwrackprämie an den Einbau von Abbiegeassistenten. Das teilte das Ministerium bei der Veröffentlichung der Förderrichtlinie mit. Derartige Hilfssysteme sollen Unfälle von Lastwagen etwa mit Radfahrern verhindern . Fahrberichte, Analysen, aktuelle Nachrichten: So verpassen Sie keine Artikel aus der Rubrik Mobilität des SPIEGEL. Ab sofort unterstütze die Bundesregierung die Anschaffung von fabrikneuen Lastwagen, die die Anforderungen der aktuellen Abgasstufe Euro VI erfüllten, mit bis zu 15.000 Euro, erklärte Scheuer. Voraussetzung ist, dass ein Lkw der Abgasstufen Euro III, IV oder V verschrottet werde. Ziel sei es unter anderem, Arbeitsplätze dauerhaft zu erhalten und der Wirtschaft einen spürbaren Impuls zu verleihen, so Scheuer. »Überdies erhöhen wir mit der neuen Förderrichtlinie auch die Verkehrssicherheit, da eine Förderung ausdrücklich an die Installation eines Abbiegeassistenzsystems geknüpft wird.« Eine Milliarde Euro an ZuschüssenDie Bundesregierung hatte im November bei einem Spitzentreffen mit der Wirtschaft weitere milliardenschwere Hilfen angekündigt, um die deutsche Autoindustrie in der Coronakrise zu unterstützen und den Wandel zu umweltfreundlicheren Fahrzeugen zu beschleunigen. Für die Lkw-Abwrackprämie sind nach früheren Angaben Zuschüsse von insgesamt einer Milliarde Euro vorgesehen. Wenn meist erhöht sitzende Lkw-Fahrer Radler oder Fußgänger übersehen, die sich neben ihrem Fahrzeug befinden, kommt es immer wieder zu schweren Unfällen . Abbiegeassistenten können Warnsignale aussenden oder automatisch bremsen. Verpflichtend sind diese Systeme bisher nicht.
ene/dpa
Immer wieder kommt es zu tödlichen Unfällen durch rechtsabbiegende Lkw. Fuhrunternehmer, die die neue Abwrackprämie erhalten wollen, müssen ihr Fahrzeug deshalb mit einem Abbiegeassistenten ausstatten.
[ "Andreas Scheuer", "Verkehrspolitik Deutschlands", "Straßenverkehr", "Lkw", "Nutzfahrzeuge" ]
Mobilität
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2021-01-11T14:24:08+01:00
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https://www.spiegel.de/auto/andreas-scheuer-knuepft-lkw-abwrackpraemie-an-einbau-von-abbiegeassistenten-a-f0eeed7b-3f11-429c-9577-dd0f3cfa7080
SPIEGEL Thema: Wird Amerika wieder demokratisch?
Den kommenden Dienstag nennen die Amerikaner "Super Tuesday", in zehn Bundesstaaten finden Vorwahlen statt und wer die gewinnt, wird im November gegen George W. Bush antreten. Der Herausforderer heißt dann vermutlich John F. Kerry, ist 60 Jahre alt, Spross einer Patrizier-Familie und Demokrat. Er kämpfte einst als Soldat in Vietnam und wurde später zum Gegner des Feldzugs. In vielem ist Kerry das Gegenteil des amtierenden Präsidenten, er gilt als klug, liberal und weltgewandt. Noch vor kurzem schien George W. Bush eine zweite Amtszeit sicher. Doch spätestens mit der Debatte um Kriegsgründe, irakische Massenvernichtungswaffen und der Soldatendisziplin des Amtsinhabers verliert der Präsident an Rückhalt in der Bevölkerung. Und nun haben die Demokraten mit John Kerry einen Herausforderer erkoren, der schon jetzt wie ein Präsident aussieht und handelt. In einem zwei geteilten Land müssen die Kandidaten auch die Anhänger im gegnerischen Lager sammeln. Im XXP-Studio diskutieren Moderator Matthias Ziemann und SPIEGEL-Redakteur Ralf Beste mit dem Journalisten und Buch-Autoren Robert von Rimscha und Karsten Voigt, Koordinator für deutsch-amerikanische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt, über die Chancen eines demokratischen Präsidenten namens John F. Kerry. Sendetermin: Montag, 01. März, 22.55 Uhr, XXP Gäste im StudioRobert von Rimscha, Journalist und AutorRobert von Rimscha leitet die Parlamentsredaktion des Berliner "Tagesspiegels". Für das Blatt war er von 1996 bis 2000 USA-Korrespondent. Von Rimscha ist Autor mehrerer Sachbücher, darunter die "Die Kennedys", "Die flexible Gesellschaft", "George W. Bush" und das im Februar dieses Jahres erschienene "Die Bushs". Darin untersucht von Rimscha, was Bush für die Amerikaner wählbar macht und ob die Unterstützung der Geldaristokratie, ausreicht, um George W. Bush eine zweite Amtszeit zu ermöglichen. In dem Buch wird auch deutlich, dass der als tumb und eigenschaftslos charakterisierte Bush-Clan ein Amerika repräsentiert, das immer populistischer, konservativer und religiöser wird. Karsten Voigt, Koordinator für deutsch-amerikanische ZusammenarbeitSeit 1981 setzten die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der USA Koordinatoren für die deutsch-amerikanischen Beziehungen ein. Seit Februar 1999 übt Karsten Voigt, ehemals außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion und ehemaliger Präsident der Parlamentarischen Versammlung der NATO, diese Funktion aus.Moderation Matthias Ziemann, Geschäftsf. Redakteur, SPIEGEL TV
Im XXP-Studio diskutieren Moderator Matthias Ziemann und SPIEGEL-Redakteur Ralf Beste mit dem Journalisten und Buch-Autoren Robert von Rimscha und Karsten Voigt, Koordinator für deutsch-amerikanische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt, über die Chancen eines demokratischen Präsidenten namens John F. Kerry.
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Panorama
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2004-03-01T16:24:53+01:00
2004-03-01T16:24:53+01:00
https://www.spiegel.de/sptv/thema/a-288510.html
»Das Monopol der KP zersplittert schon«
SPIEGEL: Herr Ministerpräsident, früher wäre ein Mann in Ihrer Position automatisch Abgeordneter des Obersten Sowjet in Moskau geworden. Heute müssen Sie gegen zwei Konkurrenten um Ihr Mandat kämpfen. Gefällt Ihnen das? TOOME: Sehr. Ich bin immer ein Demokrat gewesen. Zum erstenmal seit 1940 haben wir endlich eine Wahl mit mehreren Kandidaten. Unsere Regierung hat keinerlei Druck auf Bewerber ausgeübt, etwa auf ihre Kandidatur zu verzichten. Diejenigen, die jetzt im Wahlkampf stehen, repräsentieren daher die Interessen sehr unterschiedlicher politischer Gruppen. SPIEGEL: Sie kennen die Programme Ihrer Mitbewerber. Was darin lehnen Sie ab? TOOME: Im Vordergrund steht nicht die Frage unterschiedlicher Programme. Die sind fast deckungsgleich . . . VILLA: . . . und Herzenssache aller Esten. TOOME: Unsere elementaren Anliegen sind die gleichen. Es gibt Unterschiede im Grad der Radikalität. Frau Villa zum Beispiel stellt radikalere Forderungen als ich. Sie tritt für sofortige grundlegende Veränderungen ein, nichts soll aufgeschoben werden . . . SPIEGEL: . . . und das halten Sie für falsch? TOOME: Nein, ich halte das nicht für falsch. Aber wir sind ganz verschiedene Charaktere, mit unterschiedlichen politischen Erfahrungen. Frau Villas Programm steht nicht im Widerspruch zu meinen Ansichten. SPIEGEL: Wirklich nicht? Sie treten für ein wirtschaftlich eigenständiges Estland ein, Frau Villa dagegen für eine von Moskau völlig unabhängige Republik. TOOME: Gegenfrage: Ist die Bundesrepublik ein völlig unabhängiger, souveräner Staat? SPIEGEL: Jedenfalls unabhängiger von seinen Partnern und Verbündeten als Estland von Moskau. TOOME: Ich bin ja auch der Auffassung, daß dieses Gebilde Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken auf völlig neue Grundlagen gestellt werden muß, daß vieles reformbedürftig ist. Das Prinzip der Gegenseitigkeit, auf das Sie anspielen, muß auch bei uns Geltung bekommen. VILLA: Das freie und souveräne Estland, für das ich kämpfe, soll sich nicht unbedingt der Sowjet-Union anschließen, sondern seine Zugehörigkeit zu einer Interessengemeinschaft ohne äußeren Druck wählen können. KALDA: Wir haben die gleichen Grundsätze, alle drei. Nur was die praktischen Lösungswege angeht, sind meine beiden Mitbewerber gewissermaßen Extremisten, im positiven Sinn. Ich stehe da irgendwo in der Mitte. Ich gehöre zum Vorstand der Volksfront in unserem Bezirk, und das ist, wie ja schon die Bezeichnung zum Ausdruck bringt, eine zentristische Vereinigung aller Esten. Doch gleichzeitig bin ich Kommunist, Mitglied des Bezirksbüros. TOOME: Über 90 Prozent der Kandidaten für die Wahl gehören übrigens der Kommunistischen Partei an. VILLA: Ich gehöre nicht zu diesen 90 Prozent. Darin sehe ich meinen entscheidenden Vorzug: Ich habe nicht die beiden berühmten Gewissen - ein Privat- und ein Parteigewissen. Bei dem, was ich sage und schreibe, komme ich ohne diesen sowjetischen Autopiloten aus, der die Kursvorgaben aus Moskau einhält. KALDA: Einspruch, liebe Frau Villa. Ich habe mich, auch als Kommunist, in meinem ganzen Leben immer nur von einem Gewissen leiten lassen - von dem des Arztes und Psychiaters. TOOME: Marika Villas Worte könnten den Eindruck erwecken, als ob Parteileute schreckliche Zyniker wären. Das stimmt doch nicht. Ich will zugeben, daß es in der Vergangenheit viele solcher Funktionäre gegeben hat und daß sie damals auch den Ton angaben. Aber es werden immer weniger. SPIEGEL: Im nahen Litauen haben Vertreter der einflußreichen Volksbewegung zugunsten progressiver Kommunisten auf ihre Kandidatur verzichtet. Könnten Sie, Frau Villa, sich vorstellen, dem progressiven Partei-Mann Toome auf ähnliche Art zu helfen? VILLA: Niemals. Sie haben zwar recht: Indrek Toome ist für sowjetische Verhältnisse ein Progressiver. Aber unser Leben ist bisher so sehr von Lügen vergiftet gewesen, daß die Menschen eine wirkliche Alternative verdient haben. Viele glauben nicht daran, daß es innerhalb eines Einparteien-Systems überhaupt möglich ist, die Dinge grundsätzlich zu verändern. Da verkörpere ich als Unabhängige eine wichtige Hoffnung. Wir werden auf dem Weg der Demokratisierung nicht wirklich vorankommen, wenn wir das Monopol der Partei auf dem Gebiet der Gesetzgebung und der Exekutive nicht endlich brechen. SPIEGEL: Herr Toome, Sie haben gesagt, eine Wahl zwischen mehreren Kandidaten gefalle Ihnen gut. Würde Ihnen das auch noch gefallen, wenn diese Kandidaten unterschiedliche politische Parteien repräsentieren? TOOME: Für das Entstehen mehrerer Parteien besteht gegenwärtig keine reale politische Möglichkeit. Auch Michail Gorbatschow hat das wiederholt betont. Innerhalb unseres Demokratisierungsprozesses sind wir jetzt erst einmal auf dem Weg zum Rechtsstaat. Wenn wir diesen Zustand der Rechtsstaatlichkeit eines Tages erreicht haben, können die Menschen selbst entscheiden, welches System sie bevorzugen. SPIEGEL: Aber wenn andere nun einen anderen Zeitplan haben und Konkurrenz-Parteien der KP das Machtmonopol streitig machen? TOOME: Dann wird man das als Demokrat wohl akzeptieren müssen. Die Auseinandersetzung darf auch in einem solchen Fall jedenfalls nur mit politischen Mitteln geführt werden, ohne Anwendung von Gewalt und ohne Verbote. Übrigens zersplittert das Monopol der Kommunistischen Partei ja schon jetzt. Die Volksfront, die Grünen und andere Bewegungen spielen dabei eine erhebliche Rolle. SPIEGEL: Die KP hat auch sonst erhebliche Probleme. Die Mitgliederzahl nimmt ab, unter den Neuzugängen sind immer weniger Esten. Fordert das nicht zum Mehrparteiensystem heraus? TOOME: Was Sie anführen, ist richtig, und es gibt uns sehr zu denken. Es verstärkt sich eine Tendenz zur Spaltung der Partei in nationale Gruppierungen. Grob gesagt: Hier Russen, dort Esten. Das ist etwas sehr Gefährliches, das wir unbedingt vermeiden müssen. Parteien sollten sich auf ideeller, nicht auf nationaler Grundlage konstituieren. Letzteres erscheint mir gerade in unserer Situation völlig unannehmbar. VILLA: Es entsteht bei uns ja gerade eine Partei, eine sozialdemokratische. Ich gebe ihr gute Chancen. TOOME: Parteien müssen eine Idee, eine Plattform, ein Programm haben. Nehmen wir einmal an, es bilden sich drei, vier Parteien heraus, die sich alle zum Ziel setzen, den Sozialismus aufzubauen, nur auf unterschiedlichen Wegen. Das wäre eine Art Spiel, ein Machtkampf zwischen Gruppen, die sich im Prinzip einig sind. Wirklich ernst würde es erst dann, wenn ein ganz anderes Ziel und ein ganz anderer Weg zur Debatte stünden. SPIEGEL: Wenn also eine Partei entstünde, die dafür eintritt, den Sozialismus abzuschaffen. Was dann? VILLA: Dann würde Herr Toome kaum noch gewählt werden. TOOME: Wir würden dann die Situation haben, daß eine Partei zur Macht will, welche die Verfassung grundsätzlich ablehnt. Auch bei Ihnen in der Bundesrepublik kann eine Partei sich doch nicht einfach über die Verfassung hinwegsetzen. SPIEGEL: Verfassungen sollten den Volkswillen zum Ausdruck bringen. Mit entsprechenden Mehrheiten müßten sie sich verändern lassen. TOOME: In diese Richtung bewegen wir uns zur Zeit, das ist der Wesenskern der Perestroika. Aber es ist ebenso klar, daß diejenigen, die für einen sozialistischen Weg eintreten, sich gegen alle Korrekturen in Richtung Kapitalismus entschieden zur Wehr setzen werden. Denn wir glauben, daß es uns gelingen wird, unser System überzeugend zu reformieren. Bislang hatten wir doch noch gar keinen Sozialismus, sondern Stalinismus. SPIEGEL: Ein lettischer Kandidaten-Kollege von Ihnen hat bei der Erläuterung seines Wahlprogramms die Sowjettruppen in seinem Land eine »Besatzungsarmee« genannt und die KP Lettlands eine »Partei von Kollaborateuren«. Ist das eine für Sie akzeptable Position? VILLA: Ich stimme voll und ganz zu. Das gilt auch für uns. TOOME: Wir können uns nur innerhalb der Grenzen politisch betätigen, die uns die Verfassung der UdSSR setzt. Aber es läßt sich darüber streiten, ob diese Verfassung in allen Punkten gut ist, inwieweit sie demokratisch verabschiedet wurde. Gegenwärtig gilt, daß die Armee in allen Republiken stationiert ist. Ihre Anwesenheit in Estland ist also nicht ungesetzlich. Aber auch diesen Bereich sollte die Umgestaltung nicht ausklammern. Und was »Kollaboration« angeht: Das läßt sich auch als Zusammenarbeit übersetzen. Quislinge sind wir jedenfalls nicht. Unser Land ist durch tausend Fäden mit der Sowjet-Union verbunden, und das bedeutet nolens volens Zusammenarbeit. Solange das allerdings nur nach dem Prinzip von Befehl und Unterordnung funktionierte, haben die Leute zu Recht gefragt: Was seid ihr eigentlich, die Handlanger Moskaus oder die Interessenvertreter Estlands in Moskau? SPIEGEL: Welche Art von Beziehungen streben Sie an? TOOME: Ganz andere, auf der Basis ehrlicher Partnerschaft. KALDA: Ausgangspunkt für jede Neuordnung muß die vollständige Annullierung des Ribbentrop-Molotow-Paktes aus dem Jahre 1939 und seiner politischen Folgen sein. SPIEGEL: Die Folge war 1940 die gewaltsame Eingliederung der drei baltischen Staaten in die Sowjet-Union. KALDA: Alles hängt davon ab, ob Moskau endlich anerkennt, daß damals eine Annexion unseres Staats stattgefunden hat. VILLA: Und wenn das zugegeben wird, folgt daraus ganz logisch, daß die Armee, die sich hier aufhält, natürlich eine Okkupationsarmee ist. Sie müßte sich zurückziehen, es würde sich eine neue Grenze herausbilden, und wir würden unsere Zukunft neu bestimmen. Juristisch gibt es eigentlich gar keine Estnische Sowjetrepublik, weil die Esten niemals darum gebeten haben, Mitglieder im Vielvölkerstaat Sowjet-Union zu werden. SPIEGEL: Was sagt der Ministerpräsident dazu? TOOME: Grundsätzlich einverstanden. Die Regierung der Sowjet-Union muß sich zu diesem Pakt, einem der verbrecherischsten Gewaltakte der Stalinschen Außenpolitik, endlich klar äußern. Die Forderungen meiner Regierung liegen in Moskau auf dem Tisch. Und natürlich muß dabei auch über das Jahr 1940 gesprochen werden: Da vollzog sich ja nur der zweite Akt in dem zwischen Hitleristen und Stalinisten verabredeten Schauspiel. SPIEGEL: Wenn morgen eine Volksabstimmung über die Frage stattfinden würde, ob Estland den Austritt aus der Sowjet-Union und danach einen Status wie Finnland anstreben sollte - wie fiele das Ergebnis wohl aus? VILLA: Betrachtet man es vom juristischen Standpunkt, dann kann man nicht irgendwo austreten, wo man nie eingetreten ist. Aber würde so ein Referendum nur unter Esten durchgeführt . . . SPIEGEL: . . . die inzwischen nur noch 60 Prozent der Bevölkerung im eigenen Land stellen. VILLA: Ja, dann würde sich eine überwältigende Mehrheit für den sofortigen Austritt aussprechen. TOOME: In einer so ernsten Frage möchte ich nicht den Propheten spielen. KALDA: Es spricht viel für die Meinung von Frau Villa, sie ist ganz logisch. VILLA: Alle gegenwärtigen Schwierigkeiten haben doch ihre Wurzeln darin, daß Moskau noch nicht bereit ist, den allmählichen Zerfall seines Imperiums zuzugeben. SPIEGEL: Haben Sie angesichts der schweren Konflikte, die sich da abzeichnen, nicht Angst vor schlimmen Rückschlägen, vielleicht sogar Rückfällen in die alte Gewaltpolitik? TOOME: Nein. Was jetzt geschieht, ist völlig normal. Nicht normal war die Vergangenheit. KALDA: Ich bin immer Optimist gewesen und glaube, daß der nüchterne Verstand der Esten ihr bester Ratgeber ist. VILLA: Aber es wäre dumm, die potentiellen Gefahren nicht zu sehen. Deshalb ist es für uns auch so wichtig, daß der Westen sich für unsere Situation interessiert. SPIEGEL: Glauben Sie denn, der Westen würde Ihnen beistehen, wenn es zu einem ernsten Konflikt mit Moskau käme? VILLA: Solche Hoffnungen zu hegen wäre ebenfalls dumm. Aber der Westen, der uns schon einmal verraten hat, könnte mit etwas mehr Energie versuchen, seine alten Sünden wiedergutzumachen. SPIEGEL: Wer von Ihnen wird am Abend des 26. März der Wahlsieger sein im Wahlkreis 461, dem südestnischen Voruland direkt an der Grenze zur russischen Nachbarrepublik? VILLA, TOOME, KALDA: Der oder die Beste. SPIEGEL: Herr Ministerpräsident, Frau Villa, Herr Kalda, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. Indrek Toome * ist seit November 1988 Ministerpräsident der estnischen Sowjetrepublik. Nach dem Studium an der Polytechnischen Hochschule in Tallinn und dem Besuch der Partei-Hochschule beim ZK der KPdSU machte er seine politische Karriere über den Jugendverband Komsomol. Mit Beginn der Perestroika rückte Toome, 46, erst zum stellvertretenden Ministerrats-Vorsitzenden, dann (1988) zum für Ideologie zuständigen Sekretär der estnischen Parteileitung und schließlich zum Ministerpräsidenten auf. Marika Villa ist eine der bekanntesten Journalistinnen in Estland. Für den Rundfunk berichtet Frau Villa, 45, seit 1984 aus Moskau - scharf und mit Biß. Nach dem Germanistik-Studium in Tartu war sie 1973 in die sowjetische Hauptstadt übergesiedelt, um Filmregisseurin zu werden. Während der Breschnew-Zeit weigerte sie sich beharrlich, Propagandafilme zu machen; ihre eigenen Szenarien bot sie vergeblich an, keines wurde verfilmt. Hillar Kalda ist »Verdienter Arzt« der estnischen Sowjetrepublik und Parteimitglied seit 1962. Der aus einer Bauernfamilie in seinem heutigen Wahlkreis Voru stammende Kalda baute in seiner Heimatstadt eine Klinik auf, die er bis 1986 als Chefarzt leitete. Der 57jährige gehört in Voru zur Parteileitung und gleichzeitig zum örtlichen Vorstand der estnischen Volksfront.
Jörg R. Mettke
Estlands Premier Indrek Toome und seine Gegenkandidaten Marika Villa und Hillar Kalda über die Sowjet-Wahlen
[ "Estland", "Moskau" ]
Politik
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1989-03-26T13:00:00+02:00
1989-03-26T13:00:00+02:00
https://www.spiegel.de/politik/das-monopol-der-kp-zersplittert-schon-a-3ce655bc-0002-0001-0000-000013495536?context=issue
»Mikrokosmos«.
Die Welt in einer Nußschale, hier wird sie uns aufgetan. Hier summt und brummt und kriecht und krabbelt sie in einer Vielfalt, daß man seinen Augen nicht traut. Das französische Biologenpaar Claude Nuridsany und Marie Pérennou, seit langem spezialisiert auf die Millimeterarbeit der Mikrofotografie, hat einmal alle Wissenschaft beiseite gelassen und in einem großen, geradezu lyrischen Film den Gang eines Sommertags auf einer südfranzösischen Wiese erzählt. Bienen, Wespen und Hummeln geben den Ton an, dazu kommen Raupen, Falter, Libellen, auch Spinnen und Wasserwanzen, Blattläuse und Schnecken. Nicht nur die exotische Schönheit dieser Mikrowelt setzt in Erstaunen, man entdeckt: Auch Insekten haben Humor.
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Kultur
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1996-11-03T13:00:00+01:00
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https://www.spiegel.de/kultur/mikrokosmos-a-39f8bc11-0002-0001-0000-000009115167?context=issue
Kostet Zeit
Eine menschenleere Halle, in der Maschinen die Arbeit verrichten: Roboter am Fließband, Roboter an den Werkzeugmaschinen, Roboter im Kontrollzentrum, im Lager, in der Versandabteilung und in der Qualitätskontrolle: So sah Joseph F. Engelberger vor dreißig Jahren die Fabrik der Zukunft. Der gerade dreißigjährige Tüftler handelte entsprechend und gründete Unimation, Amerikas Pionierfirma im Roboter-Bau. Engelberger hatte eine Welt vor Augen, wie sie in Science-fiction-Filmen beschrieben wird. Bewegliche und intelligente Automaten übernehmen nicht nur die Güterproduktion, sondern tauchen überall im täglichen Leben der Menschen als freundliche, dienstbare Geister auf: Roboter fahren Züge, regeln den Verkehr, reparieren Autos oder mähen daheim den Rasen und servieren das Frühstück. Die Vision schien Wirklichkeit zu werden, als 1975 die großen amerikanischen Autokonzerne Roboter gleich im Dutzend bestellten - zunächst bei Engelberger, dann auch bei den rasch hinzukommenden Mitbewerbern, die Nachfrage war so stürmisch, daß Engelberger eine kühne Prophezeiung wagte: »Wachstumsraten von über 30 Prozent werden jahrzehntelang normal sein für die Roboter-Branche.« Die Botschaft fand gläubige Anhänger. Brian Ford vom schwedischen Roboter-Bauer Asea sah den »Beginn einer Marktexplosion«. Der Roboter werde sich ähnlich schnell durchsetzen wie schon Jahre zuvor das Transistorradio oder der Taschenrechner. Das Wirtschaftsmagazin »Business Week« erkannte im Sommer 1980 »eine dramatische Wende auf dem Roboter-Markt« und prophezeite Fließbandarbeitern die baldige Entlassung. Doch dann kam alles ganz anders. Nachdem der pfiffige Engelberger das Geschäft mit seiner Wachstumsvorhersage tüchtig angeheizt hatte, verkaufte er sein Unternehmen 1983 an den Elektrokonzern Westinghouse. Dessen Manager mußten bald einsehen, daß sie keineswegs eine Goldgrube erworben hatten, sondern ein schwer auszubeutendes Bergwerk. Die Roboter-Revolution fand nicht statt, die Vision menschenleerer Fabriken, in denen stählerne Arbeitssklaven schuften, erfüllte sich nicht. In den Industriestaaten wurden zwar ganze Wirtschaftsbereiche mit immer komplizierteren Automaten ausgestattet, die Produktionsprozesse von der Blaupause bis zum fertigen Werkstück steuerten. Aber die eigentlichen Roboter-Maschinen, die nicht nur von einem Computerhirn gesteuert werden, sondern auch über bewegliche Arme ihre Arbeit verrichten, haben die Menschen noch längst nicht aus den Fabrikhallen vertrieben. In den USA arbeiteten Mitte der 80er Jahre lediglich 18000 Roboter, nicht 60000, wie die Optimisten unter den Fortschrittsfanatikern erwartet hatten. Bundesdeutsche Unternehmen nutzen inzwischen 12000 Roboter, die Ernüchterung schlug mittlerweile in Zweifel an der Roboter-Zukunft um. Nachdem in der Bundesrepublik so renommierte Unternehmen wie Jungheinrich und die Zahnradfabrik Friedrichshafen die Roboter-Produktion reduziert oder sogar aufgegeben hatten, gab Ende vergangenen Jahres Amerikas größter Roboter-Bauer GMF-Robotics, eine Tochtergesellschaft des US-Autokonzerns General Motors und des japanischen Maschinenbaukonzerns Fanuc, die Entlassung von 200 Arbeitern bekannt. _(Im Werk Bremen. ) »Der Umsatz unserer Branche«, prophezeite nun GMF-Präsident Eric Mittelstadt, »wird 1987 um ein Drittel schrumpfen.« Es scheint, als seien die stählernen Kollegen doch keine Alleskönner. Vielleicht aber war auch nur die erste Begeisterung verfrüht, die bundesdeutschen Roboter-Hersteller jedenfalls sehen die Lage gelassen. »Die 30-Prozent-Wachstumsraten haben wir ohnehin nie geglaubt«, sagt Wolf-Hartmut Prellwitz, Vorstandsvorsitzender der Industrie-Werke Karlsruhe Augsburg (IWKA), deren Tochterfirma Kuka einer der größten europäischen Roboter-Hersteller ist. Was sich heute in der Branche abspiele, sei eine ganz normale Konsolidierung. Jetzt würden alle aussteigen, die nur auf schnelles Geld aus waren, ohne genügend Investitionskapital für Forschung und Entwicklung oder das nötige Wissen zu besitzen. »Der Markt kommt in gemäßigte Bahnen«, schreibt das Fachblatt »Roboter": »Exoten und Forschungsgeld-Haie haben ihn verlassen.« Auch kleinere Firmen können vielfach im verschärften Wettbewerb nicht mithalten. Derzeit gibt es knapp 130 Roboter-Anbieter in Deutschland. Langfristig werden jedoch nach Ansicht aller Fachleute nur die Großen überleben: Bereits jetzt beliefern zwölf Firmen 80 Prozent des Marktes. Zu den Großen zählen vor allem die aus Schweden stammende Firma Asea und die Maschinenfabrik Reis aus Obernburg am Main. Zusammen beliefern sie etwa 70 Prozent der Kunden außerhalb der Automobilindustrie - den Markt mit den besten Wachstumschancen. Überleben werden vor allem auch jene Firmen, die kapitalstarken Konzernen gehören. »Wer nur Roboter baut, hat wenig Chancen«, sagt Ludwig Hahn Geschäftsführer der zum Siemens-Konzern gehörenden Roboter-Firma Manutec in Fürth. »Die Kunden brauchen ganze Fertigungssysteme, das übersteigt rasch die Möglichkeiten kleiner Bastelfirmen.« Solche Fertigungszellen sind heute die Kernstücke der industriellen Großproduktion. Motoren, Karosserieteile, Kunststoffbehälter und Formbleche werden in oft bungalowgroßen Anlagen montiert, verschweißt, gepreßt oder gegossen. Dabei sind Transportbänder, Greifer, Stanzer, Bohrmaschinen und Punktschweißvorrichtungen präzise aufeinander abgestimmt. Die Menschen, die in diesen stählernen Labyrinthen arbeiten, wirken wie Anhängsel der monströsen Apparatur. Neben den sich stets gleichförmig bewegenden Robotern machen sie den Eindruck verirrter Ameisen. Nach der ersten Begeisterung haben kleinere Roboter-Hersteller sehr schnell gemerkt, daß sie mit den großen Anlagenbauern nicht konkurrieren können. Es war relativ leicht, eine computergesteuerte Maschine zu bauen; aber komplette Anlagen, in denen Roboter ganz bestimmte Aufgaben von den Menschen übernehmen, konnten Bastelfirmen nicht liefern. Das Bild, das sich viele Anbieter zunächst von Robotern machten, war zu schlicht - da schienen manche zu sehr _(Mit Industrie-Robotern im Augsburger ) _(Kuka-Werk. ) von der Comic-Lektüre Ihrer Kindertage zu zehren: Gelenkige Maschinen, vielleicht sogar menschenähnlich, ersetzen den Arbeiter überall dort, wo dessen Tätigkeit aus sich ständig wiederholenden Handgriffen besteht. Am Fließband so die Vorstellung einiger früher Roboter-Bauer, verdrängt der Automat den Menschen. Diese naive Vorstellung vom Roboter als mechanischem Menschen überschätzte die Fähigkeiten der folgsamen Maschine bei weitem. Sie unterschätzte die komplizierten Produktionsverfahren in modernen Fabriken. Roboter sind keineswegs in der Lage, einfach die Arbeit eines Fließbandarbeiters oder eines Lackierers zu übernehmen. Vielmehr müssen Fließband oder Lackierkammer so umorganisiert werden, daß der stumme, aber letzten Endes doch dumme Helfer zurechtkommt. »Roboter-Einsatz erfordert ein Umdenken und Anpassen von Produkt- und Prozeßstruktur an die Möglichkeiten und Fähigkeiten der vorhandenen Industrie-Roboter« doziert Hans-Jürgen Warnecke, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung. Zum flexiblen Alleskönner wird der Roboter nämlich erst durch sein Umfeld, die »Peripherie«. Erst wenn der ganze Prozeß auf ihn eingestimmt ist, kann der mechanische Kollege seine Leistungsfähigkeit voll ausspielen. Eine Anlage zur automatischen Herstellung einfacher Aluminium-Container zum Beispiel erreicht leicht die Dimension einer Squash-Halle. Der Roboter ist zwar das Herzstück des eisernen Monstrums, aber er macht nicht einmal ein Fünftel des Anlagenwertes aus. Um die präzise Schweißtechnik des Roboters zu nutzen, müssen ihm die Containerteile stets millimetergenau und so gedreht und gewendet präsentiert werden, daß er seine Schweißbahnen immer von oben ziehen kann. »Der Roboter-Bau war hier der einfachste Teil«, erläutert Kuka-Direktor Stefan Müller. »Ohne unser Know-how über Schweißtechnik und Fertigungsanlagen hätten wir das gar nicht bauen können.« Die Roboter mit anderen Maschinen zu kombinieren ist eine überaus knifflige Angelegenheit. Das haben nicht nur viele Hersteller unterschätzt, sondern auch die Anwender die in der Euphorie der frühen 80er Jahre den Roboter als billigen Arbeiter-Ersatz ansahen. Die Unternehmen konnten zwar verhältnismäßig preiswerte Fertigungsautomaten einkaufen, aber wer sie gewinnbringend nutzen wollte, mußte viel Geld nachschießen: für Computerprogramme, die dem Roboter seine Aufgaben mitteilen, und vor allem für das Arbeitsplatz-Umfeld, das den Roboter so mit Material und Werkzeugen versorgt, daß er selbständig arbeiten kann. Die hohen Kosten des Roboter-Einsatzes verschreckten viele, die sich schon als Nutznießer der neuen Technik gesehen hatten, die Bekleidungsindustrie etwa schien für den Roboter-Einsatz überaus geeignet zu sein: Hochgeschwindigkeitsnähmaschinen, von Robotern bedient und mit den jeweils gewünschten Stoffteilen versorgt, könnten die Produktivität der Arbeit beträchtlich erhöhen. Doch der Branche, die seit Jahrzehnten ums schiere Überleben kämpft, fehlt das Geld für solche Investitionen. Doch selbst da, wo das Geld vorhanden wäre, kann der Roboter nicht einfach den Menschen aus der Fabrikhalle schubsen. Weil das Gerät nicht nur alte Probleme löst, sondern auch neue schafft, ist die Kaufbereitschaft gedämpft, die Vermarktung der stummen Alleskönner bleibt weiterhin ein zähes Geschäft. Der Roboter erzwingt ein völlig neues Verhältnis zwischen Anbieter und Anwender. Lieferte früher der Maschinenbauer nach klaren Vorgaben des Käufers, so muß heute die Kooperation mit dem potentiellen Kunden sehr viel enger sein. Der Roboter-Nutzer muß den Ablauf seines Produktionsprozesses und sogar das Aussehen und das Innenleben seines Produktes offenlegen, damit der Roboter-Hersteller ihm eine Problemlösung per Automat anbieten kann. Da hat mancher Kunde doch Bedenken, seine argwöhnisch gehüteten Produktionsgeheimnisse zu offenbaren. Die Autoindustrie vor allem hat die Chance dennoch genutzt. »Das Cockpit des neuen Opel Omega«, erzählt Kuka-Chef Müller, »ist von vornherein so konzipiert worden, daß es von Robotern durch die Frontscheibenöffnung eingebaut werden kann.« Traditionelle Armaturenbretter, wie sie seit Jahrzehnten konstruiert werden, waren zur Roboter-Montage ungeeignet. »Die sind normalerweise so zerklüftet und fransig«, sagt Müller, »daß nur Menschen sie einbauen können, ohne laufend irgendwo anzustoßen und hängenzubleiben.« Roboter brauchen einfache _(unten: Roboter für die ) _(Autoproduktion begrüßt Besucher zum ) _(Firmenjubiläum der Adam Opel AG in ) _(Rüsselsheim. ) _(Oben: »Krieg der Sterne«; ) Bausteine, die leicht montiert werden können. Auch BMW sah sich genötigt, die Türen seiner Wagen völlig neu zu konstruieren, damit sie von Robotern zusammengebaut werden können, die Roboter können nicht hinter Verstärkungen und Blenden schrauben und biegen. Jetzt wird eine Schicht der Türen nach der anderen bearbeitet. So kann der Roboter-Hersteller nicht einfach Lieferant sein, er wird zum Partner seines Kunden. »Es ist unausweichlich, daß die Autofirmen uns frühzeitig in die Geheimnisse ihrer Modellpolitik und Produktgestaltung einweihen«, sagt ein Roboter-Manager. »Die Gestaltung der Endprodukte und die Planung ihrer Herstellung muß mit den Roboter-Herstellern gemeinsam erfolgen, damit von Anfang an robotergerecht konstruiert wird.« Zu solcher Kooperation von Fertigungsingenieuren, Produktentwicklern und Roboter-Bauern sind natürlich am ehesten diejenigen in der Lage, die schon immer viel über Produktionsprozesse und deren Mechanisierung und Rationalisierung nachdachten: die großen Autokonzerne. Bei Daimler-Benz beschäftigt sich mit der Entwicklung. Beschaffung und Einführung automatisierter Fertigungssysteme eine 500 Mitarbeiter starke Abteilung, fast schon eine Fabrik in der Fabrik. Außerhalb der Autobranche freunden sich die Firmen schwerer mit den automatisierten Helfern an. Erst allmählich erkennen die Unternehmen, was die neue Technologie ihnen bringen kann und wie sie sich darauf vorbereiten müssen. Bei IBM Deutschland werden seit 1983 Roboter in der Produktion von Elektronikbausteinen eingesetzt. Um die Fähigkeiten der neuen Technik zu erkennen und auszunutzen, schult der Büromaschinen-Multi seitdem auf seiner Brüsseler Führungsakademie das mittlere Management in Roboter-Technologie. »Unsere Ingenieure müssen lernen, wo die Vorteile in der Fertigung mit Robotern liegen«, sagt Günther Schlappa, Chef der deutschen IBM-Produktion. »Auch wir mußten das Denken und Planen unserer Mitarbeiter und des Managements erst auf den Roboter lenken.« Andere Firmen stoßen, wenn sie über Roboter-Nutzung nachdenken, schnell an die Grenzen ihrer Ingenieurskapazität. Es fehlt zunächst meist an Erfahrung, wie Roboter so in die Produktion eingebaut werden können, daß sie das Geld auch wieder hereinbringen. Oft rechnet sich das erst sehr viel später. Manchem Chef eines kleinen oder mittleren Unternehmens ist das zu später verzichtet lieber auf das modische Gerät oder wartet vorsichtig ab. »Wir müssen immer wieder auf einzelne Kunden zugehen und sie gewinnen«, klagt Helmut Pirot, bis vor kurzem Chef der deutschen Unimation. »Wir müssen Lösungen anbieten, Vertrauen gewinnen und Schulungen durchführen. Das kostet viel Zeit.« Roboter erscheinen vielen noch als Science-fiction-Wesen. Ihre Funktionsweise ist unklar, ihr Nutzen nicht genau erkennbar. So zögern die Produktionsplaner den Einsatz hinaus. Die Roboter-Bauer versuchen deshalb, ihre Geräte noch bedienungsfreundlicher zu gestalten. »Wir werden die Hemmschwelle jetzt weiter abbauen durch bessere Wartungsmöglichkeiten unserer Roboter«, verkündet Walter Reis, dessen mittelständisches Unternehmen in den letzten Jahren zu einem der Branchenführer aufrückte. Im April stellte Reis auf der Hannover-Messe ein Programm vor, mit dessen Hilfe jeder Betriebsingenieur selbständig Reparaturen und Wartungsarbeiten am Roboter durchführen kann. Er benötigt lediglich einen tragbaren Personal-Computer und die Reissche Software. Im Frage-Antwort-Spiel führt das sogenannte Experten-System den Laien vom Fehler zur Fehlerquelle und gibt detaillierte Reparaturanweisungen. »Jetzt kann der Mann, der mit dem Roboter arbeitet, auch die Reparaturen ausführen«, sagt Reis. »Das spart Servicekosten und senkt die Stillstandszeiten.« Die Roboter sollen auch »schlauer« werden. Bislang müssen die Nutzer viel Geld in Geräte investieren, die der gelenkigen Maschine die zu bearbeitenden Werkstücke präzise zuführen. Auf der Hannover-Messe wurden Roboter präsentiert, die ungeordnet auf einem Förderband liegende Materialien über optische Sensoren erkennen und dann das passende Teil greifen können. Solchen flexiblen, intelligenten Robotern scheint ein großer Absatzmarkt auch in schwierigeren Zeiten sicher. Noch müssen die Roboter-Hersteller darum kämpfen, daß ihre teuren Automaten als verläßliche und kostengünstige Lösungen für Produktionsprobleme akzeptiert werden. Hilfreich ist die Spezialisierung auf bestimmte Absatzfelder und der daraus folgende enge Kontakt zu den Abnehmern. Dabei wählen die einzelnen Firmen ganz unterschiedliche Strategien. Während Kuka weiterhin auf die Autobranche setzt und dort noch genügend Absatzmöglichkeiten sieht, orientieren sich die meisten anderen Roboter-Hersteller auf andere Branchen: Manutec etwa auf die Elektroindustrie, IBM kurzfristig auf Reinraum-Roboter, die unter Laborbedingungen Elektronikbausteine herstellen können, die Hamburger Werft Blohm + Voss setzt auf Schwerlast-Roboter, der Stuttgarter Elektrokonzern Bosch auf Montage-Roboter für kleine Gewichte, Cloos in Haiger, Spezialist für Schweißtechnik, auf Lichtbogen-Schweiß-Roboter. Die Spezialisierung der Roboter-Hersteller ist relativ neu. Im nächsten Schritt zielt sie auf bestimmte Handhabungskünste der einzelnen Roboter-Familien. Die Geräte sollen immer mehr Feinarbeiten erledigen, im Erkennen, Sortieren, Bearbeiten. Den alten Traum vom willfährigen, universell einsetzbaren Sklaven in Gestalt einer Maschine wird der Roboter dennoch so bald nicht erfüllen. Doch merkwürdige Visionen stimuliert das Maschinenwesen auch heute noch: In Japan nahm vor wenigen Tagen eine Kommission ihre Arbeit auf, die klären soll, warum Roboter plötzlich Menschen angriffen und töteten.Im Werk Bremen.Mit Industrie-Robotern im Augsburger Kuka-Werk.unten: Roboter für die Autoproduktion begrüßt Besucher zumFirmenjubiläum der Adam Opel AG in Rüsselsheim.Oben: »Krieg der Sterne«;
Die zunächst als Job-Killer gefürchteten Roboter setzen sich in der Industrieproduktion nur langsam durch. Sie sind noch nicht raffiniert genug und für viele Firmen zu teuer. *
[ "Kuka", "Kuka", "IBM" ]
Wirtschaft
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1987-06-07T13:00:00+02:00
1987-06-07T13:00:00+02:00
https://www.spiegel.de/wirtschaft/kostet-zeit-a-93baf6e4-0002-0001-0000-000013523316?context=issue
Wahls Fach
Montags kommt er nicht ins Büro:Manfred P. Wahl, 39, stellvertretender Generaldirektor der IBM Deutschland, vertauscht dann seinen Managersessel mit einem Lehrstuhl an der Technischen Hochschule Karlsruhe. Dort unterrichtet er über Unternehmensführung. Wahl ist der erste und einzige deutsche Unternehmer, der Management nicht nur praktiziert, sondern darüber auch Vorlesungen hält.Uhu- und badedas-Fabrikant Manfred Fischer im mittelbadischen Bühl stiftete Ende vergangenen Jahres der TH Karlsruhe den ersten Gastlehrstuhl für Unternehmensführung und stattete ihn mit einer Jahresspende von 50 000 Mark aus. Promotion und Habilitation sind laut Mäzen Fischer nicht vonnöten, wohl aber soll den Bewerbern ein »guter Ruf« aus ihrer unternehmerischen Tätigkeit vorausgehen. Verlangt wird auch die Fähigkeit, »einen Stoff klar und systematisch zu bringen«. Darauf ging der Ordinarius für Betriebswirtschaft in Karlsruhe, Professor Dr.-Ing. Hans Blohm, gern ein. Blohm war vor seiner Habilitation von 1952 bis 1960 bei Osram in München selbst industrieller Praktiker. Blohm fand Wahl, und Stifter Fischer stimmte zu. Der Gastdozent kann aus einem reichhaltigen Wissens- und Führungsfundus schöpfen:Wahl studierte in seiner Vaterstadt Stuttgart Volkswirtschaft, besuchte in Lausanne einen Lehrgang für Unternehmensführung, arbeitete in Paris als IBM-Gebietsleiter, war in New York Boß der Verkaufsplanung der IBM World Trade Corporation und erklomm 1964, in seine schwäbische Heimat zurückgekehrt, den Sessel des stellvertretenden Generaldirektors bei der deutschen IBM-Filiale. Er gewann in diesen Jahren die Erkenntnis, »daß man weite Gebiete der Unternehmungsführung heute lernbar darstellen kann«. Folgerichtig trichtert er den 40 Studenten der höheren Semester, die zu seinen Vorlesungen und Übungen kommen, mehr Tatsachen als Theorien ein.In den Übungen ließ Wahl seine Hörer Chef spielen. Er teilte die Laienspielschar in vier Gruppen auf, die sich in getrennten Räumen als Firmen niederließen. Als Jetons gab Wahl allen Unternehmen das gleiche Produkt, den gleichen Marktanteil und gleich viel Kapital. Dann durften die Direktions-Simulanten frei entscheiden.Zweck der Übung war, die Konkurrenz etwa durch Mehrproduktions Verbesserung des Vertriebs, durch Preissenkungen oder verstärkte Werbung wegzubeißen. Jede Unternehmer-Runde währte von Montag bis Montag und entsprach dem Betriebsablauf eines Vierteljahres. Ihre Spielzüge trugen die jungen Führungskräfte in Formulare ein. Jeden Montag sammelte Wahl die Geschäfts-Papiere ein. In Stuttgart ließ er sie auf Lochkarten übertragen und in einen IBM-Computer stecken. Die Gehirnmaschine ermittelte sodann den Stand des Spiels. Sie rechnete etwa aus, wie sich die einzelnen Entscheidungen auf Marktanteile und Gewinn auswirkten. Bereits am Mittwoch wußte jede Gruppe, ob ihre Entschlüsse der Vorwoche dem Unternehmen genützt hatten. Sodann begann die nächste Runde im Karlsruher Monopoly.Nach vier Wochen verließ eine der vier Gruppen die Wahlstatt als Sieger: Sie hatte durch reges Marketing und konsequente Preispolitik neun Millionen Mark Gewinn gemacht - doppelt soviel wie das nächste Team. Freilich bekommen die Studenten für das Firmen-Spiel ebenso wie für die Teilnahme an den Wahl-Vorlesungen weder Diplome noch Scheine. Es sei, so der Gastdozent, nicht der Zweck des Lehrstuhls, »verbriefte Generaldirektoren zu produzieren«. Wahl würde aber, wie er sagt, »10 bis 15 von den 40 jungen Leuten sofort einstellen, wenn sie sich nach dem Studium ganz normal bei IBM bewerben«.Im Wintersemester konzentrieren sich die Studenten jetzt auf Personalpolitik, -führung und -ausbildung. Wahl hat sich während der Semesterferien in den USA über neue Erkenntnisse auf diesen Sachgebieten informiert. Personalpolitik trieb unterdessen auch Professor Blohm - jetzt Dekan der Natur- und Geisteswissenschaftlichen Fakultät der TH Karlsruhe - für die Zeit nach Wahl. Er schrieb »einen ziemlich großen Kreis von Herren« an, ob sie nicht die Karlsruher Gastdozentur übernehmen möchten. Ein halbes Dutzend der Adressaten zeigte sich interessiert.Wahls Nachfolger wird im nächsten Sommersemester ein renommierter Betriebsberater: Dr.-Ing. Otto Bredt, 77, Inhaber der hannoverschen »Gesellschaft für Wirtschaftsorganisation und Wirtschaftsberatung mbH«.Blohms Zukunftspläne: »Wir würden gern auch mal für ein Semester einen Herrn wie Krupp oder Beitz oder Oetker nehmen.« Manager-Dozent Wahl (M., stehend), Karlsruher Studenten: Monopoly im Studienplan
[ "Karlsruhe", "IBM" ]
Politik
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1965-12-07T13:00:00+01:00
1965-12-07T13:00:00+01:00
https://www.spiegel.de/politik/wahls-fach-a-9e541a34-0002-0001-0000-000046275318?context=issue
Esther Haase: "Esther's World" - Die Lieblingsbilder der Modefotografin
Esther Haase weiß, wie sie mit der Kamera umgehen muss. Sie hat Angela Merkel, Karl Lagerfeld und Vivienne Westwood fotografiert, ließ Ursula Karven im "'Playboy" zehn Jahre jünger erscheinen, und die Patienten einer ambulanten Pflegestation in Berlin strahlen auf ihren Fotos als ob sie nicht weit über 80, sondern wesentlich jünger wären. In der Regel arbeitet Haase dafür mit einer Kleinbild- oder Mittelformatkamera. Das macht sie so gut, dass sie seit mehreren Jahren zu den Stars der Mode- und Werbefotografie gehört. Die in ihren Augen schönsten Aufnahmen hat die gebürtige Bremerin nun in einem Bildband zusammengestellt. Ihr Lieblingsmotiv sind Frauen - mal sexy, mal frivol, sinnlich, auch plakativ, aber nie explizit. Haases Werk durchzieht eine Leichtigkeit, ihre Models inszeniert sie dabei aber stets als selbstbestimmte und starke Personen. Es geht ihr darum, Geschichten zu erzählen, mittels Bewegungsunschärfen, lyrisch-zarten oder knalligbunten Farben, oft auch in schwarz-weiß. "Mein Leben ist ein Tanz mit der Kamera durch die Welt", sagt die 51-Jährige über ihr Schaffen. Was zunächst wie schönstes PR-Deutsch klingt, macht Sinn, wenn man weiß, dass Esther Haase bei ihren Shootings sich tatsächlich wie eine Ballerina über das Set bewegt. Diese Leichtfüßigkeit hat sie aus ihrer Ausbildung zur Balletttänzerin mitgenommen. Aus ihrer Erfahrung als Choreografin stammt die Fähigkeit, Szenen wie Bühnenbilder auszuleuchten, weshalb manche ihrer Fotos cineastisch anmuten. "Ihre Bilder sind zeitlos und funktionieren außerhalb ihres Entstehungskontextes. Das ist es für mich, was ein gutes Bild ausmacht", schreibt F. C. Gundlach im Vorwort zu "Esther's World". Gundlach muss es wissen, nicht nur als einer der stilbildenden deutschen Modefotografen, sondern auch als einer von Haases Förderern. 1999 hatte er die erste Ausstellung der Fotografin ermöglicht. 17 Jahre später, zu Gundlachs 90. Geburtstag, machte sie 90 Bilder von ihrem Förderer. Neben Karl Lagerfeld ist er einer der wenigen Männer, die das von sich behaupten können.
löw
Esther Haase gehört zu den wichtigsten deutschen Modefotografinnen. Ihr Lieblingsmotiv sind Frauen - sinnlich, auch plakativ, aber nie explizit. Ein neuer Bildband zeigt ihre besten Aufnahmen.
[ "Fotografie" ]
Stil
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2017-10-03T18:51:00+02:00
2017-10-03T18:51:00+02:00
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Boxen: Marco Huck verliert gegen Oleksandr Usyk
Der Ukrainer Oleksandr Usyk hat seinen WBO-WM-Titel im Cruisergewicht durch technischen K.o. in der zehnten Runde gegen Marco Huck verteidigt. Damit zieht der Ukrainer ins Halbfinale der "World Boxing Super Series" ein, des mit 50 Millionen Dollar dotierten Turniers um die "Muhammad Ali Trophy". Usyk war von Beginn an der klar bessere Mann, bestimmte das Tempo und landete immer wieder harte Treffer. Ex-Weltmeister Huck probierte zwar viel, fand aber kein Mittel gegen den wesentlich schnelleren und taktisch besseren Ukrainer. Das Ende kam nach 2:18 Minuten der zehnten Runde. Usyk kam mit seiner starken linken Schlaghand durch und trieb Huck vor sich her. Als der Deutsche zu viele Treffer nehmen musste, ging Ringrichter Robert Byrd dazwischen und brach den ungleichen Kampf ab. Für Huck war es die dritte Niederlage in den letzten fünf Kämpfen. Der 32-jährige Ex-Weltmeister sollte möglicherweise darüber nachdenken, seine Karriere zu beenden. "Ich habe einfach nicht zu meinem Kampf gefunden", sagte Huck. "Vielleicht war der Druck einfach ein bisschen zu groß." Auf den ungeschlagenen Usyk warten dagegen noch eine Reihe großer Kämpfe und hoher Börsen. Im Halbfinale der "World Boxing Super Series" trifft er im Januar oder Februar 2018 auf den Sieger des Duells zwischen dem lettischen WBC-Weltmeister Mairis Briedis und dem ehemaligen Schwergewichtler Mike Perez aus Kuba, die am 30. September in Riga gegeneinander boxen.
mmm
Zum Auftakt des 50-Millionen-Dollar-Turniers um die "Muhammad Ali Trophy" hat sich Oleksandr Usyk erwartungsgemäß gegen Marco Huck durchgesetzt. Damit ist der Deutsche schon in der ersten Runde ausgeschieden.
[ "Kampfsport", "Boxen" ]
Sport
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2017-09-10T00:11:00+02:00
2017-09-10T00:11:00+02:00
https://www.spiegel.de/sport/sonst/boxen-marco-huck-verliert-gegen-oleksandr-usyk-a-1166955.html
Pressestimmen: "Historisches Datum für Frankreich"
"Liberation" (Frankreich): "Endlich ist eine Frau in der Position, die Präsidentenwahl zu gewinnen! Das Datum ist historisch und das Verdienst kommt den Sozialisten zu. (...) Segolene Royal ist für Innenminister Nicolas Sarkozy am schwersten zu schlagen. Er propagierte den "Bruch", doch sie verkörpert ihn besser als er. Er sah den Kampf gegen die Unsicherheit als sein Monopol an, doch sie macht ihm dieses Monopol streitig. Er beunruhigt, sie versichert. Man kann gut verstehen, dass er sich lieber einen klassischen Gegner gewünscht hätte. Ségolène Royal steht das Schwerste aber noch bevor. Auf sie kommt eine große Verantwortung zu: die Führerin der Linken zu sein. Ihr obliegt es jetzt, ihre gespaltene Partei zu einen und die Wähler zu sammeln. Ohne etwas von dem Einzigartigen aufzugeben, das ihren Erfolg ausmacht: eine neue Sprache in der Politik zu sprechen." "Le Figaro" (Frankreich): "Man darf sich nicht täuschen: Segolene Royal wird für die Rechte eine fürchterliche Widersacherin sein. Ihr größter Trumpf, daran muss man erinnern, ist, dass sie eine Frau ist. Darin liegt das Versprechen einer Erneuerung, dessen Einhaltung die Wähler sicher sein können. Und das ihre männlichen Gegner zwingt, den rechten Ton zu finden, um sie zu schlagen. Ihr zweiter Trumpf ist ihr bisheriges Vermögen, sich von gewissen sozialistischen Vulgärpositionen zu befreien. Doch was heute ihre Stärke angesichts der traditionellen Linkswählerschaft ist, kann morgen zu ihrer Niederlage im eigenen Lager führen. Um im zweiten Wahlgang der Präsidentenwahl gewählt zu werden, braucht Segolene Royal die Stimmen der Grünen, der KPF und der Trotzkisten. Alleine mit dem Vorzeigen des Schreckgespenstes Innenminister Nicolas Sarkozy wird sie diese nicht davon überzeugen können, dass ihre "gerechte Ordnung" revolutionär ist. Wird sie in der Lage sein, das Unversöhnliche zu versöhnen? Ein Blick auf den Ablauf des Vorwahlkampfes zeigt, dass sie zweifellos zerbrechlicher ist, als es erscheint." "Kommersant" (Russland): "Segolene Royal ist nicht klassisch links, man nennt sie eine Realistin. Darin ähnelt sie sogar ihrem Konkurrenten Nicolas Sarkozy. Beide können notfalls auch außerhalb des eigenen Feldes spielen. Von allen sozialistischen Kandidaten hat nur Royal es sich erlaubt, die Weisheit der 35-Stunden-Woche anzuzweifeln, die von links erdacht und von Rechts kritisiert wurde. Sie gilt als linksliberal. Erstaunlich, dass ausgerechnet diese Mischung bei den linken Franzosen am meisten gezogen hat. Entweder ändert Frankreich sich oder die Linke." "Corriere della Sera" (Italien): "Segolene Royal hat bei den Vorwahlen einen Erfolg errungen, an den viele Monate scheinbar nur sie selbst geglaubt hat: Ihre Kandidatur für die Sozialistische Partei bei den Präsidentschaftswahlen im nächsten Frühjahr. (...) Von heute an beginnt für Segolene Royal eine andere Schlacht. Während sie durch die öffentliche Meinung unterstützt und durch das Votum der Vorwahlen legitimiert ist, muss sie nunmehr die internen Rivalitäten beenden, die Partei einigen und eine breitere Allianz schaffen, damit sich die sozialistische Kandidatur in einen Bannerträger für die gesamte Linke verwandelt. Ein schwieriges Unternehmen, vor allem angesichts der Tatsache, dass eine eigenständige Teilnahme am ersten Präsidentschafts-Wahlgang von vielen kleinen Parteien und politischen Bewegungen so etwa wie die Olympischen Spiele angesehen wird: Dabeisein ist alles." als/dpa
Als "fürchterliche Widersacherin" der Rechten sieht "Le Figaro" Segolene Royal, die zur Präsidentschaftskandidatin der Sozialisten gekürt wurde. Ein Auszug aus den Kommentaren der französischen und internationalen Presse.
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2006-11-17T08:59:18+01:00
2006-11-17T08:59:18+01:00
https://www.spiegel.de/politik/ausland/pressestimmen-historisches-datum-fuer-frankreich-a-449066.html